karriereführer bauingenieure 2018.2019 – Bauingenieure werden zum Urban Constructor

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Bauingenieure werden zum Urban Constructor

Weltweit beginnen sie gerade damit, die Städte fit für die digitale Zukunft zu machen. Denn: Der Megatrend Urbanisierung setzt sich fort. Und wenn Städte wachsen, wird gebaut. Überall suchen Citys nach baulichen Lösungen, um den Verkehr in den Griff zu bekommen und genügend Wohnungen zu errichten. Parallel wachsen die Ansprüche der Bewohner sowie die ökologischen Herausforderungen. Für Bauingenieure bedeutet das: Die Arbeit wird mehr – und sie wird immer spannender.

Megatrend Urbanisierung

Bauingenieure werden zum Urban Constructor. Weltweit beginnen sie gerade damit, die Städte fit für die digitale Zukunft zu machen. Denn: Der Megatrend Urbanisierung setzt sich fort. Und wenn Städte wachsen, wird gebaut. Überall suchen Citys nach baulichen Lösungen, um den Verkehr in den Griff zu bekommen und genügend Wohnungen zu errichten. Parallel wachsen die Ansprüche der Bewohner sowie die ökologischen Herausforderungen. Für Bauingenieure bedeutet das: Die Arbeit wird mehr – und sie wird immer spannender.

1950 war die Welt noch ein Dorf. Genauer: Die meisten Menschen auf der Erde lebten auf dem Dorf, also in ländlichen Strukturen, nämlich 70 Prozent. In den Städten tummelten sich dagegen nur 30 Prozent der Weltbevölkerung. Mit den Jahren begann sich das Verhältnis zu verschieben, der Megatrend der Urbanisierung setzte ein. Den Wendepunkt erlebte die Welt rund ums Jahr 2006: Erstmals lebten auf der Erde mehr Menschen in Städten als auf dem Land.

Und der Trend setzt sich weiter fort: „Während heute 55 Prozent der 7,62 Milliarden Erdenbürger Stadtbewohner sind, werden es im Jahr 2050 voraussichtlich zwei Drittel, also 68 Prozent, sein“, heißt es in einer Mitteilung der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) auf Basis des „World Urbanization Prospects“ der Vereinten Nationen aus dem April 2018. Besonders stark nehme die Urbanisierung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu; in Deutschland leben schon heute mehr als drei von vier Bewohnern – nämlich 77 Prozent – in Städten, im Jahr 2050 werden es voraussichtlich 84,3 Prozent sein, so die Prognose des UN-Berichts.

Urbanisierungsgrad in Deutschland

Mit einem Anteil von 75 Prozent Stadtbevölkerung war der Grad der Urbanisierung bereits im Jahr 2000 im internationalen Vergleich hoch. Seitdem steigt der Anteil laut Statistik des Portals Statista weiter an. Aktuell leben 77,3 Prozent der Deutschen in einem städtischen Raum, wobei dieser Anteil seit 2011 im Gegensatz zum globalen Trend so gut wie stagniert.
Quelle: www.gartner.com

Citys müssen bauen: Gebäude, Verkehrswege

Ist diese Entwicklung nun Fluch oder Segen? Zunächst ein Blick in die besonders schnell wachsenden Städte in den Schwellenländern. Dort bietet die Verstädterung den Menschen die Chance auf einen höheren Lebensstandard – „wenn eine geplante Stadtentwicklung erfolgt“, wie DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr sagt. „Denn in den Metropolen lassen sich medizinische Versorgung, Schulen und andere öffentliche Dienstleistungen im Vergleich zu ländlichen Gebieten mit niedrigeren Pro-Kopf-Kosten bereitstellen.“ Zudem sind große Städte Motoren des wirtschaftlichen Wachstums: Laut UN-Studie werden in den Citys bis zu 80 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts eines Staates erwirtschaftet. Voraussetzung für eine geplante Stadtentwicklung sei jedoch, dass gezielt in solche Angebote investiert werde. Sprich: Es muss Geld für den Aufbau von Infrastruktur und die Errichtungen von öffentlichen Gebäuden zur Verfügung gestellt werden. Passiert das, sind diese Länder mit ihren wachsenden Städten für die Bauindustrie ein sehr Erfolg versprechender Markt.

Die rasch fortschreitende Urbanisierung, die Alterung der Infrastruktur, das Bevölkerungswachstum, der Klimawandel und technologische Innovationen fordern Städte weiterhin heraus.“ Thorsten Schulte, City Executive bei Arcadis Deutschland

Dass Städte weltweit investieren müssen, steht für die Analysten von Arcadis außer Frage. Der internationale Projektmanagement- und Ingenieurdienstleister stellt jährlich einen City-Index auf, der Städte nach der Qualität ihrer nachhaltigen Mobilität bewertet. Der Report für das Jahr 2017 trägt den Titel „Bold Move“, ins Deutsche übersetzt: mutiger Zug. Und genau das fordern die Berater von Arcadis von den Städten: mutig zu sein und jetzt zu investieren, allen voran in den Bau einer Infrastruktur für nachhaltige Mobilität. Der „Sustainable Cities Mobility Index“ untersucht und gewichtet die Verkehrsinfrastruktur von 100 Metropolen, basierend auf Bewertungskriterien in den Kategorien Menschen, Umwelt und Wirtschaft.

„Die rasch fortschreitende Urbanisierung, die Alterung der Infrastruktur, das Bevölkerungswachstum, der Klimawandel und technologische Innovationen fordern Städte weiterhin heraus“, sagt Thorsten Schulte, City Executive bei Arcadis Deutschland. Diejenigen Kommunen, die in ihre urbanen Verkehrssysteme investieren, werden sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, schätzt der Urbanisierungsexperte: „Investitionen in verbesserte und nachhaltige Mobilität werden in Städten die Produktivität, Attraktivität und allgemeine Lebensqualität erhöhen.“ Es verlange Mut und den Willen städtischer Entscheidungsträger, die Lebensqualität in ihren Städten zu verbessern. „Stillstand ist aber keine Option“, so Schulte.

Es dauert nicht mehr lange, dann wird sich Mobilität in den Städten ganz neu ausdifferenzieren.

Zukunftsthema: Infrastruktur für alternative Mobilität

Mit Blick auf den Index zeigt sich, dass in Sachen Nutzerzahlen und Abdeckung die asiatischen Megacities wie Hongkong, Tokio, Seoul und Peking führend sind, lediglich New York repräsentiert hier den Westen. Die deutschen Städte Berlin, Hamburg, München und Frankfurt platzieren sich im Mittelfeld. Anders sieht das beim Spezial-Index Umwelt aus: Hier liegen Frankfurt, München und Berlin vorne, Hamburg liegt auf Platz zwölf, unter den Top Ten befinden sich ausschließlich europäische Städte, was zeigt: In Sachen Luftqualität, Grünflächen und CO2Emissionen bekommen diese Städte im internationalen Vergleich sehr gute Noten. Die Herausforderung ist es nun, diesen positiven grünen Effekt noch deutlicher zu machen und auszubauen.

Stapelbare Stadt und Leben in der Röhre

Viele Science-Fiction-Filme und Bücher haben die Vision einer stapelbaren Stadt aufgegriffen: Die Menschen leben nicht mehr in festen Häusern, sondern in flexiblen und stapelbaren Elementen. In Hongkong ist diese Idee nun Teil eines Wohnexperiments: Ein Architekt hat große Röhrenelemente als Mini-Apartments gestaltet, Durchmesser 2,50 Meter, Wohnfläche zehn Quadratmeter. Das ist nicht viel, aber besser als nichts. In der überfüllten Stadt finden viele Arbeiter auf dem Markt überhaupt keine Wohnungen mehr und leben in noch kleineren Verschlägen.
www.jameslawcybertecture.com

„Die Aufgabe der Stadtplanung ist es, das Laufen, Radfahren und das Fahren mit Bus und Bahn attraktiver zu machen als die Benutzung des eigenen Autos“, sagt Diane Legge, bei Arcadis Expertin für die Themen Mobilität und Stadtplanung. Dabei hat sie auch die Zielgruppen im Blick, die von diesen nachhaltigen Verkehrsmitteln nicht abhängig sind, weil sie die finanziellen Mittel für ein eigenes Auto haben. Diese Stadtbewohner müsse man mit „attraktiven, effizienten und modernen Designs“ locken, so Diane Legge. Und auch Big Data werde ein Thema werden: „Wenn wir 2020 aus dem Haus gehen, erhalten wir Optionen für den Transport anhand von Variablen wie Zeit und den tatsächlichen Kosten, aber auch der Anzahl der Kalorien, die wir verbrauchen, oder den CO2-Fußabdruck, den wir hinterlassen“, sagt die Arcadis-Expertin.

