Es ist der Tag vor Heiligabend 2017: Gerade hat der dritte von vier Herrenknecht-Mixschilden die Vortriebsarbeiten für den ersten von zwei neuen, doppelröhrigen Straßentunneln unter dem Suez-Kanal beendet. – Autoschlangen gehören bald der Vergangenheit an. Von Christoph Berger
Ziel der neuen Tunnelbauwerke bei den beiden ägyptischen Städten Port Said und Ismailia ist es, die Sinai-Halbinsel stärker an das ägyptische Kernland anzubinden und der Region so neue wirtschaftliche Chancen zu eröffnen: Anstatt bis zu fünf Tage vor der Fähre in langen Autoschlangen zu verbringen, wird die Passage des Suez-Kanals über die leistungsfähigen Tunnel zukünftig nur noch zehn Minuten dauern. Dazu wurden in rund anderthalb Jahren zwei gigantische, doppelröhrige Straßentunnel, vier Tunnelröhren also, unter der künstlichen Wasserstraße aufgefahren: Zwei Straßentunnel entstanden nördlich von Ismailia und verlaufen unter dem alten und neuen Suez-Kanal. Zwei weitere unterqueren den Kanal südlich von Port Said.
An dem besagten 23. Dezember 2017 beendete der dritte Herrenknecht-Mixschild S960 mit einem Durchmesser von 13,02 Metern seinen Vortrieb für das Straßentunnel-Projekt bei Ismailia. Insgesamt waren für die neuen Suez-Querungen vier hochmoderne, baugleiche Tunnelbohrmaschinen vom deutschen Tunnelbohrunternehmen Herrenknecht geordert worden. Diese Maschinen stellten die Tunnel in Tiefen von bis zu 60 Metern und bei bis zu sechs Bar Wasserdruck in 19 Monaten her – insgesamt 15,3 Kilometer neue Tunnel. Um das komplexe Projekt erfolgreich abzuschließen, hatte das deutsche Unternehmen im Vorfeld der Vortriebsarbeiten 40 ägyptische Ingenieure in Schwanau und auf den Baustellen ausgebildet.
Die Mixschilde der Tunnelbohrmaschinen haben einen Durchmesser von 13,02 Metern und erstellen über 15 Kilometer neue Tunnel für das Großprojekt. Zudem wurden die Vortriebsmannschaften von den deutschen Experten mit umfassenden Serviceleistungen versorgt und Peripherie-Einrichtungen bereitgestellt: Dazu zählten beispielsweise Navigations- und Prozessdatenmanagement-Systeme, Schalungen und Multi-Service-Fahrzeuge.
Nicht zuletzt arbeiteten auch erfahrene und fachkundige Serviceexperten von Herrenknecht im Team mit der Mannschaft der bauausführenden Unternehmen zusammen, um Baustellenprozesse wie Montagen und den eigentlichen Vortrieb zu optimieren. Doch mit der aus Deutschland gelieferten Technologie wird nicht nur die Verkehrsinfrastruktur in der Region den zeitlichen Anforderungen angepasst, mit ihr werden auch Ver- und Entsorgungsleitungen gebaut. Zwei HDD-Rigs, eine Horizontalbohrtechnik zur grabenlosen Pipelineverlegung, ziehen Rohrleitungen für den Ausbau des Stromnetzes ein. Und zwei AVND-Maschinen, Vortriebsuniversalisten für jede Geologie im Durchmesserbereich von 0,4 bis etwa vier Metern, wiederum sorgen für den Bau von Wasserleitungen für die Landwirtschaft.
Deutschland leidet unter einem massiven Wohnungsmangel – gerade in den Ballungszentren. Daher will die Bau- und Immobilienwirtschaft das Bauen beschleunigen – zu moderaten Preisen und hoher Qualität. Ein europaweites Ausschreibungsverfahren brachte nun neun Lösungen zum seriellen und modularen Bauen hervor, die als Katalysatoren für die Beschleunigung zur Verfügung stehen. Von Christoph Berger
Dass das Bauunternehmen Goldbeck Logistikhallen, Parkhäuser und Bürogebäude baut, ist bekannt. Nun baut das Unternehmen auch Wohnungen. Dabei geht es um Wohnungen mit System aus industriell vorgefertigten Bauteilen. Goldbeck ist eins von neun Unternehmen, das nach dem ersten europaweiten Ausschreibungsverfahren für serielles und modulares Bauen ausgewählt wurde und dessen System nun von den Mitgliedsunternehmen des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW ausgewählt werden kann – dazu wurde im Mai dieses Jahres eine Rahmenvereinbarung zwischen GdW, Bundesbauministerium, dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Bundesarchitektenkammer unterzeichnet.
Ziel der Ausschreibung war es, Systeme zu identifizieren, um Wohnungsneubauprojekte schneller, einfacher, kostengünstiger und trotzdem in hoher Qualität realisieren zu können. So ergibt sich die Zeitersparnis gerade dadurch, dass Teile der Projektausschreibung und -vergabe sowie der Planung eines vorgesehenen Wohnungsbaus durch die Rahmenvereinbarung sowie durch verkürzte Baustellenzeiten aufgrund der Vorfertigung von Bauteilen vorweggenommen wurde. Neben Goldbeck gehören auch Lechner Immobilien Development, AH Aktiv-Haus, Max Bögl Modul, ALHO Systembau, Solidbox, Lukas Lang Building Techno logies, ARGE MBN Bau sowie Hullak Rannow und Züblin zu den Auserwählten.
Das Fact Sheet …
… zur „Rahmenvereinbarung für serielles und modulares Bauen – für schnellen, kostengünstigen Wohnungsbau in hoher Qualität“:
https://bit.ly/2J0sl4N
Die industriell und in Massivbauweise entwickelten Module im Bausystem von Max Bögl werden beispielsweise in zwei Längen angeboten und sind für alle typisierbaren Gebäudekategorien einsetzbar. Die Konfiguration von städtebaulichen Ensembles und Gebäuden findet mithilfe eines Planungskatalogs statt, die Module werden dann auf der Baustelle montiert. Bis zu acht Geschosse sind mit der Lösung möglich. Ebenso werden die von Solidbau entwickelten Wohnmodule aus Smartbeton fast vollständig im Werk vorgefertigt – ebenfalls mit einer Zusage an Flexibilität bei Größe und Grundrissen.
Die Bauindustrie sieht in den Ausschreibungsergebnissen mehrere Vorteile: Zum einen sollen die im seriellen und modularen Wohnungsbau schlummernden Potenziale ausgelotet werden, zum anderen „sehen wir in der Design-and-Build-Ausschreibung einen wichtigen Schritt in Richtung einer vertieften partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Architekten und Baufirmen. Wir sind davon überzeugt, dass gerade beim seriellen Wohnungsbau – insbesondere beim Einsatz von Wohnmodulen – frühzeitig auch die Baukompetenz in die Planung eingebracht werden muss“, betonte Marcus Becker, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, bei der Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung.
