Das Hamburger Handelsunternehmen Tchibo hat für sein Projekt „Handeln mit Verantwortung“ den Nachhaltigkeitspreis Logistik 2013 gewonnen. Was diesen Ansatz auszeichnet und wie es gelingen kann, ein nachhaltiges Konzept mit Leben zu füllen, erklärt Tchibo-Logistikchef Marc-Stephan Heinsen im Interview. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Marc-Stephan Heinsen ist Direktor für Supply Chain Management und Logistik beim Einzelhandelsunternehmen Tchibo. Neben dem Stammgeschäft mit Kaffee verkauft die Hamburger Firma unter anderem Konsumartikel – und zwar sowohl in eigenen Shops als auch in Verkaufsregalen in Supermärkten sowie über das Internet.
Herr Heinsen, was zeichnet Ihr Logistikkonzept aus?
Neben unserem Stammgeschäft mit Kaffee bieten wir wöchentlich wechselnde Non-Food-Produkte an. Kunden können ihre Mobilfunk- und Energieverträge bei uns abschließen, ihre nächste Reise buchen oder sich Blumen nach Hause liefern lassen. Grundsätzlich bieten wir diese Produkte – bis auf die Blumen – sowohl in unseren Filialen als auch im Internet sowie in den Verkaufsregalen unserer Lebensmittelpartner an. Diese Vielfalt an verschiedenen Sortimenten und Vertriebswegen definiert die Anforderungen an unsere Logistik. Wir müssen die Besonderheiten der Food-Logistik genauso gut erfüllen wie die bedarfsgerechte Aussteuerung der Non-Food-Produkte. Als weitere Komplexitätssteigerung beeinflussen die Anforderungen des Cross-Channel-Geschäfts unser Logistikkonzept, da wir über unsere diversen Kanäle alle Vertriebswege miteinander verknüpfen. Damit ist es dem Kunden zum Beispiel möglich, von zu Hause aus über das Internet eine Ware zur Abholung in eine Filiale zu bestellen – oder aber umgekehrt in einer Filiale via Tablet Artikel zu ordern, die wir ihm dann nach Hause liefern.
Wie kann es gelingen, diese komplexe Logistik möglichst umweltfreundlich zu gestalten?
Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Geschäftsstrategie, wobei die Logistik hier ein wichtiger Stellhebel ist. Klar, wir möchten Umsatz und Gewinn erzielen. Jedoch nicht auf Kosten der Umwelt und nicht zu Lasten der Menschen, die für unser und mit unserem Unternehmen arbeiten. Wesentliche Bestandteile einer nachhaltigen Logistik sind eine ressourcenschonende Beschaffung, effiziente Transportkonzepte sowie ein abgestimmtes Zusammenspiel der Vertriebswege. Entscheidend ist zudem, dass alle relevanten Unternehmensbereiche entlang der Wertschöpfungskette in das nachhaltige Konzept eingebunden werden.
Was bedeutet das konkret?
Zum Beispiel denken wir schon bei der Konzeption eines neuen Produkts über die Größe der Verpackung nach. Bei diesen Überlegungen arbeiten die Produktentwicklung, das Marketing, der Einkauf und der Vertrieb zusammen. Konzipiert, priorisiert und gesteuert werden alle Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in der Corporate-Responsibility-Fachabteilung, kurz CR. In jedem Fachbereich gibt es darüber hinaus Nachhaltigkeitsexperten, die mit den Kollegen der CR-Abteilung ein Tandem zu den jeweiligen Nachhaltigkeitsthemen bilden. Damit bündeln wir die Erfahrungen und Ideen der spezialisierten Nachhaltigkeitsmanager mit dem Experten- Know-how der Logistikmanager.
Wie stellen Sie sicher, dass das ganze Logistiknetzwerk nach Ihrem Nachhaltigkeitsgrundsatz handeln?
Die internen Fachabteilungen orientieren sich an zentralen Nachhaltigkeitsrichtlinien mit konkreten Jahreszielen. Externe Partner müssen schon im Ausschreibungsprozess besondere Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. Dies gilt für Hersteller von Non-Food- Produkten genauso wie für Transportunternehmer. Und selbstverständlich kontrollieren wir stetig die Einhaltung der geforderten Nachhaltigkeitsanforderungen bei den Geschäftspartnern. Bei uns sind die Begriffe Vertrauen und Kontrolle eng miteinander verknüpft. Sie stehen nicht im Widerspruch, weil wir denken, dass Kontrollen kontinuierlich das Vertrauen bestätigen und Zielabweichungen transparent machen.
Welche Fähigkeiten sind für die Mitarbeiter in der Logistik wichtig?
Es ist absehbar, dass die Anforderungen an Logistik weiter steigen werden. Dadurch bilden sich weitere spezifische Anforderungsprofile heraus. Das eine, allgemeingültige Zukunftsbild eines Logistikmanagers gibt es damit nicht mehr. Wir erwarten, dass in Zukunft spezialisierte Logistikmanager mit verschiedenen Rollenprofilen nachgefragt werden.
Können Sie diese Rollenprofile konkretisieren?
Zum Beispiel wird eine noch stärkere Verknüpfung von Logistik und IT stattfinden. Studiengänge wie IT-Logistik werden diese Lücke schließen, indem sie analytische Kompetenzen, IT-Knowhow sowie logistisches Prozesswissen verbinden. Zudem werden Logistikmanager gute Chancen haben, ihre Kompetenzen im Change Management sowie in der Prozessoptimierung globaler Wertschöpfungsketten einzubringen.
Was raten Sie Absolventen für den Karriereeinstieg in die Logistik?
Neben einer fundierten fachlichen Spezialisierung ist praktische Erfahrung das A und O. Praktika und Auslandsaufenthalte sind heute und in Zukunft von großer Bedeutung. Zudem ist es vorteilhaft, wenn Einsteiger es verstehen, in Prozessen zu denken, und eine gewisse Zahlenaffinität mitbringen. Ebenso wichtig sind Fremdsprachen.
In Zukunft wird die Logistik der Handelsunternehmen noch stärker von IT-Konzepten und dem „Omni-Channel“-Vertrieb geprägt werden. Daher sucht die Branche verstärkt nach Nachwuchskräften, die systemisch denken und Freude daran haben, neue Konzepte zu entwickeln. Von André Boße
Der Gebäudekomplex war nicht preiswert, rund 140 Millionen Euro hat er gekostet. Mehr als 1700 Mitarbeiter sind hier tätig und sorgen dafür, dass die täglich auf bis zu 2500 Paletten angelieferte Ware dorthin kommt, wo sie später verkauft wird, nämlich in die rund 1500 Märkte der Drogeriekette dm. Der neue Logistikkomplex des Handelsunternehmens in Weilerswist bei Köln gehört zu den modernsten Verteilerzentren Europas. Für das Unternehmen bedeutete der Bau die bislang größte Investition der Geschichte – ein Schritt, der zeigt, wie wichtig der Handelsbranche das Thema Logistik ist.
Und das vor allem aus zwei Gründen: zum einen, weil sich mit modernen und effizienten Abläufen Zeit und Geld sparen lässt; zum anderen, weil die Kunden heute einen deutlich höheren Anspruch an die Logistikkompetenz der Shops haben. Früher war es normal, dass eine Filiale ein Produkt auch mal nicht vorrätig hatte. Der Satz: „Wir hoffen auf die Lieferung Ende der Woche“ gehörte durchaus zum Standardrepertoire. Heute funktioniert der Handel anders: Wenn der Kunde etwas nicht sofort findet, geht er zur Konkurrenz – und wenn es diese lokal nicht gibt, wandert er ins Internet ab. Und zwar verstärkt auch bei Produkten wie Drogerieartikeln oder Lebensmitteln.
Kunden mit Anspruch
Aufgrund dieser Entwicklung steigt die Verantwortung der Logistikmanager in den Unternehmen der Handelsbranche. Die Prozesse zur Steuerung der Waren werden immer komplexer, der Kunde immer anspruchsvoller. Hinzu kommen hohe Erwartungen an die Nachhaltigkeit der Logistik, die heute eben nicht nur effizient, sondern auch umweltschonend und fair organisiert werden muss.
Auch dieses „grüne Denken“ wird vom Kunden verlangt, weshalb sich viele Handelsunternehmen die Nachhaltigkeit als einen wesentlichen Aspekt der Unternehmensstrategie auf die Fahne schreiben. Für Absolventen wird das Logistikmanagement in der Handelsbranche somit zu einem interessanten Einstiegsbereich: Es gibt viele Herausforderungen – und damit auch viele Chancen, Dinge anzustoßen und weiterzuentwickeln.
Ausgezeichnete Perspektiven bieten Handelsunternehmen mit guter Wachstumsperspektive. Wie zum Beispiel dm: Für die Drogeriekette wird das neue Verteilerzentrum mit zuletzt mehr als 150 neu eröffneten Märkten pro Geschäftsjahr und einem Portfolio von derzeit rund 12.500 Produkten schon wieder zu klein. „Durch unseren schnellen Expansionskurs müssen wir unsere Kapazitäten in den bestehenden Verteilzentren erhöhen und, wie bereits im laufenden Geschäftsjahr geschehen, weitere in Betrieb nehmen“, sagt Christian Bodi, der als Geschäftsführer für das Ressort Logistik verantwortlich ist.
