Recht und Integrated Industry

Technische Weiterentwicklungen machen auch vor dem Recht und dem Rechtsanwender nicht halt. Zu den diskutierten Fragen gehört unter anderem die sowohl wissenschaftlich als auch praktisch interessante Diskussion, wem Daten gehören. Grund hierfür ist, dass eine klare Antwort aus rechtlicher Perspektive bislang schwerfällt. Von Daniel van Geerenstein, LL.M. (CESL, Beijing/Hamburg), stellvertretender Leiter der Abteilung Recht des VDMA / Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt).

Während die üblichen Kategorien von Eigentum und Besitz bei physischen Gegenständen meist problemlos rechtliche Zuordnungen ermöglichen, ist dies bei digitalen Daten schwieriger. So fallen Daten mit Personenbezug unter den eigentlichen Datenschutz: das Bundesdatenschutzgesetz und die europäische Datenschutzgrundverordnung. Daten hingegen, die keinen Personenbezug aufweisen, können, je nach Kontext, in dem sie entstehen, geschützt sein. Hierbei kommen zum Beispiel gewerbliche Schutzrechte, das Urheberrecht – unter anderem das Recht des Datenbankherstellers, Rechte an Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, et cetera in Frage. Ein absolutes Recht, also ein Dateneigentum, welches gegenüber jedem anderen gilt, gibt es allerdings per se nicht.

Dies führt die beteiligten Parteien wie Hersteller und Zulieferer, aber auch Händler und Endkunden zur berechtigten Frage: Wem sind die Maschinendaten zugeordnet? Sinnvoll erscheint, die Frage auf der vertraglichen Ebene zwischen den Akteuren zu lösen: Unternehmen setzen vermehrt auf eine explizite vertragliche Regelung der Datenzuordnung beziehungsweise des Datenzugangs.

Daten und Prozesse Die Auswirkungen auf den heutigen Juristen werden damit deutlich: Zum einen muss zukünftig diese Komponente bei der Vertragserstellung beachtet werden. Zum anderen sind verstärkt die technischen Experten einzubeziehen, damit die technischen Zusammenhänge in ausreichendem Maße Einzug in die Vertragserstellung finden. Hintergrund ist, dass es sehr darauf ankommen wird, welche Daten genau durch welche Prozesse anfallen beziehungsweise erhoben werden.

So wird man zum Beispiel Sensordaten oftmals nicht gleichsetzen können mit anderen Daten, die etwa ein ERP-System erhält. Hier wird es seitens der Vertragsparteien auch unterschiedliche Interessenslagen geben, sodass der allgemeine Verweis auf „die Daten“ in Verträgen zu weit gefasst sein wird. Sinnvoll ist es, daher zunächst eine Kategorisierung und Definition der Daten vorzunehmen, welche danach der einen oder der anderen Partei vertraglich zugeordnet werden.

Auch die Vergabe von Nutzungsrechten an den Daten und der (technische) Schutzmaßstab findet hier Platz. Diese Vorgehensweise ermöglicht einen fairen Ausgleich der Interessen der Parteien.

Recht und E-Health

Der technische Fortschritt und die Digitalisierung verändern das Gesundheitswesen schon seit geraumer Zeit grundlegend. Aus rechtlicher Sicht geht es nicht nur darum, Antworten auf die sich daraus ergebenden Fragen zu finden, sondern auch mit der fortlaufenden Weiterentwicklung Schritt zu halten. Von Prof. Dr. Ulrich M. Gassner, Leiter der Forschungsstelle für E-Health-Recht (FEHR) an der Universität Augsburg

Die Technologisierung und Digitalisierung haben nicht nur unser alltägliches Leben, sondern auch die Medizin umgewälzt. Dabei könnten die Anwendungsbereiche vielfältiger nicht sein. Die Entwicklung hat disruptiven Charakter. Ein prominentes Beispiel hierfür sind Health-Apps. Mittlerweile ist es für viele selbstverständlich, ihre gesundheitlichen Daten zu erheben und zu nutzen, sei es beim Tracking der zurückgelegten Laufdistanz, bei der Überwachung der Herzfrequenz oder des Blutzuckerspiegels oder auch bei der bloßen Erfassung der täglich zugeführten Kalorien. Dabei ist längst nicht mehr nur das Smartphone das dominierende Endgerät, vielmehr ist eine umfassende Verknüpfung und Vernetzung mit etwa Fitness-Armbändern und Smartwatches zu beobachten.

E-Health findet jedoch nicht nur im privaten Bereich statt: Im öffentlichen Gesundheitswesen wird nicht erst seit dem E-Health-Gesetz versucht, die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Dies geschieht derzeit beispielsweise mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die nicht nur die auf den bisherigen Krankenversicherungskarten gespeicherten Informationen enthält, sondern etwa auch Notfallversorgungsdaten oder Daten zur persönlichen Arzneimittelverträglichkeit speichern kann. Insbesondere ökonomisches Potenzial besteht beim Einsatz von elektronischen Arztbriefen und der Digitalisierung der ärztlichen Dokumentation.

Doch auch bei der medizinischen Behandlung an sich sorgt die „digitale Revolution“ für Veränderungen. Neben der Weiterentwicklung der Medizintechnik betrifft das im Allgemeinen die Verbesserung der Infrastruktur in Arztpraxen und Krankenhäusern und im Speziellen die Gerätevernetzung im OP-Saal. In rechtlicher Hinsicht sind all diese Neuerungen betreffend viele verschiedene juristische Materien einschlägig, die es zu beachten und zu verknüpfen gilt. Die wahrscheinlich wichtigste Materie ist das Datenschutzrecht. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens fußt auf der Erhebung und/oder Nutzung sensibler Gesundheitsdaten.

Für den mit E-Health befassten Juristen ist daher meist zuallererst zu prüfen, ob die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Des Weiteren gilt es etwa das Sozialrecht – zum Beispiel bei der elektronischen Gesundheitskarte, das Medizinprodukterecht, Health-Apps sind oft Medizinprodukte und benötigen eine Zertifizierung, oder das ärztliche Berufsrecht, welches zum Beispiel ein Fernbehandlungsverbot enthält, zu beachten.

