„Aktuell ,brummt‘ der Bau“

Klar scheint: Absolventen des Bauingenieurwesens müssen sich um ihren Berufseinstieg keine Sorgen machen. Wird dieser Zustand lang anhalten?
In der Tat müssen sich Berufseinsteiger keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Aktuell „brummt“ der Bau sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Die Auftragsbestände erreichten zur Jahresmitte einen neuen Rekordwert von rund 43 Milliarden Euro. Diese gute Entwicklung wird unserer Einschätzung nach auch weiterhin Bestand haben, denn in unserem Land gibt es einen enormen Baubedarf. Unsere Straßen und Brücken müssen dringend erneuert werden, in den Ballungszentren fehlt kostengünstiger Wohnraum und auch das produzierende Gewerbe braucht mehr Kapazitäten. Für all diese Aufgaben werden dringend Bauingenieure gebraucht. Wer in diesen spannenden und abwechslungsreichen Beruf einsteigen will, rennt derzeit offene Türen ein.

Experten gehen davon aus, dass die Digitalisierung die Baubranche komplett verändern und damit einen erheblichen Produktivitätsschub auslösen wird. Was bedeuten diese Entwicklungen für angehende Bauingenieure?
Wir sehen in dieser Entwicklung die große Chance, Bauprozesse zu optimieren. Architekten, Bauingenieure, Bauzeichner, Tragwerksplaner, Haustechniker und Bauherrn werden in Zukunft mit Building Information Modeling, also BIM, disziplinübergreifend auf einer Plattform zusammenarbeiten. Damit werden Prozesse schneller und effizienter, Konflikte lassen sich leichter vermeiden, weil Fehler in der Planung früher erkannt werden. Erfahrungen werden gespeichert und sind für das nächste Projekt jederzeit abrufbar. Diese Transformation wird für einen gewaltigen Produktivitätsschub sorgen.

Natürlich ändert sich damit auch das Aufgabenspektrum von Bauingenieuren. Ihnen fällt künftig eine Schlüsselrolle in diesem Prozess zu. Sie werden noch stärker als bisher Manager, Koordinatoren oder Berater sein – alles natürlich auf der Grundlage von BIM. Akademische Nachwuchskräfte werden künftig systematisch an diese neuen Aufgaben herangeführt. Wir arbeiten über den Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (ASBau) eng mit den Hochschulen zusammen, um die praxisnahe Ausbildung künftiger Bauingenieure zu unterstützen und zu fördern.

Wie kann das „Abarbeiten“ von Aufträgen und die Einarbeitung in neue Methoden in Einklang gebracht werden?
Die große Herausforderung besteht wirklich darin, neben den hohen Beanspruchungen durch das laufende Baugeschäft das Zukunftsprojekt Bauen 4.0 voranzutreiben. Entwickelt werden die digitalen Methoden von IT-Spezialisten, aber der fachliche Input kommt von den Baufachleuten. Diese wiederum sind so fasziniert und überzeugt von den Möglichkeiten der Digitalisierung, dass sich viele unserer Mitarbeiter, ob jung oder älter, neben ihrem Tagesgeschäft in dem Zukunftsprojekt Bauen 4.0 engagieren. Je größer die Wissensbasis beim Bauen mit digitalen Methoden wird, desto mehr Erfahrungen können auch in jetzt kommende Aufträge einfließen und dabei helfen, Projekte effizienter abzuarbeiten.

Zukunftsgestalter gesucht!

Welche Herausforderungen ergeben sich für die Baubranche jetzt und in Zukunft? Wie sehen beispielsweise smarte Städte und Gemeinden aus, in denen nicht nur autonom fahrende, sondern auch fliegende Autos zum Alltagsbild gehören – und was leisten Bauingenieure in diesem Zusammenhang? Welche Bautrends gibt es, welche haben Bestand? Von Energie-Effizienz über 3-D-Druck und Nachhaltigkeit bis hin zu Barrierefreiheit – auch mit dem Blick auf die demografische Entwicklung. Von André Boße

Innovationen am Bau? Schwierig, sagen die einen, und verweisen auf das Vorurteil, die Bauindustrie sei konservativer als andere Branchen. Weil jede Baustelle halt anders und daher nicht standardisierbar sei. Und Staub und Dreck falle halt auch an, sodass sensible digitale Geräte dort nicht gut aufgehoben seien. Soweit das Klischee.

In der Haus-Druckerei Der Spruch, mit dem das russische Startup Apis Cor die Besucher auf der Homepage empfängt, könnte einfacher nicht sein, entfacht aber sogleich eine ungeheure Wirkung: „We print buildings.“ Im Februar druckte das Unternehmen eigenen Angaben zufolge das erste bewohnbare Haus mit einer Wohnfläche von 38 Quadratmetern. Lediglich 24 Stunden lang soll der 3-D-Drucker dafür im Einsatz gewesen sein, unter den Projektunterstützern war auch der deutsche Bauzulieferer Bitex, der einen speziellen Reibeputz zur Verfügung stellte. Konstruktionskosten des Hauses: Rund 9500 Dollar, was zeigt: Der 3-D-Drucker kann schnell und günstig sein. Eindrücke zum Bauvorgang gibt es auf der Homepage des Unternehmens: www.apis-cor.com

Ganz anderer Meinung sind die Forscher bei der Fraunhofer-Allianz Bau, ein Konsortium, das eng mit Unternehmen der Baubranche zusammenarbeitet. Für die Forscher ist der Bau von Häusern oder Straßen längst kein isoliertes Projekt mehr. Jedes Vorhaben müsse systematisch betrachtet werden – vom kleinsten eingesetzten Werkstoff bis hin zur komplexen Siedlung. Denn in Zukunft sollen auch Gebäude Teil der vernetzten Welt sein, in der sie Daten liefern und miteinander kommunizieren. So, wie es die Maschinen in den Fabriken der Industrie 4.0 tun.

Alles wird smart – der Bau auch

Die Allianz Bau gliedert ihre Arbeit in acht Forschungsbereiche, die zeigen, wie weit in der Baubranche das Panorama für Innovationen ist. In einem Segment geht es um die Digitalisierung des Bauvorhabens an sich – zentrale Methode ist hier das Building Information Modeling (BIM) als standardisierte Plattform für das Zusammenspiel aller an einem Bauprojekt beteiligten Akteure.

Im Fokus der Zukunftsforschung des Bauens stehen aber auch die Materialien und Rohstoffe, die nicht nur günstig und nachhaltig, sondern auch digital aufrüstbar sein müssen, damit sie nach dem Verbauen im Idealfall als kommunizierende Teile ihren Beitrag zum digitalen Netzwerk leisten. Im Visier hat die Fraunhofer-Allianz Bau auch Kategorien wie Komfort, Gesundheit sowie Sicherheit mit Aspekten wie Brand- und Katastrophenschutz. Letztere sind zwei Themen, die nicht zuletzt durch die jüngsten Ereignisse wie dem Hochhausbrand in London und Schutzmaßnahmen in Dortmund, Überflutungen in Städten sowie der Terrorgefahr stetig an Bedeutung gewinnen. Viele dieser Aspekte laufen schließlich auf das große Zukunftsthema einer „Smart City“ hinaus, in der „Smart Homes“ und „Smart Grids“ gegenseitig Synergien erzeugen.