Natürlich steigt dadurch auch der Personalbedarf in diesem Bereich, wobei Bodi von Einsteigern ins Logistikmanagement erwartet, dass sie wie „verantwortliche Dienstleister“ denken und handeln. „Dabei kommt es weniger darauf an, ein Logistikexperte zu sein“, sagt der Geschäftsführer, „sondern vielmehr darauf, die gesamte Wertschöpfungskette vom Industriepartner bis hin zum Kunden zu begreifen und zu gestalten.“
IT-Trends in der Logistik
Das funktioniert in modernen Logistikzentren natürlich längst nicht mehr so wie früher im Tante-Emma-Laden, wo alleine die Erfahrung zeigte, welche Produkte wann und wie häufig nachgefragt werden. Längst arbeiten die Logistikmanager mit moderner IT: „Innovative Software sowie leistungsstärkere Rechner und Datenbanken sorgen heute für eine hohe Vernetzung der Systeme“, beschreibt Christian Bodi die Herausforderungen.
Darüber hinaus beobachtet der dm-Geschäftsführer den Trend einer weiteren Automatisierung im Bereich der Kommissionierung sowie immer flexiblere Produktionsabläufe. „Hier hilft in Zukunft die neue Verzahnung der Tätigkeiten von Menschen und Maschinen“, prognostiziert Bodi mit Blick auf die „Industrie 4.0“, in der sich über das „Internet der Dinge“ Maschinen vernetzen und miteinander kommunizieren.
Mit „Big Data“ wird in naher Zukunft außerdem ein weiteres IT-Trendthema Einzug ins Logistikmanagement halten, wie Kay Schiebur, Chief Supply Chain Officer beim Großhandelsunternehmen Lekkerland, sagt: „Durch den Einsatz verbesserter IT-Lösungen werden wir in der Logistik verstärkt relevante Daten nutzen, um die Kundenbedürfnisse zu analysieren und auszuwerten.“
Das Großhandelsunternehmen mit Deutschlandsitz in Frechen bei Köln beliefert vor allem Kioske und Tankstellen-Shops und ist damit ein Handelsexperte für „To- Go“-Produkte – einen Bereich, der in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. „Das Konsumverhalten der Menschen hat sich geändert“, erläutert Schiebur. „Konsumenten wünschen sich verstärkt auch unterwegs frische Produkte, und die Erwartungshaltung in Bezug auf die Qualität nimmt ständig zu.“ Zum Beispiel wünschen Endkunden sich heute auch in Tankstellen Back-Shops mit frischen Brötchen oder Kaffeespezialitäten, früher eindeutig Domänen von Bäckereien und Cafés.
Info-Portal zu Studiengängen
Ob Bachelor oder Master, ein MBA mit Logistikschwerpunkt oder ein dualer Studiengang: Das Internetportal logistik-studieren.de bündelt alle nötigen Informationen über relevante Hochschulabschlüsse. Zudem bietet das Portal Beschreibungen zu Jobprofilen für Logistikmanager, Erfahrungsberichte von Einsteigern, Stipendien und Fördermöglichkeiten sowie eine Übersicht über die Verdienstmöglichkeiten je nach Funktion und Abschluss. www.logistik-studieren.de
Ein Lkw, drei Temperaturen
Für Tankstellen und Kioske sind diese Geschäftsfelder eine gute Chance auf Mehreinnahmen. Für den Großhändler sind sie eine logistische Herausforderung. Um ihr gerecht zu werden, hat Lekkerland ein innovatives Konzept entwickelt und es „Multitemperatur- Logistik“ genannt. „Unser Ausgangspunkt war, einen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen, indem wir den administrativen Aufwand bei der Anlieferung im Shop verringern“, sagt der Logistikleiter. Bislang war es üblich, dass für jede notwendige Lagertemperatur eigene Großhändler verantwortlich waren: jeweils einer für zum Beispiel ungekühlte Chips, gekühlten frischen Salat und tiefgekühlte Brötchen. Die Shopbetreiber mussten drei Bestellungen aufgeben, annehmen und prüfen.
Die Innovation: Die Logistikexperten des Großhändlers haben spezielle Lkw konzipiert, die mit einer einzigen Fahrt Produkte aller Temperaturklassen transportieren können. „Wir sind hierbei einem interdisziplinären Ansatz gefolgt“, erklärt Kay Schiebur. „In die Entwicklung waren viele Bereiche von der Warendisposition und der Qualitätskontrolle über das Lager und den Transport bis hin zum Vertrieb involviert.“ Die Lkw-Aufbauten wurden zusammen mit einem externen Fahrzeugbauer entwickelt, die Abläufe und Vorrichtungen durch den TÜV zertifiziert. „Dabei haben wir besonderen Wert darauf gelegt, neben der externen Expertise auch unsere Fuhrparkleiter und Fahrer einzubinden“, so Schiebur.
Hier wird deutlich: Logistik ist auch im IT-Zeitalter ein praktisches Geschäft, denn die Waren werden auch weiterhin von Menschen verpackt, geladen und transportiert. Logistikmanager müssen daher ein Verständnis für die Bedürfnisse und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter haben, sonst erweist sich das auf dem Papier schöne neue Logistikkonzept in der Praxis schnell als wenig brauchbar.
Transparenz ist ein Muss
Während es für den Großhandel vor allem auf flexible und effiziente Logistik ankommt, steht die Textilbranche vor einer zusätzlichen Herausforderung: Seit einiger Zeit schaut ein Teil der Öffentlichkeit sehr genau hin, wo die Kleidungsstücke hergestellt wurden und welchen Weg sie von der Näherei in den Shop gegangen sind.
Die logistische Herausforderung seiner Branche bringt Carsten Schmelting, Direktor des Bereichs Supply Chain Management des Hamburger Modekonzerns Tom Tailor, wie folgt auf den Punkt: „Schnelligkeit und Flexibilität zu geringen Kosten vor dem Hintergrund von Transparenz und Kontrolle des Warenstromes vom Ursprungsland bis zu Kunden.“Integrierte IT-Systeme haben hier die Aufgabe, die Logistikwege offenzulegen. „Transparenz ist das Schlüsselwort. Das bedeutet, sein Handeln für alle sichtbar zu machen“, antwortet Schmelting auf die Frage, was die Logistik leisten kann, damit das Textilhandelsunternehmen Vertrauen beim Kunden gewinnt.
Mit Blick auf die notwendigen Fähigkeiten der Absolventen für den Berufseinstieg nennt der Supply-Chain- Management-Experte Verständnis für die logistischen Grundlagen, also die organisatorischen Prozesse und Strukturen. „Zudem muss der Logistikmanager ein Controller sein, und zwar im Sinne von Planung, Kontrolle und Steuerung.“ Verstärkt suchen die Handelsunternehmen in der Logistik zudem Nachwuchskräfte, die ein hohes Maß an Veränderungs- und Leistungsbereitschaft mitbringen. „Wir setzen auf Mitarbeiter, die bestehende Abläufe konsequent in Frage stellen“, sagt der Lekkerland- Logistikverantwortliche Kay Schiebur. Nur so werde es möglich sein, die richtigen Antworten auf eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft zu finden: auf den „Omni-Channel“-Vertrieb.
Herausforderung „Omni-Channel“
Der Begriff beschreibt eine Weiterentwicklung des „Multi-Channel“-Handels. Ging es dabei vor allem darum, möglichst viele Kanäle zu bedienen, verlangt „Omni-Channel“ danach, diese so zu verknüpfen, dass der Kunde den Eindruck hat, es gebe einen großen Kanal mit sehr vielen Möglichkeiten. „Ein Beispiel ist ein Kiosk, der seine Produkte nicht nur stationär, sondern auch online verkauft und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, als Abholstation für Online-Käufe zu fungieren“, beschreibt Kay Schiebur den Ansatz aus der Perspektive seiner Großhandelskunden. Shops werden dann zu „Touchpoints“, an denen verschiedene Absatzkanäle zu einem großen Kanal verschmelzen. Für die Endkunden ist das praktisch. Für die Shops ergeben sich Chancen für Mehreinnahmen. Und für die Logistik eine weitere spannende Herausforderung für die Zukunft.
Logistik
Die Logistik gehört zu den heimlichen Motoren der deutschen Wirtschaft. „Es ist weitgehend unbekannt, dass die Logistik – gemessen am Umsatz – der drittgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland ist. Etwa die Hälfte der Leistung wird in den Logistikbereichen von Industrie und Handel erzeugt, die andere Hälfte bei den Logistikdienstleistern“, sagt Prof. Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL), anlässlich des „Tages der Logistik“. Mit insgesamt 2,85 Millionen Beschäftigten erzielte der Wirtschaftsbereich im Jahr 2013 laut BVL-Pressemeldung rund 230 Milliarden Euro Umsatz – Tendenz steigend. Zum Vergleich: In der Autoindustrie finden laut Bundeswirtschaftsministerium deutlich weniger Menschen Beschäftigung, nämlich gut 756.000.
Der renommierte Managementvordenker Fredmund Malik diskutiert als Gesprächsteilnehmer des Global Peter Drucker Forums in Wien über „The Great Transformation – a European Perspective“.
Malik, Professor für Unternehmensführung an der Schweizer Universität St. Gallen sowie Gründer und Inhaber der Managementberatung Malik St. Gallen gilt zu Recht als Revolutionär der Management-Theorie. Bereits 1997 hat er in seinem Buch über Corporate Governance den Begriff der „Großen Transformation“ geprägt. Was heute als Finanz- und Wirtschaftskrise wahrgenommen wird, sei keine „Große Depression“, sondern ein großer gesellschaftlicher Transformationsprozess – eine tiefgreifende Kontroll- und Systemkrise. Diese ist Teil einer nur etwa alle 200 Jahre vorkommenden, weitreichenden, sozialökonomischen Umwandlung.
