Der BIM-Verfechter Prof. Dr.-Ing. Markus König im Interview

Dr.-Ing. Markus König, Professor für Informatik und Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum, zählt in Deutschland zu den prägenden Köpfen bei der Implementierung des Building Information Modeling (BIM). Im Juli 2020 erhielt er für seine Verdienste für die Digitalisierung des Bauwesens die Konrad-Zuse- Medaille. Im Gespräch analysiert er die gegenwärtige Stellung von BIM in der deutschen Bauwirtschaft und erklärt, warum sich Bauingenieure mit Digitalisierung im Blut keine beruflichen Sorgen machen müssen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Professor Dr.-Ing. Markus König leitet seit 2009 den Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum. Dort lehrt und forscht er seit vielen Jahren zur Digitalisierung im Bauwesen. Er war Mitglied im Expertenteam des Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), begleitete diverse BIM-Pilotprojekte und entwickelte verschiedene BIM-Schulungen (BIM Professional der RUB Akademie Bochum, Projektmanager BIM des DVP, BIM Schulung für das Amt für Bundesbau). Markus König ist Autor von mehr als 150 wissenschaftlichen Beitragen zur Digitalisierung im Bauwesen und Herausgeber von zwei Büchern zum Thema BIM. Seit Sommer 2019 ist er maßgeblich am Aufbau des nationalen Zentrums für Digitalisierung des Bauwesens beteiligt.

Herr König, die Vorteile von BIM liegen auf der Hand, kaum jemand bestreitet den Nutzen der Methode. Dennoch findet sie weiterhin recht schleppend Einzug in die Branche. Woran liegt das?
BIM bedeutet ja nicht nur, kurz eine neue Software zu installieren – und das war’s. Dahinter steckt eine komplette Transformation, die erfordert, dass viele Arbeitsprozesse neugestaltet werden müssen. Denn nur dann können die digitalen Modelle überhaupt erstellt und schließlich bearbeitet werden.

Wir reden also davon, dass BIM die Arbeit allumfassend verändert.
Genau, was bedeutet, dass in Behörden und Unternehmen viele Dinge passieren müssen, damit BIM funktioniert. Es geht darum, Soft- und Hardware für alle Beteiligten kompatibel zu machen, Schnittstellen zu organisieren, jeweils den Ist-Zustand zu analysieren und das Personal zu schulen. Solche Neugestaltungen von Prozessen passieren nicht von heute auf morgen.

Sie haben vor fünf Jahren ein Grundlagenbuch zum Thema BIM geschrieben, mit Blick auf das Tempo des digitalen Zeitalters ist das schon fast eine Ewigkeit her. Reden wir heute überhaupt noch über das gleiche Tool, über das sie 2015 geschrieben haben?
Schon, ja. So groß ist die Entwicklungsdynamik in der Baubranche nicht, die Grundaspekte sind heute noch die gleichen wie vor fünf Jahren. Und es ist sinnvoll, weiter damit zu arbeiten. Würden wir versuchen, immer mit den neuesten Technologien zu arbeiten, also zum Beispiel den aktuellen Trends der künstlichen Intelligenz oder der Automatisierung, würden wir viele Beteiligte eventuell überfordern. Viel gewonnen haben wir hingegen, wenn es uns gelingt, die Konzepte, die vor drei, vier Jahren entwickelt worden sind, nun in die Breite zu bringen.

Wie weit sind wir in dieser Hinsicht?
Es ist schon so, dass sich da in den vergangenen ein bis zwei Jahren einiges getan hat. Ich wohne in Dortmund, und wenn ich mir anschaue, wie Baumaßnahmen hier geplant und angegangen werden, dann erkenne ich, dass BIM-Projekte keine Exoten mehr sind. Geht das mit der Dynamik weiter, dann werden wir in vier fünf Jahren mehr BIM-Projekte als herkömmliche haben, das ist meine Prognose.

Heißt aber auch: Es könnte doch schneller gehen.
Zugegeben, als wir 2015 das Buch geschrieben haben und kurz danach den BIM-Stufenplan entwickelt und Initiativen gegründet wurden, da hatte ich gehofft, es würde schneller vorangehen. Einige Vorhabenträger waren auch sehr zügig dabei, zum Beispiel die DEGES im Straßenbau oder auch die Deutsche Bahn. Schauen wir aber in die Breite, dann passiert die Entwicklung langsamer, was auch daran liegt, dass BIM die Verwaltungsapparate durchdringen muss, und wer die Taktung der Behörden kennt, der weiß, dass das manchmal eben etwas länger dauert.

Bauingenieure gibt es sowieso schon zu wenige, Bauingenieure mit BIM-Kompetenzen sind besonders begehrt.

Wobei es ja weiterhin eine Reihe von Initiativen gibt, aktuell zum Beispiel in NRW das BIM-Competence-Center.
Ja, die gibt es, beispielsweise auch das nationale Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens auf Bundesebene, wobei ich mir schon wünschen würde – auch wenn ich weiß, wie schwierig das gerade jetzt in der Corona-Zeit ist, dass hier noch mehr Mittel bereitstehen würden, gerade für die Schulung von Personal. Denn das ist auf jeden Fall ein Knackpunkt: Bauingenieure gibt es sowieso schon zu wenige, Bauingenieure mit BIM-Kompetenzen sind besonders begehrt. Die Unternehmen und Behörden bekommen ihre Stellen nicht besetzt, weil der Personalmarkt nach dem Bauboom der letzten Jahre nicht mehr viel hergibt. Es wird daher nötig sein, insbesondere die Jobs in der Verwaltung attraktiver zu gestalten.

Ein Bauingenieur mit IT-Know-how muss also keine berufliche Zukunftsangst haben.
Nein, das erkenne ich auch hier bei uns am Lehrstuhl. Wenn ich jemanden frage, der Bauingenieurswissen und Digitalisierungskompetenz vereint, ob er nicht Lust hat, bei mir zu promovieren, bekomme ich in der Regel zu hören: „Das wird eng, denn ich habe schon drei, vier andere Jobangebote.“

Wie bewerten Sie denn die Ausbildung der Bauingenieure heute, erhält der Nachwuchs genügend digitale Kompetenz?
Vielfach schon, wobei es dann doch auch noch weiterhin den Kollegen oder die Kollegin gibt, die Digitalisierungsthemen am Bau skeptisch gegenübersteht. Ich stehe grundsätzlich dafür, eher mehr als weniger digitales Knowhow zu vermitteln, wobei das natürlich auch nicht auf Lasten der Fachkompetenz gehen darf: Den reinen IT-Nerd brauchen wir am Bau auch nicht. Generell stehen die Chancen in Deutschland aber gut, dass man am Ende des Studiums eine gute Ausbildung auch in Richtung Digitalisierung erhalten hat.

Ein Bauvorhaben lebt seit jeher davon, dass sich die beteiligten Akteure und Gewerke die bedeutsamen Informationen zugänglich machen.

Wie steht es um die Kommunikationsfähigkeit, eine für BIM grundlegende Kompetenz?
Kommunikation ist überaus wichtig, ja, aber das war sie schon immer. Ein Bauvorhaben lebt seit jeher davon, dass sich die beteiligten Akteure und Gewerke die bedeutsamen Informationen zugänglich machen. Geändert hat sich durch BIM die Art der Kommunikation: Es wird vielleicht weniger geredet, dafür mehr dokumentiert. Das macht Kommunikation für viele einfacher, nichtsdestotrotz muss man diese Art des digitalen Informationsaustausches natürlich beherrschen: Man erkennt heute, dass auch komplexe Projekte dann funktionieren, wenn Bauingenieure beteiligt sind, die sich auf Kommunikation verstehen und die Digitalisierung im Blut haben.

