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Wer tut, was er liebt, ist am richtigen Platz

„Liebe macht glücklich, Angst macht krank“, sagt Diplom-Psychologin Angelika Gulder in ihrem Gastbeitrag und nennt eine der Hauptfragen, die sich jeder von uns im Leben stellt: Lebe ich so, wie es mir entspricht, oder so, wie andere es von mir erwarten und ich es im Laufe meines Lebens gelernt habe? Bedauerlicherweise beantworten die meisten Menschen sich diese Frage nicht bewusst. Dabei ist es für ein glückliches und erfolgreiches Berufsleben entscheidend, dass ich weiß, was mich antreibt und was mich glücklich – oder eben auch unglücklich – macht. Von Angelika Gulder

Buchtipp-Klassiker

Seit mehr als zehn Jahren unterstützt Angelika Gulders Buch „Finde den Job, der dich glücklich macht“ Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung und einem erfüllten Berufsleben. Der Karriere-Navigator ist eine Orientierungshilfe auf dem Weg zu mehr Glück und Zufriedenheit im (Berufs-)Leben. Das bestätigt auch die Stiftung Warentest, die das Buch zum Testsieger unter einem Dutzend Karriere-Ratgebern erkoren hat.

Angelika Gulder:
Finde den Job, der dich glücklich macht.
Campus Verlag 2013.
ISBN 978-3593398396.
19,99 Euro

Peter ist 28. Schon als Kind wollte er etwas mit Technik machen. Nach seinem Studium als Ingenieur ist er rasch aufgestiegen und nun bereits Projektleiter mit Verantwortung für ein Team von sieben Mitarbeitern. Seine Eltern sind stolz auf ihn. Seine Kollegen bewundern und beneiden ihn. Doch der „Erfolg“ tut ihm nicht gut. Warum? Peter ist ein introvertierter Typ, der Ingenieur wurde, um entwickeln zu können und mit dafür zu sorgen, dass die erneuerbaren Energien einen größeren Platz einnehmen. Stattdessen hat er es jetzt mit firmenpolitischen Themen und Mitarbeiterführung zu tun. Gar nicht sein Ding.

Stand der aktuellen Motivationsforschung ist, dass es etwa 16 verschiedene Lebens- und Handlungsmotive gibt, die bei jedem von uns unterschiedlich ausgeprägt sind. Aus Erfahrung weiß ich, dass auch die Unterpunkte dieser 16 Motive zum Teil große Bedeutung haben, daher arbeite ich in meiner Praxis mit insgesamt 27 Motiven. Diese lauten: Macht, Freiheit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen, Ehre, Gerechtigkeit, Beziehungen, Status, Familie, Eros, Erfolg, Genuss, Schönheit, Spaß, Ruhe, Reichtum, Harmonie, Herausforderung, Ruhm, Freude, Idealismus, Sicherheit, Abenteuer, Unabhängigkeit, Aktivität. Manche dieser Motive sind angeboren, wie etwa Neugier, Freiheit, Beziehungen und Genuss. Erlernt sind Motive wie Macht, Gerechtigkeit, Ruhm oder Sicherheit. Diese Motive haben wir in früher Kindheit erlernt oder von unseren Eltern übernommen.

Neugier, Ruhe und Idealismus sind die Motive, die Peter am meisten antreiben und ihm Kraft geben. Gute Voraussetzungen für einen technischen Entwickler, nicht passend für einen Projektleiter oder eine Führungskraft. Peter arbeitet also gegen seine Motive, das ist der Hauptgrund für seine Unzufriedenheit. Ihm wird klar, dass er die Führungsposition vor allem übernommen hat, um seinen Vater stolz zu machen. Auch das höhere Gehalt hat eine Rolle gespielt. Doch das sind Motive, die nicht aus seinem Inneren kamen, sondern erlernt waren. Nach dem Coaching sucht er das Gespräch mit seinem Vorgesetzten. Er gibt die Projektleitung ab und wechselt wieder in den Entwicklungsbereich des Unternehmens. Hier kann er seine Stärken voll ausleben und fühlt sich endlich wieder am richtigen Platz.

Unternehmen kümmern sich meist zu wenig darum, ob die Motivation der Mitarbeiter mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes tatsächlich übereinstimmt. Vielmehr wird nach dem geschaut, was ein Mitarbeiter gut kann beziehungsweise was im Unternehmen gebraucht wird. Führungskräfte täten allerdings gut daran, Menschen wie Peter dort einzusetzen, wo sie am besten aufgehoben sind. Wo ihre Leidenschaften und Fähigkeiten und vor allem auch ihre Lebensmotive mit dem Job übereinstimmen. Nur dann kann ein Beruf auch Berufung sein. Je eher der richtige Mitarbeiter am richtigen Platz ist, umso höher die Performance und umso niedriger die Fehlzeiten. Liebe macht glücklich, Angst macht krank.

Ein paar Beispiele: Wenn „Freiheit“ eines Ihrer Grundmotive ist, werden Sie vielleicht nicht immer angestellt arbeiten können, sondern die Freiheit eines Tages in der Selbstständigkeit suchen. Wenn Sie „Beziehungen“ unter Ihren ersten drei gewählten Motiven haben, dann brauchen Sie bei Ihrer Arbeit regelmäßige Kontakte zu anderen Menschen. Falls Familie unter den ersten drei Begriffen steht, sollte sich Ihr Beruf mit den Interessen Ihrer Familie vereinbaren lassen. Familie als Lebensmotiv kann auch heißen, für die Familie anderer Menschen da zu sein, zum Beispiel als Lehrer, Coach oder Therapeut.

Wer gemäß seiner Motive lebt und einen dazu passenden Job hat, kann glücklich und erfolgreich werden. Wer gegen seine Motive lebt, lebt immer in der (unbewussten) Angst, zu versagen. Nur wer tut, was er liebt, ist am richtigen Platz. Es erfordert einiges an Selbsterkenntnis, um herauszufinden, was der Traumjob sein kann. Doch ich kann Ihnen als ehemalige Bankerin und heutige Psychologin und Buchautorin versichern: Es lohnt sich.

Selbsttest

Sie wollen herausfinden, was Sie antreibt und glücklich macht, damit Sie einen Job finden, der wirklich zu Ihnen passt? Dann markieren Sie in der Liste der Motive möglichst spontan alle Worte, die Ihnen beim Lesen ein gutes, positives, intensives Gefühl geben. Alle Worte, die Sie markiert haben, bringen Sie nun in eine emotionale Reihenfolge: Das Wort, das Sie am stärksten positiv anspricht, bekommt die Eins, das nächste die Zwei und so weiter. Nun schauen Sie auf Ihre ersten drei Lebensmotive. Das sind die Dinge, die erfüllt sein müssen, beruflich und privat, damit es Ihnen wirklich gut geht . Achten Sie bei beruflichen Entscheidungen darauf, dass Ihre Motive erfüllt sind. Dass das, was Sie dort tun, wirklich zu Ihnen passt.

Interview mit Erwin Wagenhofer

Ende 2013 lief Erwin Wagenhofers Film „Alphabet“ mit dem Untertitel „Angst oder Liebe“ im Kino, eine Abrechnung mit dem Bildungssystem, das in seinen Augen die Angst fördert und Liebe verhindert. Im Film heißt es außerdem, dass 98 Prozent aller Kinder hochbegabt zur Welt kommen. Nach der Schule sind es nur noch 2 Prozent. Im Interview berichtet der 53-jährige Filmemacher aus Österreich, wie sich das Thema im letzten Jahr entwickelt hat, und erklärt, was Erotik mit Wirtschaft zu tun hat. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Erwin Wagenhofer, geboren 1961 im niederösterreichischen Amstetten, drehte seine ersten kurzen Filme schon Anfang der 1980er-Jahre, als er beim Elektronikkonzern Philips in der Entwicklungsabteilung tätig war. In die Filmbranche stieg er 1983 als freier Assistent für die Regie und die Kamera ein, sein erstes Filmporträt drehte er 1987 über den Künstler Oswald Oberhuber. Zuletzt hat sich Wagenhofer als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht. „We Feed The World“ (2005) blickt kritisch auf die Massenproduktion von Nahrungsmitteln, „Let’s Make Money“ (2008) auf die Finanzwirtschaft. Sein Film „Alphabet“ kam 2013 in die Kinos und übte mit dem Untertitel „Angst oder Liebe“ Kritik am Bildungssystem.

Herr Wagenhofer, Ihr Film „Alphabet“ lief vor einem Jahr in den Kinos und hat eine Debatte über das Bildungssystem gestartet. Hat diese Diskussion gefruchtet?
Allein, dass der Film eine Debatte in Gang gebracht hat, ist schon eine gute Sache. Seit dem Kinostart im Oktober 2013 habe ich mehr als 170 Veranstaltungen hinter mir. Bei diesen Diskussionen habe ich vor allem gelernt: Die große Bremse der Veränderung heißt Angst. Konkret haben vor allem Menschen Angst, die zu den gut Gebildeten zählen. Als Eltern haben sie Angst, dass ihre Kinder etwas versäumen oder nichts aus ihnen wird. Als Bürger haben sie Angst, einen neuen Weg einzuschlagen, weil sie glauben, es gebe keine Alternative. So ist das, was sie für neu halten, immer nur mehr vom Alten.