Für das Meistern dieser Großen „Transformation21“ benötigen so gut wie alle gesellschaftlichen Organisationen neue, komplexitätstaugliche Managementsysteme und innovative Instrumente. Welches Management-Rüstzeug dafür von allen Führungskräften und Fachleuten in führender Position benötigt wird, zeigt Fredmund Malik in seinem neu überarbeiteten Bestseller „Führen Leisten Leben. Wirksames Management für eine neue Welt“.
Am Freitag, den 14. November 2014 wird Prof. Dr. Fredmund Malik von 9.15-10.30 Uhr am Global Peter Drucker Forum in Wien teilnehmen. Zusammen mit seinem Gesprächspartner Norbert Zimmermann, Chairman of the Supervisory Board, Berndorf AG, und unter der Moderation von Professor Johan Roos, Professor für Strategy, Managing Director and Dean der Jönköping University wird er das Thema „The Great Transformation – a European Perspective“ diskutieren.
Einstiegsprogramme
Traineeprogramm, Direkteinstieg, Einstiegsprogramme für Absolventinnen und Absolventen, Praktika, Werkstudententätigkeit, Betreuung von Abschlussarbeiten
Mögliche Einstiegstermine
Laufend
Auswahlverfahren
Interview
Auslandstätigkeit
Nicht möglich
Angebote für StudentInnen
WOLFF & MÜLLER bietet Ihnen vielfältige Möglichkeiten schon während des Studiums wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Als Studierende haben Sie die Möglichkeit ein Praktikum oder eine Werkstudententätigkeit bei WOLFF & MÜLLER auszuüben und somit die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen. Außerdem bieten wir die Betreuung von Abschlussarbeiten an.
Ansprechpartner
Angelina Salikutluk
Anschrift
Schwieberdinger Str. 107
70435 Stuttgart
Seit Mai 2013 sind bei der Daimler AG Senior Experts im Einsatz: Bei der Initiative „Space Cowboys – Daimler Senior Experts“ geben erfahrene Mitarbeiter im Ruhestand ihr Expertenwissen über ihre Betriebszugehörigkeit hinaus an Nachwuchskräfte weiter.
In über 11.000 Arbeitstagen wird das Know-How der Senior Experts vor allem in den Bereichen Produktion, Forschung und Entwicklung, IT und Vertrieb zur Verfügung gestellt. Mehr als 460 Interessenten haben sich im „Expertenpool“ registriert, davon befinden sich rund 150 aktuell im Einsatz oder haben diesen bereits abgeschlossen.
Wilfried Porth, Personalvorstand und Arbeitsdirektor sowie Vorstand Mercedes-Benz Vans der Daimler AG, zieht Bilanz: „Verschiedene Generationen profitieren von der Initiative, da unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen und fachliche Kenntnisse ausgetauscht werden. Die positiven Rückmeldungen der Senior Experts und die der Fachbereiche zeigen den Erfolg des Programms.“
Und Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht fügt hinzu: „Durch das Senior Experts Programm wird verhindert, dass das große, unschätzbare Erfahrungswissen unserer Kolleginnen und Kollegen im Ruhestand unwiederbringlich verloren geht. Es kann auf diesem Weg noch temporär zur Lösung konkreter Aufgaben und Probleme genutzt werden – zum Vorteil aller: der Jungen, die daran partizipieren, der Ruheständler, die damit eine erfüllende Aufgabe haben und nicht zuletzt des Unternehmens.“
Um eine Rückmeldung von allen Beteiligten zu erhalten und sicherzustellen, dass alle von der Initiative profitieren, wurden die Senior Experts nach ihrem Einsatz um ein anonymes Feedback gebeten. Auch Fachbereiche, in denen die Senior Experts eingesetzt wurden, konnten das Daimler Senior Experts Konzept bewerten.
Die Resonanz ist durchweg positiv: 95 Prozent der eingesetzten Senior Experts sind interessiert an weiteren Einsätzen. Besonders positiv bewerteten sie die Wertschätzung ihres Erfahrungswissens im Fachbereich sowie die schnelle Integration und Einsatzfähigkeit. Auch die befragten Fachbereiche schätzen die Unterstützung der erfahrenen Senior Experts sehr: Das neue Konzept wurde in Summe mit Bestnote bewertet.
„Das Wissen und die Erfahrung von Älteren mit den frischen Ideen und dem Können der Jüngeren ist eine unschlagbare Kombination“, sagt auch Thomas Waschke, ehemaliger Senior Expert im Bereich Forschung und Entwicklung. Daimler ist sich des Wertes langjähriger Berufserfahrung bewusst. In den auf sechs Monate befristeten Einsätzen greifen die erfahrenen Mitarbeiter auf ihr jahrzehntelang aufgebautes Daimler-Netzwerk zurück und unterstützen die Stammbelegschaft mit ihrem umfangreichen Wissens- und Erfahrungsschatz. Im Fokus des Konzeptes steht der Wissenstransfer an die jüngere Generation.
Motivation. Vor einem Jahr lief die Dokumentation „Alphabet“ in den Kinos. Der Untertitel lautete „Angst oder Liebe“ – zwei Begriffe, mit denen sich die Wirtschaft schwertut. Doch das sollte sich ändern: Schon lange ist bekannt, dass Angst in den Unternehmen hohe Kosten verursacht und die Potenziale der Menschen zusammenstaucht. Die Liebe zur Sache selbst ist das perfekte Gegenmittel.
Selbermachen ist im Trend. Immer mehr Menschen widmen sich in ihrer Freizeit Do-it-yourself-Aufgaben, kurz DIY. Bastle, tüftle, renoviere, nähe oder gärtnere! Bei diesen Arbeiten kann man dem, was man gerne macht, ohne Angst nachgehen. Keine Qualitätskontrolle, kein Termindruck, keine Vorgaben. Einfach mit Begeisterung etwas verwirklichen. Und DIY ist auch eine risikoarme Methode, um aus einem Hobby vielleicht ein zweites Standbein oder gar einen Beruf zu machen. Ein Bericht von Petrina Engelke und Franziska Immel-Andrä
Immer mehr Menschen entdecken ihre Leidenschaft fürs Heimwerken in Haus und Garten. Urban Farming und Guerilla Gardening sind angesagt: Gemüse mitten in der Stadt anbauen oder einfach mal ein paar Pflanzensamen auf einer Verkehrsinsel säen. Und auch Möbel, Spielsachen, Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände stellen viele inzwischen selber her. „Dinge selber zu machen ist ungemein entspannend, aber auf eine anregende und kreative Weise, und der Stolz auf das Ergebnis vollendet das Glücksgefühl“, sagt Axel Heinz, einer der Macher der Website Makerist, auf der man aufwändig produzierte Handarbeits-Videokurse und dazugehörige Materialpakete bestellen kann. „Hinzu kommt, dass nach Jahren der Digitalisierung, Beschleunigung und Globalisierung das Pendel zurückschwingt. Es ist schön, etwas Echtes in den Händen zu halten, das nicht am anderen Ende der Welt produziert wurde.“
So scheint das Internet die Do-it-yourself- Bewegung doppelt anzufeuern. Einerseits durch die Sehnsucht nach Ursprünglichem, Greifbarem – die quasi als Gegenpol zur abstrakten, scheinbar unendlichen Welt der Daten in uns entsteht. Andererseits, weil wir in diesen Datenströmen genau die Anleitungen und Inspirationen finden, die uns helfen, unsere DIY-Projekte umzusetzen. „Während vor zehn Jahren das Bild vom Bastler noch das eines ganz eigenen Typen war, der isoliert in seinem Keller vor sich hin tüftelte, hat es dieses Hobby inzwischen aus dem verstaubten Image an die Oberfläche geschafft“, sagt Gerhard Muthenthaler, Mitbegründer der Erfinderläden in Berlin, Hamburg und Salzburg (und online). „Wir leben in einer Zeit, in der durch Youtube-Tutorials und Blogs theoretisch jeder jedes Wissen erlangen und ein kleiner Ingenieur werden kann.“
Dass die Menschen wieder mehr selber machen wollen, hat aber nicht – oder nicht nur – mit dem Zeitgeschmack zu tun. Mit seinem 2012 erschienenen Buch „Makers“ ruft Ex-„Wired“-Chefredakteur Chris Anderson die nächste industrielle Revolution aus: Verbraucher werden zu Erfindern und Produzenten – und sparen sich all die Firmen, Fabriken und Fließbänder, die sonst zum Beispiel zwischen einer Smartphonehülle und einem Telefonbesitzer stehen. Denn die Hülle kann sich inzwischen jeder selber machen – im 3-D-Drucker.
Kein Wunder also, dass schon für verschiedenste Bastler und Tüftler das Hobby irgendwann zum Beruf wurde. Ein Beruf, der aus Begeisterung und Faszination entstanden ist. Ein Beruf, der ohne Prüfungen aus einem selbst gekommen ist. Roland Wolf etwa tüftelte mit seiner Freundin Mary sowie den Geschwistern Christian und Martin im elterlichen Keller an einer Idee: Sie wollten Brillen aus einem natürlichen Material herstellen, und zwar aus einem Stück, ganz ohne Schrauben. Mit einfachsten Mitteln schafften sie es binnen eines Monats, eine erste Holzbrille zu basteln – doch sie taugte noch nicht. Die Freude am Selbermachen blieb. „Wir machen fast alles selbst – von der Brille über das Etui und den Samplekoffer bis hin zum Messestand“, sagt Roland Wolf heute. Längst ist aus der Keller-Bastelei eine Firma namens Rolf Spectacles gewachsen, die eigene Patente hält.
