Anzeige
Start Blog Seite 148

Selfmade-Frauen

Wir stellen Ihnen hier mutige, selbstlose und leidenschaftliche Selfmade-Frauen vor. Frauen, die von ihren Ideen überzeugt sind, die angepackt haben und sich leidenschaftlich für ihre Ziele und Visionen einsetzen.

Prof. Dr. Antje Boetius – geht der Tiefsee auf den Grund (*1967)

Prof. Dr. Antje Boetius, Foto: M. Molari, MPI Bremen, Polarstern PS86
Prof. Dr. Antje Boetius, Foto: M. Molari, MPI Bremen, Polarstern PS86
Seit Januar 2015 ist die Tiefseeforscherin Antje Boetius Vorsitzende des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog (WiD). Diese Plattform unterstützt dabei, die Kommunikation der Wissenschaft bunter, vielfältiger und ansprechender zu gestalten – und den direkten Austausch mit Bürgern zu fördern, auch zu kritischen Themen. Die Bremerin wollte schon als Kind Forscherin werden, seit sie ein Buch aus der Reihe „Was ist was“ zur Tiefsee gelesen hatte. Und das hat sie geschafft: Heute ist sie Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und leitet die Brückengruppe für Tiefseeökologie und -technologie am Alfred-Wegener-Institut für Polarund Meeresforschung in Bremerhaven. Sie hat bereits an über 40 Expeditionen auf internationalen Forschungsschiffen teilgenommen, ihre Tauchgänge mit U-Booten führten sie in die Karibik, ins Schwarze Meer und ins Mittelmeer. Antje Boetius beschäftigt sich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Arktischen Ozean. Und sie bringt ihre Arbeitsergebnisse aus den dunklen Tiefen ins Licht der Öffentlichkeit: in Fernsehauftritten, im Radio, durch Bücher und Fachartikel. Denn es geht ihr darum, dass mehr Erkenntnisse aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit gelangen. Ihre Arbeit und ihre Leistungen als Wissenschaftlerin wurden mit dem Leibniz-Preis der DFG, mit dem Hector Wissenschaftspreis und dem Petersen-Preis ausgezeichnet. Sie ist Mitglied in der Nationalen Akademie Leopoldina. Prof. Dr. Antje Boetius im Interview.

Esther Kochte – entwickelte eine neue Bewusstseinstechnik (*1973)
Während ihres Studiums der Germanistik und Sozialwissenschaften arbeitete Esther Kochte bereits als Publizistin für Kinder- und Jugendliteratur. Es folgten Stationen bei Tageszeitungen und Verlagen sowie schriftstellerische Arbeiten und Theaterinszenierungen, die sie mit Webdesign, PR-Texten und Lektoraten finanzierte. Die Berlinerin führte ein bewegtes Leben – doch wegen massiver chronischer Schlafstörungen empfand sie es als „quälenden Psychotrip“ und erreichte einen Punkt, an dem sie nicht mehr konnte. Bereit, ihr altes Realitätsverständnis loszulassen, befreite sie sich von familiären Traumata und zerstörerischen Mustern. Aufgrund dieser tiefgreifenden Verwandlung entwickelte sie ein Werkzeug zur Erweiterung und Transformation des Bewusstseins: ThetaFloating. Es lehrt unter anderem, wie wichtig es ist, das Gegenwärtige zu akzeptieren, weil darin das größte Potenzial der Verwandlung, Entwicklung und Heilung liegt. In Einzelberatungen und Seminaren vermittelt Esther Kochte ihre Technik, außerdem sind von ihr bereits Bücher und CDs erschienen. Ihr neuestes Werk, mit Übungs-CD, erscheint 2015, der genaue Termin steht noch nicht fest.

Das totale Leben.
Radikale Selbsthingabe und ihre heilsame Wirkung auf sämtliche Beziehungen.
Scorpio 2015.
ISBN 978- 3943416756.
17,99 Euro.
www.thetafloating.com

Arianna Huffington – ist erfolgreiche politische Journalistin (*1950)
Arianna Stasinopoulos wurde in Griechenland geboren und studierte in Cambridge Ökonomie. Sie war Mitglied des Debattierclubs der Universität und veröffentlichte bereits während des Studiums ihre ersten beiden Bücher. 1980 zog sie nach New York. Dort heiratete sie den republikanischen Politiker Michael Huffington und unterstützte ihn im Wahlkampf. Nach der Scheidung behielt sie seinen Namen, ihre politischen Ansichten änderten sich jedoch grundlegend. 2005 gründete Arianna Huffington zusammen mit Kenneth Lerer die Online-Zeitung The Huffington Post. Die Nachrichtenplattform wurde bereits drei Jahre später zum wichtigsten Blog der Welt gekürt und 2012 mit dem Pulitzer-Preis geehrt. Arianna Huffington selbst wurde 2006 vom Time Magazin auf die Liste der 100 einflussreichsten Personen gesetzt.
www.huffingtonpost.de

Arianna Huffington: Die Neuerfindung des Erfolgs:
Weisheit, Staunen, Großzügigkeit. Was uns wirklich weiter bringt.
Riemann 2014.
ISBN 978-3570501733.
19,99 Euro

Stella Deetjen – hilft benachteiligten Menschen im Ausland (*1970)

Stella Deetjen, Foto: Back to Life
Stella Deetjen, Foto: Back to Life
Manchmal hinterlässt eine Reise einen so bleibenden Eindruck, dass sich daraufhin das Leben von Grund auf verändert. Ursprünglich wollte Stella Deetjen Fotografin werden. Doch vorher machte sie eine Rucksackreise durch Indien. Damals bot ihr ein an Lepra erkrankter Mann seine Hilfe an, als sie sich erschöpft ausruhte, und sie war davon so tief berührt, dass sie sich mit dem Schicksal der Leprakranken auseinandersetzte. Stella Deetjen gründete Back to Life, einen gemeinnützigen Verein, der Hilfe zur Selbsthilfe leistet und benachteiligte Menschen darin unterstützt, ihre Lebensumstände zu verbessern. Das Fotografie-Studium nahm Stella Deetjen niemals auf – stattdessen begann sie ein neues Leben und setzt sich seither für Menschen in Indien und Nepal ein. Unter anderem betreibt sie mit Back to Life derzeit drei Kinderheime für Straßenkinder und 13 Slumschulen in Varanasi, Indien sowie drei Geburtshäuser in Mugu, Nepal. Darüber hinaus verbesserte der Verein durch fünf Schulbauten in Mugu sowie weitere Maßnahmen wie beispielsweise die Austattung bestehender Schulen oder Stipendien für Kinder aus besonders armen Familien die Ausbildungssituation von knapp 6000 Kindern. Der karriereführer verfolgt dieses Projekt seit Jahren.
www.back-to-life.org

Zum Weiterlesen: Mehr Pionierinnen

In Zeiten ohne Frauenquote brachen sie in Männerdomänen ein, zeigten Innovationskraft und Mut und ebneten so den Weg zur Gleichberechtigung. In unserer Pionierinnen-Reihe in den vergangenen karriereführer-Ausgaben haben wir Frauen vorgestellt, die ungeachtet aller Widerstände ihren Weg gegangen sind und die Gesellschaft mitgestaltet haben.

Aufgestiegen zur Leitenden Sicherheitsfachkraft

Dass ich einmal die gesamte Arbeitssicherheit an einem so großen Standort wie ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg leiten würde, hatte ich zu Beginn meines Studiums noch nicht erwartet. Ein Erfahrungsbericht von Beatrice Schenuit

Zur Person

Beatrice Schenuit, 35 Jahre
Studium: Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität in Wuppertal
eingestiegen 2003: als Trainee in der Arbeitssicherheit (Sicherheitsfachkraft), ThyssenKrupp Steel Europe
aufgestiegen 2005: zur Teamleiterin in der Arbeitssicherheit
aufgestiegen 2014: Teamkoordinatorin in der Arbeitssicherheit (Leitende Sicherheitsfachkraft)

Dass ich einmal die gesamte Arbeitssicherheit an einem so großen Standort wie ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg leiten würde, hatte ich zu Beginn meines Studiums noch nicht erwartet. Dass die Arbeitssicherheit mein Berufsleben prägen würde, war allerdings recht schnell klar. Bei Steel Europe war eine Traineestelle in der Arbeitssicherheit ausgeschrieben, das angeforderte Profil entsprach meinem perfekt. Dann ging alles ganz schnell: Erst war ich Fachkoordinatorin in der Abteilung Arbeitssicherheit, schnell wurde ich Hauptansprechpartnerin für Arbeitssicherheit in einem Produktionsbetrieb.

