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Das letzte Wort hat: Vera Schneevoigt

Vera Schneevoigt stieg in ihrer Angestellenkarriere bis in die Vorstandsetage auf. 2022 beendete sie diese, um ihre Eltern und Schwiegereltern zu pflegen. Die Fragen stellte Christoph Berger

Vera Schneevoigt, Jahrgang 1965, zählt zu den einflussreichsten Frauen in der IT in Deutschland. Bis September 2022 war sie Chief Digital Officer bei Bosch Security and Safety Systems. Heute ist sie Aufsichtsratsmitglied bei Futura Germany, in Eltern-Pflegezeit und sie unterstützt bei der Integration von Flüchtlingen den Arbeit und Kultur e.V. Helferkreis. Zudem ist sie Autorin und Podcasterin. www.tech-löwinnen.de

Sie machten in einer von Männern dominierten Branche und als Arbeiterkind Karriere – und die begann nicht heute, sondern vor 40 Jahren. Wie schafften Sie das?
Weil ich es kann. Und: Es ist einfach passiert, nichts war geplant. Ich denke, ich kann Sachen, die als sehr wichtig und wertvoll erachtet wurden. Ich habe mit einer Ausbildung bei einer Tochtergesellschaft von Siemens angefangen, habe sehr vieles in den 1980er- und 1990er-Jahren von der Pike auf gelernt, was in einem großen Konzern wirklich wichtig ist und habe mich weiterentwickelt und -gebildet. Zudem habe ich kein Problem mit Männern – auch als überzeugte Feministin nicht. Und über meinen Vater, er war lange Zeit Betriebsrat, habe ich mitbekommen: Es geht um einen würdevollen und respektvollen Umgang, um Klarheit und darum, Position zu beziehen.

In einer Vorstellung von Ihnen, die ich gelesen habe, stand, dass Sie die tektonischen Verwerfungen durch disruptive Innovationen so gestalten würden, dass sie fair, human und zukunftsgerichtet sind. Ist die Digitalisierung menschenfeindlich?
Nein, die Digitalisierung ist nicht per se menschenfeindlich. Sie ist eine Veränderung, in größten Teilen ein weiterer Schritt der Automatisierung von Geschäftsprozessen! Was aber neu hinzukommt, ist, dass ich mit der Automatisierung zwei Dinge regeln kann. Zum einen den Mangel an Arbeitskräften. Zum anderen kommt auf das Automatisieren, was uns aus der Produktion und der gesamten Industriegeschichte bekannt ist, jetzt on top das Thema Künstliche Intelligenz. Durch diese massive Datenvielfalt haben wir das große Risiko der Nutzung sowie die Frage: Ist das Lernen der Daten mit Vorurteilen behaftet oder nicht? Deswegen kämpfe ich so stark für das Thema Vielfalt. Außerdem ist der Mensch viel langsamer in seinem Veränderungsverhalten als es die Algorithmen und Daten heute in der KI können. Das ist der Dissens, den ich sehe.

Denken Sie, dass es dem Menschen gelingen wird, sich selbst im Zentrum seines Handelns zu halten?
Ja, bei den jungen Menschen glaube ich das. Ich halte es zudem für sehr wichtig, lebenslang zu lernen und sich über Generationen hinweg über Entwicklungen auszutauschen – und diese in den jeweiligen Kontext zu setzen – Datenmissbrauch gibt es zum Beispiel schon immer.

Das Stichwort „Generationen“ möchte ich direkt aufgreifen. Sie kündigten Ihre Vollzeitstelle als Chief Digital Officer bei Bosch Security and Safety Systems Ende September 2022, um Ihre Eltern und Schwiegereltern zu pflegen. Können Sie Ihre Gründe dafür beschreiben?
Die Entscheidung wurde von mir nicht von einem Moment auf den anderen gefällt, es handelte sich um einen Entscheidungsprozess. Ende 2020, in der Corona-Pandemie, stellten mein Mann und ich fest, dass wir den Einfluss der Situation auf die Gesundheit meiner Eltern nicht mehr aus der Ferne – wir lebten 600 Kilometer auseinander – klären konnten. Wir fällten den Entschluss, uns räumlich zu verändern. Dabei kam für mich auch die Frage: Wie will ich überhaupt weiterarbeiten? Die Antwort war die Kündigung. Daran sieht man, dass es keinen Plan gab und es auch nicht die Möglichkeit gibt, einen Plan komplett umzusetzen. Es braucht vielmehr eine hohe Flexibilität.

Welchen Tipp können Sie jungen Menschen aus diesen gemachten Erfahrungen mitgeben?
Schaut euch um, was seht ihr in eurem Umfeld, wie funktioniert Älterwerden, was möchtet ihr selbst. Sprecht in der Familie ganz offen darüber. Wir haben viele Jahre mit unseren Eltern darüber gesprochen, wie sie alt werden wollen, wie das hinzubekommen ist und ob es dafür Unterstützung braucht. Es geht dabei auch darum, selbstbestimmt mitzuentscheiden. Kurz: Wie schaffen wir das als Familie und mit anderen Beteiligten, wie kann jeder seine speziellen Fähigkeiten einbringen? Aber auch darum, rote Linien festzulegen.

Aus Ihrer Sicht und der erwähnten Flexibilität: Ist es ein neues Phänomen, dass Karrieren in Wellen verlaufen?
Ich glaube, dass es immer Menschen gab, die Wellenkarrieren hatten, der Mainstream hat aber signalisiert, dass die geradlinigen Karrieren die richtigen sind. Aber gibt es ein richtig und falsch zum Beispiel in Bezug auf Menschen, die einem nahestehen? Neu ist, dass Menschen wie ich heute darüber sprechen. Wir müssen den Diskurs – auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung – darüber führen. Denn wie soll sich sonst etwas verändern?

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