Das letzte Wort hat: Dr. Christine Radomsky, Internetunternehmerin, Autorin und Coach

0

Immer wieder heißt es, für die Digitalisierung brauche es Digital Natives. Doch was ist unter dem Begriff eigentlich zu verstehen? Softwareingenieurin Dr. Christine Radomsky zeigt, welchen Vorteil Digital Natives in diesen Zeiten der Transformation haben. Die Fragen stellte Sabine Olschner

Dr. Christine Radomsky, Foto: Anette Hammer
Dr. Christine Radomsky, Foto: Anette Hammer
Dr. Christine Radomsky war lange Jahre Softwareingenieurin und Teamleiterin in Großkonzernen und hat die Digitalisierung mitgestaltet. Heute ist sie Internetunternehmerin und arbeitet als Coach mit Menschen, die sich in einem beruflichen Umbruch befinden.
Frau Dr. Radomsky, was sind eigentlich Digital Natives? Den Begriff hat zuerst ein Bildungsberater aus den USA im Jahr 2001 verwendet. Er hat die verschlechterten Schulleistungen darauf zurückgeführt, dass die Schüler mit dem PC und dem Internet aufgewachsen sind, im Gegensatz zu den älteren Jahrgängen. So entstand die Bezeichnung Digital Natives. Später hat jemand anders definiert, dass Digital Natives all diejenigen sind, die ab 1980 geboren sind. Wenn Soziologen aber genauer hinschauen, stellen sie fest, dass die digitale Fitness nur bei einem Teil dieser jungen Leute vorhanden ist. Die Generation vor ihnen, also auch diejenigen, die das Internet erfunden haben, werden übrigens Digital Immigrants genannt, weil sie die Digitalisierung erst als Erwachsene kennengelernt haben. Digital Natives sollten also eigentlich schon mit der Digitalisierung vertraut sein. Was kann für sie in Zukunft noch neu sein? Künftig werden neue Algorithmen, Systeme mit künstlicher Intelligenz, Roboter, 3D-Drucker und weitere Digitaltechnologien, die wir heute noch gar nicht kennen, immer mehr Branchen erobern. Bei der digitalen Transformation, der Digitalisierung im weiteren Sinne, geht es hingegen nicht nur um digitale Technologien und Produkte, sondern auch um die Form der Arbeit und der Führung, um den Einfluss auf die Gesellschaft. Und das ist für alle neu und unbekannt. Was bedeutet die Digitalisierung für die neue Art der Führung? Die Führung der Zukunft heißt: schlanke Strukturen, Hierarchieabbau und Führung mit Vertrauen, also auf Augenhöhe. Das heißt konkret: Es werden weniger Führungskräfte gebraucht, und sie werden Macht abgeben müssen. Stattdessen müssen sie die Bedingungen dafür schaffen, dass die Beschäftigten innovative Produkte schaffen und gut zusammenarbeiten. Außerdem wird jeder in Zukunft eine Führungskraft sein – und zwar führt sich jeder selbst. Bei der Selbstführung hinterfragt man sich ständig: Was sind meine Werte, was brauche ich, wozu kann ich etwas beitragen? Was haben flache Hierarchien und Führung auf Augenhöhe mit der Digitalisierung zu tun, das könnte doch auch alles gut ohne Digitalisierung funktionieren? In der Tat: Wenn es keine Digitalisierung gäbe, wären das auch sehr schöne Führungsmodelle, die mehr Menschlichkeit an den Arbeitsplatz bringen würden. Aber die Digitalisierung zwingt uns dazu, unsere Arbeitsweise zu verändern. Die Digitalisierung und die Globalisierung haben zu einer riesigen Komplexität der Welt geführt. Alles ist mit allem vernetzt, alles geht immer schneller. Der Wandel ist enorm. Die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung sind oft nicht mehr eindeutig. Früher hatte der Chef eine gute Idee, und die Leute an der Basis haben die Idee ausgeführt. Wenn eine Firma heute am Markt bestehen will, bei dieser wahnsinnigen Geschwindigkeit und bei dem Konkurrenzdruck, dann muss sie ganz einfach das Potenzial von möglichst vielen Mitarbeitenden nutzen. Und das klappt nur, wenn die Leute auch gesehen und wertgeschätzt werden, wenn sie auf Augenhöhe geführt werden und Gestaltungsraum für selbstorganisierte Zusammenarbeit finden.
cover digital nativesChristine Radomsky: Willkommen in der Welt der Digital Natives. Redline Verlag 2019. 17,99 Euro

karriereführer consulting 2020.2021 – Die andere Zukunft

0

Die andere Zukunft

Durch die Pandemie verstärken sich Businesstrends, die auch schon vorher zu beobachten waren. Zwar ist die Situation für Gesellschaft und Wirtschaft dramatisch. Doch zeichnet sich eine Zukunft ab, die zwar alles andere als normal sein wird, den Consultants aber eine Menge Möglichkeiten gibt, positiv auf die Perspektive ihrer Kunden einzuwirken.

Die andere Zukunft

0

Durch die Pandemie verstärken sich Businesstrends, die auch schon vorher zu beobachten waren. Zwar ist die Situation für Gesellschaft und Wirtschaft dramatisch. Doch zeichnet sich eine Zukunft ab, die zwar alles andere als normal sein wird, den Consultants aber eine Menge Möglichkeiten gibt, positiv auf die Perspektive ihrer Kunden einzuwirken. Ein Essay von André Boße

Es gibt ein recht altes, aber dennoch frisch klingendes Lied der Düsseldorfer Postpunk-Band Fehlfarben, geschrieben im Jahr 1982, aktueller denn je. „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht“, lauten die beiden eingängigsten Zeilen. Sie spuken einem in diesen Tagen durch den Kopf, wenn man die Nachrichten und Sondersendungen schaut, die Special-Texte in Zeitungen und Magazinen liest, Podcasts und Radio-Features hört: „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht.“ Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher, bringt es wie folgt auf den Punkt: Er werde in seiner Position als führender Vordenker derzeit häufig gefragt, wann Corona denn „vorbei sei“ und alles wieder zur Normalität zurückkehren werde. „Meine Antwort: Niemals. Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurkationen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten sind jetzt.“

Der Andere war schon angelegt

Interessant ist, dass im Songtext der Band Fehlfarben auf die Zeilen „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht“ eine dritte Kernzeile folgt: „Es geht voran!“ Gut, die Postpunks aus Düsseldorf hatten bei diesen Worten den ungebremsten Kapitalismus im Sinn, ihre Zeile ist wirtschaftskritisch zu verstehen. Aber weil Kunst zum flexiblen Denken anregt, darf man sie im Jahr 2020 auch ein wenig anders deuten: Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass sich die Welt – und zwar auch die überhitzte Wirtschaftswelt – zunächst zurückgezogen hat, in einen historischen Shutdown. Dieser hat der globalen Ökonomie zunächst einmal eine kaum schätzbare Menge an Geld entzogen. Sinnbildlich dafür stand der Moment, als eine Tonne Öl in den USA einen Minuspreis besaß: Wer sie loswerden wollte, musste dafür bezahlen. Das „schwarze Gold“ wurde kurzzeitig zum „schwarzen Pech“: Eine stärkere Metapher dafür, wie radikal die Wirtschaft wankte, ist kaum vorstellbar. Diese Pandemie führt also (auch) in eine wirtschaftliche Krise, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Was also sollte da noch „voran gehen“?

