Der digitale Nachlass

Kaum jemand befasst sich mit seinem digitalen Nachlass. Obwohl dieser sowohl ideelle als auch finanzielle Werte umfassen kann. Wissenschaftler haben sich daher im Rahmen einer Studie mit den wichtigsten praktischen, rechtlichen und technischen Fragen des Vererbens von digitalen Daten und Vermögenswerten beschäftigt. Von Christoph Berger

„Nur wenige Menschen machen sich Gedanken darüber, dass zum Vermögen auch der digitale Nachlass gehört“, sagt Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Daher förderte das von ihr geführte Ministerium eine gemeinsam vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT, der Universität Regensburg sowie dem Institut für Informations-, Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR) an der Universität Bremen erarbeitete Studie, die rechtliche und technische Fragen rund um das Thema digitaler Nachlass klärt und Handlungsempfehlungen an Erblasser, Erben, Vorsorgebevollmächtigte, Unternehmen sowie den Gesetzgeber gibt.

Denn der digitale Nachlass kann viel umfassen: Social-Media-Accounts bei Twitter, YouTube oder LinkedIn, Online-Konten bei Amazon oder Ebay sowie Guthaben bei PayPal, E-Books, digitale gekaufte Bilder oder kostenpflichtige Accounts bei Streaming- Dienstleistern. All dies sei, wie die Wissenschaftler schreiben, gemäß der erbrechtlichen Vorschriften des BGB grundsätzlich vererblich. Doch oft würden diese Dinge beim Erstellen eines Testaments nicht bedacht, so die Autoren weiter. Zudem gebe es Unsicherheiten, wie digitale Werte praktisch vererbt werden könnten. Was die Erben vor Probleme stelle. So sei es bereits sehr schwierig bis unmöglich herauszufinden, welche Online-Konten und -Accounts der Verstorbene überhaupt hatte und wie ein Zugriff darauf möglich sei.

Studie „Der digitale Nachlass. Eine Untersuchung aus rechtlicher und technischer Sicht“

Wer hingegen festlegen will, was mit seinen Daten und Accounts passieren soll, kann dies beispielsweise über eine Festlegung im Testament regeln und sollte die Zugangsdaten zu sämtlichen Online-Konten und -Accounts sicher bei einem Notar oder einer Vertrauensperson hinterlegen. Die Studie bietet unter anderem auch Textvorlagen für eine Vorsorgevollmacht und für letztwillige Verfügungen. Was die andere Seite, die Dienstanbieter betrifft, so empfiehlt Ulrich Waldmann, Wissenschaftler am Fraunhofer SIT, in den AGB deutlich auf den digitalen Nachlasses hinweisen und den Nutzern Möglichkeiten einzurichten, ihre Nutzerkonten so zu konfigurieren, dass im Sterbefall zum Beispiel die Löschung, Archivierung oder vollständige Übergabe des Kontos an die Erben erfolgen wird. Außerdem hätte die Untersuchung der allgemeinen Geschäftsbedingungen bei den Anbietern ergeben, dass nicht alle die Vererbbarkeit von Konten und Inhalten bereits in ihren AGB regeln würden. Hier könnten Vorkehrungen getroffen werden, wie Verbraucher besser dabei unterstützt werden können, ihre Ansprüche durchzusetzen.

Dem Gesetzgeber und der Verwaltung empfehlen die Wissenschaftler, im Zentralen Testamentsregister auch (notarielle) Vorsorgeurkunden registrieren zu können, im ,Beurkundungsgesetz könnte die Möglichkeit geschaffen werden, dass Notare Ausfertigungen von Urkunden auch in elektronischer Form erteilen können, um den Nachweis der Legitimation eines Vorsorgebevollmächtigten im Rechtsverkehr zu erleichtern. „Alternativ wäre es auch aus Sicht des digitalen Bereichs sinnvoll, das Elektronische Urkundenarchiv zu einem Vollmachts- und Titelregister weiterzuentwickeln“, schreiben sie.

 

 

„Der Beruf der Anwältin ist ein freier Beruf“

Die Anwaltsbranche wird noch immer von Männern dominiert. Warum dies so ist und was es als Frau und Anwältin braucht, beruflich erfolgreich zu sein, darüber sprach der karriereführer mit Mechtild Düsing, der Preisträgerin des Maria- Otto-Preises des Deutschen Anwaltvereins 2019. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Mechtild Düsing studierte in Münster und München Rechtswissenschaften. 1973 erhielt sie ihre Zulassung als Rechtsanwältin. Noch im selben Jahr gründete sie ihre eigene Kanzlei. 1983 wurde sie zur Notarin ernannt. Aus diesem Amt schied sie 2014 aufgrund der gesetzlichen Altersgrenze aus. Düsing ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Erbrecht und Agrarrecht. Von 2005 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 war sie Mitglied des Vorstands des Deutschen Anwaltsvereins Berlin. 2017 war sie Preisträgerin des von Frauen u(U)nternehmen e.V. vergebenen Unternehmerinnenpreises Nord Westfalen, 2019 Preisträgerin des Maria-Otto-Preises des Deutschen Anwaltvereins. Mechthild Düsing ist zum dritten Mal verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie ist Partnerin in der Kanzlei Meisterernst, Düsing, Manstetten in Münster.

www.meisterernst.de

Frau Düsing, Sie erhielten 1973 die Zulassung zur Rechtsanwältin. Wie stellte sich die Situation damals für junge Anwältinnen in Kanzleien dar?
Das war schwierig. Teilweise wurde damals gesagt: ‚Von Frauen in unserem Geschäft halten wir nichts.‘ Ich habe mir dann gesagt ‚Was soll‘s?‘, ich wollte mich sowieso selbstständig machen. Ich bin dann nur für drei Monate zu einem Anwalt gegangen, der ganz plötzlich Unterstützung brauchte, aber auch von vornherein gesagt hat: ‚Das ist aber nur vorübergehend.‘ Nach drei Monaten habe ich dort dann aufgehört und meine eigene Kanzlei gegründet.

War die Gründung der eigenen Kanzlei auch ein Weg, damit Sie Ihre Vorstellungen verwirklichen konnten?
Auf jeden Fall. Ich wollte eine politisch linke Anwältin sein, bin eine 1968erin. Mein Ziel war es, mich auf Verwaltungsrecht zu spezialisieren, weil ich vor allem den Bürger gegen den Staat vertreten wollte. Das konnte man bei vielen Anwälten überhaupt nicht machen. Daher der Wunsch zur Selbstständigkeit. Also kaufte ich mir das neueste Schreibmaschinenmodell, ein Schild für die Kanzleitür sowie einige Formulare. Dann habe ich begonnen.

Was sind seit damals, 47 Jahre ist das her, die Haupterrungenschaften der Frauen?
Damals gab es im Grunde keine Frauen. Beim Oberlandesgericht Hamm waren sechs Prozent Anwältinnen, und die meisten von denen waren zu Hause, die sind überhaupt nicht bei Gericht erschienen. Meist war ich alleine unter Männern. Diese Situation hat sich ziemlich verändert. Dort sind jetzt 30 Prozent Anwältinnen, von denen sehr viele bei Gericht sichtbar sind.

Inzwischen überflügeln die Frauen ja sogar die Männer bei den Studienabschlüssen und Zulassungen, trotzdem gilt die Branche noch als von Männern dominiert. Sehen Sie das auch so?
Ja, an sich schon. Viele Frauen sind zwar zur Anwaltschaft zugelassen, treten dann aber doch nicht so in Erscheinung. Viele arbeiten bestimmt nicht Vollzeit oder arbeiten als Syndikusanwältinnen in Unternehmen. Zeitweilig tauchen bestimmt auch einige in die Familie ab.

Die meisten Anwälte arbeiten ja in kleinen und mittleren Kanzleien. Dort spiel die sogenannte „gläserne Decke“ eigentlich keine Rolle.

Wo sehen Sie die gläserne Decke für Anwältinnen, an der meist Schluss mit der Karriere ist?
Im Anwaltsberuf gibt es die ja nicht. Anwältin ist Anwältin. Natürlich gibt es in den Großkanzleien in den Chefetagen kaum Frauen. Das ist dort wie überall: Frauen in den Chefetagen sind die Minderheit. Aber die meisten Anwälte arbeiten ja in kleinen und mittleren Kanzleien. Dort spiel die sogenannte „gläserne Decke“ eigentlich keine Rolle, Frauen sind dort stark im Kommen.

Was bräuchte es, dass sich das Verhältnis weiter angleicht?
Oftmals haben die Frauen Bedenken, dass sich Familie und Beruf nicht so gut vereinbaren lassen, wenn man Anwältin ist. Deswegen wollen viele in Unternehmen oder bei der Staatsanwaltschaft unterkommen. Oder bei anderen Behörden. Der Beruf Anwältin scheint in deren Augen zu wenig Familie zuzulassen.

Ist das nicht so?
Dem Anwaltsberuf geht immer der Ruf voraus, dass man zehn Stunden täglich arbeiten müsse. Viele Männer haben es auch so gemacht. Aber das muss absolut nicht sein. Und ich selber habe es auch nicht so gemacht. Ich habe mich selbstständig gemacht, drei Kinder großgezogen – teilweise alleinerziehend, da habe ich acht Stunden pro Tag gearbeitet. Und dies auch nur von montags bis freitags. Das ging alles. Natürlich habe ich Personal bezahlt. Das ist das Schöne am Anwaltsberuf: Man kann so viel verdienen, dass man auch Personal für Küche und Haushalt bezahlen kann. Das sollte einem auch bewusst werden: Als Anwältin kann man mehr verdienen als bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft.

