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Immer beweglich sein

IT-Projekte können mit unterschiedlichsten Methoden umgesetzt werden. Seit einigen Jahren ist immer häufiger von agilen IT-Projekten die Rede. In ihnen spielt die Hierarchie der Mitarbeiter keine Rolle mehr. Damit unterscheiden sie sich von Projektstrukturen, die auf das Delegieren und Überwachen erledigter Aufgaben mit Projekt- und Teamleitern setzen. In agilen Projekten übernimmt das Team in seiner Gesamtheit die Projektverantwortung. Doch um in einer solcher Struktur erfolgreich zu arbeiten, braucht es eine Grundvoraussetzung: Man muss den Begriff „agil“ richtig verstehen. Von Christoph Berger.

2001 veröffentlichten 17 Softwareentwickler, Berater und Coaches das „Manifest für agile Softwareentwicklung“. Ihr Ziel war es, bessere Wege zur Entwicklung von Software zu erschließen – unter Berücksichtigung für sie wichtiger Werte: So sind den Unterzeichnern des Manifests Individuen und Interaktionen wichtiger als Prozesse und Werkzeuge; eine funktionierende Software ist relevanter als eine umfassende Dokumentation; Zusammenarbeit mit den Kunden bedeutet mehr als Vertragsverhandlungen, und Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen eines Plans. Darauf aufbauend formulierten sie zwölf Prinzipien. Das erste lautet: „Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufriedenzustellen.“

Auch Stefan Roock, Geschäftsführer des auf agile Methoden spezialisierten Beraterunternehmens IT-Agile aus Hamburg, sieht im Erreichen von Kundenzufriedenheit einen wesentlichen Vorteil von agilen Projekten. Denn dabei wird der Kunde von Beginn an in die Entwicklung einbezogen. „Er bekommt jederzeit eine funktionsfähige und einsetzbare Softwareversion zur Verfügung gestellt“, erklärt Roock. Bei nichtagilen Methoden sei das nicht der Fall, da würde dem Kunden erst am Ende des Projekts das Ergebnis präsentiert. Passt dann etwas nicht, müsse in der Regel umfangreich nachgearbeitet werden. Doch in der heute sich schnell ändernden und komplexen Welt sei Flexibilität enorm wichtig, um reaktionsfähig und somit auch wettbewerbsfähig zu bleiben. Roock sagt weiter: „Durch das agile Vorgehen werden außerdem die Entwicklungsprozesse verschlankt, Risiken schneller sichtbar gemacht und der gesamte Entstehungszyklus der Software verkürzt.“ Die Folge: Kosteneinsparungen und weniger Bürokratie.

Ein weiterer Unterschied zu nichtagilen Projektmethoden ist der Stellenwert des Teams. Das erledigt und definiert seine Aufgaben selbstständig – es gibt keinen Projektleiter, lediglich einen Moderator. „Das setzt Vertrauen von der Geschäftsführung in die Mitarbeiter voraus, ist ein Zeichen von Respekt und macht sie motivierter und zufriedener“, weiß Roock. Allerdings sei Teamfähigkeit bei allen Beteiligten dafür eine Grundvoraussetzung, so der IT-Experte: „Der Status des Einzelnen im Unternehmen definiert sich nicht mehr über die Hierarchie.“ Und schon alleine wegen dieses Wechsels im Denken und Leben von Unternehmensstrukturen sei mit der Einführung von agilen Methoden auch die Einführung einer neuen Unternehmenskultur verbunden. Da wundert es auch nicht mehr, dass eine Kollegin von Roock mal auf die Frage ‚Was machen Sie eigentlich?‘ antwortete: „Ich bin Expertin für artgerechte Arbeit.“ Mit agilen Methoden unterstützt sie Unternehmen nicht nur bei der Umsetzung von Projekten, sondern fördert damit gleichzeitig auch noch mitarbeiterfreundliche Unternehmensstrukturen.

Das Manifest

Weitere Informationen zum „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ und den damit verbundenen Prinzipien gibt es unter:
www.agilemanifesto.org

Projekte erfolgreich managen

Gerade für IT-Berater ist ein Großteil des Geschäfts Projektarbeit. Sie werden zwar auch wegen ihres Fachwissens beauftragt, meistens jedoch wegen ihrer Erfahrung in der Projektleitung. Doch wie sind IT-Projekte eigentlich organisiert? Welche Methoden gibt es? Und welche Fähigkeiten sollte ein Projektleiter mitbringen, damit die gewünschten Ziele auch tatsächlich erreicht werden? Von Christoph Berger.

Laut einer Forrester-Studie aus dem vergangenen Jahr liegen nur 40 Prozent aller internen IT-Projekte terminlich und inhaltlich im Plan. Die Gründe dafür sind vielfältig: Überlastung der Beteiligten durch zu viele parallel laufende Projekte, zu unklare Vorgaben oder zu wenig Fachkräfte. Als Hauptproblem nennen über 55 Prozent der Befragten jedoch die sich ständig ändernden Anforderungen der Fachabteilungen an die IT. Vor dem Hintergrund dieser schlechten Quote wundert es nicht, dass sich die Unternehmen IT-Berater und -Dienstleister ins Haus holen, die auf Projektarbeit spezialisiert sind.

Was solch ein Projektexperte mitbringen muss, weiß Dr. Martin Rhein, Leiter des Bereichs Projektmanagement beim IT-Beratungsunternehmen CGI in Sulzbach im Taunus. Er und seine Kollegen erhalten eine Vielzahl von Beratermandaten für Projektleitungen. Als Anforderung an die Berater steht die Projektleitung zwar im Vordergrund, doch sie alleine reicht als Kompetenz nicht aus. Rhein sagt: „Projektleiter müssen mit den Prozessen und Systemen der Industrie vertraut sein: Für ein Projekt aus dem Bereich Information and Communication Technology (ICT) zum Beispiel sollten sie Wissen über die Netzwerktechnologie und die dabei verwendeten Komponenten haben.“ Denn erkennt der Projektleiter die bestehenden Abhängigkeiten der Prozesse und Systeme zueinander in den jeweiligen Branchen nicht, kann er keine Entscheidungen und Prioritäten setzen. Dann könne es passieren, dass Interessen und Einflüsse der beteiligten Abteilungen das Projekt in eine ungünstige Richtung lenken. „Das Team muss dem Projektleiter das notwendige Vertrauen entgegenbringen. Ohne ein Mindestmaß an Fachlichkeit ist das Vertrauen nur schwer zu erlangen“, weiß der Experte. Allerdings muss der Projektverantwortliche selbst auch seinen Teammitgliedern vertrauen. Laut Rhein kann ein guter Projektleiter Menschen motivieren, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Er führt durch Zielvereinbarungen und nicht durch die Vergabe von Aufgaben und Befehlen – ausreichend Freiraum für eigene Entscheidungen der Mitarbeiter sei wichtig, so Martin Rhein.