Diese Informationen werden dafür sorgen, dass Entscheidungen ganz anders getroffen werden als heute. Es dauert nicht mehr lange, dann wird sich Mobilität in den Städten ganz neu ausdifferenzieren. Dann muss jedoch die Infrastruktur bereits stehen, weshalb die Experten so sehr darauf pochen, dass die Metropolen jetzt die Infrastruktur verbessern und neu aufbauen müssen. Dadurch entstehen für Bauingenieure mit Sinn für moderne und nachhaltige Mobilität in den Städten einige sehr interessante Tätigkeitsfelder, in denen sie auf den Schnittstellen zu Stadtplanung und IT die Urbanisierung entscheidend mitgestalten können.

Nach oben bauen, wenn unten alles dicht ist

Dringend gebaut werden muss aber auch in den Städten, die bereits heute voll und damit zugebaut wirken. Denn auch in diesen Metropolen steigt die Zahl der Bewohner – und mit ihnen die Preise für Immobilien und Mieten. Um dem Bedarf an Wohn- und Arbeitsraum gerecht zu werden, zeigt die Baurichtung nach oben: Die junge Bauingenieurin Roma Agrawal glaubt fest an eine Renaissance der Wolkenkratzer, „denn nur solche Gebäude erlauben die Maximierung von Raum in bereits stark bevölkerten Stadtvierteln“, sagt die Britin, die sich als Mitplanerin des Londoner Hochhauses „The Shard“ international einen Namen gemacht hat.

Studie zu Smart Cities

Auch das McKinsey Global Institute (MGI) hat in seiner Studie „Smart Cities: Digital solutions for a more liveable future“ herausgefunden, dass der flächendeckende Einsatz digitaler Angebote die Lebensqualität in Städten spürbar steigern kann. So sinken in einer „Smart City“ die tägliche Pendelzeit, die Kriminalitätsrate und das Müllaufkommen, und es steigt die Luftqualität. Von den 50 durch das Institut untersuchten Städten ist die digitale Infrastruktur am weitesten fortgeschritten in New York, Singapur und San Francisco. Berlin und Hamburg liegen im unteren Mittelfeld.

Quelle: https://mck.co/2Jq8ccn

Für Agrawal stehe das Bauen in die Höhe für die Zukunft, weil sich die Materialtechnik weiterentwickelt habe. Bauingenieure arbeiteten daran, neue Baustoffe wie Carbonfasern zu entwickeln. „Solche deutlich leichteren und dennoch stärkeren Materialien erlauben uns, das statische Gewicht zu reduzieren, was zum einen die Arbeit am Fundament erleichtert und zum anderen das Gebäude effizienter macht“, sagt sie. Zu den Herausforderungen des Planens und Bauens von immer höheren Wolkenkratzern zähle die Entwicklung neuer vertikaler Transporttechniken sowie eine noch bessere Analyse der Auswirkungen von Wind, Hitze und Kälte auf die Baustruktur. Hierfür stehen den Bauingenieuren jedoch neue digitale Analysemethoden zur Verfügung. Agrawal glaubt daher, dass es durch „fortgeschrittene Computermodelle, Materialien und Baumethoden kein Limit mehr gibt, wie hoch wir bauen können. Für Bauingenieure heißt das, wir leben in aufregenden Zeiten.“

Zu den Herausforderungen des Planens und Bauens von immer höheren Wolkenkratzern zählt die Entwicklung neuer vertikaler Transporttechniken sowie eine noch bessere Analyse der Auswirkungen von Wind, Hitze und Kälte auf die Baustruktur.

Stadt wird multifunktional

Doch nicht auf die Höhe kommt es an: Die Trendforscher vom Zukunftsinstitut rufen in ihrem Report „Die Stadtwirtschaft von morgen“ mit Blick auf das urbane Bauen die „Ära der Multifunktionalität“ aus: „In den nächsten Jahren werden die klassischen Grenzen zwischen Wohnen und Arbeiten, zwischen Beruf und Freizeit, öffentlich und privat, Familien- und Freundeskreis weiter verschwimmen“, heißt es in der Studie. Der innovative Wohnungsbau werde daher neue Konzepte entwickeln: „Weil bauliche Strukturen künftig schneller und flexibler auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren müssen, die notwendigen Herstellungs-, Bewirtschaftungs- und Modernisierungskosten jedoch weiterhin hoch sind, werden Wohnungen, Grundrisse, Gebäude und Quartiere zunehmend multifunktional und ‚nutzungsneutral’ gestaltet“, schreiben die Trendforscher. Ein Stichwort ist hier der modulare Bau.

Master-Studiengang Smart City Solutions

Zum Wintersemester 2018/19 startete die HFT Stuttgart den neuen, in dieser Form weltweit einmaligen englischsprachigen Master-Studiengang Smart City Solutions. In drei Semestern sollen die Studierenden in einem internationalen Umfeld übergreifende Kompetenzen in den Bereichen ‚Smart’ Stadtplanung und Gebäude, ‚Smart’ Infrastruktur (Energie, Mobilität, Ressourcenmanagement, Resilienz) und Smart-City-Projektmanagement sowie Finanzierung und Digitalisierung erwerben.

https://bit.ly/2AhS479

Auch der demografische Wandel beeinflusse die Art, wie in Zukunft in Städten gebaut werde: Die Autoren vom Zukunftsinstitut glauben, dass ein Begriff wie „altersgerecht“ schon bald kein Teil des Marketings mehr sein werde – und zwar, weil diese Aspekte in neuen Gebäuden ganz selbstverständlich Teil eines generationenkompatiblen Entwurfs sein werden: „Ageless- und Universal-Design-Konzepte sorgen dafür, dass Wohnungseinrichtungen so gestaltet sind, dass eine flexible, leichte und intuitive Nutzung mit hoher Fehlertoleranz möglich ist. Barrierefreiheit und Ästhetik sind nicht länger ein Gegensatz.“ Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass die Herausforderungen, die an Bauingenieure gestellt werden, groß sind. Es geht nicht nur darum, in bereits dichten Metropolen weiteren Wohnraum sowie eine Infrastruktur für Mobilität und Wirtschaft zu errichten: Was heute gebaut wird, muss nachhaltig und effizient sein sowie den steigenden Ansprüchen der Menschen in den Städten gerecht werden. So zu planen und zu bauen, ist nicht nur spannend, sondern eine ausgezeichnete Zukunftsperspektive: Die Urbanisierung schreitet fort, und auch für Bauingenieure sind die Metropolen dieser Welt in den kommenden Jahren ein entscheidender Jobmotor – Bauingenieure werden zum Urban Constructor.

Start-ups als neue Bau-Akteure

Wie jeder Trend fördert auch die Urbanisierung das Ideenreichtum in den Unternehmen. Neben den großen Konzernen etablieren sich Startups mit ungewöhnlichen Ideen. Zum Beispiel:

  • MQ Real Estate: Bauen dort, wo andere gar nicht auf die Idee kämen, zum Beispiel durch modularen Bau auf kaum genutzten Parkflächen.
    www.mqre.de
  • Cabin Spacey: Errichten von ökologischen Mini-Häusern auf Dachflächen.
    www.cabinspacey.com
  • Freeelio: Blockchain-Tools helfen, den Energiegewinn von Solaranlagen auf Dächern richtig auszunutzen.
    https://sites.google.com/view/freeelio-de

Cover Smart CityBuchtipp

Smart City: Innovationen für die vernetzte Stadt – Geschäftsmodelle und Management Städte müssen enorme Herausforderungen bewältigen: Zu- oder Abwanderung, Energie- und Ressourcenknappheit, Luftverschmutzung oder Überlastung der Infrastruktur sind nur einige Beispiele. Die Lösung wird oftmals in Smart-City-Konzepten gesehen. Doch was bedeutet „Smart City“ ganz konkret? Dieses Buch liefert Antworten auf diese und viele andere Fragen. Oliver Gassmann, Jonas Böhm, Maximilian Palmié: Smart City. Hanser 2018, 48 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

Implenia Deutschland-Chef Dr.-Ing. Matthias Jacob im Interview

Als Geschäftsführer von Implenia Deutschland und Aufsichtsrat der Initiative „planen-bauen 4.0“ gehört Dr.Ing. Matthias Jacob zu den führenden Verfechtern eines vernetzten und digitalen Arbeitens in Bauunternehmen. Im Interview erklärt der promovierte Bauingenieur, welche neuen Job-Profile die BIM-Methode entstehen lässt und warum partnerschaftliches Arbeiten wichtiger denn je ist. Das Gespräch führte André Boße.

