Die große Reise einer kleinen Bauschraube

0

Aufbruch ins Abenteuer der Lieferketten: In Köln, kann sich das deutsche Bauwesen – wie in vielen andere Städten und Regionen auch – über mangelnde Aufträge nicht beschweren. Neue Rheinbrücken und Quartiere für Büro- und Wohngebäude, dazu Sanierungen und Erschließung neuer Baugrundstücke, im Tiefbau Straßen- und Kanalsanierungen. Alle diese Maßnahmen funktionieren nicht ohne Bauingenieur*innen, die sie planen und managen. Was aber auch benötigt wird, sind die passenden Materialien zur richtigen Zeit am korrekten Ort. Manche von ihnen, und seien sie noch so klein, haben einen weiten Weg hinter sich gebracht. Zum Beispiel eine Bauschraube. Wir zeichnen den Weg um die Welt nach – und zeigen, welche Herausforderungen und Chancen sich auf dem langen Weg von West-Australien bis nach Köln ergeben. Von André Boße

1. Western Australia

Foto: AdobeStock/Rafael-Ben-Ari
Foto: AdobeStock/Rafael-Ben-Ari
Australien zählt neben China zu den größten Produzenten von Eisenerz weltweit, das Rohmaterial für die Schraube wird in Minen gefördert, die meisten von ihnen befinden sich im Westen des fünften Kontinents. Problem: Der Abbau von Eisenerz schadet der Umwelt: Wälder verschwinden, Transportwege werden gebaut, Wasser und Luft werden verschmutzt.

2. Port Herdland australische Küste

Mit der Bahn wird das Eisenerz vom Landesinneren an die Küste transportiert. Manche Züge haben eine Länge von mehr als sieben Kilometern.

3. Kaohsiung, taiwanische Küste

Foto: AdobeStock /kamontad123
Foto: AdobeStock /kamontad123
Neben China, dem weltgrößten Stahlproduzenten, oder Südkorea nimmt Taiwan bei der Verarbeitung des Rohstoffes Eisenerz eine zentrale Rolle ein. Vom Hafen von Kaohsiung wird das Eisenerz in ein Stahlwerk transportiert, wo es im Hochofen zunächst in Roheisen und schließlich in verformbaren Stahl umgewandelt wird. Problem: Globale Lieferketten stehen unter politischem Druck. Zölle werden zum Instrument, Taiwan könnte zum Brennpunkt eines kriegerischen Konfliktes mit China werden.

4. Tainan City

In der Metropolregion um den Hafen von Kaohsiung befinden sich eine Reihe von Schraubenherstellern, viele davon in der Millionenstadt Tainan. Hier werden die Bauschrauben nach den Vorgaben der Kunden geformt.

5. Hamburg, Hafen

Foto: AdobeStock/Marco2811
Foto: AdobeStock/Marco2811
Mit einem Containerschiff gelangt die Bauschraube in den Hamburger Hafen. Problem: Die Folgen der Pandemie haben weiterhin Auswirkungen auf die Hafen- und Container-Logistik, eine erneute Verschärfung oder gar ein neues Virus kann niemand ausschließen.

6. Ruhrgebiet

Foto: AdobeStock/Marina-Ignatova
Foto: AdobeStock/Marina-Ignatova
Zumeist im gleichen Container geht die Reise mit dem Güterzug oder einem Lkw weiter zu einem der Großhändler für Schrauben in Deutschland, von wo aus sie direkt zum Kunden oder in den Baustoffhandel gehen – in unserem Beispiel: ins Ruhrgebiet. Chance: Nichts ist schlimmer, als wenn’s am Bau nicht voran geht, weil ein einfaches Teil fehlt. Zum Beispiel eine bestimmte Bauschraube. Ein digitales Beschaffungsmanagement – in Verbund mit einfachen KI-Systemen – sorgt dafür, dass das nicht passiert.

7. Köln

Das verantwortliche Bauunternehmen bestellt die für die Errichtung des Bauvorhabens notwendigen Teile und verschraubt diese. Das fertige Gebäude fungiert nun auch als eine Art Rohstofflager. Chance: Digitale Baupläne und Tracking- Systeme sorgen dafür, dass jedes wiederverwertbare Teil in einem Gebäude erfasst werden kann.

8. Köln

Foto: AdobeStock/Franz
Foto: AdobeStock/Franz
Steht der Rückbau an, ist die Bauschraube Teil der Ansammlung von Altmetall. Damit ist sie kein Müll, sondern ein wertvoller Rohstoff: Jedes Kilo Altmetall, das durch Urban Mining Teil eines Verwertungskreislaufes ist, muss nicht von Australien aus den langen Weg nach Deutschland starten. Chance: Urban Mining schützt die Umwelt, spart Wasser, verringert den CO2-Fußabdruck von Bauprojekten.

Was sich ändern muss!

0

Christian H. D. Haak ist ein gefragter Redner, wenn es um die Transformation des Bauwesens geht. Zudem ist er Mitherausgeber des führenden Branchenpodcastst #Zukunft. Bauen. In seinem Gastbeitrag erklärt er, vor welchen gewaltigen Herausforderungen die Bauindustrie steht: Ihr muss eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung gelingen – und das im Bann von Krisen und eines Mangels an Fachkräften. Wie das gelingen kann? Zum Beispiel damit, das eigene Tun besser zu verkaufen. Von Christian Haak, Experte für die Entwicklung und Umsetzung von Zukunftsstrategien für Unternehmen aus der Bauindustrie.

