karriereführer handel / e-commerce 2020.2021 – Sinnfrage erzeugt Dynamik in neuer Dimension

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Cover karriereführer handel ecommerce 2020-2021

Sinnfrage erzeugt Dynamik
in neuer Dimension

Megatrends wie die Digitalisierung, demografischer Wandel oder Klimaschutz haben schon vor Corona für große Umbrüche im Handel gesorgt. Die Pandemie hat den Wandel nun noch einmal deutlich verstärkt. Zu den Profiteuren zählen Unternehmen, denen es gelingt, die diversen Trends so zu bündeln, dass für die Konsumenten ein Sinn erkennbar wird. Gefragt sind hier Nachwuchskräfte, die bereit sind, alte Denkmuster abzulegen und neue Initiativen zu starten.

Sinnfrage erzeugt Dynamik in neuer Dimension

Megatrends wie die Digitalisierung, demografischer Wandel oder Klimaschutz haben schon vor Corona für große Umbrüche im Handel gesorgt. Die Pandemie hat den Wandel nun noch einmal deutlich verstärkt. Zu den Profiteuren zählen Unternehmen, denen es gelingt, die diversen Trends so zu bündeln, dass für die Konsumenten ein Sinn erkennbar wird. Gefragt sind hier Nachwuchskräfte, die bereit sind, alte Denkmuster abzulegen und neue Initiativen zu starten. Von André Boße

Plötzlich waren Mitte März die Geschäfte geschlossen. Nicht nur sonntags, sondern auch an ganz normalen Werktagen. Geöffnet hatten nur noch die Läden, die die Grundversorgung sichern. Und Baumärkte. Für Deutschland war das ein bis dahin unvorstellbares Szenario, ermöglicht von einem Virus, von dem Wissenschaft und Politik im Frühling 2020 noch nicht genau wussten, wie es sich verbreitet. Der Lockdown war eine Maßnahme aus Vorsicht. Der Handel hatte sich, wie viele andere Bereiche auch, der Entscheidung zu beugen. Ein halbes Jahr später sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, mit dem heutigen Wissen über Covid-19 werde es nicht mehr zu einem derartigen Shutdown des Handels kommen. Das sind natürlich erst einmal gute Nachrichten, weil sie besagen, dass die gelernten Hygiene- und Abstandsregelungen ausreichen, um die Konsumenten und die Arbeitenden im Handel zu schützen. Dennoch: Der Schaden ist natürlich da. Er basiert nicht nur auf den konkreten Umsatzausfällen in den Schließzeiten, sondern auch den folgenden häufig mauen Wochen im Frühsommer, in denen viele weder die Nerven noch das Geld hatten, sich wieder auf Shoppingtour zu begeben.

Corona-Boost für E-Commerce

Der große Sieger dieser Pandemie ist daher der Online-Handel. Eine Marktanalyse des E-Commerce-Verbandes bevh zeigt, dass die Handelsunternehmen mit Online-Geschäften im ersten Halbjahr 2020 gut neun Prozent mehr Umsätze erzielt haben, als es ein Jahr zuvor der Fall war. Ein Bereich, der sowieso seit Jahren ständig wächst, hat also noch einmal einen Schub bekommen – und zwar insbesondere in den von der Pandemie stark beeinflussten Monaten April bis Juni. „E-Commerce hat sich im zweiten Quartal 2020 nachhaltig als zusätzliche Versorgungsinfrastruktur etabliert“, sagt Christoph Wenk-Fischer, bevh-Hauptgeschäftsführer. Das zeige sich nicht nur an den absoluten Zahlen, „sondern auch am erklärten Willen der Konsumenten, auch künftig mindestens so viele, wenn nicht mehr Güter des täglichen Bedarfs und Medikamente online zu kaufen.“ In einer zusätzlichen Befragung des Verbands gab mehr als die Hälfte der Befragten an, aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Krise künftig mehr online bestellen zu wollen. Bei den Lebensmitteln wollen 21,6 Prozent künftig auch online ordern, auch in den Bereichen Pharma, Drogerie und Tierbedarf steigt die Bereitschaft zum E-Commerce.

Deutsche entdecken digitales Bezahlen

Im Vergleich zu den europäischen Nachbarn galten die bundesdeutschen Konsumenten lange als digitale Bezahlmuffel, die weiterhin aufs Bargeld schwören, statt neue Payment- Methoden via Karte oder Smartphone zu nutzen. Nun stellt der Digitalverband Bitkom einen starken Wandel fest, ausgehend von den Hygieneüberlegungen im Zuge der Pandemie: „Es gibt kaum ein Verhaltensmuster, das durch Corona ähnlich stark verändert wurde wie das Bezahlen an der Kasse“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg zu den Ergebnissen einer Studie aus dem Sommer 2020, die zeigt, dass drei Viertel der Befragten versuchen, Zahlungen mit Bargeld so oft es geht zu vermeiden. „Zugleich wünschen sich sieben von zehn Befragten, mehr Möglichkeiten, um kontaktlos bezahlen zu können“, wie der Verband in einer Pressemitteilung schreibt.

Belegen lassen sich diese Zahlen durch einfache Alltagstests: Wer heute bei älteren Verwandten nachfragt, ob sich während der Corona-Krise ihr Einkaufsverhalten geändert hat, wird in vielen Fällen erfahren, dass es zu den Premieren des Jahres 2020 gehört, erstmals den Lieferservice des Supermarkts, den Online-Dienst des lokalen Buchladens oder das Angebot eines E-Commerce-Riesens genutzt zu haben. Was auffällt: Die Mischung macht’s. Zu den Profiteuren zählen eben nicht ausschließlich die Handelsunternehmen, die eh eine große Marktmacht besitzen, auch eine Reihe von kleineren Händlern vor Ort berichten davon, dass der Online-Handel sie in dieser schweren Zeit nicht nur über die Runden gebracht, sondern auch neue Potenziale aufgezeigt hat.

Mit alten Mustern brechen

So lässt sich bei allen Problemen und den nicht zu vermeidenden Insolvenzen einiger Handelsunternehmen auch ein zuversichtliches Zwischenfazit in dieser Ausnahmesituation ziehen. Theresa Schleicher hat genau dies in ihrem neuen „Retail Report 2021“ getan. Die Geschäftsführerin des Consultingunternehmens VORN Strategy verfasst als Retail-Beraterin seit 2015 jährlich für das Zukunftsinstitut diese einflussreichen Reports über Entwicklungen und Veränderungen in der Handelslandschaft. Schon im Vorwort ihrer aktuellen Analyse macht die Autorin deutlich, wie sehr sich diese Publikation von den bisherigen Reports unterscheidet: In ihren Gesprächen mit Händlern sprach Theresa Schleicher über echte Existenzängste. Und doch fällt ihr Resümee optimistisch aus: „Es bewegt sich etwas. Neue Kräfte werden frei, weil der Handel aus alten Mustern ausbrechen muss.“

Eines dieser Muster ist die Eigenart des Handels, sich in bestimmten Bereichen als Einzelkämpfer zu sehen und die Unterscheidung zwischen Händler und Kunde zu manifestieren, statt sich Gedanken darüber zu machen, diese Beziehung neu zu denken. Corona habe dafür gesorgt, dass dieses häufig lähmende Muster an Kraft verliert: „Große und kleine Händler arbeiten zusammen“, schreibt Theresa Schleicher, „Kunden und Kundinnen initiieren Hilfsprogramme und bieten Unterstützung, unterschiedliche Branchen finden gemeinsame Wege. Plötzlich werden verkrustete Blockaden gelöst, Vorurteile und Konkurrenzdenken über Bord geworfen, wird gemeinsam nach Lösungen gerungen.“

Unterschiedliche Vertriebswege, verschiedene Touchpoints und Kommunikationskanäle haben die Unternehmen resilienter und adaptionsfähiger für überraschende Krisensituationen gemacht.