Foto: SC Freiburg/HPP Architekten GmbH
Mit dem Stadionbau in Freiburg wurde Ende August 2017 das Unternehmen Köster GmbH aus Osnabrück, welches bei diesem Projekt mit der HPP Architekten GmbH aus Düsseldorf kooperiert, beauftragt. Besonderheit: Die „steile Wand“ für die Fans in Nord- und Süd. Foto: SC Freiburg/HPP Architekten GmbH

Zukunftsmusik? Schon. Aber: Die Zukunft ist nah. Eine groß angelegte Untersuchung vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Kooperation mit der Unternehmensberatung PwC zum Thema Smart Cities zeigt, dass die lokale Wirtschaft und die Einwohner der Kommunen die Treiber der Veränderungen sind. „Eine entwickelte digitale Infrastruktur ist für Kommunen schon heute ein zentraler Standortfaktor. Die Attraktivität einer Kommune für Bürger und Unternehmen hängt entscheidend von ihrem Digitalisierungsfortschritt ab“, bewertet Michael Jahn, Leiter Kompetenzteam Smart Cities bei PwC, die Untersuchung. Die Baubranche wird hier liefern müssen. Sie wird Gebäude errichten, die sich als „Smart Buildings“ in die digitale Welt vernetzen lassen. Und sie wird an Planungs- und Beteiligungsprozessen teilnehmen, die auf digitalen Plattformen stattfinden.

Veränderungen nicht verhandelbar

Bauunternehmen, die nicht reagieren, werden den Anschluss verlieren. Dass das Nicht-Reagieren keine Option ist, zeigt auch eine Untersuchung der VDIGesellschaft Bauen und Gebäudetechnik: In ihrer Studie „Handlungsfelder: Bauen 2025“ hat die Fachabteilung sechs Entwicklungen festgestellt, die das Bauen in den kommenden Jahren prägen und verändern werden:

  1. Der Klimawandel – und zwar auf zwei Ebenen: Einmal sind nachhaltige Neubauten sowie Sanierungen bestehender Gebäude notwendig, damit Klimaschutzziele erreicht werden, zweitens müssen vielerorts schon heute Gebäude geplant werden, um sie vor Naturereignissen wie Stürmen und Fluten zu schützen.
  2. Die Urbanisierung, da es immer mehr Menschen in die Städte zieht, in denen in der Regel der Platz fehlt, weiter in der Fläche zu bauen. Also wird die Nachverdichtung zum großen Thema; hier kommen auch neue Konzepte des „Urban Gardenings“ ins Spiel, zum Bespiel vertikale Gärten, die in engbebauten Gebieten den Bewohnern nicht nur Grün bieten, sondern zudem Aufgaben bei der Klimatisierung übernehmen.
  3. Die Demografie, weil bei einer immer älter werdenden Bevölkerung das altersgerechte Bauen mit seinen Unterpunkten wie Barrierefreiheit sowie Assistenz-, Sicherheits- und Notfallsystemen an Bedeutung gewinnt.
  4. Die Ressourcenknappheit, die dazu führt, dass Energiethemen genauso im Fokus stehen wie sinkender Rohstoffbedarf und Aspekte wie Recycling oder der Urban-Mining-Ansatz.
  5. Die Digitalisierung, die der Baubranche neue Methoden wie BIM, Sensorik oder Drohnen an die Hand gibt, um effizienter zu bauen, Prozesse smarter zu planen oder, auch mit Blick auf sanierungsbedürftige Brücken, Schäden früher zu erkennen und sogar selbst zu regulieren. Hinzu kommen weitere Innovationen mit revolutionärem Potenzial wie Bau-Roboter und 3-D-Drucker, die in der Lage sind, Häuser zu errichten – und zwar konkurrenzlos schnell und günstig.
  6. Die Ansprüche an die Lebensqualität: Eine Straße bietet in Zukunft auch die Infrastruktur für autonom fahrende und miteinander kommunizierende Autos; selbst das Luft-Taxi, das durch Hochhäuserschluchten fliegt, ist nicht mehr Science-Ficition, sondern wird von führenden Autobauern wie Daimler vorangetrieben. Aus dem stabilen „Familienheim“ von früher werden flexible „Heimaten“, die sich im Einklang mit wechselnden Lebenssituationen ändern. „Eine Stadt der Zukunft braucht daher Gebäude mit flexiblem, intelligentem und bezahlbarem Wohnraum und Lebensmodelle in allen Größen und Wohnformen – energieeffizient und ressourcenschonend, altersgerecht und mit hohem Wohnstandard“, formulieren die Studienautoren.

Digitalisierung hilft

Der Bauingenieur steht vor der Aufgabe, diesen Trends gerecht zu werden; er wird damit zum Gestalter der Zukunft. Sein wichtigster Helfer ist die digitale Technik: Die Planungsmethode BIM, aber auch RFID-Chips in Bauteilen, das serielle oder modulare Bauen oder 3-D-Drucker, die voll automatisch Häuser errichten, bieten ihm neue Möglichkeiten. Mit Blick auf die Bauindustrie stellt sich jedoch die Frage: Kann und will die Branche bei dieser Dynamik mithalten? „Der digitale Wandel hat die Bauwirtschaft schon voll erfasst“, sagt Niklas Brandmann, Leiter Digitalisierung/BIM der Service- Einheit Unternehmensentwicklung Wolff & Müller.

Wichtigster Baustein ist der Mensch Neben BIM mit seinem Grundsatz „zuerst virtuell und dann real zu bauen“, setzt das Unternehmen bereits Kamera-Drohnen und Laserscanning ein, um das Baugelände zu vermessen und digital abzubilden. Im Straßenbau habe sich zudem das mobile Planungs- und Echtzeitsystem BPO bewährt: „Unsere Bauteams nutzen BPO als App auf dem Smartphone, um die Bauarbeiten zu planen und zu steuern. Derzeit arbeiten wir daran, dieses System auch auf den Hochbau auszuweiten.“ Zwar werden, so Brandmann, auch Baumaschinen immer intelligenter, „doch darüber hinaus sind künstliche Intelligenz, Roboter und 3-D-Druck in der Baupraxis bei uns noch nicht angekommen“.

Foto: PERI GmbH
Bis zu 70.000 Besucher strömen täglich in Australiens größtes Einkaufszentrum, das Chadstone Shopping Center – das im Zuge einer Erweiterung mit einem gigantischen Glasdach überspannt wurde. Foto: PERI GmbH

Jedoch sei die Technik nur die eine Seite der Digitalisierung. „Der wichtigste Baustein aus unserer Sicht sind die Menschen“, sagt Niklas Brandmann. So sei zum Beispiel die Umstellung auf BIM ein „Change- Prozess, dessen Zielvorgabe ganz klar vom obersten Management kommen muss.“ Die Umsetzung im Berufsalltag sei dann Sache der Mitarbeiter. „Deshalb muss ein Unternehmen alle beteiligten Personen auf den neuen Weg mitnehmen.“

Mobiler 3-D-Baudruck

Behrokh Khoshnevis, Erfinder des mobilen 3-D-Baudrucks, startet Anfang 2018 mit der Auslieferung mobiler 3-D-Baudrucker. Die Bauzeit von Gebäuden reduziert sich damit auf Tage oder gar Stunden. http://contourcrafting.com

