Die Vorstandsfrau: Kathrin Menges im Interview

Eigentlich wollte Kathrin Menges Lehrerin werden. Dann wechselte sie in die freie Wirtschaft, heute sitzt sie im Vorstand des Düsseldorfer Henkel-Konzerns. Als erste und einzige Frau. Noch – denn die 53-Jährige hofft, dass ihr Karriereweg für andere Frauen eine Vorbildfunktion hat. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Kathrin Menges, geboren 1964 in Pritzwalk in Brandenburg, schloss ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam 1988 als Diplom-Lehrerin ab. Bis 1990 war sie als Lehrerin tätig, dann wechselte sie ins Personalwesen der Bankgesellschaft Berlin. 1999 ging sie zum Henkel-Konzern, zunächst als Leitung Personal der Konzerntochter Schwarzkopf Professional. Seit 2005 ist sie in der Zentrale in Düsseldorf tätig, zunächst als Leiterin diverser Personalbereiche. Im Oktober 2011 wurde sie in den Vorstand berufen, wo sie heute für die Unternehmensbereiche Personal sowie Infrastruktur-Services zuständig ist.
Frau Menges, 2011 wurden Sie in den Vorstand von Henkel berufen, als erste Frau in der mehr als 140 Jahre langen Unternehmensgeschichte. Können Sie sich noch an die ersten Arbeitstage in dieser Position erinnern? Ich habe ja bereits vor meiner Berufung in den Vorstand die Gesamtverantwortung für den Personalbereich getragen und mich dabei regelmäßig und intensiv mit den Kollegen aus dem Vorstand ausgetauscht. Mit der Arbeit im Vorstand kommen dann natürlich neue Aufgaben und eine zunehmende Verantwortung hinzu. Diese habe ich gerne angenommen. Den Start habe ich persönlich als herausfordernd, aber gelungen und sehr angenehm in Erinnerung. Meine Vorstandskollegen und ich pflegen einen sehr offenen und vertrauensvollen Umgang und verstehen uns als ein Team. Haben Sie sich damals selbst als Pionierin betrachtet? Vielleicht sogar als Vorbild für andere ambitionierte Frauen? Ich würde nicht so weit gehen, mich als Pionierin zu bezeichnen. Dennoch glaube ich, dass Frauen in Top-Führungspositionen eine wichtige Signalwirkung ausüben. Wir brauchen solche „Role Models“, wir müssen erfolgreiche Frauenkarrieren noch sichtbarer machen. Und natürlich werde ich hin und wieder von jüngeren Frauen nach meiner Karriere gefragt. Ich teile meine persönlichen Erfahrungen sehr gerne und hoffe, dass mein Karriereweg für die ein oder andere auch Ansporn ist, sich von vermeintlichen Grenzen nicht einschränken zu lassen.
Karriere ist nichts, was durch Zufall passiert. Sie muss gestaltet werden.
Es ist weiterhin viel von „gläsernen Decken“ die Rede, die nicht verschwinden wollen. Sind Sie selbst auf Ihrem Weg nach oben an welche gestoßen? Ich muss sagen, dass ich in meinem Berufsleben keine gläserne Decke gespürt habe. Im Gegenteil. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass mich Leistung und Engagement weiterbringen – aber auch die Fähigkeit, sich beherzt Neuem zu stellen. Denn eines ist klar: Karriere ist nichts, was durch Zufall passiert. Sie muss gestaltet werden. Der Schlüssel dafür liegt bei einem selbst. Wenn Sie auf die Karrieren von Frauen in großen Konzernen blicken, was hat sich in den vergangenen sieben Jahren geändert, welche Strukturen konnten aufgebrochen werden? Das Thema der Förderung von Frauen in Führungspositionen ist in der Gesellschaft und der Wirtschaft angekommen. Unternehmen können es sich heute gar nicht mehr leisten, auf das hohe Potenzial von qualifizierten Frauen zu verzichten – und haben dementsprechend die Möglichkeiten verbessert. Das betrifft vor allem eine systematische langfristige Karriereplanung für Frauen, aber auch verbesserte Rahmenbedingungen, zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder, da ist Henkel sicherlich keine Ausnahme.
Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel mit einer Abkehr von tradierten Rollenbildern.
Wie erleben Sie in Ihrer Position als Personalchefin ambitionierte Frauen der heutigen Generationen? Ich erlebe die nachwachsende Generation an Führungskräften als ambitioniert, selbstbewusst und sehr werteorientiert – und das erst einmal unabhängig vom Geschlecht. Und ich glaube, viele junge Frauen stellen sich die Frage „Karriere oder Familie“ heute gar nicht mehr so. Für sie ist es nämlich eine Selbstverständlichkeit, dass beides miteinander vereinbar ist. Und das sollte es auch sein! Bietet der Arbeitgeber dafür nicht das richtige Umfeld, orientieren sie sich um. Darauf müssen Unternehmen sich einstellen. In den Unternehmen sind viele Maßnahmen eingeleitet worden, um diese Selbstverständlichkeit der Vereinbarkeit von Karriere und Familie zu gewährleisten. Welche dieser Maßnahmen funktionieren bereits – welche sind noch ausbaufähig? Zunächst einmal hat sich schon sehr viel getan – in der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft im Ganzen. Doch wir können noch besser werden. Wir brauchen noch mehr und bessere frühkindliche Betreuung, Ganztagsschulen und nicht zuletzt einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel mit einer Abkehr von tradierten Rollenbildern und der typisch deutschen Präsenzkultur. Bei uns im Unternehmen gibt es zum Beispiel Betriebskindergärten oder Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen. Und vor allem flexible Arbeitsmodelle und eine Kultur, in der die Leistung und das Ergebnis zählen und nicht die physische Anwesenheit im Büro. Der Begriff „Arbeitswelt 4.0“ beschreibt den Wandel der Arbeit durch die digitale Transformation. Glauben Sie, dass diese Veränderungen für Frauen bessere Chancen bedeuten? Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Die digitale Transformation wird die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten, verändern. Netzwerke, projektorientiertes, virtuelles Arbeiten, neue Arbeitsplatzkonzepte und zunehmende Flexibilisierung von Strukturen – das sind nur einige Stichworte. Daraus ergeben sich auch neue Chancen für Mitarbeiter, die diese Veränderungen als Chance begreifen und ergreifen – und denen es gelingt, den Wandel aktiv mitzugestalten. Und damit meine ich nicht nur die sogenannten „Digital Natives“. Denn wir brauchen eine gute Mischung der Altersstrukturen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Doch ob sich daraus in direkter Konsequenz die Chancen für Frauen verbessern – soweit würde ich an der Stelle nicht gehen. Das ist für mich geschlechtsunabhängig. Ganz persönlich: Welche Entscheidung in Ihrer Karriere hat sich rückblickend als genau richtig erwiesen – auch wenn Sie aus heutiger Sicht ungewöhnlich erscheint? Das war sicherlich mein Wechsel von der Arbeit als Lehrerin in die freie Wirtschaft, in einen für mich völlig neuen Bereich. Sie haben Ihre berufliche Laufbahn Ende der 80er-Jahre als Lehrerin begonnen. Genau, und dieser Wechsel hat mich sehr geprägt. Die Offenheit versuche ich mir bis heute zu bewahren.