Diversität steigert Resilienz

Diese neue Lösungskompetenz im Handel werde auch nötig sein, denn eines sei klar, schreibt die Retail-Expertin: „Eine Rückkehr zum business as usual wird es nicht geben. Zu sehr hat sich das Konsumverhalten der Menschen durch die Krise geändert.“ Schließlich habe die Krise die „größten Painpoints des Handels“ offengelegt, die Punkte also, an denen einige Akteure der Branche schmerzlich erfahren müssen, die notwendigen Schritte des Wandels bisher nicht unternommen zu haben. Theresa Schleicher stellt fest: Wer auch heute noch in der Kategorie „stationärer versus Online-Handel“ denkt, nehme sich in der Krise viele Möglichkeiten, das Geschäft den ungewöhnlichen Begebenheiten anzupassen. „Unterschiedliche Vertriebswege, verschiedene Touchpoints und Kommunikationskanäle haben die Unternehmen dagegen resilienter und adaptionsfähiger für überraschende Krisensituationen gemacht“, schreibt die Autorin des Reports.

Lieferservice – aber sozial und ökologisch

Egal, welche Art von Produkt man sich als Konsument liefern lässt, noch meldet sich zuverlässig das schlechte Gewissen, um nachzuhaken, wie klimaschädlich diese Lieferung ist und ob der Lieferant angemessen bezahlt wird. Weil nach und nach alle Bereiche des Handels und der Dienstleistungen ihren ökologischen und sozialen Input offenlegen, wird der Online-Handel schon bald in Teilbereichen auf neue Arten des Lieferservices setzen, der nicht nur schnell und zuverlässig ist, sondern das Klima schützt und die Mitarbeiter angemessen bezahlt. Ideen sind hier, Privat- oder Dienstfahrten mit Lieferungen zu kombinieren oder in den Städten „Zwischenlager“ zu etablieren, damit immer mehr Kuriere den letzten Kilometer zum Kunden mit dem Rad zurücklegen können.

Die Krise wirke also in zahlreichen Fällen als Trendbeschleuniger: „Der E-Commerce wird befeuert, digitale Technologien dienen als Instrument, um mit Konsumentinnen und Konsumenten Kontakt aufzunehmen, bargeldlose und kontaktlose Bezahlverfahren setzen sich mehr und mehr durch, die Glokalisierung und Local Commerce erleben einen neuen Aufschwung.“ Zu besonders interessanten neuen Akteuren werden in dieser Hinsicht Plattformen wie Locamo oder Atalanda, die Handelsunternehmen dabei unterstützen, in ihrer jeweiligen Region im E-Commerce-Bereich Fuß zu fassen. Der Schlüssel ist hier also die geografische Nähe zwischen Warenproduktion, Handel und den potenziellen Kunden.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Logistik wird nicht nur vereinfacht, durch jeden gesparten Kilometer Warenweg wird zusätzlich der CO2-Fußabdruck kleiner. Zwar zeigt eine Studie des Deutschen CleanTech Instituts von Ende 2019, dass der Online-Versand bei den CO2-Emissionen trotz der hohen Retourenquote unter denen des stationären Einzelhandels liegt. Dennoch ist laut der Untersuchung jeder im Netz gekaufte Versandartikel für rund 0,4 Kilogramm CO2-Ausstoß verantwortlich, wobei zu dieser Rechnung noch die Emissionen hinzugezählt werden müssen, die entstehen, wenn digitale Infrastrukturen aufgerüstet und Endgeräte beschafft werden. Klar ist daher: Je kürzer der Weg des Produkts zum Kunden, desto klimaverträglicher ist der Handel. Und: Desto besser können die Händler planen, weil es ihnen leichter fällt, den regionalen Bedarf abzuschätzen und das Sortiment dementsprechend zu bestücken.

Neue digitale Kooperationen

Auffallend ist dabei, dass sich im Bereich Local-E-Commerce genau die neuen Partnerschaften zeigen, von denen Theresa Schleicher in ihrem Retail-Report schreibt. So kooperiert zum Beispiel der E-Commerce-Dienstleister Atalanda mit DHL, deren Initiative „DHL lokal handeln“ darauf abzielt, regionale Anbieter zu unterstützen. Auch arbeitet die Plattform mit dem Spielwarenunternehmen Vedes zusammen, das digitale Shopping-Lösungen für kleinere lokale Händler bietet. Noch ist unklar, ob diese neuen Partnerschaften am Ende wirklich dazu führen, dass der lokale Handel erstarkt. Möglich wäre es ja auch, dass auf diesem Weg die Kleinen von den großen Dachmarken geschluckt werden. Offensichtlich ist aber, dass sich der Handel dieser Dynamik stellen muss, was Nachwuchskräften gute Chancen bietet, vom Start weg an diesem Wandel mitzuarbeiten und ihn durch eigene Ideen zu prägen.

Die Rückkehr des Milchmanns

Ganz gezielt wirbt das niederländische E-Commerce-Unternehmen Picnic mit dem Bild des Milchmanns, der jeden Tag zu einer festen Zeit ins Viertel kommt, um zuverlässig und günstig regionale Lebensmittel zu bringen. Als Bringdienst kooperiert das auch in Deutschland expandierende Unternehmen mit lokalen Bauern und Bäckern; anders als beim klassischen Milchmann werden die Routen der elektronisch betriebenen Lieferfahrzeuge digital errechnet und immer wieder optimiert.

Wichtig ist dabei, mit den Innovationen nicht ausschließlich auf die jüngere Zielgruppe zu zielen. Im Retail-Report zeichnet Theresa Schleicher eine Perspektive für den Handel, in dem insbesondere der Megatrend Silver Society für Aufschwung sorgt. „Wenn wir ehrlich sind, ist unsere Konsumlandschaft und dementsprechend unsere Wirtschaft auf ganz bestimmte Käuferschichten spezialisiert: Den 35-jährigen familienorientierten Kunden oder die 25-jährige Fashionista, die neue Trends setzt und damit die perfekte Konsumentin abbildet“, stellt die Retail-Expertin fest. Mit Blick auf den demografischen Wandel stelle sich die Frage, ob diese Ausrichtung noch haltbar sei: „Die globale Zukunft wird vom Megatrend Silver Society geprägt sein. 2050 wird die Lebenserwartung weltweit auf 77,1 Jahre steigen. 16 Prozent der Menschen sind dann über 65 Jahre alt, in Europa und Nordamerika könnte es sogar jeder Vierte sein.“

Dem Handel stellt sich die Sinnfrage

Vergessen Sie das Alter! Lösen Sie sich von Gender-Stereotypen! Überlegen Sie sich hingegen, welche Werte Ihnen als Unternehmen wichtig sind.

Muss der Handel also gezielt die älteren Konsumenten neu entdecken? Theresa Schleicher findet: Ja, aber nicht nur. Eine Ansprache der „Silver Ager“ sei wichtig, jedoch denkt die Expertin darüber hinaus an ein Post-Gender/Post-Age-Marketing: Für die heutige Generation „55plus“ seien Themen wie „Gesundheit, Wohlbefinden und Fitness, lebenslanges Lernen sowie Nachhaltigkeit und Qualität statt Quantität wichtig“ – und diese Aspekte beißen sich nicht mit den Ansprüchen der jungen Generation, im Gegenteil: Theresa Schleicher ist davon überzeugt, dass sich in dem, was die Menschen als Konsumenten erwarten, die Generationen in naher Zukunft viel stärker annähern werden, als es in den vergangenen Jahren der Fall war. Diese Entwicklung gibt demografisch vielfältig besetzten Belegschaften in der Retail-Branche ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten, den Handelsunternehmen gibt Theresa Schleicher daher folgenden Ratschlag mit auf den Weg: „Vergessen Sie das Alter! Lösen Sie sich von Gender-Stereotypen! Überlegen Sie sich hingegen, welche Werte Ihnen als Unternehmen wichtig sind.“ Damit rückt für den Handel verstärkt die Sinnfrage ins Zentrum: Akteure, die auf diese Frage gute Antworten finden und denen es gelingt, diese an ihre Kunden zu kommunizieren, werden von der neuen Dynamik des Handels profitieren.

