Balance macht zufrieden

Foto: Fotolia/gertrudda
Foto: Fotolia/gertrudda

Es sind nicht die Gehälter und Aufstiegschancen allein, die dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter in einem Unternehmen wohlfühlen. Besonders die junge Generation bringt den Anspruch mit, Arbeit und Leben so in Einklang zu bringen, das sich beides befruchtet. Die Unternehmen haben das erkannt und bieten heute eine Vielzahl von Maßnahmen. Von André Boße

Der Begriff Work-Life-Balance ist sowohl schwer in Mode als auch schwer in der Kritik. Fast jedes Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern Maßnahmen zur Work-Life-Balance. Auf der anderen Seite sagen Kritiker, es sei sinnlos, die Arbeit vom Leben zu entkoppeln. Worum also geht es bei der Work-Life-Balance eigentlich? Eine, die es wissen muss, ist Dagmar Terbeznik, Beraterin zu dem Thema aus Berlin. Wenn sie den Begriff erklären möchte, schreibt sie vier Wörter auf einen Zettel: Leistung, Kontakt, Körper und Sinn. „Für jeden dieser Bereiche kann ich in einem Sterndiagramm eintragen, wie zufrieden ich bin. Wenn ich die Punkte anschließend verbinde, ist schnell ersichtlich, wie ausgewogen das System ist und wo Handlungsbedarf besteht.“ Eine zweite Methode, die sie häufig mit ihren Klienten durchführt, ist der „Energie-Check“, bei dem sie im Gespräch untersucht, welche Aktivitäten in welchem Umfang Energie zuführen und welche Energie verbrauchen. „Es ist für viele schon ein Aha-Erlebnis zu erkennen, dass es Aktivitäten gibt, die Energie spenden, und andere, die Energie verbrauchen.“ Dadurch lässt sich schnell erkennen, was die Balance gefährdet.

Sterndiagramme zum persönlichen Wohlbefinden oder individuelle „Energie-Checks“ – bis vor Kurzem waren das Methoden, die einen Arbeitgeber eher wenig interessierten. Wer bei seinen Eltern und Großeltern nachfragt, wird oft erfahren, dass früher die Arbeit und das Privatleben tatsächlich strikt getrennt waren: Die beiden Sphären berührten sich kaum. Das hat sich heute stark verändert. Ein Unternehmen, das es mit seinen Angeboten zur Work-Life-Balance nicht ernst nimmt, steht vor einem Problem. Eine weltweite Untersuchung der Personalberatung Hay Group hat ergeben: Ein Viertel der Mitarbeiter, die bei einem Unternehmen tätig sind, das sich wenig um eine gute Work-Life-Balance der Belegschaft bemüht, hat die Absicht, seinen Arbeitgeber in den kommenden zwei Jahren zu verlassen. Die Mitarbeiter wollen also, dass sich ihr Unternehmen engagiert, wobei es aus ihrer Sicht einiges nachzubessern gibt: Laut Hay-Group-Studie empfinden knapp 40 Prozent der Mitarbeiter ihre persönliche Work-Life-Balance als unbefriedigend – wobei mehr als jeder Zweite von seinem Arbeitgeber zu wenig Unterstützung verspürt, um eine positive Änderung zu erwirken.

Buchtipp


Thomas Vašek:
Work-Life-Bullshit. Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt.
Riemann 2013.
ISBN 978-3570501535.
16,99 Euro

Zahlen wie diese belegen: Work-Life-Balance ist das Top-Personalthema dieser Tage. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat die sogenannte Generation Y, die heute in die Unternehmen einsteigt oder bereits auf dem Weg ist, dort Führungspositionen einzunehmen. Was die jungen Menschen dieser Generation kennzeichnet: Sie haben als Teenager erlebt, wie Internet und Handys die Kommunikation revolutionierten. Sie haben von Beginn an mitbekommen, wie sich durch diese Technik das Leben verändert, im Privaten wie im Beruflichen, positiv wie negativ. Zudem wurden sie eben noch in eine Welt hineingeboren, in der sich das Leben der Arbeit unterordnete, wie die Work-Life-Balance-Beraterin Dagmar Terbeznik sagt. „In dieser Welt ging es mehr ums Äußere als ums Innere. Mehr um Konkurrenz als um Kooperation. Mehr um Status als um Inhalt. Mehr um Individualität als um Kollektivität.“

Nun möchten selbstbewusste Vertreter der Generation Y diese Aspekte umdrehen – und zwar auch, weil sie erkennen, dass eine zu große Belastung häufig zu seelischen Erkrankungen führt. Jedoch darf man ein Problem mit der Work-Life-Balance nicht mit einer psychischen Erkrankung gleichsetzen. „Bei einer Work-Life-Balance-Problematik kommt es zu einer Unzufriedenheit, weil die Lebensbereiche nicht in der notwendigen Balance sind“, definiert Dagmar Terbeznik. „Das kann zu Stress und damit auch zu einer Krise führen, muss es aber nicht.“ Wenn also ein Einsteiger früh spürt, dass die Bereiche Arbeit und Privatleben nicht in Balance stehen, erkennt er damit einen möglichen Ursprung einer späteren Krise.

Wer sich um die eigene Balance kümmert, betreibt damit eine Art Vorsorge, um nicht früh schlappzumachen oder sogar auszubrennen. Daher ist das Thema Work-Life-Balance gerade für junge Menschen so wichtig: Wer früh an der Balance arbeitet, schützt sich selber vor der Krise, und die Arbeit macht deutlich mehr Spaß.

Perfekter Tag in Balance

Wie sieht ein perfekter Tag aus, an dem man trotz vieler Herausforderungen die Familie, das Freizeitvergnügen und nicht zuletzt seine eigene Produktivität so managt, dass man am Abend mit innerer Balance einschläft? Auf einer TED-Konferenz hat der australische Work-Life-Balance-Experte Nigel Marsh einen sehr inspirierenden Kurzvortrag zu dem Thema gehalten und zur Eigenverantwortlichkeit gemahnt, denn: Das Thema Gleichgewicht ist viel zu wichtig, um es alleine dem Arbeitgeber zu überlassen.
www.ted.com/talks/nigel_marsh_how_to_make_work_life_balance_work

Study-Life-Beratung

Für Studierende kurz vor den Prüfungen oder Einsteiger mit Bachelor, die nun ein berufsbegleitendes Masterstudium beginnen, steht vor allem eine ausgeglichene Study-Life-Balance im Fokus. An vielen Hochschulen gibt es heute Kontaktstellen, die zu dem Thema beraten und konkrete Hilfe anbieten. Zudem bieten viele Unis und Fachhochschulen Seminare für Studenten an. Auf der Homepage der Krankenkasse AOK gibt es zudem einen Balance-Test sowie Anti-Stress-Tipps.
www.aok-on.de/studierende/stimmt-ihre-study-life-balance