Curtain Wall Engineering

Kompaktes technisches Fachwissen für die Planung und Betreuung von Fassaden- Projekten im internationalen Umfeld vermittelt die Weiterbildung „Curtain Wall Engineering“, die die Hochschule Augsburg seit diesem Jahr anbietet. www.cwe-augsburg.de

Erkennbar sei aber schon jetzt, dass durch diesen Prozess in den Unternehmen neue Jobprofile entstehen – insbesondere für Bauingenieure mit IT-Know-how. Denn bei allen Szenarien des Bauens in der Zukunft zeigt sich immer wieder eine Gewissheit: Die Digitalisierung ist Kernbestandteil der Entwicklung. Sie wird das Bauen von morgen als Technologie bestimmen – und zwar als eine Technologie, die den Bauingenieuren dabei helfen wird, den vielfältigen Anforderungen überhaupt gerecht werden zu können. Für die Branche und insbesondere für die Einsteiger ist das ein Grund für Optimismus: Die Zukunft setzt die Branche unter Druck. Aber sie lässt auch eine Reihe von neuen Märkten entstehen, auf denen sich je nach Geschäftsmodell echte Erfolgsgeschichten schreiben lassen.

MAVO BauCycle:

Abbruchmaterial nutzbar machen Die deutsche Bauindustrie setzt jährlich rund 600 Millionen Tonnen mineralische Baurohstoffe ein. Ein Großteil wird über Primärrohstoffe abgedeckt, also abgebaute natürliche Rohstoffe. „Dagegen werden jährlich nur 81 Millionen Tonnen Bauschutt für Bauanwendungen recycelt“, schreiben die Experten des Forschungsprojekts MAVO BauCycle. Das Konsortium, bestehend aus verschiedenen Fraunhofer Instituten, hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Sortierung und Aufbereitung von anfallenden Abbruchmaterialien zu verbessern – und setzt auf digitale Unterstützung: Mithilfe von Hochleistungsrechnern und „Optical Computing“ soll Abbruchmaterial aufbereitet, analysiert und für den Sekundärverbrauch zertifiziert werden. Näheres zum MAVO BauCycle bietet die Homepage: www.baucycle.de

 

Comeback von Schafswolle und Lehm

Laut Info-Film des EU-Projekts Eco-See verbringt ein Europäer durchschnittlich pro Tag 90 Prozent seiner Zeit innerhalb von Gebäuden. Die Luft dort ist also die, die wir vornehmlich atmen. Doch diese ist nicht unbedingt gut, vor allem flüchtige organische Verbindungen (VOCs) treten aus und können die Gesundheit beeinträchtigen. Das Projekt Eco-See hat das Ziel, Forscher und Unternehmen zusammenzubringen, um neue Materialien zu entwickeln, die nicht nur Luftqualität in Gebäuden erhöhen, sondern auch die Isolierung verbessern. Die Forschung zeigte, dass zum Beispiel Schafswolle nicht zur Wärme speichert, sondern auch schädliche VOCs absorbiert. Lehm wiederum nimmt Feuchtigkeit aus dem Raum und verhindert damit Schimmel.

Weltneuheit: Myzelium und Bambus

Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der ETH Zürich präsentierten unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“ bei der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 ihre Vision, den sogenannten „MycoTree“: eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus, deren Geometrie sie mit Methoden grafischer Statik in 3-D optimiert und tragfähig gemacht haben – in dieser Form eine Weltneuheit. Weitere Informationen unter: http://seoulbiennale.org

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Max Bögl: Vorstand Markus Richthammer im Interview

Der bayerische Baukonzern Max Bögl steht für innovative serielle Baukonzepte, man ist sich sicher: Neuen Ansätze wie der Digitalisierung und BIM sowie Lean Management gehört die Zukunft. Markus Richthammer ist als Vorstand Industrie in der Firmengruppe für viele dieser Zukunftsbereiche verantwortlich. Im Interview verdeutlicht er, warum diese Trends für die Branche so bedeutsam sind und welches revolutionäre Potenzial sich aus ihnen ergibt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Markus Richthammer ist seit Juli 2017 als Mitglied im Vorstand der Firmengruppe Max Bögl tätig. Als Vorstand Industrie verantwortet er die Bereiche Modulbau, Stahl- und Anlagenbau, Roh- und Baustoffe sowie die Unternehmensentwicklung mit den Schwerpunkten Lean Management, Qualitätsmanagement, IT und Building Information Modeling (BIM). Nach seinem Maschinenbaustudium durchlief er bei der BMW-Group zahlreiche Bereiche wie Planung, Einkauf, Produktion und Strategie an verschiedenen Standorten im In- und Ausland. Innerhalb des Automobilkonzerns verantwortete er in den vergangenen Jahren in leitenden Managementpositionen Produktions-, Logistik-, Lean Management, Innovations- und Bereichssteuerungsaufgaben.

Herr Richthammer, Ihr Unternehmen setzt stark auf den seriellen Modulbau. Warum ist dieses Konzept zukunftsfähig?
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt, bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Der politische Druck, zügig in den Wohnungsneubau zu investieren, ist hoch. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erfordert jedoch innovative Konzepte in der Bauwirtschaft – und genau das war unser Anspruch bei der Entwicklung unseres Systems „maxmodul“.

Was ist die Besonderheit des Bausystems?
Mit unserem Team aus Architekten, Ingenieuren und Entwicklern haben wir ein Fertigungswerk zur seriellen Produktion dieser Module für den Geschosswohnungsbau aufgebaut. Unser Ziel ist es, einen maximalen Vorfertigungsgrad zu erreichen. In dem Produktionssystem werden von der Betonage, Montage und Bearbeitung auch alle wesentlichen Ausstattungen verbaut: die technische Gebäudeausrüstung, Böden, Fenster, Elektrik oder auch komplette Bäder inklusive Armaturen. Durch die kurze Bauzeit ergibt sich für die Anwohner der entscheidende Vorteil, dass Bauabfälle sowie Emissionen und Immissionen vermieden werden. So können wir mit einem Kran auf der Baustelle an einem Tag bis zu zehn Module montieren.

Sie sprachen bereits an: Bezahlbarer Wohnraum, gerade in Ballungsräumen, ist aktuell ein wichtiges Thema in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Wie kann serieller Modulbau helfen, diese Herausforderung in Angriff zu nehmen?
Bezahlbarer Wohnraum darf in der Materialauswahl und Anmutung nicht billig sein. Sonst sind wir schnell wieder im Bereich des Plattenbaus. Er muss gestalterisch ansprechend, funktional und qualitativ hochwertig konzipiert und ausgeführt sein. Und selbstverständlich müssen auch alle Vorschriften in Hinblick auf Wärmedämmung und Brandschutz erfüllt werden. Genau hier sehe ich die Vorteile einer seriellen Fertigung modularer Wohnräume sowie standardisierter Logistik- und Montageabläufe auf der Baustelle: Wir können den deutlichen Kostenvorteil mit gleichzeitig immer wiederkehrender hoher Qualitätsausführung erreichen.

Es geht also auch darum, schlanker zu produzieren und zu bauen. Wie hoch ist das Potenzial des seriellen Bauens?
Aus meiner Sicht ließe sich mindestens jedes dritte Gebäude, das in unseren Städten steht, ohne Probleme mit Modulbau realisieren.