Der Wohnaccessoires-Händler Wilhelm Josten im Interview

In vielen Fußgängerzonen und Einkaufszentren gehören die Filialen von Butlers zu gern gesehenen Mietern: In den Geschäften ist immer was los, das bunte Sortiment bietet Wohnaccessoires aller Art zu günstigen Preisen. Im Interview erzählt Co-Gründer und Geschäftsführer Wilhelm Josten, welche Idee hinter dem Konzept steckt, warum es vor drei Jahren zur schweren Krise kam – und wie das Unternehmen aus dieser wieder herausgefunden hat. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Wilhelm Josten (geboren 1965 in Düsseldorf) stammt aus einer alten rheinländischen Händlerfamilie, bereits 1829 wird in Neuss die Firma „Wilhelm Josten Söhne“ gegründet, zu der auch das Kaufhaus Josten gehörte, das mehr als 150 Jahre lang im Rheinland die erste Adresse für alle erdenklichen Haushaltswaren war. Josten studierte BWL, absolvierte erste berufliche Stationen in der Aldi- Gruppe, bei der Unternehmensberatung BBE sowie bei der Deutschen Post. Zusammen mit seinem Bruder Paul Josten sowie dem Kompagnon Frank Holzapfel gründete er 1999 die BUTLERS GmbH & Co. KG, mit dem Ziel, die Glas-, Porzellan- und Keramikbranche, in der schon seine Vorfahren tätig gewesen waren, gründlich zu entstauben. 2004 wurde er vom Verband HDE zum besten Handelsunternehmen gekürt, 2005 und 2012 zählte er zu den Nominierten des renommierten Unternehmer-Preises „Entrepreneur des Jahres“.

Vergleicht man die Preise Ihres Handelsunternehmens mit denen einiger Konkurrenten aus dem Wohnaccessoires-Fachhandel, fällt ein großer Unterschied auf. Sind Sie so günstig – oder die anderen so teuer?
Als mein Bruder Paul Josten, mein Kompagnon Frank Holzapfel und ich 1999 das Unternehmen gegründet haben, war eine unserer Prämissen die der „Demokratisierung des guten Geschmacks“. Geschmack sollte keine Frage des Geldes sein. Mit unserem Sortiment und unserer Preispolitik ist es uns gelungen, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Wie ist Ihnen das gelungen?
Wir kaufen hohe Mengen ein, entwickeln vieles selbst und produzieren weltweit. So können wir gute Preise garantieren. Darüber hinaus arbeiten wir ökonomisch äußerst nachhaltig.

Inwiefern?
Während andere Unternehmen hohe Overheadkosten haben …

… also allgemeine Kosten, die nicht direkt der Herstellung des Produkts zuzuordnen sind …
… achten wir darauf, diese niedrig zu halten. Wir betreiben zum Beispiel keine klassische Werbung. Folge der niedrigen Overheadkosten ist es, dass wir keine Abstriche bei der Qualität unserer Artikel machen müssen – und dennoch günstig sein können.

2017 stand das Unternehmen vor dem Aus, Butlers musste einen Insolvenzantrag stellen, Sie mussten viele Filialen schließen – aber schon im Jahr 2018 ging es wieder bergauf. Was war der entscheidende Schlüssel für das Comeback?
Wir haben zwar unsere Fehler erkannt und danach die – aus heutiger Sicht – richtigen Entscheidungen getroffen. Leider aber zu spät, sodass die Insolvenz nicht mehr abzuwenden war. Aber der bereits eingeschlagene Weg war richtig, und so konnten wir die Insolvenz binnen weniger Monate beenden.

Wenn Sie von Fehlern sprechen, welche meinen Sie da?
Unser größter Fehler war es, sortimentstechnisch zu viel auf Möbel gesetzt zu haben. Die Logistik, das Retourenmanagement – das alles ist sehr komplex. Wir hatten seinerzeit beschlossen, uns wieder auf unsere eigentliche Kompetenz zu konzentrieren, nämlich „den gedeckten Tisch“. Damit lagen wir goldrichtig, heute ist das Unternehmen wieder profitabel.

Wie ist es Ihnen gelungen, in dieser Krisenzeit die, wie Sie sagen, „richtigen Entscheidungen zu treffen“?
Wir haben sehr konzentriert und fokussiert an der Umsetzung unserer Leitidee gearbeitet. Es war in dieser Zeit äußerst wichtig, dass wir mit allen Mitarbeitern viel kommuniziert haben. Dass die hochmotivierten Kollegen allesamt dem Unternehmen die Treue gehalten haben, macht uns daher besonders froh.

Viele Ihrer Kundinnen und Kunden mögen es, in Ihre Filialen zu gehen, weil sie dort immer wieder etwas Neues entdecken. Betrachten Sie Ihr Sortiment wie eine Art „Magazin“, das, einen schnellen Kreislauf an „News“ bietet? So ähnlich. Unsere Filialen werden kontinuierlich umgebaut. Mal wird der komplette Eingangsbereich saisonal umdekoriert, mal sind es einzelne Tische, die als sogenannte Thementische unter ein bestimmtes Motto gestellt werden. Wir inszenieren unsere Artikel immer wieder neu und anders. Zudem entwickeln wir zwischen 2000 und 3000 neue Artikel pro Jahr.

Bei so vielen neuen Artikeln pro Jahr: Wie entstehen bei Ihnen Produktinnovationen, welche Teams arbeiten dafür zusammen?
An den Produktinnovationen sind in erster Linie Einkäufer und Designer beteiligt. Sie entwickeln Ideen für beispielsweise ein neues Geschirr oder kreieren neue Designs für Tischwäsche- Kollektionen. In den sogenannten Warenteams, zu denen Stylisten, Visual Merchandiser, aber auch das Management gehören, wird Thema für Thema, Artikel für Artikel besprochen und schließlich auch entschieden, welche dieser Innovationen zu einem Produkt werden – und welche nicht. Theoretisch kann jedoch jeder Mitarbeiter zum Designer werden und seine Ideen bei uns einreichen: Über eine Mitarbeiter-App, die wir für unsere interne Kommunikation nutzen, lassen sich unkompliziert Artikelvorschläge einreichen.

Wichtig ist uns eine gute Durchmischung im Unternehmen. Denn sowohl der Nachwuchs als auch erfahrene Mitarbeiter sind wertvoll.

Welche Rolle spielen dabei jüngere Kolleginnen und Kollegen, die am Anfang Ihrer Berufskarriere stehen? Welche neuen Ideen bringt der Nachwuchs ins Unternehmen?
Junge Kollegen und Berufseinsteiger sind in der Regel in den sozialen Medien sehr aktiv und dadurch in Sachen Trends gut informiert. Wichtig ist uns eine gute Durchmischung im Unternehmen. Denn sowohl der Nachwuchs als auch erfahrene Mitarbeiter sind wertvoll. Beide Seiten können voneinander lernen.

Viele Handelsunternehmen, die stark im Filialgeschäft sind, haben bis heute Probleme, die Chancen von E-Commerce zu erkennen und zu nutzen. Bei Ihnen ist das anders, sie wachsen im Off- und Online-Geschäft. Was haben Sie besonders gut gemacht?
Wir sind mit unserem Onlineshop schon früh online gegangen, nämlich im Jahr 2007. Das hat uns in die Lage gebracht, schon früh einige Erfahrungen sammeln zu können. Wobei wir immer darauf geachtet haben, dass die Onlinekosten nicht aus dem Ruder laufen, damit wir auch digital rentabel sind.