Lage der Unternehmensberatungen

Die Consultingbranche stellt zwar fest, dass der Bedarf an Beratung heute und in naher Zukunft groß sein werde. Dennoch spürt auch diese Branche die kurzfristigen Folgen der Krise. Laut Index des Branchenverbandes BDU bekommen die Personalberatungen den Corona-Effekt besonders zu spüren, „hier machen sich die Einschränkungen der persönlichen Kontakte zu den Kunden am stärksten bemerkbar“. Virtuelle Beratung werde zwar angeboten, treffe aber besonders bei der Suche nach Fach- und Führungskräften noch auf wenig Akzeptanz. Laut Umfrage bei den Consultingunternehmen laufen mehr als die Hälfte der Projekte auch in der Krise weiter, in den Bereichen Sanierungs- und IT-Beratung sind es sogar dreiviertel der Projekte.
Horx stellt dazu eine Frage: „Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?“ „Die Wirtschaft nach Corona“ hat das Zukunftsinstitut, dessen Gründer Matthias Horx ist, ein „White Paper“ betitelt, in dem die Trendforscher beschreiben, warum dieses Virus und der Umgang der Menschen mit ihm für einen historischen Umbruch sorgen werden. Die These: Dass der Staat versucht, mit Begriffen wie der „Bazooka“ oder der Devise „Whatever it takes“ versucht hat, den Status Quo wiederherzustellen, der noch Januar/Februar 2020 Gültigkeit hatte, war eine notwendige erste Rettung. Diese Rettung trug zunächst die Verheißung in sich, dass auf sie eine Wiederauferstehung folgt. Doch so einfach sei es nicht, heißt es im „White Paper“ des Zukunftinstituts: „Auf die ‚Whatever it takes!‘-Phase folgt nicht automatisch das ‚Comeback‘. Vielmehr initiiert Corona einen langwierigen Prozess der Erneuerung: Die 2020er-Jahre werden zum Jahrzehnt der Resilienz.“

Comeback der Resilienz

„Resilienz“ – das ist als Begriff ein guter alter Bekannter. In den Fokus geriet er ab etwa 2010, als sich die verschiedenen Krisen zu einer Art „Superkrise“ manifestierten. „Angesichtes einer raschen Abfolge gravierender Krisen kann der Aufstieg des Begriffs nicht überraschen“, hieß es 2017 in einer Studie der Bertelsmann Stiftung zur „Ökonomischen Resilienz“. „Wenn ökonomische Schocks offenbar unvermeidbar sind, dann sollte die Fähigkeit einer Volkswirtschaft zu ihrer Bewältigung in den Blick genommen werden.“ Interessanterweise geriet der Begriff auf dem Wechsel von den 10er- in die 20er- Jahre etwas in den Schatten: Die Digitalisierung wurde zu einem Treiber, der seinerseits das Versprechen in sich trug, viele der Krisen Geschichte werden zu lassen, zumal ihre Methoden wie Big Data und Künstliche Intelligenz dazu beitragen sollten, Probleme zu lösen, die kein Mensch zu lösen vermag. Eine nahtlose globale Logistik, passgenaue und entmaterialisierte Vertriebsmodelle über 3D-Drucker, die Vorteile der Plattformökonomie – die Weltwirtschaft schien sich zu einem reibungs- und risikolosen Uhrwerk zu entwickeln. Sogar das Potenzial, das (auch weiterhin) größte Problem zu lösen, wurde ihr zugesprochen: das der Erderwärmung.

„Manything goes“: Berater bewerten Potenziale

Eine Pandemie jedoch hatte niemand auf dem Zettel. Bis auf wenige, die auf der Suche nach möglichen Rissen der Zivilisation auch an solche Virus-Szenarien gedacht haben. Mit viel Wucht taumelt die Weltwirtschaft (und mit ihr die Weltgesellschaft) also „zurück nach vorne“, in ein neues Zeitalter der Resilienz. Was bedeutet das für die Unternehmen und ihre Berater? Wer gewinnt, wer verliert? Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern mittel- und langfristig? Eines sei gewiss, heißt es im „White Paper“ des Zukunftsinstituts. „Die Krise und ihre tiefen Verwerfungen eröffnen neue Möglichkeitsräume. Es ist daher auch die Zeit des ‚Manything goes‘.“ Nicht zu verwechseln übrigens mit dem „Anything goes“ aus der Epoche der Postmoderne, als alles möglich schien – und letztlich der Neoliberalismus entstand, der mit seinem überdeutlichen Fokus auf den Kapitalismus dafür sorgte, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft entkoppeln.

Situation im Mittelstand: Beratung fürs Bauchgefühl

Das besonders auf den Mittelstand fokussierte Marktforschungsunternehmen Stakeholder Insights hat sich in einer Studie den Problemen und Perspektiven kleinerer und mittelgroßer Unternehmen gewidmet. Dabei haben die Autoren herausgefunden, dass die Corona-Krise in diesem Segment das „unternehmerische Bauchgefühl geschädigt“ habe. Dies habe wie ein Schock gewirkt, sodass es nun darauf ankomme, die Zukunft neu zu erobern: „Der von der Krise erzwungene Stillstand kann genutzt werden, um grundsätzliche Fragen zu stellen, um Strategien zu prüfen und Unternehmen auf eine vielleicht neue Zukunft vorzubereiten.“ Unternehmen könnten nun diesen Schritt aus einer Kraft tun – „aber auch Mitarbeiter zurate holen oder externe Dienstleister hinzuziehen.“
Corona hingegen zeigt, wie stark das Soziale und das Ökonomische aneinander gekoppelt sind. Daher: Es geht nicht alles, aber: „Die nächsten Monate werden zum Fenster der Möglichkeiten, und ihre Weichenstellungen werden die kommenden Jahre nachhaltig prägen, in Gesellschaft und Wirtschaft wie in jedem einzelnen Unternehmen.“ Das erfordere, so die Autoren vom Zukunftsinstitut, eine „neue Qualität an unternehmerischer Vor-Sicht und unternehmerischem Mut.“ Wobei die Schreibweise von „Vor-Sicht“ kein Druckfehler ist, sondern ein Wortspiel mit Aussage: Lange Zeit hieß es, die Politik fahre beim Kampf gegen die Pandemie „auf Sicht“. Für die Unternehmen kommt es nun jedoch darauf an, einen scharfen analytischen Blick für das zu entwickeln, was kommen mag. Das ist nicht einfach, weshalb Consultants hier besonders gefragt sein werden: Mit ihren Methoden verfügen sie über das Potenzial, die Möglichkeiten, die sich in der Post-Corona-Ökonomie ergeben, zu benennen und zu bewerten. Klar ist aber auch: Die Methoden der Berater müssen sich an diese historische Situation anpassen. So komplex die Gemengelage, die sich aus der Pandemie ergibt, auch sein mag: Aus Sicht der Chief-Consultants von der Boston Consulting Group (BCG) stellen sich Manager überall auf der Welt zunächst die gleichen, recht simplen Fragen: „Wie lassen sich meine zukünftigen Umsätze vorhersagen? Wie soll ich meine Investitionen verteilen? Wann wird wieder alles normal sein?“ Die BCG-Experten machen den Unternehmen allerdings keine Hoffnungen, dass sich schnelle Antworten auf diese verständlichen Fragen finden lassen. Stattessen setzen die Berater auf eine Vielzahl von Szenarios, die es möglich machen, das einzuschätzen, was die Zukunft bereithalten wird.