Sie setzen sich aber nicht nur für die Gleichberechtigung in der Rechtsbranche ein, sondern sehen das Thema als einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs. So haben Sie maßgeblich am Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen mitgewirkt.
Ich bin Feministin und habe mich von Anfang an für die Frauen eingesetzt. Aber mein Hauptanliegen war zu Beginn tatsächlich, die Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat zu vertreten. Das habe ich auch gemacht – überwiegend den Staat verklagt.

Diese Angst der Frauen, der Beruf des Anwalts ließe sich mit Familie nicht vereinbaren, stimmt nicht.

Sehen Sie das Recht demnach auch als ein Instrument, um zu mehr Gleichberechtigung zu kommen?
Auf jeden Fall, das habe ich auch in vielen Punkten versucht. Bei Hochschulstart habe ich zum Beispiel versucht und teilweise dafür gesorgt, dass Kindererziehungszeiten als Härtefall anerkannt werden, dass Arbeit mit Kindern mehr anerkannt wird.

Was ist Ihr Tipp für Juristinnen, die an der Schwelle Studium-Beruf stehen?
Ich kann nur sagen: Der Anwaltsberuf ist der interessanteste Beruf, den es gibt. Man kann sich die Fälle aussuchen, man kann selbst entscheiden, was man macht. In anderen Berufen bekommt man Arbeit vorgelegt und muss diese dann ausführen. Ich habe nie etwas gemacht, was ich nicht machen wollte. Man kann gut verdienen, dass man sich im Haushalt Entlastung einkaufen kann. Und man sollte keine Angst haben, dass dies nicht geht. Als ich anfing, gab es weder Ganztagskindergärten noch Ganztagsschulen. Heute ist alles einfacher. Und wenn man noch einen Mann hat, der mitarbeitet, dann wird es noch einfacher. Diese Angst der Frauen, der Beruf des Anwalts ließe sich mit Familie nicht vereinbaren, stimmt nicht. Der Beruf der Anwältin ist ein freier Beruf. Außerdem sollte man sich, wenn man in einer Kanzlei arbeitet, nicht mit den ‚billigen‘ Fällen abspeisen lassen, sondern auch die interessanten und finanziell lukrativen für sich einfordern.

Und was wünschen Sie sich von den Männern?
Ich denke, dass sich die Männer in Familie und Haushalt mehr engagieren. Auch deshalb wird für Frauen vieles einfacher.

Arbeiten mit Lawbots

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Das Marktforschungs- und Analyseunternehmen Gartner prognostiziert, dass bis 2023 ein Viertel der internen Rechtsanfragen von virtuellen Rechtsassistenten (VLAs), sogenannten Lawbots oder Rechts-Chatbots, bearbeitet werden. Dies werde die Effizienz und Reaktionsfähigkeit von Rechtsabteilungen und Kanzleien steigern. Von Christoph Berger

Die Themen Automatisierung, Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen sowie die Verarbeitung natürlicher Sprache machen auch vor der Rechtsbranche keinen Stopp. Vielmehr werden die technischen Entwicklungen Kanzleien und Rechtsabteilungen auf dem Weg in die Zukunft sinnvoll begleiten. „Obwohl VLAs, Rechts-Chatbots und Lawbots wie ein Hype erscheinen mögen, kann ihr Einsatz in Rechtsabteilungen erhebliche Vorteile bringen“, sagt demnach auch Zack Hutto, Direktor in der Abteilung Rechtund Compliance bei Gartner. Durch den Einsatz der entsprechenden Technologien könnten Kanzleien und Rechtsabteilungen ihre Effizienz sowie die Reaktionsfähigkeit ihrer Organisation deutlich steigern.

Die VLAs können in diesem Zusammenhang Anfragen aufnehmen und zuordnen, rechtliche Anfragen prüfen, die Notwendigkeit einer rechtlichen Überprüfung feststellen und routinemäßige Abläufe automatisiert abarbeiten. Die Analysten von Gartner gehen davon aus, dass bis 2023 ein Viertel der internen Anfragen auf diesem Weg bearbeitet werden. Hutto ist daher auch überzeugt: „Rechtsabteilungen werden durch erhöhte Effizienzgewinne, verbesserte Mitarbeiterzufriedenheit und durch mehr Möglichkeiten, Rechtsexperten wieder mit höherwertigen Tätigkeiten zu beauftragen, profitieren.“

Schlechte Lawbot- Lösungen könnten eine noch größere Belastung für die Rechtsabteilungen darstellen.

Allerdings weisen Hutto und seine Kollegen auch darauf hin, sich nicht zu sehr auf VLAs zu verlassen. Sie sollten als Teil einer breit angelegten Strategie der Rechtsdienste angenommen werden, da ein stückweiser Ansatz mit schlecht konzipierten VLAs eher verwirrend oder aufdringlich als hilfreich sein kann. Und, so Hutto: „Schlechte Lawbot- Lösungen könnten eine noch größere Belastung für die Rechtsabteilungen darstellen.“ Zumindest könnten Anwälte manuelle Nacharbeiten erledigen müssen, im schlimmsten Fall sogar daran arbeiten, die Beziehungen zu den abgeschreckten internen Kunden wiederherzustellen.

Um dieses Szenario zu vermeiden, wird die Installation eines Experten für Rechtstechnologie empfohlen, der die zunehmende Automatisierung der internen Kernarbeitsabläufe unterstützt. In einer solchen Position müsste das notwendige Wissen über Rechtsabläufe, selbst wenn diese ein großes Automatisierungspotenzial aufweisen, gepaart mit dem erforderlichen Technologie- Know-how vorhanden sein. Allerdings gilt auch für Lawbots selbst, dass sie aus der Sicht des Rechts zu betrachten sind und einer solchen Überprüfung standhalten müssen: sei es in Bezug auf den Datenschutz oder die Risiken, die mit Falschauskünften der virtuellen Gesprächspartner verbunden sind.

Cyberkriminalität

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Die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) ist auf Cyberkriminalität spezialisiert, ihr obliegt die Verfahrensführung in herausgehobenen Ermittlungsverfahren in diesem Bereich. karriereführer sprach mit Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, der als Hauptabteilungsleiter die Einheit leitet. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Markus Hartmann ist Volljurist. Er ist Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Köln und seit 2016 Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW). Zuvor war Hartmann Dezernent in der Cybercrime-Zentralstelle für den OLG-Bezirk Köln, die in der ZAC NRW aufgegangenen ist und seit 2015 deren kommissarischer Leiter.

Herr Hartmann, die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein- Westfalen (ZAC NRW) wurde zur Bekämpfung digitaler Verbrechen eingerichtet. Dabei kann der Begriff „Cyberkriminalität“ viel beinhalten. Wie stellt er sich aus dem Blick Ihrer Einheit dar, welche Bereiche/Aspekte beinhaltet er?
Klassischerweise unterscheidet man Cyberkriminalität im engeren Sinne, also Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten, und Cyberkriminalität im weiteren Sinne. Darunter versteht man generell Straftaten, die mittels Informationstechnik begangen werden. In der Praxis verläuft die Trennlinie häufig fließend. Wir beobachten, dass sich immer mehr analoge Deliktsformen digitale Entsprechungen oder Mischformen herausbilden. Ein Beispiel ist der Handel mit Betäubungsmitteln, der zunehmend über Webshops in Internet und Darknet abgewickelt wird.

Wie beurteilen Sie die Gefährdung von Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland durch diese Tatbestände?
Cybercrime hat sich zu einem wesentlichen Bedrohungsfaktor für das Wirtschaftsleben entwickelt. Das Allianz Risk Barometer 2020 benennt im globalen Maßstab Cybersicherheitsvorfälle als Unternehmensrisiko Nr. 1. Auch national sind digitale Straftaten mittlerweile überaus relevant. Einer Studie des Branchenverbandes Bitkom zufolge soll sich der wirtschaftliche Gesamtschaden durch Cybercrime auf mehr als 100 Milliarden Euro jährlich belaufen. Gesellschaftlich betrachtet, wirkt sich die umfassende Digitalisierung auf alle Lebensbereiche aus. 70 Prozent der Bundesbürger nutzen Online-Banking. Schon diese Zahl macht deutlich, wie groß das Betätigungsfeld von Cyberkriminellen ist. Wirksame Strafverfolgung ist ein wesentlicher Beitrag, das Vertrauen der Nutzer in digitale Infrastrukturen zu erhalten. Außerdem sollte man die Auswirkungen der Digitalisierung und korrespondierender Kriminalität auf die demokratischen Prozesse im Blick behalten. Elektronische Manipulationen und Hackerangriffe auf Wahlen sind ein reales Risiko. Aber auch die Zunahme strafbarer Hasspostings in den sozialen Medien zeigt deutlich, dass der Schaden durch Cybercrime deutlich gravierender sein kann als lediglich finanziell.