Roboter im Recht

Amazon Alexa, autonomes Fahren und die „Smart Factory“, in der das im Herstellungsprozess befindliche Produkt seine Fertigungsinformationen selbst kennt – hinter all dem steckt künstliche Intelligenz, also Software mit selbstlernenden Algorithmen. Die Rechtsentwicklung hinkt hier hinterher. Und so muss man sich im „Neuland” häufig mit einem unzureichenden Instrumentarium behelfen. Von Dr. Torsten Kraul, LL.M. (London), Rechtsanwalt bei Noerr LLP

Die Digitalisierung hat einen enormen Bedarf an anwaltlicher Beratung geschaffen, der noch unzureichend abgedeckt ist und große Chancen für junge, digital-affine Berufseinsteiger bietet. Jenseits ausgetrampelter Pfade lassen sich Innovationen mitgestalten und Neugier und Offenheit können Erfahrung oft überwiegen. Zu den aussichtsreichsten Entwicklungen gehören künstliche Intelligenz und Robotik, die eine Vielzahl an Rechtsfragen aufwerfen: Wie werden Verträge zwischen Maschinen geschlossen? Was passiert, wenn ein Roboter „durchdreht“? Wem gehören die Daten?

Zunehmend können Verträge ohne menschliche Beteiligung geschlossen werden. So kann etwa eine Maschine ein Ersatzteil bestellen oder die Wartung beauftragen. Verträge beruhen aber auf Willenserklärungen, die das Recht nur Menschen zubilligt. Die Erklärungen müssen also auf eine menschliche Willensbetätigung zurückzuführen sein. Der Nutzer selbst gibt die konkrete, auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung jedoch nicht ab. Es wird deshalb die Heranziehung verschiedener allgemeiner Grundsätze diskutiert. Hierzu gehört die Botenschaft, die Stellvertretung und die „Blanketterklärung“, bei der die Willensbetätigung des Nutzers beim Einsatz des Systems bereits als ausreichend für die Zurechnung angesehen wird.

Ähnliche Fragen stellen sich im Schadensfall. Gesetzlich kann der Anbieter als Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz verschuldensunabhängig haften. Aufgrund der Komplexität solcher Systeme erscheint es nicht als in jedem Fall angemessen, den Nutzer in die Haftung zu nehmen. Herangezogen werden könnten etwa die Grundsätze für Erfüllungsgehilfen, Verrichtungsgehilfen, der Aufsichtsplicht oder der Tierhalterhaftung. In der Zukunft erscheint sogar die Schaffung einer eigenen Rechtspersönlichkeit für autonome Systeme als denkbar – es wäre die Geburt der „E-Person“.

Während personenbezogene Daten umfassenden Regelungen unterliegen, ist die Frage nach Rechten an Industriedaten völlig offen. Dies ist sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen, bei der sich zwei Extrempositionen gegenüberstehen. Sollen solche Daten frei zugänglich sein und jedem zu Gute kommen („Open Data“) oder eher die Investitionen desjenigen, der die Daten geschaffen hat, honoriert werden? Das Betätigungsfeld  „Digital Law“ ist also vielfältig und herausfordernd. Und die Entwicklung hat gerade erst begonnen. Langeweile ist also sicher ausgeschlossen.

Juristen und Datenschutz: „Der Markt an Experten ist leergefegt“

Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) trat am 24. Mai 2016 in Kraft, ab dem 25. Mai 2018 ist sie anzuwenden. Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht, erklärt die wesentlichen Inhalte der Verordnung, weist auf Knackpunkte hin und gibt einen Karriereausblick für Juristen, die sich mit dem Datenschutz beschäftigen. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Dr. Martin Schirmbacher ist Rechtsanwalt bei Härting Rechtsanwälte in Berlin und Fachanwalt für IT-Recht. Zudem ist er unter anderem Co-Chair des Technology Law Committee der International Bar Association und Mitglied des Fachanwaltsausschusses für den Fachanwalt für
Informationstechnologierecht der Rechtsanwaltskammer Berlin.

Herr Dr. Schirmbacher, was sind die Gründe für die Einführung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO?

Bei der DSGVO handelt es sich um europäisches Recht, es ist eine EU-Verordnung, die weitgehend unterschiedslos in allen EU-Ländern gelten soll. In der Theorie sollen mit ihr alle Unternehmen in der EU das gleiche Recht haben. Zudem war ein Ansatz, dass man den Datenschutz auf ein neues digitales Level hebt, in dem Themen wie Big Data oder digitales Arbeiten von Zuhause mit abgedeckt werden. Das ist aber nur schlecht gelungen.

Der ganz große Wurf ist die DSGVO daher nicht, vielmehr hat man vor allem bisher geltendes Recht fortgeschrieben. Europaweit überlegen Juristen nun, was uns das neue Recht eigentlich in Bezug auf neue Techniken sagt. Jede Woche erscheinen neue juristische Aufsätze und Blog-Beiträge, in denen zum Beispiel gefragt wird: Wie sieht es aus mit künstlicher Intelligenz und Datenschutz? Befriedigende Lösungen gibt es nicht.

Sie haben es gesagt: Es wurde vor allem geltendes Recht fortgeschrieben. Gibt es trotzdem wesentliche Neuerungen?

Unternehmen, die bisher compliant waren und alles umfangreich dokumentiert haben, haben möglicherweise überhaupt nicht so viel zu tun. Eine wesentliche Veränderung des neuen Rechts ist aber, dass sich der Fokus ändert: Bisher ging es vor allem darum, nichts falsch zu machen. Nun können Behörden anlassfrei zum Beispiel Fragenkataloge verschicken, anhand derer die Unternehmen nachweisen müssen, dass sie sich datenschutzkonform verhalten. Die Beweis- und Darlegungslast ändert sich somit. Das führt zu umfangreichen Dokumentationen, aus denen ersichtlich wird, was man im Datenschutz alles macht.

Was Neuerungen in Bezug auf die Digitalisierung betrifft, so gibt es nun zum Beispiel „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ als Schlagworte in der Verordnung – was in der praktischen Anwendung bisher aber noch keine große Rolle spielt. Dabei geht es darum, dass man sein gesamtes Datenschutzsystem so aufbaut, dass es mit möglichst wenig personenbezogenen Daten auskommt und jede Datenverarbeitung eine Zustimmung des Nutzers braucht. Und neu sind die horrenden Bußgelder, die bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes oder 20 Millionen Euro betragen können. In welchem Umfang von den Bußgeldern Gebrauch gemacht wird, weiß man momentan noch nicht.

Wen betrifft die DSGVO?

Alle Unternehmen sind von der DSGVO betroffen. Es gibt wohl kein Unternehmen mehr, das keine elektronische Datenspeicherung hat. Sie gilt für Tischler mit zwei oder drei Angestellten wir für uns als Kanzlei mit gut 50 Leuten oder aber die großen Konzerne mit den vielfältigsten Datenschutz-Themen.