Junge Leute bekommen häufig zu hören: „So viel Wohlstand, so viel Freiheit, so viele Möglichkeiten: Ihr wisst gar nicht, wie gut es Euch geht.“ Warum ist die Angst dennoch ein bestimmendes Merkmal der jungen Generation?
Weil es uns nicht gelungen ist, ihr diese Angst zu nehmen. Wenn wir jedes Jahr weiter wachsen sollen, wenn drei Fremdsprachen zu wenig sind, wenn ein Studium alleine nicht ausreicht, weil man als CEO der Zukunft am besten drei Abschlüsse hat – dann ist genug nie genug. Wir reden hier jedoch lediglich von Kompetenzen, nicht von Bildung. Denn was hat ein Absolvent davon, wenn er fünf Sprachen spricht – aber nichts zu sagen hat?

Was verstehen Sie unter Bildung?
Der Sinn der öffentlichen Bildung ist in der österreichischen Bundesverfassung genau definiert: Am Ende soll dort der mündige Bürger stehen, der zum Beispiel positiv und selbstbewusst auf Herausforderungen zugeht und solidarisch mit den Mitmenschen interagiert. Aber wie soll das funktionieren, wenn die Menschen im knallharten Wettbewerb ihren Konkurrenten zur Strecke bringen müssen, damit das Unternehmen, für das sie arbeiten, bessere Zahlen schreibt? Dieses Paradoxon, das da in den vergangenen gut 30 Jahren entstanden ist, fördert eben nicht die Lebensfreude, sondern macht den jungen Menschen Angst. Dieses System stimmt also hinten und vorne nicht. Es zu verändern, würde allerdings voraussetzen, dass man selbstständig zu denken versteht. Aber genau das wird den jungen Menschen in den Schulen ausgetrieben. Das weiß und spürt die junge Generation. Deshalb hat sie zu Recht Angst. Und weil Angst eben kein guter Ratgeber ist, entsteht wirklich Neues nur in kleinen Gruppen.

Was verstehen Sie konkret unter dem Neuen, das Sie ansprechen?
Ich glaube, dass wir die Form unseres Zusammenlebens überdenken und erneuern müssen. Dazu brauchen wir zunächst einmal ein besseres Bild von uns selbst. Es hat sich der Irrglaube durchgesetzt, dass wir Menschen faul und schlecht sind, dass wir ohne Druck von außen über keinen Antrieb verfügen – und dass sich nur der Kräftigste und Stärkste durchsetzt. Heute beginnt man jedoch in Disziplinen wie der Biologie zu verstehen, dass nicht die Selektion das Leben möglich macht, sondern die Erotik – also, wenn Sie so wollen, ein Zusammenspiel. Wenn wir ein gutes Leben haben wollen, dann sollten wir niemanden mehr ausklammern, indem wir ihn bewerten. Der Mensch kommt mit Gaben zur Welt, und die möchte er auch teilen. Denn jeder von uns weiß: Geben ist schöner als Nehmen.

Die Sprache in den Unternehmen ist sehr bürokratisch. Es gibt Officers und Directors, Übernahmen und Human Resources. Wie wichtig ist es, für eine neue Unternehmenskultur auch eine neue Sprache zu finden?
Das ist einer der wichtigsten Punkte überhaupt, weil eben so vieles mit der Sprache beginnt und wir für dieses Neue, von dem ich spreche, noch keine Sprache haben. Übrigens ist das auch der Grund, warum wir den Film „Alphabet“ genannt haben: Eben weil wir mit unserem Alphabet neue Begriffe finden müssen. Ein Beispiel: In den Worten Erziehung und Unterricht stecken das „Ziehen“ und das „Richten“ drin. Ich glaube nicht, dass das noch zeitgemäß ist. Wie wäre es mit Beziehung statt Erziehung? Und mit Begleiten statt Unterrichten? Und in der Wirtschaft wimmelt es von Begriffen, die aus der Kriegsführung stammen: Es gibt Siege und Niederlagen, es ist von feindlichen Übernahmen die Rede und von Strategien, die bewältigt werden müssen. Wir sollten endlich wieder verstehen, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist – und nicht der Mensch für die Wirtschaft.

Junge Menschen, die für ihren Hochschulabschluss büffeln oder sich bei Unternehmen bewerben, erleben häufig eine Zeit, in der Unsicherheit eine große Rolle spielt. Wie kann es gelingen, in dieser stressigen Zeit die Liebe am Leben zu bewahren?
Am besten, indem sie Menschen finden, die sie lieben. Als wir im Frühjahr 2013 den Film in Berlin fertiggestellt haben, schnappte ich in der U-Bahn eine Schlagzeile auf, die ich mir notiert habe: In Berlin leben 31 Prozent der Menschen alleine, 34 Prozent der Bevölkerung leben in einem Haushalt mit zwei Menschen. Und in Wien leben mehr Menschen mit einem Tier zusammen als mit anderen Menschen. Das scheinen mir alles in allem keine liebenden Gesellschaften zu sein.

Buchtipp

Erwin Wagenhofer, Sabine Kriechbaum & André Stern:
Alphabet: Angst oder Liebe.
Ecowin 2013.
ISBN 978-3711000415.
19,95 Euro

Filmtipp

Erwin Wagenhofer (Regie):
Alphabet – Angst oder Liebe? (OmU)Dokumentation.
Pandora Filmverleih (Alive AG) 2014.
Länge 113 min. 14,99 Euro

Den Job lieben lernen

Angst kostet nicht nur Nerven, sondern die deutschen Unternehmen jährlich weit über 100 Milliarden Euro. Zeit für eine Führungskultur, die nicht länger ausschließlich Konkurrenzkampf und den Wettbewerb im Fokus hat, sondern den Mitarbeitern Sicherheit und Halt bietet. Psychologen und Ökonomen sind sich einig: Das steigert die Hingabe und Leistungsfähigkeit. Zu Wort kommen unter anderem Angstforscher Wolfgang Stegmann, Psychologe Stephan Grünewald, Personalberater Jörg Will sowie der Vorstandsvorsitzende der Metro Gruppe Olaf Koch. Von André Boße

Sie wischen über ihr Tablet, hacken E-Mails in die Notebooks und telefonieren mit Kollegen, als befürchteten sie, ihnen fällt der Himmel auf den Kopf, wenn sie ihre Geräte aus der Hand legen, um sich auch nur kurz zurückzulehnen – die Business-Menschen, die man in jedem ICE und an jedem Flughafen beobachten kann. Häufig wird man zwangsläufig zum Zuhörer ihrer Telefonate: Da ist von Problemen die Rede, die man zeitnah anpacken müsse, bevor Konsequenzen drohen. Von Kollegen, die eine Aufgabe nicht bewältigt haben. Von enttäuschten Kunden oder Projekten in der Sackgasse. Und wenn der Chef am Handy ist, wird beschwichtigt: „Wird erledigt, dürfte kein Problem sein, alles klar, ich melde mich wieder.“ Das soll souverän klingen, doch die unruhigen Augen und Hände sprechen eine andere Sprache. Eine Sprache der Angst. Von einer Liebe zum Beruf keine Spur.

Angst oder Liebe? Diese Frage stellte der österreichische Filmemacher Erwin Wagenhofer im Untertitel seiner Dokumentation „Alphabet“ (siehe Interview Seite 16). Es gibt viele Methoden, um Menschen dazu zu motivieren, eine Arbeit zu verrichten. In der Wirtschaft beliebt sind die Annehmlichkeiten: Wer lange genug dabei ist, erhält eine goldene Uhr. Wer viel leistet, bekommt einen schönen Firmenwagen, Sonderzahlungen, Incentivereisen, Einladungen zu Events – oder ein paar nette Worte. Alles Versuche, die Leistung zu steigern. Wobei sich hier wie überall zeigt: Man kann sich Leistung nicht erkaufen. Und Liebe zum Beruf schon gar nicht. Zumindest nicht langfristig. Auf der anderen Seite steht die Versuchung, mit der Angst der Mitarbeiter zu spielen: drohende Umstrukturierungen und Kündigungen, in Aussicht gestellte magere Jahre, Brandreden. Auch das motiviert. Aber auch wieder nur kurzfristig, weil Angst auf Dauer lähmt.

Man findet also unzählige Ansätze, um Menschen zu motivieren, ihr Bestes zu geben. Am Ende treiben sie zwei Konzepte an: Liebe oder Angst. Wobei man sagen muss: Beim Thema Angst kennen sich viele Unternehmen aus. Bei der Liebe eher weniger. Immer wieder hörten wir bei unseren Gesprächen mit Managern, die Liebe sei eine Sache für Hollywood-Filme. Fürs Privatleben. Für Beziehungen. Aber eher nicht für den Job. Aber stimmt das wirklich?

