Kanzlei im Metaverse: „Wir wollen nahe bei unseren Mandanten sein.“

Kanzlei Metaverse, Foto: AdobeStock/whyframeshot
Kanzlei im Metaverse, Foto: AdobeStock/whyframeshot

Gleiss Lutz eröffnete 2022 als erste große Wirtschaftskanzlei ein Büro im Metaverse. Mit Prof. Dr. Eric Wagner und Dr. Moritz Holm-Hadulla unterhielt sich der karriereführer über Gründe für diese Eröffnung und erste Erfahrungen. Die Fragen stellte Christoph Berger

Die Interviewpartner

Prof. Dr. Eric Wagner, Foto: Gleiss Lutz
Prof. Dr. Eric Wagner, Foto: Gleiss Lutz

Prof. Dr. Eric Wagner ist Rechtsanwalt und Partner bei Gleiss Lutz. Er ist spezialisiert auf den Bereich Commercial einschließlich Produkthaftung und der Gebiete e-commerce, autonomes Fahren, connectivity und Industrie 4.0. Er vertritt Mandanten in diesem Bereich sowohl vertragsgestaltend wie auch in streitigen Verfahren vor staatlichen Gerichten und internationalen Schiedsgerichten. Darüber hinaus zählt er zu den weltweit führenden Experten im Bereich des Produkthaftungsrechts. Er berät Mandanten bei der präventiven Gestaltung und der Entwicklung von Risikovermeidungsstrategien und hat umfangreiche Expertise und Erfahrung im Umgang mit Krisensituationen und potentiellen Rückrufszenarien beim Mandanten.

 

Dr. Moritz Holm-Hadulla, Foto: Gleiss Lutz
Dr. Moritz Holm-Hadulla, Foto: Gleiss Lutz

Dr. Moritz Holm-Hadulla ist Rechtsanwalt und Partner bei Gleiss Lutz. Er berät Mandanten zu allen Fragen des deutschen und europäischen Kartellrechts. Seine Tätigkeit umfasst Fusionskontrollverfahren, die Beratung bei Kartellermittlungen und die Vertretung in kartellrechtlichen Schadensersatzprozessen. Außerdem unterstützt Moritz Holm-Hadulla regelmäßig beim Design und der Implementierung kartellrechtlicher Compliance Programme und bei der Compliance Due Diligence im Transaktionskontext. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in Bereichen der Digitalisierung sowie neuer Technologien und Medien. Er ist Head der Branchengruppe Digital Economy.

Gleiss Lutz hat im Juli 2022 ein Büro im Metaverse eröffnet. Was waren die Gründe dafür?
Moritz Holm-Hadulla:
Unsere Präsenz im Metaverse fügt sich nahtlos in unsere Gesamtstrategie ein. Wir wollen nahe bei unseren Mandanten sein, heute und in der Zukunft, gerade auch im sich verändernden und immer digitaler werdenden Geschäftsumfeld der Rechtsberatung. Daher beraten wir unsere Mandanten nicht nur umfassend zu den vielfältigen Rechtsfragen, die in diesem digitalen Raum entstehen, sondern wollen dort auch gleichzeitig als Ansprechpartner präsent sein. Mit unserem virtuellen Büro schaffen wir zudem eine weitere zentrale Kontaktmöglichkeit für unsere Mandanten, neben Telefon, E-Mail und Social-Media. Darüber hinaus ist es uns wichtig, aus erster Hand Erfahrungen im Metaverse zu sammeln und damit unsere Beratungspraxis zukünftig noch besser auf die Anforderungen unserer Kunden zu optimieren.

Second Life Anfang der 2000er-Jahre verlor schnell an Relevanz – ist das Metaverse mehr als ein Hype für die Kanzlei?
Eric Wagner:
Digitalisierung und das Agieren im digitalen Raum sind als Querschnittsthemen im gesamten Wirtschaftsleben relevanter denn je. Web3, Blockchain, Metaverse etc. haben sich zu einem attraktiven Wachstumsmarkt für Unternehmen und Investoren auf der ganzen Welt entwickelt. Urheber-, Marken- und Patentrechte spielen beispielsweise eine noch zentralere Rolle als bisher. Damit wächst auch der rechtliche Beratungsbedarf diesbezüglich kontinuierlich. Mit ihrer Präsenz im Metaverse unterstreicht unsere Kanzlei nachhaltig den Anspruch, in den Zukunftsthemen der Rechtsberatung – sei es bei Legal Tech, Digital Future oder ESG – stets als Thought Leader zu agieren.

Wie wird das virtuelle Büro bisher angenommen?
Eric Wagner:
Seit der Eröffnung wurden über 50 Beratungsgespräche rund um das Thema Metaverse geführt – Tendenz steigend, insbesondere mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Rechtsabteilungen von Unternehmen.