Wie sind die Unternehmen auf die DSGVO vorbereitet?

Sehr unterschiedlich. Wir bearbeiten Projekte seit Ende 2016. Eine Bank zum Beispiel arbeitet mit 100 Leuten und uns seit diesem Zeitpunkt an der Umsetzung der Vorgaben. Sie sind sehr gut aufgestellt, selbst die haben aber Angst, dass sie es nicht bis zum Stichtag schaffen. Es gibt andere, auch zum Teil größere Unternehmen, die haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Bei uns gehen derzeit jeden Tag Anfragen ein, Angebote für Datenschutzprojekte zu machen. Da wundere ich mich ein wenig über den späten Zeitpunkt. Wichtig ist diesbezüglich vor allem, dass die Unternehmen intern Ressourcen dafür schaffen: Man kann noch so ein toller Datenschützer sein, wenn man die Datenverarbeitungsvorgänge in den Unternehmen nicht kennt, nutzt dies nicht viel. Die Unternehmen müssen Zeit haben, zu den relevanten Fragen Rede und Antwort zu stehen.

Wie geht man als Jurist mit all den Unklarheiten um?

Man muss seinen Mandanten die Leitplanken aufzeigen, erklären, was das Gesetz sagt, um ihnen dann einen Rahmen innerhalb dieser Leitplanken zu geben, in denen sie sich möglichst sicher bewegen können. Beispiel Big Data: Überlegen Sie sich, welche Daten sie zu welchem Zweck sammeln und informieren Sie Ihre Kunden über das Datensammeln. Daraus ergibt sich dann natürlich ein gewisser Spielraum, in dem man agieren kann.

Brauchen Sie dafür Verständnis über die eingesetzten Technologien?

Man muss kein ITler sein, um im Datenschutz zu beraten, auch wenn ein gewisses Grundverständnis natürlich hilft. Die Erwartung der Mandanten ist auch, dass man gewisse IT-Vorgänge kennt – zumindest die Basics. Programmieren müssen Sie nicht können.

Wie gehen Sie als Kanzlei mit der DSGVO um?

Auch wir haben ein DSGVO-Projekt und müssen dies neben all der Mandanten-Arbeit abarbeiten. Wir haben verschiedene IT-Systeme, Anwalts-Software oder auch Smartphones im Einsatz et cetera. Somit haben auch wir unsere Hausaufgaben zu machen.

Und wie bewerten Sie die Einstiegschancen für Juristen im Bereich des Datenschutzes?

Wenn man sich beeilt, hat man derzeit sehr gute Chancen, der Markt an Experten ist leergefegt. Perspektivisch gehen die Meinungen auseinander. Spannend wird sein, zu sehen, wie sich der Markt nach dem 25. Mai, wenn die großen Projekte abgeschlossen sind, entwickeln wird. Ich bin der Meinung, dass der Datenschutz wie Steuern und Arbeitsschutz zum Einmaleins der Unternehmen gehören wird. Wir haben auch Wirtschaftsjuristen, die das Thema bei uns bearbeiten – eine für mich durchaus ebenfalls sinnvolle Kombination. Klar ist aber: Viel größer als momentan könnte der Hype nicht sein.

Alternative Streitbeilegungsverfahren

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Alternative Streitbeilegung ist momentan in Mode. Was sich allerdings hinter dem Begriff verbirgt, ist nicht ganz klar. Bisher hat das Thema in der juristischen Ausbildung auch noch keinen Platz. Zu Unrecht. Von Dr. Volker Schumacher, Partner bei Lindenau Prior & Partner und Dozent für „Internationales Wirtschaftsrecht“ und „Wettbewerbs- und Kartellrecht“ an der FOM –  Fachhochschule für Oekonomie & Management

Der Hintergrund des Booms alternativer Streitbeilegung ist einfach zu erklären: Gerichtliche Verfahren dauern lange und kosten viel. Ihr Ausgang ist öfters ungewiss. Daher sucht die Praxis nach

neuen Wegen, Konflikte zu lösen. Als Alternative zu Gerichtsverfahren kommen einmal schiedsgerichtliche Verfahren in Frage. Hierfür müssen Parteien in ihren Verträgen Schiedsklauseln vereinbaren. Sprich: Sie müssen verabreden, falls sie sich über den Vertrag streiten, ihre Konflikte vor einem Schiedsgericht zu lösen. Bei einem Schiedsgericht wählen die streitenden Parteien ihre Richter selber. Das hat den Vorteil, dass Branchen-Kenner über die Materie entscheiden können. Zudem haben die Parteien viel Freiraum, wie sie den Ablauf „ihres“ Verfahrens gestalten wollen.

Beispielsweise können sie Vertraulichkeit für das Verfahren vereinbaren. Man unterscheidet grob zwischen „ad hoc“-Verfahren, die die Parteien komplett selber in die Hand nehmen. Zum anderen können die Parteien auch vereinbaren, dass sie ein Schiedsverfahren nach den Regeln einer bekannten Organisation durchführen wollen, wie der Internationalen Handelskammer (ICC) oder der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS).

Neben der Schiedsgerichtsbarkeit versteht man unter „Alternativer Streitbeilegung“ aber vor allem konsensuale, also einvernehmliche Streitbeilegungsverfahren. Die wichtigsten sind hier die Schlichtung und die Mediation. Im Rahmen von Schlichtungsverfahren schlägt eine neutrale Instanz (der Schlichter) zwischen den streitenden Parteien einen Kompromiss vor. Schlichtungsverfahren werden vom Gesetzgeber in vielen Bereichen als probates Mittel gesehen, um Gerichte zu entlasten. Es gibt seit kurzem sogar ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, in dem die Tätigkeit von Schlichtungsstellen geregelt ist.

Eine andere Möglichkeit, Konflikte zu lösen, ist die Mediation. Dabei handelt es sich um ein strukturiertes und freiwilliges Verfahren, in dem ein unabhängiger Mediator den Konfliktparteien hilft, selber eine Lösung zu finden. Anders als ein Schlichter ist es für einen Mediator unüblich, einen Vergleichsvorschlag zu machen. Schon gar nicht entscheidet der Mediator über den Streit.

Schon dieser kurze Abriss zeigt: Insgesamt ist die alternative Streitbeilegung ein sehr interessantes und vielschichtiges Feld für Juristen, das auch in Zukunft weiter wachsen wird.