Foto: Tõnu Tunnel / Arvo Pärt Centre
Arvo Pärt, der international angesehene Komponist aus Estland, erhielt in seinem Heimatland ein neues Gebäude, das sich dem Leben und dem Werk des 1935 geborenen Musikers widmet. Das Arvo Pärt Zentrum, das zwei spanische Architekten entwarfen, befindet sich in Laulasmaa, rund 35 Kilometer von der estnischen Hauptstadt Tallinn entfernt. Schon 2010 gründete die Familie des Komponisten ein Archiv für die Skizzenhefte, Partituren und audiovisuellen Datenträger des Künstlers. Mit dem Neubau wurde das Archiv nun für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das helle Gebäude, das aus Glas, Holz und Beton besteht, liegt in einem Kiefernwald in der Nähe der Ostsee und beherbergt auch einen Konzertsaal mit 150 Plätzen, eine Bibliothek, Lese- und Seminarräume sowie Ausstellungsflächen. Der knapp 2400 Quadratmeter große Bau, der auch eine Kapelle und eine Aussichtsplattform umfasst, hat keine Ecken. Finanziert hat das 8,3 Millionen teuren Projekt der estnische Staat.
www.arvopart.ee/en
KOLLEGE ROBOTER HILFT BEIM BAU
Foto: AIST
Er nimmt das Brett in die Hand, bringt es zur Wand, ermittelt die richtige Position und befestigt es mit ein paar Schrauben. Noch ein paar Wiederholungen, und fertig ist die Trockenwand. Das Besondere daran: Die Arbeit macht kein Bauarbeiter, sondern der humanoide Roboter HRP5P, der sich eigenständig bewegt, Objekte erkennt und vermisst und seine Arbeitsschritte selbstständig plant. Erfinder des Bauhelfers ist das japanische National Advanced Industrial Science and Technology Institute (AIST), das seinen 1,82 Meter großen und 101 Kilo schweren menschenähnlichen Roboter nun in einem Youtube-Video vorstellte. Derzeit sucht das AIST nach Industriepartnern, um die Technik weiter zu verbessern und den Roboter künftig vielleicht wirklich im Hoch-, Flugzeug- oder Schiffbau einzusetzen.
LÄNGSTE BRÜCKE DER WELT ERÖFFNET
55 Kilometer lang ist die Hong Kong-Zhuhai-Macao-Brücke (HZMB), die China im Oktober eröffnet hat. Die HZMB ist damit weltweit die längste Meeresbrücke. Sie verbindet die Finanzmetropole Hongkong mit den chinesischen Industriestandorten Zhuhai und Macao. Die Brücke selbst ist knapp 30 Kilometer lang, der Rest sind Zufahrtsstraßen von und zu den angebundenen Städten. Zu der Konstruktion gehört auch ein sieben Kilometer langer Tunnel unter Wasser, der taifun- und erdbebensicher gebaut wurde. Mit 15 Milliarden Euro waren die Baukosten weit höher als geplant. www.hzmb.gov.hk/en
STUDIERENDE WERDEN BAUHERREN
Seit Anfang 2013 treibt eine studentisch geprägte Projektgruppe das Projekt für das Neue Collegium Academicum (CA) in Heidelberg voran. Dabei handelt es sich um eine Initiative, in der ein selbstverwaltetes Wohnheim, eine Bildungsinstitution sowie ein kulturelles Zentrum unter einem Dach vereinigt werden. Das Projekt entsteht auf ehemals militärisch genutzten Flächen in Heidelberg-Rohrbach. Genutzt werden zwei Bestandsgebäude, ein Neubau wird in moderner Holzbauweise gebaut. So entsteht unter anderem gemeinschaftliches Wohnen und bezahlbarer Wohnraum für mehr als 200 junge Menschen.
Weitere Infos unter: https://collegiumacademicum.de
BAU EINER EINZIGARTIGEN UNTERWASSERRESIDENZ
Foto: Conrad Hotels & Resorts
„Dieses revolutionäre Konzept wird das Erlebnis der Malediven für Reisende verändern.“ Mit diesen Worten kündigte die Hotelmarke Conrad Maldives Rangali Island im April den Bau einer Unterwasserresidenz an. 15 Millionen US-Dollar würden dafür investiert, heißt es. Dafür können Besucher dann auch unter Wasser übernachten – Kopf an Kopf mit Fischen. Weitere Infos unter: www.hiltonhotels.de/malediven/conradmaldivesrangaliisland
BEZAHLBARE WOHNUNGEN VON STARARCHITEKTEN
Foto: Rasmus Hjortshoj
Funktional und bezahlbar, dazu noch sicher und nachhaltig – das waren die Anforderungen, die die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft von Lejerbo in Dänemark an die Architekten stellte. Diese sollten ein Konzept für den Kopenhagener Stadtteil Bispebjerg erstellen, in dem günstiger Wohnraum stark nachgefragt ist. Stararchitekten entwarfen ein fünfgeschossiges, 6800 Quadratmeter großes Gebäude mit 66 Wohnungen zwischen 60 und 115 Quadratmetern. Der kurvige Bau mit einem kleinen Platz in der Mitte besteht aus Modulen, die wie aufeinandergestapelte Schachteln ausschauen. Struktur geben vorfabrizierte Holzpaneele. Der dänische Architekturverband hat diesen Bau mit dem Lille Arne Award 2018 ausgezeichnet.
DIE LÄNGSTE HÄNGEBRÜCKE NÖRDLICH DES POLARKREISES
Foto: Line Vestnes
In Norwegen entsteht mit einer freien Spannweite von 1145 Metern derzeit eine der längsten Hängebrücken Europas. Die Hålogalandbrücke an der Fernstraße E6 wird 300 Kilometer nördlich des Polarkreises gebaut. Sie überquert einen Fjord nahe der Stadt Narvik. Die Gesamtlänge der Brücke umfasst 1533 Meter, an beiden Seiten befinden sich zudem Tunnel. Auf die Fahrbahn wird eine große Menge an Spezialasphalt mit einer besonderen Rezeptur aufgebracht, auf die Stahloberfläche kommt zudem eine wasserfeste Schicht von 80 Millimetern. Die Brücke wird von einem chinesischen Unternehmen gebaut und aus Staatsgeldern sowie Mauteinnahmen finanziert. Der Zeitpunkt der Eröffnung hat sich verzögert und steht noch nicht fest.
HOCHWASSER AUSSPERREN
Venedig wird regelmäßig von Hochwasser heimgesucht. Um die Stadt – und vor allem das historische Zentrum – zu schützen, wird derzeit ein Sturmflutsperrwerk aus beweglichen Fluttoren gebaut. Das sogenannte MO.S.E.Projekt (modulo sperimentale elettromeccanico) wird an den drei Öffnungen der venezianischen Lagune installiert und soll bei Hochwasser die Lagune vom offenen Meer abschotten. Ähnliche Sperrwerke gibt es bereits an der Themse in London und im niederländischen Rotterdam. www.mosevenezia.eu/?lang=en
FAB FAM: ERFOLGREICHE FAMILIENUNTERNEHMEN
91 Prozent der Firmen in Deutschland zählen laut der Stiftung Familienunternehmen zum Unternehmertyp Familienunternehmen: regional verwurzelt, doch oftmals international aufgestellt. Auch in der deutschen Bauindustrie gibt es viele Familienunternehmen, die seit Generationen bestehen und wachsen. Alleine unter den Top 10 der größten Bauunternehmen befinden sich aktuell sieben Familienunternehmen. Das älteste, die Bauer AG, wurde 1790 gegründet. Wer in die Zeitmaschine einsteigen will: Um 1790 herum gab es noch kein Telefon, kein Fahrrad und natürlich noch keine Autos.
Die Gebäudevision? Der Aufbruch in eine neue Arbeitswelt, orientiert am Dreiklang „Mensch“, „Raum“ und „Technologie“. Der Axel-Springer- Neubau im Herzen Berlins vereint avantgardistische Architektur und kühne Ingenieurskunst. Entworfen hat ihn Rem Koolhaas, Generalunternehmer ist Züblin. Dort setzt man auf Partnerschaft und BIM. BIM-Manager Dr. Florian Binder öffnete für uns sein Projekttagebuch. Aufgezeichnet von Christoph Berger
Zur Person
Dr. Florian Binder, Foto: Züblin
Florian Binder, gebürtiger Heidelberger. Seit 2014 bei der Ed. Züblin AG. Aufgaben als BIM-Manager: Konzeption und Leitung von BIM-Projekten; Entwicklung und Implementierung von BIM-Anwendungen in allen Lebenszyklusphasen eines Bauwerks Gremienarbeit für Züblin: Mitwirkung in der VDI Richtlinienreihe 2552 „Building Information Modeling“ Ausbildung: Studium Wirtschaftsingenieurwesen (Bau) sowie Bauingenieurwesen an der TU Darmstadt; Abschluss als Dipl.-Wirtsch.- Ing. und Dipl.-Ing.: Studienschwerpunkte Baubetrieb, Bauinformatik, Immobilienmanagement. Später wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetrieb der TU Darmstadt; Abschluss als Dr.-Ing. mit den Forschungsthemen in den Bereichen BIM, baubetriebliche Informationsversorgungssysteme und Baulogistik.