Zur Person

Christian Haak, Foto: Haak
Christian Haak, Foto: Haak
Christian H. D. Haak, studierte in Hamburg BWL mit den Schwerpunkten Personalwirtschaftslehre, Organisation und Wirtschaftspsychologie. 1991 gründete er seine eigene Unternehmensberatung, hier berät er mit dem Schwerpunkt Strategie und Strategische Transformation Großund mittelständische Unternehmen, viele davon aus dem Segment der Bauindustrie. Er ist ebenso als Keynote-Speaker präsent und Mitherausgeber des führenden Branchenpodcastst #Zukunft.Bauen. An diversen Hochschulen (u.a. an der HAW Hamburg) ist er als Dozent zu Themen wie Personalführung oder Projektmanagement tätig. www.christianhaak.de
Wenn über die größten Herausforderungen der Baubranche gesprochen wird, fallen schnell zwei Begriffe: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Beide sind zentral, keine Frage. Doch möchte ich eine dritte Herausforderung ins Spiel bringen, die mindestens genauso essenziell ist: der Fachkräftemangel. Es muss dringend gelingen, die Branche für potenzielle Mitarbeiter*innen sichtbarer zu machen. Mit allen ihren spannenden Facetten, die sie zu bieten hat. Denn benötigt werden nicht nur die Menschen, die sowieso schon in der Bauindustrie tätig sind. Attraktiv sein müssen die Unternehmen auch für Talente, die noch gar nicht wissen, welche interessanten Job-Profile die Branche zu bieten hat. Wie das gelingen kann? Zum Beispiel, indem man endlich über das Thema „Sinn“ spricht. Was philosophisch klingt, hat einen ökonomischen Hintergrund: Unternehmen, die in 10 bis 15 Jahren nicht nachhaltig wirtschaften, werden vom Markt verschwinden. Dieser Druck ist Motor für Veränderungen: Sobald Unternehmen die wirtschaftlichen Vorteile nachhaltiger Geschäftsmodelle erkennen, ergibt es für sie überhaupt keinen Sinn mehr, das Thema nur halbherzig anzugehen. „Sinn“ hat aber noch eine zweite Bedeutung, und hier kommen wir wieder auf die Menschen zu sprechen: Alle Unternehmen stehen heute vor der Aufgabe, ihren Mitarbeiter*innen den Sinn ihres Tuns zu verdeutlichen. Und hier hat der Bau gegenüber anderen Branchen einen großen Vorteil. Schließlich geht es darum, die Lebenswelten der Zukunft positiv mitzugestalten. Ganz konkret, mit Häusern und Straßen, Brücken und Parks, Plätzen und Trassen. Es gibt Branchen, die sehr gut darin sind, ihre Wirksamkeit zu verkaufen. Die Bauindustrie hat hier noch Nachholbedarf. Mein Eindruck ist, dass sich die Branche bis vor wenigen Jahren nie gefragt hat, warum es wichtig sein sollte, zu vermitteln, wie faszinierend und wichtig die eigene Arbeit ist. Woran’s liegt? Auf dem Bau herrscht häufig eine besondere Kultur. Man ist eher bescheiden, arbeitet sachbezogen an technischen Lösungen. Doch das reicht heute nicht mehr aus. Es ist notwendig, den Sinn, den man als Bauingenieur*in mit der Arbeit erfüllt, wahrnehmbarer zu machen. Wer Gutes tut, sollte das auch nach außen verkaufen! Der Fachkräftemangel führt uns vor Augen, wie wichtig das ist. Nach und nach beginnen die Unternehmen, die guten Dinge, die sie früher ganz selbstverständlich getan haben, selbstbewusst ins Schaufenster zu stellen. Nicht übertrieben. Aber schon so, dass man sie sieht.
„Es muss dringend gelingen, die Branche für potenzielle Mitarbeiter*innen sichtbarer zu machen. Mit allen ihren spannenden Facetten, die sie zu bieten hat.“
Der Vorteil der Baubranche: Sie muss dabei keine Schaumschlägerei betreiben. Sie muss eigentlich nur zeigen, was sie tut, was sie kann. Das beginnt in meinen Augen schon bei der Sprache. Schon heute nutzt das Bauwesen Zukunftstechniken wie Automatisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik. Bau – das ist digitales Hi-Tech. Es gibt auf Baustellen mit Tablets gesteuerte Baumaschinen, die mit smarter Sensorik ausgerüstet sind und von Satellitentechnik gestützt werden. Und wie nennt man diese Maschinen vor Ort? Weiterhin Bagger oder Raupe. Noch ein Beispiel: In der Baubranche wird die in den Baustoffen eines Gebäudes gebundene Energie weiterhin als „graue Energie“ bezeichnet. Klar, das ist der korrekte Fachbegriff aus dem Studium, aber er klingt nicht besonders werthaltig. In der Abfallwirtschaft ist man bereits weiter, da spricht man nicht mehr über Müll, sondern von Wertstoffen. Also: Weg von der „grauen Energie“, hin zu einem Begriff, der diese Energie aufwertet. Sprache ist keine Nebensächlichkeit. Sie prägt die Attraktivität der Branche. Gefragt sind hier auch die Hochschulen. Sie müssen dem Nachwuchs vermitteln, dass es dazugehört, den eigenen Marktwert sichtbar zu machen. Das ist auch wichtig für die eigene Karriere, denn wenn ich das nicht für mich selbst kann, dann kann ich es auch nicht für meine Produkte oder meinen Arbeitgeber. Jeder ist ein Unternehmer seiner eigenen Talente! Ich habe als junger Bauingenieur schon selbst die Aufgabe, sichtbar zu machen, warum es sich lohnt, mich einzustellen, mir ein Projekt anzuvertrauen oder mich zu beauftragen. Jedoch gibt es in den Studiengängen häufig überhaupt kein Bewusstsein für diese Kompetenz. Das muss sich ändern. Denn der Skill, anderen zu zeigen, was man kann, lässt sich nicht über Nacht einfach abrufen – den muss man trainieren.

Für die Ohren

Zusammen mit Bauingenieur Martin Ferger, einem Experten für Baumanagement und Technologien im Baubereich, gibt Christian Haak den Podcast „Zukunft.Bauen. | Der Haak & Ferger Zukunftspodcast für die Bauindustrie!“ heraus.  

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Vier Bauingenieur*innen, vier Länder

0
Foto: GOLDBECK

Name: Birgit Schneider
Unternehmen: Goldbeck
Land: UK – England

Spezialgebiet: Nachhaltiges Bauen

Geschäftssprache: Englisch

Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Sicherlich eine große Herausforderung war und ist mit deutschen Wurzeln und Ausbildung bzw. Berufserfahrung in einem fremden Markt mit anderer Sprache und anderer Baukultur Fuß zu fassen und richtig zu handeln, um ans Ziel zu kommen. In England wird nicht nur auf der anderen Straßenseite gefahren.

Hilfreiche Skills: Mehrsprachigkeit, offene Kommunikation, aufgeschlossen gegenüber Neuem, Teamplayer, Lust, sich auf Neues einzulassen

Spannendstes Bauprojekt an dessen Bau ich beteiligt war: Jedes meiner Projekte war und ist spannend, denn auch wenn Goldbeck mit seiner Systembauweise erfolgreich ist, bei der viele Abläufe und Prozesse optimiert sind, so ist doch jedes Projekt anders spannend – sei es ein neuer Kunde, ein besonders spannender Bauort, tolle Projektteams oder besondere Projektanforderungen

Ein Projekt an dessen Bau ich gern beteiligt gewesen wäre: Abgesehen von Goldbeck- Projekten, wäre das der Bau des Eurotunnels zwischen Calais und Folkestone. Wir benutzen diesen Verkehrsweg so häufig und die Ingenieurskunst, wie sie uns überall in unserem Alltag begegnet, ist einfach fantastisch. Es gibt aber kaum ein schöneres Gefühl als an einem Bauwerk vorbeizufahren, an dessen Realisierung man aktiv mit eingebunden war – klein oder groß spielt da keine Rolle

Name: Jennifer Krüger
Unternehmen: Implenia
Land: Ich komme aus Deutschland, wohne und arbeite aber mittlerweile in der Schweiz

Spezialgebiet: Hochbau (Modernisierung)

Derzeitiges Bauprojekt: Arealentwicklung Lokstadt in Winterthur, Projekt „Elefant“ (Bürogebäude aus Holz)

Geschäftssprache: Deutsch

Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Kritische Schnittstellen zwischen Planung und Ausführung frühzeitig erkennen sowie die Koordination aller Schnittstellen während der Ausführung.

Hilfreiche Skills: Offene und starke Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Verhandlungsgeschick, Belastbarkeit, Empathie, Durchsetzungsvermögen

Spannendstes Bauprojekt, an dessen Bau ich beteiligt war: Da der „Elefant“ meine erste Baustelle als Bauleiterin ist, ist dieses Projekt bisher auch das spannendste!

Ein Projekt, an dessen Bau ich gern beteiligt gewesen wäre: „New Century Global Center“ in China

Foto: Implenia
Foto: Alexis Pantaleon

Name: Alexis Pantaleon
Unternehmen: Arcadis Philippines, Inc.
Land: Philippinen

Spezialgebiet: Mengenermittlung, Projektkalkulation und Kostenmanagement, Vorvertrags- und Nachvertragsleistungen

Derzeitiges Bauprojekt: Zurzeit bin ich an dem Projekt Rockwell Nepo beteiligt. Dabei handelt es sich um ein Gesamtprojekt, das aus drei Wohntürmen besteht, die auf einer mehrstöckigen Tiefgarage stehen. Diese ist mit einem Einkaufszentrum verbunden und grenzt an einen Bürokomplex.

Geschäftssprache: Englisch, Philippinisch

Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Anpassung an die hybriden Arbeitsformen bei gleichzeitiger Beibehaltung der besten Arbeitsqualität

Hilfreiche Skills: Die grundlegendste Fähigkeit ist das Führen einer To-Do-Liste, um den Überblick über Ihren Zeitplan zu behalten und zu vermeiden, dass man wichtige Aufgaben übersieht. Darüber hinaus sind die Zusammenarbeit und die Wahrung eines ansprechenden Arbeitsplatzes hilfreiche Fähigkeiten in einem schnelllebigen Umfeld. Und schließlich sollte man immer neugierig auf Technologie und die neuesten Entwicklungen in der digitalen Welt sein – egal, ob es sich um eine Software für das Baugewerbe oder um einen einfachen digitalen Organizer handelt.

Spannendstes Bauprojekt, an dessen Bau ich beteiligt war: Das Proscenium at Rockwell; mein vorheriges Projekt ist ein gemischt genutztes Wohnprojekt mit fünf Hochhäusern gewesen, die mit einem Theater für darstellende Künste und anderen Einrichtungen verbunden sind. Bei diesem Projekt lernte ich den größten Teil des Leistungsspektrums des Vermessungswesens kennen.