Gute Sicht auf neue Zukunft

Auf der Zeitachse müssen Unternehmen damit rechnen, dass die große Unsicherheit anhalten wird, solange die Staaten auf der Erde damit beschäftigt sind, gegen katastrophale Auswirkungen auf das Gesundheitssystem zu kämpfen. Die eigentliche Zukunft beginne erst dann, wenn ein Impfstoff gefunden, produziert und verteilt werden kann. Wobei dieses Morgen nicht mehr viel mit dem zu tun haben werde, was man sich noch Anfang 2020 als Zukunft im Kopf vorstellte. „Wir rechnen mit dramatischen Veränderungen in allen Bereichen, vom Handel über die Lieferketten, von Geschäftsmodellen bis hin zu Gewohnheiten und Bedürfnissen von Kunden“, heißt es im BCG-Papier „COVID-19: Win the Fight, Win the Future“. Die Szenarien der Boston Consulting Group bestätigen, dass Prä-Corona-Trends durch die Pandemie verstärkt werden – und sich damit manifestieren. Neue Strukturen für Home-Office und Digital-Meetings, eine neue Work- Life-Balance, die das Arbeits- und Familienleben stärker mischt, einen noch stärkeren Trend zum Online-Handel, krisensichere Lieferketten, flexible Produktionslinien und Standorte – alle diese Entwicklungen sind nicht neu, werden von der Pandemie aber entscheidend vorangetrieben.

Generation Y trotzt der Krise

Die Manager der „Generation Y“ sind besonders gut für die aktuelle Corona-Krise gerüstet. Ortsunabhängiges Arbeiten sowie die virtuelle Kommunikation mit Kunden und Kollegen, welche die Corona-Krise derzeit mit sich bringt, sind für junge Führungskräfte selbstverständlicher als für die älteren Manager-Generationen, wie das Manager-Barometer von Odgers Berndtson zeigt. So erwarten 40 Prozent der jungen Manager – auch in Nicht-Krisenzeiten – umfangreiche Homeoffice-Möglichkeiten und flexible Arbeitszeiten von ihrem Arbeitgeber, während dies nur für knapp 20 Prozent der „Babyboomer“ wichtig ist. Zudem sehen die Vertreter der „Generation Y“ deutlich größere Chancen durch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) als ältere Manager. Quelle: www.odgersberndtson.com

Retooling: Unternehmen benötigen neue Werkzeuge

Wie darauf reagieren? Die Consultants der Beratungsgesellschaft Bain & Company schlagen Beratern vor, den Unternehmen den Sinn eines „Retoolings“ zu vermitteln, sprich: den Umgang mit anderen Werkzeugen anzuraten. Das beginne schon mit dem Blick auf den Kunden: Bain prognostiziert das Ende des „Durchschnittskunden“, an seine Stelle treten Kunden mit sehr klaren Grundbedürfnissen, die gefunden, analysiert und befriedigt werden müssten. Auch gehe es darum, die Resilienz und die Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens zu erhöhen, in dem die Digitalisierung aller Prozesse weiter vorangetrieben und neue Partnerschaften gefunden werden – wohlgemerkt auch Partnerschaften, die weit über den Aufkauf anderer Unternehmen hinausgehen, zum Beispiel mit staatlichen Behörden oder direkt dem Kunden. Optimistisch betrachtet kann diese Pandemie auf diese Art zu einem Treiber einer neuen Konnektivität werden: Sektoren und System erkennen in der Krise ihre gegenseitige Abhängigkeit und reagieren darauf, in dem sie kooperieren. Nicht überraschend, dass das Zukunftsinstitut die Konnektivität schon vor Corona zum „wirkungsmächtigsten Megatrend unserer Zeit“ gekürt hat: „Das Prinzip der Vernetzung dominiert den gesellschaftlichen Wandel und eröffnet ein neues Kapitel in der Evolution der Gesellschaft. Digitale Kommunikationstechnologien verändern unser Leben grundlegend, reprogrammieren soziokulturelle Codes und lassen neue Lebensstile und Verhaltensmuster entstehen“, definieren die Trendforscher. Wie Individuen werden auch Unternehmen in der Post-Corona-Zeit diese „neuen Verhaltensmuster“ entwickeln müssen. Die gute Nachricht ist: Consultants, die sich schon vor der Pandemie mit der Zukunft beschäftigt haben, wissen bereits jetzt, worauf es dabei in dieser aktuellen Extremsituation besonders ankommt.

 Buchtipp: Die Zukunft nach Corona

Krisen verändern die Welt. Unsere Vorfahren haben sich stets auf neue Umwelten, andere Bedingungen eingestellt. Deshalb hat unsere Spezies den Planeten erobert. Jetzt erleben wir selbst eine Krise, die alles erschüttert und mitten in unser Leben eingreift. Das Virus verändert unseren Alltag, unsere Kommunikationsformen, wie wir arbeiten, fühlen und denken. Die Krise fungiert wie ein großer Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen. Der Zukunftsforscher Matthias Horx analysiert die Auswirkungen der Corona-Krise: Wie ändert sich die Gesellschaft? Wie reagieren Individuen, Staaten, Familien, Unternehmen auf die Herausforderung? Welche Rolle spielt die Angst vor der Zukunft, und wie können wir sie in Zuversicht verwandeln? Geht alles nach ein paar Monaten wieder seinen alten Gang? Oder erleben wir jetzt einen Kulturwandel, einen Big Shift, in dem alles seine Richtung ändert, und eine völlig neue Zukunft entsteht? Statt einer Pro-Gnose übt Horx mit seinen Lesern die Re-Gnose, die Selbst-Veränderung durch rückblickende Vorausschau – und er kommt damit zu überraschenden Ergebnissen. Matthias Horx: Die Zukunft nach Corona. Ullstein eBooks 2020, 14,99 Euro