Nicht alleine die Architektur des neuen Axel Springer-Hauses ist einzigartig und wird zu einem weiteren Blickfang in Deutschlands größter Metropole werden. Auch die Tragstruktur des Neubaus mit seiner komplexen Geometrie ist äußerst herausfordernd. So sieht der Entwurf des Stararchitekten Rem Koolhaas ein bis zu 45 Meter hohes Atrium vor, das sich durch das gesamte Gebäude zieht und zum bestehenden Verlagsgebäude von Axel Springer hin öffnet. Um die Lasten der über dem Atrium liegenden oberen fünf Etagen zu tragen, ist ein Transfertragwerk im obersten Geschoss notwendig – eine 1325 Tonnen schwere Stahlbaumontage.
Alleine aufgrund dieser Komplexität wurden bereits die Entwurfsplanung und Angebotsbearbeitung für das Projekt mit Unterstützung von BIM-Software durchgeführt – mal abgesehen davon, dass auch der Bauherr den Wunsch hat, das Gebäude nach Fertigstellung mit BIM zu betreiben und die von uns erstellten digitalen Bauwerksmodelle mit einem Facility-Management-System zu verknüpfen. Dadurch können Informationen aus Planung und Bau direkt für das Facility Management genutzt und vor allem verortet werden. Somit haben wir mit Projektstart nicht nur den Bau, sondern den gesamten Gebäudelebenszyklus im Blick. Da ist Zusammenarbeit vonnöten:
Bauingenieure, Architekten und Haustechniker arbeiten zusammen, um das Projekt gemeinsam zum Erfolg zu führen. Zwar wird das Gebäude am Ende physisch aus Beton und Stahl bestehen, doch viele Prozesse, die die Erstellung eines entsprechenden Bauwerks unterstützen, sind mittlerweile digitalisiert – auch auf Basis von BIM.
So läuft beispielsweise die Kollisionsprüfung als Unterstützung der Planungskoordination mit BIM ab. Geprüft wird etwa, ob der Durchbruch in einer Wand für die dort zu verbauende Brandschutzklappe geometrisch passt. Für die Planung bedeutet dies zum einen, dass hier schon ein hoher Bedarf nach Detailinformationen besteht, da zum Beispiel der nötige Ringspalt um die Brandschutzklappe abhängig von den Eigenschaften der zu verbauenden Klappe ist. Und es bedeutet, dass die Planung einen entsprechenden Vorlauf vor der Ausführung benötigt – es bringt nichts, wenn die Software eine Kollision aufspürt, die Wand dann aber schon betoniert ist.
Werden mithilfe von BIM Kollisionen aufgespürt, dann werden diese gemeinsam innerhalb des digitalen Modells gelöst. Mit Beginn der Ausführungsphase konnten die Ingenieure dann aufgrund der detailgetreuen Vorarbeiten über Bauwerksinformationsmodelle auf die im Modell hinterlegten Informationen der Planungsphase zugreifen. Allerdings mussten dazu nicht nur die Planungen auf einem sehr hohen Qualitätsniveau abgeschlossen sein, benötigt wurden auch weitreichende Entwicklungen in den angewandten Prozessen und den eingesetzten Informationstechnologien. Und: Die Bauleiter aus Rohbau, Fassade, Ausbau sowie der technischen Gebäudeausrüstung greifen nicht nur auf die erstellten Daten zu, sie tragen auch neue Informationen aus der Ausführung über ihre Tablets in die Systeme ein – BIM wird damit zu einer sehr produktiven Methode.
Aufgaben eines BIM-Managers
Ich selbst bin BIM-Manager in dem Projekt und bereits im Zuge der Angebotsbearbeitung eingestiegen. Im Großen und Ganzen bin ich vonseiten Züblins dafür verantwortlich, dass wir die durch den Bauherrn und unser Projektteam gesteckten BIM-Ziele effizient erreichen. Hierzu erstellte ich nach der Beauftragung einen sogenannten BIM-Abwicklungsplan – in Abstimmung mit der Projektleitung und Gesamtplanungskoordination. Dieser Plan wurde und wird im Projektverlauf phasenweise ergänzt, angepasst und vor allem praxisnah verfolgt. Am spannendsten ist dabei natürlich die Steuerung der praktischen Umsetzung durch meine Kollegen aus der BIM-Koordination und mich. Gerade die Koordination der gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit mit all den beteiligten Personen stellt in einem solch komplexen Projekt die größte Herausforderung dar – neben einzelnen technischen Aspekten.
Zudem ändern sich die an BIM gestellten Anforderungen immer wieder neu, sodass es gilt, auch während des Projekts immer wieder neue Prozesse zu entwickeln. Dabei muss ich priorisieren, ob überhaupt jede Neuerung tatsächlich für den Einsatz sinnvoll ist. Ebenso sind Aufwand und Risiken zu berücksichtigen. Zusammengefasst ist es also eine gute Mischung aus technischen und zwischenmenschlichen Herausforderungen. Damit diese erfolgreich gemeistert werden können, bedarf es grundsätzlich eines übergeordneten technischen Verständnisses, einerseits für die IT, andererseits für die durch BIM unterstützten Bauprozesse.
Und gerade durch den Umgang mit allen anderen Beteiligten im Bauprojekt benötigen wir keine reinen IT-Experten, sondern vielmehr Bauingenieure, die BIM als Werkzeug zur Bewältigung der Herausforderungen in den Bauprojekten verstehen. Natürlich braucht es darüber hinaus auch die notwendigen Kommunikationsfähigkeiten, die mit einer gewissen Portion Leidensfähigkeit bei IT-Problemen, aber auch Gelassenheit gepaart sein sollten – für die Stresssituationen. Prinzipiell habe ich festgestellt, dass diejenigen, die sich mit diesen Voraussetzungen für die Erstellung von Bauwerken wie für den Einsatz von Innovationen begeistern, auf jeden Fall Freude an den Arbeiten eines BIM-Managers haben.
Was den Axel-Springer-Neubau betrifft, so lagen wir beim Richtfest im September 2018 voll im Kosten- und Terminplan. Allerdings will ich dies nicht auf den BIM-Einsatz zurückführen. Aus meiner Sicht spielen dafür vielmehr realistische Zielsetzungen die größte Rolle. In dem Projekt haben der Bauherr, unsere Angebotsbearbeitung und unsere Projektleitung diesbezüglich offensichtlich hervorragende Arbeit geleistet. Natürlich kommt es dann auch auf die entsprechende Umsetzung durch das Projektteam und alle beteiligten Nachunternehmen an. Da hat BIM sicherlich an der ein oder anderen Stelle geholfen. Aber es ist definitiv nicht die maßgebliche Größe. Und letztlich muss man auch festhalten, dass erst die Fertigstellung des Rohbaus gefeiert wurde. Im Projekt ist daher noch viel zu leisten. Ich hoffe, es geht genauso weiter.
BIM soll ab 2020 bei allen neu zu planenden Projekten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eingesetzt werden. Über die Voraussetzungen sprach karriereführer-Autor Christoph Berger mit Georg Reitschmidt, Managing Director des 5D Instituts in Friedberg (Hessen) und Mitausrichter des Kongresses „Infrastruktur digital planen und bauen 4.0“.