Herr Dr. Jacob, wenn Sie sich an Ihre erste Managementfunktionen in der Bauindustrie ab Ende der 1980er-Jahre zurückerinnern, was war damals komplett anders als heute und was hat sich hingegen überhaupt nicht geändert?
Ich bin seit 1987 in der Bauindustrie tätig, ab Mitte der 1990erJahre in Managementfunktionen. Gebaut wurde auf der Baustelle seit jeher mit 2D-Plänen und separaten Leistungsbeschreibungen, mal mehr, oft weniger stimmig und aktuell. E-Mails und Internet waren noch nicht vorhanden. Das heißt, es wurde noch mehr miteinander gesprochen.

Welche Eigenschaften und welche Qualitäten haben Ihnen auf dem Weg nach oben besonders geholfen?
Neben einer fundierten Ausbildung an der TU Dortmund mit der Vertiefungsrichtung Baubetrieb und Bauwirtschaft haben mir insbesondere praktische Erfahrungen auf Baustellen dabei geholfen, die Besonderheiten der Bauproduktion zu verstehen. Daneben waren Kompetenzen wie Teamfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe und besonnenes Handeln in Krisensituationen sehr wichtig.

Die digitalen Möglichkeiten in der Industrie und nun auch in der Bauwirtschaft sind allgegenwärtig.

Wie würden Sie aktuell die Stimmung in der Baubranche beschreiben? Herrscht dank der neuen digitalen Möglichkeiten eine Aufbruchstimmung?
Die digitalen Möglichkeiten in der Industrie und nun auch in der Bauwirtschaft sind allgegenwärtig. Die rasante Weiterentwicklung scheint uns sogar teilweise zu überrennen. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sie ohne den Einsatz digitaler Methoden in den nächsten Jahren nicht mehr konkurrenzfähig sein werden. Allerdings schürt diese Entwicklung auch Ängste: vor technologischem Wandel und den Geschäftsmodellen, die sich als Folge daraus verändern werden. Die Frage, wie die Digitalisierung letztlich das jeweilige Unternehmen beeinflusst und im Idealfall noch wirtschaftlicher machen soll, schafft bei einigen Akteuren große Unsicherheit.

Sie plädieren für einen stärkeren interdisziplinären Austausch bei Bauprojekten. Wenn Sie sich diesen Austausch in der Praxis anschauen, wo liegen die Herausforderungen, warum tun sich manche schwer mit diesem Austausch?
Interdisziplinärer Austausch bedeutet immer auch, eigene Arbeitsabläufe umzustellen und offenzulegen. Zu Beginn der Umstellung auf eine engere und kooperativere Zusammenarbeit entsteht zum einen ein gewisser Mehraufwand, weil man den anderen Projektbeteiligten Informationen kontinuierlich zukommen lassen und sich regelmäßig absprechen muss. Zum anderen ist die daraus abgeleitete Transparenz nicht jedem recht, da die eigene Arbeitsweise hierbei ständig durch die anderen Projektbeteiligten auf dem Prüfstand steht.

Es steht außer Frage, dass BIM den Bau verändert hat und weiter verändern wird. Welche Vorzüge der digitalen Methode werden Ihrer Meinung nach zu selten kommuniziert?
Der größte Vorzug von BIM ist meines Erachtens der partnerschaftliche, integrale Ansatz dieser Arbeitsmethode. Alle Projektbeteiligten arbeiten interdisziplinär mit einem gemeinsamen Projektverständnis zusammen. Dies reduziert Missverständnisse, fördert den Informationsfluss und damit schnellere Entscheidungen.

Viel eher wird es in Zukunft auf Kommunikations- und Management-Qualitäten ankommen, welche im Projekt unter Beweis gestellt werden müssen.

Für Bauingenieure brechen mit BIM zweifellos neue Zeiten an. Welche neuen Kompetenzen sind unabdingbar, um fit fürs Thema BIM zu sein? Gibt es darunter Skills, die man zunächst gar nicht auf dem Schirm hat – die aber dennoch unverzichtbar sind?
Mit Sicherheit, denn Softwarekenntnisse sind nur ein Teil der Voraussetzungen, um in einem BIM-Projekt erfolgreich zu sein. Viel eher wird es in Zukunft auf Kommunikations- und Management-Qualitäten ankommen, welche im Projekt unter Beweis gestellt werden müssen. Der Fokus liegt bei BIM auf der Vernetzung und Bereitstellung der projektbezogenen Daten, was zwingend eine kooperative und strukturierte Projektarbeit des ganzen Teams voraussetzt. Wer sich neuen Technologien und Veränderungen in der eigenen Arbeitsweise nicht verschließt, kann als junger Bauingenieur bedenkenlos in die Zukunft blicken.

Der Weg zum komplett digitalen Bau ist noch lang, dennoch: Was glauben Sie, wie digital kann ein Bauprojekt in naher Zukunft werden?
Die Entwicklung der technologischen Möglichkeiten geht rasend schnell voran, was einen Blick in die Zukunft sehr schwer macht. Allerdings gibt es heute schon Anzeichen dafür, dass sich der Bau wesentlich verändern wird. Möglichkeiten wie der Einsatz von Betondruckern und Fertigungsrobotern auf der Baustelle werden bereits in Pilotprojekten umgesetzt. Aber auch die digitale Bau-Dokumentation wird ein wesentlicher Bestandteil eines ganzheitlichen BIM-Projektes werden.

Was zeichnet diese digitale Bau-Dokumentation aus?
Alle wesentlichen Projektdaten werden über die gesamte Planungs- und Bauzeit gesammelt und mit dem BIM-Modell verknüpft. Zusätzlich zum real gebauten Bauwerk wird dem Bauherrn somit auch ein digitaler Zwilling übergeben, der für die lange Zeit des Gebäudebetriebs genutzt werden kann.

Wie wird die Digitalisierung auch die Arbeit in den großen Bauunternehmen verändern? Werden beispielsweise ganz neue Job-Profile entstehen?
Derzeit wird die Projektabwicklung mit BIM durch zwei neue Rollen ergänzt: Der BIM-Manager treibt die BIM-Implementierung im Unternehmen voran und überwacht den BIM-Prozess im Projekt. Der BIM-Koordinator organisiert den Informationsfluss zwischen den Projektbeteiligten, führt die einzelnen Fachmodelle in einem Koordinationsmodell zusammen und ist für die Vorgaben und Einhaltung eines projektspezifischen BIM-Abwicklungsplans verantwortlich. Diese neuen Job-Profile werden in Zukunft jedoch wieder mit den Rollen des bestehenden Projektteams verschmelzen, wenn in einigen Jahren der Einsatz von BIM obligatorisch geworden ist.

Zur Person

Dr.-Ing. Matthias Jacob leitet seit Januar 2018 den Geschäftsbereich Implenia Hochbau Deutschland. Seit seiner Promotion als Bauingenieur und nachfolgender universitärer Tätigkeit an der TU Dortmund ist Matthias Jacob seit 1987 in verschiedenen Managementfunktionen in der Bauwirtschaft tätig, unter anderem ab 2005 als Mitglied und von 2007 bis 2010 als Vorsitzender der Geschäftsführung der Bilfinger Hochbau GmbH. Vor seinem Einstieg bei Implenia hatte er ab 2011 als Technischer Geschäftsführer die Leitung der Wolff & Müller Holding übernommen. Neben seiner Mitgliedschaft im Beirat des Masterstudiengangs Real Estate Management und Construction Project Management sowie eines Lehrauftrags an der Bergischen Universität Wuppertal ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Initiative „planen-bauen 4.0“.