Trotz gewisser Freiheiten für seine Teammitglieder ist der Leiter dafür verantwortlich, das Projekt so zu steuern, dass die im Auftrag definierten Ziele erreicht werden. Er muss das Projekt entsprechend planen und aufsetzen, den Fortschritt überwachen und das Projekt geordnet beenden. „Hierzu muss er den Stand kennen, alle Beteiligten zeitnah über den Stand des Projektes informieren, Risiken identifizieren, Probleme nachverfolgen, für Lösungen sorgen und auf sich ändernde Anforderungen reagieren“, erklärt Rhein. Zudem hat der Projektleiter eine weitere, ganz wesentliche Aufgabe: „Er ist ein ‚Enabler of Change‘. Mit jedem Projekt wird etwas verändert: Prozesse, Systeme, Verantwortlichkeiten, Organisationsstrukturen. Die Einmaligkeit eines Projektes führt immer wieder zu viel Neuem.“ Und da Neues oft zu Unbehagen oder sogar Ablehnung bei einzelnen davon Betroffenen führe, sei es die Aufgabe des Leiters, unterschiedliche Interessen und Widerstände zu erkennen und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die Methoden beziehungsweise die Form der Durchführung reichen von dem klassischen als „Wasserfall“ bezeichnetem Vorgehen bis zu agilen Vorgehensmodellen. Bei Ersteren werden in aufeinanderfolgenden Phasen erst alle Anforderungen im Detail geklärt. Dann erfolgt das Design, das der späteren Umsetzung klare Regeln auferlegt. Nach der Umsetzung erfolgt die Qualitätssicherung, Abnahme und Produktivsetzung. „Bei einer agilen Vorgehensweise hingegen erfolgt die Umsetzung der geschäftlichen Anforderungen in kleinen Problemlösungsschritten, Iterationen genannt. So kann flexibel auf sich ändernde geschäftliche Anforderungen und Prioritäten reagiert werden“, erklärt Rhein. Zu jeder Iteration liegt dabei eine funktions- und einsatzfähige Software vor, die begutachtet und weiterentwickelt werden kann. Gerade in sich schnell ändernden Geschäftsfeldern, zum Beispiel im E-Commerce, hätten sich agile Vorgehensweisen, zum Beispiel Scrum, durchgesetzt. „Der grundsätzliche Unterschied liegt im Detailierungsgrad der Anforderungen zum Projektstart und dem Grad, zu dem der Auftraggeber während des Projektes eingebunden wird“, sagt Rhein.

Um im Plan zu bleiben, muss der Projektleiter regelmäßige Statusberichte über den Verlauf des von ihm verantworteten IT-Projekts einholen. Dazu gehören auch eine Überprüfung des Fertigstellungsgrads und der Qualität. Achtet er zudem noch auf die Stimmung in seinem Team, sollte einem erfolgreichen Abschluss nichts mehr im Wege stehen. Martin Rhein sagt: „Die Stimmung im Team ist ein sehr guter Indikator dafür, wo man gerade im Projekt steht.“

Buchtipps

Ernst Tiemeyer:
Handbuch IT-Projektmanagement: Vorgehensmodelle, Managementinstrumente, Good Practices.
Hanser 2014.
ISBN 978-3446440746.
49,99 Euro

Henning Wolf:
Die Kraft von Scrum: Inspiration zur revolutionären Projektmanagementmethode.
dpunkt. 2014.
ISBN 978-3864901645.
19,90 Euro

Interview mit Jan Brecht

Jan Brecht von Adidas zählt zur neuen Generation der CIOs. Er sieht die IT in modernen Unternehmen als wichtigen Businesstreiber, um neue Geschäftsfelder zu etablieren. Kurz: Der 42-Jährge will helfen, dass sein Konzern mehr Geld verdient. Wie das funktionieren kann und was er unter dem Profil eines „Rainmaking CIOs“ versteht, erzählt er im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Jan Brecht studierte von 1992 bis 1995 Elektrotechnik in Karlsruhe und hat einen Masterabschluss in Electro Engineering, den er im britischen Southampton absolvierte. Seine berufliche Karriere begann bei Daimler, wo er zuletzt als CIO Americas für die IT des Autobauers in Nord- und Südamerika verantwortlich war. Nach zwölf Jahren verließ er den Konzern und wechselte 2009 als CIO zur Adidas Gruppe. Bei den sogenannten Skip-Level-Lunches trifft sich der 42-Jährige mit Nachwuchskräften und Mitarbeitern, um in kleiner Runde Themen zu besprechen, die sein IT-Team beschäftigen.

Herr Brecht, Sie gelten als ein „Rainmaking“-CIO. Können Sie uns kurz erläutern, was das bedeutet?
Ein „Rainmaking“-CIO ist jemand, der sich nicht nur auf die Stabilität der Systeme und die Effizienz der Prozesse konzentriert, sondern sich auch dafür einsetzt, Umsatz und Marge zu erhöhen.

Wie kommt es, dass sich die IT heute verstärkt auch als Businesstreiber für die Unternehmen erweist?
Das ergibt sich aus der Reife und den Möglichkeiten der Technologie. Der Fortschritt ist wirklich rasant, und wer als IT-Experte die richtigen Ambitionen hat, findet diverse Chancen, daran zu arbeiten, dass das Unternehmen mehr Gewinn macht.

Wo gelingt Ihnen das bei Adidas besonders gut?
Sicherlich zum Beispiel bei unserer E-Commerce-Plattform, einem technisch getriebenen Geschäftsmodell, das wir weltweit eingeführt haben. Unsere Kunden haben dort unter anderem die Möglichkeit, ihre eigenen Schuhe zu konfigurieren – ein Business- Tool, das vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Den Umsatz der Plattform können Sie sehr einfach messen, und es zeigt sich, dass wir hier erfolgreich sind.

Ihre IT-Experten sind demnach auch Gestalter virtueller Verkaufsräume?
Das kann man so sagen, ja. Wobei wir hierbei auf zwei Aspekte achten. Zum einen auf den Umsatz, klar. Aber eben nicht nur. Wir fokussieren uns immer auf unsere Marken, die wir langfristig stärken möchten. Es geht also nicht alleine darum, schnell viel Geld umzusetzen.

Worauf kommt es an, wenn man für ein Unternehmen eine passende IT-Strategie finden und umsetzen möchte?
Beim Finden der Strategie gibt es in unseren Augen drei entscheidende Faktoren: Erstens müssen Sie die Mitarbeiter verstehen. Zweitens müssen Sie die Kunden verstehen – in unserem Fall sowohl die Handelspartner wie Karstadt oder Footlocker als auch die Endkunden, die letztlich unsere Produkte tragen. Drittens kommt es auf ein intaktes IT-Ökosystem an, also darauf, technische Trends zu setzen und auch die Prozesse sowie Zusammenhänge im Unternehmen zu optimieren. Zusammenfassen kann man die Anforderung an unsere IT-Strategie wie folgt: „Bauen Sie ein digitales Ökosystem für den begeisterten Verbraucher und den befugten Mitarbeiter.“

Man kennt Ökosysteme eher aus der Biologie. Warum haben Sie diesen Begriff gewählt?
Weil er neben den technischen Neuerungen für einen bedeutsamen Fortschritt der IT steht. Die traditionelle IT hat Punktlösungen angeboten, zum Beispiel für die Organisation des Vertriebs, der Logistik oder des Controllings. Ich denke jedoch, dass Sie die wirkliche Kraft der IT erst dann entfalten, wenn Sie innerhalb des Unternehmens Zusammenhänge herstellen. Wir als IT-Abteilung sollten diese Möglichkeit nutzen, da wir mit allen anderen Unternehmensbereichen zusammenarbeiten und daher in der Lage sind, ein solches System zu gestalten. Das ist für unsere IT-Spezialisten durchaus anspruchsvoll, weil wir heute nicht mehr nur lokal Dinge optimieren, sondern immer das große Ganze im Blick haben, nämlich das Unternehmen, das sich wie ein Organismus stetig wandelt.

Nun ist eine gute IT-Strategie das eine, aber wie gelingt die Umsetzung?
Ganz einfach: Sie brauchen dafür die richtigen Leute.

Was zeichnet diese aus?
Wenn wir über das Unternehmen als Ökosystem sprechen, ist es wichtig, möglichst alle Bereiche dieses Systems zu kennen und zu verstehen. IT-Experten müssen heute auch begreifen, wie Marketing funktioniert und worauf es in der Logistik ankommt. Es ist offensichtlich, dass die IT damit immer mehr Aufgaben erhält. Daher ist es wichtig, genau zu kommunizieren, welche Aufgaben wir als IT eben nicht mehr übernehmen können.