Nähern wir uns der Liebe anders. Der Dichter und Philosoph Khalil Gibran schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts: „Arbeit ist sichtbar gewordene Liebe.“ Sein Gedanke: Wer seine Arbeit nur noch mit Widerwillen macht, soll es lieber lassen. „Denn wenn ihr mit Gleichgültigkeit backt, backt ihr ein bitteres Brot, das den Hunger des Menschen nur zur Hälfte stillt.“ Hermann Hesse hat es so formuliert: „Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.“ Ein wenig weiter gedacht: Glücklich ist, wer seine Arbeit liebt. Wer ihr mit Hingabe und Leidenschaft nachgeht. Solche glücklichen Menschen hat es schon immer gegeben. Passionierte Landwirte und Handwerker. Leidenschaftliche Künstler und Unternehmer. Je größer jedoch die Unternehmen wurden, desto schwerer hatte es die Liebe. Begriffe wie Effizienz, Organisation oder Qualitätsmanagement geben wenig Raum für echte Leidenschaft. Stattdessen fördern sie das Gegenteil von Liebe, nämlich die Angst, zum Beispiel davor, eine Leistungsvorgabe nicht zu erreichen.

Die Menschen reagieren darauf und suchen sich ihre leidenschaftlichen Tätigkeiten verstärkt im privaten Umfeld. Es entsteht eine neue Do-it-yourself-Kultur: Viele junge Leute betreiben „Schrebergärten 2.0“ und nennen es „Urban Gardening“. Und sogar gestrickt und gehäkelt wird wieder. Die Motive sind klar: Die Menschen möchten etwas Schönes tun. Eine Arbeit mit Liebe verrichten. Weil es sie beruhigt und einen Sinn erfüllt. Das ist schön und gut, aber auch ein bisschen schade, denn es wäre doch viel besser, wenn es den Unternehmen gelingen könnte, ein Umfeld zu schaffen, damit ihre Mitarbeiter die Leidenschaft auch im Job zeigen – und nicht nur am Wochenende.

Doch es mehren sich die Anzeichen, dass die Wirtschaft umdenkt. Die Hingabe soll zurückkehren. Sie muss es sogar, wenn die Branchen die großen Herausforderungen meistern wollen, vor denen sie stehen – von der Globalisierung über die Auswirkungen der Digitalisierung bis hin zum Umgang mit immer anspruchsvolleren Kunden. Hier liegen Lösungen nicht mehr auf der Hand. Sie müssen mit Leidenschaft entwickelt werden. So sagt Olaf Koch, Vorstandsvorsitzender der Metro Gruppe, einem der größten Handelskonzerne der Welt: „Unsere Branche lebt immer stärker auch von den Emotionen. Die Aufgabe von Handelsunternehmen ist es daher, den Kunden nicht nur mit logischen Argumenten, sondern auch auf der Gefühlsebene zu erreichen. Das kann nur dann funktionieren, wenn man auch als Mitarbeiter eine echte Leidenschaft und emotionale Bindung für seinen Beruf mitbringt.“ Selbst wenn sich die Unternehmen mit dem Begriff der Liebe weiterhin schwertun: Das, was Liebe auszeichnet, ist längst gefragt. Wichtig ist jedoch, dass alles, was zur Angst führt, schwindet.

Angst in Unternehmen – damit beschäftigt sich der Ökonom Wolfgang Stegmann seit Mitte der 80er-Jahre. Der Wissenschaftler von der FH Köln ist ein Pionier auf diesem Gebiet und erforscht gemeinsam mit Winfried Panse die wirtschaftlichen Folgen der Angst, oft gegen Widerstände der Unternehmen, für die das ein Tabuthema war: „Angst, bei uns, wie kommen Sie denn darauf?“ 1996 warf Stegmann dann eine erstaunliche Zahl in die Runde, die ihm Aufmerksamkeit in Fernsehen, Printmedien und Radio verschaffte: Mehr als 100 Milliarden D-Mark koste die Unternehmen die Angst ihrer Mitarbeiter jährlich. Mit dem Buch der Kölner Wirtschaftswissenschaftler „Kostenfaktor Angst“ war das Thema in aller Munde. Wie sieht es nun 18 Jahre später aus, hat die Debatte von damals etwas gebracht? Der Ökonom schüttelt den Kopf. „Wir gehen davon aus, dass sich das Thema Angst in den Unternehmen zuletzt weiter verschärft hat“, sagt er – und nennt eine Summe von weit mehr als 100 Milliarden Euro. Ein Indiz dafür sei die konstante Zunahme psychosomatischer Krankheiten, die in den Unternehmen als Grund für krankheitsbedingte Ausfälle die Herz-Kreislauf- Erkrankungen abgelöst haben. Aber auch kritische Filme wie Erwin Wagenhofers Dokumentation „Alphabet – Angst oder Liebe?“ belegen, dass die Angst sich sogar weiter ausweitet.

Um zu verstehen, warum Angst für Unternehmen so teuer ist, stellt Wolfgang Stegmann zunächst einmal das Positive dieser Emotion heraus: „Angst ist ein wichtiger Schutzmechanismus des Menschen, denn wer keine Angst kennt, begeht Fehler.“ Ein Beispiel ist die Finanzkrise: Einige Investmentbanker fühlten sich unangreifbar. Sie hatten keine Angst und überzogen das Risiko – mit fatalen Folgen. So gesehen ist Angst ein Helfer der Vernunft. Und das ist gut. „Schwierig wird es erst, wenn Angst von jemandem in einer stärkeren Position instrumentalisiert, benutzt und missbraucht wird“, sagt Stegmann. Diesen Missbrauch kann man in allen hierarchischen Strukturen beobachten, also auch in Unternehmen.

Auf Angst folgt Flucht
Das Prinzip ist simpel: Anforderungen werden von oben nach unten delegiert. Werden sie nicht erfüllt, werden negative Konsequenzen angedroht oder positive Folgen verweigert. Schon entsteht Stress. „Fühlt sich ein Mensch bedroht, versucht er über ein bewusstes oder unbewusstes Angst-Abwehrverhalten, wieder in seine Sicherheitszone zu gelangen“, sagt der Kölner Angstforscher. Dabei reagieren die Menschen verschieden: Einige sagen sich, Angriff ist die beste Verteidigung. Andere versuchen, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben – bis hin zum Mobbing. Besonders häufig erlebt man bei Menschen mit Angst jedoch die Flucht. Und die richtet ökonomisch betrachtet den größten Schaden an. „Typische Fluchtwege sind Alkohol- oder Medikamentenkonsum oder die innere Kündigung“, sagt Stegmann. Wer auf diese Weise vor der Angst flüchtet, ist weniger produktiv und häufiger krank. Und das kommt die Unternehmen teuer zu stehen.

Nun könnte man denken, dass Angst in Unternehmen vor allem ein Thema der Älteren ist, die schon einige Jahre lang unter Belastung und in der Tretmühle gearbeitet haben. Doch hier muss der Psychologe Stephan Grünewald widersprechen. Der Bestseller-Autor legt für seine Bücher ganze Nationen, Städte und Generationen auf die Couch und analysiert sie. Bei den jungen Menschen erkennt er dabei eine bemerkenswerte Angst, die er psychologisch begründet. „Die junge Generation ist in einer zerrissenen, brüchigen Welt aufgewachsen“, sagt er. „Sie bekam mit, dass Familien auseinanderbrachen und stattdessen Patchwork-Gebilde entstanden. Dadurch wurde das Urvertrauen gestört.“ Die große Angst der jungen Generation sei also die „Angst vor dem Absturz“. Sie sucht Sicherheit. Nicht umsonst ist derzeit der öffentliche Dienst ein beliebter Arbeitgeber.

Aber woher kommt diese Angst in einer Zeit des Wohlstands? Gibt es nicht sogar in vielen Bereichen einen Fachkräftemangel? Es stimmt: Die junge Generation darf sich sehr guter Perspektiven erfreuen. Objektiv besteht also kaum ein Grund zur Angst. Doch ist Angst eben ein Gefühl. „Es deckt sich nicht mit den objektiven Wirtschafts- oder Arbeitsmarktdaten. Es wird subjektiv empfunden und gründet sich häufig auf frühkindlichen Erfahrungen“, sagt Grünewald. Im Unterschied zum Psychologen nähert sich der Personal- und Unternehmensberater Jörg Will der Angst aus ökonomisch-historischer Perspektive: Die Nachkriegsgeneration habe objektiv allen Grund gehabt, Angst zu haben, weil sie mit nichts in der Hand das Land wieder aufbauen musste, vergleicht der Chef der Kölner Beratungsgesellschaft ifp, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert. „Die gegenwärtige junge Generation hingegen startet in ihr Berufsleben auf einem deutlich höheren Niveau. Aber vielleicht ist dieser Startvorteil ja ein viel größerer Grund für Angst: Die Generation heute hat viel zu verlieren. Sie bewegt sich auf einem Niveau, auf dem man sich berechtigterweise fragt: Geht es überhaupt noch weiter nach oben?“