Und bei welchen Ermittlungsverfahren kommen Sie und Ihre Kolleg*innen dann tatsächlich zum Einsatz?
Die ZAC NRW ist zuständig für herausgehobene Fälle digitaler Kriminalität, was sich aus bestimmten Indikatoren ergibt. Beispiele wären etwa die Tatbegehung aus dem Bereich der organisierten Cyber- und Darknetkriminalität, Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder ein hoher technischer Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik.

Ist das Recht in Deutschland auf viele dieser Tatbestände überhaupt ein- und ausgerichtet?
Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass wir mit dem gegebenen Rechtsrahmen durchaus in der Lage sind, effektive Strafverfolgung zu betreiben. Trotzdem bleiben einige Baustellen. Man sollte zum Beispiel über die Einführung eines Straftatbestandes des Betriebs krimineller Marktplätze im Netz nachdenken. Denn diese Infrastrukturen sind der Nährboden für weite Teile der Cyberkriminalität. Durch die schnelle Fortentwicklung der technischen Gegebenheiten gilt es vor allem, das Recht, insbesondere strafprozessual, der technischen Entwicklung kontinuierlich anzupassen.

Immer mehr analoge Deliktsformen bilden digitale Entsprechungen oder Mischformen heraus.

Was ist dafür notwendig?
Eine wesentliche Aufgabe ist es, die Zusammenarbeit zwischen Justiz, Wissenschaft und Wirtschaft zu verbessern. Wir benötigen eine vertrauensvolle Kooperation, um schnell handeln zu können, dass immer noch hohe Dunkelfeld zu verringern und die tatsächlichen Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden technisch zu ergänzen.

Cyberkriminalität hat auch viel mit Technik und den damit verbundenen Möglichkeiten zu tun. Welche Fähigkeiten bzw. welches Wissen braucht es für Ihre Arbeit?
Der Kern der Arbeit der ZAC NRW ist juristisch. Gleichwohl sind die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der ZAC NRW auch ambitionierte Hobbyinformatiker. Wir greifen außerdem auf die technische Expertise spezialisierter Polizeidienststellen und von Sachverständigen zurück.

Stehen Ihrer Abteilung auch die benötigten digitalen Möglichkeiten zur Verfügung, um die Ihnen zugewiesenen Fälle entsprechend zu bearbeiten – zum Beispiel Überprüfungssoftware, um große Datenmengen möglichst schnell auszuwerten – oder arbeiten Sie dafür mit anderen Institutionen und Behörden zusammen?
Wir arbeiten stets interdisziplinär und kooperieren wo nötig mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Große Datenmengen sind eine wesentliche Herausforderung. Daher untersuchen wir in verschiedenen Grundsatz- und Forschungsprojekten, wie die technischen Möglichkeiten – etwa durch den Einsatz von KI – verbessert werden können.

Beim Thema Legal Tech geht es unter anderem auch darum, Fälle möglichst zu standardisieren und automatisiert abarbeiten zu können. Für die Effizienz. Ist das auch eine Methode für Ihre Abteilung?
Die ZAC NRW hat derzeit 21 Planstellen. Das ist für eine staatsanwaltschaftliche Zentralstelle ein ordentlicher Personalansatz. Den Einsatz von Legal Tech betrachten wir in unserem Grundsatzdezernat, das entsprechende Projekte vorantreibt.

Sie wirken auch bei regionalen und überregionalen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen mit. Um was geht es dabei und wen schulen Sie?
Wir bilden gemeinsam mit der Justizakademie NRW, aber auch in eigenen Veranstaltungen Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den technischen und rechtlichen Fragen wirksamer Strafverfolgung im digitalen Raum aus. Denn die Bekämpfung von Cybercrime ist nicht nur Aufgabe der Zentralstelle, sondern der Justiz insgesamt.

ZAC NRW

Die ZAC NRW führt Cybercrime- Ermittlungsverfahren von herausgehobener Bedeutung. Sie ist darüber hinaus zentrale Ansprechstelle für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich der Cyberkriminalität für Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden Nordrhein-Westfalens und anderer Länder sowie des Bundes. Ferner steht sie als Kontaktstelle für die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung, soweit dies mit ihrer Aufgabe als Strafverfolgungsbehörde vereinbar ist.

Gründen der Kanzlei von morgen

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Das Geschäftsmodell der Rechtsberatung steckt in einem Dilemma: Für die reine Wissensvermittlung – die Beratung – kommt heute kaum noch jemand in die Kanzlei. Dank Globalisierung und Internet sind Informationen heute zu jedem Thema und jeder Rechtsfrage jederzeit überall kostenfrei aufbereitet und verständlich abrufbar. Die reine Beratung, was früher Kernkompetenz der Anwälte war, tritt in den Hintergrund und stattdessen spielen nun Kompetenzen in Krisenmanagement, Konfliktlösung, Empathie, Kommunikation und Verhandlungsgeschick, strategisches und systemisches Verständnis eine wachsende Rolle. Von Dr. Geertje Tutschka, PCC

Die Autorin

Dr. Geertje Tutschka, PCC , Managing Partner: CLP-Consulting for Legal Professionals. Rechtsanwalt in Deutschland/Europaanwalt Österreich. (www.consultingforlegals.com) Autorin zahlreicher Fachbücher zu Kanzleientwicklung, u.a. „Kanzleigründung und Kanzleimanagement”, DeGruyter 2018 „Erfolgreiche Kanzleigründung – leicht gemacht“ e-book, MKG Spezial 2018 „Die Anwaltskanzlei als erfolgreiches Unternehmen“, e-book, MKG Spezial 2020 ausgebildeter und zertifizierter Coach (International Coaching Federation – ICF), Ausbilderin im Legal Coaching (www.CLPAcademy. com) Spezialist für Leadership, Kanzleientwicklung und Personal Branding für Rechtsanwälte.

„Die Zukunft der Anwaltschaft wird weiblich“ titelte schon 2013 die Prognos Studie des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und meinte damit, dass die klassischen Kompetenzen für den Anwaltsberuf wie Durchsetzungskraft, analytisches Denken, pragmatische Lösungen eher „typisch männlich“ waren; von der Branche zukünftig jedoch eher „typisch weibliche“ Eigenschaften eingefordert werden würden. Das ist nichts Neues. Auch andere klassische Beraterberufe entwickelten sich in den letzten Jahren in diese Richtung. Die Beraterbranche wird zunehmend nahbarer, menschlicher. Damit unterscheidet sich der Berater von morgen von Algorithmen und technischen Lösungen. Aber auch von anderen Beratern. Gleichwohl gehen mit der Digitalisierung der Rechtsbranche Innovationen im Legal Tech-Bereich einher, die nicht nur ganze Geschäftsfelder der Anwaltschaft plötzlich in Luft auflösen, sondern auch die Notwendigkeit, Strukturen und Prozesse in den Kanzleien zu überarbeiten und neu zu definieren.

Die Arbeitsweise von Juristen hat sich grundlegend verändert. Vorbei ist die Zeit der vollen Schreibtische, der aussagekräftigen Kanzlei-Bibliotheken und prestigeträchtigen Besprechungszimmer. Der Anwalt ist heute zumindest per E-Mail direkt und immer für jeden erreichbar und kommt damit endlich auf die Augenhöhe des Mandanten. Das tut der Branche gut, auch wenn sie sich eine gewisse Wehmut leistet.

Die neuen Generationen leben dies hingegen ganz selbstverständlich – bringt es doch auch mehr Flexibilität und Mobilität und damit eine bessere Work-Life-Balance. Und noch etwas kommt hinzu: Kanzleiteams werden vielfältiger. Während noch vor wenigen Jahren die Sekretariate ausschließlich von Frauen und die Anwaltszimmer von Männern besetzt waren, wird nun durchgemischt. Schon heute sind knapp 40 Prozent der Berufsträger weiblich, in den Universitäten studieren mehr Frauen als Männer Jura. Auch Juristen aus dem Ausland, Juristen mit Migrationshintergrund, bekennende Schwule und Lesben und auch engagierte Mütter und Väter sind heute in den Kanzleien zu finden.

Kanzleien wollen Schritt halten

Da werden Innovation-Hubs ins Leben gerufen, um mit ambitionierten Junganwälten oder zugekauften IT-Nerds Legal Tech-Anwendungen zu kreieren und neue Geschäftsfelder zu entdecken. Talent Development soll mit hippen Formaten und flexiblen Arbeitszeitkonten die Generation Y abholen, die sich nicht mehr allein durch Geld und Status stimulieren und lenken lässt. Frauenförderprogramme sollen endlich die zukünftigen Partnerinnen aus den eigenen Reihen nicht nur entwickeln, sondern vor allem halten. Der Kampf um die sogenannten High Potentials und zukünftigen Führungskräfte ist längst entbrannt, ebenso wie um gute und zuverlässige Mitarbeiter.

Somit ist es auch an der Zeit, neue Fragen zu stellen: Wie kann meine Rechtsberatung meinem Klienten und dessen Familie/Kunden helfen? Und: Welchen Nutzen hat meine Rechtsberatung für meinen Klienten?