Zum Beispiel?
Wie alle großen Unternehmen verfügen wir über einen großen Fuhrpark und müssen daher Tankkarten managen und Reisekosten abrechnen. Das sind zwar wichtige, aber keine strategischen Aufgaben. Und wenn sie sich als IT-Abteilung strategisch verstehen, muss man den Mut haben, der Unternehmensführung klarzumachen, dass der IT-Support für solche Aufgaben ausgelagert werden sollte.

Die Mitarbeiter von Adidas sind vergleichsweise jung. Welche besonderen Bedürfnisse von ihnen muss man als IT-Spezialist im Blick haben?
Zum einen sind jüngere Mitarbeiter in der Regel gewohnt, mit Tablets und Smartphones umzugehen, also mit Geräten, die darauf getrimmt sind, dass man sie intuitiv nutzt. Damit steigt der Anspruch an die IT, auch im Unternehmen Systeme bereitzustellen, die intuitiv bedient werden können, sodass klassische Handbücher und IT-Trainings aus dem Unternehmensalltag verschwinden. Ein zweiter Punkt: Noch vor fünf Jahren habe ich als CIO im Unternehmen die kostengünstige Anschaffung von Standard-PCs durchgedrückt. Heute offerieren wir das Prinzip „Bring your own device“. Ich bin der Meinung, dass man bei einer jungen Mitarbeiterschaft mehr davon hat, bei der Hardware eine Flexibilität zuzulassen. Das verursacht zwar unter Umständen höhere Kosten. Jedoch steigt auch die Produktivität, weil die Leute auf der Hardware ihrer Wahl besser arbeiten. Ein dritter Punkt: Wir haben vor einiger Zeit das Intranet neu gestaltet, sodass unsere Leute heute auf dieser Plattform geschäftliche Dinge so kommunizieren können, wie sie es bei privaten Social-Media-Aktivitäten gewohnt sind.

Sie sorgen also dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter bei der Nutzung der IT beinahe wie zu Hause fühlen?
Exakt. Dabei freut es uns, wenn sich die Leute wohlfühlen und dadurch ihre Produktivität steigt.

Mit Blick auf diese vielen neuen Herausforderungen für eine „Rainmaking“-IT: Welche Fähigkeiten wünschen Sie sich bei Ihren Nachwuchskräften?
Was wir brauchen, sind Leute, die Themen erfolgreich umsetzen können – und zwar auch gegen Widerstände. Gerade in einem Bereich wie der IT, in dem die Komplexität ständig zunimmt, sind Mitarbeiter mit Kompass gefragt, die wissen, wo ihr Nordstern ist, und sich mit Blick auf dieses Ziel nicht vom Weg abbringen lassen.

Zum Unternehmen

Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas hat seinen Stammsitz im fränkischen Herzogenaurach und vereint unter seinem Dach die Marken Adidas, Reebok und TaylorMade. Mit mehr als 50.700 Mitarbeitern in über 160 Ländern produziert die Gruppe mehr als 650 Millionen Produkte pro Jahr. In der Zentrale in Herzogenaurach arbeiten mehr als 3700 Beschäftigte. Die Belegschaft ist international und jung: Das Durchschnittsalter liegt weltweit bei 31 Jahren, im Hauptsitz bei 37 Jahren. Für IT-Spezialisten bietet das Unternehmen neben klassischen Karrieremöglichkeiten als Führungskraft mit Personalverantwortung auch Expertenlaufbahnen.

„Ausgangspunkt sollte IT sein“

Das Projekt „SmartF-IT“ entwickelt Lösungen, wie IT-Know-how in die Fabriken der Zukunft integriert werden kann. Warum es dabei weiterhin auf den Menschen ankommt und welchen Stellenwert IT-Spezialisten zukünftig in den Unternehmen haben werden, erklärt „SmartFIT“-Koordinator Dr. Dietmar Dengler. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dietmar Dengler, Foto: Privat
Dietmar Dengler, Foto: Privat

Dr.-Ing. Dietmar Dengler ist stellvertretender Forschungsbereichsleiter am Forschungsbereich Intelligente Benutzerschnittstellen im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Aktuell ist er unter anderem technisch-wissenschaftlicher Koordinator im Industrie-4.0-Verbundprojekt „SmartF-IT“. Diese vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderte Allianz von Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt Software, die es den Mitarbeitern in den Unternehmen erlaubt, die Vorteile der cyber-physischen Produktionssysteme ohne zusätzliche Arbeitsbelastung zu nutzen.

Herr Dr. Dengler, IT-Systeme sind der Innovationsmotor für die Industrie 4.0. Wie weit sind wir denn schon mit der sogenannten vierten industriellen Revolution?
Was definitiv zunimmt, ist die Standardisierung, Vernetzung und Integration der IT-Schnittstellen in bereits bestehende Systeme. Diese Entwicklung minimiert Umrüstzeiten. Zudem lassen sich einzelne Ressourcen flexibler kombinieren. Hier liegt jedoch nicht der Kern von Industrie 4.0. Oder anders gesagt: Diese Schritte sind notwendig, aber nicht hinreichend.

Wo besteht demnach Bedarf?
Vor allem in der Unterstützung der Mitarbeiter. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn sich die Industrieanlagen und Produkte häufiger verändern und die Zahl der Varianten steigt. Auch in der flexiblen Produktion sind weiterhin Menschen involviert, sowohl auf der planerischen als auch auf der ausführenden Seite. Neue Systeme und Technologien haben die Aufgabe, den Menschen dabei zu helfen, mit der neuen Komplexität umzugehen.

Wodurch zeichnet sich diese Komplexität aus?
Es müssen schnell und häufig Entscheidungen getroffen werden, ohne dass dadurch eine mentale Belastung entsteht oder die Qualität leidet. Neben vielen verlockenden positiven Aspekten müssen wir eben auch die negativen Seiten beachten: Datenüberflutung, aber natürlich auch die unbefugte Nutzung der Daten.

Wie sollten Smart Factorys in den Unternehmen integriert werden: Schritt für Schritt, ohne die bisherige Produktion auf den Kopf zu stellen? Oder sprechen wir hier tatsächlich von einer Revolution, die alles Bisherige auf den Kopf stellt?
Diese Revolution kann nur als Evolution daherkommen. Dies ist schon deshalb notwendig, weil Erfahrungswerte und bewährte Strategien für die Umstellung hin zu einer Smart Factory fehlen. Noch gibt es nicht genügend Experten, die in der Lage sind, diese Umstellung durchzuführen und vor allem dauerhaft zu begleiten. Daher wird man die bestehenden Anlagen in der Regel nach und nach mit Smart- Factory-Technologien nachrüsten, statt ganze Linien auszutauschen oder neu zu bauen.

Wie sieht das Anforderungsprofil für IT-Spezialisten aus, die in naher Zukunft Smart Factories einrichten: Sind sie im Herzen weiter Informatiker oder eher moderne Maschinenbauer?
70 Prozent Informatik, 30 Prozent Maschinenbau. Basis für den Smart- Factory-IT-Spezialisten ist weiterhin eine fundierte Informatikausbildung. Schwerpunkte sind dabei die Felder Systemmodellierung, Softwarearchitektur, Datenanalyse, Sicherheitsinfrastruktur und User Experience. Aber es ist auch ein Grundverständnis für den industriellen Fertigungssektor von Bedeutung. Nur so kann man die Probleme und Herangehensweisen in den Fabriken verstehen. Der primäre Ausgangspunkt sollte jedoch die IT sein.

Wie und wo werden die Experten zum Einsatz kommen?
Es wird sowohl externe Dienstleister als auch interne Fachexperten geben – wobei diese aus Kostengründen wohl nur in größeren Unternehmen zum Einsatz kommen. Dort ergänzen sie dann die Ingenieurgruppe mit ihrem IT-Know-how. So oder so: IT darf nicht mehr allein Dienstleister sein. Die IT wird sich zunehmend zu einem treibenden Mitgestalter mit großem Verständnis für die industrielle Produktion entwickeln. Dadurch werden die IT-Experten in den Unternehmen an Bedeutung gewinnen, weil immer mehr Fertigungs-Know-how vor allem IT-Know-how sein wird. Das muss man besitzen, um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten.