Wie steht Deutschland beim Thema BIM im internationalen Vergleich da?
Die Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland stehen, kennen die Bauingenieure in anderen Ländern natürlich auch. Es gibt aber Unterschiede im Umgang mit dem Thema, weil es einige andere Staaten nicht ganz so genau nehmen. Nehmen Sie Großbritannien, dort ist BIM seit 2016 bereits auf dem Papier Pflicht, wodurch das Land zum Vorreiter wurde. Schaut man sich die Projekte aber genauer an, dann erkennt man, dass da zwar das BIM-Label drauf ist, viele der wirklichen Abläufe aber noch ganz ähnlich laufen wie bei uns.

Wobei diese Projekte in Deutschland noch keinen BIM-Stempel bekommen.
Genau. Das liegt daran, dass wir höhere Maßstäbe anlegen, was ein BIM-Projekt ist und was nicht. Das ist sicherlich der deutschen Ingenieurskultur geschuldet, wir nehmen es sehr genau, entwickeln viele Richtlinien bis am Ende eine DIN-Norm steht.

Konrad-Zuse-Medaille

Im Juli 2020 erhielt Markus König die Konrad- Zuse-Medaille des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), mit der er für die Digitalisierung des Bauwesens, insbesondere zur Implementierung von Building Information Modeling (BIM) in Deutschland gewürdigt wurde. Markus König habe sehr frühzeitig die Potenziale von BIM erkannt und seine Forschung stringent auf dieses Thema ausgerichtet, heißt es in der Begründung zur Preisvergabe. Wichtig sei ihm vor allem die praktische Umsetzung gewesen. Der Verband hob dabei insbesondere seine federführende Mitwirkung bei der Planung und Umsetzung des Stufenplans von BIM im Infrastrukturbau hervor.

Verhindert diese deutsche Genauigkeit mitunter Innovation und Entwicklung?
Auf der einen Seite behindert diese Mentalität vielleicht das Ausprobieren von Dingen, ja. Auf der anderen Seite sind wir in Deutschland aber auch sehr gut darin, solche Normen zu setzen und eine hohe Qualität zu liefern. Jetzt ist es so, dass viele andere Länder gespannt auf uns gucken, weil sie ahnen: Wenn die Deutschen bald mit einer BIM-Norm um die Ecke kommen, dann wird diese sehr gut sein – und dann ist es möglich, dass wir mit diesen durchdachten Vorgaben und Regelungen die anderen sehr schnell überholen.

Muss man also nicht zwingend der Erste sein, um am Ende eine Entwicklung erfolgreich umzusetzen?
Gerade in der Baubranche geht es häufig darum, bestimmte Vorzeigeprojekte zu realisieren, die dann schnell die Runde machen. Solchen Trends zu entsprechen, ist wichtig, das gilt zum Beispiel auch für Pilotprojekte mit Baurobotern. Damit in der Öffentlichkeit zu punkten, hilft der Branche, weil neue Möglichkeiten aufgezeigt werden. Letztlich geht es aber auch darum, zu schauen, wie die Bauwirtschaft in der Breite davon profitieren kann. Und das ist in Deutschland insbesondere dann der Fall, wenn auch der Mittelstand etwas davon hat.

 

 

 

Bau visiert Klimaschutz an

0

Laut dem Zukunftsinstitut ist Neo-Ökologie ein Megatrend, der in jeden Bereich unseres Alltags hineinreicht und der unternehmerisches Denken und Handeln in seinen elementaren Grundfesten verändern wird. Dazu zählt auch die Fokussierung auf die Energiewende – eine Reaktion auf den Klimawandel. Die Baubranche arbeitet an dieser komplexen Herausforderung in unzähligen Bereichen mit. Von Christoph Berger

Es ist bestimmt nicht untertrieben: Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Handeln ist also gefordert. Die Politik hat auf die Situation unter anderem folgendermaßen reagiert: 2015 haben die Vereinten Nationen im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen globalen Temperaturniveau zu begrenzen. Das Europäische Parlament rief 2019 den Klimanotstand aus. Deutschland einigte sich gemeinsam mit seinen europäischen Partnern auf ein Verfahren, in Europa den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dazu wurden verbindliche Ziele vereinbart, die bis 2030 erreicht werden müssen. An erster Stelle steht das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 in Europa.

Diese Ziele haben für das Bauwesen eine besonders große Bedeutung, gehört das Bauen sowie die Bauwerke doch zu den Hauptemittenten von CO2. 28 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland sind alleine auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Allerdings ist die Bewertung des CO2-Fußabdrucks besonders komplex, da Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen über den gesamten Lebenszyklus der Bauten erforderlich werden – inklusive der sogenannten „Grauen Energie“. Doch genau Letztere kommt oftmals noch zu kurz. In einer aktuellen Studie des Steinbeis- Transferzentrums für Energie-, Gebäude- und Solartechnik und des Fraunhofer- Instituts für Bauphysik (IBP) im Auftrag der Bundesregierung wird die bisherige Vernachlässigung der „Grauen Energie“ bei Wohngebäuden, also der an die Materialien gebundenen Energie, die zur Herstellung, Instandsetzung und Entsorgung benötigt wird, kritisiert. Stattdessen wird eine ganzheitliche energetische Betrachtung der Gebäude über den gesamten Lebenszyklus gefordert. Durch eine klimagerechte und energieoptimierte Wahl der Baumaterialien und der Baukonstruktionen könnten allein im Neubaubereich etwa sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden, schreiben die Autoren.

Und dies auch noch kostenneutral oder zu geringen Mehrkosten. Eine Forderung an die auch das Bauwende-Bündnis, eine Denkfabrik und ein Impulsgeber für Klimaschutz und Ressourcenschonung am Bau, anknüpft. Die Diskussion zum geplanten Gebäudeenergiegesetz zeige, dass ordnungsrechtliche Änderungen langwierig seien. Bei der KfW-Förderung zum Bauen und Sanieren müsse daher jetzt mit der Berücksichtigung der „Grauen Energie“ ein erster Schritt gemacht werden, anschließend seien die Förderprogramme auf eine gesamtenergetische Betrachtung über den ganzen Lebenszyklus umzustellen.

Klimaneutralität wird angestrebt

Weniger ins Detail geht die Kernaussage des GLOBE Konsens, der jüngst von einer internationalen Expertengruppe verabschiedet wurde, die im Auftrag von sieben führenden internationalen Institutionen im Bereich des Bauingenieurwesens an dem Meilenstein, wie sie ihn nennen, gearbeitet hat. Dafür ist sie umso aufrüttelnder. So heißt es in dem Konsens unter anderem: „Eine erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in der globalen Gesellschaft sowie die Verringerung der verheerenden globalen und lokalen Folgen des Klimawandels erfordern nicht weniger als eine weltweite, transformative und einheitliche Anstrengung aller Akteur*innen des Bauwesen.“

Dr. Dipl.-Ing. Wolfram Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und Mitglied des Editor Boards von der International Union of Laboratories and Experts in Construction Materials, Systems and Structures stellt dabei die Schlüsselrolle von Bauingenieuren heraus: „Mit zunehmender Urbanisierung und wachsendem Baubedarf bei gleichzeitig immer stärker limitierten Ressourcen, werden Bauindustrie und Bauingenieure zu wesentlichen Triebfedern positiver sozio-ökonomischer, ökologischer Entwicklungen und nachhaltiger Prozesse. Allerdings sind sich die meisten Verantwortlichen ihrer Rolle und Verantwortung dabei gar nicht wirklich bewusst. Deshalb stellt der GLOBE Konsens einen Meilenstein dar, indem er die Akteure im gesamten Umfeld des Bauwesens unmittelbar anspricht und dazu ermutigt Vorboten positiver Entwicklungen für eine bessere Zukunft zu werden.“

Doch die Brisanz des Klimawandels und die Dringlichkeit zu handeln, scheint vermehrt anzukommen. So ist der Klimawandel als eines von vier Leitthemen des Branchenevents BAU 2021 ausgerufen worden. Ein anderes läuft unter dem Titel „Ressourcen und Recycling“. Vonseiten des Veranstalters, der Messe München, heißt es Energieeffizienz, Recycling, Nachwachsen und Resilienz seien die Zutaten, mit denen die Klimaneutralität von Gebäuden und Städten realisierbar sei.