Doch ist die Anwaltschaft damit in der Zukunft angekommen? Jein. Sie hat sich auf den Weg gemacht. Manchmal eher einen Schritt nach vorn und zwei zurück. Und nun sind wir da: Irgendwo zwischen status- und hierarchieorientierten Autokratien, gewinnorientierten Solitären und wettbewerbssuchenden Hochleistungs-Rennpferden auf der einen Seite und kooperativen Netzwerken, gesellschaftlicher, ökologischer und politischer Verantwortung sowie der Suche nach persönlicher Selbstverwirklichung jenseits von Status und Reichtum auf der anderen Seite. Und die Studierenden- und Zulassungszahlen steigen weiter: Gebiete wie das Sportrecht, Vereinsrecht, Expatriationsrecht und Asylrecht entwickeln sich gerade erst ebenso wie das Geschäftsmodell rund um Datensicherheit, Bitcoin und Blockchain. Und auch in diplomatischen, politischen und gesellschaftlichen Gremien sind Juristen immer mehr gefragt. Somit ist es auch an der Zeit, neue Fragen zu stellen: Wie kann meine Rechtsberatung meinem Klienten und dessen Familie/Kunden helfen? Und: Welchen Nutzen hat meine Rechtsberatung für meinen Klienten?

Der Anwalt von morgen sollte die Krise des Mandanten nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich erfassen, deren Stadium bestimmen und die passenden Methoden auswählen können, um den Mandanten aus der Krise herauszuführen. Das sind nicht in erster Linie rechtliche Schritte, sondern eine Kommunikation, die das Sicherheitsbedürfnis des Mandanten anspricht. Der Mandant fühlt sich verstanden und der Anwalt kann die Informationen des Mandanten besser einordnen und verstehen, aber auch die Strategie und Taktik sowie das Mandatsmanagement darauf abstimmen. Das führt zu einer vertrauensvollen und nachhaltigen Mandantenbeziehung, aber eben auch zur für den Mandanten passenden Rechtslösung. Das Geschäft wird belebt. Der Anwalt kann auf menschlicher Ebene wirklich helfen und fühlt sich in seiner Arbeit erfüllt und sinnstiftend.

Im Mittelpunkt wird also der Mensch mit seinen Ängsten und Bedürfnissen, seinem Charisma und seiner Persönlichkeit, seinen Talenten und Fähigkeiten, seiner Empathie und seiner Fähigkeit zu und seinem Bedürfnis nach Gemeinschaft, Kommunikation und Beziehung stehen. Schlicht mit all dem, was ihn unverwechselbar macht. Was ihn von jeder reproduzierenden, effektiven Maschine unterscheidet. Aber soll das heißen, dass die Kanzlei von gestern die Kanzlei von morgen ist, dass der hemdsärmelige Feld-, Wald- und Wiesenanwalt als Einzelkämpfer mit Charisma, Charme und Schreibmaschine und unkonventionellem Netzwerk der Gewinner ist? Was ihn zum Überlebenskünstler macht, ist seine Flexibilität und Offenheit gegenüber Veränderungen. Was ihm allerdings fehlt, ist Professionalisierung und Nachhaltigkeit. Hier werden zunehmend Post-Graduate-Ausbildungen gefragt sein, die keine „Zählpunkte“ bei der Fachanwaltsfortbildung bringen. Nicht austauschbar zu werden – weder gegenüber dem konkurrierenden Kollegen noch gegenüber Legal Tech-Anbietern kann somit durch eine einzigartige Kombination aus verschiedenen Fachkompetenzen sowie Berufs- und Lebenserfahrung erreicht werden.

Der Jurist an sich ist ein Zauderer und Bedenkenträger, spätestens nachdem er erfolgreich das 2.Staatsexamen absolviert hat. Da leistet die Ausbildung ganze Arbeit.

Sogenannte Cross Competencies können auch in anderen Bereichen erworben werden: beispielsweise in der Absolvierung zweier akademischer Fachausbildungen, wie etwa Medizin, BWL oder MINT-Fächern. Eine sinnvolle ressourcenschonende Alternative kann die Implementierung von sogenannten agilen Teams sein. Dies sind Teams aus gemischten Berufsgruppen, die in kurzen Hierarchieebenen die verschiedenen Kompetenzen in schnellen umfassenden Entscheidungsprozessen bündeln. Erste Vorstöße waren in den Zusammenschlüssen verschiedener Berufsgruppen – wie Anwälten mit Medizinern im Arzthaftungsrecht, Anwälten mit Sachverständigen oder Architekten im Verkehrsunfallrecht/Bauhaftungsrecht oder Anwälten mit Steuerberatern – gemacht worden.

Statistisch gesehen wagen nur 25 Prozent der Berufsanfänger den Schritt ins kalte Wasser der Selbstständigkeit und gründen unmittelbar nach dem 2. Staatsexamen ihre Kanzlei; sicherlich manche nicht ganz „freiwillig“ und andere nur „pro forma“, sodass wohl tatsächlich von weniger als 15 Prozent ambitionierten Gründern ausgegangen werden kann. Bemerkenswert genug, dass hier keine Start-Up Szene existiert, sondern diese ausschließlich dem Legal Tech Bereich vorbehalten ist. Und dies, obwohl zwei von drei Anwälten das Ziel einer eigenen Kanzlei/Partnerschaft von Anfang an verfolgen und es sich nach etwa acht Berufsjahren im Durchschnitt verwirklichen. Was sagt uns das? Der Jurist an sich ist ein Zauderer und Bedenkenträger, spätestens nachdem er erfolgreich das 2.Staatsexamen absolviert hat. Da leistet die Ausbildung ganze Arbeit. Um heute die Kanzlei von morgen zu gründen, sollte niemand acht Jahre seines Lebens investieren, um das Geschäft, so wie es gestern war, zu verstehen. Im Gegenteil: die eigene Kanzlei schon bei der Gründung neu, frei und frisch zu denken, ist das Erfolgsrezept.

Die drei Herausforderungen der Rechtsbranche:

  • Digitalisierung, Legal Tech und disruptive Innovationen
  • Konkurrenzdruck, Einkommensverlust durch Kollegen und Branchenfremde
  • Gender- und Generationsshift

Was sich in der Legal-Branche bewegt:

  • Kultur- und Strukturwandel (für die Digitalisierung und disruptive Innovation)
  • Kooperation (für den Konkurrenzkampf)
  • Diversity (für den Gender- and Generation Shift)

Wohin sich die Rechtsbranche bewegen wird:

  • Personal Development/ Wertewandel / holistischer Ansatz
  • Cross competencies: KulturSprachen-Verständnis / MINT/ Soft Skills / BusinessDevelopment / Entepreneurship
  • Agile Kooperationsteams / Netzwerke / Mitgestaltung in Politik und Gesellschaft

Die Pflicht zur Fortbildung

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Lebenslanges Lernen ist ein Merkmal unserer Arbeitswelt. Das trifft ganz speziell auch auf Anwälte zu. Für Fachanwälte sind Fortbildungen sogar festgeschriebene Pflicht. Von Christoph Berger

„Ein Federstrich des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zur Makulatur.“ Dieser 1848 in einer Rede von Julius von Kirchmann verwendete Satz – von Kirchmann war damals erster Staatsanwalt in Berlin – mag zwar etwas überzogen sein, er verdeutlicht aber auch, welche Bedeutung Fort- und Weiterbildungen für Anwälte haben. Sabine Gries-Redeker, Partnerin in der Bonner Kanzlei Heinle Redeker und Vorsitzende des Ausschusses Aus- und Fortbildung im Deutschen Anwaltverein (DAV), formuliert es so: „ Grundsätzlich müssen alle verinnerlicht haben, dass mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, auch mit der Zulassung zur Anwältin oder zum Anwalt, das Lernen nicht abgeschlossen ist. Gerade im juristischen Beruf ist lebenslanges Lernen essentiell. Permanent ändern sich Gesetze und unsere Wertvorstellungen. Oder die Rechtsprechung verändert sich. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns ständig fortbilden.“

Auch ein Blick in die Bundesrechtsanwaltsverordnung verdeutlicht den Stellenwert für Fort- und Weiterbildungen. Nach dem dortigen Paragraphen 43a Absatz 6 ist der Rechtsanwalt verpflichtet, sich fortzubilden. Laut Gries-Redeker kommt es zwar zu keinen Sanktionen, wenn Rechtsanwälte dies nicht tun, anders stellt sich die Situation jedoch für Fachanwälte dar. Diese haben jährlich und pro Fachanwaltstitel 15 Stunden Fortbildung nachzuweisen. Können sie das nicht, kommt es zu Sanktionen. Diese können bis zu einem Verlust der Fachanwaltsbezeichnung reichen. Die Sanktion bei Unterlassen der Fortbildung für Fachanwälte erschließt sich aus § 43 c Abs. 4 BRAO. 1, § 15 FAO regelt die Pflicht zur Fortbildung.

Hohes Qualitätsniveau in Deutschland

Allerdings können die benötigten Nachweise über unterschiedlichste Formate erworben werden. So können Fachanwälte die Stunden nicht nur durch den Besuch von Fort- und Weiterbildungskursen erwerben, sondern auch über Dozententätigkeiten oder wissenschaftliche Arbeiten – wobei Doktorarbeiten nicht als Nachweise gelten. Eine weitere Möglichkeit ist es, selbst Kurse für Anwälte zu geben, die eine intensive Vorbereitung mit einem Themengebiet voraussetzen. Oder das Halten eines Vortrags auf einem Kongress.

Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen.