Als Folge der Pandemie schlägt seit März 2020 die große Stunde des Online-Handels. Wann haben Sie erkennt, dass diese Krise Ihrem Unternehmen auch eine Chance bietet – und was haben Sie unternommen, um diese zu nutzen?
Bereits unmittelbar nach Beginn des Lockdowns ist die Online-Nachfrage deutlich gestiegen. Wir konnten dann, trotz der geschlossenen Geschäfte, binnen 14 Tagen bei mehr als 100 Filialmitarbeitern die Kurzarbeit beenden, um mit ihrer Hilfe das Paketvolumen auch bedienen zu können.

Was glauben Sie, auf welche Art wird Corona den Handel nachhaltig verändern?
Das Einkaufen muss noch mehr zum Erlebnis werden, online wie offline. Die Kunden möchten auf beiden Kanälen ihre Lieblingsmarken erleben können.

Wie unterscheidet sich eine Karriere im Handel heute von typischen Laufbahnen von vor gut 20 Jahren, als Sie Butlers gegründet haben?
Vor 20 Jahren strebten noch nicht so viele Akademiker in den Handel, wie es heute der Fall ist. Das ist aber eine gute Entwicklung, da der Handel immer komplexer, globaler und digitaler geworden ist.

Zum Unternehmen

Die erste Butlers-Filiale eröffnete 1999 in Köln. Fünf Jahre später betrieb Butlers in Deutschland bereits 50 Filialen und weitete das Geschäft ins Ausland aus. 2007 öffnete der Online-Shop und bot den Kunden im Netz das gesamte Sortiment, was damals noch sehr ungewöhnlich war. 2017 geriet das Unternehmen in Turbulenzen und musste eine Planinsolvenz anmelden. Neue Investoren brachten frisches Geld, das Unternehmen strukturierte um, seit 2018 wächst es wieder. Heute betreibt Butlers 120 Filialen im In- und Ausland und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter. Bei der Eröffnung von neuen Filialen fokussiert sich Butlers auf Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und belebten Innenstädten.

Teil eines Profi-Teams

Alexander Seeger, 31 Jahre alt, nimmt seit September 2019 am Trainee-Programm zum Betriebsleiter von METRO Deutschland teil. Zuvor hat er ein Bachelorstudium „Beratung und Vertriebsmanagement“ an der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim sowie ein Masterstudium „Business Management“ absolviert.

Alexander Seeger, Foto: privat
Alexander Seeger, Foto: privat

Seit meinem ersten Tag im Trainee-Programm von METRO Deutschland bin ich begeistert von der Teamarbeit, dem Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dem engen Kontakt zu Profi-Kunden im Großhandelsumfeld. Wir arbeiten alle eng zusammen – rund 200 Mitarbeiter auf 15.000 m2 Verkaufsfläche sorgen jeden Tag dafür, dass die passenden Angebote aus etwa 25.000 Artikeln zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Menge bei den Profi-Kunden ankommen. Nach meinem Abitur habe ich ein Ingenieurstudium begonnen, aber mir wurde schnell klar, dass mir hierbei der Kontakt zu Menschen fehlt und das Studium zu sehr auf Theorie ausgelegt ist. Da der Handel mich schon immer fasziniert hat, machte ich zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel, dann eine Weiterbildung zum Handelsfachwirt. Anschließend sammelte ich zwei Jahre Führungserfahrung als stellvertretender Filialleiter in einem Angelsportfachgeschäft.

Dann begann ich mein Bachelorstudium „Beratung und Vertriebsmanagement“ an der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim. Dort lernte ich, wie moderner Vertrieb funktioniert. Durch Auslandspraktika in Australien und England habe ich die spannende Zusammenarbeit von Menschen mit sehr unterschiedlichen Kulturen kennengelernt. Mein Masterstudium „Business Management“ schloss ich direkt an, finanziert durch einen Job im Lebensmitteleinzelhandel.

Bei der Suche nach dem für mich passenden Arbeitsplatz habe ich mich auf den Handel konzentriert. Das Trainee- Programm von METRO Deutschland hat mich überzeugt: Als Trainee lerne ich das Unternehmen von Grund auf kennen. Die ersten sechs Monate habe ich sämtliche Abteilungen im Großmarkt durchlaufen. Um die Prozesse im Markt kennenzulernen habe ich z. B. neue Kundenkarten am Eingang ausgestellt, Fisch an der Fischtheke verkauft und an der Kasse kassiert. Im Anschluss habe ich als Abteilungsleiter eine eigene Abteilung geführt und konnte so erste Führungserfahrungen im Unternehmen sammeln. Mittelweile befinde ich mich im letzten Drittel des 18-monatigen Trainee-Programms im Vertrieb. Ich arbeite in verschiedenen Großmärkten, mache meine ersten Schritte als Betriebsleiter in Ausbildung. Dabei knüpfe ich ein enges Netzwerk mit Kollegen aus anderen Großmärkten in ganz Deutschland.

Als Betriebsleiter ist es wichtig, eine gewisse Zahlenaffinität zu haben, gerne mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kundinnen und Kunden umzugehen und komplexe Zusammenhänge schnell zu verstehen. Eine weitere Station in meiner Trainee- Zeit wird die Schnittstellenphase im Head Office von METRO Deutschland in Düsseldorf sein. Außerdem ist ein vierwöchiger Auslandsaufenthalt Bestandteil des Trainee-Programms. Da die METRO AG ein internationales Unternehmen ist, macht es für eine zukünftige Führungskraft Sinn, auch ein anderes Land kennenzulernen. Wir tauschen uns auch zwischen den Trainees in ganz Deutschland regelmäßig aus, dafür gibt es monatliche Trainee- Calls und verschiedene gemeinsame Workshops.

Ich freue mich auf weitere spannende Aufgaben während der Ausbildung und kann meinen ersten Tag als Betriebsleiter kaum erwarten!

Alnatura: E-Mail für dich

Von: Hannah-Sophia Walke
Gesendet: 28. Oktober 2020
An: Berufseinsteiger*innen im Bio-Lebensmitteleinzelhandel
Betreff: Meine Suche nach dem richtigen Weg ins Berufsleben

Liebe Leserinnen und Leser, schon während meines Abiturs stand für mich fest, dass ich ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland absolvieren möchte. Danach konnte ich mir vorstellen, mein Interesse für wirtschaftliche Themen, das sich während meiner Schulzeit entwickelte, weiter zu verfolgen. Ich verbrachte ein Jahr in Australien und arbeitete dort an einer Waldorfschule. Nach dieser Zeit wusste ich, dass ein „normales“ wirtschaftswissenschaftliches Studium nicht das Richtige wäre. Der Entschluss, dass ich mich auf ein duales BWL-Studium an einer Kunsthochschule bewerben möchte, stand bald nach meiner Rückkehr nach Deutschland fest.

Die Mischung aus Wirtschaft, Kunst und interdisziplinärem Denken reizte mich. Bei der Suche nach einem Studium war mir besonders wichtig, dass ich die Werte, die ich kennengelernt hatte, auch in meinem weiteren Leben und später im Berufsalltag wiederfi nde. Mein Interesse für eine ökologische Lebensweise und den Wunsch, Selbstverantwortung zu übernehmen und im wirtschaftlichen Kontext ganzheitlich und neu zu denken, wollte ich in meinem Studium vertiefen und bewarb mich deshalb um ein duales Studium in Kooperation mit Alnatura und bekam den Studienplatz. Als mein Bachelorabschluss näher rückte, war es mein Wunsch, in die Mitarbeitergewinnung einzusteigen. Da zu dem Zeitpunkt aber im Recruiting- Team bei Alnatura keine passende Stelle frei war, fasste ich den Entschluss, ein Masterstudium Wirtschaftspsychologie zu beginnen.

Bevor das Masterstudium startete, konnte ich vorübergehend in einer anderen Abteilung im Mitarbeiterservice bei Alnatura aushelfen. Ich kümmerte mich um die Konzeption und Organisation von Veranstaltungen und Seminaren. Nachdem ich einige Wochen einen Einblick in das „richtige“ Berufsleben als Absolventin bekommen konnte, bekam ich die Möglichkeit, langfristig dort zu bleiben. Die Tätigkeiten und Themen in diesem Team haben mich positiv überrascht und ich entschloss mich, meine festen Pläne ins Recruiting oder ins Masterstudium zu gehen, vorerst einzustellen und in einen Bereich einzusteigen, den ich vorher nicht als Möglichkeit für mich in Betracht gezogen hatte.