Platinion lässt eine Skyline aus Spielkarten erbauen

Ab dem 30. Oktober ensteht am Flughafen Düsseldorf auf einer Fläche von 30 qm eine Miniatur der New Yorker Skyline – erbaut aus Spielkarten vom Weltrekordhalter im „Cardstacking“ Bryan Berg.

Das IT-Beratungsunternehmen Platinion bewirbt mit diesem Projekt unter dem Motto „Sie wollen Einzigartiges aufbauen? Dann sollten Sie mit den richtigen Architekten arbeiten“ sein Beratungsgeschäft.

Daniel Schneider, Geschäftsführer bei Platinion, sieht die Parallelen vom Cardstacking zum eigenen Beratungsgeschäft so: “ Einzigartiges aufbauen. Mit viel Verständnis für die Details und einem klaren Blick für das große Ganze – also das Geschäft unserer Kunden – IT Lösungen in hoher Qualität umzusetzen, das ist es was unsere Arbeit so spannend und interessant macht.“ Mit dem Projekt am Flughafen will die BCG-Tochter Platinion die Beratungswelt und die Herausforderungen, die einem im Projektalltag begegnen, auf visuelle und kreative Art und Weise verständlich machen.

In nur 14 Tagen entsteht das New Yorker Stadtbild in der Haupthalle des Flughafens zwischen Flugsteig A und B, welches Live und vor Zuschauern errichtet wird. Nach dem Aufbau können Passagiere das Kunstwerk weitere 2 Monate vor Ort oder auf der Projektwebseite ansehen, die derzeit noch erstellt wird.

IT sitzt am Steuer

Im Zeitalter von Industrie 4.0 rücken IT-Experten in die Herzen der Industrieunternehmen vor. Mithilfe ihres Know-hows schenken sie den Firmen ungeahnte Möglichkeiten in der Produktion. Doch auch bekannte IT-Themen wie Sicherheit oder Stabilität verlieren deswegen keinesfalls an Bedeutung. Von André Boße

Industrie 4.0 steht für mehr als nur eine Entwicklung. Es ist die Bezeichnung für ein Sammelsurium an Möglichkeiten, die die Industrie auf ein neues Niveau heben können. Zum Beispiel steht Industrie 4.0 für digitalisierte Produktionsprozesse, das Internet der Dinge, 3-D-Drucker, virtuelle Realitäten und cyber-physikalische Systeme, in denen sich Software, Elektronik und Mechanik treffen. Schon bei diesen Begriffen wird deutlich, wie stark sich in Zukunft die Zuständigkeiten in den Fabriken verändern werden. IT wird nicht länger nur „gute Dienste“ tun. Sie wird sich einmischen und das Steuerrad übernehmen. Natürlich steigt damit die Nachfrage nach IT-Spezialisten in den Unternehmen. Und auch das Anforderungsprofil ändert sich: Der Informatiker ist in Zukunft mehr als der Verantwortliche dafür, dass alles rund läuft. Er bestimmt mit seinem Knowhow die Produktionsstrategie mit – und zwar im engen Austausch mit den Experten aus Fertigung, Vertrieb und Logistik. Kurz: Mit der Industrie 4.0 rückt die IT in das Herz eines jeden Unternehmens.

Was war vor Industrie 4.0?

Industrie 4.0 wird auch als vierte industrielle Revolution bezeichnet. Bis ins mittlere 18. Jahrhundert muss man zurückblicken, um die Umwandlungen der ersten industriellen Revolution zu erkennen: Vor allem in England entstanden die ersten Fabriken mit Maschinen. Begriffe wie Kapital, Unternehmertum oder Proletariat tauchten damals zum ersten Mal auf. Der Durchbruch der Elektrizität und das Aufkommen neuer Branchen wie der Chemieindustrie markiert die zweite industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts. Als dritte Revolution wird die Digitalisierung der Industrie bezeichnet, die in den 1980er-Jahren begann und sich spätestens 2002 manifestierte. Vor zwölf Jahren speicherten die Menschen nach einer Schätzung der US-Zeitschrift The Economist zum ersten Mal mehr Informationen digital als auf analogen Medien.

Neue Systeme, neue Chancen
Dabei ist der Schritt in die Industrie 4.0 kein Selbstzweck. Er ist nötig, weil sich in Deutschland zwei Entwicklungen abzeichnen: Erstens wird der Industriekunde immer anspruchsvoller. Er möchte individualisierte Produkte – und zwar schnell und kostengünstig. Dieses Bedürfnis formuliert er jedoch nicht aus einer Laune heraus. Die Produktion in den Industrieländern – und das ist der zweite Punkt – sucht nach neuen Konzepten, um sich gegen die globale Konkurrenz zu behaupten.

Da die Informationsstrukturen in den bisherigen Fabriken zu langsam und zu teuer sind, müssen neue Systeme her. Nur intelligente Fabriken sind in der Lage, den hohen Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden. Sie bringen die Industrie einen großen Schritt nach vorne, indem sie IT-Know-how in die Produktionsprozesse einbringen. Dieser Wandel ist zwingend notwendig, weil die Produktion im Zuge der Industrie 4.0 deutlich an Komplexität zulegt: Wenn schnell, individuell und effizient produziert werden soll, und zwar ohne Einbußen bei der Qualität, dann geht das nicht durch Zauberhand. Dafür werden IT-Systeme gebraucht, die in Sekundenbruchteilen entscheiden und modifizieren – und das im ständigen Kontakt mit allen Komponenten der Anlage.

Hindernisse überwinden
Mit Blick auf die Industrie 4.0 muss sich also in den Fertigungshallen der Unternehmen Einiges tun. Dass Veränderungen in diesem Bereich nicht immer einfach sind, weiß Rolf Adam, der bei Cisco Systems als Director Industry Sales unter anderem für den europäischen Markt verantwortlich ist. Bei vielen Industriekunden entdeckt er weiterhin Systeme und Maschinen, die nicht zukunftsfähig sind. „Viele Unternehmen zögern jedoch, diese zu ersetzen, da sie laufende Systeme nicht ändern wollen und die Investitionsund Einrichtungskosten fürchten. Hinzu kommt mangelndes Verständnis oder sogar Angst vor der neuen Technologie.“ Hier kommt es für IT-Experten darauf an, die richtigen Argumente für die Veränderung zu finden. Das funktioniert mit Blick auf die Kunden nur, wenn man sich als Informatiker in deren Lage versetzt.

Kein Wunder also, dass die großen IT-Unternehmen mit Blick auf das Geschäftsfeld Industrie 4.0 auf Nachwuchskräfte setzen, die den Spagat zwischen IT und Produktion beherrschen. Schließlich haben sich Maschinenbauer bislang in der Regel nur wenig Gedanken über Software gemacht. Und umso intensiver müssen sie nun von IT-Experten in das Thema eingeführt werden. „Wir benötigen dafür Mitarbeiter, die das Geschäft unserer Kunden im Detail verstehen – und zwar nicht nur wie in der Vergangenheit von der Prozessseite her, sondern auch von der Produktseite“, sagt Georg Kube von SAP, der als Global Vice President für den Bereich Industrial Machinery & Components verantwortlich ist. Auch bei Cisco Systems bestimmen die Herausforderungen der Industrie 4.0 das Recruiting entscheidend mit. „Wir haben massiv in den Aufbau industriespezifischer Kompetenzen investiert“, sagt Rolf Adam. „Jedes Industriesegment spricht eine eigene Sprache und stellt spezifische Anforderungen, denen wir entsprechen müssen.“