Und vermehrt sind unter den Kursangeboten auch E-Learning-Angebote zu finden, die die Teilnahme erleichtern. Wörtlich heißt es in der Fachanwaltsordnung, Fassung vom 1. Juli 2019: „Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Die hörende Teilnahme setzt eine anwaltsorientierte oder interdisziplinäre Veranstaltung voraus. Bei dozierender Teilnahme ist die Vorbereitungszeit in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.“

Weitere Vorgaben sind in den weiteren Absätzen des Paragraphen zu finden, wobei die Erfüllung der Fortbildungspflicht der Rechtsanwaltskammer durch Bescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen unaufgefordert nachzuweisen ist. „Letztlich hängt es aber von der jeweiligen Anwaltskammer ab, ob die durchgeführten Maßnahmen anerkannt werden. Es herrscht da eine gewisse Flexibilität“, erklärt Sabine Gries-Redeker. Denn in Deutschland werden weder die Anbieter von Kursen noch deren Angebote akkreditiert. Wie also den passenden Anbieter finden?

Prinzipiell sieht Gries-Redeker die Fort- und Weiterbildungsbranche für Juristen in Deutschland sehr gut aufgestellt, nicht nur in Fragen der Quantität, sondern auch bezüglich der Qualität. So sollte zu Beginn der Suche nach dem passenden Kurs das Thema im Mittelpunkt stehen. Oder aber der Wunsch, einen bestimmten Referenten, den man vielleicht aus der Fachpresse kennt, mal hören zu wollen. Werden die Kurse zudem noch von einem der beiden großen Fortbildungsinstitute in Deutschland, dem Deutschen Anwaltsinstitut oder der Deutschen Anwaltakademie, angeboten, sei die Chance auch groß, dass sie anerkannt werden. Erkennbar sei dies beispielsweise an den Vermerken zu Paragraph 15 in den jeweiligen Kursbeschreibungen. Zudem bieten auch die örtlichen Anwaltskammern sowie die Fachausschüsse des DAV Fortbildungen an. „Zum eigenen Fachgebiet passende Fortbildungen zu finden, sollte hierzulande kein Problem sein“, sagt Gries-Redeker. Und auch in Frankreich oder den USA absolvierte Kurse mit entsprechenden Nachweisen würden in Deutschland oftmals anerkannt, erklärt sie weiter.

Die beiden grossen Weiterbildungsinstitute in Deutschland:

DAI Deutsches Anwaltsinstitut e. V.

Deutsche Anwaltakademie

Wer in einer Großkanzlei arbeitet, kommt oftmals in den Genuss interner Fortbildungsmaßnahmen, diese Firmen haben meist ihre eigenen Fort- und Ausbildungsabteilungen; die Kurse werden dann von internen oder externen Experten gehalten.

Wissen ist Kapital

Was die Kosten für die Kurse betrifft, so weiß Sabine Gries-Redeker, dass viele – nicht alle – Kanzleien mit angestellten Anwälten für die jungen Kolleginnen und Kollegen die Kursgebühren übernehmen. Auch die Kosten für Fachanwaltskurse würden oft übernommen, selbst vor dem Risiko, die Kollegen danach an andere Kanzleien zu verlieren. Doch die Qualifikation des Personals geht vor.

Sabine Gries-Redeker sagt: „Wenn es ein gutes Anwaltsbüro ist, dann wird schon danach geguckt.“ Zudem gebe es für junge Kolleginnen und Kollegen oftmals auch vergünstigte Angebote. Allerdings ist es nicht nur Pflicht von Anwälten, sich ständig fortzubilden. Das lebenslange Lernen hat noch einen weiteren ganz entscheidenden Vorteil, wie Gries-Redeker erklärt, die selbst auf Familien- und Schadensersatzrecht spezialisiert ist: „Fortbildungen sind mein Kapital, aus dem ich Umsätze generiere. Wenn ich fit bin, kann ich relativ schnell und gut beraten. Oder ich erkenne Probleme und kann dadurch meine besondere Expertise hervorheben. Selbstverständlich merken dies auch die Mandanten.“

Urteil anhand der Kleidung

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Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde. Doch genau in dieser Zeitfrequenz entscheidet sich laut einer aktuellen Studie, wie kompetent Menschen ihr gegenüber einschätzen. Entscheidend ist dabei die Kleidung, weniger Wissen und Fähigkeiten. Von Christoph Berger

Wissenschaftler der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs an der Princeton University fanden in mehreren Studien heraus, dass Menschen die Kompetenz anderer anhand derer Kleidung bewerten. Die Urteile werden dabei innerhalb von Millisekunden getroffen und basieren auf rein ökonomischen Annahmen: Je teurer die Kleidung zu sein scheint, desto kompetenter wird eine Gesprächspartnerin oder ein Gesprächspartner eingeschätzt. Beziehungsweise: Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen können Schwierigkeiten dabei bekommen, andere von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.

Um zu ihren Ergebnissen zu kommen, wählten die Forscher immer wieder unterschiedliche Versuchsanordnungen. Vor allem versuchten sie, den Faktor bei der Entscheidungsfindung der Teilnehmer auszuschließen. Doch ungeachtet der Änderungen blieben die Ergebnisse konsistent: Die den Studienteilnehmern gezeigten Gesichter wurden als signifikant kompetenter beurteilt, wenn die Kleidung als „reicher“ beziehungsweise „teurer“ empfunden wurde. Diese Urteile wurden fast immer direkt gefällt, auch dann, wenn den Befragten mehr Zeit für ihre Einschätzung zur Verfügung stand. Und ebenso, wenn sie Informationen über den Beruf oder das Einkommen einer Person im Vorfeld bekommen hatten, wenn die Kleidung formell oder informell war oder wenn ihnen ein monetärer Anreiz geboten wurde, die Beurteilungen unabhängig von der Kleidung zu treffen.

Um eine Voreingenommenheit zu überwinden, muss man sich nicht nur dessen bewusst sein, sondern auch die Zeit, die Aufmerksamkeitsressourcen und die Motivation haben, der Voreingenommenheit entgegenzuwirken

Die Wissenschaftler, deren Studie im Wissenschaftsjournal Nature Human Behaviour veröffentlicht wurde, kamen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass sich derartige Urteile nur schwer vermeiden lassen. „Um eine Voreingenommenheit zu überwinden, muss man sich nicht nur dessen bewusst sein, sondern auch die Zeit, die Aufmerksamkeitsressourcen und die Motivation haben, der Voreingenommenheit entgegenzuwirken“, schreiben sie. Aber immerhin sei es schon ein erster Schritt bei der Überwindung von Voreingenommenheit, sich dieser bewusst zu sein. Ebenso müsse es ein Ziel zukünftiger psychologischer Arbeit sein, die ersten Eindrücke zu überwinden. Eine Zwischenlösung könnte es sein, auch wenn sie unzureichend ist, eine Exposition zu vermeiden – so würden beispielsweise akademische Abteilungen schon lange wissen, dass eine Einstellung ohne Vorstellungsgespräch bessere Wissenschaftler hervorbringen kann.

Doch momentan, so die Forscher, seien in Armut lebende Menschen noch mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Eldar Shafir, Professor für Verhaltenswissenschaften und öffentliche Politik und Mitautor der Studie spricht in diesem Zusammenhang gar von einer Respektlosigkeit und Missachtung: „Wir haben festgestellt, dass eine solche Respektlosigkeit eindeutig unbegründet ist, da in diesen Studien das identische Gesicht als weniger kompetent angesehen wurde, wenn es mit ärmerer Kleidung erschien.“ In der ersten Zehntelsekunde einer Begegnung sei dieses Urteil gefällt worden.

Schrift-Sätze – Kultur-, Buch- und Linktipps

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BERLIN – HAUPTSTADT DES VERBRECHENS

Fernsehjournalistin, Polizeireporterin und Filmautorin Nathalie Boegel stellt in ihrem Buch „Berlin – Hauptstadt des Verbrechens“ die spektakulärsten Kriminalfälle von 1918 bis 1933 vor. Damals tobte in den Nachtclubs und auf den Straßen Berlins das Leben – und das Verbrechen: Der erste Massenmörder der Weimarer Republik treibt sein Unwesen. Ein selbsternannter „Volksbeglücker“ zieht Zehntausenden ein Vermögen aus der Tasche. Und nur dank der genialen Ermittlungsmethoden eines kuchensüchtigen Kommissars werden fast 300 Mordfälle aufgeklärt. Anhand der vorgestellten Geschichten zeigt Boegel, welche politischen und sozialen Konflikte die Stadt zu einer der gefährlichsten, aber wohl auch spannendsten Metropolen der 20er- und 30er-Jahre machten. Dazu präsentiert sie auch viele Originalfotos aus der Polizeihistorischen Sammlung Berlins. Nathalie Boegel: Berlin – Hauptstadt des Verbrechens. Penguin Verlag 2019, 10 Euro. (Amazon-Werbelink)

GERICHTSURTEILE ZUM LACHEN

Foto: Universität Trier
Foto: Universität Trier

Der Trierer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Till Zimmermann sammelt skurrile Urteile. Was vor einigen Jahren eher nebenbei begann, ist in der Zwischenzeit der systematischen Arbeit eines Wissenschaftlers gewichen. Inzwischen füllt seine Sammlung einen vollgehefteten Ordner und etliche Megabytes auf der Computer-Festplatte. Ein Beispiel: Bei einem Nachbarschaftsstreit prüfte der Richter, ob es sich um eine terroristische Dackelvereinigung nach Paragraf 129a Strafgesetzbuch handelt, wenn es mehrere Fälle von beißenden Rauhaardackeln in einem Ort gibt. Das Gericht konnte jedoch feststellen, dass in dem verhandelten Fall keine terroristische Dackelvereinigung gegründet wurde. In einem anderen Fall begründete ein Richter des Amtsgericht Köln seine Entscheidung im Prozess um einen Verkehrsunfall im Stil einer Fußballreportage.