Ein wesentliches Prinzip erfolgreicher Karrieren wurde mir dort schnell klar: Wer etwas gestalten will, muss genauso zuhören wie auch eigene Ideen entwickeln. Ich habe immer wieder proaktiv Gespräche am Standort initiiert, um mit Produktionsmitarbeitern Verbesserungspotenziale zu entdecken. Der regelmäßige Austausch mit den Leuten vor Ort hat dann auch dazu geführt, dass ich schnell zum Jour Fixe des Produktionsleiters und seinen Führungskräften eingeladen wurde. „Arbeitssicherheit“ war ab sofort Tagesordnungspunkt.

Entscheidend war aber auch die Teilnahme an Weiterbildungen, die das Unternehmen anbietet. Zielgruppenorientierte Seminare wie „Vom Kollegen zum Vorgesetzten“ oder „Wirkungsvoll kommunizieren“ sowie Personalcoachings für Führungspositionen habe ich immer gerne genutzt. Nach zwei Jahren habe ich es so zur Teamleiterin in der Arbeitssicherheit geschafft und übernahm erstmalig Führungsverantwortung für gleich zwei Standorte: Duisburg und Dortmund. Heute bin ich als Teamkoordinatorin die leitende Sicherheitsfachkraft von ThyssenKrupp Steel Europe. 37 Mitarbeiter sind mir direkt disziplinarisch zugeordnet, weitere elf führe ich fachlich. Die Zusammenarbeit ist extrem vielfältig und abwechslungsreich: Den größten Teil nehmen unsere Kunden, die Betriebe, ein. Mit dem Betriebsrat und den Betriebsärzten finden regelmäßig Treffen statt. Immer mit dabei: ein voller Terminplan. Trotzdem muss ich flexibel sein für Workshops in den Betrieben oder Strategiegespräche mit Führungskräften, und natürlich muss ich bei Unfällen direkt tätig werden.

Arbeitssicherheit hat bei uns höchste Priorität. Das zu vermitteln, ist ebenfalls unsere Aufgabe. Wir müssen sensibilisieren, schulen, unterweisen. Dabei ist die technische Ausbildung wichtig, aber nicht alles. Ich muss ebenso moderieren, präsentieren und vor allem überzeugen. Wie wichtig diese Soft Skills sind, habe ich erst durch den Arbeitsalltag und entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen gelernt. Was ich angehenden Führungskräften rate? Einen offenen Austausch pflegen. Durch regelmäßige Feedback-Gespräche hat sich mein Chef zu meinem Mentor entwickelt. Verantwortung für die eigenen Aufgaben und die eigene Funktion übernehmen – dann kann man viel bewegen. Und das spornt mich an: Ich will, dass unsere Mitarbeiter von der Arbeit gesund wieder nach Hause fahren können, dass wir ihren Arbeitsplatz sicher gestalten können und gegenseitig aufeinander achten.

Was macht eigentlich eine Flugleiterin, Frau Dr. Hübner?

Ich bin stellvertretende Flugleiterin eines Forschungssatelliten. „Mein“ Satellit heißt Integral und ist schon seit über zwölf Jahren im All. Ich kümmere mich darum, dass es ihm gut geht – bin sozusagen Satellitendoktor. Von Dr. Jutta Hübner

Zur Person

Dr. Jutta Hübner, 35 Jahre, stellvertretende Flugleiterin des Wissenschaftssatelliten Integral am Europäischen Weltraumkontrollzentrum (ESOC) der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in Darmstadt

Ich bin stellvertretende Flugleiterin eines Forschungssatelliten. „Mein“ Satellit heißt Integral und ist schon seit über zwölf Jahren im All. Ich kümmere mich darum, dass es ihm gut geht – bin sozusagen Satellitendoktor. Außerdem bin ich Teil eines Teams, das nächstes Jahr einen neuen Satelliten ins All schießt. Ein Traumjob. Mein Traumjob. Ein Satellit im All, einer in Vorbereitung, keine Minute Langeweile.

Nach meinem Abitur studierte ich Physik in Mainz. Bereits nach den ersten Wochen war mir klar: Das Studium alleine ist mir zu trocken. Ich wollte löten, schrauben, basteln und experimentalphysikalische Fähigkeiten entwickeln. Deshalb habe ich neben dem Studium als Hilfskraft an der Uni gearbeitet. Nach dem vierten Semester bin ich für ein Jahr nach Seattle gegangen, wo ich Neutrinos kennen- und schätzen lernte – winzige Teilchen, die fast mit Lichtgeschwindigkeit durchs Weltall flitzen und sogar die Erde ungehindert durchqueren können. Meine Diplomarbeit schrieb ich deshalb in Berlin über Neutrinos. Ich habe für ein Forschungsprojekt am Südpol neuartige Detektoren entworfen, gebaut und bei tiefen Temperaturen getestet. Für meine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg habe ich an einer Kamera für das Weltraumteleskop Herschel mitgearbeitet.

Neben meiner Doktorarbeit hatte ich die Gelegenheit, kleine Projekte selber zu initiieren und zu leiten. Das Planen und Organisieren hat mir sehr viel Spaß gemacht, und daher ging mein erster Job in diese Richtung: Projektmanagerin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln. Dort betreute ich 13 Weltraumprojekte, war für das wissenschaftlich-technische Management verantwortlich und habe unter anderem bei Raketen- und Ballonstarts in Nordschweden mitgearbeitet.

2011 bekam ich dann meinen Traumjob bei der ESA im Satellitenkontrollzentrum. ESA ist ein Zusammenschluss aus 21 europäischen Staaten und Kanada, sie koordiniert die europäischen Raumfahrtaktivitäten, führt faszinierende Weltraumprojekte durch und bietet spannende Jobs: Eine italienische Kollegin, Samantha Cristoforetti , ist gerade im Weltall auf der Internationalen Raumstation ISS. Wieder ein anderer Kollege arbeitet gerade an einem Roboter, der von der ISS aus gesteuert wird, und weitere Kollegen haben im November den Landeroboter Philae der Rosetta-Mission auf einem Kometen gelandet.

ESA ist als europäische Organisation natürlich sehr international: Mein Chef zum Beispiel, ein Mathematiker, stammt aus England, und meine anderen Teamkollegen kommen aus Italien, Irland, Frankreich, Spanien und Rumänien. Sie haben die unterschiedlichsten Fächer studiert oder Ausbildungen gemacht.

Mit Leidenschaft bei der Arbeit
Bei Integral bin ich für den Betrieb der wissenschaftlichen Instrumente verantwortlich. Dabei arbeite ich eng mit den Wissenschaftlern aus unterschiedlichen europäischen Instituten zusammen, die die Kameras gebaut haben und jenen, die die Beobachtungen planen. Integral arbeitet im Gammastrahlen-Bereich und erforscht so Objekte wie schwarze Löcher oder Sternexplosionen, genannt Supernova. Außerdem unterstütze ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung zukünftige Satellitenprojekte. Seit ein paar Monaten bin ich zusätzlich Teil des Teams, das im Sommer für den Start und die Inbetriebnahme des Wettersatelliten MSG-4 verantwortlich ist.

Redaktionstipp

Über Samantha Cristoforetti, die gerade auf der ISS ist, haben wir bereits in der letzten Ausgabe des karriereführer frauen in führungspositionen berichtet.

Das Allerwichtigste in meinem Beruf ist die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen: Nur im Team können wir die Komplexität einer Satellitenmission beherrschen. Mein typischer ALL-Tag hat nur wenige Konstanten, denn neben dem Routinebetrieb sind wir insbesondere für unvorhersehbare Ereignisse und besondere Manöver zuständig. Es ist sehr faszinierend, hier zu arbeiten und täglich Neues zu lernen. Ich freue mich jeden Morgen auf die Arbeit.

Meine Tipps für Berufseinsteiger: Finden Sie heraus, was Sie interessiert, begeistert, fasziniert, wofür Sie Leidenschaft haben oder entwickeln können. Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht. Es gehört natürlich auch harte Arbeit und etwas Glück dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und die richtigen Leute kennenlernt.

