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E-Paper karriereführer wirtschaftswissenschaften 2.2025 – AI verändert die globale Ökonomie: Warum jetzt KI-Know-how zählt

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Auf dem Sprung in die New AI-Economy

Die Wirtschaft steht auf dem Sprung in die New AI-Economy. Digital – und angetrieben von Systemen mit generativer Künstlicher Intelligenz. Es entstehen Potenziale in allen ökonomischen Bereichen. Aber der Wandel hat großen Hunger: Im Zusammenspiel mit der E-Mobility sorgt die KI dafür, dass der globale Strombedarf enorm steigt. Worauf es daher ankommt: Bereit für die Änderungen zu sein. Ein Essay von André Boße

Die größten technischen Innovationen betreffen nicht nur spezielle Bereiche. Sie betreffen alle. Die Erfindung der Elektrizität war eine solche. Die Entwicklung des Automobils auch. Und die Einführung des Mobiltelefons offensichtlich ebenfalls. Nun geht’s um die Künstliche Intelligenz. Auch hier spricht man von einer Querschnittstechnologie, sprich: einer Entwicklung, die quer durch die gesamte Gesellschaft und auf alle ihre Systeme und Bereiche Einfluss nimmt. Längst werden die Möglichkeiten der KI in der Breite genutzt. Mit ChatGPT und Co. generierte Bilder überfluten das Internet und die Sozialen Medien. Schüler*innen nutzen die KI zum Lernen, schreiben mit ihrer Hilfe Aufsätze. Übrigens häufig nicht gegen den Willen der Lehrkräfte. Sondern mit deren Unterstützung. Weil Pädagog*innen erkennen: Die Zukunft des Lernens ist ohne Künstliche Intelligenz nicht mehr vorstellbar. Dass auch Verbände vor einer KI-Zukunft stehen, zeigt ein Workshop, den Microsoft Anfang 2025 angeboten hat: „KI als Treiber in Verbänden“. Bezeichnend, dass der Impulsvortrag am Morgen den Titel „KI auf dem Weg zur nächsten Querschnittstechnologie“ trug. Und dass Microsoft diesem Workshop einen Obertitel gegeben hat, der beschreibt, was auf uns zukommt: die New AI-Economy.

KI sorgt für Update der New Economy

Ein Schritt zurück, was war noch gleich die New Economy? Der „Duden Wirtschaft von A bis Z“ definiert sie als „Bezeichnung für Wirtschaftsbereiche, die im Zusammenhang mit der Verbreitung des Internets und der Computer sowie anderer Informations- und Kommunikationstechniken aufkamen und die wirtschaftlichen Abläufe teilweise grundlegend änderten“. In der Geschichte der New Economy gab es eine platzende Dotcom-Blase mit rasanten Kursabstürzen zunächst erfolgreicher Internet-Start-ups sowie die Erkenntnis, dass auch die New Economy die Grundregeln des Kapitalismus nicht außer Kraft setzen kann. Dennoch: Die New Economy steht für eine wirtschaftliche Zeitenwende, die digital getriebene Konzerne wie Google, Meta, Tesla oder Amazon möglich machte. Und die komplett neue Geschäftsmodelle ermöglichte, von E-Commerce und Social-Media-Marketing über Cloud Computing und Streaming bis zu On-Demand- und Sharing- Services. Nun also New AI-Economy. Eine Art KI-Update der „alten“ New Economy. Auf welche Weise die Künstliche Intelligenz die globale Wirtschaft ändern wird, erklärt Anton Korinek, Wirtschaftsprofessor an der Darden School of Business der University Virginia. Er war einer der Expert*innen, die im Auftrag der G7-Staaten einen Report zur Frage geschrieben haben, wie die KI die Ökonomie verändern wird. Ein Interview mit ihm findet sich auf der Homepage des Uni-Nachrichtendienstes UVA Today. Korinek ist der Überzeugung, dass die KI im Begriff sei, „unser Wirtschaftssystem in einer Weise grundlegend zu verändern, die mit der industriellen Revolution vergleichbar ist“. So wie damals das Mittelalter in die moderne industrielle Wirtschaft übergegangen sei, werde auch die KI ein „völlig neues Wirtschaftsparadigma“ einleiten: „Die Technologie hat das Potenzial, sowohl kognitive als auch physische Arbeit in praktisch allen Sektoren zu automatisieren.“ Die Frage sei: Wie schnell wird das gehen? „Einige Experten sagen umwälzende Fortschritte innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre voraus, während andere eher allmähliche Veränderungen in einem Bereich von fünf bis zehn Jahren erwarten“, wird Korinek zitiert.

KI verlangt danach, Arbeit neu zu denken

Als Mitglied des Expert*innen-Teams formulierte Korinek im Report für die Regierungschefs der G7-Staaten den Ratschlag, eine Haltung der „Bereitschaft“ einzunehmen. Es sei wichtig, KI-Fachwissen aufzubauen und Richtlinien festzulegen, zum Beispiel bei Frage von Finanzaktivitäten oder „grenzüberschreitender Zusammenarbeit bei der KI-Governance“. Was bedeutet: Es könnte auch eine KI-Diplomatie geben, deren Formen und Werte erst noch gefunden werden müssen. Mit Blick auf die Wirtschaft glaubt Korinek, die KI biete zwar beispiellose Chancen für Wirtschaftswachstum und Innovation, bringe aber erhebliche Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel „potenzielle Störungen des Arbeitsmarktes“.

Künstliche Intelligenz in der Wirtschaftsprüfung

Künstliche Intelligenz (KI) wird künftig zur zentralen Technologie in der Abschlussprüfung sowie im Finanz- und Rechnungswesen insgesamt. So lautet eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie Künstliche Intelligenz im Corporate Accounting und Audit, für die PwC Führungskräfte aus dem Finanz- und Rechnungswesen deutscher Unternehmen befragt hat. Der Studie zufolge erwarten rund drei Viertel der befragten Unternehmen (76 Prozent), dass KI die Abschlussprüfung in den kommenden Jahren technologisch massiv verändern wird. Und etwa zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) gehen davon aus, dass es künftig mindestens in Teilen der Abschlussprüfung nicht mehr ohne KI gehen wird.
Was die Jobs betrifft, die im Zuge der New AI-Economy neu entstehen oder wegfallen können, sieht Anton Korinek „eine faszinierende Dynamik im Spiel“: „Wirtschaftswissenschaftler haben Jahrzehnte damit verbracht, zu erklären, warum die technologische Automatisierung nicht zu dauerhafter Arbeitslosigkeit führt.“ Angloamerikanische Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang vom „lump of labor fallacy“ – gemeint ist der Trugschluss, dass es in Volkswirtschaften eine festgelegte Menge an Arbeit gibt, die nicht veränderbar ist. Korinek glaubt, dass die KI dafür sorgen wird, dass dieser Irrtum offensichtlicher denn je wird: „Wenn KI-Systeme in der Lage sind, die menschliche Leistung bei praktisch jeder Aufgabe zu erreichen oder zu übertreffen, wie viele führende KI-Forscher vorhersagen, werden wir unsere grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überdenken müssen.“ Und damit auch den Begriff von Arbeit. Verbunden mit der Frage, wie viel Arbeit geleistet werden muss. (siehe Kasten zur Vier-Tage-Woche)

KI ist zentrales Bildungstool

Es kommt also darauf an, Bereitschaft zu zeigen. Das gilt für alle Branchen. Zum Beispiel die Anbieter von Fort- und Weiterbildung. Das Berliner Unternehmen Relias hat sich auf digitale Bildung für das Gesundheits- und Sozialwesen spezialisiert. In einem Blog auf der Unternehmenshomepage skizziert Stephan Butzke, ehemaliger Krankenpfleger und jetzt Fachautor für Digital- und Gesundheitsthemen, wie KI das Lernen im seinem Bereich verändert. Butzke ist davon überzeugt, dass die Künstliche Intelligenz vollkommen neue Möglichkeiten eröffnet: „Statt statischer Schulungen und starrer Lernmodule können personalisierte, adaptive und interaktive Lernformate entstehen“, schreibt er in seinem Blog-Beitrag.
Es kommt also darauf an, Bereitschaft zu zeigen. Das gilt für alle Branchen.
Konkret nennt er „personalisierte Lernpfade“, die basierend auf Daten zu Vorwissen, Lernverhalten und Lernfortschritt analysiert, welche Inhalte besonders relevant sind und welche Bereiche noch vertieft werden sollten. Möglich seien auch „Simulationen und immersive Lernerfahrungen“, in dem die KI realistische Simulationen, KI-gestützte Fallstudien und interaktive Trainings entwickelt. Auch Sprachbarrieren könnten dank KI-Übersetzungstools überwunden werden, Fachwissen aus globalen Datenquellen seien erschließbar. „So wird Weiterbildung niedrigschwelliger und inklusiver“, ist Stephan Butzke überzeugt. Was er nicht glaubt: Dass die KI die Bildung komplett übernimmt. Der Schlüssel liege darin, KI bewusst und reflektiert zu nutzen: „Nicht jede Technologie ist für jedes Lernsetting geeignet, und der Mensch bleibt weiterhin die wichtigste Instanz, wenn es um kritisches Denken, Kreativität und Empathie geht.“

Service nach Maß

Von der Bildung zu Märkten und Dienstleistungen: Tahir Nisar, Wirtschaftsprofessor an der Universität Southampton, publizierte im März 2025 für den Think Tank Economics Observartory einen Beitrag über den Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf Geschäftsmodelle in den Bereichen Handel, Logistik und Vertrieb. „KI verändert die Art und Weise, wie Verbraucher einkaufen, sich mit Inhalten beschäftigen und mit Unternehmen interagieren“, schreibt er. Dank des Zugriffs auf riesige Mengen von Verbraucherdaten nutzten Unternehmen zunehmend KI-gestützte Erkenntnisse, „um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die sich relevanter und intuitiver anfühlen“.