Zum Unternehmen

Henkel wurde 1876 gegründet, heute beschäftigt der Konzern weltweit mehr als 53.000 Mitarbeiter, fast 85 Prozent arbeiten außerhalb von Deutschland. Das Unternehmen ist in drei Bereichen tätig: Adhesive Technologies (Klebstoff- Technologien) bietet Klebstoffe, Dichtstoffe und Funktionsbeschichtungen. Beauty Care steht für Markenartikel in den Bereichen Haarcolorationen, Haarstyling und Körperpflege. Laundry & Home Care umfasst neben Universal- und Spezialwaschmitteln auch Weichspüler, Waschkraftverstärker und Wäschepflegemittel.

7 Stichworte von Anja Mandelkow

Anja Mandelkow ist Teamleiterin Projektberatung Sozialimmobilien bei der BFS Service, der Tochter der Bank für Sozialwirtschaft. Mit ihrem Team erstellt sie Cockpit-Studien und unterstützt damit Eigentümer und Betreiber von Sozialimmobilien bei der konzeptionellen Neuausrichtung, der Sanierung sowie der Entwicklung neuer Standorte.

Zur Person

Anja Mandelkow hat eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht. Anschließend arbeitete sie als Sozialmarktanalystin bei der BFS Service. Parallel studierte sie Dipl.- Bankbetriebswirtin, Real Estate Finance Professional und Certified Corporate Banking Professional an der Frankfurt School of Finance & Management. Außerdem machte sie an der Bergischen Universität Wuppertal ihren Master in Real Estate Management + Construction Project Management.
Stichwort Motivation „Ich bin in der Schule keine sonderlich gute Schülerin gewesen. Mir fehlte die Vorstellung, wie ich das Schulwissen später gebrauchen könnte. Erst im Studium wurde ich ehrgeiziger. Ich habe stets viel zuhause nachgelesen und mein Wissen vertieft. Rückblickend habe ich im Studium gelernt, wie man lernt, sich organisiert und im Team agiert.“ Stichwort berufsbegleitendes Studieren „Meine wohl klügste Entscheidung, denn die praktischen Erfahrungen konnte ich durch neue Theorien ergänzen. Der enge Austausch mit Kollegen aus der Branche und das strukturierte wissenschaftliche Arbeiten helfen mir noch heute, gemeinsam mit meinem Team innovative Lösungswege zu finden. Durch die Doppelbelastung wird auch die Stressresistenz und Selbstorganisation geschult.“ Stichwort Sozialwirtschaft „Die ökonomische Bedeutung der Sozialwirtschaft wird oft unterschätzt, denn wenige wissen, dass zu ihr die größten Arbeitgeber Deutschlands gehören. Unabhängig davon hat sie eine große Bedeutung für den sozialen Frieden und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Auf viele Dienstleistungen haben wir einen Rechtsanspruch, zum Beispiel Kindergärten, die Unterstützung von Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftiger Menschen. Dazu einen Teil beitragen zu dürfen, ist für mich Motivation und Erfüllung zugleich.“ Stichwort Selbstzufriedenheit „Ich denke immer darüber nach, wie ich Dinge besser machen kann und hinterfrage mich.“ Stichwort Personalakquise „Mir war das Fachwissen früher viel wichtiger als die Persönlichkeit. Grundsätzlich ist Fachwissen wichtig, jedoch schnell ohne Weiterbildung veraltet. Es kommt eher darauf an, ob Menschen sich entwickeln und ob sie innovativ denken möchten. Handeln aus Leidenschaft und Empathie ist mir sehr wichtig.“ Stichwort Spezialisierung „Sie macht Spitzenleistungen überhaupt erst möglich. Spezialisten können daher auf ihrem Gebiet sehr viel bessere Ergebnisse erbringen als standardisierte Leistungen von Allroundern. Das führt in der Folge zu einem höheren Nutzen für den Kunden.“ Stichwort Erfolg „Erfolg ist keine Tür, sondern eine Treppe.“

Pionierinnen

Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. Im sechsten Teil unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Von Kathreen Claire Schulz

Carmen Herrera (*1915)

„Besser spät als nie“ auf Carmen Herrera passt diese Redewendung wie die Faust aufs Auge: Erst 2003 – damals war sie 89 Jahre alt! – wurde sie endlich als Künstlerin entdeckt und als Pionierin der Farbfeldmalerei anerkannt. Herrera studierte zunächst in ihrem Geburtsort Havanna Architektur, dann heiratete sie, zog nach New York und studierte Malerei. In den 1940er Jahren lebte sie für kurze Zeit in Paris und lernte dort die europäische Avantgarde kennen. Sie nahm an zahlreichen Ausstellungen teil und fand ihren Stil, der sich durch klare Strukturen und starke Kontraste hervorhob. Ihre Gemälde waren ihrer Zeit voraus, dennoch erfuhr sie Jahrzehnte lang Ablehnung. 1954 kehrte sie mit ihrem Ehemann nach New York zurück, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Ihre Bilder hängen nun in weltberühmten Museen wie dem Museum of Modern Art in New York und der Tate Gallery in London. Die Ausstellung „Lines of Sight“ wurde vom Whitney Museum of American Art, New York, organisiert und war bis Anfang April 2018 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zu sehen. Der Katalog zur Ausstellung erschien im Wienand Verlag. Interessant ist auch die Dokumentation „The 100 years show“, zu sehen auf Netflix: www.netflix.com/de/title/80106609

Jeanne Baret (1740 – 1807)

Jeanne Baret war wohl die erste Frau, die die Welt umsegelt hat. In ihrer Jugend war sie mittellos, und mit ihrem Geliebten, dem angesehenen Botaniker Philibert Commerson, konnte sie aufgrund des Standesunterschiedes nur heimlich zusammen sein – sie arbeitete als seine Haushälterin. Als Commerson 1766 auf eine Expedition in den Südpazifik ging, verkleidete Jeanne Baret sich als Mann und nannte sich Jean. Sie begleitete Commerson als Kammerdiener und Assistent – Frauen waren auf Marineschiffen nicht erlaubt. Auf Mauritius trennte sich das Paar vom Rest der Expedition und blieb fast fünf Jahre auf der Insel. Sie sammelten über 6.000 Pflanzen, die heute im Museúm national d’historie naturelle ausgestellt werden. Auch als Commerson krank wurde, sammelte Baret weiter. Nach seinem Tod kehrte sie nach sieben abenteuerlichen Jahren nach Paris zurück. Ihre Leistungen wurden lange nicht anerkannt. Erst 2012 ehrte sie Eric Tepe, Professor für Biologie der Universität in Utah, indem er ein von ihm entdecktes Nachtschattengewächs nach ihr benannte, das Solanum baretiae.

Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin (1777 – 1866)

Die französische Unternehmerin BarbeNicole ClicquotPonsardin ist bekannt als die Grande Dame de Champagne (die ‚Große Dame des Champagners‘). Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie die Leitung des von ihrem Schwiegervater gegründeten Champagnerhauses, das nur ein kleiner Familienbetrieb war. Sie war damals 27 Jahre alt und entwickelte sich schnell zur leidenschaftlichen Unternehmerin. Sie optimierte das Verfahren zur Herstellung und stellte ihren Champagner an allen Herrschaftshöfen in Europa vor. BarbeNicole ClicquotPonsardin war die erste, die ihren Wein nach Russland liefern ließ, nachdem die napoleonischen Kriege beendet waren und ging damit ein enormes Risiko ein, das sich aber schnell auszahlte. Um andere mutige Unternehmerinnen zu ehren hat das Champagnerhaus 1972 den Veuve Clicquot Business Woman Award ins Leben gerufen.