Liebe als Gegenmittel
Egal, ob man psychologisch oder ökonomisch argumentiert: Gegen Angst gibt es ein wunderbares Mittel – und das ist die Liebe. Zwar hat Jörg Will mit dem Begriff im Kontext der Unternehmen einige Schwierigkeiten, doch wenn der Personalberater über moderne Führung spricht, wird deutlich, dass er inhaltlich ähnlich denkt. „Jeder Mensch benötigt in seinem Leben eine Zielsetzung und eine Ordnung. Diese muss er sich erarbeiten. Einigen fällt es leicht, dies selbst zu tun. Andere dagegen benötigen dabei Hilfe – sprich Führung. Wenn also diese Ängste existieren, dann muss Führung heute Mut und Risikobereitschaft vermitteln.“ Doch dies geschieht zu selten. Für Jörg Will ist die Neigung, Risiken zu vermeiden, ein großer Trend der heutigen Gesellschaft. Die Folge: Statt auf Vielfalt zu setzen sowie Ecken und Kanten auszuhalten, entwickeln Gesellschaft und Wirtschaft vermeintlich ideale Persönlichkeitsprofile. Zum Beispiel eben von genormten Managementfiguren in Anzügen oder Kostümen. „Dabei werden im Management die Ecken und Kanten, die beispielsweise einen erfolgreichen Unternehmer häufig auszeichnen, abgeschliffen“, sagt Jörg Will. „Wer sich hingegen nicht abschleifen lässt, schafft es in vielen Konzernen womöglich nicht bis in die Top-Positionen.“

Der britische Bildungsexperte Sir Ken Robinson beobachtet dieses Abschleifen nicht nur in Unternehmen, sondern in allen Bildungsinstitutionen. „Menschen haben eine außergewöhnliche Vorstellungskraft. Jede Form menschlicher Kultur ist eine Folge dieser einzigartigen Fähigkeit. Ich glaube jedoch, dass wir diese Fähigkeit bei jungen Menschen systematisch zerstören“, sagt er im Film „Alphabet“. Ob im Kindergarten oder der Grundschule, auf den Gymnasien oder Hochschulen: Überall wird Konkurrenzverhalten und Leistungsorientierung eingeübt, statt die Vorstellungskraft zu stärken. So entsteht Druck, der die persönliche Entfaltung verhindert. Die Prioritäten sind klar gesetzt: Wettbewerb statt Freiheit. Stress statt Begeisterung. Angst statt Liebe.

Hingabe fördert Leistung
Noch immer glauben viele weiterhin, dass dieser Kurs die Produktivität steigert. Angstforscher Wolfgang Stegmann berichtet von Manager-Seminaren, in denen nach wie vor das alte Bild von Machiavelli vermittelt wird, der in seiner Schrift „Der Fürst“ schrieb, es sei als Herrscher im Zweifel besser, gefürchtet als geliebt zu werden, da Furcht einfacher herzustellen sei als Liebe und die Angst vor Strafe nie nachlasse. Und im Film „Alphabet“ sagt ein Geschäftsmann im Anzug auf die Frage, wie er sich den Top-Manager der Zukunft vorstelle: „Leistungsorientiert, alles andere ist egal.“

Linktipp

Heartleaders – das Business-Netzwerk:
www.heartleaders.de

Steht also die Liebe in der Wirtschaft auf verlorenem Posten? Nein, sagt der Psychologe Stephan Grünewald, denn die ängstliche junge Generation fragt sie nach. „Die jungen Menschen benötigen Strukturen, auf die sie sich verlassen können. Sie müssen also Halt finden. Erst dann fühlen sie sich bereit dafür, Leistung zu erbringen.“ Anders gesagt: Das Spiel mit der Angst funktioniert auf Dauer nicht mehr. Mit Zuwendung und Vertrauen lebt es sich in den Unternehmen nicht nur besser – sondern letztlich auch erfolgreicher. „Erfolgreich führt, wer liebt und wer auf die inneren Werte und Bedürfnisse der Mitarbeitenden blickt. Das setzt ungeahnte Wachstumskräfte frei, verbindet Teams, macht kreativ und weckt fröhliche Leistung“, sagt Bruder Paulus Terwitte, Guardian des Kapuzinerklosters Liebfrauen in Frankfurt am Main und Autor diverser Bestseller zu den Themen Glück und Ethik. Um auf dieses Potenzial einer Führungskultur mit Herz aufmerksam zu machen, gründete sich 2013 „Heartleaders“, ein branchenübergreifendes Business-Netzwerk. Die Initiatoren sind überzeugt: „Wertschöpfung entsteht durch Wertschätzung. Denn Menschen, die motiviert und begeistert bei der Arbeit sind, entwickeln bessere Lösungen, haben mehr Ausstrahlung, ziehen attraktivere Kunden an.“

Und noch einen Vorteil hat diese liebevolle Art von Führung: Ein Problem der Liebe ist, dass man von ihr enttäuscht werden kann. Viele Menschen haben daher Angst vor der Liebe. Und sie haben auch Angst, ihren Traumjob anzustreben – aus Angst davor, erfahren zu müssen, dass auch hier die Wege steinig sind und Rückschläge dazugehören. Umso wichtiger ist es, in diesem Moment eine Art von Gemeinschaftsgefühl zu erleben. Also auch im Beruf nicht von Vorgesetzten umgeben zu sein, die das Spiel mit der Angst spielen. Oder von Kollegen, die längst innerlich gekündigt haben und nur noch Zynismus teilen. Stattdessen von Menschen, die diese Hingabe teilen und die Enttäuschung vielleicht ebenfalls kennengelernt haben.

„Liebe ist nur ein Wort, aber sie trägt alles, was wir haben“, hat Oscar Wilde geschrieben. Warum sollte man ausgerechnet bei der Arbeit auf diese Kraft verzichten?

Angst und Liebe: Bücher zum Thema

Heinz Bude:
Gesellschaft der Angst.
Hamburger Edition, HIS 2014.
ISBN 978-3868542844.
16,00 Euro

Robert Betz:
Arbeite mit Liebe.
Heyne (ab Januar 2015).
ISBN 978-3453702127.
9,99 Euro

Bettina Stackelberg:
Angstfrei arbeiten: Selbstbewusst und souverän im Job.
C.H.Beck 2010.
ISBN 978-3406608438.
6,80 Euro

Winfried Panse, Wolfgang Stegmann:
Angst, Macht, Erfolg.
Volk Verlag 2006.
ISBN 978-3937200095.
17,90 Euro

Stichwort Psychosomatik:
Annelie Keil:
Wenn die Organe ihr Schweigen brechen und die Seele streikt.
Krankheit und Gesundheit neu denken.
Scorpio Verlag 2014.
ISBN 978-3943416824. 17,99 Euro

karriereführer informationstechnologie 2014.2015 – Technik-Absolventen in der Industrie 4.0

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Cover karriereführer informationstechnologie 2014.2015

Technikwelten verknüpfen – IT-Absolventen sind Innovatoren in der Industrie

Vier gewinnt! Industrie 4.0 bedeutet den endgültigen Einzug der IT in die Produktion. Neue IT-Systeme helfen beim Herstellen von Strukturen, damit Maschinen miteinander kommunizieren können. Wenn alles passt, läuft die Fertigung schneller, individueller und günstiger ab. Doch jede Revolution hat ihre Risiken. Gesucht werden daher IT-Spezialisten mit Pioniergeist und Organisationstalent.

Aus Big Data wird Smart Data

Knapp zwei Jahre ist Dr. Volker Stümpflens Unternehmen Clueda alt. Seine Firma, eine Ausgründung aus der Helmholtz-Gemeinschaft, entwickelt eine Software, die aus der Datenflut des Internets in Echtzeit businessrelevante Informationen filtert. Aus Big Data wird somit Smart Data. Volker Stümpflen beschreibt den bisherigen Weg bis heute mit vier Worten: Es war viel Arbeit. Von Christoph Berger

Ein eigenes Unternehmen zu gründen, war für Volker Stümpflen nichts Besonderes. Schon seine Eltern und Großeltern hatten ihre eigenen Betriebe. Selbstständigkeit und Verantwortung zu übernehmen, war für ihn normal. Und doch verlief sein eigener Berufsweg erst einmal anders: Stümpflen studierte Chemie an der Universität Marburg und promovierte über organische Halbleiter. Es folgten eine Postdoc-Stelle an der TU Eindhoven sowie ein Traineeprogramm und eine mittlere Managementfunktion bei einem Telekommunikationsunternehmen. Im Jahr 2002 ging er zurück in den Wissenschaftsbetrieb, ans Helmholtz-Zentrum München. Schon damals interessierten ihn semantische Analyseansätze für Suchmaschinen, Suchergebnisse, die nicht nur eine eindeutige Relevanz für die gestellte Frage haben, sondern die auch miteinander verknüpft und präzise aufbereitet werden. Die Idee war geboren, die Familientradition doch noch gewahrt: Intelligente Daten sind das hinter Clueda steckende Geschäftsmodell von Volker Stümpflens Unternehmen, das er 2012 in München gründete.