Wird das Erscheinungsbild dadurch eintönig?
Nein, denn durch die Vielzahl von Fassadenvarianten und Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Balkonen oder Dachterrassen werden Sie nach der Fertigstellung nicht mehr erkennen, ob ein Gebäude konventionell oder mit Hilfe unserer Module gebaut wurde.

Noch immer hält sich der Mythos, jede Baustelle sei grundlegend anders. Haben es deshalb Innovationen wie das Serielle Bauen besonders schwer?
Bauen ist in vielen Bereichen immer eine Wiederholung von Abläufen, Prozessen und Handgriffen. Das muss und darf man nicht jedes Mal anders machen. Die Lösung für die Bauindustrie ist daher die Standardisierung von Prozessen und Abläufen: Wir brauchen mehr standardisierte Projektabwicklung und geeignete Werkzeuge und Methoden wie zum Beispiel Lean oder BIM, um die Komplexität der Bauaufgaben beherrschbar zu machen. Modulares Bauen ist ein weiterer Schritt, um Planungs- und Freigabeprozesse zu beschleunigen, die Baukosten und Bauzeiten deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität zu erhöhen. Durch diese neue Art des Bauens möchten wir zum Imagewandel in der Bauindustrie beitragen – und damit eine kleine Baurevolution auslösen.

Wir brauchen mehr standardisierte Projektabwicklung und geeignete Werkzeuge und Methoden wie zum Beispiel Lean oder BIM, um die Komplexität der Bauaufgaben beherrschbar zu machen.

Wie gewährleisten Sie im Unternehmen die Transparenz sowie die Prozesssicherheit Ihrer Bauprojekte?
Die Baubranche wird auch in Deutschland zunehmend von zwei Entwicklungen geprägt. Auf der organisatorischen Seite richten sich die Prozesse der Projektabwicklung verstärkt nach den Prinzipien des Lean Managements aus. Dies betrifft sowohl die interne Organisation der Bau- und Zuliefererunternehmen als auch die Projektorganisation – hier spricht man dann von Lean Construction. Lean Management bedingt klare Prozessvereinbarungen, eine auf die Wertschöpfung ausgerichtete Prozessoptimierung sowie eine entsprechende Fehlerkultur. Die zweite wichtige Entwicklung ist die Digitalisierung, im Zentrum steht hier BIM. Der Ansatz, die Bauaufgabe zunächst virtuell mit Computermodellen zu planen und Prozesse zu simulieren, ergänzt und erleichtert die Kommunikation durch anschauliche Visualisierungen und ein strukturiertes Datenmanagement. So können wir Risiken, die bei Bauprojekten häufig zu Kostensteigerungen führen, früher und zuverlässiger erkennen, als dies bei einer zeichnungsorientierten Arbeitsweise möglich ist. Digitale Zwillinge erlauben uns vor allem in der Vorfertigung und bei Bausystemen eine interdisziplinäre Optimierung. Auch hier können wir Kosten senken, ohne, dass dadurch die Qualität des Produkts negativ beeinflusst wird.

Begriffe wie Industrie 4.0 oder Pharma 4.0 sind bereits geläufig. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand von Bauen 4.0: Inwieweit werden neue Methoden bereits eingesetzt?
Bauen 4.0 oder auch die Synonyme wie Planen, Bauen und Betreiben 4.0 sind im Vergleich zu den anderen Branchen noch recht jung. Wir bei Max Bögl definieren die digitale und intelligente Vernetzung von Systemen und Prozessen als Fortschritt 4.0. Neben der Nutzung von BIM als Kernmethode geht es dabei meiner Meinung nach um die effiziente Verzahnung und Nutzung von industriellen Anwendungen mit modernsten Informations- und Kommunikationstechnologien. Das Ziel muss sein, Qualität und Effizienz in unseren klassischen Bauprojekten schneller zu erhöhen. Die digitale Planung ist die Basis für die angesprochenen neuen Methoden. Jedoch arbeitet die Branche aktuell an grundlegenderen neuen Methoden. Ein Beispiel ist der Ansatz, die Asphaltierung von der Herstellung über den Transport bis zum Einbau des Asphaltguts mit einer lückenlosen Qualitätsdokumentation aller Prozessschritte zu verfolgen. Hier wird mit modernster Sensorik, smart Devices und smarten Systemen gearbeitet.

Wie ist die Situation bei digitalen High- End-Themen wie Big Data oder Künstlicher Intelligenz?
Diese Grenzen der Digitalisierung sind aktuell im Baubereich nicht im Blickfeld. Vielmehr müssen wir hier im Branchenvergleich aufholen und unsere eigenen Grenzen finden. Die Digitalisierung wird sich aus unserer Sicht schneller weiterentwickeln, als wir sie zu nutzen wissen. Umso wichtiger ist es, sich dann mit Hilfe von Forschung und Entwicklung sowie durch die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen an dieser Grenzlinie zu bewegen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist hier bereits jetzt zum einen die Einbindung der Mitarbeiter über alle Ebenen, zum anderen die entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter im Umgang mit den Methoden der Digitalisierung.

Wie wird sich dadurch die Arbeit der Bauingenieure verändern?
Den Bauingenieur als reinen Techniker zu beschreiben, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Zusätzlich zu den klassischen Anforderungen an einen Ingenieur wird heute ebenso gefordert, sich mit Lean-Werkzeugen zu beschäftigen sowie die neuen Methoden der Digitalisierung aktiv voranzubringen. Es wird immer mehr von Bedeutung werden, dass sich Bauingenieure schnell in unterschiedlichen Firmenkulturen sowie im interkulturellen Umfeld bewegen – und hier auch schnell eigene Akzente setzen.

Welche Skills nehmen dabei an Bedeutung zu?
In der heutigen Zeit ist weniger Improvisationstalent entscheidend – sondern vielmehr Organisations- und Planungstalent. Wichtiger denn je wird dadurch eine Offenheit für neue Wege, aber auch ein gesteigertes Bewusstsein für Qualität.

Zum Unternehmen

Mit mehr als 6.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr 1,65 Mrd. Euro zählt Max Bögl mit Hauptsitz in der bayerischen Gemeinde Sengenthal bei Neumarkt i. d. OPf. zu den größten Bau-, Technologie- und Dienstleistungsunternehmen. Zum Leistungsspektrum und zur Wertschöpfungstiefe zählen eigener Stahlbau und eigene Fertigteilwerke sowie ein moderner Fuhr- und Gerätepark. Geschäftsmodell ist es, den Kunden der Firmengruppe von der ersten Konzeptidee bis zum fertigen Bauprodukt zu begleiten. Im Projektmanagement, in der Projektabwicklung sowie beim Thema Arbeitssicherheit setzt das Unternehmen neueste IT- und BIMTechnologien sowie Lean Management ein, um den Kunden reibungslos ineinandergreifende Produktions- und Logistikprozesse zu bieten.

