„Wir als Menschen müssen die Grenzen setzen“

Foto: Fotolia/akf
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Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat zum Jahresstart 2019 acht Leitlinien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Grund: Angesichts der massiv steigenden Relevanz von KI sollen diese Leitlinien die Handlungsgrundlage für die Digitale Wirtschaft in Deutschland bilden. Der karriereführer sprach darüber mit Harald R. Fortmann, dem Leiter des Ressorts Arbeitswelt der Zukunft im BVDW. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Harald R. Fortmann, Foto: five14
Harald R. Fortmann, Foto: five14

Harald R. Fortmann ist neben seiner Leitung des Ressorts Arbeitswelt der Zukunft im BVDW Executive Partner bei five14, einer auf die Digitalwirtschaft spezialisierten Personalberatung. Er ist in Frankreich und Deutschland aufgewachsen und seit 1996 in der digitalen Wirtschaft aktiv. Sein erstes Unternehmen gründete Fortmann bereits mit 23 Jahren, es folgten Start-up-Gründungen und Geschäftsführerpositionen bei namhaften Unternehmen wie AOL und Pixelpark. Als Unternehmer und Lehrbeauftragter wurde er mehrfach ausgezeichnet. Bei five 14 ist er insbesondere für die Beratung von Konzernen und marktführenden mittelständischen Unternehmen bei der Neubesetzung von Führungsgremien zuständig und begleitet diese bei der strategischen Planung und Umsetzung ihrer digitalen Transformation. Acht Leitlinien für künstliche Intelligenz (PDF)

Herr Fortmann, was war die Motivation des Verbandes, sich an die Formulierung der Leitlinien zum Umgang mit künstlicher Intelligenz zu setzen?
Mit den Leitlinien greifen wir eine Entwicklung auf, dass wir mit künstlicher Intelligenz vor einer Veränderung stehen, die es in dieser Form und mit diesen Auswirkungen lange nicht gegeben hat. Als Digitale Wirtschaft haben wir die Verantwortung, diese Veränderungen nicht einfach passieren zu lassen, sondern gewisse Rahmenbedingen festzulegen und uns selbst diese Leitlinien aufzuerlegen, wie mit künstlicher Intelligenz umzugehen ist. Gleichzeitig wollen wir aber auch die Chancen der Technologie wahrnehmen. So kann KI nämlich auch zu einem echten wirtschaftlichen Treiber für Deutschland und Europa werden – insofern wir das Thema richtig anpacken. Es ist nämlich mitnichten so, dass wir den Wettbewerb bereits gegen die USA und China verloren haben.

Stand die ethische Dimension zum Umgang mit KI im Mittelpunkt Ihrer Überlegungen?
Unter anderem, aber nicht nur. Es geht auch darum, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Immerhin verbindet die Mehrzahl der Menschen mit KI den Wegfall von Jobs. Diese Befürchtung ist natürlich einerseits richtig: Durch die Automatisierung und Robotisierung werden wir viele Jobs verlieren. Sehr viele Jobs werden sich auch verändern, sodass es einen Großteil der Jobs, wie wir sie heute kennen, in fünf bis zehn Jahren nicht mehr geben wird. Das bedeutet, dass sich die Menschen umorientieren müssen. Aufgabe der Gesellschaft, der Politik und Wirtschaft ist es jetzt, die Menschen auf diese Veränderungen vorzubereiten.

In den Leitlinien wird auch betont, dass durch KI neue Jobs entstehen.
Ja. Aber auch hier noch einmal: Durch Kommunikation verlieren die Menschen oftmals ihr Misstrauen. Sie müssen wissen, wohin es für sie gehen kann und welche Skills zukünftig von ihnen verlangt werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen Maßnahmen ergreifen, ihre Mitarbeiter beispielsweise durch Weiterbildungen auf diesem Weg zu begleiten. Seit Jahren predigen wir das ‚Lebenslange Lernen‘, es war nie wichtiger als heute, diesen Satz mit Leben zu füllen.

Welche Skills werden zukünftig gefragt sein?
Es sind vor allem Neugierde und Kreativität, die benötigt werden und die schon in der Schulzeit gefördert werden müssen. Beides sind eigentlich Fähigkeiten, die in uns Menschen von Geburt an stecken, die dann aber durch unser heutiges Bildungssystem unterdrückt werden. Diese Fähigkeiten müssen wir wieder freilegen. Des Weiteren kommt natürlich die Bereitschaft hinzu, sich verändern zu wollen. Der Großteil der Menschen, die mit digitalen Technologien arbeiten – wir sprechen jetzt nicht von den Spezialisten – müssen eine breite Kenntnis haben und verstehen, dass Technologien miteinander arbeiten können. Dann folgen die Spezialisten, die die Technologien bedienen können. Von denen werden IT-Skills benötigt. Und als Führungskraft muss man verstehen, dass man verschiedene Tools einsetzen kann, um ans Ziel zu kommen. Diese technologische Grundkompetenz, technologische Sachverhalte erfassen und verstehen zu können, sind schon heute ein Pflichtkönnen der Kandidaten, die solche Aufgaben übernehmen. Dieses Wissen muss generiert werden, um die Jobs auch machen zu können.

Das Gros der Anwendungen, die in Deutschland heute als KI bezeichnet werden, fällt eigentlich unter Machine Learning. Das ist jedoch nur die Vorstufe zur künstlichen Intelligenz.

Lassen Sie uns noch einmal auf den ethischen Umgang mit KI zurückkommen.
Wir können KI nicht stoppen, sie wird kommen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass es ethisch und mit dem Menschen vereinbar umgesetzt wird. Es sind ja schon einige Fälle aufgetaucht, die zeigen, was mit KI alles passieren kann. Stichwort Scoring. Klar muss aber auch sein, dass die Maschine nicht alleine agieren wird, sondern der Mensch immer noch dazu gebraucht wird, um der Maschine zu sagen, was sie zu tun und zu lassen hat. Daher ist die Frage zu klären: Wie wollen wir Mensch und Maschine zusammenbringen und was sind unsere ethischen Grundsätze, die wir dem zugrunde legen? Und wir brauchen eine Antwort darauf, wie wir eigentlich leben wollen. Wir als Menschen müssen die Grenzen setzen.

Das Thema Künstliche Intelligenz hat bereits Fahrt aufgenommen. Greifen Ihre Leitlinien da noch?
Auf jeden Fall. Das was an Entwicklungen im Kontext KI möglich ist, da stehen wir noch ziemlich am Anfang. Das Gros der Anwendungen, die in Deutschland heute als KI bezeichnet werden, fällt eigentlich unter Machine Learning. Das ist jedoch nur die Vorstufe zur künstlichen Intelligenz. Somit ist die Frage nach dem Umgang, auch hinsichtlich der Ethik, hochaktuell.