Ich wurde schnell in weitere Projekte einbezogen, bin weiterhin für interne und externe Veranstaltungen verantwortlich und unterstütze bei der Implementierung eines Travel-Management-Systems im Unternehmen. Das Miteinander im Team, in der Alnatura-Arbeitsgemeinschaft sowie die große Selbstverantwortung und die abwechslungsreichen Aufgaben überzeugten mich davon, dass ich genau die Stelle gefunden habe, die für mich passend ist und bei der ich die Werte vertreten kann, die mir wichtig sind. Viel Erfolg beim Einstieg und viele Grüße,

Hannah-Sophia Walke
Alnatura Produktions- und Handels GmbH

Warenkorb: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Superfood lokal

Superfood ist buchstäblich in aller Munde, denn viele importierte Obst- und Gemüsesorten gelten als wahre Wundermittel. Doch so gut sie für unsere Gesundheit sind, so schlecht sind sie mitunter für die Umwelt: Transportwege, Pestizideinsatz, Wasserverbrauch und Flächenkonkurrenz in den Anbaugebieten sind nur einige der negativen Auswirkungen. Dabei brauchen wir die weitgereisten Superfoods gar nicht, um uns gesund und vielseitig zu ernähren. Es gibt zahlreiche lokale Alternativen, die ihnen in Vitamingehalt, Nährwert und Geschmack in nichts nachstehen. Stefanie Schäfter, Meike Fienitz, Felix Buchborn, Kira van den Hövel: Super Local Food. Oekom 2020. ISBN 978-3962381806. 20 Euro.

Ratgeber fürs Überleben

Mit Fachwissen und Humor analysieren die Autorinnen das Ratgebers „In der neuen Arbeitswelt“ die aktuellen Veränderungen auf allen Ebenen. Sie geben Führungskräften ein „Survival Kit“ mit erkenntnisreichen Selbsttests und Praxistipps für jede Stufe der Transformation an die Hand – von der Neuorientierung über die Eigenmotivation und Homeoffice-Organisation bis zu Teambuilding und neuem gesunden Führen. Ingrid Britz-Averkamp, Christine Eich-Fangmeier: Überleben in der neuen Arbeitswelt. Walhalla 2020. ISBV 978-3-96186-040-1. 29,95 Euro.

Sicht im Label-Dschungel

Foto: AdobeStock / Aquir
Foto: AdobeStock / Aquir

Labels dienen Verbraucherinnen und Verbrauchern als praktischer Rat beim Einkauf. Unter „Label“ oder auch „Siegel“ versteht mal allerdings verschiedene Informationssysteme und Managementinstrumente. Die Plattform „label-online“ stellt Label-Arten, von Regionallabels über Gütezeichen bis zu Prüflabels und Clean Labels vor. www.label-online.de

„Die Netzwerkbibel“

Kontakteknüpfen mittels Networking ist im Zuge der Digitalisierung einerseits einfacher, andererseits auch komplexer geworden: es gibt ein Überangebot an digitalen Plattformen, immer mehr Events und immer mehr Entscheider und Multiplikatoren, die wichtig erscheinen. Gleichzeitig hat Networking an Bedeutung gewonnen: ein tragfähiges Netzwerk und die richtigen Kontakte helfen, sich als Experte zu positionieren und beruflich erfolgreich zu sein – das gilt für Führungskräfte ebenso wie für Berufseinsteiger. Tijen Onaran zeigt, wie Networking heute wirklich funktioniert. In ihrem ersten Buch gibt die Autorin eigene Erfahrungen weiter, reflektiert ihre Erlebnisse, erzählt Anekdoten aus ihrer Zeit in der Politik und Wirtschaft und leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab. Tijen Onaran: Die Netzwerkbibel. Springer 2019. ISBN 978-3-658-23735-6. 19,99 Euro

Faire Woche

Foto: Ian 2010 / Fotolia
Foto: Ian 2010 / Fotolia

Im September jeden Jahres findet seit 2001 die Faire Woche statt: 2020 lag der Schwerpunkt auf nachhaltigen Produktions- und Konsummustern für ein gutes Leben unter dem Motto „Fair statt mehr“. Veranstalter der fairen Woche sind das Forum Fairer Handel e. V. in Kooperation mit dem Weltladen- Dachverband e. V. und TransFair e. V. Schirmherr der Fairen Woche war auch 2020 der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller. www.faire-woche.de

Foodreport

Hanni Rützler, Gründerin des „futurefoodstudios“ und Foodtrend-Forscherin, gibt jedes Jahr den „Foodreport“ heraus. Er erklärt die wichtigsten Trends, Entwicklungen und Zukunftsthemen für Food and Beverage. Mit Brancheninsights, Themenschwerpunkten und Best Practices aus aller Welt dient er Lebensmittelherstellern, Gastronomen und Lebensmittelhändlern als Grundlage für Zukunftsentscheidungen. Ganz besonders in der Krise. Hanni Rützler: Foodreport. Zukunftsinstitut GmbH in Kooperation mit der Lebensmittel Zeitung , foodservice und gv-praxis 2019. ISBN 978-3- 945647-60-8. 150 Euro.

„Endlich Montag“

Heiko Link, der Spezialist für den Wochenanfang bietet mit seinem Podcast professionelle Karriereberatung für Jobsuchende. Er interviewt dazu Experten und hat seit 2016 bereits fast 100 Folgen produziert. www.endlich-montag.net

Bewerben mit der Micro-Learning-Methode

Cover Bewerbung to goDer Ratgeber „Bewerbung to go“ ist für alle, die keine Zeit haben, sich stundenlang mit ihren Bewerbungsunterlagen zu beschäftigen. Sandra Gehde: Bewerbung to go. Entspannt und zeitgemäß zum neuen Job. Erfolgreich bewerben mit der Micro- Learning-Methode. metropolitan 2019. ISBN 978-3-96186-030-2. 14,95 Euro.

Kulinarische Geschichten

Dieter Weidenfeld sammelt in seinem Buch „Wie eine Auster das Zarenreich rettete“ die schönsten Anekdoten rund ums Essen: Wie kam Crêpe Suzette zu ihrem Namen? Wer ist der Erfinder des Sauerkrauts? Und was hat eine Schweinshaxe mit der Hinrichtung Ludwig XVI. zu tun? Abgeschmeckt wird die kleine, aber feine kulinarische Sammlung mit Rezepten von Sternekoch-Legende Heinz Winkler. Dieter Weidenfeld: Wie eine Auster das Zarenreich rettete. EMF 2020. ISBN 978-3-7459-0167-2. 20 Euro.

Das letzte Wort hat: Paul Richrath, Miterfinder von „Cookies Bros.“

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Paul Richrath, ist mit 26 Jahren der jüngste unter den drei Kölner Chefs bei „Cookies Bros.“. Er studierte Betriebswirtschaftslehre. Nach seinem erfolgreichen Abschluss und anderthalb Jahren Berufserfahrung bei EatHappy gründete er mit seinen beiden Geschäftspartnern die SD Sugar Daddies GmbH, die seit 2017 Keksteig zum Naschen vertreibt. Das Produkt „Cookies Bros.“ erfreut sich seitdem wachsender Beliebtheit, wird deutschlandweit in vielen Supermärkten verkauft und erfährt viel mediale Aufmerksamkeit. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Paul Richrath, Foto: SD Sugar Daddies GmbH
Paul Richrath, Foto: SD Sugar Daddies GmbH

Wie kommt man auf die Idee Keksteig zum Naschen zu verkaufen?
Die Affinität zum Lebensmittelhandel wurde mir quasi in die „Wiege gelegt“, da ich aus einer Handelsfamilie stamme. Auch der Gedanke, sich selbstständig zu machen, wurde mit wachsendem Alter immer stärker und präsenter. Nach meinem Studium habe ich dann anderthalb Jahre Berufserfahrung bei EatHappy in Köln sammeln können – davon profitiere ich bis heute. In einem gemeinsamen Sommerurlaub mit meinem heutigen Mitgründer Mark stellte dieser mir die Idee vom „essbaren Keksteig“ vor, das war damals DER Trend in New York. Ich war sofort begeistert und wir haben das Projekt gestartet.

