Legal Tech-Vernetzer Jörg Offenhausen im Interview

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Zu wenig unternehmerisches Denken, zu viel Angst vor neuer Technik, zu starre Strukturen: Jörg Offenhausen findet klare Worte, wenn es darum geht, zu erklären, warum sich der Rechtsmarkt mit technischen Innovationen schwertut. Als Geschäftsführer des German Legal Tech Hubs arbeitet er daran, das zu ändern – indem er Anwälte und Anwältinnen mit Start-ups verbindet, nach dem Motto: Problem sucht Lösung. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Jörg Offenhausen ist Geschäftsführer des German Legal Tech Hubs. Als Rechtsanwalt ist er Managing Partner der Wirtschaftskanzlei activelaw und dort auch als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht tätig. Aus seiner Arbeit kennt Jörg Offenhausen die Innovationshemmnisse von Mittelstand, Konzernen und Kanzleien aus erster Hand. Er gründete eigene erfolgreiche Legal Start-ups und trat im Vorstand der Anwaltskammer Celle für die digitale Transformation der juristischen Arbeit ein.
Herr Offenhausen, Sie haben in einem Interview gesagt, dass es Anwälten und Anwältinnen, die mit Legal Tech nichts am Hut haben wollen, wie Videotheken ergehen wird – sprich: Die werden irgendwann verschwinden. Ja, so hart muss man es formulieren. Was machen Anwälte zum großen Teil? Sie reproduzieren immer wieder ähnliche Dinge. Und alle Dinge, die ähnlich und reproduzierbar sind – die sind anfällig für Automatisierungen. Es gibt in den Kanzleien bestimmte Bereiche, da wird es in der nächsten Zeit keine bahnbrechenden technischen Entwicklungen geben, zum Beispiel in der individuellen Rechtsberatung. Dennoch müssen sich Kanzleien jetzt mit der Automatisierung beschäftigen. Wobei ich davon ausgehe, dass viele Anwälte sehr genau wissen, dass einige Geschäftsmodelle nicht länger aufgehen werden. Welche zum Beispiel? Wenn ein Mandant anruft und sagt, er möchte gerne einen Arbeitsvertrag haben – dann füllt der Anwalt den Arbeitsvertrag aus und erstellt eine Rechnung von 500 Euro. Ich denke, insgeheim weiß man, dass es so nicht weitergehen wird, weil die Technik die Erstellung solcher Verträge wesentlich effektiver gestalten wird. Wenn man als Kanzlei da nicht mitgeht, diese Effektivität also nicht anbietet, dann wird der Markt das nicht mehr annehmen. Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz im Bereich Legal Tech? Noch hat die KI ein Grundproblem – und zwar die KI-Halluzination: Wenn die KI etwas nicht weiß, dann denkt sie sich etwas aus. Wobei das Ausgedachte so gut klingt, dass man glauben könnte, es sei richtig. Ist es aber nicht. Es kommen falsche Ergebnisse heraus, und wir als Anwälte haften für falsche Ergebnisse. Das ist natürlich eine Gefahr. Ich denke daher, dass die Diskussion über KI in Kanzleien noch weit in die Zukunft führt. In zehn, 20 Jahren werden wir anders darüber reden. Mich interessieren jedoch die technischen Entwicklungen mehr, mit denen man heute etwas machen kann. Für die es bereits Anwendungsfälle gibt. Und das ist primär bei der Verbesserung des Workflows der Fall. Wenn es um Arbeiten geht, die alle nerven, die aber trotzdem erledigt werden müssen.
Mich interessieren die technischen Entwicklungen mehr, mit denen man heute etwas machen kann. Für die es bereits Anwendungsfälle gibt.
Von welchem konkreten Anwendungsfall können Sie in naher Zukunft profitieren? Ich komme aus dem Arbeits-, Handels- und Gesellschaftsrecht. Wenn ich mich mit Mandanten treffe, dann unterhalten wir uns für rund zwei Stunden. Danach setze ich mich hin und erstelle aus meinem fachlichen Wissen heraus und aus dem, was ich im Gespräch erfahren habe, einen Vertrag. Der Vorgang dauert insgesamt vielleicht 15 Stunden – wobei die eigentliche, geistige Wertschöpfung nur in den ersten beiden Stunden stattgefunden hat. Im Mandantengespräch. Genau. Danach habe ich den Vertrag im Kopf schon fertig. Auf das „Zusammenstückeln“, das danach ansteht, hat eigentlich niemand Lust. Ich auch nicht. An dieser Stelle kann die Technik übernehmen: Ich nenne diesem System die zentralen Stellschrauben, von denen ich im Gespräch erfahren habe, und dann übernimmt die Technik die Arbeit des Zusammenstückelns. Das würde uns Zeit und Nerven sparen … … und dem Mandanten würde es Geld sparen. Ja, und den Unternehmen mit ihren Rechtsabteilungen übrigens auch. Man darf nicht vergessen: Es gibt einen Fachkräftemangel. Wenn solche Arbeiten wegfallen, können die Arbeitskräfte, die wir haben, sinnvoller eingesetzt werden. Ich denke, es sollte in diesem Bereich generell darauf ankommen, dass Juristen sich fragen: Was an meiner Arbeit macht mir eigentlich keine Freude? Hat man das definiert, welche Arbeit man gerne loswerden würde, kann man in den Austausch mit anderen gehen, um herauszufinden: Geht es denen genauso? Heißt die Antwort ja – dann gibt es einen Markt für eine Lösung, die den Anwälten diese Arbeit abnimmt.
Unsere Aufgabe ist es also, die Start-ups mit dem Bedarf zusammenzuführen – auch, damit nicht am Bedarf vorbei entwickelt wird. Denn es kommt schon auch vor, dass Entwickler eine App vorstellen, die etwas kann, was Anwälte gar nicht benötigen.
An dieser Stelle kommen die Start-ups ins Spiel, die sich darauf verstehen, Lösungen für Probleme zu entwickeln. Wobei wir unsere Aufgabe beim German Legal Tech Hub darin sehen, die genannten Akteure in Kontakt zu bringen, sprich die Anwälte, die sich eine Innovation wünschen, und die Tech-Anbieter, die diesen Wunsch erfüllen können. Unsere Aufgabe ist es also, die Start-ups mit dem Bedarf zusammenzuführen – auch, damit nicht am Bedarf vorbei entwickelt wird. Denn es kommt schon auch vor, dass Entwickler eine App vorstellen, die etwas kann, was Anwälte gar nicht benötigen. Start-ups denken progressiv. Der Rechtsmarkt, so heißt es häufig, sei eher konservativ. Stimmt das in Ihren Augen noch? Ja, man muss sagen, dass die Branche weiterhin sehr konservativ ist. Und durchaus auch innovationsfeindlich. Das liegt aber nicht an den Persönlichkeiten der Anwälte, sondern an der Struktur der Kanzleien. Es gilt in Deutschland weiterhin das Fremdbesitzverbot sowie das Verbot von Beteiligungen. Das führt dazu, dass kein Wagniskapital in die Anwaltschaft fließt. Es ist nicht möglich, dass ein Investor an den Einnahmen des Anwalts beteiligt ist; es gibt auch keine Gewinnbeteiligungen.
Ja, man muss sagen, dass die Branche weiterhin sehr konservativ ist. Und durchaus auch innovationsfeindlich. Das liegt aber nicht an den Persönlichkeiten der Anwälte, sondern an der Struktur der Kanzleien.
Angenommen, ein junger Anwalt würde sagen: „Ich möchte gerne etwas Neues auf die Beine stellen, ein neues Kanzleikonzept, mit digitaler Automatisierung, und dafür brauche ich 500.000 Euro“ – dann kann er entweder zu anderen Anwälten gehen, um dort einzusteigen, oder zu einer Bank. Dort hört er dann: „500.000 Euro, aha, was haben Sie denn als Sicherheiten?“ – „Keine.“ – „Oh, dann wird das aber schwierig.“ Und warum sind die Partner der Kanzleien nicht innovationsfreudig? Anwaltskanzleien sind in der Regel als Personengesellschaften organisiert, ähnlich einer GbR. Das bedeutet steuerlich, dass am Ende des Jahres die Gewinne den einzelnen Partnern zugerechnet werden. Will ein Partner Investitionen tätigen, dann muss das in einer großen Runde besprochen werden. Und dort trifft er unter Umständen auf andere Partner, die schon ein wenig älter sind und sagen: „In zehn Jahren, wenn sich die Innovation rechnet, bin ich gar nicht mehr dabei, warum wollen wir jetzt Geld investieren?“ Es wird also nicht unternehmerisch gedacht. Zu wenig, und um es noch einmal klarzustellen: Das liegt eher an strukturellen Problemen als an den Einstellungen der Anwälte. Das beginnt schon bei der universitären Ausbildung, die ich für nicht mehr zeitgemäß halte. Es gibt viel zu wenig betriebswirtschaftliche Inhalte. Und auch zu wenig Inhalte, die sich mit den Möglichkeiten von Legal Tech beschäftigen. Viele Anwälte wissen daher zu wenig über Betriebswirtschaft und digitale Lösungen. Und dann hören sie von allen Seiten: „Die Digitalisierung ändert alles, ihr müsst was machen!“ So entstehen Ängste, denn Angst bekommt man dann, wenn man nicht richtig prognostizieren kann, was auf einen zukommt, oder wenn man sogar eine negative Prognose für die Zukunft hat. Umso wichtiger sind Orte, an denen die Leute miteinander sprechen. Orte, an denen sich auch die junge Generation mit ihren Ideen einbringen kann und an denen man merkt: Ich bin mit meinem Problem ja gar nicht allein, also finden wir gemeinsam eine Lösung!