 

DER MANN, DER SEINEM GEWISSEN FOLGTE

Ein Indizienprozess erschüttert Jütland. Der für sein Mitgefühl bekannte Pastor Sören Qvist lässt sich für ein Verbrechen verurteilen, das er nicht begangen hat. Freunde bemühen sich um entlastendes Material, seine Kinder ermöglichen ihm die Flucht aus dem Gefängnis. Doch Sören Qvist bleibt standhaft. Was kann einen Menschen dazu bewegen, seine moralische Integrität über sein Leben zu stellen? Eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 1625. Janet Lewis: Der Mann, der seinem Gewissen folgte. DTV 2019, 22 Euro. (Amazon-Werbelink)

LEGAL TECH HUB VIENNA

Die Rechtsanwaltskanzleien Dorda, Eisenberger & Herzog, Herbst Kinsky, PHH, Schönherr, SCWP Schindhelm und Wolf Theiss haben im Oktober 2018 gemeinsam den Legal Tech Hub Vienna (LTHV) ins Leben gerufen. Kernziele des LTHV sind die Rechtsberatungsbranche pro-aktiv, Mandanten-orientiert und innovativ in die digitale Zukunft zu führen. Die Aktivitäten des LTHV umfassen unter anderem ein Accelerator-Programm für Legal Tech Unternehmen, lokale und internationale Kooperationen mit Interessensvertretungen, Universitäten, Fachhochschulen und bestehenden/künftigen Legal Tech Hubs sowie die Entwicklung von Standards für die gesamte Rechtsbranche über Forschungsaufträge, Diplomarbeiten und Partnerschaften.

DER FALL COLLINI

Der Film „Der Fall Collini“ erzählt eine fesselnde und bewegende Geschichte über Recht und Gerechtigkeit. Elyas M’Barek als charismatischer und idealistischer junger Anwalt zieht den Zuschauer mit hinein in eine vielschichtige Geschichte, der man mit ihm gemeinsam auf den Grund geht. Eine überraschende Story und eine raffinierte Inszenierung werden zu einem mitreißenden Film, der nicht nur Unterhaltung bietet, sondern auch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit einem hochkomplexen und bedeutenden Thema: die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland in Bezug auf den Nationalsozialismus. Ins Kino kam der Film im April 2019, inzwischen ist er auch als DVD erhältlich. 2020 wurde er von den Produzenten für die Auswahl des deutschen Beitrags für die Oscarverleihung 2020 eingereicht.

AUSSAGE GEGEN AUSSAGE

Wenn vor Gericht gestritten wird, steht es oft Aussage gegen Aussage. Dann gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Oder? Weit gefehlt, weiß Alexander Stevens, Fachanwalt für Strafrecht. Denn Richter können auch verurteilen, wenn es keine anderen Beweise außer der bloßen Aussage des Gegners oder eines einzigen Zeugen gibt. Aber wie entscheiden Richter solche Pattsituationen, vor allem wenn es um heikle Fälle wie Geld- und Beziehungsstreitigkeiten, Gewalt- und Sexualdelikte oder sogar Mord geht? Nach Bauchgefühl? Alexander Stevens beschreibt seine spannendsten Fälle, bei denen es Aussage gegen Aussage stand, und präsentiert dabei das richterliche Ergebnis erst zum Schluss, sodass man selbst überlegen kann: Wie würde ich entscheiden? Alexander Stevens: Aussage gegen Aussage. Piper 2020, 10 Euro. (Amazon-Werbelink)

DREI UHR MORGENS

Gianrico Carofglio, geboren 1961 in Bari, war viele Jahre Antimafia-Staatsanwalt in Bari, 2007 Berater des italienischen Parlaments im Bereich organisierte Kriminalität und von 2008 bis 2013 Senator. Außerdem ist Carofglio Autor zahlreicher preisgekrönter Krimis, die in 24 Sprachen übersetzt wurden. In seinem aktuellen Roman „Drei Uhr morgens“ wird eine Fahrt nach Marseille für Antonio und seinen Vater zu einer Reise in die Erinnerung und nach innen. Der verschlossene Gymnasiast muss zu einer neurologischen Untersuchung, die vorschreibt, zwei Tage und zwei Nächte ohne Schlaf zuzubringen. Sein Vater, der früh die Familie verlassen hat und zu dem er ein kühles Verhältnis hat, begleitet ihn. Erstmals erfahren die beiden eine nie gekannte Intimität: Der Vater erzählt von seiner Jugend, von der Bekanntschaft mit der Mutter des Jungen – der Sohn von seinen Hoffnungen und Ängsten. Der Aufenthalt vollzieht sich zwischen Wachzustand und Erschöpfung, er führt in anrüchige Viertel, an atemberaubende Strände, ins Herz der pulsierenden Stadt. Eine Begegnung, die zwei Menschen für immer verändert. Gianrico Carofglio: Drei Uhr morgens. Folio 2019, 20 Euro. (Amazon-Werbelink)

Das letzte Wort hat: Diane D. Manz, Coach & Beraterin

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Es ist wie in jeder Beziehung: Ohne Kommunikation stockt es irgendwann. Diese Prämisse gilt auch für das Berufsleben, wie Diane D. Manz im Interview erklärt – gerade dann, wenn es um so stressige Berufe wie die eines Anwalts geht. Die Fragen stellte Christoph Berger

Diane D. Manz, Foto: Stephan Sieber/picturebaer
Diane D. Manz, Foto: Stephan Sieber/picturebaer

Diplom-Psychologin Diane D. Manz ist Business- und Burnout-Coach und berät Privatpersonen und Unternehmen zu Kommunikation, Führung, Vielfalt & Einbindung sowie Stressmanagement & Burnout-Prävention. Sie blickt zudem auf 17 Jahre Erfahrung im Personalbereich zurück, 13 Jahre davon leitete sie die Personalabteilung einer internationalen Großkanzlei. Heute ist sie Inhaberin von brandung | coaching & consulting mit Büros in Gießen und Frankfurt am Main.

https://brandung-consult.com

Frau Manz, Sie haben selbst lange Zeit in verantwortlicher Position in einer Kanzlei gearbeitet. Was waren Ihre dabei gemachten Erfahrungen, wie gehen Anwälte mit den Herausforderungen ihres Alltags um – gerade dann, wenn es stressig wird?
In der täglichen Arbeit des Anwalts ist Stress nicht wegzudenken. Ein überdurchschnittliches Arbeitspensum und hohe Ansprüche der Mandanten sowie damit verbundene lange Arbeitszeiten sind nicht wegzudenken – viel, schnell, komplex und oft noch unberechenbar. Das ist stressig. Aber Stress ist per se noch nicht schädlich. Wenn ich für die Arbeit brenne, Spaß daran habe und mich den gestellten Aufgaben gewachsen fühle, dann ist dieser Stress motivierend und bringt mich weiter. Danach braucht es dann allerdings auch ausreichend Zeit für die Regeneration.

Und wann ist Stress schädlich?
Schwierig wird es, wenn mich meine Aufgaben überfordern und ich den Anforderungen nicht gerecht werden kann. Das ist anstrengend, führt zu wenig oder keinen Erfolgserlebnissen und neue Herausforderungen machen eher Angst als dass sie zu neuen Höchstleistungen anspornen. Damit wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der in chronischem negativem Stress endet. Der ist ungesund und führt nicht selten zu körperlichen und psychischen Beschwerden.

Gibt es dort weitere Ursachen für negativen Stress?
Ja. Denn auch mangelnde Transparenz in Bezug auf die Karriereentwicklung, Führung, Kommunikation und Problemlösung können zu negativem Stress führen. Hierarchische Unsicherheit und Angst vor Konfrontation spielen hier eine große Rolle, ebenso fehlendes Einfordern von Rückmeldungen, kein Abgleich von gegenseitigen Erwartungen und mangelnde Zielvorstellungen. Diese Bereiche haben einen sehr großen Einfluss auf die tägliche Arbeit und die Zufriedenheit damit.

Was kann jede bzw. jeder Einzelne in solchen Situationen machen?
Stressempfinden, sowohl in positive als auch negative Richtung, ist sehr individuell. Insofern ist es wichtig, regelmäßig zu reflektieren, welche Situationen einen in einen unangenehmen Zustand versetzen. Wenn ich die Stressoren identifiziert habe, kann ich mir überlegen, inwieweit diese zu verändern oder abzustellen sind. Ist beides nicht möglich, kann ich versuchen, meine Situationsbewertung zu verändern. Ich kann hier nur dafür plädieren, die Möglichkeit der Veränderung gedanklich zuzulassen. Wenn ich Wünsche oder Sorgen habe, diese aber nicht kommuniziere, kann ich nicht auf Besserung hoffen. Das gilt übrigens für beide Seiten. Oft ist das Ansprechen von Problemen sehr viel einfacher als gedacht. Stellt sich nach einem solchen Gespräch heraus, dass es keine Chance auf Veränderung gibt, weiß man zumindest, woran man ist.