Georg Reitschmidt,Foto: 5DInstitutHerr Reitschmidt, ist BIM im Infrastrukturbereich schon stärker als in anderen Baubereichen angekommen?
Die großen Auftraggeber, die Deutsche Bahn und die DEGES, treiben das Thema aktiv voran. Und ebenso fordert und fördert das BMVI als zuständiges Ministerium die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden öffentlichen Auftraggeber zum Thema BIM – die laufenden Pilot- und Regelprojekte werden wissenschaftlich begleitet, um Erkenntnisse zu sammeln und diese dann zu multiplizieren. Im Hochbau gibt es hingegen bei der öffentlichen Hand bisher nur eine Zielsetzung, aber keine konkrete Umsetzung. Allerdings sind im privaten Sektor vor allem bestimmte Generalunternehmer im Bereich BIM schon sehr aktiv, da sie den Mehrwert für sich erkannt haben. Der Infrastrukturbereich hat aktuell durch seine öffentlichen Pilotprojekte so zwar eine besondere Strahlkraft, ist dem Hochbau aber nur im öffentlichen Bauen voraus. Im Infrastrukturbereich kommen zudem die Vorteile von BIM besonders zum Tragen, da Auftraggeber, Nutzer und Betreiber aus demselben Konzern stammen.
Die erste Phase des dreistufigen Plans zur Einführung von BIM wurde in diesem Jahr abgeschlossen, die dazugehörigen Pilotprojekte wurden ausgewertet. Was sind die Kernergebnisse dieser ersten Phase?
Die Auswertung der Pilotprojekte geht weiter: Hier sind vor allem die Begleitforschungen BIM4RAIL und BIM4INFRA zu nennen. Die Pilotprojekte haben bisher viele gute Erkenntnisse geliefert, aber auch gezeigt, wie schwer es ist, bei einem Infrastrukturprojekt mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren in kurzer Zeit Erkenntnisse zu gewinnen. Die Normung wird national und international aktiv vorangetrieben – hier sind wir auf einem guten Weg. Beim Thema Ausbildung sind sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer noch zurückhaltend, hier muss definitiv mehr getan werden.
Und welche weiteren Schritte müssen nun folgen?
Das BMVI ist mit der Gründung eines BIM Kompetenzzentrums auf einem guten Weg. Denn: Das Thema muss mehr in die Breite gebracht und es müssen mehr Ingenieure fortgebildet werden. Anders wird die Bearbeitung aller neuen Infrastrukturprojekte ab 2020 nach der BIM-Methodik, wie vom BMVI gefordert, nicht machbar sein.
Mal von BIM abgesehen: Welche weiteren Digitalisierungslösungen sind für den Bau noch interessant?
Es gibt für BIM viele Definitionen, daher lässt sich einiges nicht leicht abgrenzen. Große Potenziale liegen aber in der Zulieferkette: Das reicht von der Bestellung des Materials bis zum digitalen Lieferschein. Dort gibt es noch viel zu optimieren. Auch die Automatisierung und die Robotik im Bau werden sicher zunehmend eine Rolle spielen – vor allem aufgrund des Mangels an Facharbeitern auf den Baustellen und steigenden Investitionen. Ein weiteres Thema wird die digitale Baufabrik mit einer höheren Vorfertigung werden. Hier könnte der europäische Markt zunehmend unter Druck geraten durch Zulieferer aus Fernost.
Warum Hochhäuser aus Holz weltweit boomen? Weil Nachhaltigkeit beim Bauen im Trend liegt. Holz gehört zu den Baumaterialien der Zukunft. Waren es anfangs vor allem Wohnhäuser aus Holz, entstehen inzwischen auch Wolkenkratzer aus dem nachwachsenden Rohstoff. Von Christoph Berger
Auf dem Baufeld 102 im Quartier Elbbrücken in Hamburgs Hafencity, prominent auf der vorspringenden Kaianlage des Baakenhafens gelegen, wird bis 2021 die „Wildspitze“ entstehen, Deutschlands höchstes Holzgebäude. Markanter Orientierungspunkt wird dabei ein rund 64 Meter hoher, 18geschossiger Turm sein, der allseitig mit einer individuell zu öffnenden, gläsernen zweiten Fassadenhaut, die als Lärm, Witterungs- und Brandüberschlagsschutz dient, umhüllt werden wird. Mit Ausnahme der aussteifenden Treppenhauskerne werden sowohl die tragenden Bauteile als auch die Gebäudehülle vollständig aus Holzwerkstoffen hergestellt.
Die Wildspitze ist längst kein Einzelfall mehr. Vielmehr gehört sie in eine immer länger werdende Liste von Holzbau-Projekten, die sich auch vor der Höhe nicht mehr scheuen. In Japan arbeitet man gerade an Plänen, ein 350 Meter hohes Holzhochhaus zu bauen. 2041 soll es in der dortigen Hauptstadt Tokio stehen. In London soll der 300 Meter Oakwood Timber Tower gebaut werden. Eine Konzeptstudie für eine Wohnanlage in Stockholm, Schweden, sieht 31 Holztürme für einen neuen Stadtteil vor: eine hölzerne Wolkenkratzerstadt, „the narrow wooden skyscraper city“.
Weiter fortgeschritten ist man bereits in Wien: Dort fand im Oktober 2016 der Spatenstich für den HoHo Wien statt, ein 84 Meter hoher Holzturm in der dortigen Seestadt Aspern. Im März dieses Jahres wurde der erste Baukörper des Turms fertiggestellt und ein Musterbüro präsentiert – 2019 soll es dann vollständig eröffnet werden. Die Wände und Decken bestehen aus naturbelassenem Fichtenholz. Der typische Holzgeruch ströme daher in alle Räume und erzeuge ein einzigartiges Raumklima, heißt es. Studien hätten gezeigt, dass die Raumluftqualität in Holzhäusern als sehr gut bewertet wird. Und: In einer Stunde und 17 Minuten sei die Holzmenge des für den Turm verwendeten Holzes in Österreichs Wäldern nachgewachsen, betonen die Projektentwickler.
„Holz ist genug da“, sagte demnach auch Dr. Sebastian Rüter vom Thünen-Institut für Holzforschung auf dem zweiten Holzbau-Hochschultag in Oldenburg an der Jade Hochschule. Und es weise eine hervorragende Ökobilanz auf – gerade dann, wenn man den kompletten Verwertungszyklus im Fokus habe: Produktion, Bau, Nutzung und Abbau. Eine Aussage, die auch Achim Hannott, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF), unterstreicht: „Die nachhaltige Nutzung des Waldes bedeutet aktiven Klimaschutz. Produkte aus Holz sind wirksame Kohlenstoff-Speicher, die den CO2Anstieg bremsen und damit die Klimaerwärmung abschwächen können.“
So würden Holzprodukte im Gegensatz zu vielen mineralischen und metallischen Baumaterialien meist deutlich weniger „graue Energie“ beinhalten, also die Energie, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung aufgewendet werden muss. Auf dem Holzbau-Hochschultag in Oldenburg wurde zudem noch ein weiterer Vorteil von Holzbauten hervorgehoben: Holzteile werden immer öfter vorgefertigt und erst dann an die Baustellen geliefert. Das verkürzt unter anderem die Bauzeiten und bedeutet weniger Stress für die Anwohner. Kurz: Der Einsatz von Holzwerkstoffen wirkt sich auf den gesamten Bauprozess aus.
Zertifikatsstudiengang
„Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ An der Hochschule Augsburg wird seit Oktober 2017 das berufsbegleitende Zertifikatsstudium „Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ angeboten. Zulassungsvoraussetzungen sind unter anderem ein Bachelor in Bauwesen, Architektur oder verwandten Disziplinen und erste Berufserfahrung.