Die neuen Selbermacher werden Fachkräfte und studierte Ingenieure aber nicht verdrängen. Schließlich arbeiten beide an unterschiedlichen Dingen. Erfinderladen-Chef Muthenthaler fasst es so zusammen: „Der Ingenieur arbeitet oft im Auftrag an der Lösung eines klar definierten Problems. Der Bastler erkennt selbst das Problem, welches er dann zu lösen versucht.“ Auch Ingenieure, die sich nicht mit einer eigenen Idee selbstständig machen möchten, können sich von diesen Bastlern etwas abschauen: die Art und Weise, wie sie Probleme lösen. So haben beispielsweise die Wolfs die ersten Hürden nicht nur mit Beharrlichkeit, sondern auch mit Maschinen-Hacking überwunden: Als gelernter Bau- und Landmaschinentechniker half Martin Iljazovic, Geräte wie eine Melkmaschine und Mopedbremsen zweckzuentfremden, um näher an die perfekte Holzbrille heranzukommen. Diese Experimente mündeten später in einer spezialisierten Fertigungstechnik. Wenn man nicht alles selbermacht!
Web-Tipps für DIY-Freunde
Produkte, die aus Materialien und Objekten hergestellt wurden, die andere als wertlos erachten
www.weupcycle.com
Ideen, Tipps und Tricks zum Heimwerken in Haus und Garten www.mach-mal.de
Barbara Pachl-Eberhart, Autorin, Clown und Lebens- und Sozialberaterin, hat in ihrem Leben viele Veränderungen erlebt – sowohl im Beruf als auch in ihrem Privatleben. So ist sie zur Expertin für „Verwandlungen aller Art“ geworden. Sie erklärt, woher sie den Mut zu beruflichen Veränderungen nahm, wie sie die Kraft fand, mit dem dramatischen Unfall ihrer Familie umzugehen, und warum es nichts nützt, unangenehme Gefühle zu verdrängen. Von Anna Beutel
Barbara Pachl-Eberhart hat schon als Kind aus purer Neugier am Leben gelernt, und so lernt sie auch heute noch. Dabei ist der Unterschied zwischen Lernen für Noten oder aus freien Stücken gar nicht so groß, wie wir landläufig denken, findet sie. Denn wir bekommen immer Feedback, ob in Worten, Gesten oder Zahlen. Und was wehtut, ist nicht die schlechte Note, sondern die Tatsache, dass man nicht die Anerkennung erfährt, die man sich gewünscht hat. „Nicht gut genug“, das liest man auch in Augen, nicht nur in Zeugnissen. Von dieser Enttäuschung können wir uns nur schwer befreien.
Im Internet
Barbara Pachl-Eberhart, Foto: Nina Goldnagl
Auf der Webseite finden Sie aktuelle Termine sowie das Vortrags- und Seminarprogramm.
Richtiges Studium, falscher Beruf
Bis 1997 studierte Barbara Pachl-Eberhart Querflöte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Das Studium beendete sie zwei Monate vor der Diplomprüfung. „Ich hatte bemerkt, dass ich zwar das richtige Studium, aber den falschen Beruf gewählt hatte.“ Nach dem Studium begann sie, Straßentheater zu spielen, und erlernte das Jonglieren. Schließlich arbeitete sie als Clown bei den Rote Nasen Clowndoctors in Graz und Wien. Eine Veränderung, die notwendig war und die auch mit Anerkennung zu tun hat. „Wirf drei Bälle in die Höhe, halte sie in der Luft: Alle klatschen, sogar, wenn dir etwas herunterfällt. Spiele eine Flötensonate, für die du ein halbes Jahr lang geübt hast, mache einen Fehler, und alle verziehen das Gesicht“, erklärt Pachl-Eberhart ihre Entscheidung. Der Gnadenlosigkeit des klassischen Musikbetriebs wollte sie sich nicht mehr aussetzen. Stattdessen hat sie Felder gefunden, in denen sie die Menschen leichter begeistern konnte. Felder, die ihr mehr Freude bereiten. Denn Freude ist eine Notwendigkeit im Leben. „Das heißt nicht, dass man es sich immer leicht machen muss“, erklärt die Künstlerin. „Sich zu verbeißen, sogar sich zu ärgern, kann Freude machen, wenn man es durchzieht und weder das Leben noch andere dabei schuldig spricht.“
Das eigene Leben danach auszurichten, was einem Freude bereitet, kann bedeuten, dass man Abstriche machen muss – finanziell oder beim gesellschaftlichen Ansehen. Für Studenten und Berufseinsteiger, die vielfach zum ersten Mal ihr eigenes Geld verdienen und Karriere machen möchten, bisweilen eine belastende Vorstellung. Wie gehen wir am besten mit dieser Sorge um? Die gebürtige Wienerin hat lange mit sehr wenig Geld gelebt. Angst vor Armut hatte sie jedoch nie. Und ihren Selbstwert bezieht sie aus einem guten Kontakt zu ihrer Seele, „zur feinen, lieben Stimme in mir, die mir den Weg weist. Wenn ich ihr folge, habe ich keine Angst. Und dann ist mir auch die Gesellschaft egal.“
Doch was, wenn das Leben durch einen Schicksalsschlag gekennzeichnet ist? Können wir uns auch dann die Lebensfreude bewahren? Barbara Pachl-Eberhart ist nicht nur Autorin, Vortragende, Dialogprozessbegleiterin und Schreibpädagogin – sie war auch Ehefrau und Mutter zweier Kinder. 2008 starben ihr Mann und ihre Kinder bei einem Autounfall. Ein Schicksal, das ihr vor allem eines beigebracht hat: „Wir dürfen nicht glauben, dass wir auf irgendetwas im Leben Anspruch haben. Wir haben kein Recht auf Kinder, auf Gesundheit, auf Glück.“ Das bedeutet auch: „Wenn ein Glück zerbricht, ist das keine Beleidigung oder Strafe. Es ist einfach nur ein Aufruf, neue, unbekannte Wege zu gehen“, so Pachl-Eberhart.
Achtsamkeit
Mit ihren Büchern „Vier minus drei: Wie ich nach dem Verlust meiner Familie zu einem neuen Leben fand“ und „Warum gerade du? Persönliche Antworten auf die großen Fragen der Trauer“ ist Pachl- Eberhart zur Bestsellerautorin geworden. In ihren Werken spricht sie das Thema Trauer an. Schreiben empfindet sie seither als sichtbar gemachtes Denken: „Wenn ich schreibe, sehe ich meinem Denken zu. Wenn ich etwas umschreibe, formatiere ich die Festplatte in meinem Kopf neu. Sorgfältige Worte zu wählen, heißt also, Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Denken zu entwickeln. Das wirkt sich bald aufs ganze Leben aus.“
Wie geht man also am besten mit Rückschlägen und Verlusten um? Sich an den Gefühlen der Enttäuschung, der Scham und der Trauer vorbeizuschummeln, mache keinen Sinn, meint die Autorin. Das meiste Leid würden wir erzeugen, indem wir schlechte Gefühle wegschieben und verdrängen wollen. Denn: Wenn wir keine Gefühle verdrängen würden, auch nicht die unangenehmen, dann komme auch die Freude immer wieder wie von selbst. Fühlen, Freude, das heiße vor allem: in Verbindung mit dem Körper zu sein. Barbara Pachl-Eberhart erklärt: „Wir sind mehr als ein Kopf auf zwei Beinen. Lebensfreude steckt nicht im Hirn, sie wohnt in Leib und Seele.“
Bücher von Barbara Pachl-Eberhart
Barbara Pachl-Eberhart gibt in ihrem neuen Buch „Warum gerade du?“ persönliche Antworten auf Fragen der Trauer. Sie bietet Orientierung, Trost und konkrete Hilfe. Ihre berührenden und praktischen Antworten bekennen sich zum Leben und zur Hoffnung auf das Glück.
Barbara Pachl-Eberhart: Warum gerade du?
Persönliche Antworten auf die großen Fragen der Trauer.
Integral 2014.
ISBN 978-3778792537.
17,99 Euro
Spiegel-Bestseller: Barbara Pachl-Eberhart: Vier minus drei:
Wie ich nach dem Verlust meiner Familie zu einem neuen Leben fand.
Integral 2010.
ISBN 978-3778792179.
19,95 Euro
Unter der Woche ist er vor allem Filmproduzent, dazu Buchautor, Gastgeber der NDR Talk Show, Gesellschafter des Ernst Deutsch Theaters. Und Sonntags? Da hat er Frauengeschichten – regelmäßig neue und alle öffentlich dazu. Denn: Jeden ersten Sonntag im Monat gibt es „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ auf NDR Info, eine Radiosendung, in der es um die Biografien spannender Frauen geht. Der karriereführer sprach mit dem ehemaligen Medienvorstand und langjährigen Hochschulprofessor anlässlich seines neuen Buches. Das Interview führte André Boße.