Vielfältige Einflussmöglichkeiten

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat vor diesem Hintergrund selbst Handlungsfelder und Stellschrauben analysiert, um aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Zertifizierung von Gebäuden nach höchsten Standards der Nachhaltigkeit (z. B. DGNB Platin), serielle Sanierungskonzepte, innovative regenerative Energieerzeugungsanlagen, CO2-bindender Asphalt sind Beispiele für derartige Möglichkeiten. Verbunden sind in diesen Maßnahmen sowohl bauingenieurtechnische Kompetenz als auch der Klimaschutz.

55 saubere Technologie-Initiativen

Capgemini Invent, die weltweite Beratungseinheit der Capgemini-Gruppe für digitale Innovation und Transformation, hat Mitte Oktober 2020 die Studie „Fit for NetZero: 55 Tech Quests to Accelerate Europe‘s Recovery and Pave the Way to Climate Neutrality“ veröffentlicht, die aufzeigt, wie die ambitionierten EU-Klimaziele erreicht werden können. Dabei wird auch gezeigt, wie gezielte Investitionen die Innovationszyklen beschleunigen können, um so zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen, 12,7 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen und eine Bruttowertschöpfung von fast 800 Milliarden Euro zu generieren. Ein Schwerpunktthema der Studie ist „Gebäude und Bauwesen“.

Und natürlich darf auch die Wissenschaft bei der Bearbeitung des Themas mit seinen komplexen Herausforderungen nicht außen vor gelassen werden. Leichtbaukonstruktionen wie sie zum Beispiel am IBP erforscht werden oder die auf dem Gelände des Flughafens Tegel geplante Bauhütte 4.0 sind nur zwei Beispiele. Sobald Tegel 2021 endgültig schließt, soll dort ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien sowie ein Stadtquartier für mehr als 10.000 Bewohner*innen entstehen. Nachhaltiges Bauen steht dabei im Fokus. „Langfristiges Ziel ist die Förderung von Stadtquartieren in Holzbauweise, um gezielt auf die steigenden Treibhausgasemissionen in urbanen Ballungsräumen zu reagieren“, so Prof. Raoul Bunschoten, Leiter des Fachgebiets CHORA conscious city – Städtebau und nachhaltige Stadtentwicklung an der Technischen Universität Berlin. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und der Tegel Projekt GmbH soll ein Cluster für den innovativen Holzbau entstehen, in dem Akteure der Zivilgesellschaft, Forstwirtschaft, Forschung und Entwicklung, Bauindustrie und Stadtentwicklung zusammenkommen, um nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern.

Größte Klimaschutzsiedlung in NRW

0

Am Mönchengladbacher Hauptbahnhof, in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt, entsteht in den kommenden Jahren ein urbanes Stadtquartier: die Seestadt mg+. Auf über 200.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche sollen etwa 2.000 Wohnungen und diverse gewerbliche Nutzungen unterkommen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den Klimaschutz und die Mobilitätswende gelegt. Von Christoph Berger

In Mönchengladbach entsteht in den kommenden 15 Jahren ein Modellprojekt im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten „Reallabor der Energiewende“. Reallabor deshalb, weil in dem Förderprogramm innovative Technologien in Anwendung gebracht und unter realen Bedingungen erprobt werden. In der Seestadt soll beispielsweise eine CO2- freie Wärmegewinnung aus Abwasser verwirklicht werden. Prinzipiell geht es bei dem Projekt also nicht nur um Energieeinsparung, sondern auch um Energiegewinnung und -verteilung. Außerdem will man mit zwei Kindertagesstätten, zwei öffentlichen Spielplätzen, drei Mobilität-HUBs mit E-Bikes und E-Scootern sowie Carsharing-Angeboten und Packstation ein zukunftsfähiges Angebot schaffen, mit dem langfristig ein attraktives Wohnumfeld geboten werden soll.

Das Wirtschaftsministerium des Landes NRW und die EnergieAgentur.NRW haben das Projekt bereits als Klimaschutzsiedlung zertifiziert – laut NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart die größte in NRW. Und dies nicht nur wegen der nahezu CO2-freien Energiegewinnung, sondern auch wegen eines fast zwei Hektar großen, künstlich anzulegenden Sees mitten in der Innenstadt von Mönchengladbach. Er ist das Kernstück des Projekts. Dieser See soll einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas und zum Artenschutz leisten, als Retentionsbecken, also als ein Rückhaltebecken, dienen und den Stadtbewohnern mit seinen naturnahen Uferzonen und Uferpromenaden einen Anziehungspunkt mit einmaliger Aufenthaltsqualität in Innenstadtnähe bieten. Dass die Gebäude wärmegedämmt werden, soll hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden.

Nachhaltigkeit verspricht das Quartier aber nicht nur wegen der Mobilitätsangebote sowie der prognostizierten CO2-Neutralität. Zehn Prozent der Mehrfamilienhäuser werden als öffentlich geförderter Wohnungsbau und 30 Prozent als zielgruppenorientierter Wohnungsbau eingeplant. Alle Wohnungen sind stufenlos erreichbar, verfügen über Balkon oder Terrasse, offene Wohn- und Essbereiche mit bodentiefen Fenstern und modernen Neubaustandards. Die Wohnungsgrößen variieren dabei von 38 bis 103 Quadratmetern: Zielgruppe sind alle Alters- und Einkommensgruppen – von Singles bis Familien, von Studenten bis Rentnern. Der Baustart für das vom schwedischen Unternehmen Catella geplante Stadtquartier soll noch in diesem Jahr erfolgen. Der Stadtrat Mönchengladbachs hat Anfang September 2020 mit einem mehrheitlich gefassten Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Der Bauantrag für die ersten 250 Wohneinheiten ist bereits eingegangen, mit dem ersten Bauabschnitt, dem Südviertel, wird auch die erste öffentlich nutzbare Mobilitätsstation mit Angeboten für Sharing-Fahrzeuge realisiert.

Dekarbonisierung von Zement

0

Die Richtung ist klar vorgegeben: Der Verein Deutsche Zementwerke (VDZ) sieht die größte Herausforderung für die weltweite Zementindustrie in den kommenden Jahren eindeutig in der Dekarbonisierung ihres Herstellungsprozesses. Ein Fokus wird dabei auf eine entsprechende Infrastruktur für den Transport des CO2 gerichtet, um das abgeschiedene Treibhausgas einer Nutzung bzw. Speicherung zuführen zu können. Von Christoph Berger

Die Zementindustrie gehört zu den energie- und rohstoffintensiven Branchen. So tragen die Prozesse zur Produktion von Zementklinker und Zementen laut des vom Umweltbundesamt im März 2020 herausgegebenen Berichts „Prozesskettenorientierte Ermittlung der Material- und Energieeffizienzpotentiale in der Zementindustrie“ weltweit zu sechs bis sieben Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen bei. Die Herstellung einer Tonne Zement verursacht etwa 700 Kilogramm Kohlendioxid; jährlich werden weltweit rund zwölf Kubikkilometer Beton produziert – Zement vermischt mit Wasser, Sand und Kies ergibt Beton. Pietro Lura, der an der schweizerischen Empa die neue Forschungsabteilung „Beton und Asphalt“ leitet, sagt: „Mit einem Bedarf von über 4,5 Milliarden Tonnen jährlich stellen die beiden Baustoffe in Summe den Löwenanteil aller weltweit verwendeten Materialien dar.“ So stünden denn auch beide Produkte vor gemeinsamen Herausforderungen, etwa eine umweltfreundliche, ressourceneffiziente Herstellung und Nutzung mit verminderten CO2-Emissionen.