Büro-Buddies steigern Produktivität

Mit Freunden arbeiten macht nicht nur mehr Spaß, sondern wirkt wie ein Turbo für Leistung und Wohlbefinden: Rund 82 % der Beschäftigten in Deutschland geben an, dass ein starkes Gemeinschaftsgefühl am Arbeitsplatz ihre Produktivität steigert und mentale Gesundheit fördert. Das zeigt das Randstad Arbeitsbarometer 2025. Für jüngere Beschäftigte sind Freundschaften am Arbeitsplatz sogar entscheidend dafür, ob sie bei einem Arbeitgeber bleiben oder gehen: 30 % der Generation Z haben bereits einen Job gekündigt, weil ihnen ein freundschaftliches Miteinander im Job fehlte. Zum Vergleich: Unter Baby-Boomern waren es nur 12 %.
Beispielhaft für diese Potenziale stehe laut Nisar der Finanzsektor. Dort definierten „KI-gestützte Beratungstools die persönliche Vermögensverwaltung neu, indem sie passgenaue Anlagestrategien auf der Grundlage von Risikobewertungen in Echtzeit anbieten“. Das gebe Unternehmen die Möglichkeit, sich weg von statischen, einheitlichen Finanzplänen hin zu KI-gesteuerten Modellen zu bewegen, „die sich dynamisch an die Veränderungen im Leben anpassen, zum Beispiel an berufliche Veränderungen oder Familienzuwachs“. Damit könnten Finanzdienstleister laut Tahir Nisar eine neue Ebene erreichen, indem sie „maßgeschneiderte Finanzpläne anstelle starrer, unflexibler Pläne“ liefern. Für Nihar ist „maßgeschneidert“ ein zentrales Kennwort der New AI-Economy: Automobilhersteller seien dabei, intelligente Fahrzeuge zu entwickeln, die sich an die Komfort- und Leistungswünsche des Fahrers anpassen. Im Kundenservice lernten mit KI-Chatbots aus früheren Interaktionen, um einen intuitiveren und menschenähnlichen Support zu bieten. Unternehmen entwickelten Produkte, die sich stärker an den Marktbedürfnissen orientieren, Innovationen vorantreiben und intelligentere strategische Entscheidungen ermöglichen. Nihar nennt hier zwei konkrete Beispiele: Nike-Schuhe „auf der Grundlage biometrischer Daten“, L’Oréal-Hautpflegeprodukte, „angepasst an den individuellen Hauttyp“.

Gigantischer Stromhunger

Doch die KI gibt nicht nur, sie benötigt auch etwas. Nämlich Energie. Im Blog des Internationalen Währungsfonds (IMF) schreiben die IMF-Experten Ganchimeg Ganpurev und Andrea Pescatori in einem Beitrag vom Mai 2025, dass die KI als „Quelle für Produktivität und Wirtschaftswachstum“ immer mehr Strom für die Rechenzentren benötige. „Die daraus resultierende Belastung der Stromnetze hat erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Stromnachfrage“, schreiben die Autor*innen. Bereits im Jahr 2023 benötigten die Rechenzentren der Welt mit 500 Terawattstunden doppelt so viel Strom, wie es im Jahr 2015 der Fall war. 2030, prognostizieren die Autor*innen auf Basis der Daten einer OPEC-Studie, werde sich diese Menge im Vergleich zu 2023 verdreifachen, auf 1500 Terawattstunden. Damit würden die Rechenzentren pro Jahr die Menge an Strom benötigen, die heute das Land Indien mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohner*innen verbraucht.
Die Wirtschaft muss AI-Economy-ready sein. Gemeint sind die Unternehmen und die Politik, aber auch alle, die jetzt in eine zunehmend von der KI getriebenen Ökonomie einsteigen.
Ganchimeg und Pescatori entwerfen das positive Szenario, dass die Nachfrage nach Strom auch das Angebot ankurbelt. Zum Bespiel mit einem weiteren Boom der Erneuerbaren Energien, die saubere und klimaneutrale Elektrizität erzeugen. Ist die Reaktion jedoch nicht schnell genug, könnte das zu einem „stärkeren Kostenanstieg führen, der Verbrauchern und Unternehmen schadet und möglicherweise das Wachstum der KI-Industrie selbst bremst“, heißt es im IMF-Beitrag. An dieser Stelle kommt erneut die Bereitschaft ins Spiel: Die Wirtschaft muss AI-Economy-ready sein. Gemeint sind die Unternehmen und die Politik, aber auch alle, die jetzt in einer zunehmend von der KI getriebenen Ökonomie einsteigen. Es geht darum, Chancen zu nutzen, Risiken zu erkennen, Folgen abzuschätzen. Dabei ist es klug, sich nicht kopfüber ins KI-Abenteuer zu stürzen, sondern die Veränderungen vom Ende her zu denken.

Kuratiert

Female Future Festival an vier Standorten

Das Female Future Festival ist der nach eigenen Angaben „größte Empowerment-Treffpunkt der DACH-Region für Karriere, Innovation, New Leadership, New Work und Job-Chancen“. An gleich vier Standorten findet das Festival statt: In München, am Bodensee, in Zürich und Wien. Namhafte Speakerinnen sprechen über Themen wie Personal Branding, New Work, Diversity, Change, Finanzen, Mental Health und vieles mehr.

Forum für Künstliche Intelligenz im Deutschen Museum Bonn

Künstliche Intelligenz ist die bedeutendste Technologie unserer Zeit – deshalb widmet das Deutsche Museum Bonn dem Thema bunt gestaltete Erlebnisräume, in denen das vielseitige und komplexe Thema KI sehr zugänglich vermittelt wird: Interaktive und unterhaltsame Exponate und Demonstrationen machen Grundlagen und aktuelle Entwicklungen der KI verständlich. Da gibt es interaktive Stationen zum Ausprobieren und Anfassen statt trockener Texte und Erläuterungen. Für ein aktives Museumserlebnis sorgen die Museotainer*innen, die den Besucher*innen zur Seite stehen und das abstrakte Thema KI mit Leben füllen. Ihre „KI:ckstarts“ – kurze dialogische Rundgänge – eröffnen den Museumsgästen einen verständlichen Zugang zur Welt der Künstlichen Intelligenz.

Ranking der forschungsstärksten Betriebswirte

Prof. Dmitry Ivanov von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) ist der forschungsstärkste Betriebswirt im deutschsprachigen Raum – zu diesem Ergebnis kommt das aktuelle BWL-Ranking der WirtschaftsWoche. Kein anderer Betriebswirt im deutschsprachigen Raum hat in den vergangenen fünf Jahren eine so hohe Forschungsleistung erzielt wie Ivanov: Der Professor für Supply Chain Management hat als einziger mehr als 10.000 Punkte in dem Ranking erreicht. Auf Platz zwei folgt Prof. Alexander Benlian von der TU Darmstadt, den dritten Platz belegt Prof. Sascha Kraus von der FU Bozen Die Rangliste erfasst die Publikationen von rund 3.700 Betriebswirt*innen, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz an Lehrstühlen, Fraunhofer- und Max-Planck-Instituten arbeiten. Die Ergebnisse basieren auf Publikationen in knapp 860 BWL-Zeitschriften von 2020 bis 2024, die nach ihrer Reputation gewichtet wurden. von Kerstin Neurohr

Wie Familienmuster Ihre Karriere bestimmen – und wie Sie sich davon freimachen können

Familientraumata beeinflussen Menschen mehr, als ihnen bewusst ist, sagen Dorothea Assig und Dorothee Echter. Gemeinsam leiten sie Seminare für Community-Building im Topmanagement und erleben, wie Familiengeschichten Karrieren behindern können. In ihrem Gastartikel beschreiben sie, was ein schwedischer Roman mit Ihrer Karriere zu tun haben könnte – und warum es sich lohnt, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

Dies könnte eines der wichtigsten Karrierebücher für Sie sein, auch wenn es keins ist. Der schwedische Schriftsteller Alex Schulman, geboren 1976, beschreibt in seinem autobiografischen Roman „Verbrenn all meine Briefe“ (dtv 2022, 23,00 Euro) wie sich unerkannte Familientraumata zerstörerisch auswirken, auch auf ihn – über mehrere Generationen hinweg. Sein Großvater Sven Johan Stolpe (1905-1996) war als angesehener schwedischer Schriftsteller eine öffentliche Person, immer in langwierigen, öffentlich ausgetragenen Konflikten mit anderen einflussreichen Kollegen verstrickt. Und ein Familientyrann. Was hat dieser kluge Roman, spannend wie ein Krimi, mit Ihren Karriereambitionen zu tun? Sehr viel, weil der Autor sich aufmacht, zerstörerische Familienmuster zu erkennen. Und genau davon können Sie lernen. Die Bedeutung von Familiennarrativen für Karrieren ist wissenschaftlich noch ein unerschlossenes Gebiet. Wir wissen als Beraterinnen vieler hochbegabter und erfolgreicher Menschen um die entscheidende Bedeutung von Familientraumata. Sie beeinflussen Menschen mehr, als ihnen bewusst ist, verursachen Widerstände, Zweifel, Ängste, Affekte oder sind der Auslöser, dass man sich unwohl fühlt in der Gegenwart erfolgreicher Menschen, dann verstummt, sich arrogant abgrenzt und damit den eigenen Durchbruch behindert. Dieses hochdramatische Buch macht deutlich, auf wie viele Arten Menschen von früheren Generationen beeinflusst werden. Es erschließt präzise die Gefühlsdimensionen von zwei völlig unterschiedlichen Männern, die beide von Familientraumata geprägt waren – und unterschiedlich damit umgingen. Der Großvater wurde immer starrer und gemeiner. Alex Schulman aber wollte seine Traumata nicht an seine Kinder weitergeben, deshalb machte er sich auf die Suche nach der Ursache für seine Wut. Wir empfehlen Ihnen dieses Buch, weil es der Beginn Ihres detektivischen Projekts sein könnte, karrierehemmende Familientraumata aufzulösen. Es muss nicht so dramatisch sein wie in der Alex-Schulman-Familiengeschichte – aber wer weiß? Alles wirkt in die nächsten Generationen hinein. Krieg, Flucht, Spielsucht, Armut, Existenzzusammenbrüche, Scheitern, gesellschaftlicher Abstieg und Aufstieg, Erfolg, Glück, Liebe. Viele Karrieren geraten durch lange Vergangenes und Vergessenes allzu früh ins Stocken oder werden für immer ausgebremst. Familientraumata können nur durch das Erkennen überwunden und verlassen werden. So gibt es ein neues Leben und eine Karriere, die diesem Leben entspricht. Alex Schulman ist das gelungen. Ihnen wünschen wir Erkenntnissprünge.