Job-Steckbrief Flugleiterin

Voraussetzungen:
Hochschulabschluss in Ingenieurwissenschaft oder Physik, Erfahrung mit Satellitenmissionen oder im Missionsbetrieb, Freude an Arbeit in internationalen und interdisziplinären Teams

Einstiegsmöglichkeiten:
Für Hochschulabsolventen: Direkteinstieg bei der ESA nur als Young Graduate Trainee (YGT)

Gehalt:
Gemäß Gehaltsskala der „Coordinated Organisations“; Einsteigergehalt: Stufe A2/A4

Informationen:
www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany
www.esa.int/careers

Mein Bewerbungsgespräch bei: Ford

Ich hatte gerade meine Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) abgeschlossen, als ich auf die Stellenausschreibung „Entwicklungsingenieur/in für Infotainment & Connectivity“ von Ford stieß. Von Tessa Tielert, aufgezeichnet von Anna Beutel

Profildaten

Name: Tessa Tielert
Geburtsjahr: 1981
Hochschulabschluss als: Diplom-Informatikerin, Promotion in Informatik
Warum Ford? Internationaler Automobilhersteller, amerikanisch-deutsche Unternehmenskultur, interessante und herausfordernde Tätigkeit, angenehmes Betriebsklima, gelebte Diversity
Bewerbung als: Entwicklungsingenieur/in für Infotainment & Connectivity
Tag des Vorstellungsgespräches: 15.10.2014
Tag des Antritts der Stelle: 01.12.2014
Karrierenetzwerke/Social-Media, Alumni:
Xing: JA
Facebook: NEIN
Twitter: NEIN
LinkedIn: JA

Da diese Stelle sehr gut zu meinen bisherigen Tätigkeiten und Schwerpunkten passte, habe ich mich direkt beworben. Besonders punkten konnte ich vermutlich mit meiner Berufs- und Auslandserfahrung und den dadurch erworbenen Sprachkenntnissen. Während meiner Promotion war ich bereits für ein halbes Jahr für Mercedes-Benz in den USA tätig und habe darüber hinaus als Expertin für das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) an einem europäischen Standard für die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation mitgearbeitet. Ehrenamtlich habe ich mich außerdem bei CyberMentor engagiert, Deutschlands größtem E-Mentoring-Programm für Mädchen in MINT-Fächern.

Das Vorstellungsgespräch sollte Mitte Oktober stattfinden. Die Zeit bis dahin nutzte ich, indem ich mich intensiv mit Ratgebern zu dem Thema Bewerbungsgespräch beschäftigte. Ich überlegte mir Antworten auf typische Fragen und übte immer wieder, meinen Werdegang flüssig zu erzählen und positive Aspekte über mich hervorzuheben. Am meisten half es mir, dies mit Freunden zu tun. Beim Gespräch waren mein direkter Vorgesetzter und zwei Teamleiter anwesend.

Alle waren sehr nett, und die Gesprächsatmosphäre war angenehm. Auf eine Fragerunde, teils in Deutsch, teils in Englisch, folgte ein Mini-Assessment-Center, und danach wurden praxisbezogene Fragen gestellt. Gleich am nächsten Tag bekam ich die Gelegenheit, den potenziellen Arbeitsplatz zu sehen und Kollegen kennenzulernen. Die mündliche Zusage erhielt ich etwas überraschend direkt nach diesem Besuch. Ich erbat mir noch etwas Bedenkzeit, um noch einmal darüber zu schlafen.

Doch allzu lange musste ich nicht überlegen, und eine Woche später stieß ich mit meinem Freund auf den unterschriebenen Vertrag an. Bei Ford fühlte ich mich vom ersten Tag an am richtigen Platz. Die Kollegen und Vorgesetzten sind nett und hilfsbereit, und der Tätigkeitsbereich entspricht meinen Interessen und Vorstellungen. In meinem aktuellen Job bin ich im Rahmen der Connected-Vehicle-Strategie für drahtlos übertragene Echtzeit-Verkehrsdaten zuständig. Dabei werden aktuelle Verkehrsdaten – zum Beispiel Staus oder Unfälle – in Echtzeit in die Navigation integriert, damit man schneller ans Ziel kommt oder den Stau umfahren kann.

Später möchte ich mehr Verantwortung übernehmen und vielleicht sogar ein eigenes Team leiten. Meine Tipps für ein gelungenes Vorstellungsgespräch: Mit Hilfe von Ratgebern und Freunden Routine im Beantworten von typischen Fragen – auch auf Englisch – entwickeln. Außerdem unbedingt fragen, ob man den potenziellen Arbeitsplatz und das Team kennenlernen kann.

Interview mit Prof. Dr. Verena Wolf

Biologische Zellen verhalten sich sehr komplex. Ihre Veränderungen und Beziehungen sind im Grunde nicht simulierbar. Dass man ihnen jedoch mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Schliche kommen kann, ist die Grundlage der Pionierarbeit der 36-jährigen Informatikprofessorin Verena Wolf aus Saarbrücken, die mit dem Forschungspreis TR 35 ausgezeichnet wurde. Im Gespräch mit André Boße erzählt sie von ihren Forschungserfolgen, der Babypause sowie den Gründen, warum sie sich als Frau in der Männerdomäne Informatik sehr wohlfühlt.

Zur Person

Prof. Dr. Verena Wolf, 36 Jahre, studierte in Bonn Informatik mit dem Nebenfach Mathematik auf Diplom. Ihre Promotion schrieb sie an der Universität Mannheim. Im Anschluss erhielt sie das Angebot, in einer Forschergruppe von Thomas Henzinger in der Schweiz zu arbeiten. Nach einem Jahr als Postdoc bewarb sich Verena Wolf 2009 erfolgreich auf die Stelle einer Nachwuchsgruppenleiterin am Exzellenzcluster der Universität des Saarlandes. Drei Jahre später erhielt sie den Ruf zur Professorin. Wolf entwickelte einen Algorithmus, der es erlaubt, die Vorgänge in Zellen mit statistischen Methoden zu berechnen. Dadurch können diese Vorgänge erstmals simuliert werden. Für ihre Forschungen in dem Bereich wurde Verena Wolf 2013 mit dem Preis „Innovatoren unter 35“ ausgezeichnet.

Frau Professor Wolf, Sie haben den Nachwuchswettbewerb „Innovatoren unter 35“ des Wissenschaftsmagazins „Technology Review“ gewonnen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Ich habe mich sehr über den Preis gefreut. Ich bekam ihn, als ich gerade die Babypause hinter mir hatte und sehr viel für meine Lehrveranstaltungen getan habe. Zeit für Forschungen blieb da nicht mehr viel. Der Preis motivierte mich, wieder mehr zu forschen. Er zeigte mir: Jetzt muss ich weitermachen.

Viele junge Frauen stellen sich die Frage, wie die Gründung einer Familie mit der Karriere zu vereinbaren ist. Wie funktioniert das bei Ihnen?
Es gibt für dieses Problem keine wirklich zufriedenstellende Lösung, sondern lediglich Kompromisse, mit denen man leben muss. Ich bekomme sehr viel Unterstützung durch meine Eltern, ein Kollege aus Italien leitet für ein Jahr als Vertretung meine Gruppe. Viele meiner Forschungsideen und Pläne müssen jetzt eben warten, Aufgaben müssen delegiert werden.

Nicht jede Frau hat das Glück, beim Wiedereinstieg in den Job direkt einen Preis zu erhalten, der sie besonders motiviert. Welche weiteren Faktoren haben Ihnen dabei geholfen, nach der Elternzeit selbstbewusst die Karriereplanung wieder aufzunehmen?
Zum einen bin ich intrinsisch motiviert, weil mir meine Arbeit viel Spaß bereitet. Zum anderen ist das Forschungsumfeld in Saarbrücken sozusagen hyperaktiv. Es gibt ständig Vorträge, die neue Anregungen bieten, regelmäßig treffe ich Kollegen, die mit Ideen auf mich zukommen. Forschen wird so zu einer Art Gruppenzwang.

Sie haben eine Methode entwickelt, mit der sich das komplexe Verhalten von Viren, Bakterien oder Zellen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten berechnen lässt. Hatten Sie eine Ahnung davon, dass Sie an etwas so Bahnbrechendem arbeiten?
Mir war klar, dass alles bisher Gemachte irgendwie nicht richtig war. Ich war davon überzeugt, dass sich große Systeme nur mit meiner Idee eines hybriden Ansatzes berechnen lassen. Biologische Systeme sind immer komplex und groß. Es gab bereits einen sehr effizienten Ansatz, der die Systeme aber nicht genau genug beschreibt. Der bereits vorhandene stochastische Ansatz dagegen war viel zu detailliert. Daher war für mich klar: Man braucht einen hybriden Ansatz, der für große Systeme skaliert wird und nur an manchen Stellen eine detaillierte Beschreibung benutzt.