Die Empa-Forschenden arbeiten daher an neuen Zement- und Bitumen-basierten Materialien, bei deren Herstellung weniger schädliches Klimagas entsteht – oder sogar CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden kann. „Wir werden Prinzipien der Kreislaufwirtschaft umsetzen, indem wir neue Komposit-Materialien entwickeln und das Cross-Recycling von Asphalt und Beton in einem global stetig wachsenden Markt ermöglichen“, sagt Lura. Der Baustoffhersteller Cemex gab Anfang Oktober 2020 bekannt, zusammen mit dem Unternehmen Synhelion eine Technologie auf der Basis von Solarenergie entwickelt zu haben, die eine vollständige Dekarbonisierung der Zementherstellung ermöglichen soll. Der Ansatz basiert darauf, im Zementwerk die Nutzung fossiler Brennstoffe durch Hochtemperatur-Solarwärme zu ersetzen und dabei 100 Prozent der CO2-Emissionen abzuscheiden, um sie als Ausgangsmaterial für die Brennstoffproduktion zu nutzen, wodurch die Zementherstellung klimaneutral würde. Ein Forschungsprojekt dazu sei bereits abgeschlossen, nun soll die Technik schrittweise in eine Pilotanlage eingeführt werden.

Vonseiten des VDZ heißt es, dass die Branche mit konventionellen Ansätzen wie dem Einsatz alternativer Brennstoffe zwar die CO2-Performance von Jahr zu Jahr verbessere, man aber an Grenzen stoße. VDZ-Präsident Christian Knell ist sich sicher: „Klimaneutralität können wir langfristig jedoch nur mithilfe neuartiger Technologien erreichen, mit denen das CO2 im Zementwerk abgeschieden wird, um es anschließend zu nutzen oder zu speichern.“ Deutsche Zementhersteller würden bereits konkrete Pilot- und Demonstrationsvorhaben planen, um die CO2-Abscheidung zur technischen Reife zu führen.

Hudson Yards

0

An der West Side von Manhattan New York City, USA, entsteht ein neuer Stadtteil: Hudson Yards. In dem soll alles geboten werden, was es zum urbanen Leben braucht: 4.000 Wohnungen, Büros, 14 Hektar öffentliche Plätze, Gärten und Haine plus eine Schule, ausreichend Shopping-Möglichkeiten und kulinarische Angebote. Von Christoph Berger

Highlight jagt Highlight jagt Highlight. Am 11. März dieses Jahres war wieder so ein Tag. Da verkündeten die Macher des neuen Stadtteils Hudson Yards an Manhattans West Side: „Heute wurde Edge, das höchste Außendeck der westlichen Hemisphäre, offiziell für die Öffentlichkeit eröffnet und bietet einen beispiellosen 360-Grad-Blick auf die ikonische Skyline der Stadt.“ Und das ist wahrlich nicht übertrieben: Das Außendeck, das 765.000 Pfund schwer ist – umgerechnet sind das knapp 374.000 Kilogramm oder 374 Tonnen, beinhaltet einen Glasboden, schräge Glaswände und eine Freiluft-Treppe von der 100. bis 101. Etage von 30 Hudson Yards, einem weiteren Super-Wolkenkratzer in der Skyline von Big Apple, der 2019 mit anderen Gebäuden des Komplexes eingeweiht wurde.

Die Plattform besteht aus 15 Abschnitten, die jeweils zwischen 35.000 und 100.000 Pfund wiegen, miteinander verschraubt und an der Ostund Südseite des Gebäudes verankert sind. Der 7.500 Quadratfuß große Außenaussichtsbereich ist von 79 Glaspaneelen mit einem Gewicht von jeweils 1.400 Pfund umgeben, die in Deutschland hergestellt und in Italien fertiggestellt wurden. Einziges Manko: Die Freude vom Ausblick der Plattform währte erst einmal nicht lange, bereits zwei Tage nach der Eröffnung musste sie aufgrund der COVID-19-Pandemie wieder geschlossen werden.

Die Entwicklung des neuen Stadtteils gilt als das größte private Bauvorhaben des Landes und eines der komplexesten Bauprojekte in der Geschichte New Yorks. Alleine, dass in dem Viertel einmal 15 Wolkenkratzer stehen sollen, verdeutlicht die Dimensionen. Ebenso, dass dort nach Fertigstellung schätzungsweise 125.000 Menschen täglich leben, arbeiten, essen, einkaufen, studieren, bummeln oder die Sehenswürdigkeiten besichtigen werden. Entstehen wird Hudson Yards an der Nahtstelle zwischen Chelsea und Hell‘s Kitchen. Außerdem wird der Stadtteil das erste LEED GOLD-Quartiersentwicklungsprojekt Manhattans sein. Die WiredScore- Zertifizierung hat er bereits erhalten.

Und als wenn dies alles noch nicht genug wäre, mussten auf dem insgesamt 28 Hektar großen Gelände 30 aktive Zuggleise, drei Eisenbahntunnel und der neue Gateway-Tunnel überbrückt werden. Dafür bedurfte es 300 Senkkästen, die nicht nur die zwei Bahnsteige, die über den Zugleisen errichtet wurden, stützten, sondern auch die Gebäude. Ebenso beeindruckend ist das Herzstück der Hudson Yard, die unter dem Namen „Vessel“ bekannte und von Thomas Heatherwick errichtete Wendeltreppe, von der aus die Besucher aus verschiedenen Höhen, Winkeln und Aussichtspunkten neue Perspektiven auf die Stadt und aufeinander genießen können. Dieses interaktive Kunstwerk besteht aus 154 kompliziert miteinander verbundenen Treppenläufen – fast 2.500 einzelnen Stufen und 80 Treppenabsätzen.

Weltweit erstes Haus aus Carbonbeton

0

Im Februar 2020 wurde in Dresden die Baugenehmigung für das weltweit erste, vollständig aus Carbonbeton errichtete Gebäude erteilt, den sogenannten „Cube“. Im Juni folgte dann die Grundsteinlegung – aufgrund der CoronaPandemie im Rahmen einer digitalen Übertragung. Von Christoph Berger

Gebaut werden soll der Cube an der nach dem bekanntesten Wissenschaftler der Neuzeit benannten Straße – der Einsteinstraße, am Dresdner Uni-Campus. Bei dem 220 Quadratmeter großen Bauprojekt wird es sich um Experimentalbau handeln, an dem zum einen gezeigt werden soll, was mit Carbonbeton schon heute möglich ist, zum anderen soll er als Versuchsstand dienen. Erforscht werden sollen unter anderem die Langzeittauglichkeit von Carbonbeton aus baukonstruktiver, statischer und bauphysikalischer Sicht. Zudem will man an ihm die Betriebs- und Lebenszykluskosten beurteilen. Das Gebäude wird aus einer Box bestehen – der Ursprung für den Namen Cube, die um zwei symmetrisch gegenüber angeordnete Twist-Elemente ergänzt wird. Diese werden gleichzeitig den seitlichen sowie oberen Raumabschluss bilden und sollen das außerordentliche Anwendungsspektrum der Carbonbetonbauweise veranschaulichen. Die Box wiederum soll verdeutlichen, dass herkömmliche Baukörper des Hochbaus nach dem Stand der Technik bereits mit Carbonbeton errichtet werden können. Das Gebäude soll sowohl einen Präsentationsraum für etwa 20 Personen, Labor-, Test- und Technikräume als auch sanitäre Einrichtungen beinhalten.