Cover-Eines Tages...Buchtipp

Assig + Echter sind Beraterinnen für Topmanager*innen und Organisationen. Ihre Erkenntnisse teilen sie in Vorträgen, Seminaren und Fachzeitschriften. In ihren Büchern haben sie ihr Wissen im Detail konzeptualisiert: • AMBITION. Wie große Karrieren gelingen (Campus Verlag) • FREIHEIT für Manager. Wie Kontrollwahn den Unternehmenserfolg verhindert (Campus Verlag) • Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“ Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und Sie dennoch weiterkommen (Ariston Verlag).

Business-Smoothie Kultur-, Buch- und Linktipps

EINFACH LITERATUR. EINE EINLADUNG

Cover Einfach LiteraturEs war DIE Social-Media-Geschichte des Jahres 2024. Überregionale und regionale Medien berichteten über den Kölner Antiquar Klaus Willbrand, der in kürzester Zeit zum Social-Media-Star avancierte und einen neuen Hype auslöste. Zu verdanken war der Erfolg Daria Razumovych, Germanistin und Literaturliebhaberin. Sie hat mit Ihrer Digitalberatung den Über-Achtzig-Jährigen zum TikTok-Star gemacht. Ende Januar ist er verstorben – die Erscheinung des gemeinsamen Buchs im Sommer hat er nicht mehr erlebt. „Einfach Literatur“ ist eine unterhaltsame Einführung in die Literatur, geeignet für erfahrene Leser*innen ebenso wie für Einsteiger*innen. Es versammelt zahlreiche Leseempfehlungen, persönliche Anekdoten von Klaus Willbrand, sowie die gemeinsame Geschichte von ihm und Daria Razumovych. Klaus Willbrand, Daria Razumovych: Einfach Literatur. Eine Einladung. S. Fischer 2025. 22,00 Euro.

ON THE ROAD MIT MARCO WANDA

Cover Marco WandaDer Bandleader und Songwriter von „Wanda“ hat ein Buch geschrieben: Er erzählt die Geschichte eines Erfolgs und verschweigt nicht den Preis, den man dafür zahlt, er erzählt von Wien und den Menschen, die diese Stadt ausmachen, von einer Künstlergeneration, die „zum lebenden Kult“ geworden ist. Ein bestechend ehrliches Buch über einen, der mehr erreicht hat, als er sich jemals vorstellen konnte – und der überlebt hat. Ein Buch über Tod und Verlust, über Musik und Freundschaft. Marco Wanda: Dass es uns überhaupt gegeben hat. Hanser 2025. 25,00 Euro.

LEO XIV: KI IST EINE DER GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN

Cover LeoAm Ostermontag 2025 stirbt Papst Franziskus nach zwölf Jahren im Amt. Nur acht Tage später wählen die Kardinäle mit Robert Francis Prevost einen Nachfolger, der sich Leo XIV. nennt. Der Amerikaner hat u.a. Mathematik studiert, und gleich bei seiner ersten Audienz, zwei Tage nach seiner Wahl, nannte er Künstliche Intelligenz als eines der wichtigsten Themen, mit denen die Menschheit konfrontiert ist. KI sei eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre „für die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit“. In seinem Buch gibt der Jesuit und Vatikankenner Andreas Batlogg exklusive Einblicke. Wer ist dieser Papst, was bedeutet seine Wahl für die Zukunft der katholischen Kirche? Wird er das Erbe von Franziskus fortführen oder neue Wege gehen? Andreas R. Batlogg: Leo XIV. Der neue Papst. Herder 2025. 19,00 Euro.

BUSINESS-DOJO

Cover Business DojoRonny Schönig praktiziert seit über 38 Jahren intensiv verschiedene asiatische Kampfkünste und gilt als anerkannter Experte für leistungsorientierten Kampfsport. In seinem Buch „Business Dojo für Führungskräfte“ zeigt er Wege zu innerer Stärke und Entscheidungskraft. Dojo – das innere Zentrum der Ruhe – ist vor allem in turbulenten Zeiten wichtig, besonders für Führungskräfte, die sich täglich wichtigen Herausforderungen stellen müssen. Ronny Schönig: Business-Dojo für Führungskräfte. Die 7 Stufen zu innerer Stärke und Wirksamkeit. Campus 2025. 28 Euro

NEUE LEADERSHIP-KOMPETENZEN

Cover FuehrungskraefteDie Wirtschaftslage in Deutschland war lange Zeit stabil und wachstumsorientiert, die Fachkräftedeckung hinreichend. Doch der Wind hat sich gedreht, Krisen und Veränderungen brachen wie gigantische Wellen über die Unternehmen herein. Business-Coach Ben Schulz fordert daher eine neue Betrachtung der Leadership-Kompetenzen: eine „radikale Perspektive“, ein radikales Umdenken und Handeln – für ein höheres Veränderungstempo, eine deutliche Aufbruchstimmung, für mehr Motivation und Handlungsfähigkeit. Sein Ziel: Führungskräfte zu Hoffnungsträgern und Perspektivenmachern zu entwickeln. Ben Schulz: Führungskräfte als Hoffnungsträger. Durch Selbstreflexion und adaptive Strategien in Krisenzeiten bestehen. Remote Verlag 2025. 19,99 Euro

COLLEEN HOOVER MISCHT DEN BUCHMARKT AUF

Colleen Hoover (*1979) ist Autorin und New-Adult-Pionierin – ihre Geschichte als Autorin hat selbst das Zeug zum Roman: Ihr erstes Buch, „Weil ich Layken liebe“, schrieb sie als Weihnachtsgeschenk für ihre Mutter. Weil die Familie so begeistert war, veröffentlichte sie es als E-Book – und wenig später hatte sie ihren ersten Bestseller. Heute hat Colleen Hover mehr als 20 Romane veröffentlicht und zählt zu den meistverkauften amerikanischen Autorinnen. Ihr Erfolgsrezept: Liebe und Leidenschaft, die ganz großen Gefühle, dazu etwas Spice, leicht zu lesen. Damit hat sie ein Genre begründet, New Adult, und dem Buchmarkt einen Aufschwung verschafft, wie es ihn lange nicht gab. Colleen Hover hat mittlerweile mehr als 20 Millionen Bücher verkauft, lebt mit ihrem Mann und drei Söhnen in Texas, schreibt weiter und ist überaus erfolgreich auf TikTok und Instagram aktiv. www.instagram.com/colleenhoover

DER GEDANKEN CODE

Cover-Der Gedanken CodeRund um die Welt kombinieren Firmen und Forschende künstliche Intelligenz mit Erkenntnissen aus der Hirnforschung. Ihr Ziel: den Code unseres Denkens zu knacken und zu verstehen, was in uns vorgeht. Schon bald werden ihre Technologien in viele Bereiche unseres Lebens vordringen. Das birgt enorme Chancen, aber auch nie dagewesene Risiken. In seiner packenden Reportage, die ihn von Berlin in den Süden Indiens und bis ans Ende der digitalen Welt in Patagonien führt, enthüllt Janosch Delcker, was da gerade hinter verschlossenen Türen entsteht – und liefert eine Anleitung, wie wir mit den smarten Anwendungen sinnvoll umgehen können. Delcker, Janosch: Der Gedanken-Code. Wie künstliche Intelligenz unser Denken entschlüsselt und wir trotzdem die Kontrolle behalten. C.H.Beck 2024. 16,00 Euro.

Masterstudium: Eine Investition in die Zukunft?

Die Entscheidung für ein Masterstudium ist ein bedeutender Schritt in der akademischen und persönlichen Laufbahn. Sie wirft zentrale Fragen nach dem individuellen Nutzen, der Finanzierung und den späteren beruflichen Perspektiven auf. Ob sich ein Masterstudium tatsächlich lohnt, hängt stark von den persönlichen Zielen, den fachlichen Interessen und den Anforderungen des jeweiligen Berufsfeldes ab. Dennoch lassen sich zahlreiche Gesichtspunkte benennen, die diese Form der Weiterbildung für viele Absolventinnen und Absolventen zu einer sinnvollen Investition in die eigene Zukunft machen. Von Stefan Trees

Vertiefung des Fachwissens und Spezialisierung

Ein wesentlicher Vorteil des Masterstudiums liegt in der Vertiefung des bereits im Bachelor erworbenen Wissens. Studierende haben die Möglichkeit, sich intensiver mit ihrer Fachrichtung auseinanderzusetzen, komplexe Zusammenhänge zu analysieren und sich auf spezifische Teilbereiche zu spezialisieren. In vielen Studiengängen wird zudem großer Wert auf forschungsorientiertes Arbeiten gelegt. Die eigenständige Durchführung wissenschaftlicher Projekte oder sogar die Veröffentlichung erster Forschungsergebnisse fördern ein tiefes Verständnis der Disziplin und bereiten optimal auf anspruchsvolle Positionen in Wissenschaft, Wirtschaft oder Verwaltung vor. In akademischen Berufsfeldern, etwa im Hochschulwesen oder in der außeruniversitären Forschung, ist ein Masterabschluss in der Regel unverzichtbar, oft bildet er auch die Eintrittskarte für eine spätere Promotion.