Wie kamen Sie überhaupt zur Informatik?
Ich hatte einen sehr guten Informatiklehrer in der Schule, der uns viele Tüftelaufgaben lösen ließ. Das gab uns Einblicke in die spannenden Theorien der Informatik und bereitete mir so viel Spaß, dass ich das Studium einfach probiert habe. Ich hatte zwar Bedenken, ob ich das Programmieren hinbekommen würde, dann fiel es mir aber sehr leicht.

Woher rührten diese anfänglichen Bedenken? Hatten Sie die Inhalte des Informatikstudiums zu Beginn falsch eingeschätzt?
Teilweise schon. Ich hatte mir vorgestellt, dass mehr programmiert wird und dass man mehr über die Hardware lernt. Tatsächlich war mein Studium sehr theoretisch und mathematisch – und das kam mir sehr gelegen.

Sie haben damals bei einer Informatikprofessorin studiert. War das hilfreich?
Ja – aber auch männliche Professoren fördern Studentinnen, wenn sie gut sind. Allerdings war ich damals noch sehr unsicher. Die Professorin war eine sehr herzliche und nette Person. Und sie war im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen jünger. Zu ihr traute ich mich immer zu gehen, um beispielsweise über die Diplomarbeit zu reden.

Wie haben Sie sich auf Ihrem weiteren Weg in diesem ansonsten von Männern dominierten Bereich durchgesetzt?
Ich wurde während meiner Promotion selbstbewusster. Auf Vorträgen und Konferenzen stellte ich oft sehr kritische Fragen – ich kannte mich mit den Thematiken ja sehr gut aus. So wurden die Leute auf mich aufmerksam und sagten: Mensch, die hat gute Ideen und kann was. Auf diesem Wege wurde ich in der Forschungsgemeinschaft bekannt und bekam Einladungen zu Programmkomitees. Das half mir enorm.

Warum ist es wichtig, schnell Netzwerke zu schließen und Kontakte zu knüpfen?
Viele gute Ergebnisse erzielt man durch das Zusammenführen von – vor allem unterschiedlichen – Kompetenzen. Man muss vielseitig interessiert sein und sich auch in die Problemstellungen von anderen Forschern hineindenken, statt nur über den eigenen Themen zu brüten. Oft gibt der Blick hinein in andere Bereiche neue Ideen.

Was sind Ihre Tipps für junge Absolventinnen, die in einem der MINT-Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik Karriere machen möchten?
Frauen müssen sich viel mehr zutrauen. Sie können oft viel mehr, als sie denken. Ich selbst habe mir auch oft zu wenig zugetraut und gedacht, das schaffe oder kann ich nicht. Und am Ende war es dann ganz leicht. Männliche Studenten sind hingegen oft sehr von sich selbst überzeugt. Manchmal steckt bei ihnen aber viel weniger dahinter.

Woran kann denn eine junge Frau früh und zuverlässig erkennen, dass sie sehr wohl das Zeug hat, sich in einem MINT-Beruf durchzusetzen?
Sie muss mit Betreuern und Dozenten diskutieren, welche berufliche Zukunft für sie aussichtsreich wäre. Zwei Lehrer meiner Schule haben mich damals auf ein Informatikstudium hingewiesen, und ich habe am Ende meiner Promotionszeit meine Doktormutter gefragt, ob eine akademische Karriere für mich aussichtsreich wäre. Ich habe ein klares Ja bekommen. Lehrer und Professoren haben häufig ein gutes Gefühl dafür, welche berufliche Zukunft erfolgversprechend und passend für einen ist.

Welche Karriereziele haben Sie sich für die kommenden fünf Jahre gesetzt?
Ich möchte gerne ein Buch veröffentlichen, in dem ich die Details unserer Simulationsalgorithmen gut verständlich beschreibe, zusammen mit der Theorie der stochastischen Modelle für biochemische Reaktionen. Dazu werden wir die Implementierung unserer Algorithmen noch als benutzerfreundliches Softwaretool bereitstellen. Außerdem habe ich natürlich noch viele Pläne, die andere Projekte betreffen, wie zum Beispiel die Entwicklung von Modellen, mit denen epigenetische Veränderungen der DNA vorhergesagt werden können.

Forschungspreis TR 35

Das internationale Technikmagazin „Technology Review“ kürt in jedem Jahr Forscher, Entwickler und Unternehmensgründer unter 35 Jahren, deren Ideen „unser Leben verändern werden“, wie es in der Ausschreibung der deutschen Ausgabe des Magazins heißt. Deutsche Innovatoren werden ab 2013 mit dem Preis dekoriert. International gibt es ihn schon seit 1999, zu den Preisträgern gehören unter anderen die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, Linus Torvalds, Entwickler des Betriebssystems Linux, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg oder der langjährige Apple-Designer Jonathan Ive. Verena Wolf erhielt die Auszeichnung 2013.

Komm, mach MINT: Hoher Leistungsanspruch

Die Initiative „Komm, mach MINT“ will mehr junge Frauen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik in die technischen Unternehmen bringen. Es gibt erste Erfolge, aber weiterhin auch Stolpersteine. Einige davon können Frauen aber selbst aus dem Weg räumen, sagt Dr. Ulrike Struwe, Leiterin der Geschäftsstelle von „Komm, mach MINT“. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

Dr. Ulrike Struwe, Foto: Privat
Dr. Ulrike Struwe, Foto: Privat

Dr. Ulrike Struwe studierte Soziologie an der Uni Bielefeld und promovierte zum Thema Berufsorientierung von technisch interessierten Jugendlichen. Sie ist Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit in Bielefeld und leitet seit 2011 die Geschäftsstelle des Nationalen Paktes für Frauen in MINT-Berufen – „Komm, mach MINT“, welcher 2008 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geschlossen wurde.

Frau Dr. Struwe, wie entwickelt sich aktuell die MINT-Begeisterung bei jungen Frauen? Geht es voran?
Wir sehen auf allen Ebenen eine Menge Vorwärtsbewegung. Gerade bei den jungen Frauen tut sich sehr viel: Mittlerweile gibt es so viele weibliche MINT-Studierende und -Absolventen wie noch nie. Seit 2008 ist die Zahl der Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern insgesamt um gut 70 Prozent gestiegen, von fast 60.000 auf mehr als 100.000 Starterinnen. Somit ist heute von allen Studierenden, die ein MINT-Studium beginnen, fast jede dritte eine Frau.

Was ist denn das Erfolgsrezept, um junge Frauen für eine Karriere in einem technisch-naturwissenschaftlichen Beruf zu begeistern?
Projekte wie das Niedersachsen-Technikum bieten jungen Frauen die Chance, sechs Monate lang ein Praktikum in einem technischen Unternehmen zu absolvieren und gleichzeitig in MINT-Studiengänge hineinzuschnuppern. Wir beobachten, dass sich danach neun von zehn Teilnehmerinnen tatsächlich für eine technisch-naturwissenschaftliche Karriere entscheiden. Das zeigt uns, dass es vor allem realistische Informationen über die MINT-Bereiche sind, die nachhaltig zu einer Erweiterung des Berufswahlspektrums beitragen.

Was ist wiederum wichtig, um den Einstieg in die technischen Berufe erfolgreich zu gestalten?
Vor allem praktische Erfahrungen, denn die Spielregeln in der Forschung oder in Unternehmen sind nicht allein mit Fachkompetenz durchschaubar. Wichtig ist der Austausch mit anderen über Ziele, Handlungsspielräume, Strategien und nicht zuletzt eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten vor dem Hintergrund einschätzbarer Anforderungen. Um den eigenen Karriereweg erfolgreich zu gehen, sind Netzwerke wichtige Unterstützer. Unsere Initiative bietet den Studentinnen eine Plattform, um sich zu vernetzen, mögliche Karrierewege zu eruieren und, ganz wichtig, zu erkennen, dass Karriere erlernbar ist.