Ein Projekt, an dessen Bau ich gern beteiligt gewesen wäre: Der Cebu Cordova Link Expressway stünde ganz oben auf meiner Liste, da es sich um eines der Vorzeigeprojekte von Arcadis Philippinen und eines der größten Infrastrukturprojekte des Landes handelt.

Name: Severine
Unternehmen: BAUER Spezialtiefbau GmbH
Land: Australien

Spezialgebiet: Schlitzwände im Bereich Spezialtiefbau

Derzeitiges Bauprojekt: Hobsons Bay Main Sewer – das Herstellen von zwei 40 Meter tiefen Schächten mit Durchmessern von 8 Metern und 12 Metern mittels überschnittener Schlitzwände.

Geschäftssprache: Englisch, Deutsch

Hauptherausforderung im Alltagsgeschäft: Vorrausschauendes Planen, um sicherzustellen, dass tägliche Aufgaben reibungslos ausgeführt werden können und gleichzeitig praktikable Lösungen für kurzfristig auftretende Herausforderungen finden

Hilfreiche Skills: Teamfähigkeit und Offenheit gegenüber Kollegen und anderen Kulturen, insbesondere bei Baustelleneinsätzen im Ausland; flexibel sein und innere Ruhe bewahren, wenn Baustellensituationen an veränderte Gegebenheiten angepasst werden müssen

Spannendstes Bauprojekt, an dessen Bau ich beteiligt war: Dubai Expo 2020 – Metro extension – die Herstellung von Schlitzwänden für Ein- und Ausfahrtsrampen neu errichteter Metrostationen

Ein Projekt, an dessen Bau ich gern beteiligt gewesen wäre: Errichtung des Eurotunnels von Frankreich nach England

Foto: BAUER-Gruppe

In vollem Gang: die Digitalisierung am Bau

Die Zukunft am Bau hat längst begonnen – auch, wenn sie noch nicht für alle sichtbar ist. Aber die Digitalisierung wandelt die Baubranche mit Methoden und Technologien wie BIM, KI, AR & VR, Robotik, IoT und 3D-Druck und lässt sie zu einer Hightech-Branche werden. Für die es dringend Fachkräfte braucht. Von Christoph Berger

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie veröffentlichte im April dieses Jahres Ergebnisse einer durch das Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführten Umfrage zum Image der Bauwirtschaft in Deutschland. Dabei kam heraus, dass gerade mal 50 Prozent der Teilnehmenden den Begriff Innovation mit der Branche verbinden, nur 24 Prozent tun dies im Bezug auf die Digitalisierung. Dabei, so heißt es in der Studienzusammenfassung, werde die Bauwirtschaft gerade aufgrund der fehlenden Fachkräfte sowie der Dramatik bei der Klimakrise regelrecht zu Innovationsleistungen gezwungen. Dazu gehörten auch die Digitalisierung und die Automatisierung – die Bauwirtschaft muss modern sein und befindet sich auf dem besten Weg dorthin. Mehr Investitionen in Technologien, vernetzte Bauprozesse und BIM-Standards sind unter anderem weltweite Trends für die Bauindustrie, die René Wolf, CEO der RIB Software Gruppe, im Rahmen eines Vortrags am Tag der Deutschen Bauindustrie aufzählte. Darin betonte er ebenso das „Muss“ als Voraussetzung für den Wandel – gerade vor dem Hintergrund, dass die Branche in den letzten 20 Jahren nur 1 Prozent Produktivitätssteigerung pro Jahr hätte erzielen können: „Wir brauchen eine nachhaltige Produktivitätsspritze, ein verbessertes Kosten- und Risikomanagement, neue, nachhaltige und kundenzentrierte Geschäftsmodelle und mehr Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Die Digitalisierung aller Prozesse kann und muss zu einem Booster der Produktivität in unserer Branche werden. Hinzu kommt: Mit Hilfe von digitalen Werkzeugen und angepassten Prozessen können wir geschätzt bis zu 50 Prozent der CO2-Emissionen in der Branche einsparen. Diese hält leider mit 38 Prozent- Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß derzeit einen Negativrekord.“ Zudem würden sich die Unternehmen eine kooperative und flexible Projektkoordination über mehrere Standorte hinweg wünschen, ebenso einen unternehmensübergreifenden Zugriff auf ein zentrales Bauprojektmodell und beispielsweise eine mobile und digitale Leistungsmeldung direkt von der Baustelle. Bei all diesen Anforderungen helfe Software, sie stelle aber mehr als nur neue digitale Tools dar.

Software, Cloud, BIM und ESG

Für Wolf besteht die Digitalisierung im Wesentlichen aus vier Elementen: Software, Cloud, BIM und ESG. Bausoftware ist und bleibt dabei der Eckfeiler der Digitalisierung, alle Kernprozesse würden über sie abgebildet, von der Akquisition bis hin zum Controlling. Wer sich zudem auf seine wirtschaftliche Kernkompetenz fokussieren wolle, komme an der Cloud nicht vorbei. Die Technologie ermögliche es, Informationen in Echtzeit abzurufen, verhindere eine informationelle Fragmentierung und stehe damit für Agilität. Zu BIM sagte Wolf, dass die Methode im Bewusstsein aller Bauakteure angekommen sei und in alle bauspezifischen Normierungen Eingang finde. Zum Beispiel sei BIM im Fernstraßenbau als Regelprozess und ab 2025 flächendeckend im Straßenbau anzuwenden. Er merkte aber auch an, dass viele Unternehmen bei der Umsetzung von BIM noch am Anfang stünden.

Das BIM-Portal des Bundes

Am 11.10.2022 wurde das Portal für Building- Information-Modeling (BIM) freigeschaltet. Es unterstützt öffentliche Auftraggeber bei der BIM-gerechten Definition ihres Informationsbedarfs sowie andere Auftragnehmer bei der qualitätsgesicherten Übermittelung entsprechender Informationsmodelle.

Die korrekten BIM-Begriffe

Was ist eine BIM-Reifegradstufe? Welche Aspekte umfasst ein Fachmodell und wofür ist eigentlich ein BIM-Koordinator zuständig? Die VDI 2552 Blatt 2 „Building Information Modeling – Begriffe“ erläutert und regelt Ausdrücke bei der Anwendung der BIM-Methodik zwischen den an Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken Beteiligten.

BIM-Anwendung klar definiert

Mit der VDI/DIN-Expertenempfehlung können Auftraggeber*innen von BIMProjekten Anforderungen an ihr Vorhaben verständlich und standardisiert festlegen. Das Dokument haben 30 BIMExpert* innen aus Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam erarbeitet. VDI/ DIN EE 2552 Blatt 12.1 „Struktur zur Beschreibung von BIM-Anwendungsfällen“ ist beim Beuth Verlag erhältlich.
Letzteres bestätigt auch BIM-Experten Matthias Uhl, laut dem der Digitalisierungsgrad der Bauindustrie in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße anderen Branchen hinterherhinkt. Der CEO der in Österreich ansässigen Die Werkbank IT GmbH sagt: „BIM stellt eine der größten Chancen der letzten Jahrzehnte dar. Vom Entwurf bis hin zum Betrieb des Bauwerks lassen sich Prozesse und Schritte effizienter, günstiger und transparenter abbilden.“ Und im vom Beratungsunternehmen Dr. Wieselhuber & Partner veröffentlichten „Trendometer 2022: Bau-/Bauzulieferindustrie“ heißt es, dass erst mit integrativen Gebäudemodellen, die in einem frühen Stadion der Planung bereits die verschiedenen zu optimierenden Parameter (z.B. Ressourceneinsatz in Erstellung und Betrieb) berücksichtigen, Nachhaltigkeit mehr als eine Worthülse werde.