Interkulturelle Kompetenz für Juristen

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In einer globalisierten Welt werden auch Juristen zunehmend mit grenzüberschreitenden Sachverhalten und damit auch mit Menschen aus anderen Kulturkreisen konfrontiert. Dies schafft auch für den Juristen und die Juristenausbildung neue Herausforderungen. Von Gabriele Schlegel, Geschäftsführerin, Institut für nationale und internationale Kommunikation; Lehrbeauftragte der HS Bonn Rhein Sieg, und Professor Dr. Klaus Peter Berger, LL.M., CENTRAL, Universität zu Köln

Menschen aus einem vergleichbaren sozialen Umfeld teilen Verhaltensmuster beim Grüßen, Essen, Zeigen oder Nichtzeigen von Gefühlen, beim Umgang mit dem anderen Geschlecht etc. Begegnet der Jurist aber Verhandlungs- oder Gesprächspartnern aus anderen Kulturkreisen, ist neben fundiertem juristischen auch interkulturelles Know-how gefragt. Interkulturelle Standards bei einem Geschäftsbesuch zu erwarten, programmiert aber Fettnäpfchen, die wir umgehen können.

Dabei muss sich auch der Jurist bewusst werden, dass wir unterschiedliche Kommunikationsformen und ein Auseinanderdriften in puncto Statusdenken nicht nur in entfernten Kulturen, sondern auch in westeuropäischen Ländern finden. Frankreich, Italien, Niederlande und Skandinavien – diese Länder scheinen uns vertraut, und wir erwarten (unbewusst) vergleichbares Denken und Handeln.

Unvorbereitet in unsere Nachbarländer zu reisen, um dort Verhandlungen zu führen, Präsentationen oder Vorträge zu halten, ist aber unprofessionell. Interkulturelle Kompetenz beginnt dabei in uns selbst und in unserem Werte-Verhalten. Interkulturell versierte Persönlichkeiten halten Vorurteile zurück, beobachten sorgsam – ohne zu bewerten, agieren langsam und wählen einen international akzeptierten Sprachgebrauch.

In der internationalen Kommunikation geht es letztlich um den Aufbau von Vertrauen. Vertrauen aufbauen heißt, dem Gegenüber zu vermitteln, dass sein/ihr Anliegen zu meinem eigenen wird. Dabei muss man sich aber der ganz unterschiedlichen Auffassungen auch von für uns selbstverständlichen Dingen und Institutionen bewusst sein.

Ein typisches, für den Juristen sehr relevantes Beispiel: die Vertragstreue. In westlichen Ländern, deren Rechtssystem auf den römischen Rechtsprinzipien beruht, bleibt ein einmal geschlossener Vertrag mit seinen fixierten Einzelheiten gültig bis zum Ende seiner Laufzeit – egal, wie sich die Rahmenbedingungen verändern. Ganz anders in China, Indien und im arabischen Raum: grob  beschrieben, fühlt sich ein Vertragspartner aus diesen Ländern zwar an die vertraglichen Einzelheiten gebunden, aber nur für den unmittelbaren Zeitraum nach Vertragsabschluss; wenn sich dann im Laufe der Zeit – zum Beispiel durch eine Finanzkrise oder einen Politikwechsel – die Rahmenbedingungen verändern, geht ein solcher Vertragspartner wie selbstverständlich davon aus, dass über den Vertragsinhalt wieder gesprochen werden muss.

Ein Vertrag stellt sich nach dortigem Verständnis als ein „gelebter“ Organismus, nicht als eine „kalte“ Ansammlung von unabänderlichen Rechten und Pflichten der Parteien dar. Der deutsche Jurist muss verstehen, dass der Vertrag letztlich auf dem Gedanken des gegenseitigen Vertrauens der Vertragspartner beruht („my word is my bond“). Nur dem, der es schafft, sich jenseits des vertraglich Vereinbarten auf diese kulturell bedingten Erwartungen der anderen Seite einzustellen, wird es gelingen, auch im interkulturellen Kontext langfristige und stabile Beziehungen aufzubauen.

Buchtipp:

Cover Interkulturellle Kommunikation, Amazon-WerbelinkInterkulturelle Kommunikation Interkulturelle Kompetenz gehört zu den Grundfertigkeiten und Schlüsselqualifikationen in der Wirtschaft, in internationalen Beziehungen, im schulischen Alltag. Heringers Standardwerk vermittelt linguistische Grundlagen interkultureller Kommunikation und Basiswissen.
Hans Jürgen Heringer: Interkulturelle Kommunikation. utb 2017. Amazon-Werbelink

 

Brauchen wir eine neue digitale Ethik?

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Die Meinungskommentare und Feuilletons sind aktuell voll von Forderungen, die eine spezielle digitale Ethik fordern. Wie solle man auch sonst mit Phänomenen wie Hate Speech und Fake News umgehen? Von Achim Himmelreich, Vizepräsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

Die Forderungen nach Eindämmung und Regulierung und damit zusammenhängend nach einer digitalen Ethik sind menschlich. Aber sie sind zu einem guten Teil auch gefährlich. Denn: Wir benötigen keine neue digitale Ethik, wir besitzen bereits alle ethischen Maßstäbe und Regularien. Wir müssen sie nur auf die Digitalisierung anwenden – und dies ist bislang in erschreckendem Maße kaum geschehen. Daraus entsteht dringender Handlungsbedarf. Daher folgt eine kurze Darstellung der wichtigsten Handlungsfelder.

Netzneutralität und Redefreiheit

Das Internet entwickelt sich zum weltweit umfassenden Medium, in dem alle maßgeblichen Diskussionen geführt werden. Die Bedeutung der digitalen Medien, sowohl qualitativ und vor allen Dingen quantitativ, übertrifft mittlerweile die aller anderen Medien. Und diese Entwicklung geht mit atemberaubender Geschwindigkeit weiter. Es ist daher für eine offene und freie Gesellschaft geboten, dass niemand einen privilegierten Zugang zum Internet hat oder seine freie Meinungsäußerung im Internet eingeschränkt wird.

Immer wieder wird aus ökonomischen oder anderen Gründen die Aufhebung oder Einschränkung verlangt. Dies ist gefährlich, weil es unsere freien, demokratischen Gesellschaften in ihrer Substanz treffen wird. In Artikel 19 der Erklärung der Menschenrechte sowie im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 wird die Redefreiheit als unveräußerliches Recht garantiert. Jenseits der internationalen Gesetze war es der erste Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung und die sich auf ihn berufenden Gerichtsurteile, die immer das stärkste Bollwerk gegen Angriffe auf die Redefreiheit gebildet haben. Und Redefreiheit ist auch im Internet außerordentlich weit zu fassen – eine Einschränkung muss sehr gut begründet sein, auch wenn viele Äußerungen im Netz für einen zivilisierten Menschen schwer zu ertragen sind. Man sollte aber dem Vorschlag von Timothy Garton Ash folgen, zwischen Hassrede und gefährlicher Rede zu differenzieren.