Verfolgen Sie denn die Karrierewege von jungen MINT-Absolventinnen in den Unternehmen? Wie geht es für die jungen Frauen voran?
Als Netzwerkinitiative mit zahlreichen Partnern aus Unternehmen bekommen wir tatsächlich einen guten Einblick. Viele Unternehmen engagieren sich sehr für mehr Frauen in Führung. Aber noch immer gibt es zu wenige Frauen in Führung, die dann Rollenvorbilder für den potenziellen weiblichen Führungsnachwuchs sind. Dieser Umstand erzeugt vor allem Vorbehalte bei den jungen Frauen selbst. Sie sehen nicht, dass ihre Interessen und Fähigkeiten hervorragend zu einer MINT-Führungskarriere passen könnten – und ziehen diese erst gar nicht in Erwägung. An dieser Stelle setzen wir beispielsweise mit dem „Women-MINT-Slam an“, wo sich exzellente Frauen in Führung den jungen Frauen vorstellen.

Entdecken Sie weitere typische Stolpersteine auf dem Weg in die Führungspositionen der technischen Unternehmen?
Forschungsergebnisse zeigen, dass ein zentraler Stolperstein beim Aufstieg der sehr hohe Leistungsanspruch vieler Frauen ist. Frauen wollen durch ihre Leistung punkten. Beim beruflichen Aufstieg fällt die fachliche Leistung jedoch geringer ins Gewicht als die Fähigkeit, die persönlichen Erfolge sichtbar zu machen und sich somit als aufstiegswillige Führungskraft zu empfehlen.

Sie raten jungen Frauen also zu einem Strategiewechsel bei der Karriereplanung?
Hochqualifizierte Frauen können ihrem Potenzial nur dann gerecht werden, wenn sie lernen, ihre Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund späterer Anforderungen zu sehen und sich konkret auf diese Anforderungen vorzubereiten. Andererseits müssen die Personalverantwortlichen lernen, dass es wichtig ist, unterschiedliche, aber gleichwertige Leistungspotenziale in das Unternehmen zu holen und sie gleichermaßen zu entwickeln.

Noch immer sagen Verantwortliche in von Männern dominierten technischen Unternehmen, sie seien gegen die Quote, weil sie streng nach Qualität einstellen – und zwar unabhängig vom Geschlecht. Zieht dieses Argument noch?
Nein, schon allein, weil junge Frauen vielfach die besseren Abschlüsse machen.

Also müssten eigentlich Frauen die technischen Unternehmen dominieren – und nicht die Männer.
Genau. Dass es anders ist, belegt, dass bei gleicher Qualifikation oftmals die Männer bevorzugt eingestellt werden, weil sie viel eher dem Bild entsprechen, das die zumeist männlichen Personaler von ambitionierten Nachwuchskräften haben. Übrigens: Je höher die angestrebte Position, desto stärker wirken diese Ausschließungsstrategien. Das führt in der Konsequenz dazu, dass der Frauenanteil, gerade auf Vorstandsebene und in den Aufsichtsräten, gering bleibt, wenn nicht Impulse von außen kommen. Deshalb begrüße ich Maßnahmen, die diesen Mechanismen entgegenwirken.

Sie sprachen gerade schon davon, wie wichtig Rollenvorbilder sind. Gibt es eine Frau, die in einem technischen Bereich Karriere gemacht hat, die Sie besonders begeistert?
Die österreichische Kernphysikern Lise Meitner, geboren 1878, begeistert mich. Schon in jungen Jahren wusste sie, was sie will, und hat trotz aller Widerstände alles daran gesetzt, ihren Weg zu gehen.

Durch das Thema Industrie 4.0 wird sich die Forschung und Arbeit in den technischen und naturwissenschaftlichen Unternehmen ändern. Die Teams werden noch interdisziplinärer, die Bedeutung von IT wird steigen. Wie können sich Einsteigerinnen auf diese besonderen Herausforderungen vorbereiten?
In der Tat werden die technischen Entwicklungen, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst werden, vielfältige Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben. Die zunehmende Digitalisierung wird Produktionsabläufe und damit auch Arbeitsprozesse und Beschäftigungsformen verändern. Selbstverständlich wird das auch Auswirkungen auf die Qualifikationsprofile von Ingenieurinnen und Ingenieuren haben und breite berufliche IT-Qualifikationen werden mehr und mehr gefragt sein. Wer aber prinzipiell offen ist für Neuerungen und sich der digitalen Welt nicht verschließt, wird sich auch in der Industrie 4.0 gut zurechtfinden. Die meisten Frauen haben schon immer gerne in interdisziplinären Teams gearbeitet und favorisieren eine Problemanalyse aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Von daher kommt ihnen dieser Punkt eher entgegen.

Zur Initiative

Der Nationale Pakt für Frauen in MINT-Berufen „Komm, mach MINT“ wurde 2008 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 46 Partnern gestartet, um mehr junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge zu begeistern sowie Hochschulabsolventinnen für Berufskarrieren in Wirtschaft und Wissenschaft zu gewinnen. Mittlerweile verfolgen über 210 Partner aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Verbänden das gemeinsame Ziel, mehr Frauen für MINT zu gewinnen. Der Pakt bietet den Partnern eine ideale Plattform, Kooperationen zu starten sowie gemeinsam neue Kampagnen zu entwickeln und durchzuführen.
www.komm-mach-mint.de

Frauen in MINT-Berufen: Hauptsache hungrig

Es gibt Beispiele von Frauen, die in technischen Unternehmen spannende Führungskarrieren gemacht haben. Was diese Frauen gemeinsam haben: Sie waren mutig und haben weder Konflikte noch Verantwortung gescheut. Denn fachliche Qualifikation ist nicht alles – es kommt auch auf die Motivation an, eine Spitzenposition zu erreichen. Von André Boße

Um mit Zahlen zu beginnen: Die Lage bessert sich, ist aber noch nicht zufriedenstellend. „Der Frauenanteil in den technischen Berufen ist langsam steigend, jedoch mit 14 Prozent immer noch deutlich unterdurchschnittlich“, heißt es im aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit zur Situation in den MINT-Berufen, also Berufen aus den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik. Auch die Zahl der Frauen, die MINT-Fächer studierten, nehme kontinuierlich zu. „Ihr Anteil ist jedoch insgesamt immer noch zu klein“, so die Bundesagentur.

Buchtipp: Sie wissen alles

Die langsame Entwicklung hin zu mehr Frauen-Power in der Technikwelt belegen auch Bücher von weiblichen Autoren zu aktuellen Technikthemen. Ein Beispiel ist Yvonne Hofstetters Spiegel-Bestseller „Sie wissen alles“. Die Expertin für künstliche Intelligenz ist seit 1999 in Softwareunternehmen tätig und erklärt, wie hochintelligente Algorithmen die Internetnutzer zunächst analysieren, um sie dann zu manipulieren und zu kontrollieren. Ihr Plädoyer für eine „Ethik der Algorithmen“ führt vor, wie sich herausragendes technisches Fachwissen und Moral kombinieren lassen.

Yvonne Hofstetter: Sie wissen alles.
Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen und warum wir für unsere Freiheit kämpfen müssen.
Bertelsmann 2014.
ISBN 978-3570102169.
19,99 Euro

Immerhin: Blickt man in die Technikkonzerne oder Forschungsunternehmen, finden sich heute beinahe überall Frauen in hohen Positionen. Was sie häufig eint: Ihre Karrierewege sind nicht geradlinig und durchgeplant. Die Laufbahn von Katja Schenke-Layland ist dafür ein gutes Bespiel. Studiert hat sie Biologie, Soziologie und Psychologie, ihr erstes Berufsziel: Verhaltensforschung. Dann kam ein „Drift in die Biomedizin“, wie sie sagt. Sie hatte diverse Nebenjobs, war als wissenschaftliche Assistentin tätig – und schnell stand die Frage im Raum: zusätzlich noch Medizin studieren? Der Ausblick auf sechs weitere Jahre an der Uni war nicht sehr attraktiv, denn sie wollte loslegen, etwas bewegen, Menschen helfen. Da traf es sich gut, dass ein Arzt aus der Herzchirurgie im Krankenhaus in Jena, wo sie gerade ein Praktikum machte, ihr Talent entdeckte und ihr vorschlug, eine biomedizinische Doktorarbeit anzugehen. Ihr Thema: Sie entwickelt Biomaterial für die regenerative Medizin, um zum Beispiel geschädigtes Herzgewebe so zu behandeln, dass es wieder funktionsfähig ist. Oder für die Krebsforschung, um die Wirkung einer Therapie vorab individuell zu testen.