Zur Person
Hubertus Meyer-Burckhardt, Foto: Olivier Favre
Hubertus Meyer-Burckhardt, Jahrgang 1956, studierte zunächst Geschichte und Philosophie in Berlin und Hamburg und wechselte dann zur Hochschule für Fernsehen und Film nach München. Nebenbei arbeitete er als Regieassistent am Theater bei Boy Gobert. 1988 stieg er als Creative Director und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Werbeagentur BBDO ein und ging danach in die Filmbranche. Als Filmproduzent erhielt er unter anderem mehrere Grimme-Preise, zuletzt 2013 für „Blaubeerblau“. Von 2001 bis 2006 bekleidete er Vorstandspositionen bei der Axel Springer AG und ProSiebenSat.1 Media AG und war anschließend bis 2013 Vorsitzender Geschäftsführer der Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft.
Parallel dazu hielt er eine Professur an der Hamburg Media School. 2013 gab er freiwillig die Geschäftsführung bei Polyphon ab, um sich fokussiert kreativen Aufgaben zu widmen, vor allem Filme zu produzieren und Bücher zu schreiben. Im Herbst 2014 legte er seinen zweiten Roman vor. Ferner ist er seit vergangenem Jahr Mitglied der erfolgreichen NDR-Ratesendung „Kaum zu glauben“. Seit vielen Jahren ist er bekannt als Gastgeber der NDR Talk Show. Wiederum nebenbei engagiert sich der Vater von zwei Kindern im Beirat seiner Heimatstadt Kassel.
Herr Meyer-Burckhardt, Sie saßen viele Jahre lang in Vorständen und im Top-Management von Unternehmen. Mitte 2013 haben Sie die Leitung der Produktionsfirma Polyphon abgegeben. Ein großer Schritt weg vom Management. Wie geht es Ihnen?
Ausgezeichnet!
Keine Angst, ohne Posten an Einfluss zu verlieren?
Nein. Die Arbeit ist nicht weniger geworden. Ich bin Gesellschafter des Ernst Deutsch Theaters in Hamburg, habe mein zweites Buch geschrieben, produziere weiterhin Filme für die Polyphon und moderiere weiterhin die NDR Talk Show. Der Grund, warum ich all das so wunderbar finde: Ich komponiere meine Arbeit selbst, sie wird nicht mehr von Zwängen oder Tagesordnungen fremdbestimmt. Sehen Sie, ich bin heute viel seltener am Flughafen als früher, aber wenn ich dort einmal in der Lounge warten muss, dann blicke ich mit echtem Mitgefühl auf die jüngeren Menschen, die mit Augenringen in einer Ecke stehen und hektisch in ihr Smartphone sprechen. Ich war ja auch einer von denen!
Fragen Sie sich rückblickend, warum Sie dieses Spiel so lange mitgespielt haben?
Es ging nicht anders. Ein Konzern gibt den Takt vor, und es ist eine Illusion zu glauben, man könne sich diesem Takt dauerhaft entziehen.
Vergebene Liebesmüh?
So weit würde ich nicht gehen. Ich saß bei drei Konzernen im Top- Management, bei BBDO, Axel Springer und ProSiebenSat.1. Das waren alles tolle Phasen in meinem Leben, und ich möchte keine von ihnen missen. Dennoch: Alles hat seine Zeit.
Heißt das, dass junge Menschen sich einige Jahre lang geduldig takten lassen müssen, bevor sie dann später im Leben ihre Arbeit frei komponieren dürfen?
Man sollte als junger Mensch nicht nur in der Kategorie Konzern denken. Es gibt Alternativen, jedoch werden diese in Deutschland unglücklicherweise zu selten genutzt. Ich finde es ungeheuer schade, dass sich in diesem Land im Vergleich zu anderen Nationen Europas sehr wenige junge Menschen selbstständig machen. Und dass analog dazu in Deutschland deutlich weniger Risikokapital vorhanden ist, gerade mit Blick auf Länder wie Israel oder die USA.
Fehlt es in Deutschland an Risikobereitschaft? Haben wir zu viel Angst vor dem Risiko?
Ich denke schon. Es gibt nicht ohne Grund keine deutsche Übersetzung des Sprichwortes „No risk, no fun“. Daher plädiere ich sehr stark für eine Niederlagenkultur.
Was heißt das konkret?
Es darf nicht sein, dass das Image einer Person langfristig Schaden nimmt, wenn sie gefeuert worden ist oder mit einer eigenen Unternehmung insolvent gegangen ist. Im Gegenteil, das Image sollte davon profitieren, denn die Chancen stehen gut, dass man in einer Niederlage wichtige Erfahrungen sammelt. Man sollte also nicht Angst davor haben zu verlieren, denn zu verhindern ist das eh nicht.
In Ihrem neuen Roman geht es um die große Liebe, wobei immer auch die Angst vor der Liebe eine Rolle spielt. Angst und Liebe, warum denkt man das häufig zusammen?
Es gibt eine klischeebeladene Vorstellung davon, dass Liebe immer etwas mit dem Verlust der eigenen Freiheit zu tun hat. Ich habe auch so gedacht. Hätte man mich vor drei Jahren gefragt, ob ich die Liebe meines Lebens finden möchte, hätte ich mit großer Überzeugungskraft gesagt: Um Gottes Willen nein, denn mir ist meine persönliche Freiheit sehr viel lieber. Wenn man diese Liebe jedoch dann trifft, dann merkt man, dass alle Ängste und Vorbehalte reine Theorie waren. Heute sage ich: Man kann Liebe und persönliche Freiheit zusammen denken.
Kann man seine Arbeit lieben?
Schwierig. Der große Unterschied: Der Mensch, den Sie lieben, liebt Sie im Idealfall zurück. Eine Arbeit kann das nicht. Aber man kann sie mit Leidenschaft und Hingabe betreiben. Man kann, so sagt man dann ja wohl, seinen Traumjob finden. Und der steht sicherlich genauso sehr für das Lebensglück wie der Traumpartner.
Was steht der großen Liebe oder der Erfüllung des beruflichen Traums im Wege?
Die Angst davor, auf dem Weg zur Erfüllung Kompromisse eingehen zu müssen. Es gibt im Leben eines Menschen keine Gewähr dafür, dass man die große Liebe findet oder seinen Traumjob ausüben darf. Wer kompromisslos sucht, geht daher ein recht hohes Risiko ein, nicht fündig zu werden. Wer Kompromisse eingeht, leidet dagegen häufig unter diesen Kompromissen – und hat später eine gesteigerte Angst, weiter nach der Erfüllung zu suchen.
Mit Blick auf Ihre Karriere: Wie lief diese Suche bei Ihnen ab?
Ich war schon immer ein so leidenschaftlicher Produzent von Filmen, dass ich nicht meinen Beruf, sondern der Beruf mich gewählt hat. Das ist natürlich ein wunderbarer Vorgang, hat – um noch einmal den Schwenk auf Beziehungen zu machen – jedoch den Nachteil, dass man in so einem Fall selten einen 9-to-5-Job mit geregelten Urlaubszeiten hat. Wer seinen Beruf mit großer Leidenschaft ausübt, benötigt im privaten Leben einen Partner, der das respektiert.
Es gab 1980 diesen hübschen Schlager „Dann heirat’ doch dein Büro“ von Katja Ebstein.
Es ist nicht immer einfach, berufliche und private Leidenschaft in Einklang zu bringen. Aber es lohnt sich, das zu versuchen. Wobei man in den zwei Bereichen Beruf und Privatleben mit den beiden größten Formen von Zurückweisung konfrontiert werden kann: Privat mit dem Satz „Ich liebe dich nicht mehr“. Beruflich mit der Aussage „Wir brauchen Sie nicht mehr“. Beides tut sehr weh.
Nun hat Ihr Held Simon Kannstatt diesen zweiten Satz im ersten Roman „Die Kündigung“ gehört. Er hat damit seine Funktionen verloren. Im zweiten Buch erscheint er mir nun jedoch wesentlich zufriedener zu sein.
Sagen wir mal so: Er weiß jetzt um sich. Er hat gelernt, dass jede Funktion eben nur eine Funktion ist – und kein bedeutender Teil seiner Persönlichkeit. Dieses Wissen ist übrigens einer der wenigen Vorteile des Älterwerdens. Als jüngerer Mensch läuft man häufiger Gefahr, von den Erwartungen anderer fremdgesteuert zu werden und Funktionen in die Persönlichkeit einfließen zu lassen. Die Folge ist ein hohes Maß an Eitelkeit, das schließlich auch den Weg zur Liebe versperrt.
Geht das denn überhaupt, eine Karriere ohne eine gewisse Eitelkeit?
Eitel sind wir alle. Wichtig ist, dass man eine lächelnde Distanz zu sich selbst besitzt. Dann nämlich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass im beruflichen Kontext die analytische Kraft größer ist als die Eitelkeit, die ersterer im Weg steht.
Bekommt man diese lächelnde Distanz zu sich selbst ebenfalls im Alter einfacher hin?
Ich denke schon. Man hat mehr gesehen und lässt sich nicht so schnell beeindrucken. Andererseits kenne ich auch viele Männer und Frauen, für die es der Albtraum schlechthin ist, eines Tages ersetzbar zu sein. Keine Frage, dieser Gedanke, irgendwann von einem Jüngeren oder einer Jüngeren ersetzt zu werden, tut weh. Aber so ist der Lauf der Dinge. Ich genieße es, mit jüngeren Leuten zusammenzuarbeiten, wie zum Beispiel mit der jungen Hamburger Film- und Fernsehproduktionsfirma „Hirn & Wanst“. Das ist eine wunderbare Kooperation: Ich stehe als erfahrener Produzent am Markt dafür, die Sache zusammenzuhalten, während die jungen Menschen ihren frischen Ideen freien Lauf lassen können.