Carbonbeton ist Gegenstand der Forschung in Deutschlands größtem Bauforschungsprojekt C3– Carbon Concrete Composite, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. Über 160 Partner arbeiten an der Etablierung des Verbundwerkstoffes auf dem Markt. Diese Breite hat ihre Gründe: Mit über 100 Millionen verbauten Kubikmetern im Jahr ist Stahlbeton der wichtigste Baustoff Deutschlands. Allerdings hat dieser Baustoff ein Manko. Wegen der Korrosion am Stahl bleiben Stahlbetonkonstruktionen hinter ihrer erwarteten Lebensdauer zurück. Hinzu kommen die enormen CO2-Emissionen. Allein die Herstellung von Zement ist für 6,5 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Im Carbonbeton wird nun der Stahl durch Carbon ersetzt. Diese neue und aus Kohlenstofffasern bestehende Bewehrung rostet nicht. So kann all der Beton eingespart werden, der zuvor nur für den Schutz des Stahls in den Bauund Verbundwerkstoff eingebracht wurde. Vonseiten des Bauforschungskonsortiums heißt es, dass mit dem Einsatz von Carbonbeton nachhaltig, umweltschonend, weniger material-intensiv und leichter gebaut werden könne. Außerdem sei in der Architektur eine andere Formensprache möglich. „Leicht Bauen“ und „Beton“ seien kein Widerspruch mehr, sondern vielmehr das Konzept der Zukunft.

Ziel des Forschungsprojekts ist es daher auch, bis 2021 alle Voraussetzungen für eine Markteinführung von Carbonbeton zu schaffen. Bis 2025 soll die Bauweise dann dauerhaft etabliert werden. Der Cube in Dresden soll voraussichtlich bis Mitte 2021 gebaut werden.

Neu gebaut

0

International und national entstehen ständig bemerkenswerte Bauwerke, die nicht nur mit ihrem Erscheinungsbild überzeugen, sondern oftmals auch ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Der karriereführer stellt einige solcher Projekte vor. Von Christoph Berger

Frankfurter Omniturm gehört zu den Finalisten des IHP

Foto: Nils Koenning
Foto: Nils Koenning

Ende September 2020 gab die Jury des diesjährigen Internationalen Hochhaus Preises (IHP) die Finalisten bekannt. Unter den Finalisten findet sich auch der Frankfurter Omniturm von BIG – Bjarke Ingels Group aus New York / Kopenhagen. Somit hat es das erste Hybridhochhaus in einem deutschen Stadtzentrum in die Endrunde geschafft. Für Jury-Mitglied Ina Hartwig macht der Turm seinem Namen alle Ehre. Er vereint Gastronomie, Büros, Wohnungen und Geschäfte unter einem Dach. Damit ist der 190 Meter hohe Omniturm im internationalen städtebaulichen Vergleich auf der Höhe der Zeit.

Eine Brücke zum Aufklappen

Foto: TU Wien
Foto: TU Wien

Anfang 2020 wurde in Österreich eine Weltpremiere präsentiert: Eine ausklappbare Brücke. Entwickelt wurde die neue Brückenbautechnik an der TU Wien, in einem Bauwerk der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), einer österreichischen Infrastrukturgesellschaft, wurde sie erfolgreich eingesetzt. Dabei entsteht die Brücke nicht horizontal, sie wird stattdessen vertikal errichtet und dann ausgeklappt. An beiden Seiten eines Betonpfeilers werden dazu senkrecht Träger montiert, die dann ausgeklappt werden können. Ähnlich wie bei einem Regenschirm. „Die beiden Träger sind oben, direkt über dem Pfeiler, durch ein Gelenk miteinander verbunden“, erklärt Johann Kollegger, Professor am Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien und Entwickler der Technik. „Mit hydraulischen Anlagen wird dieses Gelenk dann langsam abgesenkt, dabei klappen sich die Träger auf beiden Seiten aus.“ Die Träger bestehen aus dünnwandigen Fertigteilen mit Stahlbewehrung und sind zunächst hohl. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, werden sie mit Beton ausgegossen. Die Klapp- Konstruktion lässt sich in zwei bis drei Tagen aufstellen, der Ausklappvorgang dauert ungefähr drei Stunden. Es werden somit Zeit, Geld und Ressourcen eingespart.

Sonnenschutzmittel für den Asphalt

Der Verschleiß des Bindemittels Bitumen in Asphaltstraßen führt zu Rissen und Schlaglöchern. Vor allem Licht, Sauerstoff und Wärme setzen dem Bindemittel zu. Wissenschaftler des Instituts für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig haben jetzt herausgefunden, wie sie die UV-Alterungsbeständigkeit von Bitumen mit einem neuen Nanokomposit aus Ton und pyrogener Kieselsäure, die als Füllstoff in Kunststoffen verwendet wird, verbessern können. „Die Modifizierung von Bitumen durch Ton- und pyrogene Kieselsäure-Nanopartikel kann als eine interessante, kostengünstige Technik im Asphaltstraßenbau neue Perspektiven bieten, um Asphaltmaterialien haltbarer zu machen“, sagt Goshtasp Cheraghian, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut.

Hochwasserrückhaltebecken Niederpöbel

Foto: Landestalsperrenverwaltung Sachsen / Sebastian Rieß
Foto: Landestalsperrenverwaltung Sachsen / Sebastian Rieß

Nach neunjähriger Bauzeit wurde im April 2020 das Hochwasserrückhaltebecken Niederpöbel (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) für funktionstüchtig erklärt und der Straßendurchlass, der durch den Damm führt, freigegeben. Das Becken schützt die Bewohner des Osterzgebirges von Schmiedeberg bis Dippoldiswalde besser vor Hochwasser. Mit seiner Speicherkapazität von über einer Million Kubikmeter Wasser wirkt es bis zur Talsperre Malter und hat damit eine Schutzwirkung bis nach Freital und Dresden. Der Freistaat Sachsen und der Bund investierten dafür rund 50 Millionen Euro. Das Rückhaltebecken ist ein sogenanntes grünes Becken. Es wird nur bei Hochwasser eingestaut. Dazu wird im Notfall die Staatsstraße S183, die durch den Damm des Beckens führt, gesperrt und der Verkehr über eine Umleitungsstrecke geführt. Bei einem Vollstau wird die Straße auf einer Länge von 1,2 Kilometern überstaut. Die Wasserfläche ist dann etwa 13 Hektar groß.

Weltweit erstes Schachtkrafwerk am Netz

Foto: Frank Becht / TUM
Foto: Frank Becht / TUM

Im bayerischen Fluss Loisach ist das weltweit erste Schachtwasserkraftwerk in Betrieb gegangen. Es produziert klimafreundlich Strom und schont gleichzeitig die Natur stärker als konventionelle Wasserkraftwerke. Die Turbine wird in einem Schacht im Flussbett versteckt. Fische können über das Kraftwerk hinweg flussabwärts wandern. Bei herkömmlichen Flusskraftwerken wird das Wasser durch ein Maschinenhaus umgeleitet, um die Turbine anzutreiben. Von der Strömung können Fische zum Kraftwerk getrieben und an Turbine und Gittern tödlich verletzt werden. Entwickelt wurde der neue Anlagentyp von einem Team am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Technischen Universität München (TUM).