Mit welchen Anliegen kommen Mandantinnen und Mandanten in Ihr Metaverse-Büro?
Moritz Holm-Hadulla:
Das Metaverse als Megatrend der Digitalisierung bietet Unternehmen zahlreiche neue Geschäftsfelder und führt sie in ein völlig neues, virtuelles Umfeld. Die Rechtsfragen und individuellen Anliegen rund um digitale Handlungsräume sind daher vielfältig, der Beratungsbedarf hoch. Von datenschutz- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen im Unternehmensalltag über den gesamten Bereich der Product Compliance, der funktionalen Sicherheit von künstlicher Intelligenz, virtuellen Produkten und der Blockchaintechnik bis hin zur rechtlichen Einordnung dezentralisierter autonomer Organisationen als besondere Gesellschaftsform.

Braucht es für die Beratung auf einer virtuellen Plattform andere oder weitere Skills von Seiten der Anwälte, um die Tätigkeit im Sinne der Mandantschaft erledigen zu können – und wenn ja, welche Skills sind das?
Moritz Holm-Hadulla:
Exzellente Beratung quer durch alle Rechtsgebiete ist stets unser Anspruch. Die digitale Transformation beeinflusst mittlerweile fast alle wirtschaftsrechtlichen Themengebiete. Wenn wir Mandanten im oder zum digitalen Raum beraten, sind digitale Kompetenzen daher besonders wichtig. Neben einer hohen Digitalaffinität sind ein persönliches Interesse an Zukunftsthemen sowie die Neugier auf innovative Beratungsansätze Grundvoraussetzung. Digitalisierung erfordert aber auch lebenslanges und berufsbegleitendes Lernen und Weiterbildung – als Berater und als Kanzlei insgesamt. Unsere Kanzlei verfügt bereits über eine etablierte Branchengruppe Digital Economy und wird das Metaverse – ähnlich wie bereits Legal-Tech – künftig in das Ausbildungscurriculum unserer Nachwuchsjuristen aufnehmen.

Welche Rolle spielt die persönliche Beziehung zwischen Mandanten und Anwälten in der virtuellen Welt?
Eric Wagner:
Die persönliche, kontinuierliche Betreuung von Mandat und Mandant ist seit jeher ein Grundprinzip unserer Beratung – in der analogen ebenso wie in der digitalen Welt. Wir wollen unsere Mandanten, ihren Beratungsbedarf und das jeweilige Marktumfeld bestmöglich verstehen, um umfassende und in jeder Hinsicht optimale Lösungen für sie zu entwickeln. Aus diesem Grund investieren wir Zeit und Aufmerksamkeit in intensive und persönliche Beziehungen – ganz gleich ob bei Präsenzmeetings oder im digitalen Austausch.

Ich könnte mir vorstellen, dass durch die Nutzung einer virtuellen Plattform durch die Mandantschaft auch eine schnellere Reaktionsfähigkeit erwartet wird. Stichwort 24/7. Ist das so oder gibt es auch im virtuellen Büro offizielle Geschäftszeiten?
Moritz Holm-Hadulla:
Das virtuelle Büro bietet eine weitere Möglichkeit mit uns Kontakt aufzunehmen. Dieser ist digital und zeitlich unabhängig und ständig möglich – wie auch z.B. über E-Mail. Die Anfrage wird gespeichert und wir vereinbaren zeitnah einen Termin oder verfassen eine Antwort. Das bedeutet, wie auch an den anderen Standorten, nicht zwangsläufig, dass 24/7 eine Ansprechperson im Metaverse anwesend ist.

Arbeiten Sie in diesem Zusammenhang auch mit Chatbots?
Eric Wagner:
Bisher noch nicht. Rechtsberatung ist primär ein „People Business“. An erster Stelle steht für uns das Verständnis für den Mandanten. Diesen wollen wir individuell nach seinen jeweiligen Wünschen und Anforderungen optimal beraten und ihm diesen passgenauen Rechtsrat geben können. Wir prüfen aber ständig neue Nutzungsmöglichkeiten von technischen Innovationen. Sollte der Einsatz von Chatbots bei bestimmten Abläufen im Metaverse sinnvoll sein, können wir uns einen Einsatz durchaus vorstellen.

Welche Auseinandersetzung mit der Thematik Metaverse braucht es, um ein Büro professionell führen zu können – das geht über „einfach mal ausprobieren“ mit Sicherheit hinaus?
Moritz Holm-Hadulla:
Mit unserer Metaverse-Präsenz sammeln wir laufend neue Erfahrungen, die wir professionell analysieren und aufarbeiten, um sie in unsere tägliche Arbeitsorganisation mit einfließen zu lassen und damit unseren Mandanten die bestmögliche Beratung und Betreuung bieten zu können.

Welches Potenzial sehen Sie noch im Metaverse, welche Möglichkeiten werden sich für Kanzleien – oder auch die gesamte Rechtsbranche – daraus noch ergeben?
Eric Wagner:
Mittel- bis langfristig bietet die weltweite mehrdimensionale Vernetzung im Metaverse ungeahnte und heute noch nicht vollständig prognostizierbare Chancen und Handlungsspielräume – gesellschaftlich, wirtschaftlich und interkulturell. Daher haben wir als Full Service-Kanzlei den Anspruch, diesen Schritt als erste Kanzlei zu gehen und von Beginn an im Metaverse Erfahrungen zu sammeln und unsere Angebote zukunftsorientiert zu optimieren.