IT und Produktion wachsen zusammen
Traditionell gibt es in den Unternehmen zwei Technologiewelten, die in weiten Bereichen voneinander getrennt sind. Da ist zum einen die IT, die mit Hilfe eines ERP-Systems – ERP steht für „Enterprise Resource Planing“ – alle unternehmerischen Abläufe plant und steuert. Zum anderen gibt es die „Operational Technology“ (OT), also die Fertigungssoftware, die zum Beispiel auf den Controllern der Maschinen läuft. „Die Kernfrage bei der Smart Factory ist, wie diese beiden Welten effizient zusammengebracht werden können“, sagt Georg Kube. Die Herausforderung liegt darin, die jeweiligen Stärken von IT und OT optimal aufeinander abzustimmen. Vor welchen Herausforderungen IT-Experten hier stehen, zeigt das Beispiel der Laufzeiten in den beiden Technologiewelten. Kube erklärt: „IT-Systeme haben zumeist eine Zeittaktung, die zwischen Tagen und Minuten liegt, sodass ein Mensch damit interagieren kann. Auf der OTSeite finden Sie jedoch Maschinen, die Prozesse im Bereich von Mikrosekunden ausführen.“ Wer die beiden Welten miteinander verzahnen will, muss also die verschiedenen Taktgeschwindigkeiten aufeinander abstimmen. „Hierin liegt ein erhebliches Potenzial für Effizienzgewinne.“

Moderne Anlagen: echt und virtuell
Während sich SAP auf die Bereitstellung von Software und deren Anwendung in den intelligenten Fabriken fokussiert, entwickelt der Automatisierungsspezialist ABB die für die Industrie 4.0 notwendigen neuen Anlagen. Dabei kommt es darauf an, „jedem physikalischen Objekt in einer Produktionsanlage auch ein Modell im Netz, also eine virtuelle Beschreibung, zuzuordnen“, erklärt Christian Zeidler, der als Manager im Bereich Industrial Software & Applications im ABB Forschungszentrum Ladenburg an den Anlagen der Zukunft arbeitet. Die Internettechnologien haben dann die Aufgabe, die einzelnen Komponenten miteinander zu vernetzen. Zeidler sagt: „Damit können reale Produktionsmittel direkt untereinander interagieren.“ Die konkreten Vorteile dieser neuen Technologie erarbeitet der Entwicklungsmanager in enger Kooperation mit seinen Kunden. Ein Beispiel aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Chemiebranche: Für diese ist es wichtig, dass die Zeitspanne von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bis hin zur Produktionsanlage möglichst kurz ist. Außerdem soll die Produktionsmenge flexibel mit der Nachfrage Schritt halten. Intelligente Fabriken mit einem „Internet der Dinge“ sind in der Lage, für diese Unternehmen neue Standards in der Produktion zu setzen.

Sicherheit im Fokus
Nicht wenige Branchen sehen also bereits die Vorteile der Industrie 4.0. Doch neben einer gewissen Trägheit gegenüber Veränderungen gibt es noch eine weitere wichtige Herausforderung, auf die IT-Experten bei ihren Gesprächen mit den Industriekunden treffen: das Thema Sicherheit. „Industrie- 4.0-Szenarien sind relativ sicher, solange sie sich innerhalb der Fabrik und damit hinter der Firewall abspielen“, sagt Christian Zeidler von ABB. Bei Systemen, die in der Cloud betrieben werden, seien die Anforderungen dagegen ungleich höher: „Wenn Sie zum Beispiel eine Kollaborationsplattform für diverse Fertigungsschritte in der Cloud nutzen, verlassen Sie mit Ihren Produktionsdaten die sicheren vier Wände Ihrer Fabrik und begeben sich in öffentliche oder halböffentliche Datenleitungen. Das stellt in der Tat eine Herausforderung an die Sicherheit dar, denn solche Datenleitungen sind angreifbar.“ Ziel der IT sei es demnach, Möglichkeiten zu finden, den Datenverkehr auch außerhalb der eigenen Firewall sicher zu gestalten. „Die Herausforderung besteht letztlich darin, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität zu finden“, erklärt Zeidler. Als eine weitere Gefahrenquelle im Bereich Security nennt Rolf Adam von Cisco Systems das geforderte Zusammenwachsen von IT und OT. „Zum Beispiel können Schadprogramme aus dem Office-Netz auf das Produktionsnetz übertragen werden. Deswegen muss man den möglichen Zugriff von zahlreichen Akteuren auf die Anlagen im Firmennetz beschränken und absichern.“

Industrie 4.0 ist Pionierarbeit
Doch auch wenn die Sicherheit gewährleistet ist, stellt die Industrie 4.0 Informatiker vor noch manch andere gedankliche Herausforderungen – eine Tatsache, die Jobs in diesem Bereich anspruchsvoll, aber auch spannend macht. In vielen Fällen leisten IT-Experten hier echte Pionierarbeit, schließlich ist die Vernetzung vielfach unerprobt. „Zum Beispiel bedarf das Zusammenspiel der miteinander verbundenen Maschinen und Geräte eine genaue Abstimmung sowie frühzeitige Tests, um das Risiko einer verspäteten Inbetriebnahme und deren finanzielle Folgen zu reduzieren“, fordert Christian Zeidler von ABB. „Diese Planung und Realisierung findet dabei häufig firmenübergreifend statt, wodurch Datenaustausch und Tests zusätzlich erschwert werden.“ Bei all dem wird deutlich: Der IT-Spezialist im Zeitalter von Industrie 4.0 ist weit mehr als ein Systemstabilisator. Seine Arbeit ist der notwendige Schlüssel dafür, die Chancen der vierten industriellen Revolution zu nutzen und die mit ihr einhergehenden Risiken einzudämmen. Ob als externer Dienstleister oder interner IT-Spezialist: In den Firmen nimmt er eine andere Position ein. Er bestimmt Strategien mit und erneuert Prozesse, die Einfluss auf beinahe alle Bereiche des Unternehmens haben. Kurz gesagt: Die Industrie 4.0 hat die IT im Herzen.

Industrie 4.0: Was muss man draufhaben?

Die befragten Industrie-4.0-Experten aus den Industrie- und IT-Unternehmen empfehlen Einsteigern, neben dem Informatikstudium für die IT-Grundlagen zusätzliche Industrie- und Ingenieurkenntnisse zu erwerben. Frühe Spezialisierungen, beispielsweise in Richtung Ingenieurinformatik, steigern die Chancen für einen erfolgreichen Karriereeinstieg.

Sinnvoll sind zudem Praktika in produzierenden Unternehmen sowie Fort- und Weiterbildungen. Bei Letzterem sollte es inhaltlich um die Ingenieurthemen Maschinenbau, Produktentwicklung sowie Fertigungs- und Automatisierungstechnik gehen.

karriereführer ingenieure 2.2014 – Ingenieure mit MBA

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Cover karriereführer ingenieure 2.2014

Spitzenpositionen für Ingenieure – Mit Managementqualifikationen ganz nach oben

Aufwärts. Mit einem MBA-Abschluss kombinieren Ingenieure ihr technisches Know-how mit wichtigen Managementfähigkeiten. Danach geht es häufig in attraktive Führungspositionen. Dort kommt es dann aber nicht nur auf Fachwissen und BWL-Kenntnisse an: Führung bedeutet Macht – und so rücken Themen wie Ethik und Work-Life-Balance in den Fokus.

Wenn man nicht alles selber macht!

Ob an der Uni oder im Online-Tutorial: Jeder technikbegeisterte Mensch kann heute lernen, wie man sich ein lustiges Radio baut. Und in der örtlichen Bücherei mit dem 3-D-Drucker experimentieren. Bei so manchen der neuen Do-it-yourself-Ingenieure entsteht aus der Bastelei sogar eine Berufsperspektive. Von Petrina Engelke

Schon mal in einem Erfinderladen gewesen? In Deutschland gibt es mehrere, und sie zeigen: Menschen mit Technikverstand haben jede Menge Humor. Da gibt es Flaschenöffner zu kaufen, die den Kronkorken zielgerichtet in den Müll schleudern, eine WC-Dusche, die die Klobürste ersetzt, einen „Hausmüllverdichter“ namens Pressident und auch Clocky, den weglaufenden Wecker, den die MIT-Studentin Gauri Nanda vor knapp zehn Jahren bastelte und dessen Beliebtheit ihr später eine erfolgreiche eigene Firma bescherte.