Maria Montessori (1870 – 1952)

„Hilf mir es selbst zu tun“ ist der berühmte Leitsatz der Ärztin, Reformpädagogin, Philosophin und Philanthropin Maria Montessori. Sie hat die Montessori-Pädagogik begründet, deren Kerngedanke es ist, dass Kinder von sich aus lernen wollen und von Erwachsenen nur unterstützend begleitet werden sollten. Maria Montessori absolvierte zunächst ein Studium der Mathematik und des Ingenieurwesens, danach studierte sie Medizin und promovierte als eine der ersten Frauen Italiens. Sie arbeitete mit Kindern mit Behinderungen, und als Direktorin eines Heilpädagogischen Zentrums entwickelte sie Lernmaterialien, mit denen die Kinder Fortschritte machten, die man zuvor nicht für möglich gehalten hatte. Auf vielen Reisen – durch Europa, Indien und Amerika – hielt sie Vorträge über ihre Pädagogik, aber auch über die Emanzipation der Frauen. Heute gibt es auf der ganzen Welt Schulen und Kindertagesstätten, die sich an Montessoris Ideen orientieren, alleine in Deutschland sind es mehr als tausend Einrichtungen.

Bibiana Steinhaus (*1979)

Bibiana Steinhaus ist Polizeihauptkommissarin, Abwehrspielerin in der niedersächsischen Polizeiauswahl und die erste Schiedsrichterin in der Geschichte der Männer-Bundesliga. Sie pfiff 80 Zweitliga-Partien, bei den Frauen-Weltmeisterschaften 2011 und 2015 sowie bei Olympia 2012. Bereits dreimal (2013, 2014 und 2017) wurde sie als Weltschiedsrichterin des Jahres ausgezeichnet. 2015/16 legte sie eine tadellose Saison in der zweiten Liga hin und stand auf Platz 1 der Rangliste der besten Schiedsrichter. Ein Jahr später stieg sie in die erste Liga auf und leitete zum ersten Mal ein Spiel in der ersten Liga – Hertha BSC gegen Werder Bremen. Sie setzt sich mit viel Gelassenheit in der Männerdomäne durch und betont immer wieder, dass sie nach ihrer Leistung beurteilt werden möchte und ihr Geschlecht dabei zweitrangig sein sollte. „Ich bin die ganze Frauen-/Männerdiskussion leid. Nur Leistung zählt“, sagte Steinhaus beim Neujahrsempfang des Niedersächsischen Fußballverbandes im Januar 2018. „Es war nie mein Ziel, in eine Männerdomäne reinzukommen; es war mein Ziel, Spiele zu leiten.“

Redaktionstipp:

Inspiration Circle Mit She’s Mercedes bietet Mercedes Benz Frauen eine Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten und Ideen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen. NetworkingVeranstaltungen, ein Magazin und eine Website sollen Frauen inspirieren, sie untereinander vernetzen und befähigen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Außergewöhnliche Frauen aus verschiedenen Bereichen und Branchen vermitteln persönliche Einblicke in Themen rund um das Geschäftsund Privatleben und geben Tipps, wie man beides erfolgreich in Einklang bringen kann. Unser Highlight: Der Kurzfilm Iconic You – eine Hommage an die Pionierinnen dieser Welt. Im Zeitraffer und mittels aufwändiger Schminktechniken zeigt der Film die Verwandlung einer jungen Frau in verschiedene Ikonen. www.mercedesbenz.com/de/mercedesme/inspiration/she

Stress lass nach

Diana Dreeßen hat fast zwanzig Jahre an der Frankfurter Börse gearbeitet, heute ist sie als Managementtrainerin und Autorin tätig. Sie unterstützt Menschen darin, ein Leben in Balance zu führen – sie zeigt, wie man loslässt, was nicht gut tut und endlich wieder dort ankommt, wo man zu Hause ist: bei sich selbst. In Ihrem Gastartikel erklärt sie, welche Wege zu einem selbst bestimmten Leben führen.

Es erfordert ein wenig Zeit, Geduld und Abenteuerlust, sich auf die Entdeckungsreise in die eigenen Innenwelten zu begeben. Doch es lohnt sich! In unseren Innenwelten sind sowohl unsere günstigen als auch unsere ungünstigen Programmierungen versteckt. Und letztere sind dafür verantwortlich, dass manche Menschen nicht abschalten können, sich in Themen regelrecht verbeißen und oftmals wie Don Quijote gegen die Windmühlen rennen. Das erzeugt Stress, viel Stress! In jungen Jahren haben viele keine Ahnung davon, welche Spätwirkungen ein gestresstes Leben auf Körper, Geist und Seele haben kann. Man fühlt sich stark und vital – was soll da schon schief gehen? Dass ein permanentes Lidzucken keine Normaleinstellung ab Werk ist, entgeht einem dabei leicht. Dass man nachts nicht durchschlafen kann, viel zu oft morgens wie gerädert aufwacht, obwohl keine Party der Grund dafür war, versucht man zu ignorieren. Höher, weiter, schneller ist die Devise. Dabei ist die Balance zwischen den verschiedenen Lebensbereichen der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Wie aber gelingt es, mit kleinen Änderungen, in die ausbalancierte Mitte zu kommen?
  • Malen Sie sich detailliert aus, wie Ihr idealer, ausbalancierter Arbeitsalltag aussieht und überlegen Sie, wie Sie möglichst viel davon in die Realität übertragen können.
  • Erinnern Sie sich daran, warum Sie sich für Ihren Beruf entschieden haben und was Sie mit Ihrer Arbeit in der Welt verändern möchten.
  • Eliminieren Sie stressbesetzte Wörter aus Ihrer Sprache.
  • Erinnern Sie sich jeden Tag daran, wofür Sie im Leben dankbar sind.
  • Geben Sie nach der Arbeit Ihrem kreativen Anteil Raum, damit neue Energien freigesetzt werden können. Ob das nun tanzen, malen, schreiben oder kochen ist – orientieren Sie sich an Ihren persönlichen Vorlieben.

Buchtipp

Cover Du musst nicht verreisenDiana Dreeßen: Du musst nicht verreisen, um bei dir anzukommen. dtv 2017. 14,90 Euro.
Wer langfristig sicherstellen möchte, ein relativ stressfreies Leben zu führen, muss einen tiefen Blick in die Innenwelten riskieren. So gilt es, Stress bringende Verhaltensmuster zu erkennen und diese zu vermeiden. Es gibt Aussagen, die für solche Muster typisch sind: „Irgendwie gelingt es mir immer wieder an den unfreundlichsten Professor zu gelangen.“ oder „ich bin einfach nicht gut genug“ oder „die Prüfungspanik stellt sich bei mir schon Tage vorher ein, und sie wird immer schlimmer“. Wer solche Muster entdeckt, sollte das eigene Selbstbewusstsein aufbauen. Dabei ist es hilfreich, sich mit den Bereichen des Lebens zu beschäftigen, für die man brennt und bei welchem einem das persönliche Talent in die Karten spielt. Ergänzend dazu baut sich mehr Selbstbewusstsein auf, wenn man mit Spaß und Freude seiner Arbeit nachgeht. Dies allein schon durch die in Leichtigkeit erreichten Erfolge. Gepaart mit Mut, gesundem Menschenverstand und dem Glauben an sich selbst ist der langfristige Erfolg vorprogrammiert.