Der Wirtschafts-Umdenker Prof. Dr. Niko Paech im Interview

„Wer nicht lernen will, muss fühlen“: Niko Paech stellt im Interview sofort klar, dass für ihn die Pandemie auch eine Folge einer zügellosen Weltwirtschaft ist. Der renommierte Postwachstums-Theoretiker betrachtet die Corona-Krise zudem als Chance: Der Mensch sei ein übendes Wesen – und absolviere aktuell ein unfreiwilliges Trainingsprogramm, das ihm noch zugutekommen wird. Auch, wenn es darum geht, Unternehmen zu organisieren und zu beraten. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Niko Paech ist einer der führenden Theoretiker der Postwachstumsökonomie. Er absolvierte ab 1987 an der Universität Osnabrück sein Studium der VWL und promovierte dort im Jahr 1993. Bis 1997 arbeitete er als Unternehmensberater im Bereich Umweltmanagement und Marketing für ökologische Lebensmittel. Danach zog es ihn nach Oldenburg, wo er von 1998 bis 2001 bei der Stadt Beauftragter für die „Agenda 21“ war und ab 2001 an der Carlvon- Ossietzky-Universität im Förderschwerpunkt „Betriebliche Instrumente für nachhaltiges Wirtschaften“ tätig war. 2008 wurde Paech in Oldenburg Professor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt, seit 2018 ist er außerplanmäßiger Professor an der Uni Siegen im Studiengang Plurale Ökonomik.
Herr Paech, angenommen, die Corona- Krise ist ausgestanden, welche ökonomischen Erkenntnisse werden wir rückblickend gewinnen? Wer nicht lernen will, muss fühlen. Denn ohne die auf Wachstum und blindwütiger Digitalisierung basierende Globalisierung des Personen- und Güterverkehrs wäre aus einer chinesischen Epidemie mit ziemlicher Sicherheit keine Pandemie geworden. Corona ist ein Teil jener Rechnung, die für das ausufernde Wohlstandsparadies zu begleichen ist. Weitere Teile werden in immer kürzeren Abständen folgen. Dabei wäre zumindest das sich anbahnende ökonomische Fiasko vermeidbar gewesen, wenn wachstumskritischen Positionen mehr Bedeutung beigemessen worden wäre. Schließlich ist es weitaus weniger schmerzhaft, einem Crash- Szenario geordnet und sozial verträglich zuvorzukommen, um die absehbar ohnehin nicht zu verhindernde Reduktion abzufedern, statt unvorbereitet abzustürzen. Zudem wiederholen sich bereits jetzt – also mit erstaunlich geringer Wirkungsverzögerung – die Erfahrungen der Lehman-Krise: Kaum werden Produktionsraten und Verkehrsströme reduziert, erholen sich immer mehr Teilsysteme der Ökosphäre. Auch die Gesundheit jener Menschen steigt, die direkt unter der Umweltbelastung leiden. Wird uns also durch diese extreme und globale Krise die Chance, einen anderen Weg zu gehen, auf dem Silbertablett serviert? Von seiner Natur her ist der Mensch ein übendes Wesen. Daraus ergibt sich, dass er nur umzusetzen und beizubehalten vermag, was er durch Übung verinnerlicht hat. Einsicht und Willensbekundungen allein reichen eben nicht. So gesehen können die Corona-Maßnahmen als unfreiwilliges Trainingsprogramm für Genügsamkeit und kreative Betätigungen jenseits von Konsum und Reisen aufgefasst werden. Weiterhin werden zwangsläufig Praktiken eingeübt, die dazu verhelfen, sich mit eingeschränkten Versorgungsstrukturen zu arrangieren. Also zum Beispiel eigene Leistungen zu erbringen, statt alles benötigte bequem abzurufen. Es besteht somit die Chance, dass am Ende dieser Probephase die Anzahl jener Menschen, die dem ruinösen Steigerungswahn zu entsagen bereit sind, zunimmt. Welche Veränderungen werden dabei auf deutsche Unternehmen zukommen? Erstens wird ein flexibleres Personalmanagement nötig sein, um Produktionsrückgänge durch Arbeitszeitverkürzung und -umverteilung abzufedern. Zweitens wird sich das Supply Chain-Management verändern müssen, um künftig ökonomische Verletzlichkeit zu mildern. Dies setzt eine Tendenz zur Komplexitätsverringerung, zur graduel len De-Globalisierung der Lieferketten sowie zu veränderten Produktdesigns voraus. Letzteres könnte etwa bedeuten, Nutzungsdauerverlängerung und Gemeinschaftsnutzung – zwei Wertschöpfungsbereiche, die prädestiniert für kurze Distanzen zwischen Anbieter und Nachfrager sind – stärker zu akzentuieren. Drittens wird zukünftig das Verhältnis zwischen Produktion und Konsum neu auszubalancieren sein. Das bedeutet, Konsumenten darin zu unterstützen, eine Nebenexistenz als Ko-Produzenten oder Prosumenten aufzubauen. So würde sich die Wertschöpfung des Unternehmens erweitern, nämlich um die die Befähigung zur Resilienz und Autonomie. Damit schält sich eine neue Rolle des Unternehmertums heraus. Wie gut sind die Unternehmen mit Blick auf diese Veränderungen aufgestellt? Sie sind bemerkenswert schlecht aufgestellt, was ihre Resilienz gegenüber jenen Krisenszenarien anbelangt, von denen die derzeitige Pandemie nur eine Variante unter vielen ist.
Unternehmen werden, um sich zukünftig legitimieren zu können, Beiträge zur gesamtgesellschaftlichen Risikominderung und -vorsorge vorweisen müssen.
Sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass der Kapitalismus nach der Krise erst recht wieder große Fahrt aufnimmt – und alle „Weniger-ist-mehr“-Gedanken beiseitegeschoben werden? Diese Gefahr besteht durchaus, zumal die größte aller großen Koalitionen darin besteht, dass sich alle Parteien, ganz gleich ob links, grün, neo-liberal oder konservativ, in einem Punkt sehr einig sind: im gnadenlosen Durchpeitschen eines Wachstumskurses, der notwendigerweise mit entsprechenden Risiken einhergeht. Welche Art von externer Beratung wird in einem Post-Corona-Szenario an Bedeutung gewinnen? Logischerweise alles, was Resilienz, Autonomie und Krisenbeständigkeit fokussiert. Das betrifft nicht nur die bereits von mir genannten drei Bereiche, also die betriebswirtschaftliche Sicht. Unternehmen werden, um sich zukünftig legitimieren zu können, Beiträge zur gesamtgesellschaftlichen Risikominderung und -vorsorge vorweisen müssen. Dies werden Politik und Bürger in zunehmendem Maße von den Unternehmen verlangen. Denn die Gründe für Krisenangst können absehbar nur wachsen.
Das aktuelle von Buch von Niko Paech und Manfred Folkers: All you need is less. Oekom 2020, 20 Euro
Welche Berater-Skills sind notwendig, um diese Consulting-Leistungen erbringen zu können? Zunächst mal stellt sich spätestens ab jetzt eine Herausforderung, die eigentlich schon durch die Peak-Everything- Debatte und die Lehman-Krise offenkundig wurde, dann aber verdrängt worden ist: der Zielkonflikt zwischen Effizienz und Resilienz. Oder etwas prosaisch formuliert: Der Spatz in der Hand ist gegen die Taube auf dem Dach abzuwägen. Eine Schönwetterökonomie, die nur unter perfekten Lehrbuchbedingungen stabil und funktionsfähig bleibt, taugt nicht länger als Leitbild. Daraus folgt, dass sich die wirtschaftswissenschaftliche Lehre und Ausbildung – gerade auch den Consulting- Bereich betreffend – grundlegend wandeln muss. Daran arbeiten meine Kolleg*innen und ich an der Universität Siegen im Bereich der Pluralen Ökonomik: Wir loten das Spektrum sowohl diverser Zielorientierungen als auch sich ergänzender Analysemethoden aus. Die tradierte, längst zur Dogmatik erstarrte Ökonomik erweist sich zunehmend als blind für die Implikationen der neuen Verletzlichkeiten. Kern der Krise ist eine ständige Abwägung der Folgen bestimmter Maßnahmen. Wurde es höchste Zeit, dass sich die Wirtschaft in dieser Debatte endlich mal wieder mit anderen Bereichen wie Gesundheit oder Ethik messen muss? Absolut. Während vorangegangene Kontroversen rund um das zeitgenössische Ökonomieverständnis zumeist nur Verteilungskonflikte und die Ökologie in den Blick nahmen, kehren nun Belange auf die gesellschaftspolitische Agenda zurück, die längst als überwunden galten: Gesundheit, also körperliche Unversehrtheit, und Versorgungssicherheit – also die substantiellsten aller Grundbedürfnisse. Ausgerechnet deren Erfüllung erscheint plötzlich nicht mehr sicher. Damit dreht sich das Rad der Geschichte unweigerlich rückwärts. Womöglich waren wir nie modern, sondern nur fortschrittsbesoffen.