Die Lennetalbrücke der A45

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Parallel zu der in die Jahre gekommenen Lennetalbrücke der Autobahn 45 bei Hagen baut Hochtief Infrastructure seit 2013 eine neue, fast 1.000 Meter lange Überquerung. Bis 2018 sollen über 33.000 Kubikmeter Beton und rund 5.300 Tonnen Betonstahl verbaut werden. Von Christoph Berger

Folgendes ist geplant: Die 1967 als monolithische Rahmenkonstruktion und über 22 Felder errichtete Lennetalbrücke wird abgerissen und durch zwei neue Brücken ersetzt – je eine pro Fahrtrichtung. „Eigentlich schade. Eine sehr schlanke Brücke, echte Ingenieurskunst. Aber am Abriss führt kein Weg vorbei“, sagt Projektleiter Jan Felgendreher von Hochtief über die abzureißende Brücke. Doch in den 1960er-Jahren hatte noch niemand die heutige Verkehrsbelastung erahnen können – zumal die A45 als „Urlaubsautobahn“ gedacht war, die Menschen aus dem Ruhrgebiet den Weg in den Süden erleichtern sollte.

Doch inzwischen rollen täglich bis zu 80.000 Fahrzeuge über die Brücke. Der Anteil an Lkws beträgt 16 Prozent – 1956 lag deren zulässiges Gesamtgewicht noch bei 24 Tonnen, heute sind es 44 Tonnen. Die Folge: Die Belastungen führen dazu, dass sich bei vielen Brücken kleine Risse im Beton bilden. Durch diese dringt Salzwasser in die Konstruktion ein, das den Stahl angreift – bis die Bewehrungsstäbe durchrosten und der Beton abplatzt. Da laut dem Landesbetrieb Straßenbau NRW, Bauherr des Projekts, eine Verstärkung der alten Konstruktion nicht möglich ist, wurde der Neubau nötig.

Die Bauarbeiten dazu begannen im September 2013. In einem ersten Schritt wurde eine Behelfsbrücke gebaut, die den Verkehr aufnimmt. Diese existiert bereits: Dazu wurde der spätere Überbau der West-Brücke auf eine zusätzliche provisorische Pfeilerreihe gestellt, über die jetzt der Verkehr in beide Richtungen rollt. Und: Es konnte mit dem Abriss der alten Brücke begonnen werden. Hierzu wurden die Fahrbahn zurückgebaut und die alten Pfeiler gesprengt. Nun wird die Brücke in Fahrtrichtung Dortmund, der Überbau Ost, gebaut. Ist diese fertiggestellt, wird der gesamte Verkehr auf diese zweite neue Brückenhälfte umgelegt. Die Behelfsbrücke ist damit verkehrsfrei.

Daraufhin werden die Pfeiler für die West-Brücke gebaut, bei denen es dann zu einem spektakulären Ereignis kommen wird: Der etwa ein Kilometer lange Überbau der Behelfsbrücke – er ist dreimal so schwer wie der Eifelturm – wird um 15 Meter auf die neuen Pfeiler verrückt. Verschiebungen sind laut Felgendreher im Brückenbau an sich zwar nichts Besonderes, aber eine Seiteneinschiebung mit einer Länge von fast einem Kilometer einmalig. Wenn alles glatt laufe, dauere das Ganze laut dem Hochtief-Experten nur wenige Stunden. Ist das geschafft, werden am Ende wieder die provisorischen Pfeiler der einstigen Behelfsbrücke abgerissen und 3,5 Meter hohe Lärmschutzwände auf beiden Seiten der Fahrbahnen angebracht. 2018 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die gesamten Bauarbeiten – sowohl Rückbau der alten Brücke als auch Neubau der neuen Brücke mit ihren zwei Bauwerken – während des laufenden Verkehrs stattfinden können.

Der Pierre Boulez Saal

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Nach planmäßiger vierjähriger Bauzeit eröffnete am 4. März 2017 der Pierre Boulez Saal – ein „Salle modulable“ – mit einem Festkonzert in Berlin. Entworfen wurde der Saal vom amerikanischen Architekten Frank O. Gehry. Von Christoph Berger

Der Pierre Boulez Saal befindet sich im ehemaligen Magazingebäude der Staatsoper Unter den Linden. Das Gebäude wurde zwischen 1951 und 1955 nach Entwürfen des Architekten Richard Paulick als Depot für die Kulissen der Staatsoper errichtet. Es steht zudem unter Denkmalschutz. Seit 2014 wurde der Saal nun nach einem Entwurf des amerikanischen Architekten Frank O. Gehry umgebaut: Grundsteinlegung und Baubeginn des Pierre Boulez Saals und der Barenboim-Said Akademie, die ebenfalls in dem Gebäude untergebracht ist, war im Mai 2014. Im Juni 2015 wurde Richtfest gefeiert, die Eröffnung fand dann im März 2017 statt.

Pierre Boulez

Pierre Boulez, 1925-2016, der eigentlich Mathematik und technische Wissenschaften studieren wollte, war ein französischer Komponist, Dirigent und Musiktheoretiker. Er gehörte zu den herausragenden Vertretern der musikalischen Avantgarde, speziell der seriellen Musik. Weitere Infos zum Pierre Boulez Saal unter: https://boulezsaal.de

Entstanden ist ein modularer Raum, der durch wechselnde Konfigurationen der mobilen Sitzreihen verschiedene Gestalten annehmen kann – ein „Salle modulable“ im 360-Grad-Winkel sei verwirklicht worden, heißt es. Auch der Bühnenaufbau kann sehr flexibel gestaltet werden. Insgesamt ist der Saal 850 Quadratmeter groß und kann bis zu 682 Zuhörern Platz bieten. Dabei war ein essentieller Bestandteil der Idee, größtmögliche Nähe und Unmittelbarkeit zu schaffen: Kein Hörer ist mehr als nur wenige Meter von den Musikern entfernt.

Geprägt wird die Perspektive des Saals von zwei Ellipsen, deren Achsen so miteinander verschoben sind, dass der Anblick des Rangs einen Eindruck von Schwerelosigkeit vermittelt. Zu dem Entwurf sagte Frank O. Gehry einst: „Tatsächlich brachte ich ein Modell nach Baden-Baden zu Pierre (Anm. d. Red.: gemeint ist Pierre Boulez). Am Tag, nachdem wir es ihm gegeben hatten, saß er stundenlang vor dem Modell und starrte hinein. Es war eine große Ehre und ein Geschenk für ihn. Ich kann es nicht erwarten, ihn fertig zu sehen. Es wird für mich – als Nicht-Musiker – etwas ganz Besonderes sein, einen so wichtigen Platz in der Geschichte der Berliner Musik und der ganzen Musik und der Musiker, die in den kommenden Jahren Teil dieses kleinen Gebäudes sein werden, einzunehmen.“

Für die Akustik des Saales ist der für seine Expertise bekannte japanische Akustiker Yasuhisa Toyota verantwortlich. In Deutschland arbeitete er auch an der Elbphilharmonie in Hamburg und der Renovierung der Konzert- und Kongresshalle Bamberg mit, insgesamt und weltweit an über 50 Projekten. Die in Nürnberg geborene und in Berlin lebende Künstlerin Christine Meisner gewann mit ihrem Werk „Rivers and Rights“ die offizielle Ausschreibung für die sich im Foyer befindende Kunst am Bau. Dabei handelt es sich um einen handgeknüpften Bildteppich aus Wolle und Seide, der die Flüsse Nil, Jordan, Euphrat und Tigris darstellt. Der Pierre Boulez Saal ist Teil der Barenboim- Said Akademie, die von Daniel Barenboim ins Leben gerufen wurde und im Herbst 2016 ihren Lehrbetrieb aufnahm.