Kommunikation ist also alles?
Kommunikation ist viel. Um grundsätzlich die eigene Lebensqualität zu verbessern und die Gesundheit zu fördern, ist es gerade bei einem anspruchsvollen Job wichtig, auch Zeiten der Regeneration sicher zu stellen. Und wenn es nur ein Spaziergang um den Block in einer sonst nicht existenten Mittagspause oder eine Kurzmeditation im Büro ist. Selbst wenn Dauerstrom nicht im Burnout endet, senkt er mittelfristig die Leistungsfähigkeit. Ebenso wichtig sind Hobbies und ein privates soziales Netzwerk. Hier kommt es stärker auf Qualität als auf Quantität an.

karriereführer künstliche intelligenz 2020.2021 – Menschen machen´s möglich

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Cover karriereführer künstliche intelligenz 20-21

Menschen machen´s möglich

Was ist künstliche Intelligenz (KI) denn nun, Lösung für alles oder Sicherheitsrisiko? Geschäftsmodell der Zukunft oder Job-Killer? Statt nur in Schwarz oder Weiß zu denken, lohnt sich der differenzierte Blick: Unternehmen profitieren, wenn KI übergreifend betrachtet und vom Problem her gedacht wird. Hier ist der Mensch gefragt: Seine Aufgabe ist es, die KI in den Domänen eines Unternehmens zu platzieren. Und er wird auch benötigt, um die Technik so zu vermitteln, damit Vertrauen entsteht.

Künstliche Intelligenz: Menschen machen’s möglich

Was ist künstliche Intelligenz (KI) denn nun, Lösung für alles oder Sicherheitsrisiko? Geschäftsmodell der Zukunft oder Job-Killer? Statt nur in Schwarz oder Weiß zu denken, lohnt sich der differenzierte Blick: Unternehmen profitieren, wenn KI übergreifend betrachtet und vom Problem her gedacht wird. Hier ist der Mensch gefragt: Seine Aufgabe ist es, die KI in den Domänen eines Unternehmens zu platzieren. Und er wird auch benötigt, um die Technik so zu vermitteln, damit Vertrauen entsteht. Ein Essay von André Boße

Wer zu Daimler oder Volkswagen geht, baut und entwickelt Autos? Möglich. Es kann aber auch sein, dass man sich im Konzern mit „Computer-Brains“ beschäftigt, die Autos lenken sollen. Oder bereichsübergreifend an einem Mobilitätsökosystem arbeitet, das mit Hilfe von Big Data und künstlicher Intelligenz Verkehrslösungen nach Maß bietet – Bezahl- und Finanzierungsoptionen inklusive. Blicken wir auf die technischen Konzerne: Wer heute eine Stelle bei Siemens oder Bosch antritt, findet dort eine Reihe von Abteilungen, die weit über das hinausgehen, was man als das ursprüngliche Geschäft dieser Technologie-Unternehmen begreift. Bosch zum Beispiel hat Anfang Januar mitgeteilt, bis 2025 solle jedes der Konzernprodukte über künstliche Intelligenz verfügen, mit ihr entwickelt oder produziert worden sein. Entsprechend kündigt das Unternehmen an, personell auf- und umzurüsten: „Mit einem großangelegten Qualifizierungsprogramm wollen wir in den nächsten zwei Jahren nahezu 20.000 Mitarbeiter fit für die KI-Zukunft machen“, sagt Bosch-Geschäftsführer Michael Bolle. Die aktuelle Zahl der Mitarbeiter innerhalb des Konzerns, die sich mit dem Thema KI beschäftigen: 1000. Hier zeigt sich die Dimension des Wandels.

„KI ist keine Magie“

Für Bewerber ist folgende Änderung interessant: Wer sich noch vor wenigen Jahren für den Ein- oder Aufstieg in einem dieser Konzerne interessierte, von dem erwartete man insbesondere eines: Kenntnisse über die Branche. Wie ist das heute, in einer Zeit, in der sich die Branchen öffnen, einer Zeit, in der traditionelle Autobauer Geld damit verdienen, den Kunden mit Hilfe von KI-Lösungen optimale Bahnverbindungen anzuzeigen? Oder in der Technikkonzerne tausende Mitarbeiter suchen oder dahingehend schulen, um fit für die KI zu sein? Ist es da übertrieben, zu fragen, ob künstliche Intelligenz heute bereits eine Art Meta-Branche ist? Vorsicht! Die künstliche Intelligenz trägt schon genügend andere Etiketten. Mal ist sie das Allheilmittel für eine lahmende Wirtschaft, mal bedroht sie Arbeitsplätze. Einige glauben, die KI werde eines Tages für einen Security-GAU sorgen, andere denken, dass die Menschheit das Problem des Klimawandels ohne KI nicht in den Griff bekommen wird.

Qurator: Digitale Kommunikation mit Hilfe von KI

„Wer heute relevant sein will, muss digital kommunizieren“, sagt Armin Berger, Bündnissprecher des Projekts Qurator. Doch wie gelingt diese digitale Kommunikation, gerade in Zeiten, in denen der Datendschungel immer dichter wird? Qurator versteht sich als eine Plattform für intelligente Content-Lösungen, auf der KI-Ansätze dabei unterstützen, Inhalte zu kuratieren (daher der Name Qurator). Die Plattform richtet sich gezielt auch an Manager in Unternehmen, die internes Wissen über neue Techniken so aufbereiten wollen, dass möglichst viele Zugriff erhalten und die Inhalte somit bei Entscheidungen helfen.

www.qurator.ai

Auch in technischer Hinsicht gehen die Meinungen auseinander. Es gibt Experten, die davor warnen, die Komplexität der KI überfordere den Menschen, andere widersprechen. Die Informatikprofessorin Katharina Zweig von der TU Kaiserslautern sagte zum Beispiel in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“: „KI ist keine Magie.“ Im Interview fordert sie, keine Berührungsängste bei dieser Technik zu haben, schließlich werde KI „insgesamt näher an uns heranrücken, darum müssen wir Betriebsräte, Schulelternbeiräte, Betroffene und Bürger befähigen, sich einmischen zu können.“

KI als Möglichkeit begreifen

Wie ist denn nun der Status der KI? Was kann sie leisten – wann wird sie überschätzt? Und was bedeutet dieser Stand der Dinge für Karriereeinsteiger? Das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssystem (FOKUS) hat jetzt mit dem Whitepaper „Künstliche Intelligenz in der Praxis“ eine Studie veröffentlicht, die untersucht, welche Bedeutung KI bereits heute in den Unternehmen hat – und wie sich der Einfluss der Technik in den kommenden Jahren in den verschiedenen Geschäftsfeldern entwickeln wird. Zu Beginn stellen die Studienautoren eines klar: KI ist nicht die Antwort auf jede Frage und Herausforderung. KI ist eine Möglichkeit, sich Problemen zu widmen. „Angesichts der großen Aufmerksamkeit für KI, könnte man leicht zu dem Schluss kommen: Wer heute nicht in KI investiert, für den scheint der Zug abgefahren zu sein – in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher, aber auch politischer Hinsicht“, sagt FOKUS-Leiter Prof. Dr. Manfred Hauswirth. Ob jedoch KI überhaupt als passende Lösungsoption in Betracht komme oder aber eine andere technische Lösung besser geeignet sei, müsse jeweils mit Blick auf die konkrete Problemstellung entschieden werden. Und hier tun sich viele Unternehmen noch schwer, wie die Autoren des Whitepapers feststellen: „Bei Projektpartnern bestehen oft bereits konkrete Erwartungen und ein grundlegendes Verständnis der Rolle, die KI potenziell in ihren Anwendungen und Geschäftsmodellen spielen kann. Nichtsdestotrotz sind Berührungsängste gegenüber dem Thema KI zu erkennen, die meistens in Zurückhaltung gegenüber einem Einsatz münden.“

Menschen managen KI

Entscheidend sei es daher, in den Unternehmen ein Wissen über die Chancen und potenziellen Probleme von KI-Lösungen aufzubauen. „Die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von KI-Methoden ist ein tiefes Verständnis des Themenfeldes, in dem diese zum Einsatz kommen sollen“, sagt FOKUS-Leiter Manfred Hauswirth. Ohne dieses laufe man zum Beispiel Gefahr, sich Problemen, die man bereits mit einer anderen Technik gelöst hat, noch einmal zu widmen – nur weil man denkt, die KI sei hier per se noch besser geeignet. Mit der eventuellen Folge, dass KI dieses Problem nun ein weiteres Mal löst. Jedoch „gegebenenfalls schlechter oder mit höherem Ressourcenaufwand“, wie Hauswirth sagt. Der FOKUS-Leiter verdeutlicht hier einen Punkt, der erklärt, warum so viele Konzerne bei diesem Thema neues Personal suchen oder das eigene Personal weiterbilden: Der Mensch mit seinem Wissen bleibt derjenige, der entscheidet, wo KI auf welche Art helfen kann. Und er ist auch derjenige, der die KI dann, wenn es sinnvoll ist, instruiert, koordiniert und kontrolliert. Zumindest solange, bis in einer fernen Zukunft aus KI-Methoden hyperintelligente Cyborgs werden (siehe Buch-Tipp im Kasten). Hier zeigt sich deutlich, dass die künstliche Intelligenz zumindest in den ersten Schritten in den Unternehmen keine High-Profile-Jobs ersetzt, sondern die Experten mit einer neuen Art von Arbeit versorgt. Dass dabei im Alltag der Entwicklung, Produktion oder Logistik Fragen auftauchen, liegt auf der Hand.