German Legal Tech Hub

Ob KI-basierte Vertragsgestaltung, Prozessoptimierung oder Cybersecurity: Legal Tech-Lösungen versprechen neue Effizienz auf dem Rechtsmarkt. Um die Potenziale heben zu können, benötigen die Kanzleien einen Überblick über die Lösungen, der sich durch einen Austausch mit Startups, Wissenschaft und anderen Unternehmen ergibt. Der German Legal Tech Hub hat es sich zur Aufgabe gemacht, als branchenübergreifende Plattform diese Brücken zwischen den diversen Legal Tech-Interessierten zu bauen. germanlegaltechhub.com

Ein Plädoyer für Frauen in Großkanzleien: Nehmt die Herausforderung an

Der Anteil der Juraabsolventinnen ist hoch, sie sind meist sehr gut qualifiziert und dennoch steigt der Anteil der Anwältinnen in den Großkanzleien seit Jahren nur geringfügig. Woran liegt das und wieso sollten sie das ändern? Antworten weiß Dr. Anna Schwander.

Zur Person

Dr. Anna Schwander ist Partnerin der Corporate/Capital Markets-Praxisgruppe im Münchner Büro von Kirkland & Ellis. Sie berät Mandant*innen in allen Bereichen des Kapitalmarkt- sowie des Außenwirtschaftsrechts. Das JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien listet sie 2022/2023 als häufig empfohlene Anwältin für Gesellschaftsrecht. Handelsblatt Best Lawyers zeichnet sie als Lawyer of the Year für Kapitalmarktrecht in Bayern (2023) aus.

Herausforderung Großkanzlei

Viele junge Frauen trauen sich nicht, als Anwältin in einer Großkanzlei anzufangen, gleichwohl sie bestens ausgebildet sind und aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interessen sehr gut in eine Großkanzlei passen würden. Oft hält sie die Sorge vor der nicht möglichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf von diesem Schritt ab. Auch die hohe Arbeitsbelastung, fehlende Role Models oder das fehlende Vertrauen in die eigenen Qualifikationen kann ein Grund sein. Warum sollten sie dennoch den Schritt wagen? Die Arbeit in einer Großkanzlei ist herausfordernd, dynamisch und mit einer steilen Lernkurve verbunden. Es bringt einfach Spaß, in einem tollen Team an spannenden Mandaten zu arbeiten. Ich kann daher jeder Juristin und jedem Juristen nur raten, etwaige Chancen zu nutzen und den eigenen Fähigkeiten und Interessen nachzugehen. Hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es in den Großkanzleien inzwischen eine Vielzahl flexibler Modelle, um Frauen – aber auch Männer – dabei zu unterstützen, beides zu vereinen. Oder aber man geht durch eine der vielen anderen Türen, die einem nach einem Berufseinstieg in der Großkanzlei in anderen Bereichen offenstehen.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Familie und Karriere schließen sich keinesfalls aus. Es ist wichtig, der Familienplanung einen entsprechenden Stellenwert einzuräumen. Gleichwohl darf die Familienplanung die Karriereplanung nicht bereits im Keim ersticken. Man sollte nicht auf den Berufsweg verzichten, der einem Spaß macht, der einen herausfordert und die eigenen Fähigkeiten fördert. Es bedarf oft eines Spagats, um Familie und Beruf zu vereinen, es bedarf des richtigen Partners, der einen unterstützt, und einer guten Kinderbetreuung. Aber es ist auch enorm bereichernd, beides erleben und leben zu dürfen.

Tipps für Berufseinsteigerinnen

Es gibt drei Dinge, die meines Erachtens wichtig sind: Suche dir Role Models. Weltweit gibt es sehr viele tolle Frauen in Großkanzleien, die exzellente Juristinnen und Partnerinnen sind, Kinder und Familie haben – und zudem Frau geblieben sind. Diese Vorbilder fördern automatisch das gleichberechtigte Denken innerhalb und außerhalb der Kanzlei und können jungen Juristinnen die Entscheidung und das Vorankommen erleichtern. Dazu kann auch ein*e Mentor*in inner-/ außerhalb der Kanzlei beitragen. Für mich ist Role Model beispielsweise eine Partnerin unseres Büros in Chicago, die ich zu Beginn meiner Tätigkeit bei Kirkland kennenlernen durfte. Eine hervorragende Juristin, Mutter dreier Kinder, authentisch, sehr vielseitig interessiert und enorm dynamisch. Mein Mentor hingegen ist ein Mann. Er hat mich gefördert und gefordert und in den entscheidenden Gremien, die über mein Vorankommen entschieden haben, die Stimme für mich erhoben. Zudem ist es wichtig zu netzwerken. Das machen viele Frauen oft noch zu wenig. Geht raus und tauscht euch aus. Dazu kann die Teilnahme an Veranstaltungen für Frauen beitragen, die auch dazu dienen, dass junge Juristinnen sich vernetzen. Der wichtigste Tipp allerdings: Go for it – verwirkliche deine Interessen und mache das, was dir am meisten Spaß bereitet. Es ist nichts in Stein gemeißelt! Man muss sich nicht bereits in jungen Jahren einer Tätigkeit verschreiben, „nur“, weil man in fünf bis zehn Jahren Kinder bekommen möchte. Fange an, „bloom where you are planted“, und dann wirst du sehen, wie sich Karriere und Privates vereinen lassen.

Wege zur Family-Work-Balance

Damit Familie und Arbeit vereinbar sind, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Marina Arntzen, Juristin und Mutter von drei Kindern, hat die Voraussetzungen für eine Family-Work-Balance analysiert.

Zur Person

Marina Arntzen, LL.M, ist Rechtsanwältin/ Counsel bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright LLP. Sie ist spezialisiert auf den Fachbereich Corporate/M&A/Private Equity und berät bei nationalen und internationalen Transaktionen sowie bei gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen und dem Umgang mit Nachhaltigkeit/ESG-Kriterien. Darüber hinaus fördert sie junge Juristinnen bei der Initiative breaking.through und Startup Teens. Sie war als Erasmusstipendiatin in Maastricht und in Spanien. An der London University absolvierte sie einen Masterstudiengang (LL.M.). Marina Arntzen hält Vorträge und ist Autorin des Ratgebers „Family- Work-Balance für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“ (Verlag C.H. Beck 2023).
Wie kann es Rechtsanwältinnen in Kanzleien gelingen, Familie und Arbeit zu vereinbaren? Das Zusammenspiel aus folgenden Voraussetzungen kann zu einem Gelingen der Vereinbarkeit beitragen: die individuelle Ebene der persönlichen Entscheidungen, dem Wissen über die eigenen Ziele und Wünsche und den gemeinsamen in der Partnerschaft einschließlich einer Finanzplanung, Selbstfürsorge und Organisation; die Ebene der Kanzleien mit einer zeitgemäßen Arbeitskultur, Flexibilität und der Möglichkeit unterschiedlicher Arbeitsmodelle; und die gesellschaftlich-politische Ebene für strukturelle Rahmenbedingungen. Wenn auf diesen drei Ebenen jeweils die Voraussetzungen und Maßnahmen stimmen, kann die Family-Work-Balance gelingen und es ist möglich, das individuell passende Modell zu finden. Welche Arbeitszeitmodelle erleichtern die Family-Work-Balance? Es kommt zunächst darauf an, welches Modell für die oder den Einzelnen in der jeweiligen Lebenssituation am besten passt. Darüber hinaus ist es auch abhängig von dem Fachbereich und dem Team, in dem man arbeitet. „One size fits it all“ gibt es nicht, aber es gibt häufig mehr mögliche Arbeitsmodelle als viele zunächst denken. Welche Chancen zu einer solchen Balance eröffnet New Work? Der Grundgedanke von New Work besteht aus selbstständigem Arbeiten, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Freiheit, Freiräumen für Kreativität, der Teilhabe an der Gemeinschaft und der Digitalisierung. Diese Aspekte sind unter anderem Teil von Flexibilität, die aus meiner Sicht zu einer Balance von Familie und Beruf führen kann. Darüber hinaus bieten die Digitalisierung und in diesem Zusammenhang Innovationen Chancen für eine Balance. Wie gelingt die Balance trotz langer Arbeitszeiten und Dienstreisen? Flexibilität hilft, um Zeit für beide Lebensbereiche zu finden. Nach einer Dienstreise ist es gegebenenfalls möglich, auch mal im Homeoffice zu arbeiten, was beispielsweise die Zeit für den Fahrtweg erspart, die dann wiederum mit der Familie verbracht werden kann. Darüber hinaus sind Fokus, Prioritätensetzung und eine gute Organisation essenziell, um mehr Zeit für die Familie (und für sich selbst) übrig zu haben. Wie sollten sich Absolventinnen/ Berufseinsteigerinnen bei der Vorstellung präsentieren, wenn sie ein oder mehrere Kinder haben? Selbstbewusst. Mutter oder Vater zu sein, ist eine Schlüsselkompetenz. Durch diese Erfahrung haben die meisten gelernt, nicht nur an sich selbst zu denken, sondern auch für die nächsten Generationen, sind häufig empathisch, belastbar und in der Lage, unterschiedliche Dinge parallel zu managen. Diese besonderen und wertschaffenden Kompetenzen sollten Absolventinnen/ Berufseinsteigerinnen sich vor Augen führen und souverän auftreten. Absolventinnen/ Berufseinsteigerinnen sollten deutlich machen, wie wichtig ihnen ihre Karriere als Anwältin ist und dass sie daher privat alles organisiert haben, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Flexibilität von beiden Seiten für eine Balance zwischen Beruf und Familie hilfreich ist. Sollten die Absolventinnen/Berufseinsteigerinnen selbst die Frage nach Flexibilität im Vorstellungsgespräch stellen, bietet es sich an, Business-bezogen zu argumentieren und deutlich zu machen, dass nicht geplant ist, weniger Zeiteinsatz als andere zu leisten, sondern dass es für sie wichtig ist, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz – das Wichtigste auf einen Blick

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Nach langem Gesetzgebungsprozess ist im Juni dieses Jahres das Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“) in Kraft getreten. Welchen Zweck verfolgt das Gesetz, wie werden Whistleblower jetzt geschützt und was bedeutet das Gesetz für Unternehmen? Von Dr. Max Helleberg

Zur Person

Dr. Max Helleberg ist Rechtsanwalt bei Noerr Partner­schafts­gesell­schaft mbB und berät in diversen Bereichen des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Er begleitet Unternehmen bei regulatorischen Fragen in Transaktionen und vertritt sie in Verwaltungs(gerichts)verfahren. Ferner berät er die öffentliche Hand bei komplexen Infrastrukturvorhaben. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Compliance-Beratung im öffentlichen Sektor. Schließlich unterstützt er Unternehmen in Investitionskontrollverfahren.