Haben Sie Angst davor, eines Tages beruflich den Anschluss zu verpassen? Was ja auch bedeuten könnte, dass der Beruf, der Sie einst gewählt hat, Sie wieder verlässt…
Nein, denn dafür bin ich viel zu wissbegierig. Was ich in meinem Leben erlebt habe, das weiß ich. Was die jungen Leute auf der Pfanne haben, das weiß ich in vielen Fällen noch nicht – und das finde ich mitunter unglaublich spannend.
Warum mit der Einschränkung „mitunter“?
Weil ich eine junge Generation erlebe, die mir einen Hauch zu vernünftig erscheint. Die etwas zu strategisch denkt.
Ist diese Vernunft eine Folge von Angst?
Na ja, wir hatten damals wohl weniger Angst und waren in vielerlei Hinsicht auch weniger vernünftig. Meine Generation war aber auch privilegiert: Als ich Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre jung war, ging es mit der Wirtschaft steil nach oben, Optimismus allerorten. Kein Mensch war arbeitslos, schon gar kein Akademiker. In der Folge haben wir die Welt als ein Labor begriffen. Wir waren sehr experimentierfreudig – wohlgemerkt in allen Lebensbereichen. Die Grundstimmung war damals eine ganz andere als heute. Heute gibt es in allen Branchen einen Verdrängungswettbewerb. Wir Europäer müssen unseren Wohlstand nicht nur verteidigen, sondern auch rechtfertigen. Arbeitsplätze wandern ins Ausland, und die Ansprüche an die hiesige Arbeit steigen ständig. Man kann schon verstehen, dass viele junge Leute ihr Leben sehr vorsichtig und sogar ängstlich gestalten. Es herrscht gerade keine Party-Stimmung. Es ist kein Swing, kein Rock’n’Roll in den Köpfen. Es geht eher verschüchtert und ängstlich zu. Dennoch: Ich halte es mit dem britischen Philosophen Karl Popper, der gesagt hat: „Es gibt keine vernünftige Alternative zum Optimismus.“
Wie können Sie, als jemand, der um sich weiß, der jungen Generation helfen? Welchen Rat können Sie ihr geben, um Angst zu überwinden?
Man sollte zumindest den Versuch unternehmen herauszufinden, was man gerne macht. Was einem Freude und Spaß bereitet. Das klingt banal, hat aber den großen Vorteil, dass man über die Suche nach einer solchen Tätigkeit erfährt, wer man selbst ist. Aufpassen muss man allerdings, dass man sich bei dieser Suche treu bleibt und dass man sich nicht reinreden lässt. Auf der Suche nach dem Glück sind nicht selten die Eltern das größte Hindernis, weil Väter und Mütter zu wissen glauben, was für ihr Kind gut ist. Daher ist es die Aufgabe junger Menschen, ohne Rücksicht auf diese Stimmen herauszufinden: Was will ich? Und was will ich nicht? Wobei ich bei der Suche nach Antworten dafür plädiere, das Visier zu öffnen: Ich persönlich finde, wir haben genug Banker, Anwälte und Konzernmanager. Es gibt genügend andere akademische und nicht-akademische Berufe. Ich kann Absolventen nur raten, in dieser Hinsicht etwas mehr Fantasie zu wagen.
Radio- und Podcast-Tipp
„Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“, NDR Info, jeden ersten Sonntag im Monat, 16:05 Uhr. Bewegende und inspirierende Gespräche zu den Lebenswegen interessanter Frauen. www.ndr.de/info/sendungen/talk
Lesetipp
Was bleibt von der Person ohne Funktion, fragt er in seinem ersten Buch „Die Kündigung“ aus dem Jahr 2011, das zum Spiegel-Bestseller avancierte. Hubertus Meyer-Burckhardt: Die Kündigung.
Verlag Ullstein Taschenbuch.
ISBN 978-3548284576.
8,99 Euro
Gerade erschien sein zweiter Roman, der auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert wurde. Mit ihm ist der Autor derzeit auf Lesereise.
Simon Kannstatt, bereits bekannter Protagonist aus Hubertus Meyer-Burckhardts erstem Roman „Die Kündigung“, führt heute ein völlig anderes Leben. Hubertus Meyer-Burckhardt: Die kleine Geschichte einer großen Liebe.
Bastei Lübbe 2014.
ISBN 978-3431039016.
18,00 Euro (auch als E-Book erhältlich)
Wer Angst hat, macht Fehler. Und wer Fehler macht, hat Angst. Angst davor, dass der Chef unzufrieden ist, dass die Kollegen ihn auslachen, dass er sich selber als Versager fühlt. Dabei sind Fehler in den meisten Fällen hilfreich. Denn durch sie können auch und vor allem Berufseinsteiger lernen und sich persönlich weiterentwickeln. Von Sabine Olschner.
Thomas J. Watson, langjähriger Chef von IBM, soll einmal gesagt haben: „Wenn du Erfolg haben willst, dann verdoppele deine Fehlerrate.“ Das ist die Einstellung, die man typischerweise aus den USA kennt, wo Scheitern nicht als Manko gesehen wird, sondern als Mut, es zumindest versucht zu haben. Wer dort Fehler macht, bekommt eine zweite Chance und meist auch eine dritte. Ganz anders in Deutschland: Setzt hier zum Beispiel ein Unternehmer seine Firma in den Sand, gilt er als Versager. Egal, ob es um falsche Rechtschreibung oder ein kapitales Missgeschick geht: Wem bei uns Fehler passieren, der wird von seinem Umfeld dafür gerügt. Vor allem in der Unternehmenswelt ist eine positive Fehlerkultur immer noch ein Tabuthema: Mitarbeiter, die etwas falsch machen, gelten in den Augen ihrer Vorgesetzten als inkompetent – im schlimmsten Fall, wenn Fehler wiederholt auftreten, droht ihnen gar die Kündigung.
Erst langsam erkennen die ersten Unternehmen in Deutschland, dass eine positive Fehlerkultur auch zu Innovationen führen kann, und erlauben ihren Mitarbeitern, Dinge auszuprobieren, ohne dass dabei direkt ein Erfolg erwartet wird. Nicht selten entstanden schließlich bahnbrechende Erfindungen erst dadurch, dass etwas schiefgelaufen ist. Ein Beispiel ist die Entdeckung des Penicillins in den 1930er-Jahren: Der Arzt Alexander Fleming ließ einen gefährlichen Keim unbeaufsichtigt. Bis zu seiner Rückkehr hatte sich ein Pilz mit dem Namen Penicillium notatum entwickelt, der den Keim zerstörte. Ein paar Jahrzehnte später ließ ein Canon-Ingenieur einen heißen Lötkolben zu nahe an seinem Füller liegen. Durch die Erhitzung spritzte die Tinte aus dem Stift heraus – und der Ingenieur entwickelte aus dieser Beobachtung das Prinzip des Tintenstrahldruckers.
Beim Fehlermanagement steht Deutschland ganz hinten
Von diesen glücklichen Zufällen, die auf Fehlern basieren, gibt es noch eine ganze Reihe mehr in der Geschichte der besten Erfindungen. Dass ganz oft Fehler zu Innovationen führen, hat sich hierzulande aber offenbar noch nicht herumgesprochen: Beim Fehlermanagement steht Deutschland von 62 Ländern an vorletzter Stelle, weiß Dr. Michael Frese, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg und Experte zum Thema Fehlerkultur. Er plädiert deswegen für eine positive Fehlermanagementkultur: „Wir sollten Fehler nicht verteufeln. Pannen sind ein wunderbares Rohmaterial, um Neues zu entdecken. Das menschliche Gehirn ist imstande, über Irrwege zu herausragenden Ideen und Innovationen zu gelangen. In unseren Fehlern schlummert ein unschätzbares kreatives Potenzial.“
Recht hat der Wissenschaftler sicherlich. Doch das eigene Ego zweifelt trotzdem an sich: Fehler sind nun mal unangenehm. Man will sie ja eigentlich gar nicht machen. Was also tun, wenn doch einmal etwas falsch gelaufen und man mit sich selbst unzufrieden ist? „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“, ist in dieser Situation das richtige Motto. Statt mit sich selbst zu hadern, was man hätte anders machen können, hilft es, nach vorne zu schauen und es noch einmal zu versuchen – und die Chance, dass es besser laufen wird, ist groß, weil wir ja schon wissen, wie es nicht geht.
In Fehlern schlummert unschätzbares kreatives Potenzial
„Hochscheitern“ rät auch Fernsehmoderatorin Katrin Bauerfeind, die aktuell zum Thema Fehlermachen ein Buch geschrieben hat: „Scheitern ist im ersten Moment immer schmerzhaft und fühlt sich an wie das Gegenteil von Erfolg. Ich glaube, es ist der Weg zum Erfolg, wenn man wirklich etwas will und daran glaubt, es erreichen zu können. Aus Fehlern lernt man, man entwickelt sich weiter, und oft genug sind sie im Nachhinein wichtig und richtig gewesen.“ Sie rät allen jungen Menschen, keine Angst vor dem Scheitern zu haben. „Mutig rein und wenn‘s schiefgeht, dann eben heiter weiter!“, so ihr Glaubenssatz.