Interdisziplinär erfolgreich
Wie sehr sie mit ihrem Karriereweg die typischen Raster sprengte, zeigt, dass sie mit ihrer Doktorarbeit bei den Biologen in den Bereich der „speziellen Zoologie“ eingeordnet wurde. „Es ist also gar nicht so einfach zu sagen, was ich eigentlich genau bin“, sagt die 37-Jährige, in deren Arbeit neben der Biologie auch Ingenieurwesen, Physik oder Chemie einfließen. Man nennt ein so breites Spektrum gerne interdisziplinär. „Das klingt nett, ist im wahren Leben aber nicht immer einfach, weil man sich die Karrierewege häufig selbst suchen muss.“ Was jedoch feststeht: Katja Schenke-Layland ist erfolgreich. Und zwar aktuell an drei Arbeitsplätzen: Sie forscht an der Universitäts-Frauenklinik in Tübingen, am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart sowie an der University of California in Los Angeles. In allen drei Stellen ist sie Führungskraft, setzt dabei auf flache Hierarchien, legt Wert auf eine offene Feedbackkultur. Viele Frauen interpretieren Führung ganz ähnlich, dennoch: Die Quote von anderen Frauen in einer ähnlichen Führungsposition ist bei den deutschen Arbeitgebern dünn. Schenke-Layland nennt zwei Gründe: Zum einen interessierten sich noch immer zu wenig junge Frauen für die technischen Studiengänge wie Maschinenbau.

Hinzu kommt eine Beobachtung bei der jungen Generation: „Ich kenne Nachwuchswissenschaftlerinnen, die sehr gute Masterstudentinnen waren, nun aber nicht promovieren möchten, weil ihnen die Freizeit und geregelte Arbeitszeiten wichtiger sind.“ Damit trifft sie den Kern der Debatte um die Generation Z, die nun im Begriff ist, die Vorgängergeneration Y abzulösen. Sie kennzeichnet sich unter anderem dadurch, dass „Führungsverantwortung und flexible Arbeitszeiten an Reiz verlieren“, wie der Ökonomieprofessor Christian Scholz feststellt. So könnte der Aufstieg der Frauen in den MINT-Bereichen ins Stocken geraten: Das Interesse an technischen Berufen steigt, die Lust, dort eine Führungsposition einzunehmen, jedoch nicht. „Viele junge Frauen sind zufrieden mit dem, was sie erreicht haben“, fasst Katja Schenke-Layland zusammen. Das sei schön und gut. „Aber ich vermisse den Hunger nach mehr.“

Ziele klar formulieren
Diesen Hunger besitzt Martina Fiddrich. Als BWL-Absolventin hat sie sich bei IBM Deutschland hochgearbeitet und ist seit 2013 Leiterin des Geschäftsbereichs Mittelstand und Cloud Service Provider – eine Spitzenposition in der MINT-Branche Informatik, in der der Frauenanteil besonders gering ist. Fiddrich stieg 1993 in den Konzern ein. Dass es sich um eine männerdominierte Branche handelte, war ihr damals nicht wichtig; relevant waren Aspekte wie Kreativität und Internationalität. „Ich habe zunächst kleinere, später auch internationale Teams auf fachlicher Seite geführt, bevor ich Personalverantwortung übernommen habe“, erklärt sie. Auf dem Weg nach oben half ihr Neugier, aber auch Klarheit in der Führung. „Um erfolgreich zu führen, muss man hinter seinem Team und seiner Position stehen und Ziele klar formulieren.“ Genauso wichtig sei es, sich innerhalb des Unternehmens, aber auch mit Kunden und Geschäftspartnern zu vernetzen und aktiv in die Diskussion einzubringen. „Hier sind Frauen nach wie vor zurückhaltender – und das völlig grundlos.“

Martina Fiddrich beobachtet, dass ihre jüngeren Kolleginnen extrem gut ausgebildet sind und analytisch zu arbeiten verstehen, „vor allem in Bezug auf das technische Verständnis, das man in der IT-Branche ohne Zweifel braucht“. Um diese gute Basis zu nutzen, gibt sie jungen Frauen in technischen Branchen drei Ratschläge mit auf den Weg: „Mut, ungewöhnliches Terrain zu beschreiten. Sich erlauben, mit der eigenen Leistung zu glänzen. Und, auch wenn es viele Frauen kaum glauben werden: Erkennen, dass Konflikte manchmal der schnellere und effektivere Weg sind, gemeinsam Herausforderungen zu meistern.“

Wenige Frauen in MINT-Berufen, wenig Nachwuchs in Sicht

Frauen sind immer noch wesentlich seltener in MINT-Berufen tätig als Männer – das zeigt ein aktueller Bericht der Bundesagentur für Arbeit. In mathematischen und naturwissenschaftlichen Berufen liegt der Anteil weiblicher Beschäftigter bei gut einem Drittel, in technischen oder Informatik-Berufen sogar nur zwischen 13 und 17 Prozent. Positiv vermerkt der Bericht, dass die Zahl der Frauen, die sich für ein MINT-Studium entscheiden, in allen Fachrichtungen zugenommen hat.

Allerdings ist das Interesse von Mädchen an MINT-Berufen weiterhin geringer als bei Jungen, das bestätigt der erste OECD-Bildungsbericht mit Fokus auf den Geschlechtern, erschienen im März 2015. Die Studie stellt fest, dass sich die Einstellung von Jungen und Mädchen gegenüber Mathematik und Naturwissenschaften fundamental unterscheidet, ebenso das Interesse an einer entsprechenden Karriere. Im Schnitt kann sich weniger als eines von 20 Mädchen im Alter von 15 Jahren vorstellen, später in einem MINT-Fach zu arbeiten. Bei den Jungen sind es immerhin 4 von 20. Ein erstaunliches Ergebnis, denn beide Geschlechter erbringen im PISA-Test Naturwissenschaften ähnliche Leistungen.

karriereführer wirtschaftswissenschaften 1.2015 – Karriere als Wirtschaftsprüfer

0

Cover karriereführer wirtschaftswissenschaften 1.2015

Karriere mit Durchblick – Wirtschaftsprüfer schauen hinter die Kulissen

Mittendrin. Erfolgreiche Wirtschaftsprüfer erledigen zuverlässig ihre Pflicht und schauen darüber hinaus hinter die Kulissen der Unternehmen ihrer Mandanten. Sie bewältigen Krisen, eröffnen Chancen und zeigen Wege auf. Dabei hat der Nachwuchs die Wahl: Einstieg bei einem der vier großen Top-Arbeitgeber – oder lieber bei einer anderen großen oder einer mittelständischen Gesellschaft?

Schlusswort: Interview mit Dr. Christian Au

Bei Ihrem Unternehmen setzen Sie auf eine „Konsequente Digitalisierungsstrategie“. Warum braucht ein Klassiker wie die Currywurst eine solche?
Jedes Unternehmen, das sich im Endkundengeschäft bewegt, lässt sonst einen entscheidenden Marketingkanal ungenutzt.

Sie sagen, Sie möchten die Currywurst aus der Ecke „schwer und fettig“ herausholen. Wo gehört Sie denn Ihrer Meinung nach hin?
In die Hall of Fame der schnellen Küche. Eins der beliebtesten Essen der Deutschen sollte sich qualitativ nicht hinter guten Burgern oder Pizza verstecken müssen.

Von McKinsey zur Currywust: Warum war das für Sie genau der richtige Schritt?
Als Berater habe ich viel konzeptionell gearbeitet. Ich wollte wieder näher an die Umsetzung ran. Mit meinem Bruch hat dann das Timing für die Gründung einfach gestimmt.

Welche Lektion aus Ihrer Beratertätigkeit bei McKinsey konnten Sie als Start-up-Gründer erfolgreich anwenden?
Weniger eine spezielle Lektion als vielmehr Wissen über Strategieentwicklung und zielgruppengerechte Kommunikation.

Was vermissen Sie aus Ihrer Zeit als Unternehmensberater am meisten?
Großartige Teammomente mit Kollegen aus aller Welt.

Der Drei-Sterne-Koch Juan Amador betreut die Konzeption Ihrer Würste und Soßen. Warum ist dieser Name mehr als ein Marketing-Kniff?
Juan Amador hat unsere Saucen konzipiert und betreut auch die Produktion. Er garantiert die Qualität unserer Speisen.