Erweiterung der beruflichen Perspektiven

Auch im außerakademischen Bereich eröffnen sich durch ein Masterstudium neue berufliche Perspektiven. Viele Unternehmen erwarten für qualifizierte Fach- und Führungspositionen inzwischen einen weiterführenden Hochschulabschluss, insbesondere wenn diese mit strategischer Verantwortung oder internationaler Ausrichtung verbunden sind. Die im Masterstudium geschulten Fähigkeiten wie analytisches Denken, komplexe Problemlösungsstrategien, strukturiertes Projektmanagement und professionelle Kommunikation sind auf dem heutigen Arbeitsmarkt sehr gefragt. Zudem qualifiziert ein Masterabschluss häufig für Tätigkeiten in besonders innovationsgetriebenen Bereichen wie Forschung und Entwicklung, IT, nachhaltige Technologien oder Unternehmensberatung.

Höhere Einstiegsgehälter und bessere Karrierechancen

Hinzu kommt, dass Absolventinnen und Absolventen eines Masterstudiums laut empirischer Untersuchungen im Durchschnitt mit höheren Einstiegsgehältern rechnen können als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen mit einem reinen Bachelorabschluss. Dies liegt nicht nur an der tiefergehenden Qualifikation, sondern auch daran, dass Unternehmen verstärkt auf spezialisierte Fachkräfte setzen, die in kurzer Zeit Verantwortung übernehmen können. Auch die Aufstiegschancen innerhalb eines Unternehmens verbessern sich mit einem Master deutlich, insbesondere wenn strategisches Denken und Führungsverantwortung gefordert sind.
Die intensive Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen, das Arbeiten in internationalen und oft interdisziplinären Teams sowie das Präsentieren eigener Projekte fördern Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Kreativität, interkulturelle Sensibilität und soziale Verantwortung.

Persönliche Entwicklung und Networking

Ein Aspekt, der in der Entscheidung für oder gegen ein Masterstudium nicht unterschätzt werden sollte, ist die persönliche Entwicklung. Die intensive Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen, das Arbeiten in internationalen und oft interdisziplinären Teams sowie das Präsentieren eigener Projekte fördern Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Kreativität, interkulturelle Sensibilität und soziale Verantwortung. Darüber hinaus bietet ein Masterstudium wertvolle Gelegenheiten zum Networking: Kontakte zu Kommilitoninnen und Kommilitonen, Dozierenden sowie Partnern aus der Praxis können sich langfristig als entscheidend für den beruflichen Einstieg oder spätere Karriereschritte erweisen.

Internationale Ausrichtung

In einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt gewinnt auch die internationale Ausrichtung vieler Masterprogramme an Bedeutung. Zahlreiche Hochschulen bieten die Möglichkeit, einen Teil des Studiums im Ausland zu absolvieren oder sogar einen vollständigen internationalen Studiengang zu wählen, etwa mit einem sogenannten Double Degree oder Joint Degree in Kooperation mit Partneruniversitäten. Solche Programme fördern nicht nur Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenzen, sondern stärken auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen. Wer eine Karriere in einem multinationalen Unternehmen oder bei internationalen Organisationen anstrebt, profitiert in besonderem Maße von diesen Angeboten.

Wann lohnt sich ein Masterstudium besonders?

Ein Masterstudium kann zudem ein geeigneter Weg sein, um sich beruflich neu zu orientieren oder die eigene Ausbildung durch interdisziplinäre Studienangebote gezielt zu ergänzen. Wer beispielsweise nach einem geisteswissenschaftlichen Bachelor einen wirtschaftswissenschaftlichen Master anschließt, erschließt sich damit neue Berufsfelder in Management, Marketing oder Personalentwicklung. Auch in technologiebezogenen oder digitalen Studiengängen – etwa Data Science, Künstliche Intelligenz oder nachhaltige Ingenieurwissenschaften – bieten sich durch die Kombination unterschiedlicher Disziplinen hervorragende Chancen für den Einstieg in zukunftsträchtige Branchen. Die Möglichkeit, durch ein Masterstudium gezielt auf Veränderungen des Arbeitsmarkts zu reagieren, macht diesen Bildungsweg besonders attraktiv für all jene, die langfristig anpassungsfähig und innovativ bleiben wollen.

Digitale Studienangebote sind im Kommen

Neben klassischen Vollzeitstudiengängen existieren heute vielfältige Modelle, die es ermöglichen, ein Masterstudium flexibel an die Lebensrealität der Studierenden anzupassen. Teilzeitstudiengänge, berufsbegleitende Programme und digitale Formate eröffnen insbesondere Berufstätigen die Möglichkeit, sich weiterzubilden, ohne ihre Erwerbstätigkeit vollständig aufgeben zu müssen. Digitale Studiengänge, die vollständig online oder in hybrider Form angeboten werden, gewinnen zunehmend an Qualität und Akzeptanz und eröffnen auch Menschen mit familiären Verpflichtungen oder Wohnortbindung den Zugang zu hochwertiger akademischer Bildung. Die zunehmende Digitalisierung der Hochschullehre bietet dabei nicht nur Flexibilität, sondern auch neue didaktische Ansätze, die interaktive Lernprozesse und individuelles Tempo ermöglichen.
Die Wahl des passenden Studiengangs ist eine zentrale Voraussetzung für den späteren beruflichen Erfolg und die persönliche Zufriedenheit.

Die Wahl des passenden Studiengangs

Die Wahl des passenden Studiengangs ist bei all diesen Möglichkeiten eine zentrale Voraussetzung für den späteren beruflichen Erfolg und die persönliche Zufriedenheit. Wichtig ist, dass das gewählte Fachgebiet den eigenen Interessen und Stärken entspricht, denn nur so kann die nötige Motivation über die gesamte Studiendauer aufrechterhalten werden. Ebenso entscheidend sind die inhaltliche Ausrichtung und die Struktur des Studiengangs: Ob das Curriculum Schwerpunkte bietet, die mit den eigenen Karrierezielen übereinstimmen, ob praxisorientierte Anteile wie Projekte oder Praktika enthalten sind, und ob Auslandsaufenthalte, Wahlpflichtbereiche oder Kooperationen mit der Wirtschaft vorgesehen sind, sollte sorgfältig geprüft werden. Insbesondere bei internationalen Programmen empfiehlt es sich außerdem, auf die Anerkennung des Abschlusses im Heimatland und in potenziellen Zielländern für eine spätere berufliche Tätigkeit zu achten.

Finanzierung des Masterstudiums

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt bei der Entscheidung für ein Masterstudium ist die Finanzierung. Neben Studiengebühren fallen häufig Kosten für Unterkunft, Lehrmaterialien und Lebensunterhalt an. Für viele Studierende stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Glücklicherweise gibt es verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann für ein Masterstudium weiterhin Bafög beantragt werden. Darüber hinaus vergeben zahlreiche Stiftungen, Unternehmen und Organisationen Stipendien, die nicht nur finanzielle Unterstützung bieten, sondern auch ideelle Förderung und Zugang zu exklusiven Netzwerken. Studienkredite stellen eine weitere Option dar, wobei deren Rückzahlungsmodalit.ten sorgfältig geprüft werden sollten. Viele Studierende finanzieren ihr Studium auch durch einen Nebenjob, der im besten Fall fachlichen Bezug zum Studieninhalt aufweist. Immer häufiger beteiligen sich auch Arbeitgeber an den Weiterbildungskosten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, etwa im Rahmen von Förderprogrammen für berufsbegleitende Studiengänge. Nicht zuletzt können unter bestimmten Voraussetzungen Studienkosten steuerlich geltend gemacht werden, was die finanzielle Belastung deutlich reduziert. Ein Masterstudium ist also weit mehr als nur ein akademischer Titel – es ist eine Chance, Wissen zu vertiefen, die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, internationale Erfahrungen zu sammeln und ein tragfähiges Netzwerk für die berufliche Zukunft aufzubauen. Wer bereit ist, in seine Ziele zu investieren, dem bietet ein Master die Möglichkeit, den beruflichen Weg aktiv zu gestalten, seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und die fachliche Leidenschaft in eine nachhaltige Karriere zu verwandeln.

Das letzte Wort haben: Bettina Weiguny und Christina Sontheim, Autorinnen von „Machtgebiete. Was Managerinnen erleben und wie sie gegenhalten.“

Christina Sontheim-Leven ist Ex-SDAXVorständin,Karrierementorin und anerkannte Multiplikatorin für Female Empowerment. Bettina Weiguny ist als freie Wirtschaftsjournalistin, Publizistin und F.A.S.-Kolumnistin tätig. Die beiden Frauen haben gemeinsam mit Anna Sophie Herken – Ex-Allianz-Managerin, Multi-Aufsichtsrätin und heute Vorständin bei der GIZ – das Buch „Machtgebiete“ veröffentlicht: Darin berichten sie davon, wie Top-Managerinnen sich in den männlichen Machtgebieten an den Konzernspitzen gegen alltäglichen Sexismus und systemische Hürden behaupten. Von Vorurteilen gegen die Neue („Quotenfrau!“), blöden Sprüchen, unbedachten oder gezielten Fiesheiten, Mansplaining im Meeting und unfairen männlichen Allianzen. Die Fragen stellte Kerstin Neurohr