Sichere Datenräume mit voller Kontrolle

Die in der Bauwirtschaft noch weit verbreiteten Datensilos aufzubrechen, die eine effiziente Zusammenarbeit der einzelnen Akteure eines Bauprojekts immer wieder verhindern, ist erklärtes Ziel des im Gaia-X-Förderwettbewerb angesiedelten Leuchtturmprojekts „Intelligent Empowerment of Construction Industry“, kurz: iECO. Im europäischen Gaia-X-Projekt geht es darum, eine vernetzte und sichere Dateninfrastruktur zu schaffen: Unternehmen sowie Nutzerinnen und Nutzer sollen Daten sammeln und miteinander teilen können – und zwar so, dass sie darüber die Kontrolle behalten. Das gilt demnach auch auch für iECO: Das Projekt hat einen gemeinsamen Datenraum für die Bauwirtschaft zum Ziel, um die bereits angesprochene Produktivitätslücke zu schließen. Dazu soll ein fälschungssicherer Digitaler Zwilling geschaffen werden, der den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes beinhaltet.
„Die Digitalisierung aller Prozesse kann und muss zu einem Booster der Produktivität in unserer Branche werden.“ René Wolf, CEO der RIB Software Gruppe
Es geht damit also um den Aufbau eines Ökosystems, um Kollaboration bei Beibehaltung der eigenen Datenhoheit. Und um Cloud-Technologie. Schließlich sollen so eine erhöhte Effizienz erreicht und optimierte Prozesse geschaffen werden, genauso wie die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette Bau verbessert werden. „Damit sorgen wir für eine viel engere Integration der Abläufe in der Bauindustrie. Mit dem Digital Twin, der Vernetzung wichtiger Komponenten auf der Baustelle und der Schaffung eines gemeinsamen Datenraums gehen wir weit über bereits existierende Prozesse und Lösungen hinaus. Es geht um die logische und notwendige Fortführung des Building Information Modelling (BIM)“, erläutert Korbinian Röhrl, Project Delivery Manager bei A1 Digital, einem iECO-Projektpartner. Röhrl sagt weiter: „Außerdem wird nicht mehr nur das Gebäude betrachtet, sondern alle vor- und nachgelagerten Prozesse und Daten, welche auch für das Lean- Management und u.a. Predictive Maintenance genutzt werden können.“ Um die Digitalisierung und deren Auswirkungen auf den Menschen geht es im von der Europäischen Union geförderten Projekt „Human Centered Technologies for a Safer and Greener European Construction Industry“. Darin werden menschzentrierte Konzepte der Zusammenarbeit von Arbeitenden und Maschinen, digitale Zwillinge, intelligente Schutz- und Unterstützungsausrüstung für Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Robotertechnologien entwickelt, die eine umweltfreundliche und harmonische Zusammenarbeit von Mensch und autonomen Baumaschinen ermöglichen und gleichzeitig einen Beitrag zum ökologischen Wandel der Branche leisten sollen. Technisch geht es um Exoskelette, tragbare Körperpositions- und Belastungssensoren, Bilderkennungssoftware, Kameras und XR-Brillen für Extended Reality- Anwendungen und Baustellenbegehungen. Kurz: die Baustelle der Zukunft.

Das sagt die BAUINDUSTRIE zur Digitalisierung:

„Building Information Modeling (BIM) spielt neben Technologien wie Robotik, dem Einsatz von Drohnen, Sensorik etc. bereits heute eine entscheidende Rolle, um Bauwerke ganzheitlich zu planen bzw. den Bauablauf zu verbessern: weniger Fehlplanungen durch digitale Simulation des Bauvorhabens vor Baubeginn oder Zeit- und Kostenreduktion durch optimierte Personal-, Material-, Geräte- und Maschineneinsätze. Doch: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine gemeinsame Aufgabe aller Bau-Beteiligten, um die Anforderungen der Kunden und Nutzer zu erfüllen, und die Komplexität durch die verändernden ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen zu meistern.“

Roboterplattformen für die Vorfertigung

Der Exzellenzcluster „Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur“ (IntCDC) der Universität Stuttgart hat Mitte 2022 vier Roboterplattformen für die automatisierte Herstellung von Holz- und Faserbauelementen erhalten. Die Anlagen sind ein Meilenstein für die Erforschung der mobilen, flexiblen Vorfertigungstechnik und sollen das Bauen der Zukunft nachhaltiger und effizienter machen.

Baustelle 4.0 ist Realität

Wie genau so eine Baustelle der Zukunft aussehen kann, zeigten Wissenschaftler* innen der Verbundforschungsprojekte Bauen 4.0 und 5G Lab Germany Forschungsfeld Lausitz Ende September 2022 auf dem Gelände der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda. Ein Highlight bildete ein reales Bauszenario im Tiefbau, eine Kanalbaustelle, in der verschiedene Baumaschinen wie Mobilbagger, Radlader und Ladekran mit neu entwickelten Automatisierungsfunktionen zum Einsatz kamen. Mit Tracking & Tracing für Baumaterial und -geräte, 5G-basierte baustellengerechte Campusnetze und Connectivity-Module sowie Fernsteuerungen von Baumaschinen wurden Lösungen vorgestellt, die die Digitalisierung von Baustellenabläufen ermöglichen. Ein interaktives Baustellenleitsystem ermöglicht es, die Überwachung der Baustelle in Echtzeit abzubilden und visuell den Baustellenfortschritt live zu verfolgen. Mit dem Fazit: Wenn von der Bauplanung, der Logistik bis zur Umsetzung alles digitalisiert und miteinander vernetzt wäre, könnte die Produktivität und Effizienz auf Baustellen gesteigert, das Baupersonal entlastet und dem Fachkräftemangel in der Branche entgegengewirkt werden.

Digitale Bauanträge

In Wien ist man vom „wäre“ bereits in die Testphase gewechselt. Dort werden Bauanträge erstmals probeweise mit einem digitalen System bearbeitet. Zum Einsatz kommen dabei computergestützte Datenanalysen, Prüfroutinen, künstliche Intelligenz und Augmented Reality. Basis dafür: das BIM-Modell, in dem alle relevanten Bauwerksdaten digital erfasst werden. Dass der Antrags- und Genehmigungsprozess durchgehend digital funktioniert und alle Beteiligten entlasten kann, hat auch das Projekt „BIM-basierte Baugenehmigung in NRW“ gezeigt. Nach Durchführung eines weiteren Evaluierungsprojekts ist nun klar, dass Bauherren ihre Bauanträge künftig auf Basis eines 3D-Modells bei den zuständigen Behörden einreichen können.

Bauingenieur*innen für die digitale Transformation

All diese Beispiele zeigen, dass sich das Bauwesen auf dem Weg hin zu einer Hightech- Branche befindet. Teils kommen Zukunftstechnologien längst zum Einsatz – man denke dabei auch an erste mit 3D-Druck produzierte Gebäude, teils finden sich Technologien noch am Übergang von Test- in konkrete Einsatzphasen. Doch bleibt eine Frage offen. Ähnlich wie die Bauindustrie mit ihrer zu Beginn erwähnten Image-Studie kommt auch die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) mit seinem „Digitalisation in construction report 2022“ zu dem Schluss, dass die Digitalisierung im Bauwesen immer weiter Fahrt aufnimmt und die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen muss, um die tiefgreifenden Auswirkungen des Bauens auf die Welt zu bewältigen. Allerdings, und hier ist die Krux: Neben den steigenden Kosten ist es laut der RICS gerade der Mangel an qualifizierten Fachkräften, der eine schnellere Digitalisierung und die Entwicklung hin zu einer Hightech-Branche ausbremst. Somit steht fest: Es braucht eine schnellere Digitalisierung wegen des Fachkräftemangels, gleichzeitig werden dingend Fachkräfte für den Wandel benötigt. Beste Aussichten also für junge Bauingenieur*innen, die neben dem technischen Know-how auch über das sogenannte Digital Mindset verfügen.