Weitere Infos unter:
www.hs-augsburg.de/holzbau.html
Gerade in Verbindung mit BIM könnten Holzteile schon sehr früh eingeplant werden. Wiederum ein Faktor, der Zeit spart und Kosten senkt. Das Projekt S22 auf dem Suurstoffi Areal in Rotkreuz, Schweiz, wird zum Beispiel mit BIM ausgeführt. Dabei handelt es sich um ein zehngeschossiges Hochhaus, das in fünfeinhalb Monaten hochgezogen wird.
Trotz dieser Vorteile: Bedenken gegenüber Holzbauten werden immer wieder vorgebracht. Um das Bauen mit Holz voranzubringen, haben Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin ihre Landesbauordnungen angepasst und unterstützen so den Bau von mehrgeschossigen Holzhäusern. Um Aufklärung ist auch die Initiative „Charta für Holz 2.0“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bemüht. Auf der Plattform werden unter anderem die Material- und Energieeffizienz des Baustoffs Holz erläutert – immerhin ist der Bausektor einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereiche in Deutschland. So heißt es: „Für die Herstellung und Entsorgung von Baustoffen aus Holz ist in der Regel weniger fossile Energie notwendig als für Materialien auf Basis endlicher, mineralischer Rohstoffe.“ Betrachte man außerdem die Potenziale, so sei das Bauen mit Holz im Ein- und Zweifamilienhausbau etabliert und erfreue sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Doch gerade im Nichtwohnungsbau, bei Büro- und Verwaltungs- oder Industriegebäuden, würden noch ganz besondere Potenziale liegen.
Da wundert es nicht, dass sich die Nachrichten „überschlagen“. Wird die anfangs erwähnte Wildspitze derzeit als Deutschlands zukünftig höchstes Holzhochhaus eingestuft, traf dies im Januar 2018 noch auf das zehngeschossige Hochhaus SKAIO zu, das im Rahmen der Stadtausstellung zur BUGA 2019 in Heilbronn entsteht. Das dortige Gebäude wird in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet: Wände und Decken sind dabei aus Holz und werden den überwiegenden Teil der Konstruktion ausmachen. Doch ganz ohne Beton kommt die neuartige Hybrid-Konstruktion nicht aus: Sockelgeschoss und Treppenhaus bestehen jeweils aus Stahlbeton und werden zuerst ausgeführt. Die Fassade wird von außen mit Aluminium-Platten verkleidet.
Wieviel Quadratmeter braucht Heimat? Wie viele Möbel braucht das Zuhause von morgen? Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt sich der deutsche Entrepreneur und Architekt Van Bo Le-Mentzel – immer nach dem Motto: „Konstruieren statt Konsumieren“. Er entwickelte das Projekt „100-Euro- Wohnung“. Dabei handelt es sich um ein Tiny House, ein sehr kleines Haus. Von Christoph Berger
„Da ist eine weltweite Bewegung, besonders in den USA, in der Menschen aus ihren Häusern ausziehen, um in richtig kleinen Häusern zu leben, die um die sechs Quadratmeter groß sind.“ Mit diesen Worten begann der in Berlin lebende Architekt Van Bo Le-Mentzel die Vorstellung von Tiny Houses auf den TEDx Talks 2014. Eine nur 6,4 Quadratmeter große Wohnung entwickelte Le-Mentzel selbst – 2 mal 3,2 Meter in Breite und Länge, die Deckenhöhe beträgt 3,60 Meter. Er nennt sie die „100-Euro-Wohnung“. Und die kleinste Wohnung Deutschlands.
In der Wohnung sind Bett, Sofa, Küche, höhenverstellbare Tische, eine Schlafebene und ein Bad integriert. Montiert ist die Wohnung auf einen Anhänger. Konzipiert sei sie für Menschen, die nicht viel brauchen, sagt er in einem Youtube-Video, für Menschen, die nicht so viel zu Hause seien, die viel reisen würden, die nicht so viel arbeiten möchten – und für jene, die trotzdem mitten in der Stadt leben wollen. Zudem sei sie ein Beitrag zur Vision, dass jeder Mensch das Recht haben müsse, dort zu leben, wo er wolle. Und nicht zuletzt gehöre das Konzept in die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum.
Bis März 2018 stand die „100-Euro-Wohnung“ mit anderen Kleinst-Konzepten auf dem Bauhaus Campus Berlin – einem temporären Projektraum für neue Wege in der Bildungs- und Baukultur auf dem Gelände des Bauhaus-Archiv/ Museum für Gestaltung, Berlin. Initiator war ein Berliner Kollektiv aus Architekten, Gestaltern und Geflüchteten namens Tinyhouse University. Mit dabei waren auch Akteure aus Design, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und der Start-up-Szene. Initiiert wurde dieses Kollektiv 2015 von Van Bo Le-Mentzel, um die soziale Nachbarschaft auf kreative Weise zu erforschen. Gemeinsam geht man beispielsweise den Fragen nach: Wie viele Möbel braucht das Zuhause von morgen? Oder: Wieviel Quadratmeter braucht Heimat?
Mit dem Verlassen des Berliner Campusgeländes ist die Bewegung natürlich längst nicht am Ende angekommen. Die TinyHouse-Initiatoren werden in unterschiedlichen Konstellationen weiter an den anfänglichen, aber auch neuen Fragestellungen forschen und arbeiten. Und Van Bo Le-Mentzel sagte auf der Abschlussveranstaltung: „Vor allem ist das hier auch eine Talent-Schmiede. Hier entstehen ganz viele Kontakte, hier werden Leute aktiviert, die vorher überhaupt nicht wussten, dass sie auf einer Bühne stehen können, dass sie ein Haus entwerfen können oder sogar eine ganze Siedlung. Diese Menschen erfahren hier eine ganz große Transformation.“
Er selbst glaube ganz fest daran, so Le-Mentzel, dass unter anderem etwas an der Art geändert werden müsse, wie wir Häuser und Siedlungen bauen. Veränderungen schaffe man aber nicht alleine, und gleichzeitig dürfe die Verantwortung, Dinge zu verändern, auch nicht abgegeben werden. Jeder müsse selbst damit starten.
Auch im Straßenbau wird an den Prozessen gearbeitet – sie werden effektiver gestaltet, die Digitalisierung hält Einzug. Doch technische Innovationen finden auch auf anderen Technik- Ebenen statt: beispielsweise bei der Arbeitssicherheit auf Baustellen, dem Verstromungspotenzial der Straße oder der Lärmminderung. Von Christoph Berger
Im Forschungsprojekt „Autonom arbeitende Maschinen im Straßenbau 4.0“ unter Leitung der TH Köln arbeiten Wissenschaftler seit Februar 2018 daran, die Arbeitssicherheit auf Baustellen sowie die Einbauqualität der Straßenbeläge zu verbessern. Denn: Beschäftigte im Straßenbau sind weitreichenden Gefahren ausgesetzt: Neben dem erhöhten Risiko für Arbeitsunfälle sind Lärm und Vibrationen belastende Faktoren. „Bislang arbeiten die Baumaschinen weitgehend unabhängig voneinander. Wir ermöglichen den Informationsaustausch zwischen den Maschinenelementen und verbinden sie zu einem Gesamtsystem, das den Arbeitern mehr Sicherheit bietet und ein qualitativ besseres Ergebnis liefert“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Alfred Ulrich vom Kölner Labor für Baumaschinen der TH Köln.
Ausgangspunkt dafür ist ein 3-D-Modell, das den Sollwert darstellt. Sensoren an den Baumaschinen erfassen den aktuellen Zustand des Belags und ermitteln die Position der Fräse oder der Walzen. Ein Informationssystem bringt die Informationen zusammen und regelt die arbeitenden Antriebe so, dass keine Abweichung mehr zwischen dem 3-D-Sollwertmodell der Straße und der Ist-Position der Fräswalze, der Einbaubohle oder der Walzbandage besteht. So ist eine Qualitätskontrolle schon während des Einbaus möglich.