Zum Unternehmen

Implenia Hochbau Deutschland entstand, als der führende Baudienstleister in der Schweiz, Implenia, vom deutschen Baukonzern Bilfinger die Sparten Hoch- und Ingenieurbau übernahm. Heute ist Implenia im Bereich Hoch- und Ingenieurbau in ganz Deutschland mit rund 3000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro tätig. Der Hauptsitz von Implenia Deutschland ist in Raunheim, gelegen zwischen Mainz und Frankfurt. Der Mutterkonzern mit seinen 8000 Mitarbeitern in 14 Ländern hat seine Zentrale in Dietlikon bei Zürich.

https://implenia.com

 

Um die Ecke denken

Ein Haus mit hoher Denkerstirn: Mitdenken gilt nicht nur für Mitarbeiter – auch Gebäude denken jetzt mit. Der „cube berlin“ ist ein Smart Commercial Building. Äußerlich zieht es durch seine markante Glasfassade die Blicke auf sich. Doch auch auf die inneren Werte kommt es an. Das Haus verfügt über ein „Brain“, wie der Bauherr CA Immo und das Projektmanagement- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer unserem Autor Christoph Berger erklärten.

Die Leitmotive des Gebäudes sind Innovation, Digitalisierung, New Work, Open Space, Open Mind, Smart Working und Smart Building. Mit dem 42,5 Meter hohen und aus elf Geschossen bestehenden Bau am Washingtonplatz in Berlins Bezirk Mitte wurde im Herbst 2016 begonnen. Entworfen wurde das Gebäude von dem in Kopenhagen, Dänemark, ansässigen Architektenbüro 3XN Architekten. Der cube Berlin wird 19.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche erhalten, von denen 17.000 Quadratmeter vermietbare Nutzfläche sind. Die Fertigstellung ist für Ende 2019 geplant.

Das Haus hat die Wired-Score Zertifizierung in Platin bereits erhalten, mindestens DGNB Gold wird noch angestrebt. Im Inneren wartet das Gebäude dann mit Fakten auf, die eher neu für Fact Sheets sind – ganz getreu den Leitlinien. Gemeinsam mit Drees & Sommer entwickelte die CA Immo ein Digitalisierungskonzept, das 3750 Sensoren für die Steuerung und den Betrieb des Gebäudes vorsieht, 750 Beacons, also Hardware-Sender und -Empfänger, und etwa 140 Mobilfunkantennen.

Am digitalen Wandel in Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft arbeitet man auch in Hamburg am „Hammerbrooklyn. Digital-Campus“:
http://hammerbrooklyn.hamburg

Mit dem sogenannten „Brain“ verfügt das Smart Commercial Building über eine künstliche Intelligenz (KI). Sie verknüpft die meisten technischen Anlagen, Sensoren sowie Planungs, Betriebs- und Nutzerdaten intelligent miteinander. Diese KI wird die Prozesse im Gebäude optimal steuern und aus den Daten des Betriebs, der Nutzer und der Umwelt lernen. So kann sie beispielsweise vorschlagen, Mietflächen sukzessive aufzufüllen, damit nicht benötigte Flächen nicht energetisch versorgt werden müssen.

Ziel all dieser Maßnahmen ist es, den Gebäudenutzer ins Zentrum der Planungen zu stellen: Wie kann der Nutzer mit seinen Prozessen erfolgreicher gemacht werden? Über ein Management Cockpit wird er mit umfassenden Daten über Gebäudeverbräuche und Nutzerverhalten informiert; über eine eigens erstellte App kann er selbst das Raumklima, Zugangskontrollen, die Paketstation und noch einiges mehr steuern – so kann er eingreifen und auf diese Weise die Flächennutzung entsprechend optimieren. Alles unter höchsten IT-Sicherheitsstandards und im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung. So wird eine neue Vision von einem Gebäude entwickelt, die es bis dato auf dem Immobilienmarkt noch nicht gab.

Suez Canal Crossing

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Es ist der Tag vor Heiligabend 2017: Gerade hat der dritte von vier Herrenknecht-Mixschilden die Vortriebsarbeiten für den ersten von zwei neuen, doppelröhrigen Straßentunneln unter dem Suez-Kanal beendet. – Autoschlangen gehören bald der Vergangenheit an. Von Christoph Berger

Ziel der neuen Tunnelbauwerke bei den beiden ägyptischen Städten Port Said und Ismailia ist es, die Sinai-Halbinsel stärker an das ägyptische Kernland anzubinden und der Region so neue wirtschaftliche Chancen zu eröffnen: Anstatt bis zu fünf Tage vor der Fähre in langen Autoschlangen zu verbringen, wird die Passage des Suez-Kanals über die leistungsfähigen Tunnel zukünftig nur noch zehn Minuten dauern. Dazu wurden in rund anderthalb Jahren zwei gigantische, doppelröhrige Straßentunnel, vier Tunnelröhren also, unter der künstlichen Wasserstraße aufgefahren: Zwei Straßentunnel entstanden nördlich von Ismailia und verlaufen unter dem alten und neuen Suez-Kanal. Zwei weitere unterqueren den Kanal südlich von Port Said.

An dem besagten 23. Dezember 2017 beendete der dritte Herrenknecht-Mixschild S960 mit einem Durchmesser von 13,02 Metern seinen Vortrieb für das Straßentunnel-Projekt bei Ismailia. Insgesamt waren für die neuen Suez-Querungen vier hochmoderne, baugleiche Tunnelbohrmaschinen vom deutschen Tunnelbohrunternehmen Herrenknecht geordert worden. Diese Maschinen stellten die Tunnel in Tiefen von bis zu 60 Metern und bei bis zu sechs Bar Wasserdruck in 19 Monaten her – insgesamt 15,3 Kilometer neue Tunnel. Um das komplexe Projekt erfolgreich abzuschließen, hatte das deutsche Unternehmen im Vorfeld der Vortriebsarbeiten 40 ägyptische Ingenieure in Schwanau und auf den Baustellen ausgebildet.

Die Mixschilde der Tunnelbohrmaschinen haben einen Durchmesser von 13,02 Metern und erstellen über 15 Kilometer neue Tunnel für das Großprojekt. Zudem wurden die Vortriebsmannschaften von den deutschen Experten mit umfassenden Serviceleistungen versorgt und Peripherie-Einrichtungen bereitgestellt: Dazu zählten beispielsweise Navigations- und Prozessdatenmanagement-Systeme, Schalungen und Multi-Service-Fahrzeuge.

Nicht zuletzt arbeiteten auch erfahrene und fachkundige Serviceexperten von Herrenknecht im Team mit der Mannschaft der bauausführenden Unternehmen zusammen, um Baustellenprozesse wie Montagen und den eigentlichen Vortrieb zu optimieren. Doch mit der aus Deutschland gelieferten Technologie wird nicht nur die Verkehrsinfrastruktur in der Region den zeitlichen Anforderungen angepasst, mit ihr werden auch Ver- und Entsorgungsleitungen gebaut. Zwei HDD-Rigs, eine Horizontalbohrtechnik zur grabenlosen Pipelineverlegung, ziehen Rohrleitungen für den Ausbau des Stromnetzes ein. Und zwei AVND-Maschinen, Vortriebsuniversalisten für jede Geologie im Durchmesserbereich von 0,4 bis etwa vier Metern, wiederum sorgen für den Bau von Wasserleitungen für die Landwirtschaft.

Seriell und modular

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Deutschland leidet unter einem massiven Wohnungsmangel – gerade in den Ballungszentren. Daher will die Bau- und Immobilienwirtschaft das Bauen beschleunigen – zu moderaten Preisen und hoher Qualität. Ein europaweites Ausschreibungsverfahren brachte nun neun Lösungen zum seriellen und modularen Bauen hervor, die als Katalysatoren für die Beschleunigung zur Verfügung stehen. Von Christoph Berger

Dass das Bauunternehmen Goldbeck Logistikhallen, Parkhäuser und Bürogebäude baut, ist bekannt. Nun baut das Unternehmen auch Wohnungen. Dabei geht es um Wohnungen mit System aus industriell vorgefertigten Bauteilen. Goldbeck ist eins von neun Unternehmen, das nach dem ersten europaweiten Ausschreibungsverfahren für serielles und modulares Bauen ausgewählt wurde und dessen System nun von den Mitgliedsunternehmen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW ausgewählt werden kann – dazu wurde im Mai dieses Jahres eine Rahmenvereinbarung zwischen GdW, Bundesbauministerium, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Bundesarchitektenkammer unterzeichnet.