Wie es zum digitalen Zwilling der Baustelle kommt

„Die 3D-Technologie ist äußerst komplex.“

Manchmal kann schon der Sandkasten aus Kindestagen der Ursprungsort für eine Erfolgsgeschichte sein. So auch beim ConTech-Unternhemen Aeditive, wie dessen Co-Founder Alexander Türk im Interview erzählt. Zusammen mit einem Freund aus der Kindheit und zwei von dessen Uni- Kollegen gründete er 2019 das Hochtechnologie-Start-up, das eine digitale Automatisierungslösung für die Baubranche entwickelt: ein spezielles 3D-Druckverfahren, das das Bauen um ein Vielfaches effizienter machen soll. Die Fragen stellte Christoph Berger

Herr Türk, Sie und Ihre Kolleg*innen haben eine Roboter-Spritzbeton- Drucktechnologie entwickelt, die das Herz Ihrer 3D-Drucklösungen für die schalungsfreie Betonteilfertigung ist – einen 3D-Großdrucker. Können Sie das kurz erklären? Die Bauindustrie ist eine sehr traditionelle Industrie, in der noch viel manuell gearbeitet wird und wenig automatisiert wurde. Das gilt insbesondere für den Betonbau. Hier muss händisch eine Schalung aus Holz produziert werden, in die dann der Beton reinfließt – wobei die Schalung die spätere Form vorgibt. Mit der 3D-Drucktechnologie haben wir die Möglichkeit, auf diese Schalung komplett zu verzichten. Der Beton wird stattdessen schichtweise aufgedruckt, danach werden die Oberflächen bearbeitet. Das Bauteil ist somit schalungsfrei und automatisiert produziert worden. Das bedeutet also höhere Effizienz sowie weniger Personal- und Materialeinsatz? Genau. In erster Linie ist unsere Lösung eine Antwort auf den Fachkräftemangel in einer wachsenden Branche: Es gibt Wohnraumknappheit und einen Sanierungsstau bei großen Infrastrukturprojekten, zum Beispiel beim Brücken- und Straßenbau. All diese Herausforderungen können aufgrund fehlender Fachkräfte kaum noch bedient werden. Deswegen Automatisierung. Zudem produzieren wir mit dem Verfahren nachhaltiger. Da der Roboter den Beton nur dort aufträgt, wo er im Bauteil benötigt wird – zum Beispiel zur Lastaufnahme oder Schallisolation, sparen wir Beton ein.

Zur Person

Alexander Türk ist studierter Mathematiker und ehemaliger Strategieberater. 2019 gründete er mit Hendrik Lindemann, Roman Gerbers und Niklas Nolte das ConTech- Unternehmen Aeditive. Dort ist er verantwortlich für Strategie und Finanzen. Der von dem Start-up entwickelte Concrete Aeditor kommt in diesem Jahr erstmals bei Pilotkunden zum Produktionseinsatz. www.aeditive.de
Welche Herausforderungen haben Sie bei der Entwicklung Ihres 3D-Produkts zu meistern? Die 3D-Technologie ist äußerst komplex. Die Technologie kann nur dadurch entstehen, dass Ingenieur*innen und Fachkräfte verschiedenster Fachrichtungen zusammenarbeiten. In unserem Team sind Architekten und Bauingenieure, Sie finden Betonspezialisten, Maschinenbauer, Automatisierungstechniker und Softwareentwickler. Diese Spannbreite an Disziplinen und deren Zusammenarbeit ist notwendig, um eine Automatisierungslösung für den Bau zu entwickeln. Sie selbst sind Mathematiker. Wie sind Sie dazu gekommen, an einer Innovation für den Bau zu arbeiten? Ja, ich bin Mathematiker. Aber vor allem bin ich ein technologiebegeisterter Mensch. Nach dem Studium habe ich für eine große Strategieberatung gearbeitet und mich dort mit der Digitalisierung beschäftigt: Wie verändert Technologie eine Industrie oder ein Geschäftsmodell? Oder die Strategie eines Unternehmens? Zu der Idee der Unternehmensgründung bin ich gekommen, weil einer meiner drei Mitgründer ein Freund aus der Kindheit ist, der das Thema mit zwei anderen Kollegen in einen Forschungsprojekt an der Uni bearbeitet hat. Zusammen haben wir dann überlegt, wie man die Technologie an den Markt bringen könnte. Das Thema 3D-Druck ist für das Bauwesen insgesamt groß – letztes Jahr wurde beispielsweise das erste Wohnhaus in Deutschland gedruckt. Entsprechend wächst auch das Angebot an Lösungen und Verfahren. Was macht die von Ihnen entwickelte Lösung aus? Der wesentliche Unterschied zu anderen Lösungen ist, dass wir mit Spritzbeton arbeiten. Das im letzten Jahr gedruckte Haus wurde beispielsweise im Extrusionsverfahren hergestellt. Dabei wird der Beton aus einer Düse quasi herausgequetscht und in Filamenten aufeinander abgelegt. Beim Spritzbeton haben wir jedoch den Vorteil, dass wir Bewehrung in den Beton integrieren können. Zum Beispiel Carbonfasern. Hinzu kommt, dass die Spritzbetontechnologie in einfacherer Form bereits zum Beispiel im Tunnelbau seit Jahrzehnten zum Einsatz kommt. Es gibt also einen regulatorischen Rahmen dafür. Bedeutet: Wenn mir mit Spritzbeton ein Bauteil drucken, können wir auf die existierende Normenlandschaft zurückgreifen.
Wir nehmen großes Interesse im Markt wahr, sich auf einen BIM-Standard zu einigen, damit künftig leichter Daten ausgetauscht werden können.
Eine große Methode im Rahmen der Bau-Transformation ist Building Information Modeling, BIM. Wird diese Methode mit dem 3D-Druck kombiniert? Absolut – in beide Richtungen. Wir nehmen großes Interesse im Markt wahr, sich auf einen BIM-Standard zu einigen, damit künftig leichter Daten ausgetauscht werden können. Diese Daten, die 3D-Modelle von Bauteilen, sollen von unseren 3D-Druckern eingelesen und dann automatisch gedruckt werden können. Die Schnittstelle zu BIM spielt somit eine Rolle bei der Erstellung von Druckaufträgen. Aber auch umgekehrt: im Rahmen der Dokumentation der Qualitätsdaten zum gedruckten Bauteil. Die automatisch im Prozess generierten Daten können zurück an das BIM-Modell übertragen und beim jeweiligen Bauteil digital hinterlegt werden. Im Vertrieb gehen Sie auch neue Wege. Genau. Das Stichwort ist: Equipment as a Service. Wir stellen unseren Kunden unsere Technologie mit Drucker, Software, Services und Support zur Verfügung und der Kunde zahlt rein für die Nutzung der Technologie, pro Output- Einheit. Das gibt unseren Kunden Flexibilität. Wobei alle Beteiligten das Ziel haben, dass der Drucker möglichst viel genutzt wird, weil dies die Stückkosten senkt. So hat man gemeinsam Erfolg. Die ConTech-Branche wächst. Was ist Ihr Tipp für Gründer*innen? Manchmal muss man genau hinhören, manches Mal aber auch genau weghören. Wichtig ist, Kunden und Investoren zuzuhören und darauf zu achten, was sinnvolles Feedback ist. Manchmal muss man aber auch weghören, weil es Menschen gibt, die sagen: Das wird nicht funktionieren. Würde man immer darauf hören, traut man sich am Ende nicht, etwas zu machen.

Die Automobilindustrie zum Vorbild

0

Neben einer Branchenkonsolidierung und der Digitalisierung nennt eine Studie die Industrialisierung des Bauens als einen der Haupttreiber für den Change in der Branche. Dies liegt vor allem daran, dass eine serielle und modulare Fertigung zu ressourceneffizienterem und kostengünstigerem Bauen führt. Von Christoph Berger

Im Oktober 2021 richteten die Hauptgeschäftsführer der Spitzenverbände der Bauund Immobilienwirtschaft einen Appell an die Politik. In dem sprachen sie sich für eine weitere Förderung industrieller Bauverfahren aus – immerhin seien eine serielle und modulare Fertigung ein entscheidender Hebel, um ressourceneffizientes und kostengünstiges Bauen enorm nach vorne zu bringen. Diese Form der Industrialisierung, also die Einführung neuer Produktions- und Fertigungsverfahren, die es ermöglichen, ganze Bauteile und -abschnitte nicht mehr an der Baustelle, sondern industriell und modular vorab herzustellen, wird auch in der McKinsey-Studie „The next normal in construction – how disruption is reshaping the world’s largest ecosystem“ als einer von drei Treibern aufgezählt, die die Baubranche grundlegend verändern werden. Die Industrialisierung nach dem Vorbild des Automatisierungsgrads in der Automobilindustrie führe auch am Bau zu einer billigeren und schnelleren Produktion. Inklusive der Anmerkung, dass die Individualisierung mittels Industrie 4.0 dennoch eine Vielfalt beim Bauen erlaube. Viele Bauunternehmen haben diesen Trend bereits erkannt. Beispielsweise betreibt die Firmengruppe Max Bögl aktuell schon so eine moderne Fertigungsstätte für eine wirtschaftlichere Produktion der modularen Wohnungsbau-Komponenten ihres Produkts maxmodul sowie von Betonfertigteilen für den Wohnungs- und Gewerbebau. Im brandenburgischen Eberswalde baut die Renggli Deutschland GmbH Deutschlands größtes Holzmodul-Werk für die Errichtung mehrgeschossiger Gebäude. In dem Werk sollen ab 2024 auf rund 20.000 Quadratmetern Produktionsfläche Holzmodule für nachhaltige und klimagerechte, mehrgeschossige Gebäude hergestellt werden.