Wenn Sie an Ihre Zeit als Berufseinsteigerinnen denken – was hätten Sie sich damals gewünscht, an Unterstützung, an Vorbildern, vielleicht auch an klaren Ansagen? Weiguny: Es hat an allem gefehlt. Chefredakteurinnen? Bis auf wenige Einzelfälle in der Geschichte – Fehlanzeige. Natürlich dachten meine Freundinnen und ich, wir können alles, uns steht die Welt offen. Aber dann kam das erste Kind und die meisten sind zu Hause geblieben, weil das das gängige Modell war und leider auch noch ist. Sontheim-Leven: Zu der Zeit gab es leider wenige Frauen in Führung, oftmals „Queen Bees“, die es an die Spitze geschafft hatten und nun bissig diese Position verteidigten, statt anderen die Hand zu reichen und zu sagen: „Du schaffst das auch!“. Eine klare Ansage wäre an der Stelle auch die bittere Wahrheit gewesen, dass nicht mehr die gleichen Regeln wie im Studium gelten, dass es nicht mehr nur um objektive Leistung geht auf dem Weg zur Karriere, sondern auch um Sichtbarkeit, Politik und Netzwerke. Mansplaining erleben viele Frauen, nicht nur im Meeting – ein extrem nerviges Phänomen. Haben Sie einen Rat an unsere männlichen Leser: Wann ist es besser, ruhig zu sein, um nicht als Mansplainer unangenehm aufzufallen? Weiguny: Wann? Einfach: sehr häufig. Zuhören ist eine Gabe, die nicht allen Männern gegeben ist. Sie unterbrechen Frauen in der Regel drei Mal so häufig wie andersherum und sie reden in gemischten Gruppen viel länger als Frauen, auch wenn sie nicht mehr zu sagen haben. Sie wiederholen gerne Dinge, die Frauen fast wortgleich schon gesagt haben und unterschätzen häufig die Kompetenzen von Frauen. Wer sich und sein Auftreten in Meetings ein bisschen reflektiert, erkennt relativ schnell, wann er ins Mansplaining verfällt. Dass Netzwerken wichtig ist, steht außer Frage – aber wie macht man’s richtig? Sontheim-Leven: Geh‘ raus aus Deiner Bubble! Im Unternehmen: Geh zum Beispiel auch mal mit Kolleg:innen aus dem Nachbarbereich zum Essen. Schau, wo Branchentreffs sind, bringe Dich aktiv mit Deiner Expertise in die Diskussionen ein und lerne Keyplayer aus Deinem Fachgebiet kennen. Pflege Dein LinkedIn-Profil mit guten Beiträgen und vernetze Dich auch Online. Frage aktiv nach einer Mentorin, die Dich mit Ihren Erfahrungen aus dem Hintergrund begleiten kann. Wichtig: Im Idealfall hast Du ein Netzwerk aus Unterstützerinnen UND Unterstützern! Im Buch schildern Managerinnen, Unternehmerinnen und Gründerinnen, mit welchen Strategien und Kniffen sie sich durchboxen – ist ein Rat dabei, den sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben möchten? Weiguny & Sontheim-Leven: Wir geben da gerne unsere Lieblingstipps aus den Gesprächen weiter. Eine Vorständin meinte: „Zweifelt nie an Euren Fähigkeiten! Das tun schon die anderen.“ Eine andere meinte, sie habe sich bei ihrer Karriere an ein paar ganz einfache Regeln gehalten: „Ich stelle mich nie ans Flipchart, ich hole nie Kaffee, ich präsentiere meine Ergebnisse immer selbst.“ Sie ist heute im Dax-Vorstand.

Cover MachtgebieteBuchtipp

Anna Sophie Herken, Christina Sontheim- Leven, Bettina Weiguny: Machtgebiete. Was Managerinnen erleben und wie sie gegenhalten. campus 2025. 22,00 Euro.

E-Paper karriereführer recht 2.2025 – Next Level Legal Work: Wie KI Kanzleien produktiver macht

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Next Level Legal Work

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Der Rechtsmarkt verändert sich. Durch die Anwendung von KI-Systemen ergibt sich eine ungeahnte Effizienz. Wer profitiert, wer steht unter Druck – und wie ändert sich die Arbeit in den Rechtsabteilungen der Unternehmen? Ein Blick auf juristische Arbeitswelten in Zeiten von Legal Tech. Ein Essay von André Boße

Montagfrüh in einer größeren Anwaltskanzlei in der nahen Zukunft. Nicht morgen. Aber auch nicht in 20 Jahren. Der erste Kaffee läuft noch, da arbeiten die Systeme mit Künstlicher Intelligenz bereits auf Hochtouren. Ein Sprachmodell scannt und analysiert in Sekundenschnelle gigantische Mengen an Dokumenten, fasst diese zusammen, findet juristische Argumente. Ein generatives KI-Modell erzeugt parallel in Windeseile rechtlich wasserdichte Vertragstexte. Chatbots übernehmen im Namen der Kanzlei – freundlich und smart – die Kommunikationen mit Bestandsmandanten und solchen, die es sehr bald werden sollen. Auch die gesamte Termin- und Anmeldeprozedur läuft digital, das KI-System überwacht, ob alle nötigen Informationen einfließen, die eingebrachten Papiere echt und gültig sind. Ein Knopfdruck reicht – und die generative KI spuckt ein Konzept aus, über welche Zukunftsmärkte sich das Nachdenken lohnt und welche Geschäftsmodelle dort möglich sein könnten. Ah, und den Kaffeevollautomaten, den hat die KI auch selbstständig angestellt, sobald sie erkannte, dass sich die ersten hier Tätigen auf den Weg ins Büro machen.

Die KI läuft schon – und was machen die Jurist:innen?

Schöner, neuer Kanzleialltag. Nur, welche Aufgaben übernehmen die Menschen noch in dieser von der Künstlichen Intelligenz geprägten Kanzlei? Das Zukunftsszenario könnte den Eindruck erwecken, nicht nur ihr Kaffee-Know-how, sondern auch ihre juristische Expertise seien in dieser nahen Zukunftswelt überflüssig. Wer aber das Arbeiten in Kanzleien wirklich kennt, der hat eine Ahnung, dass es so nicht sein wird. Ein Partner einer großen US-Kanzlei hat die juristische Realität wie folgt zusammengefasst: „Jeder, der schon einmal praktiziert hat, weiß, dass es immer noch mehr zu tun gibt – ganz gleich, welche Hilfsmittel wir einsetzen.“
Künstliche Intelligenz stellt die Abläufe auf den Kopf – aber ohne, dass die dort Tätigen deshalb ihren Kopf verlieren sollten.
Das Zitat findet sich in einem Beitrag von Robert J. Couture, Senior Research Fellow an der Harvard Law School, dort tätig im Bereich Legal Profession, wo er über die Arbeit von Anwält:innen forscht. Für seinen Leitartikel hat er mit Verantwortlichen aus den 100 größten Kanzleien der USA gesprochen, die jährlich im Index AmLaw100 aufgelistet werden. Die Befragten haben Couture eine Reihe von Insights gegeben, über das, was KI-Systeme in Kanzleien bereits heute leisten, sehr bald leisten werden – sowie darüber, wie sich dadurch die anwaltliche Arbeit wandeln wird. Denn Wandel ist es, was die Künstliche Intelligenz als revolutionäres Tool in der juristischen Welt auslöst: Sie stellt die Abläufe auf den Kopf – aber ohne, dass die dort Tätigen deshalb ihren Kopf verlieren sollten. Denn sie werden auch weiterhin gebraucht. Die Arbeit hört nicht auf. Sie verändert sich. Eine Tatsache, die wiederum nicht dazu führen darf, die Kraft der Legal Tech-Revolution zu unterschätzen. Denn wer den Wandel verschläft oder sich ihr verweigert, der wird den Anschluss verlieren.

Mandanten wollen Tempo, Service und Qualität

Couture hat durch seine Forschung herausgefunden, dass zwei Entwicklungen die Kanzleien aktuell vor besonders große Herausforderungen stellen: Erstens die steigenden Anforderungen ihrer Mandanten, die sich nicht unbedingt auf die Preisgestaltung der Rechtsberatung fokussieren, „sondern vielmehr schnellere Reaktionen und eine höhere Servicequalität“, wie er es formuliert. Zweitens die zunehmende Komplexität der juristischen Arbeit, mit Blick auf immer mehr Regularien sowie der international von vielen Unsicherheiten geprägten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lage. Sowie nicht zuletzt auch der technischen Entwicklung selbst. Denn natürlich verlangt es von einer Kanzlei hohe Investitionen, um KI-Systeme erfolgreich im beruflichen Alltag zu integrieren.
Wenn es für die Kanzleien die große Herausforderung der Zeit ist, die Komplexität zu bewältigen und die Bedürfnisse der Mandant:innen zufrieden zu stellen, dann kann die Künstliche Intelligenz die Lösung sein.
Gemeint ist hier Geld, schreibt Couture. Aber auch Zeit. Denn das Kanzleiteam muss lernen, diese Systeme zu bedienen. Vor allem dann, wenn sie halten sollen, was sie versprechen. Dieses Versprechen fasst der Harvard-Forscher so zusammen: Wenn es für die Kanzleien die große Heraus forderung der Zeit ist, die Komplexität zu bewältigen und die Bedürfnisse der Mandant:innen zufrieden zu stellen, dann kann „die Künstliche Intelligenz die Lösung sein“, um diese Nachfrage zu bedienen.

Gefragt ist Geschäftssinn

Moment mal, Kundenbedürfnisse, Nachfrage, Innovationen – sind das nicht Begriffe, die eher in der Sprache von Unternehmen zu finden sind, genutzt von Manger:innen? Genau. Couture stellt in seinem Leitartikel fest, dass in erfolgreich arbeitenden Kanzleien auf Wachstumskurs das Company- Denken Einzug gefunden hat. Oder, wie er es im Text formuliert: „Diese Kanzleien haben inzwischen eine Managementreife entwickelt, wie sie in großen Anwaltskanzleien früher sehr oft vorzufinden war.“ Eine häufige Kritik an großen Anwaltskanzleien lautete jahrelang, sie erfüllten ihre Kernaufgaben – juristische Expertise und Dienstleistungen – zwar hervorragend, es mangele ihnen jedoch an dem, was ein Harvard- Forscher „Geschäftssinn“ nennt. Couture habe durch seine Befragungen festgestellt, dass dieser bei vielen der großen US-Kanzleien mittlerweile vorhanden sei. „Pragmatisch, ruhig und besonnen“ gingen diese Sozietäten dabei zu Werke, die neuen Technologien zu integrieren. Und zwar nicht nur auf der Ebene von IT-Fachleuten, sondern auch in der Kanzleileitung. Der Kritikpunkt des fehlenden Geschäftssinns? Sei laut Couture nicht mehr gegeben.