Ziel der Ausschreibung war es, Systeme zu identifizieren, um Wohnungsneubauprojekte schneller, einfacher, kostengünstiger und trotzdem in hoher Qualität realisieren zu können. So ergibt sich die Zeitersparnis gerade dadurch, dass Teile der Projektausschreibung und -vergabe sowie der Planung eines vorgesehenen Wohnungsbaus durch die Rahmenvereinbarung sowie durch verkürzte Baustellenzeiten aufgrund der Vorfertigung von Bauteilen vorweggenommen wurde. Neben Goldbeck gehören auch Lechner Immobilien Development, AH Aktiv-Haus, Max Bögl Modul, ALHO Systembau, Solidbox, Lukas Lang Building Techno logies, ARGE MBN Bau sowie Hullak Rannow und Züblin zu den Auserwählten.

Das Fact Sheet …

… zur „Rahmenvereinbarung für serielles und modulares Bauen – für schnellen, kostengünstigen Wohnungsbau in hoher Qualität“:
https://bit.ly/2J0sl4N

Die industriell und in Massivbauweise entwickelten Module im Bausystem von Max Bögl werden beispielsweise in zwei Längen angeboten und sind für alle typisierbaren Gebäudekategorien einsetzbar. Die Konfiguration von städtebaulichen Ensembles und Gebäuden findet mithilfe eines Planungskatalogs statt, die Module werden dann auf der Baustelle montiert. Bis zu acht Geschosse sind mit der Lösung möglich. Ebenso werden die von Solidbau entwickelten Wohnmodule aus Smartbeton fast vollständig im Werk vorgefertigt – ebenfalls mit einer Zusage an Flexibilität bei Größe und Grundrissen.

Die Bauindustrie sieht in den Ausschreibungsergebnissen mehrere Vorteile: Zum einen sollen die im seriellen und modularen Wohnungsbau schlummernden Potenziale ausgelotet werden, zum anderen „sehen wir in der Design-and-Build-Ausschreibung einen wichtigen Schritt in Richtung einer vertieften partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Architekten und Baufirmen. Wir sind davon überzeugt, dass gerade beim seriellen Wohnungsbau – insbesondere beim Einsatz von Wohnmodulen – frühzeitig auch die Baukompetenz in die Planung eingebracht werden muss“, betonte Marcus Becker, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, bei der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung.

Das Leben ist eine Baustelle: Kultur- und Linktipps

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OHNE ECKEN: ARVO PÄRT KONZERTSAAL IM WALD

Foto: Tõnu Tunnel / Arvo Pärt Centre
Foto: Tõnu Tunnel / Arvo Pärt Centre

Arvo Pärt, der international angesehene Komponist aus Estland, erhielt in seinem Heimatland ein neues Gebäude, das sich dem Leben und dem Werk des 1935 geborenen Musikers widmet. Das Arvo Pärt Zentrum, das zwei spanische Architekten entwarfen, befindet sich in Laulasmaa, rund 35 Kilometer von der estnischen Hauptstadt Tallinn entfernt. Schon 2010 gründete die Familie des Komponisten ein Archiv für die Skizzenhefte, Partituren und audiovisuellen Datenträger des Künstlers. Mit dem Neubau wurde das Archiv nun für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das helle Gebäude, das aus Glas, Holz und Beton besteht, liegt in einem Kiefernwald in der Nähe der Ostsee und beherbergt auch einen Konzertsaal mit 150 Plätzen, eine Bibliothek, Lese- und Seminarräume sowie Ausstellungsflächen. Der knapp 2400 Quadratmeter große Bau, der auch eine Kapelle und eine Aussichtsplattform umfasst, hat keine Ecken. Finanziert hat das 8,3 Millionen teuren Projekt der estnische Staat.
www.arvopart.ee/en

KOLLEGE ROBOTER HILFT BEIM BAU

Foto: AIST

Er nimmt das Brett in die Hand, bringt es zur Wand, ermittelt die richtige Position und befestigt es mit ein paar Schrauben. Noch ein paar Wiederholungen, und fertig ist die Trockenwand. Das Besondere daran: Die Arbeit macht kein Bauarbeiter, sondern der humanoide Roboter HRP5P, der sich eigenständig bewegt, Objekte erkennt und vermisst und seine Arbeitsschritte selbstständig plant. Erfinder des Bauhelfers ist das japanische National Advanced Industrial Science and Technology Institute (AIST), das seinen 1,82 Meter großen und 101 Kilo schweren menschenähnlichen Roboter nun in einem Youtube-Video vorstellte. Derzeit sucht das AIST nach Industriepartnern, um die Technik weiter zu verbessern und den Roboter künftig vielleicht wirklich im Hoch-, Flugzeug- oder Schiffbau einzusetzen.

LÄNGSTE BRÜCKE DER WELT ERÖFFNET

55 Kilometer lang ist die Hong Kong-Zhuhai-Macao-Brücke (HZMB), die China im Oktober eröffnet hat. Die HZMB ist damit weltweit die längste Meeresbrücke. Sie verbindet die Finanzmetropole Hongkong mit den chinesischen Industriestandorten Zhuhai und Macao. Die Brücke selbst ist knapp 30 Kilometer lang, der Rest sind Zufahrtsstraßen von und zu den angebundenen Städten. Zu der Konstruktion gehört auch ein sieben Kilometer langer Tunnel unter Wasser, der taifun- und erdbebensicher gebaut wurde. Mit 15 Milliarden Euro waren die Baukosten weit höher als geplant. www.hzmb.gov.hk/en

STUDIERENDE WERDEN BAUHERREN

Seit Anfang 2013 treibt eine studentisch geprägte Projektgruppe das Projekt für das Neue Collegium Academicum (CA) in Heidelberg voran. Dabei handelt es sich um eine Initiative, in der ein selbstverwaltetes Wohnheim, eine Bildungsinstitution sowie ein kulturelles Zentrum unter einem Dach vereinigt werden. Das Projekt entsteht auf ehemals militärisch genutzten Flächen in Heidelberg-Rohrbach. Genutzt werden zwei Bestandsgebäude, ein Neubau wird in moderner Holzbauweise gebaut. So entsteht unter anderem gemeinschaftliches Wohnen und bezahlbarer Wohnraum für mehr als 200 junge Menschen.
Weitere Infos unter: https://collegiumacademicum.de

BAU EINER EINZIGARTIGEN UNTERWASSERRESIDENZ

Foto: Conrad Hotels & Resorts
Foto: Conrad Hotels & Resorts

„Dieses revolutionäre Konzept wird das Erlebnis der Malediven für Reisende verändern.“ Mit diesen Worten kündigte die Hotelmarke Conrad Maldives Rangali Island im April den Bau einer Unterwasserresidenz an. 15 Millionen US-Dollar würden dafür investiert, heißt es. Dafür können Besucher dann auch unter Wasser übernachten – Kopf an Kopf mit Fischen. Weitere Infos unter: www.hiltonhotels.de/malediven/conradmaldivesrangaliisland

BEZAHLBARE WOHNUNGEN VON STARARCHITEKTEN

 

Foto: Rasmus Hjortshoj
Foto: Rasmus Hjortshoj

Funktional und bezahlbar, dazu noch sicher und nachhaltig – das waren die Anforderungen, die die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft von Lejerbo in Dänemark an die Architekten stellte. Diese sollten ein Konzept für den Kopenhagener Stadtteil Bispebjerg erstellen, in dem günstiger Wohnraum stark nachgefragt ist. Stararchitekten entwarfen ein fünfgeschossiges, 6800 Quadratmeter großes Gebäude mit 66 Wohnungen zwischen 60 und 115 Quadratmetern. Der kurvige Bau mit einem kleinen Platz in der Mitte besteht aus Modulen, die wie aufeinandergestapelte Schachteln ausschauen. Struktur geben vorfabrizierte Holzpaneele. Der dänische Architekturverband hat diesen Bau mit dem Lille Arne Award 2018 ausgezeichnet.

DIE LÄNGSTE HÄNGEBRÜCKE NÖRDLICH DES POLARKREISES

Foto: Line Vestnes
Foto: Line Vestnes

In Norwegen entsteht mit einer freien Spannweite von 1145 Metern derzeit eine der längsten Hängebrücken Europas. Die Hålogalandbrücke an der Fernstraße E6 wird 300 Kilometer nördlich des Polarkreises gebaut. Sie überquert einen Fjord nahe der Stadt Narvik. Die Gesamtlänge der Brücke umfasst 1533 Meter, an beiden Seiten befinden sich zudem Tunnel. Auf die Fahrbahn wird eine große Menge an Spezialasphalt mit einer besonderen Rezeptur aufgebracht, auf die Stahloberfläche kommt zudem eine wasserfeste Schicht von 80 Millimetern. Die Brücke wird von einem chinesischen Unternehmen gebaut und aus Staatsgeldern sowie Mauteinnahmen finanziert. Der Zeitpunkt der Eröffnung hat sich verzögert und steht noch nicht fest.