Hintergrund: Der Gesetzeszweck

Das HinSchG verfolgt den Zweck, Hinweisgebenden die Meldung von Rechts- und Regelverstößen in Unternehmen und Behörden zu ermöglichen und ihnen dabei die Furcht vor Nachteilen zu nehmen. Mit dem Hinweisgeberschutz kommt der Gesetzgeber zugleich seiner Verpflichtung zur Umsetzung der europäischen Whistleblower- Richtlinie nach.

Der wesentliche Gesetzesinhalt

Hinweisgebende Personen im Sinne des HinSchG sind alle natürlichen Personen, die Informationen über Rechtsverstöße an nach dem Gesetz vorgesehene Meldestellen melden. Die Informationen müssen sich dabei auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich in Kontakt stand, beziehen. In sachlicher Hinsicht können nur bestimmte, im Gesetz abschließend aufgezählte Rechtsverstöße gemeldet werden. Das HinSchG verpflichtet private und öffentliche Beschäftigungsgeber zur Errichtung einer internen Meldestelle. Davon ausgenommen sind nur Beschäftigungsgeber mit weniger als 50 Mitarbeitenden. Als zentrale externe Meldestelle, die ebenso wie eine interne Meldestelle angerufen werden kann, fungiert – abgesehen von einigen Ausnahmen – eine beim Bundesamt für Justiz errichtete Stelle. Einem im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss zufolge sollen sich hinweisgebende Personen allerdings bevorzugt an interne Meldestellen wenden – jedenfalls dann, wenn intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind. Sowohl die interne als auch die externe Meldestelle ist dazu verpflichtet, geeignete Meldekanäle vorzusehen, die Stichhaltigkeit der Meldung zu prüfen und angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen. Folgemaßnahmen können interne Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder aber auch die Verfahrenseinstellung aus Mangel an Beweisen sein. Anders als noch im Gesetzentwurf vorgesehen, sind Meldestellen, die anonyme Meldungen ermöglichen, nicht einzurichten. Damit hinweisgebende Personen keine Nachteile erfahren, sind gegen sie gerichtete Repressalien verboten. Zur Durchsetzung des Verbots wird vermutet, dass eine nach einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, sofern die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht, eine Repressalie ist. Ein Verstoß gegen das Verbot stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, wegen der ein Bußgeld von bis zu EUR 50.000,00 verhängt werden kann. Als weitere Rechtsfolge eines Verstoßes können Hinweisgebende eine Entschädigung in Geld für materielle sowie auch für immaterielle Schäden verlangen.

Bedeutung für die Praxis

Das HinSchG entfaltet enorme Breitenwirkung und hat zahlreiche private und öffentliche Beschäftigungsgeber unter Zugzwang gesetzt. Es wird Auswirkungen auf den künftigen Umgang mit zunächst nur unternehmensintern bekannten Compliance- Verstößen haben: Weil das Risiko unkontrollierter Informationsabflüsse unter dem Schutzschirm des HinSchG steigt, werden Unternehmen voraussichtlich stärker proaktiv aufklären und Missstände abstellen.

Barrieren abbauen

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Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des bestehenden Fachkräftemangels ist das am 12. Mai 2023 beschlossene Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts ein wichtiges Instrument, um mehr Potenzial für den ersten Arbeitsmarkt zu erschließen. Malin Schlick beleuchtet das Thema und gibt Einblicke in das Engagement von Clifford Chance.

Zur Person

Malin Schlick, Diplom-Juristin und zertifizierter Systemischer Coach, ist seit 7,5 Jahren bei Clifford Chance tätig, davon 4,5 Jahre in ihrer derzeitigen Funktion als DEI-Manager (Diversity, Equity, Inclusion). Sie verantwortet die deutsche DEIStrategie und zahlt mit ihren Themen nicht nur auf die Unternehmenskultur, sondern auch auf die Gender- und LGBT+- Targets ein, die sich Clifford Chance global erstmalig 2020 gesetzt hat. Darüber hinaus ist sie Mitglied beim Working Moms e. V. in Düsseldorf.
Ziel des Gesetzes ist es, mehr Menschen mit Behinderung in reguläre Arbeit zu bringen, mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten und zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung zu ermöglichen. Dem steht die aktuelle Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes entgegen: Bei 8.827 Beratungsanfragen standen mit 27 % die Fälle wegen Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung an zweiter Stelle. Aus meiner Sicht ergibt sich aus den beiden Faktoren ein klarer Auftrag für Arbeitgebende.

Wichtig: Wirkungsvolles DEI-Management

Hier kommt nun ein wirkungsvolles DEI-Management ins Spiel. Es befasst sich mit den unterschiedlichsten Dimensionen, wobei das Thema Behinderung lange Zeit von den Unternehmen vernachlässigt wurde. Die Facetten von Behinderungen sind vielfältig – von Mobilitätseinschränkungen, Sinnesbehinderungen bis hin zu psychischen oder chronischen Erkrankungen, Lernbehinderungen und Neurodiversität. Allein 70 % der Behinderungen sind unsichtbar und auf den ersten Blick nicht erkennbar. Nicht jedes Unternehmen leistet sich ein eigenes DEI-Management, welches durch Awareness- Workshops und Mitarbeitenden-Netzwerke zur Aufklärung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden erheblich beitragen kann, um Diskriminierung abzubauen.

Offene Unternehmenskultur

Neben strukturellen Veränderungen ist es essenziell, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Menschen sich trauen, über ihre Behinderung zu sprechen, damit sie die benötigte Unterstützung beispielsweise durch technische Hilfsmittel oder eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes in Anspruch nehmen können. Gerade in einem hochkompetitiven Arbeitsumfeld, in dem Schwächen und Unzulänglichkeiten dem Leistungsgedanken diametral entgegenstehen, sind verständlicherweise die Ängste von Menschen mit Behinderungen groß, bei einem offenen Umgang diskriminiert und als nicht belastbar wahrgenommen zu werden.
Malin Schlick, Foto: Christoph Klutsch
Malin Schlick, Foto: Christoph Klutsch
Bei Clifford Chance haben wir uns im Mai 2022 mit einem deutschen Chapter unseres globalen Disability-Netzwerks Enable auf den Weg gemacht, Handlungsfelder zu identifizieren, Barrieren abzubauen, einen Safe-Space für vertrauliche Gespräche zu schaffen und HR sowie das Management zu beraten. Unser bisher größter Erfolg sind zwei Kolleginnen mit einer Sinnesbehinderung, die sich unseren Enable-Leads anvertraut haben. Das Netzwerk konnte die Brücke zu HR schlagen und bei der Anpassung des Arbeitsplatzes unterstützen. Für alle in der Kanzlei sichtbar setzen sie sich nun als Enable-Champions für das Netzwerk ein und wollen durch ihr Vorbild andere Kolleg* innen ermutigen, sich zu öffnen und die ihnen zustehende Hilfe einzufordern.

Mobile Arbeit aus dem Ausland – Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten

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Da arbeiten, wo andere Urlaub machen – ein Traum! Auch für dich? Bevor du die Koffer packst, solltest du ein paar Fakten und die Risiken des mobilen Arbeitens aus dem Ausland kennen. Zusammengefasst hat sie für uns die Arbeitsrechtlerin Dr. Martina Schlamp. Sie hat sich auf „Global Mobility“ und internationales Arbeitsrecht spezialisiert.

Zur Person

Dr. Martina Schlamp ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei ADVANT Beiten. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Bereich „Global Mobility“ und internationales Arbeitsrecht. Sie berät nationale und internationale Unternehmen zu sämtlichen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Themen mit internationalem Bezug sowie zu neuen Arbeitsformen und Trends bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern im In- und Ausland. Zudem ist sie Expertin auf dem Gebiet der Mitarbeitergewinnung im Ausland und Fachkräfteeinwanderung.
Bei jeder Form von Auslandstätigkeiten sind stets zahlreiche Rechtsgebiete berührt und es ist grundsätzlich jeder Einzelfall zu betrachten, da sich unterschiedliche Bewertungen ergeben können. Auch das nationale Recht des jeweiligen Landes kann eine Rolle spielen. Zudem gibt es in manchen Bereichen Unklarheiten, wie mobile Arbeit im Ausland auf Initiative von Mitarbeiter*innen einzuordnen ist. Risiken können aber durch verschiedene Maßnahmen zumindest reduziert werden.