Chapeau! Buch- Kultur- und Linktipps

NETZWERK SCHLÄGT HIERARCHIE

Mit dem Buch „Netzwerk schlägt Hierarchie“ bringen die Autorinnen Christiane Brandes-Visbeck und Ines Gensinger diese Entwicklung auf den Punkt. „So mancher Großkonzern zeigt, dass Hierarchien nicht unbedingt zu schnellen Entscheidungen führen müssen“, weiß Gensinger, bei Microsoft Deutschland Head of Business and Consumer Communications. Im Netzwerk spielt man zusammen, das stärkt das Team. Die Folge: „In so einer Umgebung müssen Chefs ihren Wert anders als über ihren Zugang zu Wissen definieren.“ Christiane Brandes-Visbeck, Ines Gensinger: Netzwerk schlägt Hierarchie. Neue Führung mit Digital Leadership. Redline 2017. 24,99 Euro. Auch als EBook erhältlich!

#MENTORHER

Foto: Fotolia/jozefmicic
Foto: Fotolia/jozefmicic

Wie wichtig Mentoren und Mentorinnen sind, gerade für Frauen, hat Sheryl Sandberg eindrücklich in ihrem Bestseller „Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg“ beschrieben. Nun hat sie festgestellt, dass Männer nach der Me-Too-Debatte davon Abstand nehmen, Frauen als Mentor zur Seite zu stehen: In einer Studie aus Januar/Februar 2018 unter US-Amerikanern gaben 16 Prozent der Männer an, sich als Mentor einer Frau unwohl zu fühlen. Mit #MentorHer will Sandberg nun Männer in Führungspositionen dazu bewegen, Frauen zu fördern und zu mentorieren. Sie fordert zum Bekenntnis auf: „I commit to #MentorHer“. https://leanin.org/mentorher

OLGA

Cover OlgaBernhard Schlink, Autor des Weltbestsellers „Der Vorleser“, erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte von Olga, einer starken, klugen Frau – und gleichzeitig ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte. „Bernhard Schlink hat uns mit Olga eine stolze wie gradlinige, mutige, selbstbewusste und aufrechte Frauengestalt geschenkt“, urteilte Deutschlandfunk Kultur. Bernhard Schlink: Olga. Diogenes 2018. 24 Euro. Auch als Hörbuch und EBook erhältlich!

STARKE FRAUEN

Cover FrauengeschichtenHubertus Meyer-Burckhardt, preisgekrönter Film- und TV-Produzent, Journalist, Manager in der Medienbranche, Schriftsteller und seit vielen Jahren Gastgeber der „NDR Talk Show“, hat viele Menschen interviewt. Und immer wieder Frauen, die ihn tief beeindruckt haben – unter anderem in seiner Radiosendung „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ auf NDR Info. Frauen, „die etwas ›vertragen‹, die das Leben abkönnen, die sich dem Leben stellen, die mutig sind und unvernünftig, die sich für ihre Lebenszeit verantwortlich fühlen und für nichts anderes.“ Zehn von Ihnen porträtiert er in seinem neuesten Buch „Frauengeschichten“, darunter Doris Dörrie, Ina Müller, Marianne Sägebrecht und Barbara Schöneberger. Hubertus Meyer-Burckhardt: Frauengeschichten. Gütersloher Verlagshaus 2017. 19,99 Euro Der Autor ist auf Lesereise. Alle Termine auf www.randomhouse.de.

MANIEREN, BITTE!

Cover Auf dem ParkettEnrico Brissa ist promovierter Jurist und weiß, was sich gehört: 2011 bis 2016 war er als Protokollchef im Bundespräsidialamt tätig, unter den Bundespräsidenten Wulff und Gauck. Seit 2016 leitet er das Protokoll beim Deutschen Bundestag. Nun hat er ein Buch veröffentlicht – ein Plädoyer für die schönen Künste der Höflichkeit. Er erklärt, wie man einen Toast ausbringt, wie man sich stilvoll entschuldigt oder wie man lernt, mit Komplimenten umzugehen. Ein unterhaltsames wie lehrreiches Kompendium des sozialen Miteinanders mit Illustrationen von Birgit Schössow. Enrico Brissa: Auf dem Parkett. Kleines Handbuch des weltläufigen Benehmens. Siedler 2018. 18 Euro

ERFOLGSFAKTOR FAMILIE

Zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es eine zentrale Plattform: „Erfolgsfaktor Familie“. Das Bundesfamilienministerium, die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft (BDA, DIHK, ZDH) und der DGB setzen sich mit diesem Unternehmensprogramm dafür ein, Familienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft zu machen. Denn von Vereinbarkeitsmaßnahmen profitieren nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Unternehmen: Bis zu 40 Prozent Rendite bringen entsprechende Investitionen für Unternehmen, unter anderem durch geringere Fehlzeiten und einen schnelleren Wiedereinstieg. Besonders hoch ist das Renditepotenzial, wenn Angebote auch Zielgruppen wie Väter und Pflegende erreichen. www.erfolgsfaktorfamilie.de

FÜR FAIRE BEZAHLUNG

Foto: Fotolia/Rawpixel.com
Foto: Fotolia/Rawpixel.com

Seit mittlerweile elf Jahren macht die Equal Pay Day-Kampagne auf den Einkommensunterschied zwischen Männer und Frauen aufmerksam: Um schneller ans Ziel zu gelangen, unterstützt das Fair Pay Innovation Lab (FPI) seit Sommer 2017 Unternehmen bei der praktischen Umsetzung von Lohngerechtigkeit. Außerdem beantwortet das FPI sämtliche Fragen rund um das gerechte Bezahlung: www.fpi-lab.org

Das letzte Wort hat: Hanna Zimmermann

Hanna Zimmermann ist seit März 2018 Moderatorin und Redakteurin der ZDF-Nachrichtensendung „heute+“. Sie präsentiert das Format im Wechsel mit Daniel Bröckerhoff, gemeinsam mit ihm ist sie auch Ansprechpartnerin in den sozialen Medien. Außerdem ist sie als Live-Reporterin bei den ZDF-Wahlsendungen im Einsatz. Hanna Zimmermann studierte in Dortmund Journalistik, Germanistik und Wirtschaftswissenschaften, parallel arbeitete sie beim ZDF, WDR und bei Phoenix. Nach dem Studium stieg sie beim ZDF ein, unter anderem war sie Chefin vom Dienst, hat von Parteitagen berichtet und stand für das ZDF-Börsenteam vor der Kamera. Das Gespräch führte Kerstin Neurohr.