Eröffnung des Pierre-Boulez-Saals in der Berliner Staatsoper, ARD

Das Futurium in Berlin

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Am 13. September 2017 fand im Rahmen einer Festveranstaltung die Schlüsselübergabe für das Futurium in Berlin statt. Das etwa 58 Millionen Euro-Projekt ist das zweite, das die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Auftraggeberin in Öffentlich-Privater- Partnerschaft (ÖPP) fertigstellte. Privater Partner war die BAM Deutschland AG. Von Christoph Berger

Nachdem Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, und der Gründungsdirektor des Futuriums – damals lief das Projekt noch unter dem Namen „Haus der Zukunft“, Prof. Dr. Reinhold Leinfelder, im Juni 2015 den Grundstein gelegt hatten, konnte in diesem Jahr die Fertigstellung des Gebäudes mit der markanten Fassade gefeiert werden. Es steht in der Nachbarschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs Berlin in bester Innenstadtlage direkt an der Spree. Zukünftig soll es Heimat für ein Museum, Labore, Foren für Diskussionen und Vorträge werden.

Weitere Infos zum Futurium
unter: www.futurium.de

Realisiert wurde es als ÖPP-Projekt: Bauherrin war die BImA, privater Partner die BAM Deutschland AG. Das Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude erhält eine Zertifizierung im Gold-Standard analog zum Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und entspricht dem Standard eines Plusenergiehauses. Dafür wurde unter anderem das Dach fast vollständig mit solaren Energiekollektoren für Photovoltaik und Solarthermie belegt. Um die Wärmeenergie der Sonne und hausinterne Energiegewinne für den Betrieb des Gebäudes nutzbar zu machen, wurde ein neuartiger Hybrid-Energiespeicher eingesetzt. Dieser vereint durch eine patentierte Makroverkapselung das latente Phasenwechselmaterial Paraffin mit dem sensiblen Speichermedium Wasser und erreicht dadurch die achtfache Kapazität von herkömmlichen Wasserspeichern.

Um den Bau realisieren zu können, wurde unterhalb der Bodenplatte unter anderem eine Sohlabdichtung ausgeführt. Die Untergeschosse wurden mit einer wasserundurchlässigen Stahlbetonkonstruktion versehen, einer sogenannten „weißen Wanne“. So abgedichtet das Gebäude von unten ist, so offen konstruiert ist es auf dem Dach: Dort bietet ein umlaufender „Skywalk“ den Besuchern einen exklusiven und attraktiven Blick auf die Spree und das Regierungsviertel. Die Fassade, neben der Gebäudeform wohl das markanteste Merkmal des Futuriums, besteht aus 8.000 Kassettenelementen. Diese jeweils ein Meter großen Elemente bestehen aus unterschiedlich gefalteten Metall-Reflektoren und keramisch bedrucktem Gussglas. Sie haben den Effekt, dass, je nach Lichteinfall, immer wieder sich verändernde Bilder auf der Fassade erzeugt werden.

Die Eröffnung des Futuriums ist für Frühjahr 2019 geplant. Inhaltlich wird man sich in ihm mit dem künftigen Verhältnis des Menschen zur Technik, zur Natur und zu sich selbst beschäftigen.

 

Zukunftsthemen

Das Futurium wird mit fünf großen Zukunftsthemen eröffnen: Ernährung, Gesundheit, Energie, Wohnen und Städte sowie Wirtschaften und Arbeit. Zu jedem Themenfeld werden ganz unterschiedliche Wege in die Zukunft gezeigt. Die innovativen Wegmarken liefern Wissenschaft und Forschung.

Das Leben ist eine Baustelle

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QUALITY LAND

Cover Kling Quality-LandMarc-Uwe Kling wurde unter anderem mit seinen Känguru-Geschichten bekannt. In seinem aktuellen Roman „QualityLand“ hat er nun die Verheißungen und das Unbehagen der digitalen Gegenwart zu einer Zukunftssatire verdichtet. Er kreiert eine Zukunft, in der alles rundläuft: Arbeit, Freizeit und Beziehungen sind von Algorithmen optimiert. Kein Mensch ist mehr gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen – denn in QualityLand lautet die Antwort „Okay“ auf alle Fragen. Trotzdem beschleicht den Maschinenverschrotter Peter immer mehr das Gefühl, dass mit seinem Leben etwas nicht stimmt. Wenn das System wirklich so perfekt ist, warum gibt es dann Drohnen, die an Flugangst leiden, oder Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung? Warum werden die Maschinen immer menschlicher, aber die Menschen immer maschineller? Marc-Uwe Kling: QualityLand. Ullstein 2017. 18 Euro.

URLAUB IM BAUMHAUS

Da werden Kindheitsträume wahr: Laut Travelbook liegen Baumhaushotels derzeit voll im Trend – zumal die Häuser in der Höhe in Sachen Ausstattung kaum Grenzen kennen. Küchenzeile, Designerbad und Fußbodenheizung – der Komfort garantiert Entspannung pur. Das Reiseinfoportal hat die 24 schönsten Baumhaushotels in Deutschland aufgespürt und stellt sie vor: www.travelbook.de/uebernachten/hotels/schlafen-in-den-wipfeln-die-coolsten-baumhaus-hotels-deutschlands

EIN KOGNITIVES ROBOTER-SERVICE-APARTMENT

Foto: CITEC/Universität Bielefeld
Foto: CITEC/Universität Bielefeld

Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld haben in einem Großprojekt als Hauptergebnis ein mitdenkendes Apartment im CITEC-Gebäude geschaffen, das rund um die Uhr als Forschungswohnung eingesetzt werden kann. Zentraler Teil des Projekts ist der Serviceroboter Floka, der mit Sensoren und dem Steuerungssystem der Wohnung vernetzt ist. So kann die Wohnung ihn direkt dorthin dirigieren, wo Unterstützung nötig ist. Sein Kopf ist austauschbar. Sein Sensorkopf beherrscht Farb- und Tiefenwahrnehmung. Eigens am CITEC entwickelt wurde sein „sozialer“ Kopf. Dieser erlaubt dem Roboter, mimisch auf sein menschliches Gegenüber zu reagieren. Weitere Infos unter: https://cit-ec.de Foto:

HAPPY END

Cover: Haneke Happy End
Cover: Haneke Happy End

In dem neuen Film des Oscar-Preisträgers Michael Haneke geht es um den Patriarchen eines Baukonzerns, Georges Laurent. Dieser hat genug vom Leben. Doch für die Sterbeklinik in Zürich ist er zu gesund. Und seine Versuche, an Medikamente oder eine Pistole zu gelangen, scheitern – ebenso wie andere Vorhaben. Schließlich nutzt er das Durcheinander einer Familienfeier, um zu verschwinden. Im Herbst 2017 ist der Film mit den Hauptdarstellern Jean-Louis Trintignant und Isabelle Huppert in den Kinos zu sehen; die DVD gibt es ab Ende März 2018. Das Drehbuch zum Film ist seit September 2017 im Handel. Michael Haneke: Happy End. Paul Zsolnay Verlag 2017. 22 Euro.