Nascent

Niko Paech ist seit 2020 Leiter des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts Nascent, das nach neuen Chancen für eine nachhaltige Ernährungswirtschaft durch transformative Wirtschaftsformen sucht. Dabei untersucht das Projekt die Potenziale von neuen Wirtschaftsformen und -initiativen wie Urban Gardening, solidarischer Landwirtschaft oder Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, damit diese nicht weiter in der Nische bleiben, sondern ökonomische Innovationsprozesse in Gang bringen. Mit Blick auf die Folgen der Coronoa-Krise lässt sich schon jetzt erkennen, dass die Bedeutung dieser Ansätze zunehmen wird. www.nascent-transformativ.de

Digitalisierung hilft bei der Tax Compliance

0

Aktuelle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass innovative Technologien zu einer immer effizienteren Steuerverwaltung in den Unternehmen führen. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan, doch manches steht auch noch am Anfang. Und auch der Reifegrad innerbetrieblicher Kontrollsysteme zur Erfüllung der Steuerpflichten, sogenannte Tax Compliance Management Systeme (Tax CMS), ist in deutschen und global agierenden Unternehmen häufig noch gering ausgeprägt. Von Christoph Berger

Laut dem von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) gemeinsam mit der Weltbank erstellten Report „Paying Taxes 2020 – The changing landscape of tax policy and administration across 190 economies“ hilft die Implementierung neuer Technologien Unternehmen weltweit dabei, ihre Steuerpflichten zu erfüllen. Demnach benötigten Unternehmen im Jahr 2018 im weltweiten Durchschnitt 234 Stunden – 2017 waren es noch 236 Stunden, um ihre Steuerpflichten zu erfüllen. In Deutschland benötigen die Firmen dafür im Durchschnitt 218 Stunden. Hauptgrund für die Zeitersparnis seien digitale Technologien, die von den nationalen Finanzbehörden bereits seit geraumer Zeit immer stärker implementiert würden, heißt es. Und auch der sogenannte Post-Filing-Index, also das Maß für die Effizienz der Prozesse zur Steuererfüllung, sei leicht gestiegen. Wenn auch nur gering. Werde der Fokus jedoch auf die langfristige Perspektive gesetzt, würden die Verbesserungen deutlich: Im Jahr 2004 benötigten Unternehmen im weltweiten Durchschnitt noch 325 Stunden für ihre Tax Compliance, 91 Stunden mehr als 2018. „Der langfristige Trend zur immer effizienteren Steuerverwaltung dank innovativer Technologien hält an“, sagt Klaus Schmidt, Leiter Tax & Legal bei PwC Deutschland. „Die Steuereffizienz ist für Regierungen sehr wichtig, denn sie beeinflusst stark, wie die Funktionsfähigkeit staatlicher Behörden insgesamt wahrgenommen wird.“ Doch was versteckt sich genau hinter der vagen Bezeichnung „neue Technologien“? Hier geht es beispielsweise um die Blockchain-Technologie, Künstliche Intelligenz und Big Data. Diese Technologien hätten das Potenzial, sowohl die Steuer-Zuverlässigkeit und -Pünktlichkeit zu erhöhen als auch den Steuerbetrug zu verringern. Allerdings, so das Ergebnis der Autoren, würden viele auf diesen Technologien basierende Systeme noch in den Kinderschuhen stecken. In einer weiteren Studie untersuchte PwC zudem noch den Reifegrad innerbetrieblicher Kontrollsysteme zur Erfüllung der Steuerpflichten, sogenannte Tax Compliance Management Systeme, kurz Tax CMS. Dabei kommt das Beratungsunternehmen zu dem Ergebnis, dass dieser in deutschen und global agierenden Unternehmen häufig noch gering ausgeprägt sei. Dabei sind die Vorteile solcher Systeme bekannt, sie können die Haftungs- und Reputationsrisiken senken. Zwar laufe die Implementierung interner Kontrollsysteme noch schleppend, wie PwC-Partner Marinus Eßer erklärt, doch die Dringlichkeit sei erkannt und mit der schrittweisen Einführung werde begonnen. Eßer ergänzt: „Tax Compliance ist ein Thema des gesamten Unternehmens. Sie kann nur sinnvoll erreicht werden, wenn die steuerliche Datenqualität bereits an der Quelle sichergestellt wird. Konkret heißt das: Bereits bei der Anbahnung und Erfassung einer Transaktion sollte die Tax Compliance mitgedacht werden. Derzeit ist es häufig eine rückwirkende Fehlersuche der Steuerabteilung – eine aufwendige Detektivarbeit, die stark verringert werden kann.“ Report „Paying Taxes 2020 – The changing landscape of tax policy and administration across 190 economies“ Studie „Stand der Implementierung von Tax Compliance Management Systemen“

Tech-Trends für die Transformation

0

Ein Gewinner der Corona- Krise stand relativ schnell fest: die Digitalisierung. Sie war bereits vor der Krise schon eines der beherrschenden Themen für Berater, erhält nun aber nochmals weiteren Rückenwind. Doch daneben gibt es noch weitere Technologie-Trends, die kommen werden. Von Christoph Berger

Sechs Trends haben die Autoren des Reports „Deloitte Trends 2020“ identifiziert, die die kommenden Jahre prägen werden, die bei strategischen Entscheidungen helfen und die Geschäftsmodellen einen Mehrwert bieten sollen. Wobei sich die wichtigsten Treiber für disruptive Veränderungen, wie es heißt, in Form von neun Makro-Faktoren zusammenfassen lassen: Digital Experience, Analytics und Cloud, Digital Reality, Cognitive und Blockchain, Core Modernization, Risk und Business of Technology. „Alle neuen Trends, die zum Teil extrem schnelllebig sind, lassen sich diesen neun Makro-Kräften zuordnen. Zudem ergeben sich Disruptionen häufig aus der Kombination dieser Kräfte“, sagt Jochen Fauser, Partner und Leiter Technology Strategy & Architecture bei Deloitte. Um technologische Innovationen zu ermöglichen und umzusetzen, braucht es jedoch eine agile IT, schreiben die Berater weiter – wobei traditionelle Finanz- und Budgetierungsprozesse mit der agilen Arbeitsweise in der IT zu vereinen sind. Chief Information Officer (CIO) und Chief Financial Officer (CFO) werden dafür enger zusammenarbeiten müssen. Und es wird einen stärkeren Fokus auf die Produkte und wertschöpfenden Geschäftsprozesse geben, ist sich Fauser sicher. Um die Kundenbedürfnisse und -wünsche in Zukunft besser in den Mittelpunkt stellen zu können, werden Plattformen entwickelt, die wesentlich intuitiver und zielgerichteter die Emotionen ihrer Nutzer erkennen. Möglich wird durch die Kombination von künstlicher Intelligenz, einem Design, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Allerdings gehe diese Individualisierung auch mit einer steigenden Verantwortung einher, die die Unternehmen erbringen müssten.
Den digitalen Zwilling wird es nicht nur von Produkten geben, sondern auch von uns Menschen.
Auch das Future Today Institute hat sich in seiner Studie „2020 Tech Trends Report“ mit den strategischen Trends befasst, die Wirtschaft, Politik, Bildung, Medien und Gesellschaft in diesem Jahr beeinflussen werden. Wobei viele der Entwicklungen durchaus kritisch gesehen werden. Demnach wird es zu einer immer stärkeren Bewertung jedes Menschen durch die von ihm erzeugten Daten kommen, eine Art Katalogisierung. Ein weiterer Trend ist die cloud-basierte Robotik. Sie wird beispielsweise die Fabrikautomation vorantreiben, während die synthetische Biologie die Lebensmittelproduktion verändern wird. Den digitalen Zwilling wird es zudem nicht nur von Produkten geben, sondern auch von uns Menschen, sind sich die Autoren sicher – Fakenews werden so zunehmen und immer schwieriger durchschaubar sein. Die großen Tech-Konzerne werden in die Landwirtschaft einsteigen, kriegerische Konflikte werden von Daten und Algorithmen geführt werden, Waffensysteme autonom agieren. Mit der Quanteninformatik und dem Edge-Computing stehe die Menschheit am Beginn einer neuen Ära der Datenverarbeitung, schreiben die Autoren weiter. Und unsere Gebäude werden digitale Emissionen produzieren, die wiederum in unsere Bewertungen einfließen. Bleibt schließlich noch: Die derzeitig geschätzten Investitionen von 330 Milliarden Dollar in die Raumfahrtindustrie könnten sich bis 2026 verdoppeln. Dies ist dann die logische Folge zu all den vorangegangen Trends.