Hanna Zimmermann, Foto: ZDF/Jana Kay
Hanna Zimmermann, Foto: ZDF/Jana Kay
Frau Zimmermann, kürzlich haben Sie zum ersten Mal heute+ moderiert. Haben Sie einen Tipp für unsere Leserinnen – wie gelingt der Einstieg in den neuen Job? Wer eher zu den Menschen gehört, die großen Respekt haben vor neuen Aufgaben und Herausforderungen, dem kann ich nur raten, sich vor Augen zu führen: Vieles kommt erst durch „learning by doing“, und man kann sich nicht perfekt auf alles vorbereiten. Sollte am Anfang mal etwas schief laufen, wird das meist verziehen und letztendlich lohnt es sich immer, über den eigenen Schatten zu springen. Nur so entwickelt man sich weiter. heute+ läuft gegen Mitternacht – wie sieht ihr Tagesrhythmus aus? Wie bleibt man so lange wach? In den Wochen, in denen ich moderiere, fängt mein Tag schon morgens mit einer Telefonkonferenz an. Da wird besprochen, welche Stücke geplant sind und welche Themen wir am Tag angehen sollten. Danach habe ich erstmal frei, lese mich aber schon ein bisschen ein und beobachte das weitere Nachrichtengeschehen. Um 16 Uhr geht’s dann richtig los: Im Laufe des Abends kommen die Stücke und ich schreibe die Moderationen. Manchmal ist die Sendung um kurz vor 0 Uhr, manchmal aber auch erst gegen 1 Uhr. Für mich funktioniert das bisher gut. Ich gehöre eher zu den Nachteulen, nicht zu den Frühaufstehern. Und im Zweifel gilt: Kaffee hilft! Stichwort Work-Life-Balance – was ist ihr Ausgleich zum Job, wie kommen Sie runter? Privat ist mir vor allem eines wichtig: Viel Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Das ist für mich das beste Mittel, um meine leeren Akkus wieder aufzuladen. Außerdem kommt mir sofort Kochen in den Sinn. Das entspannt mich total, das mache ich deshalb eigentlich auch jeden Tag. Und der schöne Nebeneffekt ist natürlich, dass es danach immer etwas Leckeres zu essen gibt. Welche Nachricht würden Sie gerne einmal verkünden? Dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner religiösen Überzeugung, seiner Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder was auch immer diskriminiert wird oder sogar Angst vor Verfolgung haben muss. Dass alle Menschen friedlich zusammenleben, egal auf welchem Fleck der Welt. Für heute+ sind Sie auch in Social Media aktiv. Wann waren Sie zuletzt einen Tag offline, bzw. was müsste passieren, damit Sie Handy und Tablet für einen Tag abschalten? Ich versuche – gerade im Urlaub – tatsächlich ganz bewusst das Handy aus zu lassen und im doppelten Sinne „abzuschalten“. Das gelingt mir allerdings leider viel zu selten, muss ich gestehen. Meistens gucke ich zumindest morgens und abends kurz mal in meine Mails, die Nachrichten-Apps oder bei Facebook rein. Ich glaube, das letzte Mal, dass ich tatsächlich mal einen ganzen Tag offline war, ist schon mehrere Monate her. Im November war ich im Urlaub und hatte einfach kein Netz – das war also mehr eine Zwangspause, als eine bewusste Entscheidung. www.zdf.de/nachrichten/heute-plus www.facebook.com/ZimmermannHa twitter.com/hazimmermann

Karriere erfordert Mut

Anita Freitag-Meyer ist Keksfabrikantin – die Hans Freitag Keks- und Waffelbäckerei gehört seit Generationen ihrer Familie. Sie machte im Unternehmen ihre Ausbildung, wurde mit nur 23 Jahren Geschäftsführerin und übernahm im Alter von 36 Jahren das Unternehmen komplett von ihrem Vater. Zurückblickend auf die Anfänge ihrer Karriere erinnert sie sich gut an die Unsicherheit, die sie damals oft begleitete. Heute weiß sie: Sicherheit kommt mit der Erfahrung, und jede Führungskraft muss erst lernen, sich authentisch in ihrer Rolle zurechtzufinden. In ihrem Gastartikel verrät sie, was ihr dabei geholfen hat – und gibt Tipps für ein erfülltes Leben in der Führungsetage.

Fokussiere dich auf ein klares Lebensziel! Ich hatte schon mit 16 Jahren auf einem Zettel notiert, dass ich meinen Mann heiraten, einen Sohn und eine Tochter bekommen und Chefin unserer Keksfabrik sein werde. Ich hatte also eine ganz klare Vision davon, was ich mir unter einem guten Leben vorstellte. Alles ist übrigens genauso eingetreten. Ich arbeite noch heute mit Visualisierung oder schreibe mir meine kurz- und mittelfristigen Ziele in ein Buch. Mein Handybildschirm zeigt mir gerade zum Beispiel mein Umsatz- und Gewinnziel 2018, quasi als tägliche Motivation! Umgib dich mit positiven Menschen! Niemandem ist damit geholfen, sich mit Bedenkenträgern, Zweiflern, Nörglern oder Besserwissern zu umgeben. Beflügelt, motiviert und inspiriert wird man nur von Optimisten, Unterstützern und aktiven Menschen, die selbst Macher sind.

Redaktionstipp

Anita Freitag-Meyer schreibt für Hans Freitag ein Keksblog und ist auf diversen Social-Media-Kanälen aktiv: www.keksblog.com Instagram: hansfreitag_kekse und anitafreitagmeyer www.facebook.com/KeksFreitag www.youtube.com/user/KeksFreitag
Geh die Extrameile! Auch wenn man hier und da liest, dass man Karriere nur genug „wollen“ muss, so ist mir dennoch keine bekannt, die quasi vom Himmel gefallen wäre. Leistungsbereitschaft, tief verinnerlichter Servicegedanke gegenüber Mitarbeitern und Kunden, egal in welcher Branche, und die Freude daran, immer sein Bestes zu geben ist unbedingt notwendig. Sonst ist es nur ein Job, aber keine Topkarriere. Vernetze dich auch mit Älteren! Bei Karriere geht es oft um das Verlassen der Komfortzone. Das bedeutet auch, sich aus seinem persönlichen Umfeld herauszubewegen und sich mit Menschen zu vernetzen, die nicht im eigenen Freundeskreis zu finden sind. Durch meine Netzwerke habe ich schon als Anfängerin viel von erfahreneren Frauen gelernt. Sich eine Mentorin zu suchen, kann dabei sehr hilfreich sein. Lies viel und alles! Für meine eigene Weiterentwicklung verbringe ich jede freie Minute mit Lesen. Angefangen mit branchenspezifischen News, über Management lehre, Frauen, Gesellschafts- oder Zukunftsthemen, Motivations- und Lebensratgeber, aber auch bunte Blätter über die schönen Dinge des Lebens. Überall kann Inspiration herkommen, die sich in neue Impulse für das Business umsetzen lässt.

karriereführer ingenieure 1.2018 – Connect & Collaborate

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Connect & Collaborate: Zusammenarbeit in der digitalen Zukunft

Alles verbindet sich, alles arbeitet zusammen: Die Transformation digitaler Technik auf die Industrie verändert die Arbeit der Ingenieure. Megacities in China haben Bedarf an deutschen Lösungen, junge Start-ups leisten technische Pionierarbeit in der Sensorik. Es entsteht das Berufsbild des „Ingenieurs 4.0“: interdisziplinär, interkulturell – und dabei weiterhin professionell und qualitätsbewusst.