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Bei jeder Auslandstätigkeit von Mitarbeitern ist stets zu klären, in welchem Land die Sozialversicherungspflicht besteht. Dies beurteilt sich unterschiedlich für Aufenthalte in Ländern innerhalb und außerhalb der EU:
  • Innerhalb der EU bestimmt sich die Sozialversicherungspflicht nach einer europäischen Verordnung (VO(EG) 883/2004), die für alle Staaten der EU, des EWR sowie der Schweiz gilt (entsprechende Regelungen gibt es in Bezug auf Großbritannien). Nach einer Einschätzung des GKV Spitzenverbandes/ DVKA handelt es sich auch bei vorübergehender mobiler Arbeit im Ausland auf Initiative von Mitarbeitern sozialversicherungsrechtlich um eine „Entsendung“ im Sinne dieser Verordnung, sodass während der vorübergehenden Tätigkeit im Ausland die Sozialversicherungspflicht weiterhin in Deutschland verbleibt. Die Unfallversicherungsträger haben sich dieser Ansicht angeschlossen, sodass grundsätzlich auch Unfallversicherungsschutz bei mobiler Arbeit im Ausland besteht, wobei vor allem in Fällen von „workation“, also der Verbindung z. B. von privaten Urlaubsreisen mit mobiler Arbeit im Ausland, eine Abgrenzung von Arbeits- zu Privatunfällen sich als schwierig erweisen kann. Arbeitgeber sollten für die Mitarbeiter, die mobil aus dem Ausland arbeiten, eine A1-Bescheinigung beantragen, die diese während des Auslandsaufenthaltes mitführen. Hierfür können zum Beispiel Ankündigungs-/Genehmigungspflichten sinnvoll sein.
  • Bei mobiler Arbeit in Ländern außerhalb der EU ist es in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht entscheidend, ob mit dem jeweiligen Land ein Sozialversicherungsabkommen besteht und welche Sozialversicherungszweige darin geregelt sind. Besteht kein Abkommen bzw. für die in dem Abkommen nicht geregelten Zweige gelten die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften. In der Regel wird auch bei nur vorübergehenden Tätigkeiten im Ausland sowohl nach Abkommen als auch nach den deutschen gesetzlichen Vorschriften die Sozialversicherungspflicht in Deutschland verbleiben. Es besteht allerdings ein Risiko, dass nach dem nationalen Recht des jeweiligen Landes dort zusätzlich eine Sozialversicherungspflicht begründet wird, sodass dann eine doppelte Beitragspflicht bestehen würde. Solche Risiken können vermieden werden, indem die Möglichkeit mobiler Arbeit im Ausland von vornherein auf Länder der EU eingeschränkt wird.
  • Grundsätzlich ist es empfehlenswert, insbesondere auch aus Arbeitgebersicht, dass eine Auslandsreisekrankenversicherung für die Zeit im Ausland abgeschlossen wird. Theoretisch wäre es nämlich denkbar, dass Arbeitgeber auch bei „freiwilliger“ mobiler Arbeit im Ausland für (nicht erstattete) Behandlungskosten haften, jedenfalls wenn sie die Tätigkeit im Ausland erlauben oder dulden. Dieses Risiko kann mit einer zusätzlichen Versicherung von vornherein vermieden werden.

Arbeitsrechtliche Themen

Anwendbares Arbeitsrecht

In der Regel findet bei kurzzeitigen Auslandstätigkeiten weiterhin das für das Arbeitsverhältnis (vertraglich vereinbarte bzw. konkludent gewählte) deutsche Arbeitsrecht Anwendung. Anders könnte dies zu beurteilen sein, wenn sich ein Mitarbeiter längere Zeit in einem anderen Land aufhalten und dort nicht mehr nur vorübergehend tätig werden würde oder wenn engere Verbindungen zu dem jeweiligen Land bestehen würden, was bei kurzzeitiger mobiler Arbeit im Ausland in der Regel nicht der Fall sein wird. Innerhalb der EU können diesbezüglich noch Besonderheiten aufgrund der Europäischen Entsenderichtlinie bestehen, wonach bei Entsendungen von Mitarbeitern ausländische (Mindest-)Arbeitsbedingungen des jeweiligen Landes einzuhalten sind („Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“). Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die entsprechenden Regelungen auch auf vorübergehende mobile Arbeit im Ausland Anwendung finden – jedenfalls wenn der Arbeitgeber davon Kenntnis hat bzw. dies duldet. Dies hängt jedoch maßgeblich von der Bewertung in dem jeweiligen Land ab. Da der deutsche Standard in Bezug auf Arbeitsbedingungen ohnehin relativ hoch ist, werden die diesbezüglichen Risiken aber nicht allzu hoch sein, zumal auch die „Entdeckungsrisiken“ bei nur kurzzeitigen Auslandstätigkeiten in privaten Apartments, Hotels o. Ä. eher gering sein werden. Diesbezügliche Risiken können entweder in Kauf genommen werden oder die Möglichkeit von mobiler Arbeit kann auf bestimmte Länder begrenzt werden, für die dann beispielsweise rechtssicher geprüft wird, welche Anforderungen nach nationalem Recht einzuhalten sind. Jedenfalls kann es sinnvoll sein, entsprechende Arbeitszeitregelungen (Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten etc.) zu recherchieren und vorsorglich für den Fall einer behördlichen Kontrolle, auch während der Tätigkeit im Ausland Arbeitszeitnachweise zu führen.

Vertragliche Regelungen

Für vorübergehende mobile Arbeit im Ausland ist der Abschluss einer zusätzlichen Vereinbarung nicht zwingend erforderlich. Dies kann aber sinnvoll sein, beispielsweise, damit der vorübergehende Charakter der Auslandstätigkeit dokumentiert wird (entscheidend für die Annahme einer Entsendung und damit den Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem) oder um Bedingungen und Modalitäten der Tätigkeit im Ausland vertraglich zu regeln. Aus Arbeitgebersicht kann in einer vertraglichen Vereinbarung die Möglichkeit der Tätigkeit im Ausland beispielsweise befristet, räumlich beschränkt sowie die erlaubte Aufenthaltsdauer zeitlich begrenzt werden. Auch können Widerrufs- und Rückrufm.glichkeiten vorgesehen werden. Alternativ zu einzelvertraglichen Regelungen könnten hierzu auch entsprechende betriebliche Regelungen getroffen werden.

Steuerrechtliche Themen

Bei vorübergehender Tätigkeit im Ausland können sich auch steuerrechtliche Themen ergeben. In der Regel wird bei nur kurzzeitigen Aufenthalten keine Steuerpflicht in dem Land begründet werden. Auch vor diesem Hintergrund ist es aber bereits sinnvoll, die Möglichkeit mobiler Arbeit im Ausland auf nur kurze Zeiträume zu beschränken. Grundsätzlich kann auch ein Risiko bestehen, dass durch die Tätigkeit des Mitarbeiters im Ausland eine Betriebsstätte der deutschen Gesellschaft in dem Land begründet wird. Wie hoch ein solches Risiko tatsächlich ist, richtet sich insbesondere danach, ob dem Mitarbeiter im Ausland ein Büro, Shared Office o. Ä. zur Verfügung gestellt wird oder ob der Mitarbeiter z. B. Vertretungsvollmachten hat. Arbeitgeber sollten jedenfalls darauf achten, dass diese Kriterien nicht gegeben sind. Für ein rechtssicheres Vorgehen könnten diese Risiken beispielsweise für einzelne Länder geprüft werden.

Sonstige Aspekte

Zu beachten ist beispielsweise aus aufenthaltsrechtlicher Sicht, wenn der Mitarbeiter die Nationalität eines Drittstaates hat und somit nicht ohne Weiteres in anderen Ländern der EU arbeiten darf oder z. B. bei Tätigkeiten von deutschen Mitarbeitern in Drittstaaten, in denen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht gilt. Auch könnten sich datenschutzrelevante Themen oder lizenzrechtliche Probleme ergeben, z. B. wenn Mitarbeiter mit bestimmten Programmen oder Software arbeiten, für die der Arbeitgeber nur bestimmte räumlich begrenzte Lizenzen erworben hat.

Wie findest du den Job, der zu dir passt? Neue Chancen im Rechtsmarkt durch KI & Co.

Die seit Jahrzehnten kaum veränderte juristische Kernausbildung bereitet wenig auf die Berufsrealität vor. Studierende profitieren davon, sich eigeninitiativ weiterzubilden: Wer universitäre Zusatzangebote nutzt und über den juristischen Tellerrand hinausschaut, dem steht eine Auswahl an neuen technologieaffinen Berufsfeldern zur Verfügung. Dr. Nadine Lilienthal gibt einen Über- und Einblick in Berufe der Zukunft.

Zur Person

Dr. Nadine Lilienthal ist Vordenkerin für einen zukunftsfähigen Rechtsmarkt. Sie ist Rechtsanwältin und Mitgründerin von Legaleap. Im „Zukunft Rechtsmarkt“ Podcast interviewt sie Persönlichkeiten der Rechtsbranche. Außerdem ist sie Mitgründerin des New Legal Network – dem Netzwerk für ganzheitliche Rechtsberater:innen. „Zukunft Rechtsmarkt“.
Nie gab es mehr Möglichkeiten, als Jurist*in das eigene Tätigkeitsfeld zu gestalten. Das Innovationstempo im Rechtsmarkt hat sich durch den Launch von ChatGPT und weiteren KI-Chatbots 2023 spürbar erhöht. Erste Großkanzleien wie Allen & Overy nutzen bereits die KI-basierte Plattform Harvey, die auf Funktionen von GPT-4 beruht. Große Wirtschaftprüfungsgesellschaften wie KPMG und Deloitte kündigten Milliardeninvestitionen in KI an. Eine wachsende Anzahl an Legal Tech Tools hat den Chatbot ChatGPT in ihr Angebot integriert. Revolutionieren solche KI-Tools schon jetzt den Rechtsmarkt? Stand heute gibt es nur eine kleine Anzahl an Kanzleien, die KI in ihrer täglichen juristischen Arbeit nutzen. Dass KI kommt, sollte aber nur eine Frage der Zeit sein – bereits zum Zeitpunkt eines späteren Lesens des Artikels kann die Situation anders sein. Momentan ist die Beratungsqualität durch KI-Tools noch fehleranfällig. Zugleich ist klar: Der Druck zur Nutzung von Technologien auf Jurist*innen erhöht sich stark. Diesen Veränderungsdruck zeigt die Studie „Generative AI and the future of the legal profession“ von LexisNexis, bei der über 1000 Jurist*innen im Mai und Juni 2023 zu den Auswirkungen von KI auf den Rechtsberuf befragt wurden. Während 70 % der Inhouse-Jurist*innen erwarten, dass ihre Kanzleien KI nutzen, glauben nur 55 % der Kanzleien, dass ihre Mandantschaft das von ihnen erwartet. Eine Diskrepanz, die zeigt, wie nötig das Engagement von Kanzleien bei KI ist. In einem Rechtsmarkt, in dem so viel in Bewegung ist, hilft es, Trends zu erkennen. Wer hierfür offen ist und sich schon neben dem juristischen Studium oder später on the Job relevante Skills aneignet, dem steht eine Vielzahl an neuen Berufsfeldern offen.