KI speziell für Kanzleien und Rechtsabteilungen

Wie groß der Markt für KI-Lösungen speziell für den Rechtsmarkt ist, zeigt die Menge an Systemen, die speziell für die juristische Arbeit entwickelt wurden. Was sich alle Anbieter auf die Fahne schreiben: absolute Sicherheit, sowohl, was die Daten betrifft, als auch die Ergebnisse der KI-Arbeit. Denn ein System, das nicht akkurat läuft, sorgt im Rechtsbereich für Ärger. Beispiele für den konkreten Einsatz sind die Vertragsmanagement-Software Pacta, die auf KI-Basis Verträge prüft und managt, oder die Plattform Harvey, die mit Hilfe natürlicher Sprachverarbeitung Dokumente aller Art analysieren sowie Texte erstellen und verarbeiten kann. Das System basiert auf der KI von Open AI, 2024 gab die Kanzlei Gleiss Lutz nach einer Pilotphase eine strategische Partnerschaft mit Harvey bekannt. Die Idee: Die Anwält:innen nutzen die KI, geben ihre Erfahrungen an das Entwicklungsteam weiter. Bei Harvey gibt man an, eine Plattform anzubieten, die zwei Expertisen vereine: rechtliches Wissen und KI-Know-how.

Druck auf die zweite Reihe

Der Harvard-Forscher schließt daraus, dass Kanzleien aus der „zweiten Reihe“ vor potenziellen Problemen stehen. Diesen kleineren Häusern fehle im Vergleich zu den Großen der Branche das finanzielle Kapital sowie das Personal, um die Integration neuer KI-Techniken genauso schnell und wirkungsvoll hinzubekommen. Vielleicht dauert es ein wenig länger. Vielleicht geschieht es auch nicht so allumfassend. Das Problem, das sich daraus ergibt: Legal Tech-Methoden könnten dafür sorgen, dass auch die großen Kanzleien ab jetzt auch solche Aufträge übernehmen, bei denen sie bislang gepasst haben. Zum Beispiel, weil sie geringere Margen versprachen. Hier konnten die kleineren Kanzleien punkten, doch Couture hat aus dem Markt Warnsignale empfangen: 50 Prozent der befragten Kanzleien aus dem Ranking der 100 Größten gaben an, „dass sie eine Aufnahme dieser Arbeiten in ihr Portfolio in Betracht ziehen würden, wenn KI-Tools ihnen eine effizientere Ausführung ermöglichen würden“, schreibt Robert J. Couture in seinem Beitrag. Es ist daher davon auszugehen, dass sich im Zuge von Legal Tech die Geschäftsmodelle neu ordnen. Damit stehen Kanzleien vor der Aufgabe, umzudenken, neu zu denken – oder auch innovativen Projekten, die man auf die lange Bank geschoben hat, endlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Couture zitiert in seinem Papier einen der Befragten, der ihm sagte: „KI ist ein Katalysator, um neue Gespräche über unser Geschäftsmodell anzustoßen. Vorher wollte niemand über Veränderungen diskutieren.” Nun ist die Zeit für den Wandel gekommen. Das gilt auch für die Aspekte, mit denen eine Kanzlei für sich wirbt. Und zwar nicht nur bei den Mandant:innen, sondern auch bei der Suche nach juristischen Talenten. Die juristische Expertise und die Gehaltsstruktur – alles schön und gut, aber wer als junge juristische Fachkraft ein digitales Mindset mitbringt, möchte, dass die Kanzlei in dieser Hinsicht Entwicklungsfelder zu bieten hat. „Anwaltskanzleien sollten davon ausgehen, dass Jurastudenten nicht nur diese Art von Arbeitsumgebung erwarten, sondern auch, dass ihre Kanzleien ihnen fortschrittliche Technologien zur Verfügung stellen, die es ihnen ermöglichen, mehr zu denken und weniger zu wiederholen“, schreibt der Harvard-Forscher.

Rechtsabteilungen: Endlich Zeit für Strategie

Von den Kanzleien in die Unternehmen: Auch in den Rechtsabteilungen führen Digitalisierung und KI-Systeme zu einer Neudefinition der juristischen Arbeit. Eine aktuelle Benchmarkstudie der Branchen-Analysten Wolters Kluwer, veröffentlicht im Juni dieses Jahres, kommt zu dem Schluss, dass es in den Unternehmen vor allem um eines geht: Produktivität. „Unternehmensjurist: innen untersuchen zunehmend, wie KI alltägliche Aufgaben unterstützen und neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung bieten kann – insbesondere im Vertragsmanagement und Beteiligungsmanagement“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Dabei habe sich, so die Studienautor:innen, die Rolle der Rechtsabteilungen innerhalb der Unternehmen verändert. Die Zeit, als die Unternehmensjurist:innen vor allem dann gefragt waren, wenn es Feuer zu löschen gab, seien vorbei, wie es in der Studie heißt: „Rechtsabteilungen sind operative Strategen, die ein breites und stetig wachsendes Spektrum an Aufgaben bewältigen. Von Verträgen und Beteiligungen über Compliance und Rechtsstreitigkeiten bis hin zur Entwicklung von Unternehmensrichtlinien – Rechtsabteilungen stehen im Mittelpunkt geschäftskritischer Aktivitäten.“ Genau deshalb sind KI-Systeme in diesem Bereich so willkommen: Indem sie Routineaufgaben sehr viel schneller übernehmen, gewinnen die Jurist:innen in den Unternehmen Zeit, um ihre operativen und strategischen Aufgaben zu übernehmen. Interessant wird sein, ob diese Veränderungen dafür sorgen, dass sich die geschäftlichen Beziehungen zwischen Rechtsabteilungen und Kanzleien ändern: Noch ist es üblich, dass Unternehmensjurist:innen bestimmte Tätigkeiten auslagern. In der Regel übernehmen dann Kanzleien. Laut Benchmarkreport tun sie das vor allem dann, wenn die Rechtsabteilungen in den Unternehmen keine Zeit für diese Aufgaben haben oder sie über zu wenig inhaltliche Fachkenntnisse verfügen. Was aber, wenn die Digitalisierung der Rechtsabteilungen abgeschlossen ist? Wenn also KI-Systeme die Arbeit dort so effizient gestalten, dass der Zeitmangel als Argument fürs Outsourcing ausgedient hat? „Eine Zukunft, in der Rechtsabteilungen ihre Aufgaben strategisch, effizient und souverän intern abwickeln können, ist vielleicht gar nicht mehr so fern“, lautet das Fazit der Benchmarkstudie von Wolters Kluwer. Eines ist sicher: Auch, wenn in Rechtsabteilungen im KI-Zeitalter effizienter gearbeitet wird – zu tun geben wird’s auch dort immer etwas. Und zwar im besten Fall keine öden Routineaufgaben mehr, sondern strategisches Nachdenken auf Basis rechtlicher Expertise. Was Unternehmen dann anbieten können: Juristische Jobs auf dem nächsten Level.

AllBright-Studie: Frauen in Top-Kanzleien benachteiligt

Wenn Legal Tech die Art, wie in Kanzleien gearbeitet wird, auf den Kopf stellt – gilt das auch für die Besetzung der Spitzenpositionen? In den Top-Kanzleien mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit nicht. Die AllBright Stiftung veröffentlichte im Juni eine Studie, die aufzeigt, dass der Frauenanteil in den Partnerschaften der Großkanzleien bei 16 Prozent liegt. Zum Vergleich: In den DAX-Vorständen liegt der Frauenanteil bei 26 Prozent. Normal ist das nicht, denn laut Studie beenden seit 2007 mehr Frauen als Männer das Jurastudium. Woran es liegt?   Die Studie nennt Indizien. So sei der Weg zur Partnerschaft lang, intensiv, umkämpft – und für Frauen geprägt von gläsernen Decken. Die Arbeitskultur ist auf Leistung getrimmt. Die Partnerschaften werden von anderen Partner:innen ausgewählt, Kontrollgremien wie den Aufsichtsrat im Unternehmen gibt es nicht. Die Studie stellt fest, dass sich viele Top-Juristinnen in diesem Umfeld einen alternativen Karriereweg schaffen, indem sie „in die Selbständigkeit, in kleinere Kanzleien, in die Justiz, den öffentlichen Dienst oder in Unternehmen wechseln“.   Im Albright-Bericht zu Wort kommt Dr. Stephanie Pautke, bis 2000 in einer Großkanzlei, jetzt Partnerin bei Commeo, wo neun Anwältinnen und drei Anwälte tätig sind. „Unsere Mandanten stellen uns dieselben Aufgaben und haben dieselben Ansprüche wie zu den Zeiten, als wir aus einer Großkanzlei für sie tätig waren“, wird sie zitiert. „Allerdings können wir dies nun aus einer Umgebung erfüllen, in der es wirklich nur um die bestmögliche Arbeit für die Mandanten geht. Hier muss niemand bis in die Nacht am Schreibtisch sitzen, um exzellente Rechtskenntnisse und Arbeitseinsatz zu demonstrieren.“

Legal Tech-Praktikerin Sophie Martinetz: Wie KI Jurist*innen produktiver macht

Als studierte Juristin mit langjährigen Erfahrungen in der Digitalwirtschaft und im Management besitzt Sophie Martinetz die optimale Expertise, um die Potenziale von KI im Rechtsmarkt zu analysieren. Sie tut dies als Forscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien – und als Praktikerin mit der Plattform Future-Law. Im Interview erklärt sie, wo KI in der Rechtsabteilung und im Kanzleialltag unterstützen kann, warum kleinere Kanzleien aufpassen müssen und wie Legal Tech die Demokratie stärken kann. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