Ein Hotel aus Modulteilen

Foto: Danny Forster & Architecture
Foto: Danny Forster & Architects

Das Manhattan AC Hotel in New York von Marriott wird so gut wie ausschließlich aus fertig angelieferten Modulen bestehen. Die 168 Gästezimmer werden in einer Fabrik in Polen zusammengebaut, nach Übersee verschifft und nachts per Lkw nach New York gebracht. Die Modulbauweise wurde gewählt, um kosteneffizient und qualitätskontrolliert zu bauen. Gleichzeitig wolle man zeigen, dass ein Turm aus Modulen nicht wie gestapelte Kisten aussehen muss, heißt es vonseiten des Architekturbüros Danny Forster & Architects, das den Turm entworfen hat. Der abgewinkelte, aber hypersymmetrische Gästegrundriss nutze alle Effizienzvorteile, die man beim Bauen in einer Fabrik erhalte. Das Design lasse darüber hinaus noch Variationsmöglichkeiten zu. Und die Fassade sei dermaßen auffällig, dass sie alle Blicke auf sich ziehe.

Gedruckte Häuser

Im nordrheinwestfälischen Beckum kommt erstmals in Deutschland ein Haus aus dem Drucker. Dafür wurden alle behördlichen Genehmigungsprozesse durchschritten. Was das angewandte 3D-Druckverfahren betrifft, wird bereits von Marktreife gesprochen, weitere Wohnhaus- Druckprojekte in Deutschland sind demnach bereits in der Vorbereitung.

Es ist keine Besonderheit, dass in Beckum derzeit ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit 80 Quadratmetern Wohnfläche pro Geschoss entsteht. Derartige Bauten sind keine Seltenheit. Was das Projekt hingegen zu einem Meilenstein werden lässt, ist die Tatsache, dass es das erste Wohnhaus in Deutschland ist, das mit einem 3D-Druckverfahren hergestellt wird. Gedruckt wird es von dem auf Schalungen spezialisierten Unternehmen Peri, geplant wurde es vom Ingenieur- und Architekturbüro Mense + Korte. Den eigens für das Projekt entwickelten Beton liefert Heidelberg Cement. Bei dem zum Druck des Hauses verwendeten Drucker handelt sich um den Typ BOD2 des dänischen Herstellers Cobod, einen sogenannten Portaldrucker. Das bedeutet, dass sich der Druckkopf über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen bewegt. Somit kann er sich innerhalb seines Rahmens an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen und muss nur einmal kalibriert werden. Bedient wird er lediglich von zwei Personen, der Druckkopf und die Druckergebnisse werden über eine Kamera überwacht. Was die Geschwindigkeit des Druckers betrifft, so druckt er in der Sekunde einen Meter. Für einen Quadratmeter doppelschalige Wand benötigt er etwa fünf Minuten. Das Haus in Beckum besteht aus dreischaligen Wänden, die mit Isoliermasse verfüllt werden.

Der geringe Personaleinsatz und die Geschwindigkeit sind jedoch nicht die einzigen Vorteile des 3D-Druckverfahrens. So berücksichtigt der Drucker bereits während des Druckvorgangs auch die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für zum Beispiel Wasser und Strom. Da außerdem während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden kann, können manuelle Arbeiten, wie beispielsweise das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen, parallel erledigt werden. Was das zum Drucken eingesetzte Material betrifft, so muss dieses spezielle Anforderungen erfüllen. „Die Entwicklung eines zementgebundenen Materials für den 3D-Druck ist eine große Herausforderung. Es sollte gut pumpbar und gut extrudierbar sein”, erklärt Dr. Jennifer Scheydt, Leiterin der Abteilung Engineering & Innovation bei HeidelbergCement Deutschland. Außerdem müsse es schnell eine ausreichende Tragfähigkeit ausbilden, damit die unteren Schichten nicht unter der Last der oberen Schichten versagen. Hierbei müsse gleichzeitig der Verbund zwischen den Schichten sichergestellt sein.

Vor dem Baustart durchlief die erstmals in Deutschland eingesetzte Bautechnik problemlos alle behördlichen Genehmigungsprozesse. Das Ingenieurbüro Schießl Gehlen Sodeikat unterstützte die Projektverantwortlichen mit der Erarbeitung des Konzepts zur Erwirkung der Genehmigung, die Planung und Durchführung der entsprechenden Zulassungsprüfungen erfolgte durch die TU München.

Thomas Imbacher, Geschäftsführer Innovation & Marketing bei Peri, sagt: „Wir sind davon überzeugt, dass das Drucken mit Beton in den nächsten Jahren in bestimmten Marktsegmenten an Bedeutung gewinnen wird und erhebliches Potenzial hat. Weitere Wohnhaus- Druckprojekte in Deutschland sind bereits in der Vorbereitung.“

Digitales Vermessen

Mit Scannern und Kameras ausgestatte Autos und Drohnen läuten ein neues Zeitalter der Vermessung ein. Mit den so aufgenommenen Daten lassen sich detaillierte Geländepläne erstellen und Bauwerke überwachen. Von Christoph Berger

Ein entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Gestaltung von Prozessen ist die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten. Das war bereits vor der Digitalisierung so, behält aber auch im digitalen Zeitalter seine Gültigkeit – zumal nun Technologien zur Verfügung stehen, mit denen sich weit mehr Daten als auf herkömmlichen Wegen generieren lassen, um sie effektiv und zielführend einzusetzen. Im Vermessungswesen und der Zustandsbewertung am Bau beispielsweise erfordern steigende Anforderungen, die Digitalisierung an sich und das Streben nach effizienten Abläufen neue Wege und neue Technologien.

Digitale Lösungen, die in diesen Bereichen zum Einsatz kommen, zeigen, dass sich so die Planung, der Bau und auch die Unterhaltung von beispielsweise Infrastrukturprojekten signifikant verbessern lassen. Da wundert es nicht, dass der Baukonzern Strabag schon 2018 den Bereich Digitale Objekterfassung und Drohnen aufgebaut hat, um die Potenziale der Digitalisierung auszuschöpfen. In ihm werden sämtliche Kompetenzen zu den besagten Technologien gebündelt. So kann der Bereich schnell und mit wenig Aufwand detaillierte Messdaten in höchster Qualität sammeln.

Messen im „Vorbeifahren“

Im Fall des Mobile Mappings sogar im wahrsten Sinne des Wortes „im Vorbeifahren“. Dazu wird ein Kleinbus mit zwei mobilen Hochleistungslaserscannern und einer 360-Grad-Panoramakamera auf dem Dach und reichlich IT-Technik im Fahrzeuginnenraum ausgestattet, unter anderem mit einer Inertial Measuring Unit, kurz IMU. In einer solchen Einheit werden unter anderem Beschleunigungs- und Drehratensensoren miteinander kombiniert. Während der Fahrt, bei einem Tempo von bis zu 110 Stundenkilometern, können dann beispielsweise Autobahnabschnitte bis ins kleinste Detail vermessen werden. Das Messgebiet wird dafür im Vorfeld mit Passpunkten markiert. Im Fahrtverlauf scannen die Laser dann in Abständen von wenigen Zentimetern die Oberflächenbeschaffenheit.