Domänen statt Branchen

Interessant ist nun, dass die Studienautoren vom Fraunhofer Institut bei den konkreten Anwendungsbereichen eben nicht mehr von Branchen sprechen, sondern von Domänen. Gemeint sind Themenfelder wie Smart Mobility und Electronic Health, Industrial Internet of Things und Quality Engineering, Visual Computing und Data Analytics. In den Unternehmen werden Einsteiger daher nicht nur auf eine dieser Domänen treffen – sondern auf mehrere, in den großen Konzernen sogar auf alle. Hier zeigt sich die besondere Herausforderung von KI-Lösungen: Sie docken innerhalb einer Organisation in diversen Bereichen an, bilden Knotenpunkte, verlangen nach zwei Perspektiven: die eine ist auf die jeweilige Domäne fokussiert, die andere hat das gesamte „Ökosystem“ des Konzerns im Blick. Wobei der Begriff aus der Ökologie hier tatsächlich passt, denn die Domänen unterstützen sich gegenseitig und bilden dabei ein System, dessen Funktionalität vom natürlichen Zusammenspiel der Domänen abhängt.

Der KI-Campus

Im Oktober 2019 wurde der Startschuss für den Aufbau einer digitalen Lernplattform zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) gegeben. Dabei handelt es sich um ein auf drei Jahre angelegtes und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Pilotprojekt. Motivation und Ziel des Projekts „KI-Campus – die Lernplattform für Künstliche Intelligenz” ist es, eine breite Befähigung im Umgang mit KI zu vermitteln, um für die Herausforderungen den damit verbundenen technischen und gesellschaftlichen Veränderungen gewappnet zu sein. Der KI-Campus soll diesem Bedarf durch die Entwicklung einer offenen Lernplattform begegnen, auf der sich die Nutzer untereinander sowie mit Professoren und anderen Fachexperten vernetzen und sich mit hochwertigen, digitalisierten Lernangeboten weiterbilden können.

www.ki-campus.org

Ein Beispiel aus der Produktion: Das Industrial Internet of Things (IIoT) ist eine Infrastruktur, die Wertschöpfungsketten digital vernetzt – und zwar anwendungsübergreifend und unabhängig vom Hersteller, intelligent und mit maximaler Sicherheit. „Dabei spielen Edge- oder Cloud-Computing ebenso eine wichtige Rolle wie Echtzeit-Maschine-zu-Maschine- Kommunikation, Geräte-Management, Orchestrierung und Datenanalyse-Plattformen“, heißt es im FOKUS-Whitepaper. Wobei die Technik klare Ziele zu erfüllen hat – und zwar parallel. Das IIoT soll Ressourcen schonen und Wartungen optimieren, es soll die Qualität sichern und Datenschutz garantierten, die Betriebskosten sowie den Energiebedarf senken, neue Geschäftsmodelle aufbauen und die Produktion beschleunigen. Wer im Unternehmen die Produktion in diesem Sinne voranbringen möchte, benötigt neben Kenntnissen im Maschinenbau oder Prozessmanagement eben auch Know-how in einem übergreifenden KI-Bereich, den die Experten des Fraunhofer Instituts Data Analytics nennen. „KI hat neben den Eigenschaften eines lernenden Systems insbesondere auch mit semantischem Verstehen durch die Maschine und weiterführender pragmatischer Interpretation im Kontext zu tun“, schreiben die Whitepaper-Autoren. Dies gehe über das Erkennen von Mustern in Daten hinaus. Die Rede ist von der sogenannten dritten Generation von KI-Systemen, in der es um die Kombination aus KI-Methoden geht: ums Wahrnehmen und Lernen, Logikschlussfolgern und Abstrahieren.

Vertrauen schaffen, Sicherheit gewährleisten

Und noch ein Punkt ist wichtig, wenn es um die Frage geht, wo der Mensch bleibt, wenn künstliche Intelligenz in den Unternehmen zum Standard wird. Nicht nur werden Mitarbeiter benötigt, um diese Technik in den Domänen einzusetzen, Menschen sind auch der Schlüssel dafür, den Kunden ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit zu geben. Ende Januar veröffentlichte der TÜV-Verband eine Studie, nach der 85 Prozent der Befragten möchten, dass Produkte und Anwendungen mit künstlicher Intelligenz klar gekennzeichnet werden. „Insgesamt überwiegen die positiven Empfindungen in Bezug auf KI und viele Menschen erhoffen sich von der Technologie Fortschritte in verschiedenen Lebensbereichen“, ordnet Dr. Michael Fübi, Präsident des TÜV-Verbands, das Ergebnis ein. Jedoch gibt es auf Seiten der Verbraucher messbare Skepsis und Verunsicherung: So empfinden 69 Prozent der Befragten es als negativ, wenn KI immer mehr menschliche Kontakte ersetzt, 72 Prozent sorgen sich vor Hackerangriffen mit Hilfe von KI, 67 Prozent haben die Sorge, dass die KI bei sicherheitskritischen Anwendungen Fehler macht. Auf diese Sichtweise der Kunden müssen die Unternehmen mit kommunikativer Transparenz reagieren; auch dies wird eine Aufgabe von KI-Managern sein: den Kunden – ob B2B oder B2C – erklären, wo KI mitgewirkt hat, was die Vorteile dieser Mitwirkung sind und wie die Sicherheit garantiert werden kann.

Benötigt werden Regeln und Standards

Gefragt sind hier aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gesetzgeber. „Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in sicherheitskritischen Bereichen gibt es erhebliche Regelungslücken“, sagt TÜV-Verbandspräsident Michael Fübi.  „Immer dann, wenn Gefahren für die Gesundheit von Menschen oder deren elementare Grundrechte bestehen, sind klare Leitlinien für die Anbieter, Entwickler und Nutzer von KI-Anwendungen notwendig.“ Tatsächlich tut sich hier etwas: Die neu formierte EU-Kommission hat bereits angekündigt, eine KI-Strategie vorlegen zu wollen, das Bundesarbeitsministerium initiiert ein KI-Observatorium, das als Denkfabrik die Aufgabe hat, einen verantwortlichen, menschenzentrierten und partizipativen Einsatz von KI in der Arbeitswelt und der Gesellschaft zu ermöglichen und zu fördern. Ist die KI eine Meta-Branche? So lautete zu Beginn die Frage. Tatsächlich lässt sich festhalten, dass durch die Nutzung von KI-Lösungen in der Praxis eine ganze Reihe von Job-Profilen entstehen, die branchenübergreifend Menschen benötigen, die KI vollumfänglich verstehen. Weil sie wissen, wie diese Technik dem Unternehmen hilft – und was gewährleistet sein muss, dass auch die Mitarbeiter und die Kunden profitieren und Vertrauen entwickeln. Nein, KI ist keine Magie, da hat die Informatikerin Katharina Zweig schon recht. Aber sie bedeutet viel Arbeit. Menschliche Arbeit.

Buchtipps

Der 100-Jährige, der ein neues Zeitalter des Denkens ausruft

Cover NovozaenDer Universalwissenschaftler James Lovelock hat zehn Dekaden auf dem Buckel, doch sein Alter hindert den Briten nicht daran, vorauszudenken – und zwar im Wortsinn: „Novozän“ heißt sein neues Buch, das es seit Januar auch auf Deutsch gibt. Lovelock beschreibt den Beginn des Zeitalters der Hyperintelligenz, des Novozäns, das auf das Anthropozän folgt. Seine These: Aus der KI werden Cyborgs entstehen, die uns Menschen in allem überlegen sind. Doch das sollte kein Schreckensszenario sein, denn auch die Cyborgs wollen die Erde erhalten – und sie sind es, die in Lovelocks unterhaltsamer und inspirierender Öko-Vision der bequemen und zerstrittenen Menschheit das Überleben retten. James Lovelock: Novozän – Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz. C.H. Beck, 2020, 18 Euro. (Amazon-Werbelink)

Fehlendes Taktgefühl

Cover Ein AlgorithmusLaut der TÜV-Studie „Sicherheit und Künstliche Intelligenz – Erwartungen, Hoffnungen, Emotione“ erwarten 40 Prozent der Deutschen von der KI, dass sie zu 100 Prozent fehlerfrei ist. Diesen Ansprüchen hält die Informatikerin Katharina Zweig ihr Buch „Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl“ entgegen, das den Untertitel trägt: „Wo künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können.“ In klarer Sprache zeigt sie, warum Robo-Richter ein schlechtes Urteilsvermögen besitzen, aber auch, in welchen Bereichen eine unvoreingenommene KI-Lösung weitaus besser wäre als ein mit Vorurteilen beladender Mensch. Katharina Zweig: Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl: Wo künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können. Heyne, 2019. (Amazon-Werbelink)