Wachsende Anzahl von Stellenprofilen im Rechtsmarkt an Schnittstellen zur Technologie:

Legal Engineer, der Klassiker unter den neuen Berufen

Legal Engineers sind an der Schnittstelle zwischen Recht und Informatik tätig. In der Praxis trifft man häufiger auf Jurist*innen mit einem ersten Staatsexamen, die sich im Bereich Coding weitergebildet oder Zusatzqualifikationen erworben haben; seltener sieht man Volljurist*innen mit Informatikstudium. Legal Engineers befassen sich überwiegend mit der Übertragung von rechtlichem Wissen in automatisierte Prozesse. Sie arbeiten üblicherweise mit der Erstellung von Entscheidungsbäumen, die auf Wenndann- Logiken beruhen. Hierbei können sie mit Hilfe ihres Wissens im rechtlichen Bereich Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten für bestimmte juristische Sachverhalte abbilden. Ihr Einsatzgebiet kann etwa in einem Start-up das Bauen von Legal Tech-Tools zur Erstellung eines bestimmten Vertragstyps umfassen oder in einer Kanzlei die Automatisierung des Fristenmanagements, inklusive Erinnerungen via E-Mail, sein.

Legal Prompt Engineer, the new kid on the block

Das Berufsbild des Legal Prompt Engineer ist noch relativ neu. In den USA und in Großbritannien sieht man seit einigen Monaten Stellenanzeigen von großen Kanzleien für diesen Bereich. In Deutschland scheint die Tätigkeit derzeit noch eine eher theoretische Rolle zu spielen, das könnte sich aber ändern. Beim Legal Prompt Engineering geht es darum, KIs zu trainieren, sodass sie die gewünschten juristischen Ergebnisse liefern. Das beginnt mit der Formulierung des Nutzungsbefehls (Prompt) im Suchfeld eines KI-Chatbots wie ChatGPT, Claude, Bard usw. Es geht darüber hinaus auch um das Anlernen einer KI mit relevanten Daten, sodass sie in der Lage ist, Ergebnisse in juristisch relevanter Qualität zu liefern. Für den Moment ist dies eher ein Berufsbild, das man bei Interesse im Blick behalten kann – wie schnell sich Chancen entwickeln, bleibt abzuwarten.

Legal Designer, für viele ein Skill, selten auch ein Vollzeitjob

Legal Design hat sich in den letzten Jahren im Markt etabliert. Es gibt bislang schon ein paar Anbieter im Rechtsmarkt, bei denen dieser Beruf ausgeübt werden kann. Darüber hinaus gewinnt Legal Design als Skill für Jurist*innen mit der steigenden Digitalisierung der Rechtsbranche an Bedeutung. Elemente von Legal Design können nämlich in viele juristische Tätigkeiten einfließen. Beim Legal Design geht es im Kern darum, eine Rechtsdienstleistung oder ein Legal Tech-Tool nutzerzentriert zu denken. Eine kollaborative Zusammenarbeit mit den relevanten Stakeholdern, meistens in interdisziplinären Teams, unter Berücksichtigung des gesamten Systems (Unternehmen, Gesellschaft, Ökologie) spielt beim Legal Design eine Rolle. Die Ergebnisse reichen von nutzerfreundlich gestalteten AGBs über Guidelines, die für Mitarbeiter*innen leichter verständlich sind, bis zur Gestaltung von Legal Tech-Tools, die ein genau identifiziertes Kundenproblem adressieren. Ferner können an der Schnittstelle zu neuen Technologien die Tätigkeitsbereiche von Legal Operations und Legal Project Management genannt werden. Beide Bereiche sind schon seit Längerem im Rechtsmarkt etabliert und bieten ebenfalls eine stetig wachsende Anzahl von Einstiegsmöglichkeiten für Absolvent* innen.

Weiterbildung – viele Wege führen zum Ziel.

Die beschriebenen Berufsbilder erfordern neben juristischen Qualifikationen besondere Skills, die durch Weiterbildung erworben werden können. Auf die zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten für Jurist*innen einzugehen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Aber ich möchte unbedingt einige Möglichkeiten nennen, um Inspiration zu bieten den eigenen Weg zu gehen. Neben einem klassischen Zweitstudium sind Zusatzqualifikationen im Bereich Coding, Legal Prompting oder Design Thinking denkbar. An vielen Universitäten können Studierende Kurse zu Legal Tech absolvieren, eine gute Möglichkeit für erste Kontakte mit der Materie. Die Universität Bayreuth bietet ein Zusatzstudium Informatik und Digitalisierung. Weiterhin kann es den Horizont erweitern, sich einer der vielen engagierten Studierenden-Initiativen im Bereich Legal Tech anzuschließen. Stellvertretend seien hier genannt eLegal, die zum Beispiel regelmäßig den Legal Hackathon veranstaltet, recode.law und fruit- Freiburg Recht und IT sowie das Legal Tech Lab Cologne. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, sich mit Praktiker*innen auszutauschen, etwa bei den Events des Legal Tech Stammtischs von Dr. Gernot Halbleib in Berlin, den Munich Legal Hackers oder im Rahmen von zahlreichen Events, die von Kanzleien oder Legal Tech-Anbietern veranstaltet werden und wo es für Interessierte auf Nachfrage fast immer möglich ist, einen Einblick zu bekommen. Den Studierenden, die einen juristischen Beruf an der Schnittstelle zu Tech ergreifen möchten, stehen viele Türen offen – sei es in Legal Tech Start-ups, Kanzleien oder Unternehmen, aber auch in der Justiz. Neben den in diesem Bereich sichtbar engagierten Bundesländern wie etwa NRW oder Bayern hat kürzlich das Bundesministerium für Justiz ein Innovation Hub mit Fokus auf KI gegründet. Interessierten ist zu empfehlen, in KI und Legal Tech bereits zu Zeiten der universitären Ausbildung einzutauchen. Wer die Möglichkeiten nutzt, kann so mit einem vorhandenen Netzwerk und einer Vorstellung von der individuell passenden Position ins Berufsleben starten. Das sind Voraussetzungen dafür, dass du genau den juristischen Job an der Schnittstelle zu Tech findest, der zu dir passt!

Podcast von Dr. Nadine Lilienthal

Podcast Zukunft RechtsmarktIn ihrem Podcast spricht Dr. Nadine Lilienthal mit Persönlichkeiten aus der Rechtsbranche und aus anderen Bereichen. Dabei zeigt sie, wie Jurist*innen mit Blick auf Natur, Fortschritt und Gesellschaft einen Beitrag zu einer lebenswerten Welt leisten.

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Nachhaltigkeit: Ein Thema vor allem für Junganwältinnen und -anwälte?

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Die 17 Nachhaltigkeitsziele bis 2030 der United Nations beinhalten unter Ziel 13 die Beherrschung des Klimawandels. Schon seit 2004 arbeitet die sogenannte „Global Compact Initiative“ der UN für nachhaltiges, verantwortungsbewusstes Investieren. Dr. Geertje Tutschka nennt einige Ansätze, wie jeder Einzelne als Anwältin oder Anwalt einen nachhaltigen Unterschied machen kann.

Zur Person Dr. Geertje Tutschka, MCC (Master Certified Coach der International Coaching Federation ICF) ist Rechtsanwältin für Deutschland und Österreich mit Kanzleien in München und Salzburg. Sie ist Kanzleiberaterin und Legal Coach Ausbilder bei CLP – Consulting for Legal Professionals. Diese Erfahrung hat sie als Fachbuchautorin in ihre Bücher „Strategische Kanzleientwicklung“ (De Gruyter, 2. Aufl. 2022) und „Kanzleigründung und Kanzleimanagement“ sowie „Digitalisierung und Zivilverfahren“ eingebracht. Dort beschreibt sie auch, wie das Thema Nachhaltigkeit heute zwingender Bestandteil jeder strategischen Kanzleientwicklung sein muss.
Das Regelwerk zur Bewertung der nachhaltigen und ethischen Praxis – ESG – meint Environment, Social und Governance. Daraus abgeleitet wurde in der Wirtschaft die CSR (Corporate Social Responsibility). Die Umgestaltung der EU-Wirtschaft mit dem sogenannten Green Deal und den Klimazielen für 2030 und 2050 soll die EU zum Vorreiter für den Klimapakt machen. Die Anwaltschaft hat sich lange neutral verhalten bei dem Thema und war ganz mit der Digitalisierung ihrer Arbeitswelt und dem Fachkräftemangel beschäftigt. Dabei stehen diese Themenfelder durchaus nicht unabhängig nebeneinander. Und auch die anwaltliche Berufsordnung und -ethik könnte hier eine Rolle spielen.