„Unser Vorteil war, dass wir in den Helmholtz-Enterprise-Fonds aufgenommen wurden“, erzählt Stümpflen. Das Start-up erhielt eine Pre-Seed-Finanzierung. Das bedeutet: Stümpflen konnte mit seinem Team einen Prototypen seiner Software entwickeln, bevor er sich tatsächlich auf dem Markt behaupten musste. So hatte er auch Zeit, sich einen Marktüberblick zu verschaffen, was sich als sehr positiv erwies. War die Software zu Beginn noch auf den biomedizinischen Bereich ausgerichtet, erkannte Stümpflen schnell ihr Potenzial für die Finanzmärkte. „In der Finanzbranche bewegen Nachrichten Märkte. Hierzu schnell brauchbare und valide Analysen zu bekommen, kann ein enormer Wettbewerbsvorteil sein“, erklärt er. Die Software bezieht ihre Daten dabei aus allen erdenklichen digitalen Quellen: Text-, Video- und Audiodaten gehören dazu, auch E-Mails werden in die Analyse einbezogen.

Filmtipp

Der Software Campus hat ein Video veröffentlicht, in dem es um die Frage geht: Was braucht man, um ein Unternehmen erfolgreich zu gründen? Jetzt anschauen!

Doch bevor es richtig losging, schrieb Stümpflen einen Businessplan. Sein Rat: „Den Businessplan sollte man auf jeden Fall selbst erstellen und nicht delegieren – auch wenn die Verlockung groß sein sollte.“ Denn die Auseinandersetzung mit den Themen Finanzierung und Markteinführung des Produkts zähle zu den Hausaufgaben, die unbedingt selbst erledigt werden sollten. Überhaupt sieht Stümpflen es kritisch, Verantwortung an externe Dienstleister abgeben zu wollen. Gerade in der Startphase müsse man die Risiken selbst einschätzen können und im Griff haben – auch wenn die Einarbeitung in neue und fremde Themen enorm viel Aufwand bedeutet, der zur Arbeit am Produkt hinzukommt. Dazu gehören auch juristische Fragestellungen, zum Beispiel die der Firmierung. Bei Clueda entschied man sich für eine AG.

Bei seinem inzwischen auf 30 Mitarbeiter angewachsenen Team setzte Stümpflen von Beginn an auf einen Mix an jungen und erfahrenen Leuten: „Im Technologiesegment haben wir einen sehr großen Anteil an jungen Leuten. Für die Bereiche Marketing und Vertrieb hatten manche Kollegen bei ihrem Einstieg hingegen schon über 20 Jahre Berufserfahrung.“ Gerade von den erfahrenen Kollegen könne man sehr viel lernen und sich noch vieles abschauen, ist der Gründer, der auf Erfahrung baut, überzeugt. Statt Gründertreffen zu besuchen, an denen sich Unternehmen auf gleichem Entwicklungsstand austauschen, geht er demnach auch lieber zu Unternehmen, die schon einige Schritte weiter sind. „Ich will sehen, wie es die anderen gemacht haben. Das bringt mir und Clueda mehr.“ Dabei stellt er immer wieder fest, wie offen andere Unternehmen sind, wie gern sie Gründer unterstützen und ihnen helfen. Derzeit interessiert ihn vor allem, wie andere Unternehmen ihre Expansion ins europäische Ausland und die USA gemeistert haben – die nächsten selbst gesteckten Ziele für seine Firma.

Und vielleicht klappt dieser Schritt ja so gut wie der in Deutschland von der Pre-Seed-Phase in die eigentliche Gründung. Hier konnte Stümpflen von Beginn an die Baader-Bank vom eigenen Softwareprodukt überzeugen. Die Investmentbank wurde nicht nur Investor, sondern gleich auch der erste Kunde, worüber sich Stümpflen freut: „Es ist gut, einen Investor zu haben, der sich auch inhaltlich für das Unternehmen und sein Produkt interessiert.“ Gemeinsam wolle man den Weg der digitalen Revolution gehen. Denn im Bereich der intelligenten Daten sieht sich der Unternehmer Stümpflen durchaus als Pionier.

Infos für Gründer

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat die Internetseite „Gründungen und Unternehmensnachfolge“ eingerichtet. Dort sind zahlreiche Informationen für die eigene Unternehmensgründung zu finden – auch Fragen zur Finanzierung werden beantwortet:
www.bmwi.de/DE/Themen/Mittelstand/gruendungen-und-unternehmensnachfolge.html

Auch die Internetseite www.exist.de wird vom BMWi betrieben. Das Exist-Gründerstipendium sieht eine Förderung für Gründer aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen vor.

Warenwege digital managen

Bei einer modernen Lagerverwaltung geht es längst nicht mehr nur um das Verwalten von Stellplätzen und Informationen, die Menschen in eine Maschine eintippen. Im digitalen und smarten Zeitalter steuert die Maschine selber das Lager und die Prozesse. Sie nimmt dem Menschen Entscheidungen ab. Von Christoph Berger

Auf dem letztjährigen Zukunftskongress Logistik wurde mehrfach herausgestellt, dass der Informationstechnologie in der Logistik eine immer größere Bedeutung zukommt. Sie ist nicht nur für das Lagermanagement, sondern beispielsweise auch für das Management von Distributionsnetzwerken enorm wichtig. Zudem hieß es auf dem Kongress, die Komplexität der Branche wachse „derzeit superexponentiell“. Das bedeutet, immer größere Datenmengen müssen beherrscht werden. Ohne IT ist das nicht möglich. Daten aus der gesamten Lieferkette müssen aufgenommen, kombiniert und ausgewertet werden. Schnelligkeit und Effizienz können entscheidende Wettbewerbsvorteile für die Unternehmen sein. Und natürlich spielen für die Wirtschaftlichkeit auch noch andere IT-Trends eine wichtige Rolle: zum Beispiel die Themen Mobilität und Cloud Computing. Auch die Zusammenarbeit über das Werksgelände hinaus wird für die Logistikbranche und die Unternehmen der Distribution und Beschaffung immer entscheidender, um auf dem Markt erfolgreich bestehen zu können.

Ein Beispiel für den Einsatz von IT in der Logistik: Schnelldreher sind Artikel, die eine hohe Umschlagshäufigkeit aufweisen. Sie werden geliefert und nur kurz gelagert. Dann werden sie schon wieder weitertransportiert. Sie in der hinteren Ecke des Lagers zu positionieren, wäre daher nicht effizient. Der schnelle Zugang und eine flotte Verlademöglichkeit müssen für Schnelldreher gewährleistet sein. Wird für das Lagermanagement eine moderne Software genutzt, ein Warehouse-Management- System (WMS), dann gibt die Software den geeigneten Lagerplatz für jedes eintreffende Produkt an – und zwar direkt bei Einlieferung. Bei der Auslagerung wiederum kommen dann zum Beispiel Barcode-Scanner, RFID-Technik (radio-frequency identification) sowie insbesondere bei Kleinteilen Pick-by-Voice oder Pick-by-Light zum Einsatz. In intelligenten Hochregallagern wird die Information sogar direkt an andere Maschinen weitergegeben, die für die Beförderung zuständig sind.

Literatur

Andreas Bauer, Holger Günzel:
Data-Warehouse-Systeme: Architektur, Entwicklung, Anwendung.
dpunkt. 2013.
ISBN 978-3898647854
49,90 Euro

Von überall kontrollierbare Prozesse
„Ein modernes Warehouse-Management- System muss hochskalierbar und konfigurierbar sein. Auf dieser Basis können Unternehmen schnell auf sich ändernde Anforderungen und Prozesse reagieren“, erklärt Daniel Braß, Account Manager bei Infor, einem weltweit tätigen Anbieter von Geschäftssoftware. „Zudem sollten sämtliche Informationen jederzeit und überall auch auf Mobilgeräten abrufbar sein, um die Prozesse wie Warenein- und -auslagerungen jederzeit überwachen und steuern zu können.“

Zu den Kernfunktionen einer WMS-Software gehört auch, dass sie notwendige Lagerbedingungen oder Haltbarkeitsdaten bei verderblicher Ware berücksichtigt. Das System kann sogar die Produktion entlasten, indem es beispielsweise Montageprozesse direkt im Lager steuert – etwa vor der Auslieferung die länderspezifische Ausstattung von Elektrogeräten mit der richtigen Stromversorgung. Ein weiteres wichtiges Thema: die Rückverfolgung von Produktbewegungen bis hin zu ihrem Ursprung gemäß EU-Verordnung 178/2002. Dank einer umfangreichen Dokumentation aller Prozesse ist so Revisionssicherheit gegeben.

Web- und Datenbanktechnologien
Die Informatiker bei Infor arbeiten mit der objektorientierten Programmiersprache Java. Für die Frontends kommt unter anderem HTML5 zum Einsatz. Das garantiert die komplette Webfähigkeit der Software sowie die Bedienbarkeit über sämtliche Endgeräte. „Selbstverständlich arbeiten wir mit zeitgemäßer Datenbanktechnik, zum Beispiel Microsoft SQL und Oracle“, erklärt Daniel Braß, der selbst Nachrichtentechnik studiert hat.