Connect & Collaborate

Alles verbindet sich, alles arbeitet zusammen: Die Transformation digitaler Technik auf die Industrie verändert die Arbeit der Ingenieure. Megacities in China haben Bedarf an deutschen Lösungen, junge Start-ups leisten technische Pionierarbeit in der Sensorik. Es entsteht das Berufsbild des „Ingenieurs 4.0“: interdisziplinär, interkulturell – und dabei weiterhin professionell und qualitätsbewusst. Von André Boße

Acht Millionen Einwohner, rasantes Wachstum: Nanjing, die ehemalige Hauptstadt der Republik China, nach Shanghai die zweitgrößte Stadt im Osten des Landes, ist das Paradebeispiel einer Megacity. Zu den großen Herausforderungen der Metropole gehört es, den Verkehr in den Griff zu bekommen – ihn smart zu machen. Dabei helfen Unmengen an Daten, die über verschiedene Sensoren sowie mithilfe der Smartphones der Einwohner in die Leitzentrale fließen. Dort sitzen dann die Ingenieure, Planer und IT-Experten, sammeln und bewerten die Informationen und leiten unterstützende Maßnahmen ein, damit der Verkehr fließt und kein Smog entstehen kann. China ist eine große Exportnation, doch im Fall Nanjing setzt das Land auf den Import von Know-how und Software aus Deutschland: Analysiert, aufbereitet und nutzbar gemacht werden die Daten durch Software von SAP. Das Beispiel zeigt, wie die neue Ökonomie rund um technische Innovationen wie dem „Internet der Dinge“, dem „Internet of Things“ (IoT), tickt: absolut international. Erschlossen werden nicht nur großflächige Märkte, stattdessen sind die Unternehmen und ihre technischen Experten verstärkt überall dort tätig, wo sich Projekte zielgerichtet und schnell realisieren lassen. Und das funktioniert besonders gut in den großen Städten: Der Leidensdruck, hier etwas tun zu müssen, ist in den Megacities besonders groß.

„Digital Leader“:

Investitionen ins Personal Im Rahmen einer „Digital Transformation“-Studie hat SAP vier Merkmale definiert, die digitale Vorreiter gemeinsam haben und sie von anderen Unternehmen unterscheiden. So betrachten die „Digital Leaders“ die digitale Transformation als „zentrales Unternehmensziel“ und richten ihr Augenmerk zunächst auf „kundennahe Funktionen“. Zu erwarten ist, dass diese Unternehmen verstärkt auf die Technik der Zukunft wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen setzen. Viertes Merkmal: Die „Digital Leaders“ investieren mehr in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter und sind selbstbewusster als andere Unternehmen, Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden.
Das gilt auch für die argentinische Hauptstadt Buenos Aires, wo SAP mit seiner IoTund Big-Data-Technik dabei hilft, die Gefahr drohender Überschwemmungen schneller zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. „In einer Smart City ist es dank des Internet of Things möglich, den Energieverbrauch zu senken – und die Straßen nachts zur Sicherheit der Bewohner trotzdem zu beleuchten“, beschreibt Dr. Tanja Rückert, bei SAP President IoT & Digital Supply Chain. Ein Beispiel aus einem anderen Kundenbereich sei die italienische Eisenbahngesellschaft Trenitalia, die Sensoren an ihren Zügen angebracht hat, um diese zu überwachen, Pannen vorzubeugen und somit die Kundenzufriedenheit zu steigern – auch hier helfen IoT-Lösungen des deutschen Softwareherstellers.

Gefragt: interkulturelle Kompetenzen

Bei diesen Lösungen geht es darum, verschiedene Techniken zu einem System zu integrieren. „Integrated Industry – Connect & Collaborate“ lautet daher auch das Leitthema der Hannover Messe, vom 23. bis 27. April. Im Fokus steht die Aufgabe, Automatisierungs- und Energietechnik sowie IT-Plattformen und künstliche Intelligenz so zusammenzubringen, dass diese Integration zum Treiber für die digitale Transformation werden kann. Nur, wenn sich diese Innovationen verbinden lassen, entwickelt die Industrie 4.0 ihre ganze Kraft: „Connect & Collaborate“ – das ist die Herausforderung, vor der aktuell Ingenieure stehen. Und zwar erstens in technischer Hinsicht, indem sie nach Lösungen suchen, wie sich die Bereiche verbinden lassen. Aber zweitens auch mit Blick auf das persönliche Arbeitsumfeld, denn es zeigt sich längst, dass diese Anforderungen nur dann zu erfüllen sind, wenn Ingenieure und IT-Experten ihr Know-how zusammen einbringen. Entsprechend wichtig sind interkulturelle Kompetenzen – mit Blick auf die Kooperation verschiedener Disziplinen, aber auch auf den globalen Markt, in dem Verkehrskonzepte in China oder Sensorik-Projekte in Argentinien keine Exoten sind, sondern internationaler Alltag.
Foto: Fotolia/CJ Nattanai
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Die Veranstalter der Hannover Messe kündigen daher in einer Veröffentlichung zum Thema „Industrie 4.0“ an, dass sich die Veränderung von Produkten, Prozessen und Services durch die Nutzung digitaler Technologien in zwei Strängen vollzieht: „Einerseits werden Automationssowie Maschinenbauprodukte digital angereichert, klassische Services erfahren Ergänzungen durch digitale Technologien.“ Die digitale Fabrik, so heißt es in dem Themenpaper, stelle den zweiten Strang in den Vordergrund: Hier werden Digitalisierungstechnologien im industriellen Geschäft genutzt, indem Konzepte, die sich zum Beispiel im Consumer-Bereich bewährt haben, an die Bedürfnisse der Industrie angepasst werden. „Schon seit vielen Jahren werden Digitalisierungstechnologien zur Unterstützung der internen Unternehmensprozesse eingesetzt“, erläutert Rainer Glatz, Geschäftsführer der Fachverbände Elektrische Automation sowie Software und Digitalisierung beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Bislang allerdings würde die dafür notwendige IT oft als Kostenverursacher angesehen. „Neu ist, dass Digitalisierung als Enabler für neue Geschäftsmodelle und für zusätzlichen Umsatz gesehen wird.“ Um dieses Potenzial zu erschließen, müssten die Unternehmen jedoch „umdenken und sich verändern“, so der VDMA-Experte: Große Technikunternehmen mutierten in Teilen zu Softwareunternehmen, Maschinenbauer zu Anbietern digitaler Services und Plattformen. Dadurch werden die Geschäfte noch agiler und internationaler. Und die Karrieren auch.

Pionierarbeit durch Technik-Start-ups

Doch nicht nur Technikkonzerne erfinden sich neu. Wie bereits im IT-Bereich entwickelt sich auch im Arbeitsmarkt für Ingenieure eine Start-up- Kultur. Zum einen finden sich hier Ausgründungen größerer technischer Unternehmen, die ihr Digitalgeschäft ausgliedern: Laut VDMA-Studie planen derzeit 20 Prozent der Maschinenbauunternehmen einen solchen Schritt, so dass in naher Zukunft viele neue Firmen entstehen werden, in denen sich für Ingenieure Start-up- und Konzern-Kultur kombinieren lassen. Zum anderen etablieren sich am Markt junge Unternehmen, die mit ungewöhnlichen Denkweisen und Pionierarbeiten die Dynamik der Transformation erhöhen. Ein Beispiel für einen solchen jungen Player ist das Münchener Unternehmen Toposens, das nach eigenen Angaben den weltweit ersten 3-D-Ultraschallsensor entwickelt hat: „Der Sensor kann, ähnlich wie eine Fledermaus, Objekte und Personen mittels Echoortung wahrnehmen“, erklärt Barbara Brauner, verantwortlich für das Business Development. Robust, effizient und kostengünstig sei die Technik – und darauf komme es an: „Eine große Anzahl an Maschinen und Prozessen soll intelligent ihre Umgebung wahrnehmen – und das häufig unter schwierigen Umgebungsbedingungen“, erläutert Barabara Brauner die Anforderung.