Kannst Du kurz den Weg von der Idee zur Umsetzung beschreiben!?
Unmittelbar nach unserem gemeinsamen Sommerurlaub haben wir uns zusammengesetzt, um die Idee zu konkretisieren. Erst einmal hieß es dann probieren, probieren, probieren. Dafür hatten wir damals noch eine kleine Probierküche, in der wir selbst angerührt und getestet haben. Als wir zufrieden waren, mussten dann Freunde und Verwandte als „Versuchskaninchen“ ran. Und anschließend sollte unser Produkt noch ansprechend aussehen. Nachdem wir Geschmack und Design finalisieren konnten, haben wir dann unseren Zugang zum Handel aufgebaut, um unsere Becher in zunächst 15 Supermärkten in Köln und Umgebung zu verkaufen.

Was waren die wichtigsten Faktoren, die zum Erfolg geführt haben?
Der Glaube an die Unternehmung, Ausdauer und Beharrlichkeit! Ganz wichtig ist es auch heute noch, dass wir alle an einem Strang ziehen und dasselbe Ziel verfolgen. Gerade die Anfangszeit war hart. Manchmal auch weil wir uns das Leben selbst schwergemacht haben. Das Wichtige war aber, dass wir daraus gelernt haben. Es gibt zu jedem Zeitpunkt Zweifler – auch noch als wir Cookie Bros. bereits erfolgreich in den Markt einführen konnten. Und das Zusammenzustehen als Unternehmen und für das Produkt zu brennen war und ist ganz entscheidend.

Und seid Ihr bei der Umsetzung auch auf Schwierigkeiten gestoßen und wie konntet Ihr diese lösen?
Als junges Unternehmen gibt es natürlich immer mal wieder Schwierigkeiten. Zu Beginn war es an einigen Stellen das fehlende Know-how und eine gewisse Leichtgläubigkeit. Wir haben uns zuvor beispielsweise nie Gedanken darüber gemacht, welche Zutaten in welcher Schriftgröße auf einer Lebensmittelverpackung deklariert werden müssen. Wenn man dann jedoch eine 6-stellige Menge an Verpackungen bestellt und diese so gar nicht verkauft werden darf, dann wird einem schon etwas anders. Glücklicherweise konnten wir jedoch immer wieder auf die Hilfe von Bekannten und befreundeten Startups zurückgreifen.

Es klingt, als würdet Ihr mit Cookies Bros. und Euerm Unternehmen SD Sugar Daddies GmbH genau das tun, was Ihr tun möchtet. Wie findet man Deiner Erfahrung nach seine Berufung?
Wir lieben, was wir tun und machen, was uns Spaß macht! Für mich persönlich war und ist das Reflektieren des eigenen Handelns und Denkens sehr entscheidend. Dadurch habe ich gelernt, mich von gesellschaftlichen „Zwängen“ bzw. Normen zu lösen und einfach ich selbst zu sein. Wahrscheinlich gehört auch eine gewisse Prise Glück und Zufall dazu, aber die regelmäßige Selbstreflektion hat mich ein großes Stück in die für mich richtige Richtung geführt. Sobald man dann seinen ganz eigen Plan entwickelt hat, sollte man an dem Vorhaben festhalten, vor allem in schwierigen Zeiten!

karriereführer bauingenieure 2020.2021 – Mit Nachhaltigkeit die Zukunft gestalten

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Cover karrierefuehrer bauingenieure 2020-2021

Mit Nachhaltigkeit die Zukunft gestalten

Die Pandemie verursachte in der Bauindustrie keine Vollbremsung. Doch alles beim Alten bleibt in der Branche dennoch nicht: Die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich die Auftragslage entwickelt, wie attraktiv und produktiv die Unternehmen sind. Der Schlüssel zum Erfolg: eine bessere Risikobewertung dank digitaler Methoden und grüner Transformation.

Bauen in Corona-Zeiten – Chancen der Krise nutzen

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Von Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE

Die Bauindustrie hat, als das private und öffentliche Leben Corona-bedingt fast zum Stillstand gekommen war, ihre Leistungsfähigkeit als Motor der deutschen Volkswirtschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit schneller und zweckmäßiger Flankierung durch die Politik von Bund und Ländern ist es gelungen, einen Lockdown der Bauwirtschaft zu verhindern. Planungen, Ausschreibungen und Vergaben sind weitergelaufen. Die Unternehmen haben weder Kosten noch Aufwand gescheut, die hohen behördlichen Hygieneanforderungen und Abstandsregelungen zu erfüllen, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen. Damit konnten hunderttausende Arbeitsplätze sichergestellt werden.

Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir festgestellt, dass die Digitalisierung das A und O ist. Ohne digitale Prozesse hätte die Branche dies nicht leisten können. Als Bauunternehmen hat man zwei wesentliche Aspekte, die von der Digitalisierung maßgeblich beeinflusst werden. Das ist zum einen die Planung, in der die Digitalisierung derzeit verstärkt sichtbar wird. Vor der Corona- Pandemie war dabei das Thema Building Information Modeling (BIM) für unsere Mitgliedsunternehmen von hoher Bedeutung. Corona hat gezeigt, dass unsere Bemühungen, auch den Mittelstand und kleinere Unternehmen mit an Bord zu nehmen, nicht umsonst waren.

Die Bauindustrie war gut vorbereitet und konnte schnell auf digitales Arbeiten umstellen. Zum anderen spielt auch beim Arbeiten auf der Baustelle der Digitalisierungsprozess eine wichtige Rolle. Baustellenbesprechungen fanden als Videokonferenzen statt. Auch das Nachtrags- und Genehmigungsmanagement hat reibungslos digital funktioniert. Zudem beobachteten wir, dass viele Baustoffe auf Online-Plattformen bestellt wurden. Vor diesem Hintergrund haben regionale Lieferketten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass auch neue Impulse, wie die Automatisierung im Bereich des modularen bzw. seriellen Bauens, an hoher Bedeutung gewonnen haben. Im modularen bzw. seriellen Bauen und der damit verbundenen Vorfertigung der Bauteile in den Betriebshallen, findet durch die Robotik ein ganz anderes Zusammenwirken von Mensch und Maschine statt.

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir in der Lage sind, zügig unsere Arbeitswelten zu modernisieren. Diese Entwicklung wird jetzt noch schneller voranschreiten und zur Folge haben, dass schwere und repetitive Arbeiten noch mehr automatisiert werden. Es werden neue attraktive Arbeitsplätze entstehen. Für die digitale Zukunft sehe ich große Potenziale vor allem im Wissensaufbau der Unternehmen. Die Digitalisierung erzeugt durch neue Methoden und Technologien eine enorme Anziehungskraft für junge Fachkräfte. Bauunternehmen, die sich hier bestens positionieren, ziehen gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte an, die den digitalen Trend bestimmen und damit den Vorsprung im Wettbewerb. Wenn die Digitalisierung konsequent weiter eingesetzt wird, dann wird sie zu einer Erfolgsgeschichte. Die Grundlage dafür bildet die verbesserte, transparentere Kommunikation und Kollaboration aller Beteiligten. In diesem Sinne wird die Bauindustrie die Digitalisierung nicht nur im technischen Sinne als Innovationsmotor nutzen, sondern auch als Weichensteller für einen Kulturwandel des partnerschaftlichen Zusammenarbeitens.