Fehler sind menschlich. Trotzdem sollte man natürlich danach streben, dass so wenig wie möglich schiefgeht – für den eigenen Seelenfrieden, aber auch im Sinne des Arbeitgebers. Was also tun, damit es im Leben glatter läuft? Die häufigsten Fehlerquellen im Büro heißen „zu wenig Zeit“ und „zu wenige Informationen“, ist im neuen Buch „Fehler erlaubt“ der beiden Managementcoachs Gabriele Cerwinka und Gabriele Schranz zu lesen. Wer sich also mehr Zeit nimmt, um Aufgaben gewissenhaft zu erledigen, und dafür sorgt, dass er die richtigen Informationen zur Hand hat, bevor er mit einer Aufgabe beginnt, hat schon viel gewonnen. Unter Stress passieren zudem überproportional viele Fehler. Und in Stress gerät man oft, wenn man sich selber zu viel Druck aussetzt. Perfektionisten können ein Lied davon singen. Viel entspannter lässt es sich hingegen arbeiten, wenn man sich und anderen Fehler erlaubt – um dann zu schauen, was man aus ihnen lernen kann.
Nicht vergessen sollte man auch eine angemessene Entschuldigung, wenn etwas schiefgegangen ist. Mit der Bereitschaft, für einen Fehler geradezustehen, zeigen vor allem Einsteiger Charakterstärke. Und auch wenn es uns in unserer leistungsorientierten Gesellschaft schwerfällt, Fehler einzugestehen und zu akzeptieren: Es ist besser, sich auf das zu konzentrieren, was gut gelungen ist, als ständig mit der Angst zu leben, einen Fehler zu machen.
Buchtipps
Gabriele Cerwinka, Gabriele Schranz: Fehler erlaubt.
Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen.
Linde Verlag 2014.
ISBN 978-3709305157.
16,80 Euro
Rolf Schmiel: Senkrechtstarter.
Wie aus Frust und Niederlagen die größten Erfolge entstehen.
Campus Verlag 2014.
ISBN 978-3593500089.
24,99 Euro
In unserer heutigen Gesellschaft stehen schon Kinder unter einem enormen Leistungsdruck. Das Resultat sind häufig Versagensängste. André Stern verspürte nie den Druck, Leistung erbringen zu müssen, denn er ging nie zur Schule und wurde auch nicht zu Hause unterrichtet. Er arbeitet heute als Musiker, Komponist, Gitarrenbaumeister, Journalist und Autor. Wie das geht? Er wurde in seinen natürlichen Neigungen unterstützt und erreichte seine Kompetenz durch Begeisterung. Mit ihm sprach Anna Beutel.
Der Vater: Arno Stern
1924 in Kassel geboren, Pädagoge und Forscher. Mit 22 Jahren nahm er eine Stelle in einem Heim für Kriegswaisen in einem Pariser Vorort an. Er sollte die Kinder beschäftigen und ließ sie malen. Sofort begriff er die Wichtigkeit dieses Spieles. Er erfand dafür eine besondere Einrichtung, die bis zum heutigen Tage weiterbesteht: den Malort. Außerdem wurde er als Experte der UNESCO zum ersten internationalen Kongress über Kunsterziehung in Bristol delegiert. Er nahm an zahlreichen Symposien teil und gastierte als Referent in vielen Universitäten, Museen, Bildungs- und Ausbildungsstätten. www.arnostern.com/de/malort.htm
In Frankreich, wo André Stern aufgewachsen ist, gibt es keine Schulpflicht. Die Entscheidung seiner Eltern, ihn nicht zur Schule zu schicken, begründete sich nicht auf einer Abneigung der Institution gegenüber. Mutter Michèle Stern, ehemalige Kindergärtnerin, und Vater Arno Stern, Forscher und Pädagoge, gingen beide zur Schule und haben glückliche Erinnerungen an diese Zeit. Stern betont: „Sie waren brillante und erfüllte Schüler. Sie haben sich also nicht gegen die Schule entschieden – sie haben sich nur für etwas anderes entschieden. Und das ist ein großer Unterschied.“ Denn es ging nicht darum, der Schule den Rücken zu kehren, sondern darum, Kindern mit Vertrauen zu begegnen und sie in ihren natürlichen Veranlagungen zu respektieren.
André Stern ist dankbar für diese Entscheidung seiner Eltern. Ein wichtiges Anliegen ist es ihm, seine Erfahrungen zu teilen. Er initiierte daher die Bewegungen „Ökologie des Lernens“ und „Ökologie der Kinder“, die daran arbeiten, die spontane Veranlagung des Kindes wiederzufinden. Künstlicher Unterricht, zerstörerischer Wettbewerb und unnatürliche Rhythmen erdrücken seiner Meinung nach diese in jedem Kind angelegte spontane Veranlagung. Die Ökologie des Lernens verzichtet hingegen auf erzieherische Betriebsmittel und stellt stattdessen als einzige Motivation die native Begeisterungs- und Spielfähigkeit des Kindes in den Vordergrund.
Dünger für das Gehirn
Der heute 43-Jährige kennt keine beruflichen Ängste: nicht die Angst zu scheitern, die Angst vor schlechten Leistungen, die Angst, im Vergleich mit den Kollegen schlechter abzuschneiden. In ihm lebt die tief verankerte Überzeugung: „So, wie ich bin, bin ich optimal. Ich bin unersetzbar und nützlich.“ Das haben viele Hochschulabsolventen und Berufseinsteiger oftmals nicht verinnerlicht. Die Wurzeln des Problems sind Sterns Ansicht nach bereits in der Kindheit zu suchen. Kinder würden in ihrer Freiheit zu spielen immer stärker eingeschränkt, so André Stern. Dabei gibt es kein besseres Werkzeug zum Lernen als das Spiel.
Das bestätigt auch Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther im Zusammenhang mit der Bewegung „Ökologie des Lernens“: „Zwanzig bis fünfzig Mal am Tag erlebt ein Kleinkind einen Zustand größter Begeisterung. Und jedes Mal kommt es dabei im Gehirn zur Aktivierung der emotionalen Zentren. Das ist der Grund, warum wir bei all dem, was wir mit Begeisterung machen, auch so schnell immer besser werden.“ André Stern hat sich sein Wissen auf diese Weise angeeignet. Alles, was ihn begeisterte und interessierte, verfolgte er weiter – mit Freude und Neugier. Lehrmeister waren Menschen, die in den jeweiligen Bereichen Kompetenzen vorweisen konnten. Seine Eltern, Freunde und Bekannte, aber auch Zufallsbekanntschaften zählen dazu.
Linktipp der Redaktion
Das „Künstlerdorf“ Unperfekthaus in Essen bietet Kreativen und Schaffenden auf 4000 Quadratmetern die Möglichkeit, sich zu verwirklichen. Es gibt Räume, Technik, Bühnen, Essen, Getränke, Internet, Coworking, Tischtennis, Ruheliegen, Kicker, Kunstkaufhaus, Kuschelecken und vieles mehr. www.unperfekthaus.de
Stern führt weiter aus: „Ausgelebte Begeisterung hat eine Nebenwirkung: die Kompetenz. Wenn wir uns für eine Sache interessieren, werden wir magnetisch für das Wissen, das damit zusammenhängt, und unsere Kompetenz wächst ständig.“ Der Dreiklang „guter Schulabschluss, gutes Studium, guter Job“ funktioniere heute nicht mehr. Das sei eine interessante Entwicklung, die uns die Möglichkeit gebe, aus dem Angst-System auszusteigen. André Stern hat die Erfahrung gemacht, dass Ängste mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schwinden.
Keine Noten, keine Vergleiche
In der Theorie klingt das sehr gut. Doch wie lässt sich das mit unserem Bewertungssystem an Hochschulen und Schulen vereinbaren? „Wir sind glücklicherweise an einem Punkt angelangt, an dem wir das System nicht mehr optimieren können“, findet André Stern. „Das ist gut, denn nun kann etwas Neues entstehen.“ Grundsätzlich gebe es nichts Schlimmeres als die Noten. Schaffe man diese ab, seien Studenten und Schüler vom Druck befreit und es fänden keine Vergleiche mehr statt. Dem stimmen tatsächlich auch viele Lehrkräfte zu, stellte André Stern bei Gesprächen an Schulen fest. Häufig jedoch, so Stern weiter, kritisieren die Eltern die Versuche, das Notensystem zu verändern – aus Angst, dass ihre Kinder nicht den gesellschaftlichen Ansprüchen und Anforderungen genügen.
Ein Kreislauf, aus dem auszubrechen sicherlich nicht einfach ist. Bis dahin lebt André Stern seinem bald fünfjährigen Sohn Antonin vor, dass über sich hinauswachsen selbstverständlich ist, wenn die angeborene Begeisterung, der Welt zu begegnen, etwas spielerisch zu lernen, ungebremst ist. Dass er es wagen kann, der Welt offen und ohne Angst entgegenzutreten und dass er in dem festen Bewusstsein aufwachsen darf: „Ich werde gesehen und wertgeschätzt.“
Ken Robinson: Begeistert leben.
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ISBN 978-3711000583.
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Arianna Huffington: Die Neuerfindung des Erfolgs.