Was spricht dafür, ein Business-Lunch auch einmal an einer Currywurstbude abzuhalten?
Außer Saucenflecken am Hemd, sehr viel. Im Stehen kann man auf jeden Fall am besten denken.

Wenn Consultants selbst gründen möchten, vor welchen schnell gemachten Fehlern müssen sie sich in Acht nehmen?
Man sollte eine gute Schippe Demut mitbringen. Bei jeder Gründung geht es um Blut, Schweiß und Tränen. Egal, ob man davor Berater oder Student war.

Nach Currywurst und Pommes, welches weitere schnelle Gericht hätte eine Renaissance auf hohem systemgastronomischen Niveau verdient?
Die Pizza. Zurück zu den neapolitanischen Wurzeln.

Abseits Ihrer eigenen: Wo gibt es in Deutschland die besten Currywürste?
Geschmackssache: Etwas gediegener, aber qualitativ sehr gut, geht es im Edelcurry in Hamburg zu. Nach einer durchzechten Nacht: Curry 36 in Berlin.

Zur Person

Christian Au, geboren 1979, studierte Informatik und Philosophie in München, Karlsruhe und St. Gallen. Während seiner Promotion beschäftigte sich der Mainzer mit der Umsetzung von Klimapolitik in Entwicklungsländern. 2007 begann er seine Karriere als Unternehmensberater bei McKinsey und arbeitete als Projektleiter mit Fokus auf den Themen Nachhaltigkeit und Strategie. 2014 verließ er das Beratungsunternehmen und gründete zusammen mit seinem Bruder Tilman das Start-up Fast Good Food. Die Idee: Konzepte der Systemgastronomie für hochwertiges Imbiss-Essen. Die erste Marke „Curry Kartell“ verkauft seit Herbst 2014 Currywurst in Wiesbaden – auf Wunsch auch vegan, mit Bärlauch-Mayo und zum Gin Tonic.

Geschützt: Generation Z und ihr Einfluss auf die Berufswelt

0

Dieser Inhalt ist passwortgeschützt. Um ihn anschauen zu können, bitte das Passwort eingeben:

Hallo Indien! Namaste India!

0

Bereits zwei Wochen nach seinem Berufsstart reiste Dominik Mayer das erste Mal beruflich nach Indien, nach Bangalore – die drittgrößte Stadt Indiens, die wegen der vielen Parkanlagen auch „Gartenstadt“ genannt wird. 2014 war er erneut in einem indischen Projektteam tätig.

Dominik Mayer, Foto: Accenture
Dominik Mayer, Foto: Accenture

Dominik Mayer, 28 Jahre, studierte Wirtschaftsinformatik in Heidenheim und stieg Anfang 2012 als IT-Berater bei Accenture in Düsseldorf ein. Bereits zwei Wochen später reiste er das erste Mal beruflich nach Indien und erarbeitete dort gemeinsam mit indischen Entwicklern Lösungen zur Erweiterung eines SAP-Systems für Finanzprozesse.

Das erste Mal bin ich nach Bangalore geflogen, um dort einen Teil meines Jump Starts zu absolvieren. Dabei handelt es sich um ein für Berufsanfänger entwickeltes Programm, bei dem man in wenigen Wochen die SAP- oder JAVA-Expertise vermittelt bekommt, die für den Projektalltag benötigt wird. Inzwischen arbeiten Einsteiger erst nach Abschluss dieses Programms in Indien. Ich aber war direkt nach meinem Studium Teil eines indischen Entwicklungsteams und habe gemeinsam mit indischen Entwicklern Lösungen zur Erweiterung eines SAP-Systems für Finanzprozesse bei einem deutschen Kunden erarbeitet. Meine Aufgabe in Deutschland war es, technische Designs zu schreiben und die Entwicklung zu koordinieren. In Indien war ich als Teil des dortigen Entwicklungsteams für die Umsetzung dieser technischen Designs zuständig. Mir hat die Arbeit in Indien geholfen, weil ich dort gesehen habe, welche Informationen die Kollegen für ihre Arbeit benötigen. So kann ich auch jetzt, nach meiner Rückkehr nach Deutschland, recht genau einschätzen, welche Angaben ich weitergeben muss, um möglichst alle Fragen der indischen Kollegen zu beantworten. Zudem weiß ich nun, wie wichtig es ist, sich per Mail für die tolle Arbeit zu bedanken und nicht nur im Gespräch.

Die Kollegen in Bangalore haben mich sehr interessiert, aber mit höflicher Zurückhaltung aufgenommen – die weitere Zusammenarbeit war dann sehr offen. Zum Beispiel wurde ich während meiner Zeit in Indien zu mehreren Hochzeiten eingeladen, auch wenn ich das Brautpaar nur flüchtig kannte. Auf der Straße fällt man auf und spürt das große Interesse der Passanten an dem Exoten aus Europa. Vieles in Indien ist sehr umständlich: Wer in Deutschland über die Bürokratie schimpft, der war noch nie in Indien. Ich hatte immer das Gefühl, dass in Deutschland alles reguliert wird. Das ist allerdings kein Vergleich zu indischen Behörden und Firmen. Dort gibt es keine flachen Hierarchien, und in vielen Unternehmen gibt es mehr Hierarchieebenen als in Deutschland. Deshalb waren bei Problemen mit der Bank oder mit dem Handyanbieter in Indien vor allem zwei Eigenschaften unerlässlich: Geduld und Beharrlichkeit – beides hilft natürlich auch später nach der Rückkehr.

Aus meiner Sicht ist bei einem solchen Aufenthalt vor allem wichtig, dass man sich offen für Neues zeigt und auch ein bisschen Mut mitbringt, um in eine komplett andere Welt einzutauchen. Mit der deutschen Kultur kann und sollte man Indien nicht vergleichen. Das plakativste Beispiel ist sicherlich das Essen. Wer denkt, er habe in einem indischen Restaurant in Deutschland schon einmal indisch gegessen, liegt vollkommen falsch – das Essen dort ist an den europäischen Geschmack angepasst. Ich esse sonst eher selten scharf, und ausgerechnet ich war in Hyderabad und Bangalore, den beiden Städten, die selbst innerhalb Indiens für extrem scharfes Essen bekannt sind. Zugegebenermaßen hatte ich große Anpassungsprobleme und musste sehr aufpassen, was ich bestellen kann. Sicherlich ungewöhnlich für Europäer ist zudem, dass es selbst zum Frühstück schon scharfes Essen gibt.

Während meines Aufenthalts in Indien konnte ich mir auch einen langgehegten Traum erfüllen und das Taj Mahal ansehen. Die Reise habe ich zusammen mit 13 anderen Deutschen aus verschiedenen Städten organisiert, mit denen ich mich am Flughafen Neu Delhi getroffen habe. Das Taj Mahal ist nur etwa 200 Kilometer von Neu-Delhi entfernt, aber in Indien bedeutet das eine fünfstündige Fahrt. Spätestens als ich sah, wie das besondere Licht bei Sonnenaufgang den weißen Marmor des Taj Mahals zum Leuchten bringt, wusste ich aber, wofür ich die beschwerliche Anreise auf mich genommen habe. Wir haben in unserer Freizeit noch weitere Orte in Indien besucht und Kurzurlaube in Goa gemacht. Die ehemalige portugiesische Kolonie war eine angenehme Abwechslung zu den hektischen Großstädten.

Nach meinem ersten Aufenthalt in Indien hatte ich 2014 erneut die Möglichkeit, für sechs Monate in Hyderabad zu leben und dort in einem indischen Projektteam mitzuarbeiten. Meine berufliche Zukunft sehe ich auch weiterhin in internationalen Projekten. Die Zusammenarbeit über mehrere Kontinente, Zeitzonen und Kulturen hinweg fordert mich auch nach drei Jahren noch täglich heraus. Und auch heute merke ich immer wieder, was für ein großer Vorteil es ist, die indischen Strukturen und die indische Mentalität besser zu kennen.

Indien

Landesinformationen:
Größe: 3,3 Mio. qkm
Einwohner: 1,2 Mrd. (Volkszählung 2011)
Hauptstadt: Neu-Delhi (13,8 Mio. Einwohner)
Klima: Durchschnittstemperatur in Neu-Delhi: Januar 21°C/Juli 35°C
Landessprache: Es werden über hundert Sprachen gesprochen, Amtssprachen sind Hindi und Englisch.