Doch die Kenntnis von Programmiersprachen und tiefgehendes Technikwissen reichen für einen erfolgreichen Start längst nicht aus, will man mit und für die Logistikbranche IT-Systeme entwickeln. Neben ausgeprägten Kommunikationsfähigkeiten ist dafür vor allem Prozessdenken Grundvoraussetzung. „Mitarbeiter müssen die Hintergründe und Prozesse verstehen, um schließlich komplexe Lösungen entwickeln zu können. Dafür braucht es die richtige Herangehensweise“, sagt Braß. Sein Unternehmen testet das Potenzial der Bewerber daher nicht nur in den Vorstellungsgesprächen. Hin und wieder müssen sie auch Testszenarien bearbeiten und präsentieren. „Da erkennt man sehr schnell, wer passt und wer nicht“, so Braß.

Aufbaustudiengänge

An der TU Dortmund kann im Masterstudiengang Maschinenbau das Profil „IT in Produktion und Logistik“ gewählt werden.
www.itpl.mb.tu-dortmund.de/cms/de/studium/Masterprofil_IT_in_Produktion_und_Logistik/index.html

Die Leipzig Graduate School of Management bietet am „Heinz Nixdorf Chair of IT-based Logistics” zahlreiche Kurse an.
www.hhl.de/en/faculty/it-based-logistics/#2

„Man braucht einen Hybrid“

Die von Prof. Dr. Verena Wolf entwickelten Methoden lassen sich auf viele Bereiche anwenden. Für ihre Anwendungen im Bereich der Biologie wurde sie ausgezeichnet. Was sie zur Forschung motivierte, welche Vorteile Simulationen und Modelle haben und was sie sich von Absolventen wünscht, erklärt die Informatikprofessorin im Interview. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Prof. Dr. Verena Wolf, Foto: Privat
Prof. Dr. Verena Wolf, Foto: Privat

Verena Wolf, geboren 1979, studierte in Bonn Informatik mit Nebenfach Mathematik auf Diplom. Ihre Promotion schrieb sie an der Universität Mannheim. Im Anschluss erhielt sie das Angebot, in einer Forschergruppe von Thomas Henzinger in der Schweiz zu arbeiten. Nach einem Jahr als Postdoc bewarb sich Verena Wolf 2009 erfolgreich auf die Stelle einer Nachwuchsgruppenleiterin am Exzellenzcluster der Universität des Saarlands. Drei Jahre später erhielt sie den Ruf zur Professorin. Wolf entwickelte einen Algorithmus, der es erlaubt, die Vorgänge in Zellen mit statistischen Methoden zu berechnen. Dadurch können diese Vorgänge erstmals simuliert werden. Für ihre Forschungen in dem Bereich wurde Verena Wolf 2013 mit dem Preis „Innovatoren unter 35“ ausgezeichnet.

Frau Wolf, wie fühlte es sich an, zu den „Innovatoren unter 35“ zu gehören?
Ich freute mich sehr über den Preis. Ich bekam ihn, als ich gerade die Babypause hinter mir hatte und sehr viel für meine Lehrveranstaltungen getan habe. Zeit für Forschungen blieb da nicht mehr viel. Der Preis motivierte mich, wieder mehr zu forschen. Er zeigte mir: Jetzt muss ich weitermachen.

Sie haben eine Methode entwickelt, mit der sich Vorgänge in Zellen berechnen und später simulieren lassen. Hatten Sie eine Ahnung davon, dass Sie an etwas so Bahnbrechendem arbeiten?
Mir war klar, dass alles bisher Gemachte irgendwie nicht richtig war. Ich war davon überzeugt, dass sich große Systeme nur mit meiner Idee eines hybriden Ansatzes berechnen lassen. Und biologische Systeme sind immer komplex und groß. Es gab einen sehr effizienten Ansatz, der die Systeme aber nicht genau genug beschreibt. Der stochastische Ansatz war im Gegensatz dazu viel zu detailliert. Daher war für mich klar, man braucht einen hybriden Ansatz, der für große Systeme skaliert wird und nur an manchen Stellen eine detaillierte Beschreibung benutzt.

Was ist der Vorteil von Ihren Modellen und Simulationen?
Ich weiß natürlich, wie die Messverfahren funktionieren, aber die Experimente machen am Ende doch die Biologen. Mit unseren Simulationen versuchen wir, das Bestmögliche aus ihren Messergebnissen herauszuholen. Ohne uns hätten sie zwar ihre Ergebnisse, könnten diese aber nicht so gut interpretieren. Mit dem Computer erstellen wir Modelle, um Hypothesen zu überprüfen. Die Messergebnisse verwendet man, um das Modell anzupassen. Mit einem guten Modell kann man dann vieles machen: Man kann hypothetische Fragestellungen beantworten, indem man das Modell beispielsweise mit anderen Parametern laufen lässt. Im Labor müsste man dafür neue Experimente machen. Im Labor kann man auch nicht nachvollziehen, wie es zu den Ergebnissen kommt. Mit dem Modell geht das.

Wie kamen Sie überhaupt zur Informatik?
Ich hatte einen sehr guten Informatiklehrer in der Schule, der uns viele Tüftelaufgaben lösen ließ. Das gab uns Einblicke in die spannenden Theorien der Informatik. Das machte mir so viel Spaß, dass ich das Studium einfach probiert habe. Ich hatte zwar Bedenken, ob ich das Programmieren hinbekommen würde, dann fiel es mir aber sehr leicht. Das Programmieren habe ich nebenbei gelernt.

War es hilfreich, dass Sie bei einer der wenigen Informatikprofessorinnen studierten?
Nein, auch männliche Professoren fördern einen, wenn man gut ist. Allerdings war ich damals sehr unsicher. Die Professorin war eine sehr herzliche und nette Person. Und sie war im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen jünger. Zu ihr traute ich mich immer zu gehen, um beispielsweise über die Diplomarbeit zu reden.

Wie haben Sie sich auf Ihrem weiteren Weg in dem ansonsten von Männern dominierten Bereich durchgesetzt?
Ich wurde während meiner Promotion selbstbewusster. Auf Vorträgen und Konferenzen stellte ich oft sehr kritische Fragen – ich kannte mich mit den Thematiken ja sehr gut aus. So wurden die Leute auf mich aufmerksam und sagten: Mensch, die hat gute Ideen und kann was. So wurde ich in der Forschungsgemeinschaft bekannt und bekam Einladungen zu Programmkomitees. Das half mir enorm.

Was sind Ihre Tipps für die heutigen IT-Absolventinnen?
Frauen müssen sich viel mehr zutrauen. Sie können oft viel mehr, als sie denken. Ich selbst habe mir auch oft zu wenig zugetraut und gedacht, das schaffe oder kann ich nicht. Und am Ende war es ganz leicht. Männliche Studenten sind hingegen oft sehr von sich selbst überzeugt. Manchmal steckt bei ihnen aber viel weniger dahinter.

Und welchen Rat haben Sie für alle Absolventen der Informatik?
Es geht immer darum, sich viel Wissen anzueignen und viel zu lesen. Nur das Nötigste zu machen, reicht nicht aus. Ich treffe wenig junge Menschen, die sehr viele Bücher lesen, die sehr viel Wissen konsumieren. Mir fehlt bei vielen der Blick über das Nötige hinaus. Denn die Probleme sind sich oft ähnlich. Man kann viele neue Dinge entwickeln, indem man Lösungsstrategien aus verschiedenen Bereichen zusammenfügt.

Aufgestiegen zum Systemintegrationsverantwortlichen

Mein Wechsel zu Brunel vor sieben Jahren hatte einen ganz einfachen Grund: Mir wurde versprochen, dass ich mich nicht langweilen würde. Und dieses Versprechen wurde bis heute gehalten. Von Jan Kellmer

Jan Kellmer, Foto: Brunel
Jan Kellmer, Foto: Brunel

Studium der Informatik, der Betriebswirtschaft sowie eines Bachelor und eines Master of Business Administration

eingestiegen im Oktober 2007
bei Brunel als Softwareentwickler in der Niederlassung Bremen

aufgestiegen 2010
zum Verantwortlichen für die Systemintegration sowie für die Einführung eines neuen Softwareentwicklungsprozesses für die Niederlassung Bremerhaven

Zuvor hatte ich nach meinem Informatikstudium kurz als Softwareentwickler im Marine-/Defence-Sektor gearbeitet. Dann machte ich meinen ersten Karrieresprung: Sechs Jahre lang war ich als Senior-Softwareentwickler in den Bereichen Computational Fluid Dynamics (CFD), also numerischer Strömungsmechanik, sowie Finite-Elemente-Methode (FEM) – das ist ein numerisches Verfahren zur Lösung von partiellen Differentialgleichungen – für Auftragsberechnungen und Optimierungen tätig. Konkret habe ich Strukturoptimierungen in der Automotive- sowie Aerospace- Industrie begleitet. In dieser Zeit merkte ich, dass ich während meines Studiums zwar wichtiges IT-Fachwissen erworben hatte, die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dabei jedoch zu knapp abgehandelt worden waren.