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Schon als Personalvorstand der Telekom war Thomas Sattelberger ein wacher Geist, immer auf der Suche nach einem neuen Denken im Umgang mit Menschen in Unternehmen. Seit seinem Ausstieg entwickelt der 65-Jährige weiter mutige Ideen und analysiert, woher die Angst kommt und was Liebe dagegen ausrichten kann. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Thomas Sattelberger, geboren am 5. Juni 1949 in Munderkingen an der Donau, studierte BWL und blickt als Manager auf fast 40 Jahre Erfahrung zurück, vor allem im Personalmanagement. Vom Daimler-Konzern, wo er 1975 seine Karriere begann, führte ihn sein Weg über die Daimler-Tochter MTU, die Lufthansa sowie den Autozulieferer Continental 2007 zur Telekom, wo er bis 2012 als Personalvorstand tätig war. Seit Mai 2012 ist Thomas Sattelberger Botschafter für das Thema Personalführung bei der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“, die eine Verbesserung der Arbeitsqualität als Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft des Standorts Deutschland betrachtet. Er ist Vorsitzender der Initiative „MINT Zukunft schaffen“, die sich für bessere Bildung und mehr Perspektiven in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) einsetzt. www.inqa.de www.mintzukunftschaffen.de
Herr Sattelberger, reden wir zunächst über die Angst. Wie verängstigt ist die Generation der Einsteiger und Nachwuchskräfte von heute?
Sie ist nicht offen verängstigt, aber voll darauf getrimmt, fast sogar genormt, durch Selbstoptimierung die Erwartungen anderer zu erfüllen. Dahinter steckt wohl auch Angst. Andererseits beobachte ich junge Menschen, die mit stolzgeschwellter Brust bei elitären Strategieberatungen, Großkonzernen oder Finanzinstituten einsteigen und sagen: Hier bin ich. Zudem gibt es junge, hochbegabte Potenzialträger, die offen Angst ausstrahlen – eine Angst, die sie mit Blick auf ihre Voraussetzungen sowie das Marktumfeld eigentlich gar nicht haben müssten. Dabei scheint ihnen die Lebensfreude und der Optimismus abzugehen. Und zwar mehr als jungen Menschen in anderen Ländern.
Woran kann man das festmachen?
Schauen Sie nur auf die Anzahl der Unternehmensgründungen von Absolventen. Die deutschen Studierenden rangieren hier international auf den hintersten Rängen. Hierzulande können sich lediglich rund sechs Prozent der Absolventen vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. In anderen Ländern sind es bis zu 45 Prozent. Rund 40 Prozent der deutschen Absolventen wünschen sich den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber. Diese Zahlen sind eine Folge der Angst, Risiken einzugehen – eine Angst, die einem in nahezu allen Bereichen begegnet. Zum Beispiel bei den Ingenieuren, die in Deutschland häufig lieber die 17.000 Risiken abschätzen, als die 17.001 Hoffnungen und Potenziale herauszustellen.
Was muss passieren, damit sich das ändert?
Dieses Land muss eine neue Einstellung zum Scheitern und zur Niederlage entwickeln. Es darf nicht sein, dass zum Beispiel nach der Insolvenz eines eigenen Unternehmens ein ewiger Makel bleibt, während man in den USA sehr schnell eine neue Chance erhält.
Mit Blick auf den Nachwuchs: Ist diese Angst Ihrer Meinung nach objektiv begründbar?
Wenn wir in Spanien oder Griechenland wären, dann schon. Mit Blick auf die Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt und die Chance, in diesem Land recht bald genug Geld zu verdienen, um eine Familie zu gründen, erschließt sich einem diese Angst objektiv nicht.
Wer erzeugt denn dann diese Angst?
Ein Aspekt ist sicherlich, dass die jeweils ältere Generation hierzulande stets sehr kritisch auf die jüngere schaut. Es fallen dann Urteile wie „nicht-ausbildungsfähig“, oder es werden Analysen gemacht wie „erhebliche Schwächen in der Sozialkompetenz“. Ich habe eine 40 Jahre lange Karriere hinter mir – ich habe dieses Aburteilen der Jüngeren dutzendfach erlebt. Hinzu kommt, dass die Älteren den typisch deutschen Normierungswahn auf die jüngere Generation übertragen. Sie geben Kategorien vor, welche Dinge man in einem bestimmten Alter bereits erreicht haben muss, um in der Wahrnehmung der anderen als erfolgreich zu gelten. Dabei wissen wir heute, dass es die ungeraden, unnormalen Wege sind, welche die Normalität des Lebens abbilden. Denn das Leben gehorcht eben keinen Normierungen. Es gibt keine DIN für den Menschen, auch wenn das einige Führungskräfte gerade in technischen Unternehmen oder dirigistisch, also staatlich reglementiert, geführten Großkonzernen gerne so hätten.
Auch für die Liebe gibt es keine DIN-Norm. Was denken Sie, hat die Liebe in Unternehmen überhaupt eine Chance?
Es gibt heute den Trend, Unternehmen nach außen hin zu schminken und attraktiv scheinen zu lassen, Stichwort „Employer Branding“. Ich hege jedoch große Zweifel, ob diese Schminke auch das Innere eines Unternehmens ändert. Sagen wir mal so: Wer in ein toll geschminktes Unternehmen einsteigt, erfreut sich häufig an einem Flirt. Doch schon bald kann es sein, dass man in einer öden Beziehung steckt, der man sich im schlimmsten Fall ein Leben lang lieblos hingibt, weil man Angst vor dem Risiko hat, der Sache ein Ende zu machen. Wo keine Liebe ist, ist es jedoch die bessere Alternative, sich rasch zu trennen.
Was sind die Voraussetzungen dafür, dass es anders kommt, dass man erst als Nachwuchs- und später als Führungskraft eine langfristige leidenschaftliche Beziehung zu seinem Arbeitgeber hat?
Gerade junge Menschen haben Leidenschaften oder Ideale. Vor Kurzem habe ich dazu einen spannenden Satz gelesen: Unternehmen müssen Financiers der Leidenschaften ihrer Mitarbeiter sein. Sprich: Jemandem, der brennt, müssen die Arbeitgeber den passenden Kontext geben, damit das Feuer nicht ausgeht. Mit Blick auf meine eigene Karriere kann ich feststellen, dass ich immer dann aufgeblüht bin, wenn ich die Freiräume besaß, um meine Ideen leidenschaftlich zu verwirklichen. Oft an der Grenze, aber immer im Sinne des Unternehmens, also nicht aus egoistischen Beweggründen. Das Gefühl in diesen Momenten war: Das Unternehmen und ich sind eins in dem, was wir uns wechselseitig zutrauen.
Was steht der Liebe im Job sonst noch entgegen?
Sehr vieles. Zum Beispiel Selbstbetrug. Ich kann weiterhin nicht nachvollziehen, wie viele junge Menschen mit großem Potenzial freiwillig ihre Welt einschränken, indem sie als Ingenieure in den Legebatterien großer technischer Konzerne in die normierte Geschäftswelt eintreten und für sich entscheiden, fortan ein eingeengtes Leben zu führen. Ich habe in meinem beruflichen Leben häufig beobachtet, wie Menschen, die sich für Schein statt Sein entschieden haben, an persönlich sehr kritische Punkte gelangt sind. Wenn die Zweifel immer wieder kamen. Wenn die Perspektiven immer geringer wurden. Wenn dann kein Sein vorhanden ist, also ein starkes Ich, sondern nur noch der Schein einer Rolle, die man zu spielen gelernt hat – na, dann bin ich eine arme Sau.
Ist dieses „Sein“ im Gegensatz zum „Schein“ heute wichtiger denn je?
Die zwei wichtigen Fragen in meinem Leben lauten: Wer bin ich? Und wo will ich hin? Wer mit allen Sinnen durchs Leben geht, wird merken, dass es heute immer weniger ehrliche, nicht von Interessen geleitete Akteure gibt, die einem bei der Antwort auf diese Fragen helfen. Eigendiagnose und Eigenverantwortung sind gefragt. Das kostet Energie, bereitet Zukunftssorge. Und mit Blick darauf entscheiden sich viel zu viele junge Menschen weiterhin für ein enges Leben ohne Liebe. Junge Menschen haben es in ihrer Hand, Täter statt Opfer zu sein. Sie sollten es nutzen. Denn wer seine Optionen in frühen Jahren massiv reduziert, wer viel ausschließt, weil es unbekannt und unsicher ist, und wer sich einem Lebensstil verweigert, der es einem erlaubt, auch mal mit dem Leben zu experimentieren, der raubt sich damit ein gutes Stück Lebensfreude. Schließlich ist es die Gnade junger Menschen, Sünden zu begehen.
Was fehlt Unternehmen, damit sie ein Ort der Liebe sein können?
Zum Beispiel eine neue Sprache. Überlegen Sie mal: Personal, Belegschaft, Arbeitnehmer, abhängig Beschäftigte – diese, pardon, bescheuerten Begriffe degradieren den Menschen zum Objekt.
Da ist dann nicht viel mit Liebe.
Nein. Das sind keine Begriffe für die Wissens- und Kreativökonomie. Viel besser gefällt mir der Begriff des „Unternehmensbürgers“. Wäre ich heute noch aktiv, würde ich ein Pilotprojekt starten, bei dem die Mitarbeiter ihre Führungskräfte selber wählen dürften. Die Mitarbeiter hätten dann Bürgerrechte, sie dürften mitbestimmen, wer sie in der oberen Etage vertritt – und damit auch, in welche Richtung ein Unternehmen geht. Sie hätten aber auch Pflichten, denn es geht gleichermaßen um Teilnahme und Teilhabe.