Ansatzpunkte

Aber wo setzen Anwältinnen und Anwälte an, wenn es um nachhaltiges Arbeiten geht? Verantwortungsbewusstes nachhaltiges Arbeiten hat vier Dimensionen:
  1. Der eigene höchstpersönliche Verantwortungsbereich beruflich und privat.
  2. Mandatsauswahl, Positionierung und Akquisition.
  3. Kanzlei- und Mandatsmanagement und Prozesse.
  4. Kanzlei als Arbeitgeber und Karriereziele.
Es beginnt mit dem persönlichen Verantwortungsbereich. Natürlich kann man seinen eigenen ökologischen Fußabdruck bestimmen – auch in Bezug auf die eigene Arbeitswelt und für eine ganze Kanzlei. Eine Studie hat ergeben, dass die Umstellung auf grünen Strom, die Vermeidung von Fahrten zur und für die Arbeit und die Mandatsauswahl am effektivsten dazu beitragen, Klimaziele zu verwirklichen. Was aber ist mit dem ehrenamtlichen Engagement, z. B. bei den Lawyers for Future? Was ist mit dem Einfordern von Transparenz in Bezug auf Investitionen in grüne und nachhaltige Unternehmen für die Anlagemodelle des eigenen Rentenversicherungsträgers? Was ist mit der Verantwortung unseres Berufsverbandes Deutscher Anwaltverein oder unserer Berufskammer für eine grüne Trendwende im Berufsstand, z. B. bei der Begleitung zur klimaneutralen Kanzlei?

Vorbilder

In den USA haben Kanzleien die „Law Firm Climate Change Scorecard“ entwickelt, die ESG-Themen mit Kennziffern versieht. Moderne Zertifikate und Standards, wie „B Corporate“, Gemeinwohlbilanz/Gemeinwohlökonomie oder der BMU-Leitfaden zu DIN ISO 26000 erleichtern das Umstellen der internen Prozesse. Hogan Lovells hat sich zu einer nachhaltigen, ökologie- und umweltbewussten Unternehmensführung verpflichtet und Klimaneutralität bis 2030. Die Kanzlei Graf von Westphalen hat eine ESG-Bilanz für einzelne Mandate eingeführt. Und auch in unseren Beratungen und Workshops wird Nachhaltigkeit zunehmend selbst bei allgemeinen Themen angefragt und einbezogen. Das zeigt: Nachhaltigkeit ist als Thema in der Anwaltschaft angekommen.

Psychologie – das große methodische Besteck der Juristen

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Irren ist menschlich, aber gut gemeint ist in der Jurisprudenz nicht gut genug. Mit psychologischen Kenntnissen können Juristen systematische Denkfehler eindämmen, Informationen sachgerechter sondieren und zu faireren Entscheidungen gelangen, weiß Psychologin und Juristin Alica Mohnert.

Zur Person

Alica Mohnert (alica-mohnert.de) ist Diplom-Psychologin und Volljuristin. Studiert hat sie an der Universität zu Köln sowie der Chinesischen Universität für Politologie und Recht und dort in Peking einen Master of Laws erlangt. Als Dozentin für Psychologie im Recht gibt sie Schulungen an der Deutschen Richterakademie, für zahlreiche Landesjustizen, Fachanwaltsverbände, Kanzleien und Rechtsabteilungen von Bundesbehörden, Versicherungen, Banken und größeren Unternehmen. Außerdem ist sie universitäre Lehrbeauftragte in Düsseldorf, Speyer und Potsdam. Sie ist Co-Autorin des Standardwerks „Psychologie für Juristen“(Nomos 2019).
Wenn man etwas nicht kennt, weiß man nicht, was es darüber zu wissen gäbe. So verhält es sich auch mit Psychologiekenntnissen unter Juristinnen und Juristen. Was, noch mehr Pflichtfachstoff? Tatsächlich dient psychologische Kompetenz vielmehr als Werkzeug, um zu juristischen Entscheidungen zu kommen, die der Sache gerecht werden und mit möglichst wenigen Fehlern behaftet sind. Psychologie ist erweiterte Methodik. Obwohl sich manch einer unter dem Schlagwort vor allem Metathemen wie Mandantengesprächsführung oder Stressabbau vorstellt, liegen die relevantesten Einsatzbereiche anderswo. Wenn ein Arbeitsrechtler um eine üppige Abfindung kämpft oder jemandem ein angemessenes Schmerzensgeld zugesprochen werden soll, sollte man der Erste sein, der eine Forderung in den Raum stellt – angesiedelt am oberen Ende. Grund dafür ist der Ankereffekt. Er greift ein, wenn eine Zahl ausgeworfen werden soll, ohne dass von vorneherein ein „richtiges“ Ergebnis ersichtlich wäre. Dann nämlich neigen Menschen dazu, sich in ihrem Urteil an einem vorgegebenen Vergleichswert zu orientieren und ihn zur gedanklichen Ausgangsbasis zu machen. Bei einem relativ hohen Einstiegswert, vor allem wenn er noch plausibel genug klingt, ist die Chance gut, dass die weitere Verhandlung in diesem oberen Bereich bleibt. Umgekehrt sollte man auch bemerken und gegensteuern, wenn die Gegenseite versucht, mithilfe eines Ankers eine für sie günstige Summe zu erzielen. Zu einem sachgerechten Verfahrensausgang tragen auch psychologisch validierte Kenntnisse über Zeugenvernehmung und Aussagewürdigung bei, wenn das Gericht herausfinden muss, ob ein Zeuge lügt. Im Referendariat hört man in erster Linie, es komme auf die Detailliertheit und Widerspruchsfreiheit der Aussage an. Das ist zwar nicht falsch, greift aber zu kurz. Die inhaltsorientierte Aussageanalyse klopft die Zeugenaussage auf ihre Glaubhaftigkeit anhand einer ganzen Reihe von sogenannten Realkennzeichen ab. Neben sprachlichem Ausdruck interessieren Struktur und Brüche in der Erzählung. Für Juristinnen und Juristen ist es wichtig, unterscheiden zu können, was für Details typischerweise leicht vergessen werden und bei welchen man bei einer wahrheitsgemäßen Aussage eigentlich erwarten würde, dass sie auch einige Zeit später noch korrekt wiedergegeben werden können. Der unerlässliche zweite Schritt ist eine Kompetenzanalyse, mit der man untersucht, ob der Zeuge die Fähigkeiten hätte, sich eine solche wie die konkrete Aussage so auszudenken und vorzutragen. Erst dann ist eine solide Überzeugungsbildung des Gerichts möglich. Sinnvollerweise sollte das juristische Curriculum Psychologie mehrfach berücksichtigen: früh im Studium, um die Grundlagen zu legen, erneut im Referendariat, wo die Praxisübung erfolgen kann, und dann berufsspezifisch, im Rahmen von Justiz- und Anwaltsfortbildungen, denn Wiederholung ist wirklich die Mutter des Lernens. Wem es an einer passenden Veranstaltung fehlt, kann derweil mit dem Lehrbuch „Psychologie für Juristen“ autodidaktisch einsteigen.

Die ersten 100 Tage

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Der Start in den Job ist immer aufregend: Welche Aufgaben werden mir übertragen? Werde ich den Herausforderungen gewachsen sein? Werde ich mein Wissen aus dem Studium anwenden können? Wie wird es mit den Kolleginnen und Kollegen klappen? Wir haben Berufseinsteigerinnen in großen Kanzleien befragt, wie ihr Start in den Job war.