Sophie Martinetz studierte von 1995 bis 2000 Rechtswissenschaften in Wien. Nach einer internationalen Karriere in Berlin und London im Rechts-, Finanz- und Managementbereich kehrte sie nach Wien zurück, wo sie 2017 Future-Law gründete, ein beratendes Legal Tech-Netzwerk für den deutschsprachigen Raum. 2021 wurde sie als Brutkasten-Innovator of the Year nominiert, als Women of Legal Tech 2020 ausgezeichnet und gewann im selben Jahr auch den European Tech Women Award. Sophie Martinetz ist Kolumnistin und Herausgeberin und (Co-) Autorin zahlreicher Fachbücher- und Artikel zu den Themen Legal Tech und Digitalisierung der Rechtsbranche. Sie ist Co-Gründerin und Direktorin des Legal Tech Centers an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Warum ist Legal Tech eine Innovation, die zu einer Revolution führen kann? Interessant ist die Frage, warum Systeme mit generativer Künstlicher Intelligenz in Kanzleien besonders gut funktionieren. Die Antwort ist ganz einfach: Juristerei ist Text, und KI-Language Models funktionieren am besten mit Sprache. Der revolutionäre Aspekt entsteht auch dadurch, dass sich im Bereich der digitalen Textverarbeitung in den vergangenen Jahren wenig geändert hat. Jetzt aber greift die generative KI ein, und besonders für Juristen und Juristinnen ergibt sich ein großer Produktivitätsgewinn. Wie genau? Indem nun auch enorm große Datenund Textmengen einfach und niederschwellig handhabbar werden. Und von diesen gibt es in Rechtsabteilungen und Kanzleien mehr als genug. Erstens gibt es sehr lange Dokumente. Hier hilft mir die KI, diese ganz banal zusammenzufassen. Das bedeutet nicht, dass ich mir später die wichtigen Stellen nicht noch einmal selbst anschauen muss. Aber ich erhalte sehr schnell einen ersten guten Überblick. Zweitens gibt es in Kanzleien unglaublich viele Dokumente. Schon in einer mittelgroßen Kanzlei mit zehn bis 20 Juristen finden sich rund zehn Millionen digitaler Dokumente, bei den Großen und in Rechtsabteilungen liegt ein Vielfaches davon. Auf dieses Wissen zugreifen zu können, bedeutete früher großen Aufwand. Man muss es so ehrlich sagen: Dieses Wissen lag meistens ungenutzt herum. Haben Sie ein konkretes Beispiel aus dem Alltag von Juristinnen? Angenommen, es geht um eine juristische Klausel in einem Vertrag, also um sehr feine Details. Ich habe im Hinterkopf, dass ich diese Klausel vor einigen Jahren schon einmal erfolgreich formuliert hatte, aber wann genau war das, vor drei, vier Jahren oder ob es die Klausel in die finale Vertragsversion geschafft hat…? Früher hätte ich der Assistenz sagen müssen: Schau doch mal die Dokumente einer gewissen Zeitspanne durch. Heute hilft mir die KI. Beim Suchen. Und, noch wichtiger: beim Finden. Und das ist nicht unerheblich: Es gibt eine Studie, nach der Wissensarbeiter pro Woche neun Stunden damit verbringen, Informationen zu suchen. Das ist ein ganzer Arbeitstag, und den verkürze ich mir mit Hilfe der KI. Wie ändert sich dadurch der Personalbedarf in Kanzleien oder Rechtsabteilungen? Früher gab es in den Kanzleien rund vier Assistentinnen oder Assistenten, die einer Partnerin oder einem Partner zugearbeitet haben. Sie haben zum Diktat geschrieben, Vorbereitungen erledigt, Dinge gesucht, alle diese typischen Bürotätigkeiten. Heute teilen sich vier Partner eine Assistenz. Denn die Partnerinnen erledigen heute vieles selber. Mit Hilfe der KI können sie wieder frei gespielt werden für kernjuristische Arbeiten. Auch in der Rechtsabteilung ist das ein Thema. Die Jurist:innen verbringen viel Zeit mit nicht juristischen Tätigkeiten, die nun von der KI erledigt werden können: ersetzt werden viele administrative Tätigkeiten wie Suchen und Finden, juristische Texte für andere Fachabteilungen oder Mandantinnen verständlich aufzubereiten, wie ein richterliches Urteil zu interpretieren und einfach darzustellen ist. Das ist eine Hauptaufgabe von Juristinnen. Wichtig dabei ist: Die KI ersetzt zwar die Assistenz, sie ersetzt aber nicht die juristische Denkarbeit.
„Ich habe hier sieben Argumente für ein bestimmtes juristisches Vorgehen, finde nun für mich sieben Argumente dagegen.“
Inwieweit kann die KI auch qualitativ helfen? Indem sie für mich Argumente findet, fürs Für oder Wider. Ein Auftrag an sie könnte lauten: „Ich habe hier sieben Argumente für ein bestimmtes juristisches Vorgehen, finde nun für mich sieben Argumente dagegen.“ In diesem Feld ist die KI wirklich gut. Nicht, dass ich diese Argumente nicht auch selbst finden könnte. Aber: Die KI macht das schneller, sodass ich mich als Juristin unmittelbar damit beschäftigen kann, was aus dem Für und Wider folgt. Hinzu kommt, dass die KI eine Kanzlei beim Business Development unterstützen kann. Wie tut sie das? Indem sie dafür sorgt, dass beim gezielten Einsatz gewisse Prozesse so funktionieren, wie sie bei einer gut laufenden Firma ablaufen müssen. Das kann zum Beispiel das ganz einfache Auslesen von Metadaten sein, um einen Akt als Rechtsabteilung gut abzulegen. In der Kanzlei betrifft das die buchhalterischen Bereiche, aber auch das Marketing oder die Personalabteilung. Aber, Achtung: Die KI ist nicht dafür da, Personalentscheidungen zu treffen. Überhaupt, ein automatisiertes Entscheiden ist nicht Sinn der Sache, denn die KI ersetzt den juristischen Menschenverstand nicht, sie unterstützt ihn. Ein wichtiger Aspekt ist auch der Umgang mit den Mandanten. Wenn Sie als Klient zum ersten Mal mit einer Kanzlei in Kontakt kommen, dann müssen Sie auch weiterhin alle Ihre Dokumente einbringen, dazu Ihren Pass und so weiter. Allerdings muss das heute alles nicht mehr zwingend vor Ort eingesehen und geprüft werden, das kann schon sehr reibungslos in digitalen Tools inklusive KI geprüft und freigegeben werden. Für Kanzleien wäre es daher sinnvoll, diese Prozesse so zu verändern, dass der Klient viele dieser Vorarbeiten bereits online von zu Hause aus erledigen kann. Hier geht es um digitale Services im Sinne der Mandanten.
Future Law, Foto: Marlene Rahmann 2022
Future Law, Foto: Marlene Rahmann 2022
Beobachten Sie, dass sich durch die Technik das Verhältnis zwischen Mandant: innen und Anwält:innen ändert? Ja, das Net-Doktor-Syndrom erwischt auch den Rechtsmarkt. Ärzte kennen das, da kommt ein Patient, der sagt: „Schauen Sie mal, ich habe hier ein Muttermal, ich glaube, das ist Krebs, das sagen mir Google oder ChatGPT.“ Analog dazu kommen Mandanten mit der Aussage in die Kanzlei: „Die KI zu Hause hat mir gesagt, ich bekomme 80.000 Euro, weil mir dieses oder jenes widerfahren ist.“ An dieser Stelle ist juristische Überzeugungsarbeit notwendig, dahingehend, dass das Recht komplex und individuell ist. Aber ich glaube, es ist generell gut, dass Mandanten mit größerem Selbstbewusstsein zum Anwalt gehen. Es gibt eine Umfrage, nach der 70 Prozent der Befragten in Deutschland angeben, sie würden niemals zu einem Anwalt gehen. Vor allem aus Angst vor den Kosten: Man verzichtet lieber auf sein Recht, als sich in diesen Strudel hineinzubegeben. Und das ist ein Problem, denn der freie Zugang zum Recht ist einer der wesentlichen Faktoren für eine Demokratie. Damit das Rechtssystem funktioniert, müssen die Menschen das Gefühl haben: „Wenn ich im Recht bin, dann soll mir dieses Recht auch zu gesprochen werden.“ Fühlen die Menschen hier eine Ohnmacht, ist das nicht gut für die Teilhabe, für die Demokratie. Noch immer werden Anwälte häufig nach Stundensätzen bezahlt. Ist das im Zeitalter von LegalTech noch zeitgemäß? In vielen Fällen nicht, nein. Hier muss umgedacht werden, wobei der Rechtsmarkt noch nicht in allen Bereichen bereit dafür ist. Studien zeigten, dass die großen Kanzleien nur wenig Befürchtungen haben, wenn zukünftig nicht mehr nach Zeit, sondern nach dem Wert der juristischen Arbeit bezahlt wird. Die kleineren Kanzleien haben diese Befürchtungen jedoch sehr wohl. Wobei diese Sorgen wiederum dazu führen, dass dort KI-Lösungen nicht eingesetzt werden, aus Angst, dadurch das bisherige Bezahlmodell nach Stundensatz zu torpedieren. Das ist natürlich ein Problem, weil diese Kanzleien dadurch den Anschluss verpassen. Und die Mandantinnen in den Rechtsabteilungen erwarten sich vom Einsatz der KI natürlich einen Synergieeffekt. Die generative KI ist da – und sie geht auch nicht mehr weg. Dadurch stellt sich im Recht übrigens eine Generationenfrage, der wir uns stellen müssen. Wie lautet sie? Die älteren Generationen beschäftigen sich nicht gut genug mit dem Thema. Der Nachwuchs tut das schon – jedoch braucht er dingend den Input der erfahrenen Juristinnen und Juristen. Denn sie sind es, die auch heute noch das Wissen und auch die passenden Prozesse weitergeben. Gerade im Zeitalter der KI: Die Menschen mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen sind wichtig, werden sogar noch wichtiger werden. Daher ist es entscheidend, den Austausch zu fördern und gemeinsam Anwendungsfälle umzusetzen. Nur dann kann Legal Tech in den Kanzleien und der Rechtsabteilung das volle Potenzial entfalten.