Gleich mehrere Projekte vereint die Förderinitiative „HighTechMatBau – Neue Werkstoffe für urbane Infrastrukturen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter sich. So wird beispielsweise im Projekt „INNO-PAVE“ an polymeren Werkstoffen sowie innovativen Herstellungs- und Einbautechnologien für Straßendeckschichtsysteme geforscht.
Im Projekt „SEDA“ wird das Potenzial von Straßenbefestigungen als Energiequelle untersucht. Der Fokus liegt dabei sowohl auf dem Verstromungspotenzial der in der Straße durch Sonneneinstrahlung gespeicherten thermischen Energie als auch in einer erhöhten Dauerhaftigkeit der Straßenkonstruktion durch Abfuhr der Wärme. Und im Projekt „NaHiTas“ liegt das Ziel in der Konzeption von nachhaltigen Verkehrswegen in der Asphaltbauweise. „Dabei sollen die Straßen durch die Schaffung photokatalytischer Eigenschaften zur Reduzierung der Schadstoffbelastung, die Minderung des verkehrsbedingten Lärmpegels, eine dauerhafte Konzeption sowie angepasste Verarbeitungs- und Überwachungstechniken verbessert werden“, wie es im Projekt-Steckbrief heißt.
Und natürlich spielt auch BIM im Straßenbau eine Rolle. So gehören zum Beispiel die Grundinstandsetzung der Straßenbrücke Bergedorfer Str. (B5)/A1 und der Neubau der zweiten Gauchachtalbrücke zu den Pilotprojekten des BMVI-Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“, der schrittweisen Einführung von BIM in Projekte des Zuständigkeitsbereichs des BMVI.
Linktipps
Die Förderinitiative HighTechMatBau:
www.hightechmatbau.de
Die Forschungsprojekte der Bundesanstalt für Straßenwesen zum Thema Straßenbau:
https://bit.ly/2qxHzqa
BIM4INFRA2020:
https://bim4infra.de
Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“:
https://bit.ly/2F6T0iM
Roma Agrawal zählt zu den weltweit renommiertesten Bauingenieuren. Einen Namen machte sie sich als eine der führenden Planerinnen für „The Shard“, das höchste Gebäude der Europäischen Union. Im Gespräch erklärt die 35 Jahre alte Britin, worauf es beim Bau von Wolkenkratzern ankommt, wieso sie das Zeichnen für eine unabdingbare Kompetenz hält und warum es sinnvoll ist, sich als junger Bauingenieur ein Beispiel an den alten Baumeistern zu nehmen. Das Gespräch führte André Boße.
Zur Person
Roma Agrawal, Foto: Johnny Ring
Roma Agrawal, geboren 1983 in Mumbai, ist Physikerin und Bauingenieurin. Sie gilt als profilierteste britische Vertreterin der „Women in Science“-Bewegung und hat von Brücken über Türme bis zu zeitweilig Westeuropas höchstem Wolkenkratzer „The Shard“ in London eine Vielzahl von Gebäuden entworfen. Für ihre Arbeit erhielt sie diverse Preise, u. a. den „Women in Construction Award Engineer of the Year“ (2014) und den „Diamond Award for Engineering Excellence“ (2015). Die britische Zeitung The Telegraph schrieb über sie, sie sei „die neue weibliche Stimme der Wissenschaft, die es schafft zu zeigen, dass Ingenieurskunst cool ist”. Tätig ist sie als Associate Director für den Bau, Architektur- und Ingenieurdienstleistungskonzern Aecom.
Als Roma the engineer ist sie auch in den sozialen Netzwerken aktiv: @romaTheEngineerwww.romatheengineer.com
Mrs. Agrawal, Sie gehören zu den Bauingenieuren, die in London „The Shard“ geplant haben, das höchste Gebäude auf dem Gebiet der EU. Egal, wo man in London steht: Es ist von fast überall zu entdecken. Was denken Sie, wenn Sie heute „The Shard“ sehen?
Es ist immer wieder aufregend, zumal das Gebäude tatsächlich aus jeder Perspektive unterschiedlich aussieht.
„The Shard“ hat sich schnell zu einem neuen Markenzeichen für das moderne London entwickelt. Wie wichtig sind solche sichtbaren Symbole der Baukunst für Städte?
Ich denke, dass jedes gut designte und auffällige Gebäude wichtig ist. Dazu zählen nicht nur moderne Wolkenkratzer, sondern auch moderne Bahnhöfe, neue Museen oder Apartmentkomplexe. Sie zeigen, dass eine Stadt Interesse an schönen und aufwendigen Strukturen hat. Das ist für jede Kommune ein wichtiges Symbol. Aber wissen Sie, was mich stört?
Erzählen Sie es.
Mich stört, dass in der Regel beinahe ausschließlich die Architekten das Lob für diese Designleistungen abgekommen, die Bauingenieure gehen dagegen meistens leer aus. Das finde ich unfair. Deshalb werde ich nicht müde, auf den Einfluss der Bauingenieure bei der Planung und Errichtung großartiger Gebäude hinzuweisen. Denn wir sind es, die für die praktische Ausführung des Bauvorhabens verantwortlich sind.
Hartnäckig hält sich das Klischee vom Architekten, der ein Künstler ist, während die Bauingenieure lediglich seine Anweisungen ausführen.
Ja, aber das ist heute nur noch ein Stereotyp. Nichts gegen Architekten, aber als Bauingenieurin besitze ich eine sehr große Erfahrung bei der Planung und beim Bau ganz verschiedener Gebäudearten. Ich habe Bahnhöfe und Häuser gebaut, Wolkenkratzer und Türme. Und bei jedem dieser Projekte ging es um Kreativität. Es ging darum, sich einen Zettel zu nehmen und Strukturen zu zeichnen. Sich mit anderen zu treffen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Bandbreite meiner Arbeit ist sehr groß. Und der Spaß an der Arbeit auch.
Schauen wir doch noch einmal auf „The Shard“: Wann ging es dort um kreative Lösungen?
Zum Beispiel bei der Fundamentlegung. Der Wolkenkratzer ist mitten in einem belebten Geschäftsviertel entstanden. Wir hatten nicht die Möglichkeit, den gesamten Bereich tagelang abzusperren und ein riesiges Loch zu buddeln, um dort ein Fundament zu legen und uns dann langsam nach oben zu arbeiten. Stattdessen haben wir bei der Statik eine Top-Down-Technik angewandt: Der Betonkern von 23 der insgesamt 72 Stockwerke wurde errichtet, bevor das Fundament komplett ausgegraben war. Das hat uns sehr viel Zeit und Geld gespart – und weil wir tatsächlich die Ersten waren, die dieses Verfahren bei einem Bauvorhaben dieser Größenordnung genutzt haben, mussten wir sehr kreativ arbeiten. Wir hatten schließlich kein Vorbild, an dem wir uns orientieren konnten.
Hatten Sie Angst, dass da etwas schieflaufen könnte, das Risiko lässt sich bei kreativen Lösungen ja nie ganz ausschließen?
Genau das muss aber unser Anspruch sein. Wir haben unsere Lösung tatsächlich sehr häufig kontrolliert und bei allen Zahlen sehr viel Sicherheitsabstand einkalkuliert. Zum Beispiel bei der Berechnung des Einflusses durch den Wind: Als uns die Meteorologen die Bedingungen prognostizierten, haben wir 50 Prozent draufgeschlagen. Nicht, weil wir der Prognose nicht vertraut hätten. Sondern um wirklich auf der sicheren Seite zu sein.
