Blockchain, Smart Contracts und Recht

Foto:Fotolia/monsitj
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Die Blockchain-Technologie bietet über die selbstausführenden Smart Contracts interessante Möglichkeiten und enormes Potenzial zur Ausführung digitaler Verträge. Juristen haben hier die Chancen, aber auch die Rechtsfragen und Risiken zu bewerten, einschließlich der Frage, ob der Gesetzgeber Hilfestellung leisten muss. Von Dr. Alexander Duisberg, Partner bei Bird & Bird LLP

Die Blockchain-Technologie bietet über den „distributed ledger“ sehr hohe Sicherheit in den Bestand und die Nachvollziehbarkeit elektronischer Transaktionen, ohne dass es dazu einer vertrauenswürdigen Zentralinstanz bedarf. Von den Kryptowährungen abgesehen, befindet sich die Erörterung der praktischen Anwendungen erst am Anfang – von registerähnlichen Anwendungen über Supply-Chain-Management und Logistik-Anwendungen bis hin zu allen möglichen Smart Contracts im Internet der Dinge: zum Beispiel Elektroautos, die selbstständig an Ladestationen bezahlen oder Haushaltsgeräte, die nicht nur Defekte melden, sondern auch deren Reparatur veranlassen.

Manches geht davon sehr gut ohne die Blockchain, für andere Szenarien bietet sie echte Vorteile. Smart Contracts erlauben es den Parteien, auf den zwingenden binären Ausführungsbefehl („wenn-dann“) zu setzen, ohne die Vertrauensbeziehung über die Vertragsanbahnung zusätzlich abzusichern („wer sagt mir, dass mein Kunde zahlt?“). Smart Contracts setzen aber nicht das Zivilrecht oder regulatorische Rahmenbedingungen für Rechtsgeschäfte außer Kraft.

Es entsteht damit ein interessantes Spannungsfeld: Was ist, wenn das Kausalgeschäft fehlerhaft ist oder sich zum Beispiel durch Anfechtung nachträglich (ex tunc) oder wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von vornherein als nichtig herausstellt? Hat der Erklärende einen Anspruch auf Rückabwicklung beziehungsweise Durchführung einer „reverse transaction“ und wie weit reicht ein solcher Anspruch „in der Kette“ zurück? Gegen wen richtet sich sein Anspruch beziehungsweise wie kann er durchgesetzt werden, wenn die Vertragsparteien auf der Blockchain nicht namentlich zu erkennen sind?

Was ist mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die im Kausalgeschäft angelegt beziehungsweise durch Auslegung anwendbar sind („nach Treu und Glauben“, „in angemessener Frist“, etc.)? Braucht es womöglich einen Streiterledigungsmechanismus in der Blockchain selber? Muss dazu der Gesetzgeber tätig werden und wenn ja, wie – wenn doch die Blockchain nicht an Ländergrenzen haltmacht? Was wird aus dem Datenschutz und den Betroffenenrechten – etwa auf Löschung, wenn personenbezogene Daten in der Blockchain abgelegt sind? Das alles sind echte Zukunftsfragen.

Wir Juristen – insbesondere die Nachwuchsjuristen –müssen dafür tragfähige Lösungen entwickeln, damit das Recht die Innovation unterstützt und nicht blockiert. Wer also meint, dass Jura nur aus Vorgeprägtem besteht, unterschätzt die Schlüsselrolle der Juristen in der Gestaltung unserer Zukunft. Das macht den Beruf des Technologie-Anwalts unglaublich interessant und fordernd.