Überhaupt besitzen wir in unseren freien Gesellschaften bereits alle notwendigen Gesetze zum Schutz der Persönlichkeitsrechte. Allerdings haben wir ein Vollzugsdefizit, insbesondere mit Blick auf die Anonymität vieler Autoren, die eine gefährliche Rede ins Netz stellen. Hier müssen wir dringend neue technologische Prozesse diskutieren, die aber eben nicht die Redefreiheit als unantastbares Gut im Zuge eines Kollateralschadens einschränken.

Demokratie und politische Teilhabe

Das Internet als weltweites Leitmedium und Diskussionsforum bestimmt immer mehr auch die politische Diskussion. Seit der Zeit der Aufklärung steht der mündi ge Bürger, der am politischen und gesellschaftlichen Leben in freier und unabhängiger Weise teilnimmt, im Zentrum unseres demokratischen Prozesses. Ohne diese Teilhabe ist das Konstrukt des Bürgers als Souverän Illusion.

Redaktions-Tipp

Kritik des digitalen Kapitalismus, Amazon-WerbelinkMichael Betancourt: Kritik des digitalen Kapitalismus. WBG 2018. Amazon-Werbelink

Dies bedeutet, dass in unserem digitalen Zeitalter ein Zugang zum Internet und das Wissen um eine souveräne Nutzung der Möglichkeiten eine unabdingbare Voraussetzung für ein Fortbestehen einer umfassenden Demokratie ist. Estland hat dies konsequent umgesetzt und dem Recht auf Internetzugang Verfassungsrang eingeräumt. Diesem Vorbild sollte gefolgt werden. Darüber hinaus leitet sich hieraus ab, dass digitale Bildung und die damit verbundene Medienkompetenz von überragender Bedeutung ist und defacto zu einem meritorischen Gut wird, dessen Bereitstellung eine prioritäre Pflichtaufgabe des Staates ist.

Internationalisierung und nationale Gesetzgebung

Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan sprach schon in der 60er-Jahren prophetisch von dem „weltweiten Dorf“, das sich gerade entwickelt. Mit dem Internet ist dies Realität geworden, mit all seinen schönen, aber auch unschönen Facetten. Darüber hinaus bestimmen allerdings immer weniger Unternehmen die Art und Weise, wie sich das Internet weiterentwickelt. Unsere Rechtsprechung und -verfolgung bleibt aber weitgehend in nationaler Verantwortung – bei so einem wichtigen Thema wie Datenschutz in Deutschland sogar auf Länderebene.

Wenn wir das Primat des Rechts auch im Internet effektiv durchsetzen wollen, brauchen wir zwangsläufig mehr internationale, sanktionsfähige Kooperationen. Wir brauchen mehr Europa, mehr transatlantische Kooperation und mehr UNO, wenn wir den Konsequenzen einer Anwendung bestehender ethischer Prinzipien auf die neue digitale Wirklichkeit Folge leisten wollen.

Realität und Digitalisierung

Seit Platons Höhlengleichnis war die Frage „Was ist Wirklichkeit?“ eine der wichtigsten Fragen der Philosophie. Doch gerade in der letzten Zeit wird sie immer seltener gestellt. Dabei ist die Frage höchstaktuell und müsste intensiv diskutiert werden. Begriffe wie Augmented Reality oder die von dem einflussreichen Autoren Ray Kurzweil propagierte extreme Umkehrung des Begriffs („Wir werden bald hauptsächlich in einer virtuellen digitalen Welt leben, die ab und zu durch Eindrücke aus der physischen Realität angereichert wird“) verdeutlichen, dass wir hier vor einer ganz neuen Epoche stehen. Und dann ist da auch noch der Suchalgorithmus der weltweit größten Suchmaschine: ein Betriebsgeheimnis, eine Black Box. Hier brauchen wir staatliche Kontrollorgane nach dem Vorbild der amerikanischen FTC, die globale Netzwerke zu Analysen über ihre Suchergebnisse zwingen können.

Kurzum: „Wir benötigen keine neue digitale Ethik. Wir besitzen schon das gesamte Rüstzeug mit Immanuel Kants kategorischem Imperativ, Karl Poppers Offener Gesellschaft und John Rawls Theorie der Gerechtigkeit (und natürlich andere mehr). Wir müssen dies „nur“ auf die neue digitale Welt anwenden.

 

Wahlstation Indien

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Es ist der 28. Februar 2018. Letzter Tag von Michael Peters Wahlstation an der Deutsch-Indischen-Handelskammer in Mumbai, der weltweit sechstgrößten Metropolregion. Am Abend wird sein Flug zurück nach Deutschland gehen.

Zur Person

Michael Peter, Foto: Privat
Michael Peter, Foto: Privat

Michael Peter, 27 Jahre, Studium an der Bucerius Law School in Hamburg, Schwerpunkt Internationales Handelsrecht, 1. Staatsexamen im Sommer 2016, Referendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht, erste Wahlstation an der Deutsch-Indischen Handelskammer in Mumbai, 2. Staatsexamen für Frühjahr 2019 geplant.

„Momentan ist alles noch sehr frisch, ich bin ja noch hier“, sagt er. Drei Monate lebte und arbeitete er in einem Land, zu dem er im Vorfeld kaum Bezug gehabt hatte. „Während meines Studiums verbrachte ich ein Auslandssemester an der University Hong Kong. Das war auch schon exotisch“, wie er sagt, „aber nicht vergleichbar mit Indien.“

Das Zurechtkommen in Indien selbst nennt er daher auch als die Hauptherausforderung im letzten Vierteljahr. „Mumbai ist zwar die westlichste Stadt Indiens, doch vom Verkehr, über die Luftverschmutzung bis hin zum Einkaufen ist alles eine Herausforderung“, erinnert er sich. Etwa drei Wochen benötigte er für die Eingewöhnung. Mittlerweile fühlt er sich aber wohl im indischen Großstadtdschungel.