Die Lieferketten der Zukunft

0

Mit Beginn der Corona- Krise wurde schnell deutlich, wie anfällig die globalisierte Wirtschaft ist. Internationale Lieferketten, für viele Unternehmen unerlässlich und längst zur Normalität geworden, brachen zusammen. Was bedeutet das für die Zukunft? Von Christoph Berger

Als die Marke Volkswagen Pkw am 17. März 2020 bekanntgab, die Produktion in ihren europäischen Werken wegen der Ausbreitung des Corona-Virus sukzessive herunterzufahren, reagierte die Automarke nicht nur auf den sich abzeichnenden Nachfrageeinbruch auf den Automobilmärkten, sondern begründete diesen Schritt auch mit den zunehmenden Risiken aus den Lieferketten der Zulieferer. Die Versorgung unserer Werke mit Zulieferteilen werde immer schwieriger, sagte damals Ralf Brandstätter, Chief Operation Officer der Marke Volkswagen Pkw. Auch Daimler gab am gleichen Tag bekannt, den Großteil der Produktion sowie die Arbeit in ausgewählten Verwaltungsbereichen in Europa für zunächst zwei Wochen zu unterbrechen. Man beginne außerdem, die globalen Lieferketten zu überprüfen, die nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden könnten, hieß es in einer Mitteilung. Gleiche Maßnahmen mit ähnlichen Begründungen kamen von vielen weiteren Automobilherstellern. Vonseiten des VDMA hieß es zeitgleich, dass knapp 60 Prozent aller Betriebe Beeinträchtigungen der Lieferketten spüren würden. Wenn Betriebe ihre Güter nicht weiter produzieren, störe dies die internationalen Wertschöpfungsketten, erklären kurz zusammengefasst Prof. Dr. Michael Hüther und Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft. Ein solcher Angebotsschock könne dann einen Dominoeffekt zur Folge haben: Wenn Zulieferungen aus China fehlen, fallen auch die aus anderen Ländern und schließlich jene von inländischen Firmen aus. Dies sowie Nachfrageausfälle würden schließlich die gesamte Weltwirtschaft belasten.

Es braucht widerstandsfähige Logistiknetze

Bereits im Januar 2020, als das Corona- Virus die Produktivität Chinas stark dämpfte, wurde klar, dass internationale Logistiknetze vor neuen Herausforderungen stehen, heißt es auch vonseiten der TU Berlin. China zähle nicht nur zu den bedeutendsten Beschaffungsmärkten, sondern auch zu den wichtigsten Absatzmärkten der Welt. Das globale Thema Virus habe Auswirkungen auf nahezu jedes Logistiknetz – selbst dann, wenn es keine Verbindung zu China aufweise. Überall auf der Welt würden Lieferunterbrechungen entstehen, die gesamte Logistiknetze zum Erliegen bringen und die Verfügbarkeit von Endprodukten gefährden. „Wir müssen feststellen, dass etablierte Prognosemodelle für Kundennachfrage, Rohstoffbedarfe, Kapazitäten, Lieferzeitpunkte und damit verbundene Produktionsplanungen an ihre Grenzen stoßen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Frank Straube, Leiter des Fachgebiets Logistik an der TU Berlin. Straube erklärt aber auch weiter: „Lösungsansätze zur Planung und Steuerung widerstandsfähiger Logistiknetze existieren und wurden bereits in schwierigen Situationen erprobt. Sie müssen nun auf den aktuellen Prüfstand gestellt werden.“ Dabei sollten Unternehmen im Umgang mit der Krise vor allem die Robustheit ihrer Logistiknetze analysieren, ein dynamisches Störfall- und Risikomanagement etablieren sowie intelligente Zuverlässigkeitsprognosen entwickeln, rät der Experte. Beispielsweise hat das Fachgebiet Logistik im Rahmen des Forschungsprojekts „Smart Logistic Grids“ ein Konzept für einen smarten Supply Chain Operations Room (Lieferketten-Leitstand) und eine globale Lieferketten-Cloud zur Bereitstellung und Verarbeitung von Echtzeitinformationen über Störfälle entwickelt und in der Praxis erprobt. Und im Forschungsprojekt „Smart Event Forecast for Seaports“ (SMECS) entwickelte das Fachgebiet durch die Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz (Machine Learning) ein intelligentes Assistenzsystem für maritime Transportketten. Die Prognosegenauigkeit der Ankunftszeit globaler Lieferketten beim Endkunden hätte durch diese Anwendung drastisch erhöht werden können. „Viel wird in der Zukunft von intelligenten Zuverlässigkeitsprognosen abhängen“, sagt Frank Straube. Wenn Logistiknetze ins Wanken geraten und die Warenverfügbarkeit nur schwer sichergestellt werden kann, sind dynamische Prognosemodelle immer relevanter, um Planungssicherheit zu generieren.

Digitalisierung wird verstärkt

In Krisen ist es zudem die Systemfrage eine fast schon normal auftretende Begleiterscheinung: Zum Beispiel jene, ob nicht mehr viel mehr Produkte im Inland hergestellt werden sollten, um so zu mehr Unabhängigkeit zu kommen. Oder: Wird es nach der Corona-Krise deshalb zu einer Deglobalisierung kommen? Das Hightech-Forum, das zentrale Beratungsgremium der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech- Strategie 2025, legte in einem Anfang April 2020 veröffentlichten Impulspapier dar, dass Europa auch außerhalb der Krise über strategische Souveränität sprechen muss und Offenheit und Kooperation weiterhin die Gebote der Stunde sind. In dem Papier werden Wege aufgezeigt, wie die Zukunft der Wertschöpfung in der Plattformökonomie gestaltet werden kann – beispielsweise vor dem Hintergrund der Digital- und Datenstrategie der EU. Das Gremium rät dazu, in immaterielle Produktionsfaktoren zu investieren, digitale Infrastrukturen zu schaffen sowie Innovationschancen zu nutzen, die sich durch Offenheit und Kooperation ergeben. Nachhaltige Produkte und Services sollten im Zentrum neuer Geschäftsmodelle stehen. Frank Riemensperger, CEO Accenture Deutschland und Sprecher des Thementeams „Zukunft der Wertschöpfung“ im Hightech Forum, fordert: „Unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit müssen wir an unseren Stärken ausrichten. Der digitale Betrieb der physischen Welt ist hochkomplex – und eine Stärke der deutschen Industrie. Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern müssen wir die digitale Transformation als Innovationschance begreifen. Die konsequente Digitalisierung der Produkte und Produktion über Unternehmensgrenzen hinweg eröffnet der deutschen und europäischen Industrie neue Geschäfte in der Datenökonomie. Leistungsversprechen mit gesellschaftlicher Relevanz, wie Nachhaltigkeit und Gesundheit, sind dafür notwendige Treiber.“

Zukunft der Wertschöpfung

Impulspapier „Zukunft der Wertschöpfung“ des Hightech-Forums
Dass diese Krise das Thema Digitalisierung beschleunigen wird – unter anderem auch, um mehr Transparenz in der Lieferkette zu erhalten, ist auch das eindeutige Ergebnis einer Umfrage unter Einkäufern durch den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik. Allerdings lautet deren Antwort auf die Frage nach der Zukunft auch: „Wir können aktuell nur reagieren nicht agieren.“ Doch neben der Digitalisierung zeichnen sich noch weitere Trends ab: Einzelne Unternehmen bauen Lagerbestände auf oder rücken vereinzelt von Just in Time ab. Und die Befragung führte noch zu einem weiteren Ergebnis. Nach der Länge der Auswirkungen der Krise gefragt, antworteten die Einkäufer mehrheitlich: Die Überwindung der Krise ist das Eine, bis wir wieder auf dem Niveau von 2019 sind, eine ganz andere Frage.