Dr. Maren Trautmann, Foto: Bernd Nörig
Dr. Maren Trautmann, Foto: Bernd Nörig
Name: Dr. Maren Trautmann Kanzlei: Ebner Stolz Spezialgebiet: Medizinrecht Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Bei laufenden Transaktionen alle Projekte gleichzeitig zu bespielen und überall am Ball zu bleiben. Hilfreiche Skills: Humor, Kommunikationsfähigkeit und Begeisterung für dynamische Prozesse. (Uni-)Wissen, das ich einbringen konnte: Lerninhalte des Schwerpunktbereichs Medizinrecht sowie angeeignetes Wissen aus dem Promotionsstudium. Spannendstes Projekt, an dem ich beteiligt war: Ein Bieterverfahren für den Erwerb einer nuklearmedizinischen Praxis. Ein Projekt, auf das ich mich freue: Den Aufbau einer neuen Gruppe im ambulanten ärztlichen Markt. Größte Überraschungen: Großer Vertrauensvorschuss durch Vertragsangebot bereits im Referendariat und die legendäre Karnevalsparty von Ebner Stolz am Kölner Standort. Learnings: Dass es mehr darauf ankommt, dem Mandanten Ergebnisse einfach, kurz und prägnant darzustellen als hochgestochene juristische Ausführungen zu machen. Neue Ziele: Erhalt des Titels Fachanwalt für Medizinrecht und das Erklimmen der nächsten Stufe auf der Karriereleiter.
Ilona Dück, Foto: Hoffmann Liebs/Tom Jasny
Ilona Dück, Foto: Hoffmann Liebs/Tom Jasny
Name: Ilona Dück Kanzlei: Hoffmann Liebs Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB Spezialgebiet: Energierecht und Energievertragsrecht Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Man ist nunmehr selbst in der Rolle der Ausbildenden. Es kann dabei mitunter schwierig sein, die passenden Aufgaben für Referendar*innen zu finden und diese auch verständlich aufzubereiten. Hilfreiche Skills: Ich kann jeder und jedem nur empfehlen, aufgeschlossen und lernbereit zu bleiben. Den eigenen Berufseinstieg sollte man als Ausbildungszeit verstehen. (Uni-)Wissen, das ich einbringen konnte: Trotz allem, was man während des Studiums lernt, kann uns dieses nur bedingt auf den Berufseinstieg und die Praxis vorbereiten. Daher ist es umso wichtiger, dass man sich an sein gelerntes methodisches Wissen und die geübte Arbeit mit und an, unter Umständen fremden, Gesetzestexten zurückerinnert. Spannendstes Projekt, an dem ich beteiligt war: Mit jedem neuen Mandat bzw. mit jeder neuen Anfrage gewinnt man neues Wissen und Erfahrungen dazu. Gerade das Energierecht ist ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, bei welchem man stets mit aktuellen Gesetzesvorhaben und -änderungen zu tun hat – dadurch wird der Alltag eben nicht alltäglich und es bleibt spannend. Projekt, auf das ich mich freue: Webinare und Tagungen von den verschiedensten Vereinen, wie etwa dem Women.Energy.Network, und den damit einhergehenden Austausch mit Spezialist*innen. Größte Überraschungen: Der Austausch auf Augenhöhe ab Tag eins. Wichtigste Learnings: Keine Scheu zu haben, Fragen zu stellen. Neue Ziele: Meine berufliche Expertise weiterzuentwickeln, um auch selbst Ansprechpartnerin für ressortübergreifende Arbeiten und Projekte zu werden.
Caroline Kopp, Foto: Johann Morozov
Caroline Kopp, Foto: Johann Morozov
Name: Caroline Kopp Kanzlei: Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB Spezialgebiet: Corporate | M&A Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Time-Management zwischen den verschiedenen Mandaten. Hilfreiche Skills: Selbstorganisation, Detailgenauigkeit und Sorgfalt, gutes Englisch, Small-Talk-Fähigkeiten (zum Bonding mit dem Mandanten) und ein gutes Gedächtnis. (Uni-)Wissen, das ich einbringen konnte: Ich bin eine Quereinsteigerin in der gesellschaftsrechtlichen Materie. An der Uni habe ich mich neben dem Pflichtstoff vor allem mit dem internationalen Privatrecht beschäftigt. Allgemein helfen einem aber die juristischen Grundfertigkeiten in der Praxis sehr weiter und man findet sich mit entsprechender Neugier und Interesse an neuen Sachverhalten schnell auch in unbekannte Rechtsgebiete ein. Spannendstes Projekt, an dem ich beteiligt war: Die rechtliche Beratung und Teilnahme an einer außerordentlichen Hauptversammlung in Präsenz. In dieser wurde über eine Kapitalerhöhung einer deutschen börsennotierten Gesellschaft (SE) gegen eine Sacheinlage in Form von Gesellschafterdarlehen entschieden. Ein Projekt, auf das ich mich freue: Die Eintragung einer der ersten grenzüberschreitenden (Herein-)Formwechsel nach den neuen Umsetzungsvorschriften der Mobilitäts-Richtlinie. Das Projekt ist anspruchsvoll, da es weder Praxiserfahrung noch ausführliche Literatur zur Auslegung der neuen Vorschriften gibt. Größte Überraschungen: Der direkte Kontakt mit den Mandanten von Anfang an und die einem übertragene Eigenverantwortlichkeit in Bezug auf Mandate. Beides ist aber stets mit dem Gefühl und dem Umstand gekoppelt, dass man nicht alleine ist und es immer Ansprechpartner*innen (andere erfahrenere Associates, Partner) gibt. Dabei sind alle Kollegen trotz des eigenen Zeitdrucks immer sehr hilfsbereit und nehmen sich die Zeit für die Fragen. Oft gelangt man dann durch eine gemeinsame Diskussion zu der optimalen Lösung für den Mandanten. Learnings: Was mich ebenso positiv überrascht hat und verschiedenste Learnings für mich bereithält ist der stetige Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt und die vielen Interaktionen mit verschiedenen Interessengruppen im Alltagsgeschäft. Neue Ziele: Mein erster Halbmarathon!

New Work – die Revolution der Arbeit

Die Juristin Lena Marie Glaser fordert eine New Work Revolution – so lautet auch der Untertitel ihres Buches. Damit das gelingt, braucht es mehr Kreativität und den Mut, neue Wege zu gehen, so die 38-Jährige. Dabei versteht sich Glaser als Brückenbauerin zwischen den Generationen, Arbeitgebern und Beschäftigten. Denn sie ist überzeugt: Die Arbeit der Zukunft muss solidarisch gestaltet werden. Im Gespräch mit dem karriereführer recht erklärt sie uns, wie New Work gelingen kann. Die Fragen stellte Marion Steinbach.

Zur Person

Lena Marie Glaser, Foto: Vilma Pflaum
Lena Marie Glaser, Foto: Vilma Pflaum
Die Österreicherin Lena Marie Glaser (geb. 1984) ist Juristin, Autorin des Buches „Arbeit auf Augenhöhe – Die New Work Revolution“ und Gründerin des Zukunftslabors für neues Arbeiten, basicallyinnovative.com in Wien. Sie studierte Jura an der Universität Wien und Contemporary European Studies an der University of Sussex und arbeitete als Referentin im Bundesministerium für Finanzen in Wien und Brüssel, bevor sie 2017 ihren sicheren Job kündigte und sich mit der Frage befasste: Wie wollen wir eigentlich arbeiten? Sie wurde von der Stadt Wien, wo sie lebt und arbeitet, mit dem „Creatives for Vienna“-Preis ausgezeichnet. Ihr Ziel ist es, Brücken zu bauen zwischen der alten und neuen Arbeitswelt. Sie publiziert, hält Vorträge an Universitäten und in Unternehmen, entwickelt Workshops und schult Führungskräfte.
Frau Glaser, was hat für Sie den Anstoß zur Gründung Ihres Zukunftslabors für neues Arbeiten gegeben? Ich hatte einen Job im Bundesfinanzministerium und damit genau das Ziel erreicht, das viele anstreben: mit Anfang 30 als Juristin eine sichere, gut bezahlte und angesehene Stelle und als Angestellte im Ministerium eine gute Work-Life-Balance. Eigentlich hätte ich glücklich sein müssen. Aber ich war es nicht. Ich fühlte mich erschöpft und war nicht mehr motiviert. Daher habe ich hinterfragt, welche Faktoren denn eigentlich wichtig sind, um zufrieden zu sein, was erfüllt mich mit Freude und habe erkannt: Es sind Anerkennung und Wertschätzung, die Möglichkeit mitzugestalten und neue Wege gehen zu dürfen. Dass ich damit nicht allein bin, habe ich sehr schnell herausgefunden. Denn eigentlich habe ich 2017 aus persönlichem Interesse mein „Zukunftslabor für neues Arbeiten“ gegründet. Mittlerweile führe ich es als Unternehmerin, teile die dort gewonnenen Erkenntnisse und ermutige Beschäftigte und Entscheider, aktiv die eigene Zukunft der Arbeit mitzugestalten. Wie und mit welcher Zielsetzung arbeiten Sie in Ihrem Zukunftslabor? In dem Zukunftslabor gehe ich den Fragen nach, wie wir Arbeit neu denken können und wie das umgesetzt wird. Ich lade Jung und Alt, Menschen in der Ausbildung und in Führungspositionen, aus Unternehmen, Universitäten und Gewerkschaften ein, über das Arbeiten nachzudenken. Ich frage die Menschen, wie sie in Zukunft arbeiten wollen und was sich bei der Arbeit ändern muss. Außerdem betreibe ich Feldforschung, untersuche die Arbeitskulturen in anderen Ländern und schaue mir an, welche Arbeitskonzepte es dort gibt. Vor allem die jungen Arbeitnehmenden wünschen sich eine wertschätzende, faire Arbeitskultur auf Augenhöhe, wollen einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, eine gute Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Sie möchten vom ersten Tag an eingebunden und gesehen werden. Die Ergebnisse vermittle ich an Führungskräfte in Unternehmen. So schaffe ich die Brücke zwischen den Angestellten und den Führungskräften. Dabei ist mein Ziel, Bilder von der Zukunft der Arbeit zu entwerfen, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht und Mut zu machen, die hierfür notwendigen Entscheidungen zu treffen. Wie finde ich als Berufseinsteiger heraus, welche Arbeit mich zufrieden macht? Im ersten Schritt sollte man sich bewusst machen, was einem wichtig ist und was man vom Arbeitgeber erwartet. Es hilft, viele unterschiedliche Berufsfelder und Arbeitgeber kennenzulernen. Kommt es zum Vorstellungsgespräch, sollte man die Dinge erfragen, die einem wichtig sind. Stand beispielsweise in der Stellenausschreibung, dass die Kanzlei Wert legt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder dass es flache Hierarchien gibt, sollte man nachfragen, wie genau das in der Kanzlei umgesetzt wird. Wichtig ist auch, so früh wie möglich mit der Führungskraft und dem Team zu sprechen, mit dem man arbeiten soll. Eine Probezeit kann dafür ganz gezielt genutzt werden. Wie fühle ich mich dort, wie ist die Stimmung? So kann man gleich herausfinden, ob man sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Ich empfehle auch immer, sich in Netzwerken oder bei den Mitarbeitern umzuhören, wie der Arbeitsalltag tatsächlich aussieht.
Cover Arbeit auf Augenhoehe„Arbeit auf Augenhöhe“ (Kremayr & Scheriau 2022)
Sie erwähnten gerade die flachen Hierarchien. Damit werben ja viele Arbeitgeber. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass flache Hierarchien aber nicht per se eine Voraussetzung für Zufriedenheit im  Job sind. Warum nicht? In Zukunft werden die traditionellen Arbeitsstrukturen immer weiter abflachen. Klar muss sein, dass ganz ohne Strukturen zu arbeiten auch sehr belastend sein kann. Flache Hierarchien heißt auch nicht, dass alle viel glücklicher sind. Denn wer mitreden darf, trägt auch Verantwortung. Das bedeutet – und damit sind wir wieder bei dem eben beschriebenen Schritt 1: Ich muss mir bewusst machen, ob ich so arbeiten möchte. Außerdem muss ich meine Kompetenzen und meine Persönlichkeit realistisch einschätzen, um zu erkennen, ob ich das auch kann. Vielleicht passt zu manchen ein hierarchisch strukturiertes Unternehmen besser und auch hier kann es im direkten Arbeitsumfeld viele Freiräume geben, sodass sich derjenige entfalten kann. In Ihrem Buch plädieren Sie dafür, dass wir uns trauen sollten, unsere kreativen Potenziale voll auszuschöpfen. Inwiefern ist Kreativität für Juristinnen und Juristen eine wichtige Fähigkeit? Die Arbeitswelt ist im ständigen Umbruch, darauf müssen wir uns immer wieder neu einstellen. Einfache Lösungen und Standardantworten funktionieren nicht mehr beziehungsweise nimmt uns diese die Künstliche Intelligenz ab. Um in einer sich wandelnden Arbeitswelt zu bestehen, brauchen wir unsere Kreativität. Als Kinder sind wir noch unbelastet, kreativ und lernen aus unseren Fehlern, aber in der Schule und im Studium zählen vor allem Fachwissen. Da wird uns die Kreativität vielfach abtrainiert. Daher empfehle ich, einfach mal die Pausetaste zu drücken, aus dem Hamsterrad auszusteigen, sich eine Auszeit zu nehmen und Neues auszuprobieren. So trainieren wir die Fähigkeit, zu neuen, besseren Lösungen zu kommen. Das ist gerade auch für Juristen besonders wichtig. Ebenso wichtig wie Fachwissen sind in Zukunft Social Skills. Im Studium lernt man Eigenverantwortung, Selbstorganisation und analytisches Arbeiten. Das sind wichtige Fähigkeiten der Zukunft, unabhängig davon, wie der Beruf der Jura-Absolventinnen und -Absolventen sich gestalten wird. Aber es gilt auch nach dem Studium lebenslang zu lernen, offen zu bleiben für neue Entwicklungen und Technologien. Ideal ist es, wenn Universitäten und Arbeitgeber Freiräume und die zeitlichen Ressourcen schaffen, damit jeder seine sozialen Kompetenzen vertiefen kann. Vielen Dank für das Gespräch.

