Startfrauen in führungspositionenDie Vorstandsfrau: Kathrin Menges im Interview

Die Vorstandsfrau: Kathrin Menges im Interview

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Eigentlich wollte Kathrin Menges Lehrerin werden. Dann wechselte sie in die freie Wirtschaft, heute sitzt sie im Vorstand des Düsseldorfer Henkel-Konzerns. Als erste und einzige Frau. Noch – denn die 53-Jährige hofft, dass ihr Karriereweg für andere Frauen eine Vorbildfunktion hat. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Kathrin Menges, geboren 1964 in Pritzwalk in Brandenburg, schloss ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam 1988 als Diplom-Lehrerin ab. Bis 1990 war sie als Lehrerin tätig, dann wechselte sie ins Personalwesen der Bankgesellschaft Berlin. 1999 ging sie zum Henkel-Konzern, zunächst als Leitung Personal der Konzerntochter Schwarzkopf Professional. Seit 2005 ist sie in der Zentrale in Düsseldorf tätig, zunächst als Leiterin diverser Personalbereiche. Im Oktober 2011 wurde sie in den Vorstand berufen, wo sie heute für die Unternehmensbereiche Personal sowie Infrastruktur-Services zuständig ist.

Frau Menges, 2011 wurden Sie in den Vorstand von Henkel berufen, als erste Frau in der mehr als 140 Jahre langen Unternehmensgeschichte. Können Sie sich noch an die ersten Arbeitstage in dieser Position erinnern?

Ich habe ja bereits vor meiner Berufung in den Vorstand die Gesamtverantwortung für den Personalbereich getragen und mich dabei regelmäßig und intensiv mit den Kollegen aus dem Vorstand ausgetauscht. Mit der Arbeit im Vorstand kommen dann natürlich neue Aufgaben und eine zunehmende Verantwortung hinzu. Diese habe ich gerne angenommen. Den Start habe ich persönlich als herausfordernd, aber gelungen und sehr angenehm in Erinnerung. Meine Vorstandskollegen und ich pflegen einen sehr offenen und vertrauensvollen Umgang und verstehen uns als ein Team.

Haben Sie sich damals selbst als Pionierin betrachtet? Vielleicht sogar als Vorbild für andere ambitionierte Frauen?

Ich würde nicht so weit gehen, mich als Pionierin zu bezeichnen. Dennoch glaube ich, dass Frauen in Top-Führungspositionen eine wichtige Signalwirkung ausüben. Wir brauchen solche „Role Models“, wir müssen erfolgreiche Frauenkarrieren noch sichtbarer machen. Und natürlich werde ich hin und wieder von jüngeren Frauen nach meiner Karriere gefragt. Ich teile meine persönlichen Erfahrungen sehr gerne und hoffe, dass mein Karriereweg für die ein oder andere auch Ansporn ist, sich von vermeintlichen Grenzen nicht einschränken zu lassen.

Karriere ist nichts, was durch Zufall passiert. Sie muss gestaltet werden.

Es ist weiterhin viel von „gläsernen Decken“ die Rede, die nicht verschwinden wollen. Sind Sie selbst auf Ihrem Weg nach oben an welche gestoßen?

Ich muss sagen, dass ich in meinem Berufsleben keine gläserne Decke gespürt habe. Im Gegenteil. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass mich Leistung und Engagement weiterbringen – aber auch die Fähigkeit, sich beherzt Neuem zu stellen. Denn eines ist klar: Karriere ist nichts, was durch Zufall passiert. Sie muss gestaltet werden. Der Schlüssel dafür liegt bei einem selbst.

Wenn Sie auf die Karrieren von Frauen in großen Konzernen blicken, was hat sich in den vergangenen sieben Jahren geändert, welche Strukturen konnten aufgebrochen werden?

Das Thema der Förderung von Frauen in Führungspositionen ist in der Gesellschaft und der Wirtschaft angekommen. Unternehmen können es sich heute gar nicht mehr leisten, auf das hohe Potenzial von qualifizierten Frauen zu verzichten – und haben dementsprechend die Möglichkeiten verbessert. Das betrifft vor allem eine systematische langfristige Karriereplanung für Frauen, aber auch verbesserte Rahmenbedingungen, zum Beispiel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder, da ist Henkel sicherlich keine Ausnahme.

Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel mit einer Abkehr von tradierten Rollenbildern.

Wie erleben Sie in Ihrer Position als Personalchefin ambitionierte Frauen der heutigen Generationen?

Ich erlebe die nachwachsende Generation an Führungskräften als ambitioniert, selbstbewusst und sehr werteorientiert – und das erst einmal unabhängig vom Geschlecht. Und ich glaube, viele junge Frauen stellen sich die Frage „Karriere oder Familie“ heute gar nicht mehr so. Für sie ist es nämlich eine Selbstverständlichkeit, dass beides miteinander vereinbar ist. Und das sollte es auch sein! Bietet der Arbeitgeber dafür nicht das richtige Umfeld, orientieren sie sich um. Darauf müssen Unternehmen sich einstellen. In den Unternehmen sind viele Maßnahmen eingeleitet worden, um diese Selbstverständlichkeit der Vereinbarkeit von Karriere und Familie zu gewährleisten.

Welche dieser Maßnahmen funktionieren bereits – welche sind noch ausbaufähig?

Zunächst einmal hat sich schon sehr viel getan – in der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft im Ganzen. Doch wir können noch besser werden. Wir brauchen noch mehr und bessere frühkindliche Betreuung, Ganztagsschulen und nicht zuletzt einen gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel mit einer Abkehr von tradierten Rollenbildern und der typisch deutschen Präsenzkultur. Bei uns im Unternehmen gibt es zum Beispiel Betriebskindergärten oder Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen. Und vor allem flexible Arbeitsmodelle und eine Kultur, in der die Leistung und das Ergebnis zählen und nicht die physische Anwesenheit im Büro.

Der Begriff „Arbeitswelt 4.0“ beschreibt den Wandel der Arbeit durch die digitale Transformation. Glauben Sie, dass diese Veränderungen für Frauen bessere Chancen bedeuten?

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Die digitale Transformation wird die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten, verändern. Netzwerke, projektorientiertes, virtuelles Arbeiten, neue Arbeitsplatzkonzepte und zunehmende Flexibilisierung von Strukturen – das sind nur einige Stichworte. Daraus ergeben sich auch neue Chancen für Mitarbeiter, die diese Veränderungen als Chance begreifen und ergreifen – und denen es gelingt, den Wandel aktiv mitzugestalten. Und damit meine ich nicht nur die sogenannten „Digital Natives“. Denn wir brauchen eine gute Mischung der Altersstrukturen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. Doch ob sich daraus in direkter Konsequenz die Chancen für Frauen verbessern – soweit würde ich an der Stelle nicht gehen. Das ist für mich geschlechtsunabhängig.

Ganz persönlich: Welche Entscheidung in Ihrer Karriere hat sich rückblickend als genau richtig erwiesen – auch wenn Sie aus heutiger Sicht ungewöhnlich erscheint?

Das war sicherlich mein Wechsel von der Arbeit als Lehrerin in die freie Wirtschaft, in einen für mich völlig neuen Bereich.

Sie haben Ihre berufliche Laufbahn Ende der 80er-Jahre als Lehrerin begonnen.

Genau, und dieser Wechsel hat mich sehr geprägt. Die Offenheit versuche ich mir bis heute zu bewahren.

Zum Unternehmen

Henkel wurde 1876 gegründet, heute beschäftigt der Konzern weltweit mehr als 53.000 Mitarbeiter, fast 85 Prozent arbeiten außerhalb von Deutschland. Das Unternehmen ist in drei Bereichen tätig: Adhesive Technologies (Klebstoff- Technologien) bietet Klebstoffe, Dichtstoffe und Funktionsbeschichtungen. Beauty Care steht für Markenartikel in den Bereichen Haarcolorationen, Haarstyling und Körperpflege. Laundry & Home Care umfasst neben Universal- und Spezialwaschmitteln auch Weichspüler, Waschkraftverstärker und Wäschepflegemittel.

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