WU Legal Tech Center

Das von Sophie Martinetz mitgegründete Legal Tech Center an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien versteht sich als das erste Hochschulzentrum in Österreich an der Schnittstelle zwischen juristischer Praxis und rechtswissenschaftlicher Forschung im Bereich der Legal Tech. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die Rechtsdogmatik mit der Rechtstatsächlichkeit zu verknüpfen und Studierenden das Thema Digitalisierung und KI im Rechtsbereich für ihren beruflichen Erfolg näher zu bringen. „Im Zentrum des WU Legal Tech Center steht herauszufinden, welchen Einfluss Digitalisierung, Privatisierung und Ökonomisierung auf den Rechtsbereich haben“, heißt es auf der Homepage. Dabei seien die Chancen und Risiken von Legal Tech die zwei Seiten derselben Medaille. Klar sei: „Eine technisch und ökonomisch bestmöglich informierte rechtswissenschaftliche Begleitung von Legal Tech ist unverzichtbar.“

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Software entlarvt unfaire Jura-Noten

Jurastudent Felix Kaiser hat eine Software entwickelt, die Ungerechtigkeiten bei der Notengebung aufdeckt. Im Pilotprojekt filterte das Programm 11 von 107 Hausarbeiten heraus, deren Bewertungen signifikant herausstachen. Drei Studierende erhielten nach Überprüfung bessere Noten. Die Software soll künftig auch an anderen Unis eingesetzt werden.

Anonymität gewahrt: OLG schützt bissige Kritik am Arbeitgeber

Das OLG Bamberg gab einem Unternehmen einen Korb: Keine Herausgabe von Nutzerdaten anonymer Bewerter auf Arbeitgeberplattformen. Kritische Kommentare wie „Der einzig fähige Leiter: ein Kupferkabel“ seien zwar bissig, aber keine strafbare Schmähkritik. Die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) deckt auch scharfe Kritik ab. § 21 TDDDG greift nicht bei reinen Textbewertungen ohne audiovisuelle Inhalte.

Feministische Rechtsausbildung: Kostenlose Qualifizierung für Jura-Studierende

Die Feminist Law Clinic bietet eine umfassende Ausbildung in feministischem Recht an. Die Ringvorlesung „Feminismus und Recht“ vermittelt theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten in Bereichen wie Sexualstrafrecht, Familienrecht und Antidiskriminierungsrecht. Nach erfolgreichem Abschluss können Teilnehmende als Rechtsberater*innen tätig werden. Informiert euch im Newsletter oder auf der Webseite über kommende Ausbildungstermine. Von Sonja Theile-Ochel

Zwischen Gerichtssaal und Instagram-Story: Wie Sandra Günther das Familienrecht revolutioniert

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Sandra Günther ist Rechtsanwältin mit den Fachgebieten Scheidungs-, Familien- und Strafrecht. Die Trennungs- und Scheidungsspezialistin führt in Dortmund eine eigene Kanzlei und verhilft zahlreichen Frauen zu fairen, klaren Trennungskonditionen. Diverse Verfahren, die sie als Strafverteidigerin und Opferanwältin geführt hat, wurden von Print- und TV-Medien begleitet. Protokolliert von Sonja Theile-Ochel

Ein steiniger Anfang

Das Referendariat war ernüchternd. „Wir dachten, nachdem wir die Uni hinter uns gelassen hatten: Wow, endlich geht es los“, erinnert sich Günther an ihre Zeit nach dem Jurastudium in Bochum. Doch die Realität sah anders aus. Wieder schulmäßiger Unterricht, wieder Zuschauen statt selbstständiges Arbeiten. Nur in der Kanzlei von Dr. Rauball durfte sie erste eigenständige Erfahrungen sammeln. Diese prägenden Momente sollten ihren Blick auf den Anwaltsberuf für immer verändern. In einer anderen Kanzlei erlebte sie das Gegenteil: „KEINE BEQUEMEN STÜHLE FÜR DIE MANDANTEN UND AUCH KEINEN KAFFEE ANBIETEN“, lautete dort das Motto. Zeit sei Geld, Mandanten sollten sich nicht wohlfühlen. „Damals dachte ich: Irgendwie ganz schön gemein“, sagt Günther heute. „Wohlfühlen sollen sich meine Mandanten bei mir schon.“

Der Mut zur Selbstständigkeit

Nach dem Examen 2007 verschlug es Günther zunächst in einen Immobilienbetrieb, der sich mit Zwangsvollstreckungen beschäftigte. Doch das Arbeitsklima war toxisch. Gemeinsame Frühstückspausen mit den Chefs waren Pflicht, Lästereien über abwesende Kollegen an der Tagesordnung. „Da mag ich mir ja gar nicht ausdenken, wie an diesem Tisch über mich gelästert wird, wenn ich mal nicht zugegen bin“, dachte sich Günther – und kündigte. „Ich sage eben, was ich denke“, erklärt sie ihre damalige Entscheidung. Es war die beste ihres Lebens. Direkt danach baute sie ihre Selbstständigkeit auf, in einem kleinen Büro in der Beurhausstraße in Dortmund. Der Grundstein für eine außergewöhnliche Karriere war gelegt.

Empathie trifft auf juristische Präzision

Günthers Spezialisierung auf Familien- und Strafrecht erfordert ein besonderes Feingefühl. „Ich versuche zu Beginn eines Mandats, den Menschen zu verstehen, nicht zu bewerten und ihn emotional- geistig dort abzuholen, wo er gerade steht“, beschreibt sie ihren Ansatz. Der Zugang zu Menschen gelingt ihr gut – auch wenn Konfrontation nötig ist. „Auch wenn ich von Mandanten angelogen werde und dies herauskommt, konfrontiere ich sie damit. Zwar häufig mit einem Lächeln, aber dennoch konsequent in der Sache.“ Diese emotionale Intelligenz ist für sie im juristischen Beruf unerlässlich. Gerade im Familienrecht müsse man sich in andere hineinversetzen können, den gegnerischen Anwalt nicht zu nah an sich heranlassen und Richter sowie Zeugen richtig einschätzen.

Die Medien-Anwältin

Was Sandra Günther von ihren Kollegen unterscheidet, ist ihre Vielseitigkeit. Bücher, Onlinekurse, Podcasts, Fernsehen – sie nutzt alle Kanäle, um juristische Inhalte zu vermitteln. „Fernsehen, Bücher schreiben, Instagram, Podcast – das alles sind kreative Bereiche, wo ich mein berufliches Know-how gut mit einbinden kann, und das empfinde ich wirklich als Luxus.“ Dabei sind die Unterschiede zwischen den Medien gravierend. Ihre Bücher schreibt sie meist nachts, basierend auf beruflichen Erfahrungen – sie ist „Urheberin, Regisseurin und Scripterin in einer Person“. Im Fernsehen hingegen wird sie geführt: Drehbuch, Moderation, Maske, sogar die Kleidung wird vorgegeben. „Es ist ein toller Ausgleich“, sagt sie über diese Abwechslung.
Schuldzuweisungen haben noch nie etwas gebracht, denn jeder hat seine ganz eigene Wahrheit und Sicht der Dinge.

Social Media als Karriere-Booster

Ihre Medienpräsenz hat ihr „wahnsinnig geholfen, beruflich erfolgreich zu sein“. Mit ihrem Instagram-Account „Frau Familienrecht“ erreicht sie täglich 15.700 Follower. „Heutzutage sind die sozialen Medien unerlässlich für ein berufliches Vorankommen“, ist sie überzeugt. Lösungen statt Schuldzuweisungen Günthers Philosophie ist geprägt von einem lösungsorientierten Ansatz. „Schuldzuweisungen haben noch nie etwas gebracht, denn jeder hat seine ganz eigene Wahrheit und Sicht der Dinge.“ Diese Erkenntnis entwickelte sie über Jahre, auch durch eigene schwierige Beziehungen. „Der Weg ist Loslassen und nach vorne schauen. Alles andere zermürbt doch nur.“ Besonders im Familienrecht sei Loslassen wichtig, um wieder Glück empfinden zu können. „Denn nur glückliche Eltern können ihre Kinder glücklich machen.“ Ein Grundsatz, der sich durch ihre gesamte Arbeit zieht.

Kritik am System

Bei allem Optimismus sieht Günther auch Probleme im System. Besonders beim Gewaltschutz: „Wer einmal schlägt, der tut es wieder. Wer einmal sexuell übergriffig wird, der tut es wieder.“ Sie kritisiert, dass gewalttätige Väter trotzdem Umgangsrecht mit ihren Kindern haben. Frauenhäuser seien zu wenige, bezahlbarer Wohnraum rar, Therapieplätze hätten Wartezeiten über Jahre.
intelligent-getrennt.de

Rat für Berufseinsteiger

Junge Kollegen macht sie Mut, warnt aber vor typischen Fehlern. „Sie gehen in eine familienrechtliche Sitzung und gehen auf Konfrontation, werden laut und leider auch unangenehm.“ Dabei sei souveränes Arbeiten das Gegenteil: vermitteln, gemeinsam Lösungen suchen, stets das Kindeswohl im Blick behalten. Ihr Rat für Nachwuchs-Juristen: „Macht euer Ding. Schaut nicht auf andere. Spezialisiert euch erst, wenn ihr wirklich sicher seid, dass der Bereich für euch der richtige ist.“ Medienarbeit setze ein Netzwerk voraus, das man sich langjährig erarbeiten müsse. Sandra Günther verkörpert eine neue Generation von Juristen – medienaffin, empathisch, lösungsorientiert. Ihr Weg zeigt: Der klassische Anwaltsberuf kann durchaus mit moderner Kommunikation und digitalen Medien verknüpft werden. „Der Weg zur erfolgreichen Kanzlei ist steinig, besonders am Anfang“, räumt sie ein. „Aber wenn man seine Arbeit mit Leidenschaft macht, so wie ich, dann ist der zeitliche Faktor auch kein Problem.“ Eine Anwältin, die beweist: Zwischen Gerichtssaal und Instagram-Story liegt manchmal nur ein Klick – und viel Mut zur Veränderung.
Cover Intelligent getrennt

Buchtipp

Sandra Günther: Intelligent getrennt – Der Trennungs- und Scheidungsratgeber für Frauen. Verlag Goldegg, 220 Seiten, 2024, 22 €