HOCHWASSER AUSSPERREN

Venedig wird regelmäßig von Hochwasser heimgesucht. Um die Stadt – und vor allem das historische Zentrum – zu schützen, wird derzeit ein Sturmflutsperrwerk aus beweglichen Fluttoren gebaut. Das sogenannte MO.S.E.Projekt (modulo sperimentale elettromeccanico) wird an den drei Öffnungen der venezianischen Lagune installiert und soll bei Hochwasser die Lagune vom offenen Meer abschotten. Ähnliche Sperrwerke gibt es bereits an der Themse in London und im niederländischen Rotterdam. www.mosevenezia.eu/?lang=en

FAB FAM: ERFOLGREICHE FAMILIENUNTERNEHMEN

91 Prozent der Firmen in Deutschland zählen laut der Stiftung Familienunternehmen zum Unternehmertyp Familienunternehmen: regional verwurzelt, doch oftmals international aufgestellt. Auch in der deutschen Bauindustrie gibt es viele Familienunternehmen, die seit Generationen bestehen und wachsen. Alleine unter den Top 10 der größten Bauunternehmen befinden sich aktuell sieben Familienunternehmen. Das älteste, die Bauer AG, wurde 1790 gegründet. Wer in die Zeitmaschine einsteigen will: Um 1790 herum gab es noch kein Telefon, kein Fahrrad und natürlich noch keine Autos.

Was macht eigentlich ein: BIM-Manager?

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Die Gebäudevision? Der Aufbruch in eine neue Arbeitswelt, orientiert am Dreiklang „Mensch“, „Raum“ und „Technologie“. Der Axel-Springer- Neubau im Herzen Berlins vereint avantgardistische Architektur und kühne Ingenieurskunst. Entworfen hat ihn Rem Koolhaas, Generalunternehmer ist Züblin. Dort setzt man auf Partnerschaft und BIM. BIM-Manager Dr. Florian Binder öffnete für uns sein Projekttagebuch. Aufgezeichnet von Christoph Berger

Zur Person

Dr. Florian Binder, Foto: Züblin
Dr. Florian Binder, Foto: Züblin

Florian Binder, gebürtiger Heidelberger. Seit 2014 bei der Ed. Züblin AG. Aufgaben als BIM-Manager: Konzeption und Leitung von BIM-Projekten; Entwicklung und Implementierung von BIM-Anwendungen in allen Lebenszyklusphasen eines Bauwerks Gremienarbeit für Züblin: Mitwirkung in der VDI Richtlinienreihe 2552 „Building Information Modeling“ Ausbildung: Studium Wirtschaftsingenieurwesen (Bau) sowie Bauingenieurwesen an der TU Darmstadt; Abschluss als Dipl.-Wirtsch.- Ing. und Dipl.-Ing.: Studienschwerpunkte Baubetrieb, Bauinformatik, Immobilienmanagement. Später wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetrieb der TU Darmstadt; Abschluss als Dr.-Ing. mit den Forschungsthemen in den Bereichen BIM, baubetriebliche Informationsversorgungssysteme und Baulogistik.

Nicht alleine die Architektur des neuen Axel Springer-Hauses ist einzigartig und wird zu einem weiteren Blickfang in Deutschlands größter Metropole werden. Auch die Tragstruktur des Neubaus mit seiner komplexen Geometrie ist äußerst herausfordernd. So sieht der Entwurf des Stararchitekten Rem Koolhaas ein bis zu 45 Meter hohes Atrium vor, das sich durch das gesamte Gebäude zieht und zum bestehenden Verlagsgebäude von Axel Springer hin öffnet. Um die Lasten der über dem Atrium liegenden oberen fünf Etagen zu tragen, ist ein Transfertragwerk im obersten Geschoss notwendig – eine 1325 Tonnen schwere Stahlbaumontage.

Alleine aufgrund dieser Komplexität wurden bereits die Entwurfsplanung und Angebotsbearbeitung für das Projekt mit Unterstützung von BIM-Software durchgeführt – mal abgesehen davon, dass auch der Bauherr den Wunsch hat, das Gebäude nach Fertigstellung mit BIM zu betreiben und die von uns erstellten digitalen Bauwerksmodelle mit einem Facility-Management-System zu verknüpfen. Dadurch können Informationen aus Planung und Bau direkt für das Facility Management genutzt und vor allem verortet werden. Somit haben wir mit Projektstart nicht nur den Bau, sondern den gesamten Gebäudelebenszyklus im Blick. Da ist Zusammenarbeit vonnöten:

Bauingenieure, Architekten und Haustechniker arbeiten zusammen, um das Projekt gemeinsam zum Erfolg zu führen. Zwar wird das Gebäude am Ende physisch aus Beton und Stahl bestehen, doch viele Prozesse, die die Erstellung eines entsprechenden Bauwerks unterstützen, sind mittlerweile digitalisiert – auch auf Basis von BIM.

So läuft beispielsweise die Kollisionsprüfung als Unterstützung der Planungskoordination mit BIM ab. Geprüft wird etwa, ob der Durchbruch in einer Wand für die dort zu verbauende Brandschutzklappe geometrisch passt. Für die Planung bedeutet dies zum einen, dass hier schon ein hoher Bedarf nach Detailinformationen besteht, da zum Beispiel der nötige Ringspalt um die Brandschutzklappe abhängig von den Eigenschaften der zu verbauenden Klappe ist. Und es bedeutet, dass die Planung einen entsprechenden Vorlauf vor der Ausführung benötigt – es bringt nichts, wenn die Software eine Kollision aufspürt, die Wand dann aber schon betoniert ist.

Werden mithilfe von BIM Kollisionen aufgespürt, dann werden diese gemeinsam innerhalb des digitalen Modells gelöst. Mit Beginn der Ausführungsphase konnten die Ingenieure dann aufgrund der detailgetreuen Vorarbeiten über Bauwerksinformationsmodelle auf die im Modell hinterlegten Informationen der Planungsphase zugreifen. Allerdings mussten dazu nicht nur die Planungen auf einem sehr hohen Qualitätsniveau abgeschlossen sein, benötigt wurden auch weitreichende Entwicklungen in den angewandten Prozessen und den eingesetzten Informationstechnologien. Und: Die Bauleiter aus Rohbau, Fassade, Ausbau sowie der technischen Gebäudeausrüstung greifen nicht nur auf die erstellten Daten zu, sie tragen auch neue Informationen aus der Ausführung über ihre Tablets in die Systeme ein – BIM wird damit zu einer sehr produktiven Methode.

Aufgaben eines BIM-Managers

Ich selbst bin BIM-Manager in dem Projekt und bereits im Zuge der Angebotsbearbeitung eingestiegen. Im Großen und Ganzen bin ich vonseiten Züblins dafür verantwortlich, dass wir die durch den Bauherrn und unser Projektteam gesteckten BIM-Ziele effizient erreichen. Hierzu erstellte ich nach der Beauftragung einen sogenannten BIM-Abwicklungsplan – in Abstimmung mit der Projektleitung und Gesamtplanungskoordination. Dieser Plan wurde und wird im Projektverlauf phasenweise ergänzt, angepasst und vor allem praxisnah verfolgt. Am spannendsten ist dabei natürlich die Steuerung der praktischen Umsetzung durch meine Kollegen aus der BIM-Koordination und mich. Gerade die Koordination der gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit mit all den beteiligten Personen stellt in einem solch komplexen Projekt die größte Herausforderung dar – neben einzelnen technischen Aspekten.

Zudem ändern sich die an BIM gestellten Anforderungen immer wieder neu, sodass es gilt, auch während des Projekts immer wieder neue Prozesse zu entwickeln. Dabei muss ich priorisieren, ob überhaupt jede Neuerung tatsächlich für den Einsatz sinnvoll ist. Ebenso sind Aufwand und Risiken zu berücksichtigen. Zusammengefasst ist es also eine gute Mischung aus technischen und zwischenmenschlichen Herausforderungen. Damit diese erfolgreich gemeistert werden können, bedarf es grundsätzlich eines übergeordneten technischen Verständnisses, einerseits für die IT, andererseits für die durch BIM unterstützten Bauprozesse.