Linktipp

Die Hochschule für angewandtes Management bietet den Studiengang „Industrielles Bauen“ an, der mit dem Titel „Master of Engineering“ abschließt.
Das auf Bau-Marktinformationen spezialisierte Unternehmen BauInfoConsult erwartete im Februar dieses Jahres für 2022 ein Wachstum von rund fünf Prozent bei den Fertigwohnhäusern, bis 2030 sei ein Marktanteil von einem Viertel ein durchaus wahrscheinliches Szenario. Die Marktforscher haben zudem Holz als dominanten Wandbaustoff ausgemacht, wenn es um den Einsatz von industriell vorgefertigten Bauteilen im Wohnungsbausegment geht. Der mit großem Abstand dahinter liegende Stahlbeton werde laut der Untersuchung in den kommenden Jahren indes mit einer negativen Fertigstellungsbilanz bei der Fertigteilbauweise im Wohnungsbau zu kämpfen haben. Dies liege zum Teil daran, dass Stahlbetonfertigteile im Vergleich zu Holz als Baustoff bei einigen Bauherren an Attraktivität eingebüßt hätten. So könnten mittlerweile auch Mehrfamilienhäuser rentabel in der Holzständerbauweise errichtet werden – früher war der Einsatz von Stahlbetonfertigteilen eher eine Domäne im Fertigteile-Mehrfamilienhausbau. Dennoch: Das deutsche Wohnungsbausegment sei und bleibe vorerst von der konventionellen „Stein-Auf-Stein-Bauweise“ dominiert, so BauInfoConsult. Auch wenn bereits 2020 die 20.000er-Marke bei neuen Wohngebäuden in Fertigteilbauweise überschritten worden sei. Der Anteil von Fertighäusern aller in 2020 fertiggestellten Neubauprojekte im Wohnungsbau lag damit bei rund 18 Prozent.

Energie-Plus-Quartier in modularer Holzbauweise: „Triple-Zero-Prinzip“ in Stuttgart

0

Für Mitarbeiter*innen des Klinikums Stuttgart lässt die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) 329 Personalwohnungen in sechs Gebäuden in Bad Cannstatt bauen. In nachhaltiger, modularer Holzbauweise entsteht dort ein Energie-Plus-Quartier mit dringend benötigtem und bezahlbarem Wohnraum. Von Christoph Berger

Zeitsparende Bauabwicklung, maximale Energieeffizienz und hohe Aufenthaltsqualität: All diese Attribute soll das Bauprojekt am Prießnitzweg in Stuttgart in sich vereinen, das zu den größten Holzmodul-Wohnprojekten Deutschlands zählt. Die Gebäude entstehen in nachhaltiger Holzbauweise und aus seriellen Modulen. Durch die Energieeffizienzklasse 40 Plus werden sie im Jahresmittel einen Energieüberschuss aus regenerativen Quellen erzeugen, wobei die effiziente Energieerzeugung auf Basis von Sole-Wasser-Wärmepumpen, Photovoltaikmodulen und Solar-Hybridkollektoren geplant ist. Zudem ist ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung zur Optimierung des Heizbedarfs vorgesehen. Eine gute Belichtung, großzügig gestaltete Grün- und Gemeinschaftsflächen sowie kühlende Frischluftzufuhr zwischen den Gebäuden sind weitere Aspekte, die eine hohe Aufenthaltsqualität schaffen sollen. Bei der Grundsteinlegung im Oktober 2021, die Kellerrohbauarbeiten hatten bereits im August des Jahres begonnen, sagte Samir M. Sidgi, Vorsitzender der Geschäftsführung der SWSG: „Das Projekt ist höchst anspruchsvoll, innovativ und repräsentiert sehr gute Lösungsansätze für aktuelle und zukünftige Herausforderungen.“ Schon im Dezember 2021 wurden die ersten Module auf der Baustelle angeliefert.
Wir konnten die drei Wohngebäude in nur sechs Monaten von der Anlieferung des ersten Moduls bis zur Fertigstellung errichten.
Angefertigt wurden diese im AH-Aktiv-Haus-Werk – die AH Aktiv-Haus GmbH ist im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft zusammen mit dem Bauunternehmen Wolff & Müller für die Umsetzung des Bauvorhabens verantwortlich. Bei der Logistik kommt es auf eine Just-in-time-Anlieferung der in Leichtbauweise vorgefertigten Wohnmodule an, die nach dem Eintreffen auf der Baustelle direkt montiert werden. Dadurch, wie auch durch die serielle Vorfertigung, wird laut Berechnungen eine Zeitersparnis von etwa zwölf Monaten im Vergleich zu einem konventionellen Stahlbetonbau erreicht. Im Mai 2022 wurde der erste Bauabschnitt abgeschlossen, im Juli fand die Bauabnahme durch die SWSG statt. „Wir konnten die drei Wohngebäude in nur sechs Monaten von der Anlieferung des ersten Moduls bis zur Fertigstellung errichten“, sagt Thomas Schmierer, Projektleiter beim Bauunternehmen Wolff & Müller. Ende 2023 soll die zweite Bauphase mit 172 Wohneinheiten und einer Tiefgarage abgeschlossen werden. Was den reibungslosen Ablauf ebenfalls unterstützt: Der Neubau wird komplett mit der BIM-Methode realisiert – das heißt: Gebaut wurde erst digital, dann real. Das hinter dem Projekt stehende Prinzip nennt sich übrigens „Triple-Zero-Prinzip“, formuliert und entwickelt wurde es von Werner Sobek. Bedeutet: Ein Gebäude benötigt nur die Energie, die es aus nachhaltigen Quellen selber erzeugt (Zero Energy), ein Gebäude produziert keine schädlichen Emissionen (Zero Emission) und alle Bauteile werden wieder vollständig in technische oder biologische Kreisläufe zurückgeführt (Zero Waste).

EDGE East Side in Berlin: Ein Beispiel für die Kombination von Nachhaltigkeit und Digitalisierung

0

In Berlin entsteht derzeit ein Hochhaus, das all die Attribute vereint, die ein zeitgemäßes Bauen verlangt: EDGE East Side. In dem Bauprojekt vereinen sich Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Teilvorfertigung und just-in-time-Arbeiten. Von Christoph Berger

Wenn EDGE East Side an der Warschauer Brücke im Berliner Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg 2023 fertiggestellt und übergeben sein wird, hat Berlin ein neues höchstes Bürohaus. Rund 140 Meter wird es mit seinen 37 Geschossen in die Höhe ragen. Doch nicht nur aufgrund dieser Zahlen wird das Gebäude einen neuen Milestone in der Hauptstadt setzen. Da ist zum Beispiel die nahezu vollständig bebaute Fläche rund um das 2905 Quadratmeter große Grundstück, die einen einwandfrei abgestimmten Projektablauf erfordert. Es gibt kaum Fläche für Zwischenlagerungen, daher muss angeliefertes Baumaterial im Regelfall just-in-time an die vorgesehene Position gebracht und eingebaut werden. Die Baustellenlogistik ist digital und minutiös getaktet, der Status eines jeden Bauteils kann 1:1 nachverfolgt werden. Damit alle Bauteile wie geplant an die richtigen Stellen der Baustelle gebracht werden können, wurden ein selbstkletternder Kran an der Nordfassade und einer in einem Aufzugsschacht, drei Bauaufzüge und eine Ausfahrbühne sowie ein hydraulisch kletternder Betonverteilermast in der Mitte des Gebäudekerns installiert. Das Hochhaus beinhaltet zudem ein Pilotprojekt. Für zwei Obergeschosse des Büroturms entwickelte das bauausführende Unternehmen Züblin zusammen mit Edge Technologies und dem Software-Start-up Alcemy einen stark CO2-reduzierten Transportbeton. Aufgrund seiner guten bauphysikalischen Eigenschaften ist Beton einer der wichtigsten Baustoffe und aus der Baubranche kaum wegzudenken. Allerdings enthält herkömmlicher Beton als Bindemittel Zementklinker, bei dessen Produktion größere Mengen CO2 ausgestoßen werden. Durch eine Absenkung des Zementklinkeranteils sinken auch die CO2-Emissionen.