Ein Virus, das antreibt und Fragen aufwirft

Die Pandemie verursachte in der Bauindustrie keine Vollbremsung. Doch alles beim Alten bleibt in der Branche dennoch nicht: Die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich die Auftragslage entwickelt, wie attraktiv und produktiv die Unternehmen sind. Der Schlüssel zum Erfolg: eine bessere Risikobewertung dank digitaler Methoden und grüner Transformation. Ein Essay von André Boße

„Vergleichsweise gut“ – das klingt nicht nach einem Urteil, das überbordende Freude auslöst. Eine „vergleichsweise gute“ Mathe-Arbeit ist eher eine drei minus, das „vergleichsweise gute“ Spiel eines Fußballteams klingt nicht danach, als habe der Club hoch gewonnen. Wenn also nun gesagt wird, die deutsche Bauwirtschaft sei bislang „vergleichsweise gut“ mit der Pandemie fertiggeworden, so wie es zum Beispiel die Branchenexperten von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG feststellen: Soll man sich dann darüber freuen? Und weitergedacht, welche Perspektiven hat sich der Bau für das kommende Jahr erarbeitet, das – davon muss man ausgehen – weiterhin von großen Unsicherheiten geprägt sein wird, in gesundheitspolitischer wie in ökonomischer Hinsicht?

Gebaut wurde weiter – das beruhigte

Zum ersten Punkt: Grund zur Freude ist durchaus gegeben, zumal wenn man bedenkt, dass die Bauwirtschaft mit ihren Facharbeitern und Bauingenieuren 2020 eine stabilisierende Rolle für die gesamte Wirtschaft der Bundesrepublik eingenommen hat. Viele werden sich noch an das Frühjahr 2020 erinnern: Als rund um Ostern das Leben in der Bundesrepublik in großen Teilen ruhen musste, ging die Arbeit auf den Baustellen in der Regel weiter – und zwar mit funktionierenden Hygienekonzepten. Für viele Menschen besaß dieser Fortgang der Dinge eine beruhigende Wirkung: Gebaut wird trotz Virus – das ist ein gutes Zeichen, es geht weiter voran.

Bauen in der Post-Corona-Welt I

Das Virus wird die Gesellschaft, Ökonomie und Arbeitswelt auch über die eigentliche Pandemie hinaus ändern. Man muss nur auf den Megatrend New Work schauen, um zu erkennen, welche Auswirkungen das auf die Baubranche haben wird: Home-Office und virtuelle Meetings sorgen dafür, dass der Bedarf an Business-Hotels und Bürogebäuden geringer werden wird. Wo die Nachfrage steigen könnte: Gewinnt der sichere Urlaub in Deutschland weiter an Bedeutung und gelten Immobilien weiterhin als gute Investitionen, werden mehr Ferienhäuser gebaut.

Bauen in der Post-Corona-Welt II

Schon 2019 gab es für die Baubranche eine schleppende und zurückgehende Ausschreibungslage beim Straßenbau zu beklagen. Es ist davon auszugehen, dass die Pandemie diesen Trend noch verstärkt, insbesondere, wenn es sich um nicht wirklich dringende Maßnahmen handelt. Möglich ist zudem ein Paradigmenwechsel: In den großen Städten gibt es den politischen Trend, die Dominanz des Autos nicht nur zu hinterfragen, sondern ihr Ende baulich einzuleiten. Die Zukunft könnte Bauprojekten gehören, die Autostädte in rad- und fußgängerfreundliche Kommunen verwandeln.

Die Bauwirtschaft hat in dieser Phase nicht nur die Ökonomie der Bundesrepublik gestützt, sie nahm darüber hinaus auch eine psychologische Funktion ein. So weit, so gut. Mit dem Blick auf das, was 2021 kommen wird, spricht Juan Carlos Klug, Partner bei KPMG, jedoch eine Warnung aus: Dass der Bau unbeeindruckt weitergemacht habe, als andere stoppen oder innehalten mussten – dieser Eindruck sei grundsätzlich richtig, treffe aber nicht vollumfänglich zu: Zwar wurden und werden auch aktuell viele derjenigen Bauprojekte umgesetzt, die bereits vor Corona in Angriff genommen wurden. „Aber trotz drehender Kräne, polternder Presslufthämmer und kletternder Arbeiter – erste Signale für eine Abkühlung der Baubranche zeichnen sich ab.“ Juan Carlos Klug, bei KPMG Experte für Bau- und Infrastrukturprojekte, findet dafür mehrere Gründe.

Zum einen stehen viele Unternehmen der Bauindustrie vor einem verschärften Personalproblem: Reisebeschränkungen und Quarantäneverordnungen sorgen auch weiterhin dafür, dass die Gestaltung der sowieso schon engen Dienstpläne zeitweise zur Herausforderung wird. Auch hier gilt: Ein Ende dieser personalpolitischen Ausnahmesituation ist Ende 2020 noch nicht abzusehen. Hinzu kommt hier, dass sich der Fachkräftemangel der Baubranche zuletzt weiter verstärkt hat: Die Volkswirte von der Förderbank KfW haben in einer Fachkräfteanalyse Berufe identifiziert, in denen die durchschnittliche Vakanz bei freien Stellen länger als 200 Tage andauert. 28 solcher „Mangelberufe“ hat die KfW im Research-Papier von Juni 2020 gefunden, „13 der Mangelberufe mit 200 und mehr Vakanztagen – also fast die Hälfte – sind Bauberufe.“

Ende des deutschen Baubooms?

Nicht absehbar sei zudem, so Juan Carlos Klug, wie sich die Auftragslage für neue Projekte in den kommenden Monaten entwickeln werde. Seine Prognose: Die Corona-Krise bedeutet möglicherweise das Ende des „deutschen Baubooms, wie wir ihn kannten“: „Vor einigen Monaten wurde beispielsweise noch überall dort, wo ein Stein hingeworfen wurde, ein Hotel gebaut. Jetzt ist die Situation eine ganz andere: Bauherren und -unternehmen schauen bei zukünftigen Projekten genauer hin.“ Vor allem die Finanzierung werde harten Prüfungen unterzogen, die Bauwirtschaft stehe vor einer Phase, in der die Risikobewertung nach schärferen Kriterien vorgenommen werde – wobei das nicht nur die Bauherren und ihre Projekte betreffe, sondern auch die Unternehmen. „Die Risikobereitschaft der Branche wird unter der Corona-Krise nachhaltig leiden, und dies wird Veränderungen forcieren“, sagt Juan Carlos Klug. „Ein proaktives Risikomanagement wird beispielsweise eine gewichtigere Rolle in den Bauprojekten einnehmen: Um Unterbrechungen der Lieferketten zu vermeiden, könnten Bauunternehmen beispielsweise dazu übergehen, die Lieferketten zu verschlanken und zu regionalisieren oder die just-in-time-Praxis der letzten Jahre wieder mehr durch eine vorausschauende Lagerhaltung zu ersetzen.“

Digitalisierung hilft beim Risiko-Management

Just-in-time: Dahinter steckt die smarte Idee, mit Hilfe digitaler Logistik-Tools die Materialbeschaffung so zu planen, dass alles genau dann am Bau ankommt, wenn es benötigt wird. Dieser Ansatz steht also für höchste Effizienz. Wenn die Experten nun wieder ein Zurück zur „vorausschauenden Lagerhaltung“ erwarten, steht die Branche damit nicht vor einer Phase, in der Innovationen zurückgedreht werden, wieder konservativ geplant wird? Eine globale Studie der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Deloitte rät dringend davon ab, im Zuge der Risikovermeidung die Digitalisierung in Frage zu stellen. „Global Powers of Construction“ heißt die Publikation, in der die Experten Ansätze finden, wie sich die verschiedenen Herausforderungen für die Baubranche meistern lassen. Die zentrale Feststellung: Digitale Methoden sind keinesfalls Teil des Problems, sondern der Schlüssel für die Lösung. Weil sich mit ihnen in folgenden Feldern Risiken vermindern lassen:

  1. Planung und Angebot

Was will der Bauherr und was können wir mit welchen Partnern leisten? Was wird es kosten und wie lange wird es dauern? Hinter jeder dieser Fragen versteckt sich ein enormes Risikopotenzial. Reduzieren lässt es sich mit Hilfe digitaler Methoden wie Künstlicher Intelligenz oder Big Data-Analysen, die den planenden Bauunternehmen dabei helfen, Szenarien aufzuzeigen oder durchzuspielen – nicht nur auf Basis von Kalkulationen, sondern auch von echten Erfahrungswerten aus anderen Projekten.