Und gerade durch den Umgang mit allen anderen Beteiligten im Bauprojekt benötigen wir keine reinen IT-Experten, sondern vielmehr Bauingenieure, die BIM als Werkzeug zur Bewältigung der Herausforderungen in den Bauprojekten verstehen. Natürlich braucht es darüber hinaus auch die notwendigen Kommunikationsfähigkeiten, die mit einer gewissen Portion Leidensfähigkeit bei IT-Problemen, aber auch Gelassenheit gepaart sein sollten – für die Stresssituationen. Prinzipiell habe ich festgestellt, dass diejenigen, die sich mit diesen Voraussetzungen für die Erstellung von Bauwerken wie für den Einsatz von Innovationen begeistern, auf jeden Fall Freude an den Arbeiten eines BIM-Managers haben.

Was den Axel-Springer-Neubau betrifft, so lagen wir beim Richtfest im September 2018 voll im Kosten- und Terminplan. Allerdings will ich dies nicht auf den BIM-Einsatz zurückführen. Aus meiner Sicht spielen dafür vielmehr realistische Zielsetzungen die größte Rolle. In dem Projekt haben der Bauherr, unsere Angebotsbearbeitung und unsere Projektleitung diesbezüglich offensichtlich hervorragende Arbeit geleistet. Natürlich kommt es dann auch auf die entsprechende Umsetzung durch das Projektteam und alle beteiligten Nachunternehmen an. Da hat BIM sicherlich an der ein oder anderen Stelle geholfen. Aber es ist definitiv nicht die maßgebliche Größe. Und letztlich muss man auch festhalten, dass erst die Fertigstellung des Rohbaus gefeiert wurde. Im Projekt ist daher noch viel zu leisten. Ich hoffe, es geht genauso weiter.

„Es müssen mehr Ingenieure fortgebildet werden“

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BIM soll ab 2020 bei allen neu zu planenden Projekten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eingesetzt werden. Über die Voraussetzungen sprach karriereführer-Autor Christoph Berger mit Georg Reitschmidt, Managing Director des 5D Instituts in Friedberg (Hessen) und Mitausrichter des Kongresses „Infrastruktur digital planen und bauen 4.0“.

Georg Reitschmidt,Foto: 5DInstitut
Georg Reitschmidt,Foto: 5DInstitut

Herr Reitschmidt, ist BIM im Infrastrukturbereich schon stärker als in anderen Baubereichen angekommen?
Die großen Auftraggeber, die Deutsche Bahn und die DEGES, treiben das Thema aktiv voran. Und ebenso fordert und fördert das BMVI als zuständiges Ministerium die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden öffentlichen Auftraggeber zum Thema BIM – die laufenden Pilot- und Regelprojekte werden wissenschaftlich begleitet, um Erkenntnisse zu sammeln und diese dann zu multiplizieren. Im Hochbau gibt es hingegen bei der öffentlichen Hand bisher nur eine Zielsetzung, aber keine konkrete Umsetzung. Allerdings sind im privaten Sektor vor allem bestimmte Generalunternehmer im Bereich BIM schon sehr aktiv, da sie den Mehrwert für sich erkannt haben. Der Infrastrukturbereich hat aktuell durch seine öffentlichen Pilotprojekte so zwar eine besondere Strahlkraft, ist dem Hochbau aber nur im öffentlichen Bauen voraus. Im Infrastrukturbereich kommen zudem die Vorteile von BIM besonders zum Tragen, da Auftraggeber, Nutzer und Betreiber aus demselben Konzern stammen.

Die erste Phase des dreistufigen Plans zur Einführung von BIM wurde in diesem Jahr abgeschlossen, die dazugehörigen Pilotprojekte wurden ausgewertet. Was sind die Kernergebnisse dieser ersten Phase?
Die Auswertung der Pilotprojekte geht weiter: Hier sind vor allem die Begleitforschungen BIM4RAIL und BIM4INFRA zu nennen. Die Pilotprojekte haben bisher viele gute Erkenntnisse geliefert, aber auch gezeigt, wie schwer es ist, bei einem Infrastrukturprojekt mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren in kurzer Zeit Erkenntnisse zu gewinnen. Die Normung wird national und international aktiv vorangetrieben – hier sind wir auf einem guten Weg. Beim Thema Ausbildung sind sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer noch zurückhaltend, hier muss definitiv mehr getan werden.

https://5d-institut.de
http://bim-kongress.de

Und welche weiteren Schritte müssen nun folgen?
Das BMVI ist mit der Gründung eines BIM Kompetenzzentrums auf einem guten Weg. Denn: Das Thema muss mehr in die Breite gebracht und es müssen mehr Ingenieure fortgebildet werden. Anders wird die Bearbeitung aller neuen Infrastrukturprojekte ab 2020 nach der BIM-Methodik, wie vom BMVI gefordert, nicht machbar sein.

Mal von BIM abgesehen: Welche weiteren Digitalisierungslösungen sind für den Bau noch interessant?
Es gibt für BIM viele Definitionen, daher lässt sich einiges nicht leicht abgrenzen. Große Potenziale liegen aber in der Zulieferkette: Das reicht von der Bestellung des Materials bis zum digitalen Lieferschein. Dort gibt es noch viel zu optimieren. Auch die Automatisierung und die Robotik im Bau werden sicher zunehmend eine Rolle spielen – vor allem aufgrund des Mangels an Facharbeitern auf den Baustellen und steigenden Investitionen. Ein weiteres Thema wird die digitale Baufabrik mit einer höheren Vorfertigung werden. Hier könnte der europäische Markt zunehmend unter Druck geraten durch Zulieferer aus Fernost.

Hohes aus Holz

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Warum Hochhäuser aus Holz weltweit boomen? Weil Nachhaltigkeit beim Bauen im Trend liegt. Holz gehört zu den Baumaterialien der Zukunft. Waren es anfangs vor allem Wohnhäuser aus Holz, entstehen inzwischen auch Wolkenkratzer aus dem nachwachsenden Rohstoff. Von Christoph Berger

Auf dem Baufeld 102 im Quartier Elbbrücken in Hamburgs Hafencity, prominent auf der vorspringenden Kaianlage des Baakenhafens gelegen, wird bis 2021 die „Wildspitze“ entstehen, Deutschlands höchstes Holzgebäude. Markanter Orientierungspunkt wird dabei ein rund 64 Meter hoher, 18geschossiger Turm sein, der allseitig mit einer individuell zu öffnenden, gläsernen zweiten Fassadenhaut, die als Lärm, Witterungs- und Brandüberschlagsschutz dient, umhüllt werden wird. Mit Ausnahme der aussteifenden Treppenhauskerne werden sowohl die tragenden Bauteile als auch die Gebäudehülle vollständig aus Holzwerkstoffen hergestellt.

Die Wildspitze ist längst kein Einzelfall mehr. Vielmehr gehört sie in eine immer länger werdende Liste von Holzbau-Projekten, die sich auch vor der Höhe nicht mehr scheuen. In Japan arbeitet man gerade an Plänen, ein 350 Meter hohes Holzhochhaus zu bauen. 2041 soll es in der dortigen Hauptstadt Tokio stehen. In London soll der 300 Meter Oakwood Timber Tower gebaut werden. Eine Konzeptstudie für eine Wohnanlage in Stockholm, Schweden, sieht 31 Holztürme für einen neuen Stadtteil vor: eine hölzerne Wolkenkratzerstadt, „the narrow wooden skyscraper city“.

Weiter fortgeschritten ist man bereits in Wien: Dort fand im Oktober 2016 der Spatenstich für den HoHo Wien statt, ein 84 Meter hoher Holzturm in der dortigen Seestadt Aspern. Im März dieses Jahres wurde der erste Baukörper des Turms fertiggestellt und ein Musterbüro präsentiert – 2019 soll es dann vollständig eröffnet werden. Die Wände und Decken bestehen aus naturbelassenem Fichtenholz. Der typische Holzgeruch ströme daher in alle Räume und erzeuge ein einzigartiges Raumklima, heißt es. Studien hätten gezeigt, dass die Raumluftqualität in Holzhäusern als sehr gut bewertet wird. Und: In einer Stunde und 17 Minuten sei die Holzmenge des für den Turm verwendeten Holzes in Österreichs Wäldern nachgewachsen, betonen die Projektentwickler.