Gründen in Zeiten der Krise

0

Es hätte 2020 so gut für Start-ups laufen können. Eigentlich. Wäre da nicht die CoronaKrise. Wegen der wird nun ein massiver Einbruch bei StartupFinanzierungen erwartet. Von Christoph Berger

2019 war der Gesamtwert der Start-up-Finanzierungen im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent auf 31,1 Milliarden Euro – wobei die Zahl der Finanzierungsrunden allerdings nur um ein Prozent auf 4246 zulegte. Dies sind Zahlen aus dem Start-up-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst und Young (EY). Und 2020? „2019 dürfte vorerst das letzte Rekordjahr für das europäische Start-up-Ökosystem gewesen sein“, sagt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland. „Die Coronavirus-Pandemie wird nicht nur zu deutlich sinkenden Investitionen führen. Es sind zudem bei vielen Unternehmen massive Umsatzausfälle zu erwarten. Damit ist diese Krise eine existenzielle Herausforderung für das europäische Start-up-Ökosystem.“ Es wird also wegen der Corona-Krise für das Jahr 2020 ein massiver Einbruch bei Start-up-Finanzierungen erwartet. Wobei zu erwähnen ist, dass bereits im zweiten Halbjahr 2019 ein Rückgang der Finanzierungsaktivitäten in Europa zu beobachten war. Doch nun, in Zeiten der Krise: „Fest steht, dass das europäische Start-up-Ökosystem vor der größten Bewährungsprobe seiner Geschichte steht“, sagt Peter Lennartz, Partner bei EY. Nun ruht die Hoffnung vieler Gründer auf dem Zwei-Milliarden-Euro-Schutzschirm für Start-ups der Bundesregierung. Dabei handelt es sich um eine erste Tranche des ohnehin geplanten zehn Milliarden Euro schweren Zukunftsfonds. Die Bundesregierung hat zudem einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf den Weg gebracht, über den 600 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, die Unternehmen und Start-ups helfen sollen, die Krise erfolgreich zu bewältigen. Doch laut EY haben nicht nur die Gründer zu leiden, auch die Kapitalgeber stehen laut Peter Lennartz vor besonderen Herausforderungen: „Ein Exit ist jetzt sehr viel schwieriger als vor der Krise – die Bewertungen werden nach unten angepasst. Für die Investoren geht es daher nun vorrangig darum, ihre Portfoliounternehmen durch die Krise zu bekommen. Und sie haben im Zweifelsfall zu entscheiden, welche Geschäftsmodelle tatsächlich noch eine Zukunft haben. Für vielversprechende Unternehmen wird es durchaus noch Zwischenfinanzierungen geben – große Neuinvestitionen werden wir aber deutlich seltener sehen als 2019.“ Und die Berater erkennen auch Unternehmen und Segmente, die gestärkt aus der Krise gehen dürften – wobei überhaupt entscheidend sei, dass die gerade gewonnene Breite und Stärke etwa des deutschen Start-up-Ökosystems zumindest grundsätzlich erhalten bleibe, damit der Technologiestandort Deutschland nicht zurückgeworfen werde. Doch derzeitige Gewinner dürften vor allem die Bereiche Digital Health, BioTech und MedTech sein. Mittelfristig sehen die Berater das Logistik- und Food-Segment, den Online Handel, Online Learning, Online Kommunikation und Saas-Modelle auf einer aufsteigenden Kurve. Schwierig sei es für die Startups aus den Bereichen Travel, Mobility und Events.

Remote arbeiten

0

Viele Teams sind derzeit im Homeoffice. Dadurch werden stabile Strukturen durch die neue Arbeitsund Kommunikationssituation auf die Probe gestellt. Das beinhaltet eine Vielzahl von Herausforderungen. Von Christoph Berger

Komplett von zu Hause zu arbeiten: Für viele mag das unter Umständen vielleicht erst einmal eine schöne Vorstellung sein. Doch eine Herausforderung liegt schon einmal in dem Umstand, dass die wenigsten darauf eingestellt sind, längere Zeit von zu Hause aus zu arbeiten. Das Setting ist oftmals suboptimal, heißt es von Seiten des DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte. Das erzeugt Stress bei Mitarbeitern und Führungskräften. „In diesen Zeiten merkt man, wie wichtig der persönliche Austausch in der Kaffeeküche ist. Weil eben auch berufliche Themen hier schnell und unbürokratisch besprochen werden können“, sagt Nils Schmidt, Vorstand beim DFK. Zumal, wie im vom auf Online-Sprachtraining spezialisierten Unternehmen Speexx veröffentlichten Whitepaper „Das neue Arbeiten: Remote Work & digitale Teams“ erklärt wird: „In vielen Kulturen transportieren sprachliche Wendungen sowie Gesten und Körpersprache viel vom Kontext der Kommunikation.“ Führungskräfte, so der DFK, müssen diesen Stress auffangen – nicht nur, weil er der Produktivität entgegensteht, sondern auch, weil ernsthafte Konflikte untereinander entstehen können. Um die Problemzonen zu reduzieren, hat der DFK acht Tipps zusammengestellt, die das Arbeiten aus der Ferne möglichst konfliktfrei machen sollen. So braucht es beispielsweise für die virtuellen Team-Treffen feste Termine und Regeln. Überhaupt: Auch für den Austausch zwischen einzelnen Team-Mitgliedern werden feste Termine für den Austausch empfohlen. So ist Verfügbarkeit und Anwesenheit garantiert. „Führung ist immer auch Selbstmanagement beziehungsweise Selbstführung“; erklärt Nils Schmidt. Das beinhaltet für Führungskräfte unter anderem, nun in den Video-Konferenzen den gewohnten Kleidungsstil aufrechtzuerhalten. Das vermittelt Verlässlichkeit. Eine weitere Voraussetzung für die gemeinsame Zusammenarbeit aus der Ferne sind das Festlegen von Zielvereinbarungen. So können alle Teammitglieder die ihnen zugedachten Aufgaben zu ihnen passenden Zeiten erledigen. Diese Arbeitsweise setzt Vertrauen voraus. Und den offenen Umgang mit der ungewohnten Situation inklusive einer konstruktiven Feedback-Kultur. Schmidt betont: „Umso wichtiger, dass Ihre Mitarbeiter*innen von Ihnen die Rückmeldung erhalten, die sie brauchen. Bestenfalls positiv, aber immer konstruktiv. Und deutlich mehr, als sie es im Büro tun würden.“ Ein weiterer Tipp ist die schnelle und umfassende Weitergabe von Informationen sowie die Kommunikation, wenn es nichts Neues gibt. Haben Team- Mitglieder das Gefühl, nicht informiert zu sein, kommt Unruhe auf. Schließlich noch ein Rat für Unstimmigkeiten: Hierfür braucht es sofortige Termine zur Aussprache, wobei der Sachverhalt zuerst in Einzelgesprächen geklärt werden sollte. Das Arbeiten aus der Ferne dürfte sich nach Bewältigung der Corona-Pandemie übrigens nicht erledigt haben. So ergab eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner Anfang April 2020 unter 229 HR-Führungskräften, dass viele Arbeitnehmer planen, in Zukunft häufiger aus der Ferne arbeiten zu lassen. Die DFK-Tipps werden also auch nach Corona Bestand haben.