„Wir sehen als Erfinderladen die Chance, Kleinserien in einer Testmarktumgebung direkt am Kunden zu testen, um dann diese Erfahrungen in ein Serienprodukt einfließen zu lassen“, sagt Gerhard Muthenthaler, Mitbegründer der Erfinderläden in Berlin, Hamburg und Salzburg (und online). Originelle Geschenkartikel sind nur die Spitze des Eisbergs. Eigentlich dienen die Läden als Schaufenster für einen Service, bei dem er und sein Kompagnon Marijan Jordan immer mehr Zulauf beobachten: die Erfinderhaus-Patentvermarktung. Sie berät Erfinder – von der Frage nach Patent- und Geschmacksmusterschutz über die Kalkulation und die passenden Vertriebskanäle bis hin zu einem Punkt, den viele Bastler übersehen: die Verpackung. Sie solle den Kunden ansprechen und sofort verraten, was er da in der Hand hält, rät Muthentaler. „Während vor zehn Jahren das Bild vom Bastler noch das eines ganz eigenen Typen war, der isoliert in seinem Keller vor sich hin tüftelte, hat es dieses Hobby inzwischen aus dem verstaubten Image an die Oberfläche geschafft“, sagt Muthentaler. „Wir leben in einer Zeit, in der durch Youtube-Tutorials und Blogs theoretisch jeder jedes Wissen erlangen und ein kleiner Ingenieur werden kann.“

Die Entwicklung der Wissensverbreitung haben sich Axel Heinz und Amber Riedl auf ganz andere Weise zur Berufsperspektive gemacht. Auf ihrer Webseite „Makerist“ kann man aufwändig produzierte Handarbeits-Videokurse und dazugehörige Materialpakete bestellen. „Das Schöne bei Start-ups ist, dass man die Wirkung seiner Arbeit viel schneller und unmittelbarer erlebt und direkt am Markt Erfahrungen macht“, sagt Axel Heinz, der zuvor im Produktmanagment bei Firmen wie Ebay und Dawanda gearbeitet hatte. Eine dieser Erfahrungen war: Es ist deutlich komplexer, einen guten Videokurs zu produzieren, als die „Makerist“-Macher es sich vorgestellt hatten. Doch daraus haben sie sozusagen ein Do-it-yourself-(kurz: DIY-)Projekt für Selbermacher erstellt – und Hand angelegt. Nach 22 Videokursen haben sie es längst raus, wie man den richtigen Lehrer findet, ein ansprechendes DIY-Projekt entwickelt, die Lernschritte aufbaut, einen Drehplan schreibt, ein Team bucht – und auch am eigenen Leib erfahren, warum ihre Kunden lieber etwas selbst machen, als die Läden zu durchwühlen. „Dinge selber zu machen ist ungemein entspannend, aber auf eine anregende und kreative Weise, und der Stolz auf das Ergebnis vollendet das Glücksgefühl“, sagt Axel Heinz. „Hinzu kommt, dass nach Jahren der Digitalisierung, Beschleunigung und Globalisierung das Pendel zurückschwingt. Es ist schön, etwas Echtes in den Händen zu halten, das nicht am anderen Ende der Welt produziert wurde.“

Dass das Pendel wieder in die andere Richtung schlägt, hat aber nicht – oder nicht nur – mit dem Zeitgeschmack zu tun. Mit seinem 2012 erschienenen Buch „Makers“ ruft Ex-„Wired“-Chefredakteur Chris Anderson die nächste industrielle Revolution aus: Verbraucher werden zu Erfindern und Produzenten – und sparen sich all die Firmen, Fabriken und Fließbänder, die sonst zum Beispiel zwischen einer Smartphonehülle und einem Telefonbesitzer stehen. Denn die Hülle kann sich inzwischen jeder selber machen – im 3-D-Drucker.

Für manche der neuen DIY-Ingenieure wird aus der Bastelei sogar ein Geschäft. Roland Wolf etwa tüftelte mit seiner Freundin Mary sowie den Geschwistern Christian und Martin im elterlichen Keller an einer Idee: Sie wollten Brillen aus einem natürlichen Material herstellen, und zwar aus einem Stück, ganz ohne Schrauben. Mit einfachsten Mitteln schafften sie es binnen eines Monats, eine erste Holzbrille zu basteln – doch sie taugte noch nicht. Die Freude am Selbermachen blieb. „Wir machen fast alles selbst – von der Brille über das Etui und den Samplekoffer bis hin zum Messestand“, sagt Roland Wolf heute. Längst ist aus der Keller-Bastelei eine Firma namens Rolf Spectacles gewachsen, die eigene Patente hält.

Die neuen Selbermacher werden Fachkräfte und studierte Ingenieure aber nicht verdrängen. Schließlich arbeiten beide an unterschiedlichen Dingen. Erfinderladen-Chef Muthentaler fasst es so zusammen: „Der Ingenieur arbeitet oft im Auftrag an der Lösung eines klar definierten Problems. Der Bastler erkennt selbst das Problem, welches er dann zu lösen versucht.“

Auch Ingenieure, die sich nicht mit einer eigenen Idee selbständig machen möchten, können sich von diesen Bastlern etwas abschauen: die Art und Weise, wie sie Probleme lösen. So haben beispielsweise die Rolfs die ersten Hürden nicht nur mit Beharrlichkeit, sondern auch mit Maschinen-Hacking überwunden: Als gelernter Bau- und Landmaschinentechniker half Martin Iljazovic, Geräte wie eine Melkmaschine und Mopedbremsen zweckzuentfremden, um näher an die perfekte Holzbrille heranzukommen. Diese Experimente mündeten später in einer spezialisierten Fertigungstechnik. Wenn man nicht alles selbermacht!

Web-Tipps für DIY-Freunde

Das große Bastler-Vorbild aus den USA: Limor Fried alias Lady Ada. Mit Material für DIY-Ingenieure hat sie inzwischen eine eigene Firma namens Adafruit Industries gegründet.
www.adafruit.com

Embedded Systems

Big Data , Smart Factories und das Internet der Dinge – die Industrie 4.0 ist in aller Munde, und mit ihr etablieren sich neue Technologien in den Unternehmen. Der Ruf der Wirtschaft nach interdisziplinär ausgebildeten Fachkräften wird immer lauter. Wer an der Universität Freiburg den berufsbegleitenden Online-Masterstudiengang „Intelligente Eingebettete Mikrosysteme“ (IEMS) absolviert, bekommt Beruf und Weiterbildung unter einen Hut. Von Sabrina Reinshagen, Universität Freiburg, Weiterbildungsprogramm Intelligente Eingebettete Mikrosysteme IEMS

Droht Gefahr, übernehmen im Auto von heute Assistenzsysteme wie ESP oder ABS die Kontrolle. Steigt ein neuer Fahrer ein, passen sich die Außenspiegel und Kopfstützen automatisch an seine Körpergröße an, das Auto der Zukunft soll sich sogar selbstständig durch den Straßenverkehr bewegen. Dafür verantwortlich ist ein Netz aus vielen eingebetteten Systemen. Diese winzigen Computer, die man nicht sieht, stecken nicht nur im Auto, sondern regeln viele für uns alltägliche Dinge: Eingebettete Systeme machen das Smartphone erst wirklich smart, sorgen dafür, dass unsere Waschmaschine so energiesparend wie möglich arbeitet, oder schlagen Alarm, wenn der Kaffeeautomat dringend wieder entkalkt werden muss. Mit hoher Geschwindigkeit verarbeiten sie Daten und Signale und steuern und überwachen Funktionen. Vernetzt zu sogenannten Cyber-Physical Systems meistern sie intelligent und dynamisch auch komplexe Aufgaben.