„Holz ist genug da“, sagte demnach auch Dr. Sebastian Rüter vom Thünen-Institut für Holzforschung auf dem zweiten Holzbau-Hochschultag in Oldenburg an der Jade Hochschule. Und es weise eine hervorragende Ökobilanz auf – gerade dann, wenn man den kompletten Verwertungszyklus im Fokus habe: Produktion, Bau, Nutzung und Abbau. Eine Aussage, die auch Achim Hannott, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF), unterstreicht: „Die nachhaltige Nutzung des Waldes bedeutet aktiven Klimaschutz. Produkte aus Holz sind wirksame Kohlenstoff-Speicher, die den CO2Anstieg bremsen und damit die Klimaerwärmung abschwächen können.“

So würden Holzprodukte im Gegensatz zu vielen mineralischen und metallischen Baumaterialien meist deutlich weniger „graue Energie“ beinhalten, also die Energie, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung aufgewendet werden muss. Auf dem Holzbau-Hochschultag in Oldenburg wurde zudem noch ein weiterer Vorteil von Holzbauten hervorgehoben: Holzteile werden immer öfter vorgefertigt und erst dann an die Baustellen geliefert. Das verkürzt unter anderem die Bauzeiten und bedeutet weniger Stress für die Anwohner. Kurz: Der Einsatz von Holzwerkstoffen wirkt sich auf den gesamten Bauprozess aus.

Zertifikatsstudiengang

„Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ An der Hochschule Augsburg wird seit Oktober 2017 das berufsbegleitende Zertifikatsstudium „Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ angeboten. Zulassungsvoraussetzungen sind unter anderem ein Bachelor in Bauwesen, Architektur oder verwandten Disziplinen und erste Berufserfahrung.

Weitere Infos unter:
www.hs-augsburg.de/holzbau.html

Gerade in Verbindung mit BIM könnten Holzteile schon sehr früh eingeplant werden. Wiederum ein Faktor, der Zeit spart und Kosten senkt. Das Projekt S22 auf dem Suurstoffi Areal in Rotkreuz, Schweiz, wird zum Beispiel mit BIM ausgeführt. Dabei handelt es sich um ein zehngeschossiges Hochhaus, das in fünfeinhalb Monaten hochgezogen wird.

Trotz dieser Vorteile: Bedenken gegenüber Holzbauten werden immer wieder vorgebracht. Um das Bauen mit Holz voranzubringen, haben Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin ihre Landesbauordnungen angepasst und unterstützen so den Bau von mehrgeschossigen Holzhäusern. Um Aufklärung ist auch die Initiative „Charta für Holz 2.0“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bemüht. Auf der Plattform werden unter anderem die Material- und Energieeffizienz des Baustoffs Holz erläutert – immerhin ist der Bausektor einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereiche in Deutschland. So heißt es: „Für die Herstellung und Entsorgung von Baustoffen aus Holz ist in der Regel weniger fossile Energie notwendig als für Materialien auf Basis endlicher, mineralischer Rohstoffe.“ Betrachte man außerdem die Potenziale, so sei das Bauen mit Holz im Ein- und Zweifamilienhausbau etabliert und erfreue sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Doch gerade im Nichtwohnungsbau, bei Büro- und Verwaltungs- oder Industriegebäuden, würden noch ganz besondere Potenziale liegen.

Da wundert es nicht, dass sich die Nachrichten „überschlagen“. Wird die anfangs erwähnte Wildspitze derzeit als Deutschlands zukünftig höchstes Holzhochhaus eingestuft, traf dies im Januar 2018 noch auf das zehngeschossige Hochhaus SKAIO zu, das im Rahmen der Stadtausstellung zur BUGA 2019 in Heilbronn entsteht. Das dortige Gebäude wird in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet: Wände und Decken sind dabei aus Holz und werden den überwiegenden Teil der Konstruktion ausmachen. Doch ganz ohne Beton kommt die neuartige Hybrid-Konstruktion nicht aus: Sockelgeschoss und Treppenhaus bestehen jeweils aus Stahlbeton und werden zuerst ausgeführt. Die Fassade wird von außen mit Aluminium-Platten verkleidet.

Holzhochhäuser

Wildspitze Hamburg:
www.hafencity.com/de/elbbruecken/projekt-102-555-wildspitze-555-.html

HoHo Wien:
www.hoho-wien.at

Der Oakwood Timber Tower in London:
www.plparchitecture.com/oakwood-timber-tower.html

Das SKAIO in Heilbronn:
https://stadtsiedlung.de/deutscher-nachhaltigkeitspreis-architektur-geht-an-das-holzhochhaus-skaio-in-heilbronn/

Masthamnen in Stockholm:
http://andersberenssonarchitects.com/work/masthamnen

Micro-Living

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Wieviel Quadratmeter braucht Heimat? Wie viele Möbel braucht das Zuhause von morgen? Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt sich der deutsche Entrepreneur und Architekt Van Bo Le-Mentzel – immer nach dem Motto: „Konstruieren statt Konsumieren“. Er entwickelte das Projekt „100-Euro- Wohnung“. Dabei handelt es sich um ein Tiny House, ein sehr kleines Haus. Von Christoph Berger

„Da ist eine weltweite Bewegung, besonders in den USA, in der Menschen aus ihren Häusern ausziehen, um in richtig kleinen Häusern zu leben, die um die sechs Quadratmeter groß sind.“ Mit diesen Worten begann der in Berlin lebende Architekt Van Bo Le-Mentzel die Vorstellung von Tiny Houses auf den TEDx Talks 2014. Eine nur 6,4 Quadratmeter große Wohnung entwickelte Le-Mentzel selbst – 2 mal 3,2 Meter in Breite und Länge, die Deckenhöhe beträgt 3,60 Meter. Er nennt sie die „100-Euro-Wohnung“. Und die kleinste Wohnung Deutschlands.

In der Wohnung sind Bett, Sofa, Küche, höhenverstellbare Tische, eine Schlafebene und ein Bad integriert. Montiert ist die Wohnung auf einen Anhänger. Konzipiert sei sie für Menschen, die nicht viel brauchen, sagt er in einem Youtube-Video, für Menschen, die nicht so viel zu Hause seien, die viel reisen würden, die nicht so viel arbeiten möchten – und für jene, die trotzdem mitten in der Stadt leben wollen. Zudem sei sie ein Beitrag zur Vision, dass jeder Mensch das Recht haben müsse, dort zu leben, wo er wolle. Und nicht zuletzt gehöre das Konzept in die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum.

Bis März 2018 stand die „100-Euro-Wohnung“ mit anderen Kleinst-Konzepten auf dem Bauhaus Campus Berlin – einem temporären Projektraum für neue Wege in der Bildungs- und Baukultur auf dem Gelände des Bauhaus-Archiv/ Museum für Gestaltung, Berlin. Initiator war ein Berliner Kollektiv aus Architekten, Gestaltern und Geflüchteten namens Tinyhouse University. Mit dabei waren auch Akteure aus Design, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und der Start-up-Szene. Initiiert wurde dieses Kollektiv 2015 von Van Bo Le-Mentzel, um die soziale Nachbarschaft auf kreative Weise zu erforschen. Gemeinsam geht man beispielsweise den Fragen nach: Wie viele Möbel braucht das Zuhause von morgen? Oder: Wieviel Quadratmeter braucht Heimat?

Der Bauhaus Campus Berlin im Internet:
http://bauhauscampus.org

Und auf Facebook:
www.facebook.com/tinyhouseuniversity

Leonardo di Chiara über die 100-Euro-Wohnung:
www.leonardodichiara.it/co-being-house

Mit dem Verlassen des Berliner Campusgeländes ist die Bewegung natürlich längst nicht am Ende angekommen. Die TinyHouse-Initiatoren werden in unterschiedlichen Konstellationen weiter an den anfänglichen, aber auch neuen Fragestellungen forschen und arbeiten. Und Van Bo Le-Mentzel sagte auf der Abschlussveranstaltung: „Vor allem ist das hier auch eine Talent-Schmiede. Hier entstehen ganz viele Kontakte, hier werden Leute aktiviert, die vorher überhaupt nicht wussten, dass sie auf einer Bühne stehen können, dass sie ein Haus entwerfen können oder sogar eine ganze Siedlung. Diese Menschen erfahren hier eine ganz große Transformation.“

Er selbst glaube ganz fest daran, so Le-Mentzel, dass unter anderem etwas an der Art geändert werden müsse, wie wir Häuser und Siedlungen bauen. Veränderungen schaffe man aber nicht alleine, und gleichzeitig dürfe die Verantwortung, Dinge zu verändern, auch nicht abgegeben werden. Jeder müsse selbst damit starten.