IoT-Campus in Berlin:

Bosch goes Start-up Der Bosch-Campus in Berlin-Tempelhof ist ein gutes Beispiel für den Trend, als Konzern die Dynamik der Start-up-Kultur anzuzapfen. In dem Campus arbeiten mehr als 250 Menschen an Projekten rund um das Thema „Internet of Things“ und digitale Transformation. „Der IoT-Campus ist mehr als ein normales Büro“, heißt es in einer Presseinformation des Technikkonzerns. Er vereine das gesamte IoT-Ökosystem an einem Ort, so dass dort eine konzernübergreifende und internationale Community entstehe. Neben externen Kunden und Partnern, die den Campus für die Arbeit an Projekten nutzen, sind in Berlin-Tempelhof auch verschiedene Bosch-Bereiche ansässig.
Behaupten muss sich das Start-up in einer Industrie, in der die Lösungen bislang vielfach von etablierten Herstellern entwickelt wurden. „Als junges Start-up müssen wir uns dieser Herausforderung stellen. Unsere Kunden schätzen den hohen Innovationswert unserer Technik, wir müssen aber auch die Zuverlässigkeit des Produkts und unseres gesamten Unternehmens gewährleisten, um sie zu überzeugen. Daher ist uns ein professionelles Auftreten wichtig.“ Anders gesagt: Mit der Hipster-Coolness, wie man sie in einigen Bereichen der Start-up-Kultur findet, würde das junge Team von Toposens nicht weit kommen – zum Beispiel, wenn Kundenbesuche bei Unternehmen aus den Bereichen Anlagen- oder Maschinenbau anstehen. „Hinzu kommt, dass wir uns häufig in Anwendungsbereichen bewegen, die hohe Qualitätsansprüche stellen und besondere Zertifizierungsanforderungen vorsehen“, sagt Barbara Brauner. „Um diese Prozesse erfolgreich zu meistern, müssen wir neben den technischen Aspekten auch verschiedene regulatorische und organisatorische Themen im Blick behalten.“ Die notwendige Agilität des technischen Start-ups zeigt sich beim Vertriebsmodel des Unternehmens, das sich 2014 gründete, nachdem der Mechatroniker Alexander Rudoy vergeblich nach einer Sensortechnik gesucht hatte, um einen Roboterfisch unfallfrei durch ein Aquarium schwimmen zu lassen. Die Firma ist kein klassischer Zulieferer mit starrem Kundenportfolio. „Wir entwickeln eine Grundlagentechnologie, die wir immer neu auf bestimmte Märkte und Anwendungsfälle anpassen müssen“, sagt Barbara Brauner. „Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Experten im Unternehmen extrem wichtig.“ Mechatronik, Robotik, Maschinenbau – all dies wird, zusammen mit IT- und BWL-Knowhow, jederzeit zusammengedacht. Das macht die Ingenieurkarrieren von heute so anspruchsvoll. Und so spannend. Eine Methode, dieses disziplinenübergreifende Denken zu vermitteln, ist gerade besonders angesagt: Gamification ist mehr als ein Buzzword, sondern gehört gerade auch in Konzernen zum gelebten Alltag. Hier zielt das Konzept darauf ab, die verschiedenen Bereiche des Unternehmens auch für Mitarbeiter aus ganz anderen Abteilungen greifund erlebbar zu machen – und zwar auf spielerische Art. „Mit unserem Ansatz wollen wir eine Verknüpfung zum Konzern und der täglichen Arbeit schaffen“, sagt Rainer Schiller, der beim Bayer-Konzern im Bereich Learning & Training für die Trainings im Bereich Gamification verantwortlich ist. „Gleichzeitig setzen wir Anreize, sich in motivierender Lernumgebung mit den Inhalten zu beschäftigen und schnell Lernfortschritte zu erreichen.“ Als Spieler erarbeitet man sich Punkte, je mehr man über die Arbeit und die Aufgaben anderer Bereiche weiß. Zur Zielgruppe zählen insbesondere die Ingenieure und Techniker des Konzerns, die auf diese Art spielerisch etwas über die Abläufe in Abteilungen wie Controlling oder Finances lernen. Auch ein Compliance-Game gibt es: Es besteht aus realen Filmsequenzen mit typischen Compliance-Dilemmata, in dem Teamplayer des Unternehmens aus mehr als 20 Ländern agieren. In den verschiedenen Szenarien werden authentische Situationen durchgespielt. Wer in Konfliktsituationen richtige Lösungen findet, wird mit Sternen belohnt – und schadet dabei seiner Karriere sicherlich nicht.

Open Codes

Unsere globalisierte Welt wird von digitalen Codes kontrolliert und erzeugt. Mathematik und Elektronik haben eine neue, auf Computerprogrammen basierende Welt hervorgebracht, die von Ingenieuren, Physikern und Informatikern gestaltet werden will. Die Ausstellung „Open Codes. Leben in digitalen Welten“ im ZKM Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe zeigt künstlerische und wissenschaftliche Arbeiten rund um den Code. Die Ausstellung, die noch bis zum 5. August 2018 läuft, ist eine Mischung aus Labor und Lounge, in der die Besucher neue, ungewöhnliche Formate von Bildung und Lernen erproben sollen. Programmieren, Lernen mit Bots und anderen neuen Technologien sollen für alle zugänglich gestaltet werden – damit sie die heutige digitale Welt besser verstehen. Weitere Infos: https://open-codes.zkm.de

Die digitalen Städter

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Im Juni 2017 fiel die Entscheidung: Darmstadt gewinnt den Wettbewerb „Digitale Stadt“, ausgeschrieben vom Digitalverband Bitkom. Nun soll in einem Pilotprojekt am Beispiel Darmstadt gezeigt werden, wie eine digitale Stadt der Zukunft aussehen kann. Simone Schlosser und David da Torre sind Geschäftsführer der Projekt-GmbH und erklären im Interview, warum digitale Städte die Lebensqualität erhöhen und welche Ansprüche sie an Ingenieure stellen. Das Interview führte André Boße.