Verzicht auf Freizeit
Ich wollte mich jedoch beispielsweise in Meetings mehr einbringen, um Projekte gezielter vorantreiben zu können. Also entschied ich mich 2004 für ein dreijähriges berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaft an der Deutschen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA). Das Studium hat mir von Beginn an Spaß gemacht, aber ich gebe zu: Es waren ziemlich harte drei Jahre. Zwei bis drei Abende in der Woche hatte ich Vorlesungen bis jeweils 21:15 Uhr, hinzu kamen Lernphasen an den Wochenenden und im Urlaub. Viel Freizeit blieb da nicht. Doch diese Fortbildung brachte den gewünschten Effekt: Ich betrachte meine Projekte seither aus einem ganz anderen Blickwinkel und konnte zudem neue Aufgaben übernehmen.

2007 wechselte ich dann zur Brunel- Niederlassung nach Bremen. Dort war ich als Softwareentwickler im Energy- Sektor tätig. Von Beginn an zeigte sich auch dabei, dass mein Blick über den fachlichen Tellerrand sehr hilfreich war. So entschied ich mich, mit dem Bachelor of Business Administration direkt noch ein weiteres berufsbegleitendes Studium draufzusatteln, wieder an der VWA. Dieses Mal dauerte es nur ein Jahr – und ich weihte meinen Arbeitgeber ein.

Meine Vorgesetzten fanden meine Initiative sehr lobenswert und reagierten mit voller Unterstützung – obwohl sie zunächst etwas verblüfft waren, dass ich mir erneut neben meiner Arbeit als Informatiker viele Stunden am Schreibtisch zumuten wollte. Doch zum einen fand dieses Studium vornehmlich an den Wochenenden statt, und zum anderen war es für mein berufliches Fortkommen wichtig, die Wissenschaft hinter der BWL zu kennen und entsprechende Analysen vornehmen zu können. Ich bin schließlich in einem Bereich tätig, der sich technologisch sehr schnell wandelt. Die Unternehmen, für die ich arbeite, erwarten jedoch Kontinuität sowie wirtschaftlich nachhaltige Lösungen. Diese kann ich nur anbieten, wenn ich auch betriebswirtschaftlich denke sowie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtige.

Verantwortungsvolle Projekte
Nach Abschluss des Bachelors überlegte ich, gleich den Master anzuschließen. Doch ich zögerte, weil ich nicht sofort einen Studiengang mit ansprechendem Curriculum fand. Zudem waren die vielen Wochenenden und Abende über den Lernunterlagen eine Bewährungsprobe für mein Privatleben gewesen. Und ausreichend Arbeit hatte ich sowieso. 2010 hatte ich für einen unserer Kunden die Integrationsverantwortung sowie die Verantwortung für die Einführung eines neuen Softwareentwicklungsprozesses übernommen. Das sind Aufgaben, die gerade zu Beginn manche Überstunde und viel Energie kosteten. Doch eines Tages war der Zeitpunkt gekommen. Ich sorgte nun schon seit fünf Jahren dafür, dass die Software unseres Kunden on time mit der korrekten Funktionalität und der gewünschten Qualität ausgeliefert wurde. Daneben unterstützte ich mittlerweile auch den Vertrieb bei der Auslegung von Telekommunikationssystemen. Diese Zusammenarbeit über die Abteilungsgrenzen hinweg bewog mich 2011 dazu, ein vorerst letztes zusätzliches Studium zu absolvieren: Master of Business Administration an der Fachhochschule für Oekonomie und Managament (FOM).

Diese erneute theoretische betriebswirtschaftliche Ergänzung passte perfekt zu meinem Aufgabenfeld. Auch hier fanden die Vorlesungen und Treffen der Lerngruppen an den Wochenenden statt, wobei mir gerade der persönliche Austausch unter den Studenten sehr wichtig war: Wir konnten Recherchen aufteilen, Fragen besprechen und uns nicht zuletzt auch gegenseitig motivieren. Denn natürlich gibt es immer wieder Phasen, in denen mir etwas die Lust fehlte. Trotzdem: Ich würde es immer wieder so machen, um meine Karriere durch Aufbaustudiengänge vielfältiger zu gestalten.

Jung und erfolgreich bei: GATC Biotech

Die reine Informatik war Sascha Kastens zu theoretisch. Daher entschied sich der heute 33-Jährige nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann für ein Bioinformatikstudium. Von Christoph Berger

Name: Sascha Kastens
Position: Softwareentwickler
Stadt: Konstanz
Alter: 33 Jahre
Studium: Bioinformatik (Bachelor) an der Fachhochschule Bingen, Master of Science an der Universität Hamburg
Abschlussjahr: 2012
Interessen: Videospiele, Fahrradfahren, Kochen
Ziel: Führungsposition mit Personalverantwortung und Dissertation im Unternehmen

Nach dem Bachelorabschluss folgte ein Master und anschließend die Jobsuche. Während dieser stieß er bei einer Internetrecherche auf die Firma GATC Biotech. Das Unternehmen aus Konstanz war auf der Suche nach einem Bioinformatiker mit Schwerpunkt Genominformatik. Diese Spezialisierung hatte Kastens im Studium gewählt. Die Stellenbeschreibung passte also gut, und er bewarb sich. Sechs Wochen nach Ausfüllen des Online-Formulars auf der Webseite unterschrieb er seinen Arbeitsvertrag. Das war im Juni 2012. Trotz des anderthalbstündigen Vorstellungsgesprächs mit dem Chef der Bioinformatikabteilung sagt er rückblickend: „Alles war sehr unkompliziert. Das Aufwendigste war die Reise von Hamburg nach Konstanz.“

Kastens startete voller Tatendrang. Bereits nach der dreiwöchigen Einarbeitungsphase bat er seinen Chef um größere und verantwortungsvollere Aufgaben. Der betraute ihn mit einem eigenen Projekt. Er sollte testen, ob und wie die für biomedizinische Forschung entwickelte Software Galaxy genutzt werden kann. Bei Galaxy handelt es sich um eine webbasierte Open-Source- Software auf Linux-Basis, über die sich große Datenmengen analysieren lassen. Diese Analyse liefert den Biologen zwar schnell brauchbare Ergebnisse, die Anwendung der Software ist allerdings kompliziert. Nach ausführlichen Tests kam Kastens zu dem Schluss, dass die Software seinen Kollegen helfen kann. Also setzte er sich daran, ein Interface zu finden, mit dem auch Biologen komfortabel arbeiten können. Er simulierte Testszenarien, implementierte die Software und passte sie den Bedürfnissen der GATC Biotech an. Die Naturwissenschaftler des Unternehmens sollten die Software möglichst intuitiv bedienen können. Außerdem musste Galaxy in die bereits existierenden Systeme integriert werden. Die Umsetzung bis zum ersten Release dauerte etwa sechs Monate. „Biologisches Grundwissen kann für die Aufgabe hilfreich sein. Prinzipiell ist es aber für die Analyse von Daten keine Grundvoraussetzung“, erklärt Kastens.

Kommunikationsfähigkeiten sind da schon eher gefragt. Kastens arbeitete bei der Anpassung der Software mit den Projektleitern aus den Fachabteilungen zusammen. Auch mit seinem Chef besprach er sich in regelmäßigen Abständen. Als weitere Voraussetzungen für seine Arbeit nennt er analytische Fähigkeiten, Entscheidungsfreude – „man muss auch selbst ausprobieren und nicht jede Kleinigkeit mit dem Chef besprechen“ – und eine selbstständige Arbeitsweise. Vor allem schätzt er die ständige Abwechslung durch interessante Aufgaben. Alltagstrott spürte er noch keinen Tag. Und jetzt hat er außerdem noch die Möglichkeit erhalten, seine Promotion berufsbegleitend zu schreiben. Eine perfekte Kombination von Job und Weiterqualifizierung.

Der Reiz komplexer IT-Systeme

Milad Emami sucht die Herausforderung. Das Tüfteln an großen und komplexen IT-System übt auf ihn einen ganz besonderen Reiz aus. Bei einem großen Versicherungsunternehmen mit Sitz in Hessen hat er all das gefunden. Von Milad Emami

Milad Emami, Foto: R+V
Milad Emami, Foto: R+V

Kopf: Milad Emami,
27 Jahre, Softwareentwickler bei der R+V Allgemeine Versicherung

Nach dem Abschluss meines Studiums im Fach Ingenieurinformatik an der Fachhochschule Frankfurt stieg ich 2011 beim Versicherungsunternehmen R+V in Wiesbaden als Trainee ein. Ein dort schon arbeitender Bekannter hatte mich zwar empfohlen, trotzdem musste ich den üblichen Bewerbungsprozess durchlaufen. Ich bewarb mich über das Karriereportal des Unternehmens im Internet, führte Vorstellungsgespräche und nahm an einem Assessment Center teil. Dieser Weg ist für alle, die eine Traineestelle anstreben, obligatorisch. Bei sämtlichen Kontakten sagten mir die vorgestellten Arbeitsbedingungen und die Unternehmenskultur zu. Außerdem reizten mich die Aufgaben, mit denen ich zu tun haben würde – dabei spielte es auch keine Rolle, dass ich bis dahin kaum Kontakt zu Unternehmen der Finanzwirtschaft hatte.