Auf die Haltung kommt es an

0

Dexterity – der englische Begriff bedeutet Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit, Gewandtheit. Immer häufiger ist in Unternehmen davon die Rede. Gemeint ist eine bestimmte Haltung: Mit ihr können Unternehmen sich wendig auf jegliche Art von organisationalen Veränderungen einstellen. Das Beratungsunternehmen Capgemini Invent hat sich in einer Studie ausführlich mit Dexterity auseinandergesetzt. Von Kerstin Neurohr

Oft hätten Vorstand oder die Geschäftsleitung beschlossen, das Unternehmen müsse agiler werden, schreiben die Studienleiterinnen im Vorwort. Dann würden einzelne agile Arbeitsweisen eingeführt, aber es fehle das „Mindset“, um diese zum Erfolg zu führen. Um dieses Mindset geht es: „Wir wollten herausfinden, was Unternehmen dazu befähigen kann, in Zukunft mit immer komplexer werdenden Gegebenheiten erfolgreich umzugehen“, erklärt Dr. Ursula Bohn, eine der Autorinnen der Studie. „Organizational Dexterity ist der Schlüssel zum Erfolg. Sie hebt das rein methodische Vorgehen von der Ebene des ‚Doing‘ auf eine Meta-Ebene des ‚Being‘. Als Grundeinstellung, eingebettet in die Unternehmenskultur, führt Organizational Dexterity zu Nachhaltigkeit im Umgang mit jeglicher neuen Herausforderung.“ Capgemini hat acht Hebel identifiziert, die umgelegt werden müssen, um mit Dexterity Agilität lebendig zu machen: Ökosystem, Kultur, Struktur, Prozesse, Arbeitsumfeld, Leadership & People, Datenkompetenz und Governance. Für die Studie, die den Unterschied zwischen „doing agile“ und „being agile“ beleuchten will, wurden 1135 Professionals aus elf Länder befragt. Es zeigte sich, dass rund 25 Prozent der befragten Organisationen noch am Anfang ihrer agilen Transformation stehen. Sie experimentieren noch mit dem Konzept und begleitenden Methoden. 54,5 Prozent der Unternehmen sind schon etwas weiter und befinden sich momentan zwischen Bewährung und Umsetzung von agilen Methoden, was Veränderungen im Mindset mit sich bringt. Weit fortgeschritten ist immerhin ein Fünftel der Unternehmen (20,4 Prozent): Dort wurde eine Arbeitsweise etabliert, die die Teams flexibel und agiler werden lässt – zwar nicht in der gesamten Organisation, aber in den Bereichen, die als Schrittmacher vorgesehen sind.
Die Studie Auf dem Sprung – Wege zur Organizational Dexterity. Change Management Studie 2019. Die vollständige Studie ist abrufbar unter www.capgemini.com
Die Studie zeigt zudem, dass Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind und zufriedenere Mitarbeiter haben, je weiter sie in Sachen Organizational Dexterity sind. So sagen fast die Hälfte (46 Prozent) der Befragten, die schon weit fortgeschritten sind, dass ihr Unternehmen seine wirtschaftlichen Ziele übertroffen hat. Bei Befragten, die noch am Anfang oder nur zum Teil fortgeschritten sind, sind es lediglich 19 bzw. 30 Prozent. Dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind, sagen 98 Prozent der Mitarbeiter aus Unternehmen mit hohem Reifegrad – im Vergleich zu 84 und 94 Prozent aus den Unternehmen, die noch nicht so weit sind. „Organizational Dexterity ist die nötige Haltung, um gewinnbringend und nachhaltig mit Neuem umgehen zu können“, erklärt Dr. Ursula Bohn. „Zu wissen, wie das Manöver ausgeführt wird, um das Hindernis zu umsegeln, war gestern. Heute bietet jedes Hindernis eine Chance, den Sprung zu wagen, dadurch neue Fähigkeiten zu erlangen und weiter zu kommen.“

Konzentration in der Höhle

In New York und Los Angeles ist es das Big Thing: Arbeiten in der Höhle. Zumindest im übertragenen Sinn. In „The Cave“ kann man gegen Bezahlung arbeiten. Und das Team stellt sicher, dass man nicht abgelenkt wird, sondern fokussiert die selbst gesteckten Ziele erreicht.  Von Kerstin Neurohr

Durch die Digitalisierung sind wir zu Multitaskern geworden. Oft gezwungen durch die Technik: Hier blinkt eine neue E-Mail, da kommt eine Push-Nachricht rein, das Smartphone piept und vibriert, und wir arbeiten an drei Sachen gleichzeitig. Kein Wunder, dass Konzentration so kaum möglich ist. Hier setzt das Konzept von „The Cave“ an, das sich vor allem an Freelancer richtet, die sonst zuhause, im Café oder im Coworking-Space arbeiten. Sie checken für eine Session, die dreieinhalb Stunden dauert, in der „Höhle“ ein – tatsächlich ist der Raum keine dunkle Höhle, sondern ein Büro mit viel Licht. Erstmal geben alle ihr Smartphone ab und sagen dann den anderen Teilnehmern, was sie schaffen wollen. Und dann wird gearbeitet. Fokussiert. Ohne Ablenkung. Darauf achten die „Cave Guides“, die Aufsicht führen. Unternehmen wie Facebook, Spotify oder Pinterest buchen sie, damit sie ins Unternehmen kommen und die Mitarbeiter lehren, wie man konzentriert arbeitet. Die Gründer von „The Cave“ haben ein erfolgreiches Projekt auf die Beine gestellt – die Idee dahinter ist aber schon älter. „Deep Work“ nennt man den Arbeitsmodus, in dem man ohne Ablenkung konzentriert arbeitet. Cal Newport hat den Begriff geprägt, er ist Informatikprofessor und Bestseller-Autor und hält Deep Work für „die Supermacht des 21. Jahrhunderts“. Er verweist darauf, dass schon Michel de Montaigne oder Carl Gustav Jung nach dem Konzept gearbeitet haben, auch wenn sie sicher anders abgelenkt wurden und die Methode anders benannten. Auch europäische Wissenschaftler haben sich mit Deep Work beschäftigt. Prof. Hartmut Schulze, Leiter des Instituts für Kooperationsforschung und -entwicklung an der Fachhochschule Nordwestschweiz , sagt: „Unterbrechungsfreies konzentriertes Arbeiten ist der Schlüssel zu tiefgehenden kreativen Gedanken. Durch das gestiegene Tempo in der digitalen Welt erreichen wir ihn aber kaum noch, ohne uns diszipliniert zurückzuziehen. Wir dürfen diesen Zustand jedoch nicht vernachlässigen, sondern müssen Räume und Gelegenheiten schaffen, die Deep Work begünstigen.“

Unsere Tipps für Deep Work:

  • Feste Zeiten einplanen, abhängig von den anstehenden Aufgaben – zum Beispiel täglich zwei Stunden oder einen Vor- und Nachmittag pro Woche.
  • Ruhe finden: Der Arbeitsplatz soll ruhig und möglichst frei von Geräuschen sein.
  • Während der Deep-Work-Phase Smartphone ausschalten und außer Reichweite deponieren. Mailprogramm schließen, aus allen sozialen Netzwerken ausloggen.
  • Freizeit bewusst gestalten: Ein Buch lesen, Sport machen, Freunde treffen ist besser, als ohne Plan durchs Internet zu klicken.
  • Dranbleiben, Deep Work zur Gewohnheit machen – Konzentration ist eine Fähigkeit, die man trainieren kann.

Mehr zu Deep Work:

Cal Newport: Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie. Redline 2019. 19,99 Euro Cordula Nussbaum: Lass mal alles aus!: Wie du wirklich abschalten lernst. Gabal 2019. 17,00 Euro

Podcast:

Kreatives Zeitmanagement von Cordula Nussbaum. Arbeiten in der Höhle: www.caveday.org