Digitales Vermessen

Foto: Thomas Fischer / STRABAG AG
Foto: Thomas Fischer / STRABAG AG

Mit Scannern und Kameras ausgestatte Autos und Drohnen läuten ein neues Zeitalter der Vermessung ein. Mit den so aufgenommenen Daten lassen sich detaillierte Geländepläne erstellen und Bauwerke überwachen. Von Christoph Berger

Ein entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Gestaltung von Prozessen ist die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten. Das war bereits vor der Digitalisierung so, behält aber auch im digitalen Zeitalter seine Gültigkeit – zumal nun Technologien zur Verfügung stehen, mit denen sich weit mehr Daten als auf herkömmlichen Wegen generieren lassen, um sie effektiv und zielführend einzusetzen. Im Vermessungswesen und der Zustandsbewertung am Bau beispielsweise erfordern steigende Anforderungen, die Digitalisierung an sich und das Streben nach effizienten Abläufen neue Wege und neue Technologien.

Digitale Lösungen, die in diesen Bereichen zum Einsatz kommen, zeigen, dass sich so die Planung, der Bau und auch die Unterhaltung von beispielsweise Infrastrukturprojekten signifikant verbessern lassen. Da wundert es nicht, dass der Baukonzern Strabag schon 2018 den Bereich Digitale Objekterfassung und Drohnen aufgebaut hat, um die Potenziale der Digitalisierung auszuschöpfen. In ihm werden sämtliche Kompetenzen zu den besagten Technologien gebündelt. So kann der Bereich schnell und mit wenig Aufwand detaillierte Messdaten in höchster Qualität sammeln.

Messen im „Vorbeifahren“

Im Fall des Mobile Mappings sogar im wahrsten Sinne des Wortes „im Vorbeifahren“. Dazu wird ein Kleinbus mit zwei mobilen Hochleistungslaserscannern und einer 360-Grad-Panoramakamera auf dem Dach und reichlich IT-Technik im Fahrzeuginnenraum ausgestattet, unter anderem mit einer Inertial Measuring Unit, kurz IMU. In einer solchen Einheit werden unter anderem Beschleunigungs- und Drehratensensoren miteinander kombiniert. Während der Fahrt, bei einem Tempo von bis zu 110 Stundenkilometern, können dann beispielsweise Autobahnabschnitte bis ins kleinste Detail vermessen werden. Das Messgebiet wird dafür im Vorfeld mit Passpunkten markiert. Im Fahrtverlauf scannen die Laser dann in Abständen von wenigen Zentimetern die Oberflächenbeschaffenheit.

So entstehen hochverdichtete Punktwolken, die aus Millionen bis Milliarden Einzelpunkten bestehen. Durch ein verbautes GNSS (Global Navigation Satellite System) werden jedem einzelnen Messpunkt Koordinaten sowie Werte der Intensität und der RGB-Farben zugeordnet. Diese sogenannten Massendaten fließen in den Prozess der 3D-Datenverarbeitung und -Analyse ein. Daraus werden Vermessungsdaten wie Fahrbahnränder, Markierungen, Bruch- und Bordsteinkanten etc. abgeleitet und digitale Geländemodelle generiert. Dr. Thomas Gröninger, technischer Leiter des Bereichs, erklärt: „Gerade in der Angebotsphase spielen diese Daten eine essentielle Rolle für eine solide Kalkulationsbasis im Verkehrswegebau.“ Denn je genauere und detailliertere Messdaten vom Zustand der Straße schon im Vorfeld der Baumaßnahme gesammelt werden, desto genauer lassen sich im Verfahren des Building Information Modelling (BIM) die Massen berechnen und der Aufwand bestimmen. Fehlplanungen bei der Instandhaltung von Verkehrswegen würden somit vermieden. Zudem ist für all das nur eine Messfahrt nötig, aufwendige und längere Straßensperrungen gehören damit der Vergangenheit an, die Messungen können im fließenden Verkehr vorgenommen werden.

Geforderte Skills

Laut Dr. Thomas Gröninger braucht es für die Arbeit in den digitalen Bereichen vor allem Menschen, die motiviert sind und etwas verändern wollen, die eine Passion für Technologie haben und ein digitales Mindset mitbringen.

Das Verfahren lässt sich aber nicht nur im Straßenbau, sondern auch bei der Vermessung von Eisenbahntrassen einsetzen. Das System wird dann auf und in einem Zug montiert. So hat zum Beispiel der Graz-Köflacher Bahn- und Busbetrieb in Österreich das Strabag-Team beauftragt, im Zuge der geplanten Elektrifizierung seines Streckennetzes, die rund 51 Kilometer lange Bahntrasse zwischen Lieboch und Wies mit den mobilen Laserscannern digital zu vermessen und zu dokumentieren. Ziel war die Vereinfachung der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Die so gewonnen Grunddaten flossen dann, wie beschrieben, in eine Punktwolke ein, die zuverlässig und zentimetergenau die Abstände auf der Trasse dokumentierte. Außerdem ließ sie sich direkt in das digitale Planungssystem einbinden.

Kopplung an eine KI

Noch vielfältiger sind die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen. Deren Anwendungsszenarien reichen von der Erstellung hochauflösender Orthofotos, also einer verzerrungsfreien und maßstabsgetreuen Abbildung der Erdoberfläche, und 360-Grad-Aufnahmen über die Inspektion von Gebäuden und Brücken bis hin zu 3D-Visualisierungen, von Trassenvermessungen über Massenberechnungen bis hin zu Neigungs- oder Zustandsanalysen. Auch die Drohnen werden dafür mit hochauflösenden Kameras und Laserscannern ausgestattet, die während des Flugs über das jeweilige Projekt Daten in Form von Bildern und Punktwolken aufnehmen. Diese Punktwolken, digitalen Geländemodelle und Orthophotos werden auf einer cloudbasierten Plattform gehostet und können webbasiert abgerufen, visualisiert und bearbeitet werden. Dies passiert übrigens auch beim 3D-Mobile-Mapping.

Noch effizienter werden die beiden vorgestellten Messverfahren, wenn sie mit einer künstlichen Intelligenz, kurz KI, zusammengebracht werden. „KI-basierte Auswertungen sind in vielen Bereichen der Industrie als Standard für die Zukunft gesetzt”, ist auch Thomas Gröninger überzeugt. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik hat sein Team im Rahmen der Entwicklung eines neuronalen Netzes zur automatisierten Objekterkennung von Fahrbahn-Punktwolken eine KI-Anwendung für einen Drohnen-Laserscanner entwickelt. Tausende Datensätze zu relevanten Objekten im Verkehrswegebau wurden in das neuronale Netz gespeist und dieses so auf den „aktuellen Wissensstand“ gebracht, um effizient damit arbeiten zu können. Menschliches Wissen wurde sozusagen in die Maschine transferiert. Ein weiterer großer Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Bauindustrie.