Nachdem ich die einzelnen Schritte der Bewerbung erfolgreich bewältigt hatte, startete ich im Bereich Softwareentwicklung der IT-Abteilung. Insgesamt sind bei uns im IT-Bereich über 800 Mitarbeiter beschäftigt. Als Trainee arbeitete ich das erste Jahr jedoch nur 80 Prozent mit. Die restliche Zeit verbrachte ich in anderen Unternehmensbereichen. So gewann ich Einblicke in diverse Bereiche, mit denen wir zusammenarbeiten: zum Beispiel die Lebensversicherung, die Kranken- und die Kreditversicherung. Ich konnte mir einen Überblick über Strukturen und Aufgaben der vielen unterschiedlichen Bereiche, zum Beispiel auch dem Vertrieb, verschaffen und Kontakte zu Mitarbeitern knüpfen, mit denen ich bei meiner Arbeit als IT-Entwickler noch heute zu tun habe.

Software ist unternehmensrelevant
Nach einem Jahr, also 2012, arbeitete ich dann voll im IT-Entwicklerbereich mit. Nun bin ich mit meinem Team vor allem für eine Anwendung zuständig, die die Vertriebsabteilungen unterstützt, ein Maklerportal. Sowohl der Innen- als auch der Außendienst sind auf diese Software angewiesen, die online und offline genutzt werden kann. Über das Portal können sie beispielsweise auf Verträge zugreifen und diese aktualisieren. Oder sie können sich Produkte gemäß den Kundenwünschen anzeigen lassen und diese vergleichen. Technisch handelt es sich um eine auf der Programmiersprache Java basierende Client-Anwendung. Wir entwickeln diese Software weiter, programmieren immer wieder neue Tools und sind für die Fehlerbehebungen zuständig. Dabei arbeiten wir nach dem agilen Prinzip (Anm. der Red.: siehe auch Seite 24). So haben wir immer eine funktionierende Version und bleiben beweglich, um auf neue Heraus- und Anforderungen schnell reagieren zu können.

Vor allem die Größe und Komplexität dieses Projekts begeisterten mich von Beginn an – ebenso, dass wir sowohl für das Back- als auch für das Frontend zuständig sind. Die Punkte Funktionalität, Stabilität und Sicherheit spielen bei dieser Art von System natürlich auch ganz entscheidende Rollen. Und da die unterschiedlichsten Bereiche mit dem Tool arbeiten, beispielsweise der Kfz- und der Krankenversicherungsbereich, ist es zudem sehr vielseitig. Wir stehen deswegen auch im ständigen Austausch mit den Fachabteilungen. Und inzwischen habe ich mir auch schon einiges Versicherungswissen angeeignet. Noch während meiner Traineezeit erhielt ich als Vorbereitung übrigens gezielte Schulungen zu Java und zur Benutzeroberfläche Unity. Doch nicht nur auf mein Fachwissen wurde Wert gelegt, sondern auch auf die Weiterentwicklung meiner Soft Skills. Ich besuchte Kurse zu den Themen Rhetorik, Zeit- und Konfliktmanagement sowie Gesprächsführung.

Ständige Weiterbildung
Auch derzeit werde ich gezielt auf weitere und verantwortungsvollere Aufgaben vorbereitet. Mein nächstes Ziel ist es, „Anwendungsdesigner Chefentwickler“ zu werden. Ich kann dann noch komplexere Aufgaben innerhalb des Teams übernehmen, bin vermehrt für den Überblick über Einzelprojekte zuständig und habe weitergehende Verantwortung für eine Applikation und all ihre Schnittstellen. Diese Weiterbildung läuft parallel zum Job. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich aber auch in andere Richtungen entwickeln können. Im IT-Bereich der R+V werden die unterschiedlichsten Laufbahnmodelle angeboten: beispielsweise die Schwerpunkte Projektmanagement oder IT-Architektur.

Doch für mich ist der Aufbau weiterer Kompetenzen im IT-Entwicklerbereich der nächste logische Schritt. Er ist für mich der reizvollste und macht viel Spaß.

Deutscher Umweltpreis 2014 vergeben

Der Deutsche Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist zum 22. Mal vergeben. Die zwei Preisträger werden für ihre erfolgreichen Bemühungen um Energie-, Ressourcen- und Materialeffizienz ausgezeichnet. Auch ein Ehrenpreis wurde vergeben.

Aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck und der DBU-Kuratoriumsvorsitzenden Rita Schwarzelühr-Sutter nahmen am 26. Oktober in Kassel der Ökonom und Energieeffizienzexperte Prof. em. Dr. Peter Hennicke (72, Wuppertal) und der Wissenschaftler und Gründer der Firma UNISENSOR Sensorsysteme, Prof. Dr.-Ing. Gunther Krieg (72, Karlsruhe), den höchstdotierten, unabhängigen Umweltpreis Europas in Empfang. Die DBU würdigte damit das jahrzehntelange außergewöhnliche Engagement der Preisträger für das Einsparen von Energie und den Schutz wertvoller Ressourcen. Mit dem bisher nur dreimal von der DBU zusätzlich vergebenen Ehrenpreis wurde Hubert Weinzierl (78, Wiesenfelden) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement geehrt.

Mein Bewerbungsgespräch bei: Capgemini

Schon in der Schulzeit war für mich klar, dass mein beruflicher Weg in die IT-Branche führen würde. Damals tüftelte ich bereits mit großer Leidenschaft zu Hause an unserem Heimnetzwerk. Mit einer Ausbildung zum Fachinformatiker und meinem Studium der Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Technik Stuttgart machte ich schließlich mein Hobby zum Beruf. Von Martin Schlaffer

Profildaten

Name: Martin Schlaffer
Geburtsjahr: 1984
Hochschulabschluss als: Bachelor of Science in Wirtschaftsinformatik
Warum Capgemini? Flache Hierarchien, Innovationen, internationale Projekte, Atmosphäre im Team, gute Entwicklungschancen
Bewerbung als: Software Engineer
Bewerbungsweg: PDF-Datei per E-Mail
Wann war das Vorstellungsgespräch? November 2013
Wann war Arbeitsbeginn? März 2014
Netzwerke:
Google Plus: JA
Xing: NEIN
Facebook: NEIN
Twitter: JA

Durch verschiedene Praktika und meine Tätigkeit als Werkstudent konnte ich schon früh praktische Erfahrungen im Bereich Wirtschaftsinformatik sammeln. Ich denke, nur so erfährt man, ob der angestrebte Beruf wirklich zu einem passt. Dabei wurde ich durch Zufall auf Capgemini aufmerksam. Das Unternehmen, bei dem ich damals als Werkstudent tätig war, verlor eine Angebotsausschreibung. Wie ich später erfuhr, hatte mein heutiger Arbeitgeber das Rennen gemacht. Das weckte mein Interesse: Ich informierte mich und fand heraus, dass Capgemini ein international aufgestelltes Unternehmen mit herausfordernden Projekten zu sein schien. Also bewarb ich mich.

Die Einladung zum Gespräch folgte prompt. Dabei stellte sich schnell heraus, dass meine vorausgegangenen Recherchen zum Unternehmen letztlich relativ unbedeutend waren – auch wenn ich es immer wieder so machen würde. Meine Gesprächspartner, ein Projektmanager und ein Analyst, waren allerdings weniger an einer Wissensabfrage interessiert. Sie wollten mich vielmehr besser kennenlernen. Relativ schnell ging es im Vorstellungsgespräch daher um meine Abschlussarbeit, die ich damals gerade schrieb. Für mich war das eine tolle Gelegenheit, mit zwei Profis über mein Thema – einer Studie zur Nutzung und zum Nutzen von Enterprise Architecture Management und der dort eingesetzten Tools – zu fachsimpeln und wertvolles Feedback zu bekommen.

Danach ging es dann ganz schnell: Schon am nächsten Tag bekam ich die telefonische Zusage, und bereits einen Tag später lag der Vertrag in meinem Briefkasten. Wegen des unkomplizierten Bewerbungsprozesses, vor allem aber wegen des so angenehmen ersten Kennenlernens, entschied ich mich für das Beratungsunternehmen. Das Einsteigerprogramm FastTrack hilft mir seit meinem Start nun, mein Wissen und meine Fähigkeiten auszubauen – etwa durch spezielle Trainings. Besonders wichtig ist für mich auch mein Mentor. Er steht mir bei allen Fragen zur Seite und erleichtert mir so den Karrierestart.

Derzeit kümmere ich mich um die Angebotserstellung im Bereich Automotive. Genauer gesagt: Es geht um IT-Anwendungen zur Online-Konfiguration von Fahrzeugen. Mit einer solchen Software können Kunden ihr Fahrzeug den eigenen Wünschen entsprechend ausstatten und schließlich bestellen. Die hinter den Anwendungen stehende Technologie ist genau mein Expertengebiet.