So entstehen hochverdichtete Punktwolken, die aus Millionen bis Milliarden Einzelpunkten bestehen. Durch ein verbautes GNSS (Global Navigation Satellite System) werden jedem einzelnen Messpunkt Koordinaten sowie Werte der Intensität und der RGB-Farben zugeordnet. Diese sogenannten Massendaten fließen in den Prozess der 3D-Datenverarbeitung und -Analyse ein. Daraus werden Vermessungsdaten wie Fahrbahnränder, Markierungen, Bruch- und Bordsteinkanten etc. abgeleitet und digitale Geländemodelle generiert. Dr. Thomas Gröninger, technischer Leiter des Bereichs, erklärt: „Gerade in der Angebotsphase spielen diese Daten eine essentielle Rolle für eine solide Kalkulationsbasis im Verkehrswegebau.“ Denn je genauere und detailliertere Messdaten vom Zustand der Straße schon im Vorfeld der Baumaßnahme gesammelt werden, desto genauer lassen sich im Verfahren des Building Information Modelling (BIM) die Massen berechnen und der Aufwand bestimmen. Fehlplanungen bei der Instandhaltung von Verkehrswegen würden somit vermieden. Zudem ist für all das nur eine Messfahrt nötig, aufwendige und längere Straßensperrungen gehören damit der Vergangenheit an, die Messungen können im fließenden Verkehr vorgenommen werden.

Geforderte Skills

Laut Dr. Thomas Gröninger braucht es für die Arbeit in den digitalen Bereichen vor allem Menschen, die motiviert sind und etwas verändern wollen, die eine Passion für Technologie haben und ein digitales Mindset mitbringen.

Das Verfahren lässt sich aber nicht nur im Straßenbau, sondern auch bei der Vermessung von Eisenbahntrassen einsetzen. Das System wird dann auf und in einem Zug montiert. So hat zum Beispiel der Graz-Köflacher Bahn- und Busbetrieb in Österreich das Strabag-Team beauftragt, im Zuge der geplanten Elektrifizierung seines Streckennetzes, die rund 51 Kilometer lange Bahntrasse zwischen Lieboch und Wies mit den mobilen Laserscannern digital zu vermessen und zu dokumentieren. Ziel war die Vereinfachung der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Die so gewonnen Grunddaten flossen dann, wie beschrieben, in eine Punktwolke ein, die zuverlässig und zentimetergenau die Abstände auf der Trasse dokumentierte. Außerdem ließ sie sich direkt in das digitale Planungssystem einbinden.

Kopplung an eine KI

Noch vielfältiger sind die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen. Deren Anwendungsszenarien reichen von der Erstellung hochauflösender Orthofotos, also einer verzerrungsfreien und maßstabsgetreuen Abbildung der Erdoberfläche, und 360-Grad-Aufnahmen über die Inspektion von Gebäuden und Brücken bis hin zu 3D-Visualisierungen, von Trassenvermessungen über Massenberechnungen bis hin zu Neigungs- oder Zustandsanalysen. Auch die Drohnen werden dafür mit hochauflösenden Kameras und Laserscannern ausgestattet, die während des Flugs über das jeweilige Projekt Daten in Form von Bildern und Punktwolken aufnehmen. Diese Punktwolken, digitalen Geländemodelle und Orthophotos werden auf einer cloudbasierten Plattform gehostet und können webbasiert abgerufen, visualisiert und bearbeitet werden. Dies passiert übrigens auch beim 3D-Mobile-Mapping.

Noch effizienter werden die beiden vorgestellten Messverfahren, wenn sie mit einer künstlichen Intelligenz, kurz KI, zusammengebracht werden. „KI-basierte Auswertungen sind in vielen Bereichen der Industrie als Standard für die Zukunft gesetzt”, ist auch Thomas Gröninger überzeugt. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik hat sein Team im Rahmen der Entwicklung eines neuronalen Netzes zur automatisierten Objekterkennung von Fahrbahn-Punktwolken eine KI-Anwendung für einen Drohnen-Laserscanner entwickelt. Tausende Datensätze zu relevanten Objekten im Verkehrswegebau wurden in das neuronale Netz gespeist und dieses so auf den „aktuellen Wissensstand“ gebracht, um effizient damit arbeiten zu können. Menschliches Wissen wurde sozusagen in die Maschine transferiert. Ein weiterer großer Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Bauindustrie.

Willkommen im Hyperloop

Elon Musk mischt nicht nur die Automobilund Raumfahrtbranche auf. In seinen Plänen fi nden sich auch neue Mobilitätskonzepte, die auf oberund unterirdischen Röhren basieren. Studierende der Technischen Universität München (TUM) sind daran maßgeblich beteiligt. Von Christoph Berger

Die Vision von Elon Musk ist klar vorgezeichnet: Schnell, elektrisch, sicher und umweltfreundlich soll sich der Hyperloop von Ort zu Ort bewegen. Dabei handelt es sich um das Konzept eines Transportsystems, bei dem sich ein Hochgeschwindigkeitszug mit annähernd Schallgeschwindigkeit in einer Röhre mit Teilvakuum fortbewegen soll. Eine damit zusammenhängende Herausforderung ist die Entwicklung entsprechender Kapseln, die sich durch die Röhren bewegen. Im Rahmen einer „SpaceX Hyperloop Pod Competition“ waren Studierendenteams aus der ganzen Welt aufgerufen, mit ihren selbstgebauten „Pods“ – die Kabinenkapseln, in der Passagiere durch die Röhre transportiert werden sollen – gegeneinander anzutreten. Ein Hyperloop-Team der TUM konnte dabei bei jedem Rennen die Konkurrenz hinter sich lassen. Den aktuellen Rekord setzten die Studierenden aus München beim letzten Wettbewerb im Juli 2019 mit 482 Stundenkilometern.

Doch letztlich geht es den Studierenden nicht nur um die Geschwindigkeit. Sie untersuchen auch, wie der Hyperloop ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Transportmittel der Zukunft werden kann. So entwickelten sie unter anderem ein Schwebesystem für den Pod sowie den Prototyp einer Teströhre aus ultrahochfestem Beton. Ihre Ergebnisse waren so überzeugend, dass an der Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie im Juli 2020 das Hyperloop-Forschungsprogramm ins Leben gerufen wurde. Dem Leitungsgremium des Programms gehört Frau Prof. Agnes Jocher an, die ebenfalls seit Juli die Professur für Sustain able Future Mobility innehat. Sie sagt: „Der Hyperloop hat das Potential, eine schnelle, elektrische Alternative auf mittellangen Strecken zu bieten und somit nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Transport zu ermöglichen.“ Allerdings sei noch weitere Forschung nötig, um diese Annahme zu prüfen. Zum Beispiel müssten auch die Produktion und der Aufbau des Systems miteinbezogen werden.

Doch Musk arbeitet nicht nur an überirdischen Mobilitätskonzepten. Im Rahmen seiner „Loop“-Projekte denkt er auch über unterirdische Tunnelsysteme in Städten nach. Beziehungsweise hat er bereits damit begonnen, sie umzusetzen. Für dieses Vorhaben hat er eigens die Firma „The Boring Company“ gegründet, ein in Kalifornien ansässiges Tunnelbauund Infrastrukturunternehmen. Ziel des Projekts ist es, Verkehrsstaus in Städten zu vermeiden oder zu umgehen. Wobei „unterfahren“ wohl besser passt. Die Stadt Las Vegas hat nach Aussage des Unternehmens einen Vertrag zur Planung und zum Bau eines Loop-Systems für das Kongresszentrum genehmigt. So soll den Kongress- und Messebesuchern auf dem gesamten Campus des Convention Centers ein schneller und bequemer Transport ermöglicht werden. Und aus der Vision wird Realität.