Unterstützung dabei fand er zum einen in seiner WG, in der mit anderen Praktikanten und Referendaren der Kammer lebte, sowie in seiner Chefin. „Sie gab mir zum einen viele Tipps hinsichtlich der kulturellen Gegebenheiten, zum anderen besprach ich mit ihr natürlich auch sämtliche Fragen bezüglich der Fälle, die mir übertragen wurden“, sagt er. Bei denen handelte es sich vor allem um Rechtsstreitigkeiten zwischen deutschen und indischen Unternehmen: zum Beispiel um Warenlieferungen, offene Rechnungen oder Mängelansprüche. „Da Gerichtsprozesse hier locker sechs bis zehn Jahre dauern können, war es meine Aufgabe, in Mediationsverfahren eine gütliche Einigung zwischen den beiden Parteien zu erarbeiten“, sagt Peter. Neben guten englischen Sprachkenntnissen sei es dabei vor allem auch auf Soft Skills angekommen, um auf kooperative und konstruktive Art und Weise Einigungen zu erzielen.

Dabei gefiel ihm besonders die Eigenständigkeit, mit der er diese Fälle bearbeiten durfte. „Ich hatte direkten Kontakt mit den Unternehmen, ich durfte sogar als alleiniger Repräsentant der Kammer nach Ahmedabad in die Produktionsstätte einer indischen Firma fliegen, um dort eine Verhandlung zwischen den Parteien zu moderieren“, fasst er nur einige Aufgaben zusammen. „Das hat mich persönlich natürlich weit vorangebracht“, resümiert er weiter.

Zurück in Deutschland, wird Michael Peter zunächst seine Verwaltungsstation im Referat für internationales Privatrecht beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz antreten. Bewerbungen für seine zweite Wahlstation nach den im Dezember anstehenden Klausuren laufen bereits: „Es ist großartig, dass das Referendariat in Hamburg zwei Wahlstationen vorsieht. Entweder es wird ein großes Unternehmen oder wieder eine Auslandsstation, dann aber die USA oder England“, so seine Ziele.

Der weiße Tiger, Amazon-WerbelinkBuchtipp zur Einstimmung auf Indien von Michael Peter

Aravind Adiga: Der weiße Tiger. Dtv 2010. Amazon-Werbelink

Weitere Informationen zur Deutsch-Indischen Handelskammer unter: http://indien.ahk.de

Gehälter von Juristen

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Die Justiz hat Nachwuchssorgen – zumal eine Pensionierungswelle auf Gerichte und Staatsanwaltschaften zurollt. Doch Absolventen für den Berufseinstieg als Richter oder Staatsanwalt zu überzeugen, wird bei der Gehaltskluft gegenüber Unternehmen und großen Anwaltskanzleien immer schwieriger.

Der Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs ist in vollem Gange. Legt man dabei das Gehalt als eines der entscheidenden Kriterien für die Auswahl des zukünftigen Arbeitsgebers zu Grunde, so dürften es Gerichte und Staatsanwaltschaften schwer haben, bei jungen Juristinnen und Juristen zu punkten. Denn: Laut einer im Auftrag des Deutschen Richterbundes durch Kienbaum Consultants International durchgeführten Studie haben sich die Gehälter von Mitarbeitern ohne Führungsrolle in Wirtschaft und in Kanzleien im 25-Jahres-Vergleich etwa verdoppelt. Im Vergleich dazu betrug der Zuwachs bei den Einkommen für Berufseinsteiger in der Justiz zwischen 1992 und 2017 lediglich 50 Prozent.

In Zahlen ausgedrückt, ergibt sich somit folgende Situation: Wer heute als lediger Richter oder Staatsanwalt in den Beruf einsteigt, erhält im bundesweiten Durchschnitt rund 48.000 Euro brutto im Jahr. Ein vergleichbarer Prädikatsjurist in einem Unternehmen verdient nach den Zahlen Kienbaums hingegen im Mittel 87.000 Euro jährlich, während ein Anwalt in einer Großkanzlei auf der ersten Karrierestufe im Schnitt sogar 118.000 Euro pro Jahr erhält. Eine Spanne, die in den letzten 25 Jahren kontinuierlich angewachsen ist. Denn während junge Richter und Staatsanwälte 1992 noch 10.000 Euro weniger im Jahr als vergleichbare Juristen in Unternehmen verdienten, beträgt die Differenz heute fast 40.000 Euro.

Noch gravierender ist der Unterschied beim Vergleich mit den Großkanzleien. Deren Gehaltsvorsprung ist von einstmals 30.000 Euro auf inzwischen sogar 70.000 Euro angewachsen. Eine Gehaltsschere, die sich im Laufe des weiteren Berufslebens immer weiter öffnet, da sich die Gehälter bei Anwälten und Unternehmensjuristen mit zunehmender Erfahrung um ein Vielfaches stärker entwickeln als bei Richtern und Staatsanwälten. „Dabei“, so Marco Rech, Besoldungsexperte und Präsidiumsmitglied im Deutschen Richterbund, „braucht die Justiz gerade in den nächsten Jahren verstärkt Nachwuchs, weil eine gewaltige Pensionierungswelle auf Gerichte und Staatsanwaltschaften zurollt.“ Die Besoldungspolitik vieler Länder sei daher kurzsichtig und drohe auf Dauer die hohe Qualität der Justiz zu gefährden.

Sorgen bereitet dem Richterbund aber nicht nur die Gehaltskluft gegenüber der Wirtschaft, sondern auch die zwischen den einzelnen Bundesländern. So erhielt ein junger lediger Richter oder Staatsanwalt ohne Kinder im Land Baden-Württemberg für die gleiche Arbeit im Jahr 2017 fast 6.000 Euro weniger als sein Kollege im benachbarten Bayern. Im Saarland verdiente der junge Justizjurist im Jahr 2017 sogar über 11.000 Euro weniger. Daher gelte es, so Rech, sich entschieden für eine bundeseinheitliche amtsangemessene Besoldung einzusetzen.

Arbeitszeitmodelle und Lebensdesign

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Vielen Menschen ist es ein Bedürfnis, dass Arbeits- und Privatleben miteinander im Einklang stehen, sie wünschen sich eine ausgewogene Work-Life-Balance. Doch diesbezüglich stellt Rechtsanwältin Ulrike Wewers klar: Welchen Job Sie als Jurist annehmen, ist weniger relevant für Ihr Lebensdesign, als die eine wesentliche Frage: Wann müssen Sie wo sein, um Ihre Arbeit zu leisten? Denn wie lautet eigentlich der Tatbestand der Arbeitszeit? Von Ulrike Wewers, Rechtsanwältin und Buchautorin

Können Sie sich vorstellen, die volle zeitliche Verantwortung für die Erfüllung Ihrer Arbeitspflichten zu übernehmen? Dies kennen Sie natürlich bereits aus dem Studium. Lässt sich dies auf ein Arbeitsverhältnis übertragen? Aber mal ganz von vorne.