Moderne und komplexe Bauvorhaben brauchen Experten, die den gesamten Prozess leiten – und wir Bauingenieure haben das Zeug dazu, diese Aufgabe zu erfüllen.
Nun kosten Aspekte wie Design und Sicherheit Geld. Wie kann es gelingen, die Qualität des Bauens hochzuhalten – und dennoch die Kosten im Blick zu haben?
Man muss miteinander kommunizieren, das ist das A und O. Architekten, Auftraggeber, Bauingenieure – alle müssen im Verlauf des Projekts zu jeder Phase intensiv miteinander reden. Wichtig ist dabei, dass Klartext gesprochen wird und dass jeder Beteiligte sofort etwas sagt, wenn es eine Entwicklung gibt, die er kritisch betrachtet. Nur so kann im Laufe des Bauprozesses ein echtes Teamwork entstehen, wobei sich dieses Team möglichst früh finden muss. Mit jedem Alleingang im Vorfeld steigt die Gefahr, dass hinterher etwas nicht so läuft, wie sich das alle wünschen.
Wie beurteilen Sie die Kultur in den Bauunternehmen: Ist es gerade für Nachwuchskräfte möglich, tatsächlich auf Fehler hinzuweisen?
Meiner Erfahrung nach ist es das, ja. Mir war es immer möglich, auf Entwicklungen hinzuweisen, die ich kritisch betrachtete, oder andere Ideen in die Diskussion einzubringen. Wichtig ist, dass man es dann auch tut. Und hier appelliere ich gerne nochmal an das Selbstbewusstsein junger Bauingenieure: Es ist entscheidend, dass man sich das zutraut. Man muss dabei bedenken, was für eine herausragende Rolle Bauingenieure zu früheren Zeiten gespielt haben. Damals gab es den Beruf des Architekten noch gar nicht, stattdessen gab es den Baumeister, der sich eben nicht nur um den konkreten Bau gekümmert hat, sondern auch die Gebäude designte, die Gewerke koordinierte, sich um die Finanzen kümmerte und letztlich für das Bauwerk verantwortlich war. Später hat sich das Berufsbild des Bauingenieurs mehr und mehr spezialisiert. Das war nicht unbedingt eine falsche Entwicklung, denn auf diese Weise sind Bauingenieure zu technischen Experten gereift. Ich glaube aber, dass es nun an der Zeit ist, sich als Bauingenieur wieder breiter und selbstbewusster aufzustellen. Moderne und komplexe Bauvorhaben brauchen Experten, die den gesamten Prozess leiten – und wir Bauingenieure haben das Zeug dazu, diese Aufgabe zu erfüllen, gerade mit Blick auf die digitalen Methoden, die uns dabei helfen.
Welche Kompetenzen sind für einen Bauingenieur wichtig, um diese Rolle als Projektleiter zu erfüllen?
Ungemein wichtig ist die Fähigkeit, die richtige Sprache zu finden. Oder besser: kommunizieren zu können. Wenn ich eine exzellente Idee habe, jedoch nicht in der Lage bin, diese den anderen Projektteilnehmern so zu erklären, dass sie sich dafür begeistern, dann ist diese Idee nutzlos. Das ist dann so, als hätte ich diese Idee erst gar nicht gehabt – das muss man sich klarmachen. Wobei ich mit der Kommunikation eben nicht nur die Sprache meine. Es ist in bestimmten Situationen sehr hilfreich, sich in einer Teamrunde ein Blatt Papier zu nehmen und die Idee zu skizzieren. Zeichnen ist Teil der Kommunikation. Ich ermutige Bauingenieure, sich darin zu üben. Wenn sich junge Bauingenieure bei mir vorstellen, dann bitte ich sie häufig, mir etwas zu zeichnen. An diesen Skizzen kann ich eine Menge über die Bewerber ablesen.
In Ihrem Buch schreiben Sie, wie stark gesellschaftliche Einflüsse zu verschiedenen Zeiten das Bauen in den Städten beeinflusst haben, vom Kirchenbau bis zur Errichtung von Fabriken und Arbeitervierteln. Was glauben Sie, welche Einflüsse werden in Zukunft das Bauen beeinflussen?
Ich denke, wir stehen vor einer großen technischen Revolution. Im Vergleich zu anderen Industrien hat sich das Bauen in den vergangenen 2000 Jahren recht wenig verändert: Es gibt weiterhin Pläne und bestimmte Materialien. Selbst Beton wurde schon vor rund 2000 Jahren verwendet. Nun aber gibt es Entwicklungen, die einen großen Wandel bringen werden: Künstliche Intelligenz und Big Data besitzen das Potenzial, viele Arbeiten zu erleichtern. Nehmen Sie ein altes Gebäude wie den Tower of London, dort müssen sich mehrmals im Jahr Bauingenieure mühsam die alten Mauern anschauen und Proben nehmen, um zu prüfen, ob das alte Gemäuer noch hält. Sensoren und Big Data sind in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen – und zwar wesentlich schneller.
Welche Arbeit bleibt dann für Bauingenieure?
Es ist noch mehr Zeit für Kreativität und für die kommunikative Arbeit mit den anderen Projektbeteiligten. Es ist endlich die Zeit da, schon früh in der Projektphase herauszufinden, welche Vision hinter einem Bauvorhaben steckt: Was soll das für ein Gebäude sein, worauf soll es wirklich ankommen – und wie kann man es optimal realisieren? Dies sind wichtige Fragen, und es darf nicht länger sein, dass in den Projektteams die Zeit fehlt, gemeinsame Antworten zu finden. Und noch ein Punkt ist mir wichtig: Bauingenieure können die Zeit nutzen, um noch mehr als bisher nach neuen Materialien zu suchen und diese zu erforschen. Schon heute benötigen wir für den Bau eines Hochhauses deutlich mehr Baustoffe als vor zehn Jahren. Die Computer helfen uns dabei, effizienter und damit auch ressourcenschonender zu bauen. Und in diesem Feld gibt es in Zukunft noch sehr viel zu entdecken. Ich war vor kurzem in einer kalifornischen Hochschule, wo Studierende mit Hilfe eines 3DDruckers Baumaterialien aus scheinbar nutzlosen Dingen wie zum Beispiel alten Reifen hergestellt haben. Ein ökonomisch und ökologisch funktionierendes, schön designtes Gebäude, angefertigt aus recycelten Rohstoffen – das ist für mich eine Vorstellung, die mir sehr viel Freude bereitet.
Buchtipp
Die geheime Welt der BauwerkeMit ihrem ersten Buch weiht Roma Agrawal die Leser in die Geheimnisse der Statik und die Kunst der Arbeit der Bauingenieure ein. Auf der reich illustrierten Reise durch die Geschichte der Gebäude erzählt Agrawal, wie Materialien Bauweisen revolutionierten und warum beispielsweise die wichtigste Errungenschaft des Römischen Reichs der Ziegelstein war. „Die geheime Welt der Bauwerke“ war in England schon ein Bestseller. Es ist das erste populäre Sachbuch über das Bauen – geschrieben von einer der führenden Bauingenieurinnen unserer Zeit. Roma Agrawal: Die geheime Welt der Bauwerke. Hanser 2018, 24 Euro.