Währung:
Indische Rupie (INR)
1 Euro = 70,3 INR (Stand: 25.2.2015)

Flugdauer Direktflug:
Frankfurt/Main – Neu-Delhi:
circa 8 Stunden
Kosten: circa 600 Euro

Essen:
Die indische Küche zeichnet sich durch ihre regionale Vielfalt aus. Sie ist außerdem für ihre zahlreichen Gewürze und scharfen Saucen bekannt. Beliebte Gerichte sind Ziegen- und Lammfleischgerichte sowie gefüllte Teigwaren, die Samosas.

Zeitverschiebung
LGMT +5:30 Stunden

Einreisebedingungen:
Deutsche Staatsbürger brauchen einen Reisepass und ein Visum, das zuständige indische Auslandsvertretungen ausstellen. Seit Ende 2014 können deutsche Reisepassinhaber bei Ankunft in Indien unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich eine Elektronische Reiseerlaubnis („Electronic Travel Authorization“ – ETA), ein spezielles Touristenvisum, erhalten. Dies berechtigt zur einmaligen Einreise für einen Reisezeitraum von bis zu 30 Tagen.

Wirtschaftswandel zu mehr Komplexität

Fredmund Malik zählt zu den profiliertesten Wirtschaftswissenschaftlern Europas. Schon 1997 schrieb er erstmals von der „Großen Transformation21“, einem allumfassenden und rasanten Wandel der Wirtschaft, der zu mehr Komplexität führt. Was das für Manager bedeutet und wie sich der Nachwuchs dafür rüsten kann, erklärt er im Interview. Das Gespräch führte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. Fredmund Malik, geboren 1944 in Österreich, ist habilitierter Professor für Unternehmensführung, Special und Honorary Professor an drei chinesischen Universitäten sowie international ausgezeichneter Managementexperte. Seine Denkfabrik für ganzheitliche system-kybernetische Managementsysteme mit Sitz in St. Gallen ist weltweit führend. Malik gehört zu den profiliertesten Managementvordenkern und ist Bestsellerautor von mehr als zehn Büchern. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst sowie den Heinz von Foerster-Preis für Organisationskybernetik.

Herr Prof. Malik, Sie sprechen von der Großen Transformation21 als einer Umwandlung, wie sie nur alle rund 200 Jahre vorkommt. Woran machen Sie fest, dass wir gerade Wirtschaftsgeschichte schreiben?
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird derzeit weit mehr als nur Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Die Große Transformation21 führt von der Alten Welt, wie wir sie kannten, zu einer grundlegend Neuen Welt.

Was sind die stärksten Antreiber dieses Wandels?
Zu den stärksten Triebkräften zählen die Demografie, die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie – insbesondere der Informatik und der Biowissenschaften –, die Ökologie mit ihren kaum überblickbaren Risiken und schließlich die Ökonomie – und hier vor allem die historisch größte globale Verschuldung so gut wie aller Wirtschaftssektoren. Zusammen erzeugen diese Treiber eine exponentiell wachsende Komplexität, mit der die meisten Organisationen noch gar nicht umgehen können. Was diesen Wandel so einzigartig macht, ist die immer dichtere Vernetzung von immer mehr Lebensbereichen, die eine Dynamik eines sich selbst beschleunigenden Wandels zur Folge hat.

Aber gab es Wandel nicht auch in früheren Zeiten?
Ja, es gab regelmäßig Transformationsepochen, die mit unserer Zeit erstaunliche Ähnlichkeiten haben. Sie traten jedoch nicht so stark ins Bewusstsein der Menschen, weil sie jeweils drei bis vier Generationen überspannten, so dass sich die Jüngeren daran jeweils nicht mehr erinnern können. Nur wenige interessieren sich für Geschichte so gründlich, dass ihnen diese Transformationen als Ganzes bewusst wären.

Was folgt aus dieser Transformation?
Was wir heute daraus machen, ob es eine soziale Katastrophe gibt oder ein neues Wirtschaftswunder, hängt maßgeblich von unserem eigenen Handeln ab. Ich gratuliere Führungskräften der Wirtschaft und aller anderen Gesellschaftsbereiche, die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt haben und mental und methodisch auf diese Transformation vorbereitet sind. Denn selten findet unternehmerische und politische Gestaltungskraft mehr Anwendungsfelder als in den nächsten zehn Jahren.

Was müssen Führungskräfte können, um diese Herausforderung zu meistern?
Um die Gestaltungsmöglichkeiten erfolgreich zu nutzen, genügen die bisherige Wissensbasis und die darauf beruhenden Denkweisen, Methoden und Lösungen nicht mehr. Die Wirtschaftswissenschaften allein reichen heute nicht mehr, um Organisationen in der heutigen Dynamik zu gestalten und zu führen, sondern dafür braucht man die Komplexitätswissenschaften.

Was verstehen Sie darunter?
Man muss hier zunächst einmal zwischen den Begriffen „kompliziert“ und „komplex“ unterscheiden. Kompliziertheit ist eine Bedrohung. In der Komplexität hingegen liegen enorme Chancen, die man schnell und zuverlässig mit dem enormen Wissen aus den drei Komplexitätswissenschaften Systemik, Kybernetik und Bionik erkennt. Diese Wissenschaften zeigen uns, wie Organisationen unter allen Bedingungen zuverlässig funktionieren. Aus der Biologie wissen wir, dass alle höheren Fähigkeiten eines Systems aus mehr Komplexität entstehen – und eben nicht aus ihrer Reduktion.

Dinge einfach zu halten, ist also nicht unbedingt ein Erfolgsrezept?
Nein, denn Komplexität ist der Rohstoff für Information, für Kommunikation und für Intelligenz. Komplexität ist Vielfalt; sie führt von der Welt der Tatsachen in die weit größere Welt der Möglichkeiten. Sie eröffnet das Spektrum für Optionen, für Kreativität und für Innovation.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die im Auftrag ihrer Mandanten in der Komplexität nach handhabbaren Strukturen suchen?
Täten solche Unternehmen dies mit den herkömmlichen Denkweisen und Mitteln, dann verzögerten sie eher die nötigen Anpassungen und behinderten neue Lösungen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden daher ihren Mandanten dabei helfen müssen, die bisherigen Systeme für Rechnungswesen und Controlling grundlegend zu reformieren. Denn diese können heute viele der Informationen für die nötigen Anpassungen gar nicht in dem Maße abbilden, wie es jetzt nötig ist. Und auch die heutigen Corporate-Governance-Systeme müssen grundlegend reformiert werden. Strategien, Strukturen, Kulturen und Informationssysteme, Prozesse der Meinungs- sowie der Konsensbildung, des Entscheidens und Umsetzens müssen vollkommen neu gestaltet werden. Die Bereiche Consulting, Coaching, Personalvermittlung oder Executive Search spielen eine Schlüsselrolle für das Meistern der Transformation. Aber dafür müssen sie auch selbst neue Wege gehen: Viele haben ihre bisherigen Erfolge mit Lösungen für die alte Welt erzielt – und davon wegzukommen, ist nicht einfach.

Wie kann sich ein Absolvent der Wirtschaftswissenschaften auf die Gegebenheiten der neuen Unternehmens- und Wirtschaftswelt vorbereiten?
Bereits vorhandenes Wissen muss ergänzt werden. Das bedeutet nicht zwangsläufig viel Arbeits- und Zeitaufwand: Trifft man die richtige Auswahl von Informationsquellen, dann geht das relativ schnell. Man braucht Grundkenntnisse über die erwähnten Komplexitätswissenschaften, denn wirksames Management bedeutet im Kern das Meistern von Komplexität, von Vernetzung und von Dynamik. Vor allem sollten Nachwuchskräfte die zum Teil revolutionären system-kybernetischen Tools und Methoden kennen, einige davon kann man in kurzer Zeit erlernen.

Was für Tools und Methoden sind das?
Wir arbeiten schon lange bei der Ausbildung von Managern mit „Denk-Werkzeugen“ für den Umgang mit Komplexität, ohne dass sich die Führungskräfte lange mit Theorie befassen müssen. Innerhalb von wenigen Stunden kann man seine Wahrnehmung für Komplexität schärfen und eine Basis für ihre Beherrschung gewinnen. Dieses Lernen erfolgt nicht mehr wie in der herkömmlichen Schulklasse, sondern ist Teil der Anwendungswirklichkeit. Es entspricht dem Lernen dieser Neuen Welt.