Prüfende Bauingenieure

Es gibt verschiedene Arten von Due Diligence- Prüfungen – unter anderem die Technical Due Diligence, kurz TDD. Bei einer solchen TDD geht es nicht um eine Wertermittlung der Immobilie, sondern um deren technische Überprüfung. Durchgeführt wird sie meist bei Immobilientransaktionen. Von Christoph Berger

Wenn Adrian Gil und seine Kollegen aus dem Transactional Services-Team von Arcadis Aufträge erhalten, dann wollen entweder kaufwillige Investoren einzelne Immobilien oder ganze Immobilienportfolios erwerben oder aber Verkäufer sich einen Überblick über den Zustand der eigenen Immobilien verschaffen. Bauingenieur Gil führt dann eine sogenannte Technical Due Diligence (TDD) durch, eine technische Ankaufsprüfung – übersetzen kann man Due Diligence mit „gebührender Sorgfalt“. Dabei wird das zu untersuchende Objekt – in der Regel geht es um gewerbliche Einzelobjekte oder Portfolios bestehend aus Mehrfamilienhäusern, Krankenhäusern oder Bürogebäuden und vermehrt auch Logistikhallen – einer umfassenden Analyse unterzogen. Hauptziel einer solchen TDD ist es, das Risiko für den Käufer oder den Verkäufer so gering wie möglich zu halten. Außerdem dient eine TDD als Verhandlungsbasis oder als Entscheidungswerkzeug bei Transaktionen.

Gil nennt drei Abschnitte, in die sich eine solche TDD gliedert: Erstens wird der bauliche Zustand des zu begutachtenden Objekts bewertet. „Das machen bei uns die Hochbauer, in der Regel sind das Bauingenieure oder erfahrene Architekten“, sagt Gil. Zweitens wird die gesamte Technik in den Gebäuden unter die Lupe genommen. Diese Prüfung wird von Experten für die technische Gebäudeausrüstung, kurz TGA, vorgenommen. Und, wenn vom Kunden gewünscht, gibt es drittens noch eine umwelttechnische Prüfung, in der Dinge wie beispielsweise das Altlastenkataster eingesehen und überprüft wird oder gecheckt wird, ob Schadstoffe in der Immobilie verbaut wurden.

Adrian Gil ist in solchen Projekten für den Hochbau-Part, also den baulichen Zustand von Immobilien, und den baurechtlichen Teil zuständig. Dafür wird ihm vom Kunden im optimalen Fall ein virtueller Datenraum zur Verfügung gestellt, in dem sich alle genehmigungsrechtlichen und technischen Unterlagen der Immobilie befinden. Er erklärt: „Wir schauen uns auch den Bauverlauf genau an, gibt es da Auffälligkeiten, und was hat sich seit Erbauung an der Immobilie verändert: Was kam dazu, was wurde abgerissen, wo gab es Nutzungsänderungen etc.? Wir überprüfen, ob der jetzige Zustand der Immobilie dem entspricht, was auch wirklich genehmigt wurde“, erklärt er.

Als Ergebnis erhalten die Kunden in der Regel einen Bericht in zwei Steps: Zuerst einen sogenannten Red Flag Due Diligence- Bericht, in dem der Zustand beschrieben und eine erste Kostenprognose abgegeben wird. Hier sieht der Kunde auf den ersten Blick, ob der weitere Ankaufsprozess sinnvoll ist. Im „Full Report“ schließlich werden sämtliche Mängel und Gewerke im Detail beschrieben. Danach kommt die Transaktion dann eventuell zustande. Oder aber die Prüfer haben sogenannte „Deal-Breaker“ ausgemacht. Gil erklärt: „Dies können zum Beispiel nicht genehmigte Anbauten oder notwendige und kostenintensive Sanierungen sein.“

Und welche fachlichen Voraussetzungen braucht es, um eine TDD durchführen zu können? Laut Adrian Gil werden die Basiskenntnisse im Bauingenieurstudium vermittelt. Ihm habe zudem geholfen, die Vertiefung „Bauwirtschaft“ im Studium gewählt zu haben – dann wisse man, wie Immobilientransaktionen ablaufen. Und den Rest mache die Erfahrung aus, die man mit der Zeit erlangt. Gil sagt: „Es gibt kaum einen Bereich für Bauingenieure, in dem man so schnell und viel dazulernt wie im Transaktionsgeschäft im Bereich Immobilien Due Diligence.“

Trainee von Deutschland baut!

Benedikt Büschgens ist Bauleiter bei der Epping Rohrvortrieb GmbH & Co. KG. Diese Aufgabe war Teil seines 18-monatigen Traineeprogramms bei Deutschland baut. In dieser Zeit lernte er drei Bauunternehmen näher kennen. Bei der Dortmunder Jaeger Gruppe arbeitete er für zwei Monate im Team Digitalisierung mit. Von Verena Mikeleit für Deutschland baut! e.V.

Im Team Digitalisierung arbeiten Informatiker, kaufmännische Experten und Bauingenieure zusammen an einer durchgängigen Strategie für das digitale Bauen im Gesamtkonzern der Jaeger Gruppe. Dazu werden sowohl aktuelle Prozesse und Workflows als auch in den einzelnen Unternehmen eingesetzte Softwarelösungen und -tools intensiv vor dem Hintergrund analysiert, am Ende digitale Standards für alle dem Konzern angehörenden Unternehmen zu etablieren. Sämtliche Firmen sollen von den Vorteilen der Cloud-Technologie profitieren. „Wir entwickeln eine durchgängig digitale Bauakte“, erklärt demnach auch Benedikt Büschgens, der im Rahmen des Traineeprogramms zwei Monate an dem Projekt mitarbeitete. Er sagt weiter: „Dafür bündeln wir unser unterschiedlichstes Fachwissen, um eine durchgängige Prozesskette zu schaffen, die es ermöglicht, dass jeder im Unternehmen die digitale Bauakte versteht und in der Lage ist, in der täglichen Praxis damit zu arbeiten.“

Bauingenieur Büschgens war bereits während seines Studiums klar, dass er sich im Job unbedingt mit dem Thema Digitalisierung im Bauwesen auseinandersetzen möchte: „Moderne Bauprozesse mit digitalen IT-Systemen ermöglichen es uns, zahlreiche Arbeitsschritte einzusparen und Fehler zu vermeiden“, erklärt er. Derartige Vorteile lernte er bereits während seines Studiums kennen. An der Universität wurde ihm und seinen Kommilitonen beispielsweise anschaulich aufgezeigt, um wieviel schneller sich das Mängelmanagement auf der Baustelle mit einer digitalen ITLösung abwickeln lässt. Der Bauleiter fotografiert dazu lediglich die Mängel und öffnet ein Softwareprogramm auf seinem Tablet-Computer. Im Baubüro findet eine Synchronisierung statt, sobald eine WLAN-Verbindung steht und im nächsten Schritt erstellt das Programm auch schon einen automatisierten Brief an den Nachunternehmer, der die Mängel zu beseitigen hat. All diese Schritte händisch zu erfassen, etwa Mängel auf Papier zu notieren und im Baubüro die mit der Digitalkamera aufgenommenen Fotos mit einem Excel-File zu verknüpfen und anschließend noch den Nachunternehmer per Mail zu informieren, dauert selbstverständlich viel länger – und ist zudem fehleranfälliger.

Büschgens freut sich, dass ihm im Rahmen dieses Traineeprogramms derartige Einblicke gewährt werden, dass er neben seiner Bauleitertätigkeit bei Epping zusätzlich die Chance hat, in einem für ihn so wichtigen und zukunftsträchtigen Feld selbst mitzuwirken.