Nicht nur in der Produktwelt, auch in der Fertigungsindustrie setzt man auf eingebettete Systeme. Mit der vierten industriellen Revolution erobern neue Technologien die Industrie. In der intelligenten Fabrik der Zukunft läuft die Produktion vollständig automatisiert ab und kann in Echtzeit überwacht werden. Alle Maschinen sind über das Internet der Dinge miteinander verbunden und lassen sich über Smartphones oder andere Assistenzsysteme flexibel steuern und optimieren. Mit dem Einzug der Industrie 4.0 in die Arbeitswelt entstehen neue Arbeitsfelder, die vor allem von Ingenieuren spezialisierte Fähigkeiten verlangen. Interdisziplinarität lautet das Stichwort: An der Schnittstelle von Informatik und Mikrosystemtechnik wird fieberhaft an der Entwicklung und Implementierung von eingebetteten Systemen gearbeitet.

„Ingenieure neuen Typs“ – so nennt Bernd Becker die Fachkräfte, die den Umstieg auf die intelligente Produktion meistern sollen. Der Professor ist Lehrstuhlinhaber an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg und fördert neben der Lehre im Fach Rechnerarchitektur vor allem den Austausch mit den Kollegen am Institut für Informatik und dem angrenzenden Institut für Mikrosystemtechnik. Nicht erst die nächste Generation der Ingenieure soll von den Möglichkeiten der interdisziplinären Ausbildung profitieren, auch die universitäre Weiterbildung hält Becker für unverzichtbar. „Die Nachfrage – sowohl vonseiten der Industrie als auch von berufstätigen Ingenieuren – zeigt uns, dass Bedarf und Interesse am Erwerb interdisziplinärer Kompetenzen besteht. Die Zahl der Einsatzfelder für Spezialisten im Bereich eingebetteter Systeme ist hoch, auch die Anforderungen in diesem Bereich steigen. Somit sind auch und vor allem Ingenieure mit Berufserfahrung gefragt.“

Als wissenschaftlicher Leiter des Weiterbildungsprogrammes IEMS wirbt er für die berufsbegleitende Weiterbildung und setzt dabei auch im Bereich der Lehre auf Innovationen. Denn wer im angebotenen Online-Masterstudiengang studiert, sieht nur an einigen wenigen Tagen im Semester einen Hörsaal von innen. Ein Großteil der Lehre findet im Netz statt: In E-Lectures werden die Vorlesungsinhalte vermittelt, die Betreuung durch die Lehrenden und der Austausch mit den Kommilitonen finden über Foren oder Videochats statt. Alle Materialien und Informationen sind damit rund um die Uhr verfügbar. Selbst der Praxisbezug kommt in dieser Form der Lehre nicht zu kurz: Im Hardwarepraktikum bekommt jeder Student per Post einen Roboterbausatz zugeschickt, setzt ihn zu Hause zusammen und programmiert ihn im Laufe des Semesters mit verschiedenen Funktionen.

So flexibel wie die Einteilung der Lernzeiten ist auch der Studienplan, weiß Katrin Weber, Geschäftsführerin bei IEMS. „Unsere Studenten sollen im Arbeitsalltag und im Hinblick auf ihre weitere Karriere von den Inhalten natürlich profitieren, ein starrer Lehrplan wäre dabei sehr hinderlich. Viele Arbeitgeber unterstützten ihre Mitarbeiter, indem sie zum Beispiel ihre Arbeitszeit reduzieren.“ Wer zwischenzeitlich mehr arbeiten muss oder aus persönlichen Gründen weniger Zeit für sein Studium aufbringen kann, kann seinen Studienplan entsprechend anpassen. Ganz individuell können sich Ingenieure, Techniker und Meister auch in einzelnen Online-Kursen weiterbilden, ohne die zeitliche Belastung eines Masterstudiums. Da vor allem bei der Entwicklung eingebetteter Software zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden müssen, denen man als Ingenieur oder IT-Spezialist bei der Entwicklung von klassischen Softwaresystemen noch nicht begegnet ist, lernen Interessierte in dem sechsmonatigen Weiterbildungskurs „Projektmanagement in Software Engineering für Embedded Systems“, wie sie einen Softwareentwicklungsprozess im Embedded Systems-Bereich anhand agiler Methoden planen und umsetzen.

Die Wege, die die Absolventen des Masterstudiengangs einschlagen, sind so vielfältig wie ihre bisherigen Lebensläufe. Egal ob sie einen Bachelor an einer Fachhochschule erworben oder Informatik oder Elektrotechnik an einer Universität studiert haben – mit den im interdisziplinären Masterstudium gewonnenen Kenntnissen und ihrer Berufserfahrung sind sie gefragte Fachkräfte für zahlreiche Branchen. Schon jetzt sind vernetzte eingebettete Systeme in der Industrie ein viel diskutiertes Thema – mit stark steigender Tendenz.

Buchtipps

Peter Marwedel:
Eingebettete Systeme.
Springer Verlag 2008.
ISBN 978-3540340485.
32,99 Euro

Walter Lange, Martin Bogdan:
Entwurf und Synthese von Eingebetteten Systemen: Ein Lehrbuch.
Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2013.
ISBN 978-3486718409.
39,80 Euro

Usability als Ansporn

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Das Thema benutzerfreundliche Software wird immer wichtiger. Künftig steht nicht mehr die Maximierung der Funktionalitäten im Vordergrund der Entwicklung von Software, sondern deren Nutzerfreundlichkeit. Dies hat auch Auswirkungen auf die Arbeit von Ingenieuren. Von Prof. Dr. Hans-Georg Hopf, Leiter Usability Engineering Centers an der Technischen Hochschule Nürnberg

Die Journalistin Sybille Herbert hat ein Buch mit dem Titel „Bin ich zu blöd“ veröffentlicht. Die Kurzbeschreibung beginnt mit dem Statement: „Der Alltag wird immer komplizierter, die Welt wird unbedienbar.“ Sybille Herbert trifft mit dieser Feststellung den Nerv vieler Menschen. Die Bedienung von Produkten, insbesondere auch von Software-Produkten wird oft zum Problem: Die Gebrauchstauglichkeit oder auch Nutzerfreundlichkeit vieler Produkte lässt deutlich zu wünschen übrig!

Diese sogenannte Usability wird immer wichtiger: Immer mehr erfahren wir im täglichen Leben, dass wir von Dienstleistern in die Pflicht genommen werden, in ihr Dienstleistungsgeschäft eingebaut werden, zum Beispiel von ihnen über ein Internetportal selbst einen Teil einer Dienstleistung übernehmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Entwicklung im E-Banking, bei Online-Shops oder bei Online-Bewerbungsportalen: Wir pflegen unsere Daten für diese Unternehmen, scannen Dokumente ein und stellen sie in das Unternehmensportal ein, und holen unsere Post, Kontoauszüge, Rechnungen oder Bescheide im Internetportal des Unternehmens ab. In Online-Portalen übernehmen wir Aufgaben, die früher beim Unternehmen lagen. Solche Anwendungen müssen für den Kunden so einfach und intuitiv bedienbar wie möglich gestaltet werden.

Gebrauchstauglichkeit ist damit nicht nur im Interesse der Nutzer. Es liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Hersteller, Hürden in der Gebrauchstauglichkeit aus dem Weg zu räumen: Der Benutzer soll das richtige Bedienelement zum richtigen Zeitpunkt schnell finden können, seine Ziele zufriedenstellend mit dem Werkzeug erreichen, vielleicht sogar eine gewisse Freude in der Benutzung empfinden. Die Anwendung soll zum Erlebnis werden. Mit Methoden des Usability Engineering können Hersteller diese Anforderungen umsetzen und ihren Produkten neue Marktchancen erschließen. Gebrauchstauglichkeit und Nutzererlebnisse sollten möglichst früh im Entwicklungsprozess berücksichtigt und durch geeignete Methoden in multidisziplinären Teams umgesetzt werden. Ingenieure, Softwareentwickler, Psychologen und Designer müssen gemeinsam eine optimale Lösung finden und hierfür auch eine entsprechende zielführende und effiziente Kommunikation führen.