Ein Arbeitsvertrag enthält Verpflichtungen zum zeitlichen Umfang der Arbeitszeit. Zudem ist geregelt, wie die Arbeitszeit auf die Arbeitstage zu verteilen ist, wo sie Ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben und wie Ihre Arbeitszeit nachgehalten wird. Hieraus ergibt sich ein erster Hinweis auf den Tatbestand der erfüllt werden muss, damit es sich um zu vergütende Arbeitszeit handelt.

Die Dauer der Arbeitszeit kann vereinbart werden als Vollzeit, Teilzeit oder zum Beispiel Job Sharing. Die notwendige Vereinbarung über die Arbeitszeitverteilung lässt sich als Gleitzeit, Funktionszeit, Vertrauensarbeitszeit, Wahlarbeitszeit oder beispielsweise Nacht- und Schichtarbeitszeit vereinbaren. Auch der Ort der Arbeitszeit ist flexibel gestaltbar, denn Sie können im Unternehmen, im Home- Office, im Außendienst oder einfach nur dort arbeiten, wo Sie einen Onlinezugang haben.

Nachhalten und verwalten lässt sich dies alles über ein sogenanntes Arbeitszeitkonto. Möglich sind Jahresarbeitszeitkonten, Lebensarbeitszeitkonten, Quartalsarbeitszeitkonten oder einfach eine vereinbarte Zeitspanne, auf der ihre in diesem Zeitrahmen geleistete Arbeitszeit festgehalten wird. Im Zeitalter der Arbeit 4.0 ist die Verwaltung solcher Arbeitszeitkonten einfach geworden. Denn die digitale Erfassung von Arbeitszeit ist immer und überall möglich.

Der Tatbestand der Arbeitszeit lässt sich zusammenfassen als die Erfüllung der arbeitsrechtlichen Vereinbarung über Dauer, Verteilung, Ort und Verwaltung der Arbeit. Im Übrigen dürfen Sie kreativ sein. Denn die genannten Modelle sind nur Beispiele für Üblichkeiten. Erörtern Sie mit Ihrem Arbeitgeber, in welchem Umfang eine Anwesenheit im Unternehmen für die Erfüllung Ihrer Arbeitszeit erforderlich ist oder ob Sie von außerhalb arbeiten könnten.

Auch versetzte Arbeitszeiten sind interessant.

Fragen Sie, ob Sie wirklich morgens um 9:00 Uhr bereits im Unternehmen sein müssen – insofern Sie zu denen gehören, die gerne in den Abend hineinarbeiten, aber morgens Zeit benötigen, um aus dem Schlaf zu finden. In vielen Unternehmen ist es heute üblich, dass nicht einmal mehr jeder Arbeitnehmer einen eigenen Arbeitsplatz besitzt. Jeder sucht sich im Arbeitsplatzbereich einen freien Platz und klinkt sein Firmennotebook auf die Dockingstation. Telefone ordnen sich automatisch zu. Da immer ein Teil der Belegschaft von außerhalb arbeitet, spart der Arbeitgeber sogar Büroraum.

Bei hohen Auftragslagen müssen Mitarbeiter hohe zeitliche Leistungen erbringen. Dies lässt sich über ein Überstundenkonto regeln oder der Arbeitgeber wählt eine fortschrittliche Lösung und richtet Langzeitkonten ein. So wird bei der Vereinbarung einer Jahresarbeitszeit auf diesem Konto über ein Jahr die Arbeitszeit erfasst. Erst am Ende des Jahres muss es passen. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer monatlich die vereinbarte Vergütung gezahlt, doch der Arbeitnehmer hat seine Arbeitszeit flexibel je nach Bedarf im Unternehmen und nach seinem Lebensdesign erbracht. Der vereinbarte Zeitraum lässt sich auch auf Monate, Halbjahreszeiträume oder sogar auf eine Lebensarbeitszeit abstellen.

Möglich werden diese Vereinbarungen durch ein Gesetz, welches „Flexi II“ genannt wird und schon seit 2009 im SGB IV zu finden ist. Flexi II regelt, in welcher Form Unternehmen und Arbeitnehmer Zeitwertkonten für Ihre Arbeitszeit führen dürfen, um Arbeitszeit für einen späteren Ausgleich anzusparen. Hier geht es nicht um den Abbau von Überstunden, sondern um eine hervorragende Möglichkeit, aus dem Trott des „nine to five“-Jobs heraus zu gelangen, um auch Zeit für persönliche Ziele zu finden und dem Unternehmen bedarfsgerecht zur Verfügung zu stehen. Natürlich stets nach Absprache.

Auch versetzte Arbeitszeiten sind interessant: Wenn Sie zum Beispiel mit Kollegen zusammen an einem Projekt arbeiten und trotz unterschiedlicher Arbeitszeit, Abstimmungszeit benötigen. Die Funktionsarbeitszeit ermöglicht größtmögliche Flexibilität, denn hier muss der Arbeitsbereich halt funktionieren, mehr nicht. In der Regel müssen die Mitarbeiter einer Abteilung jedenfalls dafür sorgen, dass die Abteilung in bestimmten Kernzeiten besetzt ist.

Auch die sogenannte Vertrauensarbeitszeit wird inzwischen mutig gewählt. Hier leistet der Arbeitnehmer seine vereinbarten Stunden oder auch nur seine vereinbarten Aufgaben bis zu einem meist vorgegebenen Zeitpunkt in zeitlicher Eigenregie ab. Natürlich wird es in jedem Job auch einzuhaltende Termine geben. Der Gestaltungsspielraum der Arbeitszeitmodelle ist groß. Finden Sie heraus, was zu Ihnen und Ihrem Arbeitgeber passt.

Tatbestand der Arbeitszeit:
Arbeitszeit als Erfüllung arbeitsrechtlicher Vereinbarungen über Dauer, Verteilung, Ort, Verwaltung der Arbeit.