Schrift-Sätze: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Cover Die VerteidigungEin sprachmächtiger Roman über die Frage nach Gut und Böse

1947, die Nürnberger Prozesse: Einer der Angeklagten ist Ernst von Weizsäcker, SS-Brigadeführer und Spitzendiplomat unter Ribbentrop. Zu seinen Verteidigern zählt auch sein Sohn Richard, der vier Jahrzehnte später als Bundespräsident in seiner Rede vom 8. Mai über Kriegsschuld und die Befreiung Deutschlands vom Nazi-Gräuel sprechen wird. Eine historische Konstellation, die man kaum erfinden könnte: Hier stoßen das alte, schuldbeladene Deutschland und die gerade entstehende Bundesrepublik aufeinander. Mit literarischem Gespür nähert sich Fridolin Schley den historischen Figuren und umkreist die grundlegenden Fragen nach Gut und Böse, Schuld und Unschuld, emotionaler und moralischer Verpflichtung. Fridolin Schley: Die Verteidigung. dtv Taschenbuch 2023, 12 Euro

Die verborgenen Muster von Natur und Gesellschaft erkennen

Cover Im Wald vor lauter BaeumenIn einer vernetzten Welt müssen wir vernetzt denken. Nur so können wir Zusammenhänge, grundlegende Gemeinsamkeiten, universelle Muster und Regeln erkennen. Und auf diese Weise vielschichtigen Phänomenen wie Pandemien, Klimakatastrophen, Artensterben, Verschwörungserzählungen begegnen. Der Komplexitätsforscher Dirk Brockmann nimmt die Welt als Ganzes in den Blick. Er sucht nach Ähnlichkeiten zwischen natürlichen und gesellschaftlichen Prozessen, macht Verbindungen sichtbar und liefert damit so ungewöhnliche wie aufschlussreiche Perspektiven. Eine Denkanleitung, die Komplexität einfach verständlich macht. Dirk Brockmann. Im Wald vor lauter Bäumen. Unsere komplexe Welt besser verstehen. dtv 2023, 14 Euro

Wie gerecht ist das Recht?

Cover StrafsachenDas Strafrecht polarisiert , fasziniert und empört wie kaum ein anderes Thema. Immer wieder gibt es Straftaten, die uns verunsichern, da sie unsere grundlegenden Regeln und Werte infrage stellen. Diese Verunsicherung wächst, wenn es zum Prozess kommt: Die Urteile der Gerichte sind für viele Bürger und Bürgerinnen häufig nicht nachvollziehbar. Elisa Hoven und Thomas Weigend greifen in ihrem Buch spektakuläre und prominente Fälle auf, die verwundert, besorgt oder empört haben. Anhand des „Ku’ Damm-Raser-Falls“ diskutieren sie, ob Raser Mörder sind. Der Fall der Gruppenvergewaltigung von Mülheim wiederum stellt die Gerichte sowie Leser und Leserinnen vor die Frage, ob und wie ein zwölfjähriger Vergewaltiger bestraft werden sollte. Und im Kapitel über den „Fall Kristina Hänel“ beleuchten die Autoren kritisch das Gesetz, das Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verbot . Stets analysieren sie, warum die Gerichte so und nicht anders geurteilt haben, und fragen, ob das juristisch wie ethisch vertretbar ist. Dabei zeigen sie die Grenzen und Bedingungen unseres Rechtssystems auf. Elisa Hoven und Thomas Weigend. Strafsachen. Ist unser Recht wirklich gerecht? DuMont 2023, 23 Euro

Schnitstellen von Digitalisierung und Recht

Die Digitalisierung hinterlässt ihre Spuren im Recht, etwa in der Vertragsgestaltung, bei Fragen der Strafzumessung oder im Verwaltungshandeln und ist damit Gegenstand der juristischen Ausbildung. Ausgehend von einer begrifflichen Klärung erörtert das Lehrbuch anhand der drei großen Hauptrechtsgebiete (Öffentliches Recht, Zivilrecht und Strafrecht) die Schnittstellen, an denen Recht und Digitalisierung sich treffen, etwa Grundrechte mit Digitalisierungsbezug, Fragen des Datenschutzes, Digitalisierung des Verwaltungshandelns, Automatisierter Vertragsschluss, digitale Inhalte und (Rechts-)Dienstleistungen, Eigentum an Daten und digitalen Token, strafrechtlicher Schuldbegriff und Straftatenahndung. Zahlreiche Beispiele sowie Wiederholungs- und Vertiefungsfragen am Ende eines jeden Kapitels erleichtern das Verständnis. Mario Martini, Florian Möslein, Frauke Rostalski: Recht der Digitalisierung: Legal Tech (Nomoslehrbuch). Nomos 2023, 28,90 Euro

Den Überblick behalten

Cover Legal-TechDie IT-basierte Optimierung rechtlicher Handlungsfelder ist Gegenwar t und Zukunft der (juristischen) Berufe. Was bedeutet das konkret für die eigene Beratungs- und Entscheidungssituation, wann kann oder muss ich welche Technik einsetzen? Antwor ten liefert der neue Stichwort-Kommentar Legal Tech. Auf knapp 1.400 Seiten und in 96 Stichworten erklär t er die rechtlichen, technischen und ökonomischen Aspekte von Legal Tech. Er geht auf die entscheidenden rechtlichen Aspekte des Einsatzes von Legal Tech-Anwendungen unter Einbeziehung aller betroffenen Rechtsgebiete ein, erläutert die Legal Tech-Tools in technischer Hinsicht – verständlich und fallbezogen – und stellt die verschiedenen Geschäftsmodelle in ökonomischer Hinsicht dar. Das Werk ist das ideale Arbeitsmittel für alle, die sich mit den praktischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Aspekten von Legal Tech ver traut machen oder ihre Kenntnis vertiefen möchten. Martin Ebers: StichwortKommentar Legal Tech. Recht | Geschäftsmodelle | Technik. Alphabetische Gesamtdarstellung. Nomos 2023, 149 Euro

Souverän mit Krtikern und Rechthabern umgehen

Cover Menschen ueberzeugenWie begeistere ich Kritikerinnen und Kritiker für meine Ideen? Wie hole ich Menschen ins Boot, die stur auf ihren Überzeugungen beharren? Und warum eskalieren viele Diskussionen offline und online so schnell? Marie-Theres Braun zeigt anhand von realen Geschichten aus Beruf und Alltag, wie viel Macht hinter kooperativen Strategien steckt. Sie erklärt den Hintergrund von Gesprächs-Sackgassen und verrät rhetorische Methoden, mit denen wir unser Gegenüber überzeugen und uns in Diskussionen behaupten können. Die Schritt-für-Schritt-Techniken verhelfen selbst konfliktscheuen Menschen zu mehr Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft. Die Kommunikationsexpertin erläutert mitreißend, wie wir auch schwierige Menschen „knacken“ und zu einer positiven Gesprächskultur finden. Marie-Theres Braun. Menschen überzeugen, die Recht haben wollen. 24 kooperative Techniken. Campus Verlag 2023, 24 Euro

Als Jurist promovieren? So klappt´s

Cover Die juristische DissertationDieses Buch soll Lust darauf machen, sich der Herausforderung einer juristischen Dissertation zu stellen und beantwortet die Fragen, die im Laufe eines Promotionsprozesses aufkommen, zum Beispiel: „Wann ist der passende Zeitpunkt für eine Promotion – nach dem ersten oder nach dem zweiten Examen?“ „Soll ich in meiner Dissertation gendern?“ „Wie läuft das Promotionsverfahren ab?“ Oder: „Wie finde ich einen Verlag?“ Die Antworten kommen aus der Praxis. Denn die Autorin und der Autor des Buches haben mit 300 Promovierenden aus 15 juristischen Fakultäten gesprochen und ihre Antworten zusammengefasst. Herausgekommen ist ein Buch, das kein dogmatischer Ratgeber sein soll. Auch die wertvollen Hinweise von Betreuungspersonen und anderen Doktorandinnen und Doktoranden soll das Buch nicht ersetzen, sondern ergänzen um den Erfahrungsschatz anderer Doktorandinnen und Doktoranden. Daria Bayer/Jan-Robert Schmidt. Die juristische Dissertation. C.H. Beck 2023, 12,90 Euro