Dies ist eine echte Herausforderung für alle Beteiligten, da die unterschiedlichen „mentalen Modelle“ beim Erarbeiten von multidisziplinären Lösungen aufeinanderprallen und man lernen muss, auch fachliche Argumente der anderen Disziplin bei der Konstruktion einer Lösung zu bedenken, die man selbst als nicht so gewichtig einschätzt.

Linktipp

Berufsverband der Deutschen Usability und User Experience Professionals:
www.germanupa.de

In 48 Stunden die Welt verändern

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Verteiler: Angehende Ingenieure
CC: Kreative Köpfe
Ort: TU Dresden und weitere 119 Orte weltweit
Datum: August 2014
Aufgezeichnet von: Cindy Ullmann, Projektkommunikation Zukunftskonzept, TU Dresden

Freitag, 18 Uhr: An der Technischen Universität Dresden warten 50 kreative Köpfe gespannt auf die Verkündung des geheimen Mottos des Global Service Jams 2014. Als die Videobotschaft den Grundriss eines Würfels zeigt, herrscht überraschte Stille, dann ist vereinzelt Lachen zu hören.

Vom 7. bis 9. März 2014 war also ein Würfel für 1500 Jammer an 120 Orten weltweit Ausgangspunkt und Inspiration für neue Service-Ideen. Der Global Service Jam animiert seit 2011 Menschen auf allen Kontinenten, sich über neue Dienstleistungen Gedanken zu machen und ein besseres Leben vorzudenken. In Dresden fand der Global Service Jam bereits zum zweiten Mal statt. Dieses Jahr kamen am Zentrum für Synergie-Entwicklung (ZSE) der TU Dresden Designer, Produkt- und Servicemanager, Softwarearchitekten sowie Forscher und Wissenschaftler für ein Wochenende zusammen, um gemeinsam originelle Ideen zu ganz alltäglichen Problemen zu entwickeln. Das an der TU Dresden angesiedelte Forschungsprojekt WINIMIS zur Erforschung von Weiterbildungsformaten rund um das Thema Innovationsmanagement war Gastgeber und kooperierte eng mit den Dresdner Unternehmen T-Systems MMS, queo und ujamii.

Samstag, 9 Uhr: Angeleitet von den Organisatoren geht es mit viel Energie an die Ausformung der Ideen. Getreu dem Motto „Machen statt Reden“ produzieren die Jammer mit Lego-Steinen, Haftnotizen und anderen Materialien Prototypen. Um ihre Entwürfe zu verbessern, tauschen sich die Dresdner Teams mehrmals mit Jammern aus Klaipeda in Litauen aus. Ein Team entwickelte unter dem Namen „Re-Pack“ ein Pfandsystem für Verpackungen, um Plastikbeutel und anderen Verpackungsmüll zu vermeiden. Bei einem Einkauf im Supermarkt können gegen Pfand verschieden große Boxen – und hier ist die Verbindung zum Würfel – ausgeliehen werden, die auf einem leeren Einkaufswagengestell platziert werden. An der Kasse werden die Boxen direkt auf das Band gestellt und anschließend im Auto verstaut – alles ohne lästiges Aus- und Umpacken der Lebensmittel. Beim nächsten Einkauf können die Boxen wiederverwendet oder abgegeben werden – ein nachhaltiger und umweltschonender Service.

Weltweit wurden nach den Grundprinzipien des Service Design Thinking, einer kreativen Arbeitsweise zur Entwicklung neuer Dienstleistungsideen, 530 Ideen entwickelt. Alle Ergebnisse werden auf der Webplattform „Planet Jam“ gesammelt. Nach dem Jam verbleiben die Ideen mit einer Creative Commons-Lizenz auf der Plattform.

Sonntag, 18 Uhr: Die Dresdner Jammer blicken zufrieden auf 48 Stunden kreative Arbeit, Spaß und Tüftelei zurück. Als Erkenntnis nehmen sie mit, dass neben der verrückten Idee häufig eine großartige Idee liegt. Wer sich davon selbst überzeugen möchte, kann nächstes Jahr vom 27. Februar bis 1. März 2015 am Global Service Jam teilnehmen.

BIQ – das Algenhaus

BIQ – das Algenhaus leitet eine neue Ära des nachhaltigen Wohnens ein. Mit dem innovativen Projekt entstand in Hamburg-Wilhelmsburg das erste Haus weltweit, das sich über eine Gebäudefassade aus Photobiokollektoren selbst mit Energie versorgt. Von Meike Nachtwey.

Sie ist grün und sie lebt, die Fassade von BIQ – das Algenhaus. In ihrem Inneren werden Mikroalgen kultiviert, die unter Sonneneinstrahlung und Zugabe von CO2 sowie flüssigen Nährstoffen Biomasse und Wärme produzieren. Als Weltneuheit wurde im Algenhaus erstmals an einem Gebäude eine Bioreaktorfassade angebracht. Diese vorgeschaltete Fassade wurde an der sonnenbeschienenen Südseite des Gebäudes installiert und produziert mithilfe von Algen über seine 129 einzelnen Biokollektoren sowohl Wärme als auch Biomasse. Über eine im Erdgeschoss installierte Energiezentrale werden die Algen und die zum Wachstum benötigten Nährstoffe wie Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Phosphor über die rotweißen Versorgungsleitungen in die Kollektoren eingeleitet. Mit der produzierten Wärme beziehungsweise Biomasse werden die Wohnungen im Algenhaus beheizt.

Damit die Fassade als Bioreaktor funktioniert, sind auf der der Sonne zugewandten Vorderseite lichtdurchlässige, plattenförmige Kollektoren erforderlich, in deren Hohlraum das für die Algenzucht notwendige Kulturmedium zirkuliert. Ihnen vorgespannte Scheiben schützen die Kollektoren vor Wärmeverlust und wirken so als thermische Isolation sowie gleichzeitig als Schallschutz. Für die optimale Ausnutzung der Sonnenstrahlen wird auf der Vorderseite reflektionsfreies Weißglas verwendet. Über den Wasserkreislauf werden die Algen kontinuierlich mit flüssigen Nährstoffen und CO2 versorgt. Eine ständige Durchmischung des Wassers im Kollektor erfolgt durch große Luftblasen. Mithilfe der Sonnenkraft vermehren sich die Algen dann, bis sie schließlich als Biomasse zur Ernte in den Technikraum im Innern des Hauses weitergeleitet werden. In einem externen Prozess wird aus der Biomasse Biogas hergestellt. Mithilfe eines Gasbrennwertkessels wird das Biogas verbrannt. Die entstehende Wärme erhitzt das Brauchwasser für die einzelnen Wohnungen. Das Kohlendioxid wird in die Bioreaktorfassade zurückgeleitet. Somit schließt sich der Energiekreislauf. Überschüssige Wärme kann bei Überproduktion an das Nahwärmenetz abgegeben oder in die Erdwärmesonden eingespeist werden.

BIQ – das Algenhaus verfügt über 200 Quadratmeter Algenfassade. Bei einem Ertrag von 15 Gramm Trockenmasse pro Quadratmeter und Tag kann bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas ein Nettoenergiegewinn von etwa 4500 Kilowattstunden pro Jahr erzielt werden. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr circa 4000 Kilowattstunden. Die Algenfassade könnte so den gesamten Haushalt einer Familie mit Biostrom versorgen.

Weitere Infos unter: www.biq-wilhelmsburg.de