Linktipp

Warum setzen Züblin und Strabag auf CO2-reduzierten Beton?
Bei der Produktion des Betons für das 32. und 33. Obergeschoss von EDGE wurde, im Vergleich zu herkömmlichem Beton, rund 50 Prozent weniger CO2 ausgestoßen. Möglich macht dies die Verwendung von Kalkstein – ein reichlich verfügbarer und klimafreundlicher Ersatz für Klinker. Das 2018 gegründete Unternehmen Alcemy nutzt maschinelles Lernen und Regelungstechnik zur Vorhersage der Qualitätseigenschaften von Zement und Beton. Durch belastbare Daten und smarte Algorithmen wird in Echtzeit die gesamte Wertschöpfungskette beobachtet – von der Wiege bei der Zementmahlung bis zur Verarbeitung des Betons auf der Baustelle. So wird das Naturprodukt zum datenbasierten Hightech-Produkt. Dies hat – neben der beschriebenen CO2-Reduktion – einen weiteren Vorteil: Die Qualität steigt. Zum Projekterfolg trägt auch die Anwendung von BIM maßgeblich bei: Bereits seit den ersten Planungen setzen die am Bau Beteiligten auf die digitale Arbeitsweise.

Der längste Absenktunnel der Welt: der Fehmarnbelttunnel

0

Zwischen Deutschland und Dänemark – manche sagen auch: zwischen Mitteleuropa und Skandinavien – wird eine neue Verbindung gebaut. Der Fehmarnbelttunnel. 18 Kilometer wird er lang sein und damit der längste Absenktunnel der Welt werden. Von Christoph Berger

Beim Bau des Fehmarnbelt-Tunnels spielen der temporäre Arbeitshafen und die Tunnelelementfabrik bei Rødbyhavn eine zentrale Rolle. Die Materialien für die Fertigung der Beton-Tunnelelemente können per Schiff zur Fabrik geliefert werden, die aus sechs Produktionslinien besteht. Dort werden dann die 79 Standardelemente mit einer Länge von je 217 Metern sowie 10 kürzere Spezialelemente mit eingebautem Untergeschoss für technische Installationen hergestellt. Wobei jedes Standardelement nochmals aus 9 Segmenten besteht. Für die Produktion eines Segments wird Bewehrungsstahl zu einem Bewehrungskorb verbunden. Danach wird der Bewehrungskorb in die Verschalungen geschoben. Wenn Bewehrungskorb und Verschalung miteinander verbunden sind, kann der Beton eingefüllt werden. Gleichzeitig beginnt die Produktion des nächsten Bewehrungskorbes für das nächste Segment. Ist der Beton ausgehärtet, werden die Verschalungen entfernt und das fertige Segment weitergeschoben. So geht es weiter, bis die Elemente am Trockendock ankommen. Dort beginnt dann das Verschließen der beiden Elementenden mit Schotten. Später wird das Trockendock mit Wasser geflutet – die Elemente können schwimmen.
Sieben Minuten mit dem Zug und zehn Minuten sind für die Durchfahrt mit Auto errechnet. Für 2029 ist die Eröffnung geplant.
Die fertigen Tunnelelemente werden schließlich mit Schleppern an die Stelle im Fehmarnbelt transportiert, an der sie abgesenkt und miteinander verbunden werden. Dabei wird nach folgendem Prinzip vorgegangen: Das erste Element wird direkt an das Portal des Tunnels auf dem Meeresboden positioniert, also die Einfahrt die Tunnel, die bei Puttgarden auf deutscher Seite entsteht. Danach wird das Wasser zwischen den beiden Schotten herausgepumpt. Dadurch entsteht ein großer Druckunterschied, mit dem eine völlig dichte Verbindung garantiert ist. Nach diesem Prinzip werden alle Elemente abgesenkt und miteinander verbunden. Noch vor der Fertigstellung werden außerdem die elektrischen und mechanischen Systeme installiert: elektrische Installationen, Beleuchtung, Lüftung, Kommunikationssysteme, Fluchttüren und Pumpen. Seit Sommer 2020 werden die Molen und Kaianlagen auf dänischer Seite errichtet. Das Material, das beim Anlegen der Fahrrinne ausgehoben wird, wird für die Landgewinnung verwendet. Diese neuen Flächen ragen 500 Meter in den Fehmarnbelt hinein und erstecken sich auf einer Länge von drei Kilometern westlich des Fährhafens. Dort soll später ein Natur- und Erholungsgebiet entstehen. Im Tunnel werden sich nach Fertigstellung eine Eisenbahnstrecke mit zwei Gleisen in separaten Röhren sowie eine Autobahn mit vier Spuren, zwei in jede Richtung, befinden. Sieben Minuten mit dem Zug und zehn Minuten sind für die Durchfahrt mit Auto errechnet. Für 2029 ist die Eröffnung geplant.

Wasserstraßen: Neues Schiffshebewerk Niederfinow

0

Am 4. Oktober 2022 war es so weit: Bundesverkehrsminister Volker Wissing weihte das neue Schiffshebewerk Niederfinow ein. Einen Tag später hat das Hebewerk seinen Regelbetrieb aufgenommen. Von Christoph Berger

Im Grunde handelt es sich um einen riesigen Aufzug. In dem Anfang Oktober 2022 in Betrieb genommenen Schiffshebewerk Niederfinow werden bis zu 110 Meter lange Schiffe gehoben und gesenkt, um den 36 Meter hohen Geländesprung im Havel-Oder-Kanal zu überwinden. Die Havel- Oder-Wasserstraße ist Teil des transeuropäischen Wasserstraßennetzes der Europäischen Union. Sie spielt insbesondere für Schwertransporte zwischen West- und Osteuropa eine wichtige Rolle. Das neue Schiffshebewerk Niederfinow ist 54,55 Meter hoch, 46,40 Meter breit und 133,00 Meter lang. Insgesamt wurden ca. 65.000 Kubikmeter Beton und Stahlbeton sowie 8900 Tonnen Stahl verbaut. Hinzu kommen etwa 40.000 Quadratmeter Spundwandstahl. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Bauarbeiten ca. 400.000 Kubikmeter Erde bewegt. Gebaut wurde das Werk von einer ARGE (Arbeitsgemeinschaft) für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Diese hatte für den Neubau ein Budget von 520 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Probebetriebs vom Herbst 2021 bis zum Sommer dieses Jahres wurden mehrere hundert Trogfahrten durchgeführt sowie Betriebs- und Störfälle simuliert. Darüber hinaus erhielt das Bedien- und Wartungspersonal des WSA Oder-Havel eine umfassende Einweisung. Am 10. Oktober hatte dann schließlich auch der erste Schwertransport die neue Anlage passiert: Das Schiff MS BONVENT hat an diesem Tag eine 390 Tonnen schwere und 5,90 Meter hohe Gasturbine durch das neue Hebewerk geschleust. Das seit 1934 bestehende kleinere Schiffshebewerk Niederfinow wurde 2007 von der Bundesingenieurkammer als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet. Das Bauwerk war für Schiffe mit einer Länge von 82 Metern befahrbar. Allerdings genügte es irgendwann nicht mehr den heutigen Anforderungen für modernen Schiffsverkehr und machte einen Neubau notwendig. Mit der Freigabe von diesem wird das historische Hebewerk während dessen Gewährleistungsphase noch einige Jahre in Betrieb bleiben. Danach bleibt es als Technikdenkmal und touristisches Wahrzeichen erhalten.