Zu den Personen

Zusammen mit Joachim Fröhlich sind Simone Schlosser und David da Torre Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt GmbH. Die Gesellschaft koordiniert die Prozesse der Kommune auf dem Weg zur Modellstadt einer Smart City. Der IT-Experte David da Torre ist zudem einer der Geschäftsführer des Energie-Mess- und Abrechnungsdienstleisters Count + Care.
Was zeichnet eine digitale Stadt in Ihren Augen eigentlich aus? Simone Schlosser: Es geht dabei nicht ausschließlich um technische Weiterentwicklungen. Klar, digitale Innovationen und die Vernetzung sind die Grundvoraussetzungen. Wichtig ist aber vor allem, eine Art Ökosystem zu erschaffen, sprich: Die Menschen mit einzubeziehen und auch immer ethische Fragen im Fokus zu halten. So gibt es zum Beispiel bei uns einen Ethikrat, der sich intensiv mit den Folgen der technischen Entwicklungen beschäftigt. Denn es soll eben nicht darum gehen, technische Innovationen durchzusetzen, ohne dabei nach links und rechts zu schauen. Das Ziel ist es, durch digitale Ideen die Lebensqualität in dieser Stadt zu erhöhen. Wie genau soll das gelingen? Schlosser: Zum einen, indem die Stadt nachhaltiger und ökologischer wird und Ressourcen schont, so dass zum Beispiel die Belastung mit Emissionen geringer wird. Zum zweiten, indem wir Angebote entwickeln, die das Leben der Menschen in der Stadt konkret einfacher machen. Dazu zählen zum Beispiel digitale Plattformen in der Verwaltung, die dafür sorgen, dass man weniger häufig zum Amt muss, aber auch Smart-Traffic-Portale, die verschiedene Arten der Mobilität zusammenbringen. Warum finden sich in Darmstadt besonders gute Voraussetzungen, um die Vision einer digitalen Stadt zu verwirklichen? Schlosser: Darmstadt ist seit 1997 Wissenschaftsstadt, die Stadt verfügt über die Technische Universität, zwei Fachhochschulen sowie zahlreiche öffentliche und private Forschungseinrichtungen, darunter die Fraunhofer Institute. Hinzu kommt eine große Bandbreite an Unternehmen, vom Konzern bis zu vielen Start-ups. Unsere Stärke im Bereich der Digitalisierung zeigt sich daran, dass die Stadt Teil des IT-Clusters Rhein-Main-Neckar ist, man spricht hier ja sogar vom „Silicon Valley Europas“. Und auch unsere geografische Lage ist gut, wir sind nah an Frankfurt, der Weg zum Flughafen ist nicht weit, und Darmstadt hat noch Wachstumspotenzial.
Die vernetzte Technik wird zum Standard, weshalb für Ingenieure der Umgang mit Daten und Software immer wichtiger wird.
Welche technischen Entwicklungen sind Teil der Digitalen Stadt Darmstadt? David da Torre: Ein wichtiger Bereich, der besonders auch für Ingenieure interessant ist, wird die Sensorik sein. Hier gibt es viele gute Ansätze, mithilfe der Technik wirklich Verbesserungen zu erzielen. Ein Thema ist zum Beispiel Smart Parking: Die Sensoren ermöglichen es, dass Parkplätze reserviert und auch digital bezahlt werden können. Spannend ist auch der Aspekt Smart Lightning, hier geht es nicht nur um besonders effiziente LED-Lampen, sondern auch um intelligente Systeme. Angenommen, Sie wollen zu Fuß eine schwer einsehbare Straße überqueren, dann wird es technisch möglich sein, Sie mit Hilfe von Sensor- und Radartechnik vor Gefahrensituationen wie schnell fahrenden Autos zu warnen. Beim Thema Smart Traffic geht es nicht nur darum, den Menschen Routen vorzuschlagen, wie sie sich am besten in der Stadt fortbewegen. Auch Daten zur Belastung mit Schadstoffen sind wichtig. Schlosser: Die Hügelstraße in Darmstadt zählt bundesweit zu den Straßen mit der höchsten Stickoxid-Konzentration, was zeigt, dass es absolut sinnvoll ist, darüber nachzudenken, wie es gelingen kann, die Umweltbelastung zu verringern. In der digitalen Stadt geht es auch darum, die Infrastruktur zu digitalisieren. Wie verändert sich dadurch der Anspruch an Ingenieure? da Torre: Die vernetzte Technik wird zum Standard, weshalb für Ingenieure der Umgang mit Daten und Software immer wichtiger wird. Ich glaube, man kann heute als Ingenieur nicht mehr losgelöst von allem sagen: Ich betrachte nur die Laterne, nur das Gebäude, nur die Straße. Denn in dieser modernen Infrastruktur wird immer mehr Sensorik stecken. Sie wird damit zum Teil der digitalen Stadt, so dass der Ingenieur diese IT-Dimension unbedingt mitdenken muss. Auf der anderen Seite benötigt die IT aber auch die Ingenieure. da Torre: Genau. Die IT liefert im Idealfall die Idee, welche Daten interessant sind und was mit ihnen geschehen soll. Wir brauchen dann aber Ingenieure, die diese Sensoren entwickeln und in die Infrastruktur einbauen. Wobei diese Technik robust und für den dauerhaften Einsatz in einer Stadt erprobt sein muss. Klar, man kann sich solche Sensoren recht billig aus China kaufen, das mag erst einmal nach einer kostengünstigen Variante klingen. Aber die Belastung der Technik in einer Stadt ist groß, daher kommt es auf eine zuverlässige Technik an. Hier sind wiederum Ingenieure gefragt, die beurteilen, welche Technik sich eignet – und welche eher nicht.
Ziel ist es, durch digitale Ideen die Lebensqualität in dieser Stadt zu erhöhen.
Angenommen, die digitale Sensorik legt eine Straßensperrung nahe, weil sonst Grenzwerte überschritten werden. In diesem Moment nehmen Autofahrer und Anlieger diese Innovation eher als negativ wahr … da Torre: Kurzfristig, ja. Daher spielt in diesem gesamten Prozess die Kommunikation eine große Rolle. Es ist eben nicht nur eine technische Abwicklung, sondern wirklich ein Projekt, dass die gesamte Stadtgesellschaft mit einbezieht: die Bürger, aber auch die Medien, die Unternehmen und die wissenschaftlichen Einrichtungen. Daher gehört es auch für die technisch Verantwortlichen zu ihrem Aufgabenbereich, Menschen zu vernetzen und sie kommunikativ von dem Prozess zu begeistern. Dadurch werden diese Prozesse immer komplexer. Empfinden Sie das manchmal als Belastung? Schlosser: Es ist eine große Herausforderung, ja. Aber der Prozess besitzt auch eine große Eigendynamik, was ich als positiv empfinde. da Torre: Ich mag die Vielseitigkeit des Prozesses, es gibt sehr viele Bereiche, in die man sich einklinken kann. Aber natürlich spüren wir auch den Druck, der auf diesem Modellprojekt liegt. Es gibt einige, die glauben tatsächlich, Smart Traffic bedeute: „Grüne Welle für alle, endlich kein Stau mehr in Darmstadt“. Das wird auch die Digitale Stadt nicht hinbekommen, wir können den Verkehr zwar bis zu einem gewissen Punkt optimieren – aber die Frage, ob ich als Einzelperson alleine mit meinem Auto zum Arbeiten oder Einkaufen in die Stadt fahre oder nicht, die muss immer noch jeder Mensch selbst beantworten. Schlosser: Wobei wir den Bürgern zum Beispiel durch die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs sinnvolle Alternativen zum eigenen Auto ans Herz legen können. Erkennen Sie schon jetzt, dass im Zuge der digitalen Stadt neue Jobprofile entstehen werden? da Torre: Schon heute haben viele Städte einen CDO eingestellt, also einen Chief Digital Officer. Es geht vor allem darum, in allen technischen Fragen noch mehr Verständnis für Sensorik und Daten zu gewinnen, bis hinein in die Methodik, wie man aus Daten einen wissenschaftlichen Mehrwert generieren kann. Absehbar ist auch, dass Themen wie künstliche Intelligenz und – gerade mit Blick auf das Ingenieurwesen – der 3-D-Druck an Bedeutung gewinnen werden.    

Wettbewerb Digitalstadt

Der Digitalverband Bitkom startete 2016 den Wettbewerb, teilnehmen konnten mittelgroße Städte, Darmstadt setzte sich schließlich durch. Seit Anfang 2018 werden Bereiche wie der Verkehrssektor, die Energieversorgung, Schulen und das Gesundheitswesen mit neuesten digitalen Technologien ausgerüstet. Zudem sollen die öffentliche Verwaltung innovative Online- Anwendungen und der Handel intelligente Lieferdienste anbieten. Auch die Telekommunikationsnetze sollen ausgebaut und verbessert werden. www.digitalstadt-darmstadt.de