Wer derzeit sein Bauingenieurstudium abschließt, tritt in einen Arbeitsmarkt ein, der dringend Fachkräfte braucht. Das ist gut für die Absolventinnen und Absolventen, für die Unternehmen ist es hingegen eine Herausforderung. Von Christoph Berger
33.680 offene Stellen gab es im 2. Quartal 2018 laut dem Ingenieurmonitor für Ingenieure aus den Bereichen Bau, Vermessung, Gebäudetechnik und Architekten, den das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des VDI vierteljährlich erstellt. Damit rangiert die Branche auf Rang 2, nur Stellen für Informatikerberufe waren noch öfter zu besetzen. Da verwundert es nicht, dass die Unternehmen der Baubranche vor einer riesigen Herausforderung stehen. Immerhin gaben laut der aktuellen Herbstumfrage des DIHK 82 Prozent der aus dem Bereich Bau befragten Unternehmen an, dass ihnen der Fachkräftemangel Sorgen bereite. Die Analysten des IW ziehen aus ihrer Untersuchung außerdem das Fazit, dass auch zukünftig mit einer hohen Arbeitskräftenachfrage nach Bauingenieuren und Architekten zu rechnen ist. Die meisten offenen Stellen sind mit 6290 übrigens in Nordrhein-Westfalen gemeldet. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Bayern mit 5110 und Baden-Württemberg mit 4680 offenen Stellen.
Leicht optimistisch dürfte es die Bauunternehmen da stimmen, dass dem Bauarbeitsmarkt laut den vom Statistischen Bundesamt im August 2018 veröffentlichten Absolventenzahlen fast 11.000 Bauingenieure zusätzlich zur Verfügung stehen. „Besonders erfreulich ist, dass sich immer mehr Frauen für den Bauingenieurberuf interessieren“, kommentierte Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, die Zahlen. Die Zahl der Absolventen sei 2017 um 4,5 Prozent beziehungsweise 460 auf 10.720 gestiegen. Damit hätte sich die Zahl seit dem Tiefpunkt 2008 mehr als verdoppelt. Und einen entscheidenden Anteil an diesem Zuwachs haben die Frauen. „2008 war nur jeder fünfte Absolvent eine Frau, mittlerweile ist es fast jeder dritte“, sagte Babiel weiter. Damit sei die Bauwirtschaft für Frauen deutlich attraktiver als zum Beispiel der Maschinenbau mit einem Anteil von lediglich 20 Prozent.
Doch auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes beinhalten einen Wermutstropfen. Dieser betrifft die Studienanfängerzahlen. Diese seien mit knapp 11.200 zwar nach wie vor auf einem vergleichsweise hohen Niveau, in den vergangenen vier Jahren aber leicht rückläufig. Somit könne die positive Entwicklung bei den Absolventen auch bald vorbei sein. Babiel dazu: „Wir können nur jedem Abiturienten empfehlen, der sich für ein Ingenieurstudium interessiert, den Studiengang Bauingenieurwesen zu wählen. Einen abwechslungsreicheren Beruf kann man sich kaum vorstellen, allein schon, wenn man sich die Herausforderungen der Digitalisierung am Bau vorstellt.“
Spielerisch zu Lösungen bei komplexen Aufgaben kommen – und dies auch noch unter der Teilnahme von Fachfremden: Das ist die Idee hinter Gamification. Die Fragen stellte Christoph Berger
Zur Person
Stephan Willinger ist Stadtforscher am Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn. Zu seinen Aufgaben dort gehören die Nationale Stadtentwicklungspolitik, experimentelle Planungsmethoden sowie das Thema Bürgerbeteiligung. Willinger absolvierte ein Studium der Raumplanung an den Universitäten Dortmund und Berlin. Seit 2002 arbeitet er beim BBSR. Er lehrt an der Technischen Universität Dortmund.
Herr Willinger, Gamification ist ein Trend, spielerisch Lösungen für Herausforderungen zu entwickeln. Handelt es sich dabei überhaupt um einen Trend oder nicht eher um einen zeitgemäßen Weg zu kommunizieren?
Letzteres stimmt, wenn man Gamification nur als ein Mittel aus dem Werbe- und Unterhaltungsbereich ansieht, mit dem Botschaften schneller und attraktiver verbreitet werden können. Ich verstehe den Begriff aber breiter: als Anwendung spielerischer Elemente in einem eigentlich spielfremden Kontext. Dann gewinnt er an Schärfe und wird zu einer Herausforderung, gerade auch für Ingenieurberufe. In deren Denken waren Spiel und Ernst, also die Arbeit, bisher streng voneinander getrennt. Sie rücken aber derzeit näher zusammen.
Wie kann man sich das vorstellen, wie läuft so ein Spiel ab?
Echte Games gibt es im Kontext von Stadtentwicklung und Stadtplanung noch nicht viele. Das ist bislang begrenzt auf Anwendungen im Rahmen von Bürgerbeteiligungen, wo die Vorteile einer höheren Motivation der Mitspieler genutzt werden, um möglichst viele Bürger an Entscheidungen teilhaben zu lassen. Es wird aber gerade intensiv über weitere Einsatzfelder nachgedacht. So wurden im Rahmen einer BBSR-Studie ganz unterschiedliche mögliche Anwendungsfälle erarbeitet. Dabei geht es zum Beispiel um neue Wege des Mitplanens, um das Öffnen von Expertenaufgaben, um Impulse für die Daseinsvorsorge oder die Dezentralisierung kommunaler Dienstleistungen oder um ein Meldesystem für kommunale Dienstleistungen und Infrastruktur.
Welche Vorteile haben Serious Games gegenüber anderen Methoden?
Zum einen macht Gamification schwierige Inhalte auch für Fachfremde greifbar. Man kann die Konsequenzen von Entscheidungen unmittelbar darstellen und so auch für Laien komplexe Aufgaben bearbeitbar machen. Deswegen ist Gamification zum Beispiel bei Bürgerhaushalten sinnvoll, weil man dann sofort sehen kann, welche Konsequenzen Mehrausgaben in einem Bereich auf andere Felder haben. Außerdem entsteht eine andere Haltung zur eigenen Aufgabe, von der einzigen Lösung hin zu einem Strauß an Möglichkeiten.
Können auch Bauingenieure für ihre Projekte Gamification nutzen?
Jetzt komme ich nochmal auf mein weites Verständnis von „spielerischen Methoden“ und das Ziel, unsere Routinen des linearen Handelns aufzubrechen. Städte, Quartiere und Bauwerke befinden sich in einer fortschreitenden Digitalisierung. Wertschöpfungsprozesse, Alltagsorganisation, Verwaltungsabläufe und viele weitere Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens verändern sich. Lösungen sind in einer solchen Situation immer öfter Zwischenlösungen. Nicht alles wird sofort perfekt sein. Deswegen müssen wir alle lernen, unsere Systeme flexibler und fehlerfreundlicher zu machen, in einem spielerischen Modus.
Auf welche Fragestellungen können die Bauingenieure durch Spielen beispielweise Antworten finden?
Für einen schlauen Umgang mit Unsicherheit müssen überall neue – teils experimentelle – Allianzen mit anderen Disziplinen eingegangen werden. Dadurch ändern sich auch die Rollen: Wer ist hier eigentlich der Experte für was? Wer hat neue Ideen, die mir bei der Lösung meiner Probleme helfen können? Spielerische Methoden können Kommunikation öffnen, bei der gemeinsamen Erzeugung von Ideen helfen und mögliche Partner sichtbar machen. Im Kern geht es um die Fähigkeit, in Alternativen zu denken und den Möglichkeitsraum zu erweitern. Spielen enthält einen Moment des Umgangs mit dem Ungewissen, der heutzutage immer wichtiger wird. Arbeit – auch von Ingenieuren – wird deshalb in Zukunft nicht nur auf Genauigkeit und technische Vollkommenheit ausgerichtet sein.
Offline? Für die Digital Natives gibt es diesen Zustand gar nicht mehr. Und für den modernen Handel sollte es ihn auch nicht geben. Digitalisierung und stationäre Präsenz stehen nicht mehr für gegenteilige Konzepte: Es profitiert, wer beides nutzt – und dadurch den Service verbessert, Vertrauen schafft, das Konsumerlebnis vergrößert. Wir zeigen vier Trends aus der Retail- Welt, bei denen es für den Nachwuchs einiges zu gewinnen gibt – vom Plattform- Sharing über „Gastrotail“ bis zum Local Commerce.