Wie kann auf dem Mond gebaut werden?

0

Klar, man könnte fragen: Haben wir hier auf der Erde nicht genügend zu bewältigende Herausforderungen? Müssen wir uns nun auch noch mit dem Bauen auf dem Mond beschäftigen? Zu erstens: Stimmt, haben wir. Zweitens: Und ja, können wir – zur weiteren Erforschung des Mondes oder als Zwischenstation für den Aufbau von Missionen zu weiter entfernt liegenden Zielen im Weltraum. Und ein Blick in die Zukunft lohnt sich allemal. Von Christoph Berger

Für das Jahr 2024 wird derzeit eine Mission zum Mond geplant, die das Bauen von Landeplätzen, Straßen oder Gebäuden aus Mondstaub auf dem Erdtrabanten zum Ziel hat. So forschen Wissenschaftler* innen des Laser Zentrums Hannover e.V. (LZH) und der Technischen Universität (TU) Berlin im Rahmen des Projekts MOONRISE daran, mit Laserstrahlung Mondstaub aufzuschmelzen. Das so entstehende Material soll für den 3D-Druck nutzbar gemacht werden, um die dortige Infrastruktur aufzubauen. Der Laser existiert bereits. Dieser wurde auch erfolgreich im Labor am Roboterarm eines Mond-Rovers getestet. Außerdem gelang es Wissenschaftler*innen, Regolith, also pulverisiertes Mondgestein, im Einstein-Elevator des HiTEC (Hannover Institute of Technology) der Leibniz Universität Hannover unter Mondgravitation aufzuschmelzen. Doch wie soll der Laser auf den Mond gelangen? Genau um die Beantwortung dieser Frage geht es dem Forscher*innen- Team derzeit: Die Wissenschaftler*innen von LZH und TU Berlin wollen ein Flugmodell des Lasers entwickeln, das für den Einsatz im Weltraum qualifiziert ist.
Mit der Vor-Ort-Fertigung von Infrastruktur ließen sich enorme Transportkosten sparen.
Außerdem wird an einer den Laser unterstützenden künstlichen Intelligenz (KI) gearbeitet. Eine Kamera wird auf dem Mond Fotos machen, die dann von den Forscher*innen auf der Erde mithilfe eines intelligenten Bildverarbeitungssystems ausgewertet werden. Das System soll bei der Analyse des mit dem Laser aufgeschmolzenen Mondstaubs helfen und dem Team auf der Erde so eine KI-basierte Prozess- und Qualitätskontrolle ermöglichen. Damit dies funktioniert, muss die KI für den Mondeinsatz schon im Vorfeld trainiert werden. An der TU Berlin wird dazu eigens ein Labor entstehen, in dem das Regolith unter Beleuchtungsverhältnissen fotografiert wird, die denen auf dem Mond nachempfunden sind. Hintergrund dieser Forschungsarbeiten sind unter anderem die Pläne der europäischen Weltraumorganisation ESA für ein „Moon Village“. Von dort könnten leistungsstarke Weltraumteleskope auf der stets von der Erde abgewandten Rückseite des Mondes zum Einsatz kommen. Außerdem mache die geringere Schwerkraft und das Fehlen einer Atmosphäre den Mond zu einer idealen Zwischenstation für den Aufbau von Missionen zu weiter entfernt liegenden Zielen im Weltraum. Würde man die dafür notwendige Infrastruktur allerdings mit Material von der Erde bauen wollen, wäre dies ein äußerst kostspieliges Vorhaben. Jörg Neumann, Projektleiter von MOONRISE am LZH, spricht im Fall eines solchen Transports von einer Million Dollar pro Kilogramm. Regolith sei dagegen auf dem Mond massenhaft vorhanden und könnte als Rohmaterial zum 3D-Druck verwendet werden. Mit der Vor-Ort-Fertigung von Infrastruktur ließen sich enorme Transportkosten sparen. Das Nutzen und Verarbeiten von vor Ort vorhandenen Materialien wird in der Raumfahrt auch als In-Situ Resource Utilization (ISRU) bezeichnet. Gelingt dies, könnte das Verfahren ein entscheidender Faktor sein, die Exploration des Mondes und des Weltraums voranzubringen.    

E-Mail für dich: Planen und Bauen im Homeoffice – wie geht das?

Von: Fabian Hesse, M.A. | bauingenieur24.de Gesendet: 12. 10. 2022 An: Bauingenieurinnen und Bauingenieure Betreff: Planen und Bauen im Homeoffice – wie geht das? Hallo, Homeoffice ist im Bauingenieurwesen kein Fremdwort, doch die Anwendung ist aktuell noch sehr unterschiedlich. Aufgrund des Fachkräftemangels und der digitalen Transformation der Baubranche kann das Thema in Bewerbungsgesprächen zum Zünglein an der Waage werden. Eine aktuelle Umfrage des Berufsportals bauingenieur24 ergab, dass nur sehr wenige Beschäftigte im Bauingenieurwesen ausschließlich im Homeoffice arbeiten (rund 8 %). Demgegenüber stehen fast doppelt so viele, die gar nicht mobil bzw. von zu Hause arbeiten. 27 Prozent gaben an, zu bestimmten Zeiten das Homeoffice zu nutzen. Knapp 33 Prozent arbeiten je nach Bedarf beziehungsweise flexibel im Homeoffice oder mobil. Für 17 Prozent ist die Arbeitsweise die absolute Ausnahme. Deutlich wird, dass die Nutzung des Homeoffice im Bauingenieurwesen zwischen zwei Polen schwankt. Auf der einen Seite stehen die klaren Befürworter, für die es keine Alternative mehr gibt, auf der anderen Seite die Skeptiker, die keinen echten Mehrwert erkennen. Heiko Schmelzer, Geschäftsführer eines Planungsbüros mit 15 Mitarbeitenden, sieht vor allem bei den planenden Beschäftigten einen Mehraufwand: „Da haben wir höhere Anforderungen an die Technik, darunter EDV und Datenübertragung, als für Mitarbeiter, die eher text- und tabellenbezogen arbeiten.“ Für alle Unternehmen sind die veränderte Kommunikation nach außen sowie die Anforderungen an den Datenschutz bzw. die Datensicherheit zu meistern. Es muss zudem in Glasfaserleitungen für schnelles Internet, zusätzliche Hardware und Clouddienste investiert werden. Trotz technischer Herausforderungen machen viele Arbeitgeber gute Erfahrungen mit ihren Homeoffice-Regelungen. Private wie öffentliche Arbeitgeber können damit nicht zuletzt Nachhaltigkeitsziele verknüpfen und für ein Leben und Arbeiten jenseits der Metropolregionen werben. Vielen Arbeitgebern ist jedoch noch eine zeitliche Einschränkung für das Homeoffice wichtig (z.B. 8 Tage/Monat). Die Zusammenarbeit bei internationalen Bauprojekten kann mit einer guten Homeoffice-Einrichtung erleichtert werden. Mitarbeitende im Homeoffice nehmen zudem eher Weiterbildungen in Form von Webinaren wahr. Wertvolle Fachkräfte im Rentenalter können bei Interesse und Bedarf gut via Homeoffice weiterarbeiten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, ob das Homeoffice im Bauwesen eine Rolle spielt oder nicht, angesichts der technischen Möglichkeiten sowie der veränderten gesellschaftlichen Umstände prinzipiell geklärt ist. Der Fokus liegt bereits längst auf der individuellen Ausgestaltung an jedem einzelnen Arbeitsplatz. Hierbei zeigt sich, dass vieles möglich ist, was einst undenkbar schien, wenn sich die Beteiligten einmal dazu entschließen. In Zeiten der digitalen Transformation trägt der offene Umgang mit dem Homeoffice sicherlich seinen Teil zum notwendigen Change-Management des jeweiligen Arbeitgebers, egal ob Bauunternehmen, Planungsbüro, Behörde oder wissenschaftliche Einrichtung, bei. Mit herzlichen Grüßen Fabian Hesse M.A.