Übliche Arbeitszeitmodelle:
Gleitzeit, Funktionszeit, Vertrauensarbeitszeit, Nacht- und Schichtarbeit, Wahlarbeitszeit

Verwaltung der Arbeitszeit:
über Arbeitszeitkonten, wie Jahresarbeitszeitkonto und Lebensarbeitszeitkonto

Dauer der Arbeitszeit:
Vollzeit, Teilzeit, Job-Sharing

 

 

Schrift-Sätze Kultur-, Buch- und Linktipps

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REALITÄTSVERLUSTE UND KAMPF GEGEN VORURTEILE

Bernhard Schlink, Olga: Amazon-WerbelinkDer in Berlin und New York lebende Bestseller-Autor und Jurist Bernhard Schlink erzählt in seinem neuesten Buch „Olga“ die Geschichte der Liebe zwischen einer Frau, die gegen die Vorurteile ihrer Zeit kämpft, und einem Mann, der sich mit afrikanischen und arktischen Eskapaden an die Träume seiner Zeit von Größe und Macht verliert – ebenso, wie ein ganzes Volk den Bezug zur Realität verliert. Doch wie viele seines Volks und seiner Zeit, wird er erst im Scheitern mit der Realität konfrontiert. Die Frau bleibt ihm ihr Leben lang verbunden, in Gedanken, Briefen und einem großen Aufbegehren. Ende Januar 2018 kletterte das Buch auf den Spitzenplatz der Spiegel-Bestsellerliste. Bernhard Schlink: Olga. Diogenes 2018. Amazon-Werbelink

GESUND ARBEITEN IN DER DER DIGITALEN ARBEITSWELT

Laut der Studie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt“ sehen 88 Prozent der Befragten in Führungskräften die wichtigste Stellschraube für die Förderung der Beschäftigtengesundheit. Heraus kam dabei jedoch auch, dass es in jedem elften Unternehmen überhaupt keine Maßnahmen zur Gesundheitsförderung gibt. Wer sich für eine Tätigkeit in dem Bereich interessiert: Das „WIS – Das Weiterbildungs-Informations-System“ bietet zahlreiche Seminare zu dem Themenkomplex an, beispielsweise „Betriebliches Gesundheitsmanagement – Überblick“ oder „Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe. Weitere Infos dazu unter: http://wis.ihk.de. Zahlreiche Informationen zum Thema gibt es auch im Webchannel „Gesundheitsmanagement“ des karriereführer unter: www.karrierefuehrer.de/gesundheitsmanagement

DER ENKEL MAHATMA GANDHIS

Arun Gandhi: Wut ist ein Geschenk, Amazon-WerbelinkArun Gandhi ist der Enkel Mahatma Gandhis. Als 12-Jähriger erlebte er den bedeutenden und einflussreichen Friedensaktivisten, der in England zudem ein Jurastudium abgeschlossen hatte, aus nächster Nähe. Zwei Jahre lang lebte er gemeinsam mit ihm in Zentralindien. Während dieser Zeit lehrte sein Großvater ihn die zehn wichtigsten Lektionen des Lebens, ein Vermächtnis, das Arun in diesem Buch teilt. So enthält jedes Kapitel eine zeitlose Lektion Mahatma Gandhis. Arun Gandhi: Wut ist ein Geschenk. Dumont 2017. Amazon-Werbelink

DIGITAL HUMAN

Digital Human, Amazon-WerbelinkBettina Volkens, Arbeitsdirektorin der Deutschen Lufthansa AG und als Vorstandsmitglied verantwortlich für das Ressort Personal und Recht, und Kai Anderson , Veränderungsexperte, zeigen in ihrem Buch „Digital Human – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung“, dass es eine humane Form der Digitalisierung gibt, die weder Menschen zu Maschinen macht, noch sie durch solche ersetzt. Sie geben somit Antworten auf die Fragen: ‚Wie geht Digitalisierung?‘, ‚Was heißt das für mich persönlich?‘, ‚Müssen wir unser komplettes Geschäftsmodell neu erfinden?‘, ‚Sollen wir etwa Google werden?‘. Volkens und Anderson plädieren für eine Digitalisierung, die mit den Menschen entsteht und für Menschen da ist. Sie zeigen, wie jeder Mitarbeiter eines Unternehmens sich selbst auf die Digitalisierung vorbereiten und von ihr profitieren kann, und was Unternehmen für ihre Mitarbeiter tun können und müssen, um in der neuen Arbeitswelt Schritt halten zu können. Bettina Volkens, Kai Anderson: Digital Human – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung. Campus 2017. Amazon-Werbelink

DIVERSITY CHALLENGE

Die „Charta der Vielfalt – Für Diversity in der Arbeitswelt“ startete im Januar 2018 im Rahmen des „Demokratie leben!“-Projekts die Diversity Challenge. Dabei handelt es sich um einen Teamwettbewerb für junge Beschäftigte zwischen 16 und 27 Jahren. Bis März 2019 können die Teams dabei nun Antworten auf die Frage geben: Wie können wir Vielfalt in unserem Arbeitsumfeld vorantreiben und mit Leben füllen? Weitere Informationen unter: www.diversity-challenge.de

KNASTKULTUR

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Websites www.knastkultur.de und www.podknast.de ins Internet gestellt. Auf ihnen werde das reichhaltige kulturelle Angebot im Strafvollzug vorgestellt: Musik-, Kunst-, Literatur- und Theaterprojekte. Dabei sind eine Vielzahl der Veranstaltungen auch der Öffentlichkeit zugänglich, sodass es möglich ist, einen Einblick in die Arbeit in Justizvollzugsanstalten zu erhalten.

BODYKISS

Die studierte Juristin Anne Kissner bietet zusammen mit ihrem Ehemann Youtube-Videos mit einem Workout-Programm an. Die Video-Reihe trägt den Namen „Bodykiss“ und läuft unter dem Motto „Fit und gesund bleiben trotz wenig Zeit“. Das derartige Angebote gefragt sind, zeigt unter anderem die Zahl an Abonnenten, über 380.000 folgen den Sendungen. Weitere Infos unter: www.youtube.com/user/BodyKiss88

AUSSTELLUNG: SAND FÜRS GETRIEBE

Das Museum Folkwang in Essen zeigt noch bis zum 8. April 2018 Arbeiten des Juristen und Künstlers Klaus Staeck. Er hat mit seinen Plakaten seit den späten 1960er-Jahren immer wieder eine Wirkung im öffentlichen Raum erzielt wie kein Plakatgestalter vor ihm und nutzte das Plakat als Aufmerksamkeitsfläche für politische Einmischungen in der Gesellschaft. Weitere Infos unter: www.museum-folkwang.de/de/aktuelles/ausstellungen/aktuell/klaus-staeck.html