  1. Lieferkette

Gerade weil die Supply-Chains in Zeiten der Pandemie verletzlicher sind (man denke hier auch an die Produktionsausfälle bei Lieferanten in Ländern mit noch härteren Lockdowns), sind digitale Tools wichtig, um sensible Stellen zu identifizieren sowie klug zu planen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei laut der Deloitte-Studie die Plattformökonomie ein: Sie gibt den Lieferketten die notwenige Flexibilität, Engpässe oder Komplettausfälle zu vermeiden – und trotzdem die Effizienz zu gewährleisten. Denn eines ist klar: Hamstermentalität und überfüllte Lagerhallen sind keine sinnvolle Alternative.

  1. Fachkräftemangel

Die allermeisten Digital Natives wünschen sich einen Job, in dem sie ihre digitalen Alltagskompetenzen anwenden können.

Zu wenig Leute zu haben, das ist auf dem Bau besonders fatal: In kaum einer anderen Branche kommt es so sehr auf die Leistungsfähigkeit der Belegschaft an, ein Mangel an Fachkräften ist daher kaum zu kompensieren. Zwar sind dem Grad an Automatisierung auf dem Bau Limits gesetzt, dennoch ist beim Einsatz von digitalen Methoden weiterhin Luft nach oben. Wichtig ist den Studienautoren dabei: Diese Tools dürfen nicht zum Selbstzweck werden, sondern müssen sehr genau an die Bedürfnisse der Fachkräfte angepasst werden. Nicht unterschätzt werden dürfe dabei die Signalwirkung einer digitalisierten Bauindustrie: Die allermeisten Digital Natives wünschen sich einen Job, in dem sie ihre digitalen Alltagskompetenzen anwenden können. Die Baubranche gewinnt für den dringend benötigten Nachwuchs an Attraktivität, wenn sie in Sachen Digitalisierung nicht zu weit hinter den Konkurrenzarbeitgebern aus den Bereichen Industrie und Dienstleistung zurückfällt.

  1. Transparenz, Ethik und Nachhaltigkeit

Um beim Nachwuchs zu bleiben: Wer heute in den Beruf einsteigt und um die Begehrlichkeiten der Branchen weiß, schaut bei der Auswahl des Arbeitgebers sehr genau hin. Im Fokus stehen nicht nur Verdienst und Karrierechancen, mindestens genauso wichtig sind Aspekte wie: Welche Freiheiten habe ich? Welchen Sinn erfüllt meine Arbeit? Bin ich für ein Unternehmen tätig, dessen ethische Standards ich erkenne und hinter denen ich stehen kann? Und nimmt es die Megatrends Klimaschutz und Nachhaltigkeit tatsächlich ernst? Digitale Methoden, allen voran BIM, schaffen in diesen Zukunftsfeldern die nötige Transparenz, damit junge Interessierte Antworten auf diese Fragen finden.

Wird Corona zum Digitalisierungs-Boost?

Die Bedeutung der Bauwirtschaft

Die McKinsey-Studie„The next normal in construction – how disruption is reshaping the world’s largest ecosystem“ zeigt: Die Corona-Pandemie kann nun zu einem wirklichen Umbruch in der gesamten Branche führen und bestehende Trends wie Digitalisierung, neue Produktionsverfahren und Konsolidierung weiter beschleunigen. Dies hat Auswirkungen über die Branche hinaus: Mit einem Anteil von 13 Prozent am Welt-Bruttoinlandsprodukt – in Deutschland sind es rund 10 Prozent – ist das Ökosystem Bauen einer der größten Wirtschaftsfaktoren. Eine produktivere Bauwirtschaft ist deshalb auch gesamtgesellschaftlich wünschenswert – ein wesentlicher Anteil aus den aktuell diskutierten Konjunkturpaketen wird voraussichtlich in den Infrastrukturausbau fließen, während der Wohnungsbau schon länger oben auf der politischen Agenda steht.

Klar ist, dass eine kluge und bedarfsorientierte Digitalisierung der Bauwirtschaft die Attraktivität und Produktivität der Branche erhöhen wird. Spannend ist es nun zu verfolgen, inwieweit die Pandemie diese Entwicklung befördert. Es sei zu erkennen, sagt Michael Müller, Leader des Bereichs Real Estate bei Deloitte, dass die Covid-19-Pandemie einen „verstärkten Einsatz neuer industrieller und digitaler Technologien beschleunigt und Bereiche wie künstliche Intelligenz und Analytik ihr großes Potenzial für das Bauwesen in den kommenden Jahren umso stärker werden ausspielen können.“ Somit würde die Corona-Krise wie ein Boost funktionieren, der sinnvolle und notwendige Veränderungen antreibt, mit dem Resultat, dass die Branche gestärkt und fit für die Zukunft aus dieser Ausnahmesituation herauskommt. Jedoch wird der Bauindustrie dieser positive Effekt nicht in den Schoß fallen: Mehr denn je geht es darum, die Zukunft zu gestalten – mit einer klugen Balance aus Lust auf Veränderung und Fokus auf die bewährten Stärken.

Wie das gelingen kann, skizziert Kai-Stefan Schober, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Es gehe darum, Bauunternehmen zu „atmenden und schlagkräftigen Organisationen“ aufzubauen, die sich durch konsequent digitalisierte Wertschöpfungsketten, flexible Geschäftsmodelle und einen verstärkten Fokus auf die „grüne“ Transformation auszeichnen – wobei der Blick auf die Nachhaltigkeit auf keinen Fall vernachlässigt werden darf, zumal sich zeigen könnte, dass die zielgerichteten öffentlichen Infrastruktur- und Bauförderungen in naher Zukunft noch mehr als heute auf grüne Standards schauen. Schober glaubt, dass die Chance nicht darin besteht, in der Corona-Krise den Status Quo zu erhalten, sondern gerade jetzt auf Wandel zu setzen, im dem die Akteure „verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung als Kernelemente der Veränderung in den Fokus nehmen“. Dass die Bauindustrie selbst im Sturm der Pandemie nicht ruht, bleibt eine beruhigende Erkenntnis. Dies ändert aber nichts daran, dass die Branche fortlaufend an ihrer Transformation in Richtung mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit weiterarbeiten muss.

Buchtipp: Ingenieurbaukunst 2021

Die neue Ausgabe des Jahrbuchs „Ingenieurbaukunst“ präsentiert eine Auswahl der wichtigsten aktuellen Bauwerke „Made in Germany“ und diskutiert die Zukunft des Planens und Bauens. Herausgegeben von der Bundesingenieurkammer werden damit die Leistungen des deutschen Bauingenieurwesens dokumentiert. Ausgewählt wurden die Diskussionsthemen und Bauwerke von einer wissenschaftlichen Jury. Die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure beschreiben die bautechnischen Herausforderungen ihrer Bauwerke und erläutern die konkreten Lösungen bei Planung und Ausführung. Das Jahrbuch Ingenieurbaukunst ist damit einerseits eine Galerie der Spitzenleistungen des deutschen Bauingenieurwesens und andererseits eine Schaubühne der aktuellen Debatten rund um das Planen und Bauen in Deutschland. Bundesingenieurkammer (Hrsg.): Ingenieurbaukunst 2021. Ernst & Sohn 2020, 39,90 Euro.