AUSSTELLUNG: „BAUBIONIK – BIOLOGIE BEFLÜGELT ARCHITEKTUR“

Foto: J. Lienhard/T. Kulikova/Shutterstock, Bearbeitung SMNS, R. Baumann
Foto: J. Lienhard/T. Kulikova/Shutterstock, Bearbeitung SMNS, R. Baumann

Bis zum 6. Mai 2018 zeigt das Naturkundemuseum Stuttgart im Schloss Rosenstein die Sonderausstellung „baubionik – biologie beflügelt architektur“. Auf 600 Quadratmetern werden neue Forschungsansätze und konkrete Ergebnisse aktueller Forschungsarbeiten präsentiert: Beispiele für spannende Ideen und Visionen, die entstehen, wenn Biologie und Architektur aufeinandertreffen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit den Universitäten Stuttgart, Freiburg und Tübingen sowie dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik realisiert. Weitere Infos unter: www.naturkundemuseum-bw.de

BAU EINER SPAGHETTIBRÜCKE

Klebt man einzelne Spaghetti aneinander, lassen sich Brückenbaumodelle mit überraschend viel Tragkraft bauen. Für die Disziplin werden sogar jährlich stattfindende Spaghettibrückenbauwettbewerbe organisiert – so nutzten zum Beispiel Studierende den Baustoff am Weltnudeltag für einen Statik-Wettbewerb.

MÖBEL AUS POPCORN

Was einst als Idee im Kino begann, hat inzwischen Marktreife erlangt: Dr. Alireza Kharazipour, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen, hat zusammen mit der Pfleiderer AG den Werkstoff „BalanceBoard“ entwickelt, Spanplatten mit einer Mittelschicht aus Popcorngranulat. Inzwischen entstanden daraus sogar Möbel. Auf der Messe LIGNA in Hannover zeigte der Professor zusammen mit der Design-Studentin Carolin Pertsch Möbel, die vollkommen aus Popcorn hergestellt wurden: www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/ Bitte-nicht-anknabbern-Moebel-aus-Popcorn,popcorn114.html

VÄTER UND SÖHNE

Cover Pamuk Die rothaarige Frau
Cover Pamuk Die rothaarige Frau

Im Mittelpunkt von Orhan Pamuks aktuellem Roman „Die rothaarige Frau“ – Pamuk ist unter anderem Literaturnobelpreisträger – stehen der Brunnenbaumeister Mahmut und sein Lehrling Cem. Orhan Pamuk erzählt eine Geschichte von Vätern und Söhnen, von Liebe und Verrat, von Schuld und Sühne in der Türkei, einem Land, das noch immer zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist. Orhan Pamuk: Die rothaarige Frau. Hanser 2017. 22 Euro.

WELTREKORD BEI DER AUSWERTUNG VON SATELLITENDATEN

Foto: TUM & DLR
Foto: TUM & DLR

Drei Millionen Messpunkte pro Quadratkilometer: Prof. Xiaoxiang Zhu von der Technischen Universität München hat mit ihrem Team einen Weltrekord bei der Auswertung von Satellitendaten aufgestellt. Dank neuer Algorithmen konnten die Forscherinnen und Forscher aus den Messwerten des Radarsatelliten TerraSAR-X vierdimensionale Punktwolken von Berlin, Las Vegas, Paris und Washington, D.C. erstellen. Im nächsten Schritt wollen sie alle Städte der Welt abbilden. Mit den Punktwolken lassen sich potentielle Gefahren frühzeitig erkennen: Beispielsweise könnten Senkungen des Untergrunds zum Einsturz von Gebäuden, Brücken, Tunneln und Staudämmen führen. Mit der neuen Methode lassen sich bereits Veränderungen von einem Millimeter pro Jahr aufspüren und sichtbar machen. Weitere Informationen unter: www.sipeo.bgu.tum.de

STREETSCAPES

Der Filmemacher, Künstler und Autor Heinz Emigholz hat zahlreiche Filme über Architektur und Gebäude gedreht. Zwischen 2013 und 2017 entstand die Streetscapes Serie, insgesamt vier Filme: „2+2=22 [The Alphabet]“, „Bickels [Socialism]“, „Streetscapes [Dialogue]“ und „Dieste [Uruguay]“. In letztgenanntem sind 29 Gebäude des uruguayischen Architekten und Bauingenieurs Eliado Dieste zu sehen. Weitere Infos unter: http://pym.de

Der digitale Zwilling

Bei Building Information Modeling, kurz BIM, handelt es sich um den digitalen Zwilling eines Bauwerks. Dabei werden die Bauvorhaben inzwischen in bis zu sieben Dimensionen dargestellt – über den gesamten Lebenszyklus. Mit dem virtuellen Datenraum soll es möglich werden, Kosten und Terminvorgaben besser zu planen und einzuhalten. Von Christoph Berger

Die BIM-Methode kurz zusammengefasst: Mit BIM werden Bauwerke vom Entwurf bis hin zur Inbetriebnahme und Bewirtschaftung digital beschrieben. Umsetzbar sind dabei inzwischen 7-D-Darstellungen: Zu der dreidimensionalen Darstellung eines Bauwerks kommt als vierte Dimensionen die Zeit. Das 5-D-Modell umfasst Kosten, in der 6-D-Darstellung wird das virtuelle Bauwerk noch mit Lebenszyklusaspekten bestückt. Im 7-D-Modell werden als weitere Dimension schließlich Aspekte der Gebäudenutzung ergänzt. Und, so heißt es vonseiten des BIM Instituts der Bergischen Universität Wuppertal: „Denkt man diesen ganzheitlichen Ansatz der BIM-Arbeitsmethode weiter, erfordert er zudem auch einen Kulturwandel im Bauwesen und eine neue Form der teamorientierten Zusammenarbeit.“ Dies deshalb, da die BIM-Methode vorsieht, dass alle Beteiligten an demselben Datenmodell arbeiten und so eine Reduzierung der Schnittstellen erfolgt. Daher werden sich neben der notwendigen Hard- und Software genauso Geschäftsprozesse und Gewohnheiten der einzelnen Projektbeteiligten ändern müssen.

Digitalisierung beginnt auf dem Siemens Campus bereits mit der virtuellen Planungsmethode Building Information Modelling (BIM). Foto: Siemens-AG
Digitalisierung beginnt auf dem Siemens Campus
bereits mit der virtuellen Planungsmethode Building
Information Modelling (BIM). Foto: Siemens-AG

Tat sich die deutsche Baubranche anfangs noch schwer mit BIM, nimmt die Einführung inzwischen Fahrt auf. „Zunehmend versteht man auch in Deutschland, dass es bei BIM nicht nur um Digitalisierung geht, sondern um eine digitale Transformation der Bauindustrie“, sagte Professor Rasso Steinmann vom iabi-Institut für angewandte Bauinformatik der Hochschule München im Rahmen der Messe BAU 2017. Das Adjektiv „zunehmend“ wählte er dabei ganz bewusst: Denn obwohl das technische Knowhow schon seit den 1990er-Jahren in Deutschland vorhanden ist, werde BIM laut Steinmann erst seit 2013 als Chance und Notwendigkeit wahrgenommen. Die Akzeptanz erfolgte also sehr zögerlich. Dabei sind die Vorteile der Methode vielfältig: Bei der Deutschen Bahn etwa, die im Mai 2017 bekanntgab, dass bis zum Jahr 2020 sämtliche Bauprojekte mit BIM umgesetzt werden sollen, verbindet man mit der Methode eine bessere Planungsqualität, eine höhere Terminsicherheit, Kostensicherheit und Effizienzsteigerungen. Ebenso Akzeptanzsteigerungen für die Projekte sowie bessere Lebenszyklusbetrachtungen.

Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) will den BIM-Einsatz vorantreiben und hat Anfang des Jahres einen „Masterplan Bauen 4.0“ für Deutschland vorgelegt. „Unser Ziel ist es, Innovationsführer beim digitalen Bauen zu werden. In Zukunft soll in Deutschland der klare Grundsatz gelten: Erst digital, dann real bauen“, sagte dazu Bundesminister Alexander Dobrindt. Ab 2020 wird für sämtliche öffentlichen Bauprojekte über fünf Millionen Euro der BIM-Einsatz Pflicht.

Senkung vielerlei Kosten

Dass die mit BIM in Verbindung gebrachten Vorteile tatsächlich erreichbar sind, belegen erste Zahlen. So zeigen beispielsweise Ergebnisse des BIM Monitors 2017, einer aktuellen Marktstudie von BauInfoConsult zum Stand der BIM-Nutzung in Deutschland, dass Bauen in Deutschland mit BIM in vielerlei Hinsicht kosteneffizienter wird: Sechs von zehn BIM-Verwendern – befragt wurden in dieser Kategorie 62 Architekturbüros sowie Ingenieure und Bauund Installationsbetriebe – berichten von sinkenden Arbeits- und Bauwerkskosten. Und auch in Bezug auf die Fehlerkosten scheint die Verwendung von BIM das damit verbundene Versprechen auf effizientere Projekte einzulösen. Mehr als zwei Drittel der Nutzer konnten sinkende Fehlerkosten mit BIM in Verbindung bringen.

Dass es aber weiterhin valider Aussagen zum BIM-Einsatz bedarf und auch die BIM-Ausbildung mit den damit zusammenhängenden Kompetenzen vorangetrieben werden muss, zeigt ein zwischen der Ed. Züblin AG und der Universität Stuttgart geschlossener Vertrag über die Einrichtung der Stiftungs-Juniorprofessur „Digitalisierung von Bauprozessen“. Ziel ist es, die traditionell eher getrennten Bereiche Bauplanung, Baubetrieb und -ausführung sowie Immobilienmanagement stärker zusammenzuführen. Vorhaben und Initiativen wie diese zeigen, dass BIM zwar noch nicht vollständig etabliert, aber ganz klar im Kommen ist.

BIM in der Baubranche: „Rechtzeitig positionieren“

Building Information Modeling (BIM) verändert die gesamte Baubranche. Dr. Kai-Stefan Schober, Bau-Experte und Partner von Roland Berger, erklärt im Interview, welche Chancen und Risiken mit dem BIM-Einsatz verbunden sind. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Dr. Kai-Stefan Schober ist Senior Partner der Roland Berger GmbH und seit 2001 im Competence Center Civil Economics, Energy & Infrastructure des Unternehmens. Zu seinen Kunden zählen internationale Unternehmen aus der Bauzuliefer- und Bauindustrie sowie Industrieservices. Seine Expertise umfasst unter anderem die Bereiche Strategie, Digitalisierung, Reorganisation, Restrukturierung, Performance-Steigerung und Business-Planung sowie Marketing und Branding. Schober ist Verfasser der Studie „Digitalisierung der Bauwirtschaft“. So berät er Unternehmen der Branche, die Chancen der Digitalisierung bestmöglich auszuschöpfen.

Herr Dr. Schober, was ändert sich für die Bauunternehmen durch den Einsatz der BIM-Methode?

BIM verändert die Entscheidungsketten in der Bauindustrie. Das führt etwa dazu, dass Architekten und Planer in einer frühen Projektphase direkt über Lieferanten und deren Produkte entscheiden, während Generalunternehmer und Baustoffhändler diesbezüglich an Einfluss verlieren.

Das wird nicht die einzige Änderung sein. In Ihrer Studie „Turning point for the construction industry – The disruptive impact of Building Information Modeling (BIM)“ sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass mit BIM ganz neue Geschäftsmodelle entstehen. Um welche handelt es sich dabei?

Zum einen gibt es ganz neue Akteure im Markt. Das können zum Beispiel Software-Anbieter sein, die sogenannte BIM-Bibliotheken anbieten. Auf den BIM-Plattformen lassen sich Bauprojekte online konfigurieren – ähnlich wie dies zum Beispiel bei der Küchenplanung funktioniert. Der Eintrag in die BIM-Bibliothek entspricht dabei mehr oder weniger einer Listung im Handel. Deshalb müssen es beispielsweise die Baustoffhersteller schaffen, ihre gesamte Produktpalette BIM-kompatibel in sogenannte „Bim-Objects“ auszugestalten. Diese können sie anschließend gegen Bezahlung an die Software-Anbieter in die Bibliotheken aufnehmen lassen. Zum anderen müssen die etablierten Unternehmen auf die veränderte Wertschöpfungskette reagieren. Die Baustoffhersteller werden in Zukunft mittels Marketing öfter direkt die Architekten und Planer ansprechen. Deshalb könnten Bestell- und Lieferprozesse über BIM durchaus auch am Handel vorbeigehen. So sollten sich Händler rechtzeitig positionieren, um nicht ihre Geschäftsbasis zu riskieren.

Wird BIM daher durch solche Veränderungen für alle Unternehmen ein Muss?

Grundsätzlich kann BIM bei allen Bauprojekten eingesetzt werden. Dabei wird sich die Technologie mittel- bis langfristig zum Standard entwickeln. Somit sollte sich jeder Akteur der Bauwirtschaft mit BIM beschäftigen. Dennoch sind auch die Größe des Vorhabens und die Frage, ob es sich um ein öffentliches oder privates Projekt handelt für den Einsatz entscheidend. Bei kleinen Bauentwürfen oder in kleinen Bauunternehmen ist der Einsatz heute noch nicht unbedingt erforderlich, während die öffentliche Hand BIM ab 2020 als Standard für Ausschreibungen verlangt. Kleinere Unternehmen können BIM jedoch beispielsweise auch zur Visualisierung ihrer Bauobjekte einsetzen. Dann kann der Bauherr vor dem ersten Spatenstich vor Ort sein finales Projekt mit der Virtual Reality-Brille begehen oder im Rohbau mithilfe von Augmented Reality die Steckdosen versetzen lassen oder sich aufgrund der Optik für Parkett statt Laminat entscheiden. Außerdem lassen sich mit BIM die Bauten einfacher standardisieren, was Kosten spart.

Welche Herausforderungen sind mit der Entscheidung für einen BIM-Einsatz verbunden?

Einerseits ist es ein Kostenthema. Bevor sich Einsparungen bemerkbar machen, müssen die Unternehmen in die Software, die Datenbank und Personal, das damit umgehen kann – Kompetenzen müssen trainiert werden – investieren. Andererseits sollte BIM von allen am Lebenszyklus eines Bauwerks Beteiligten genutzt werden. Das betrifft auch den Betrieb, der in Zukunft die Gebäudeverwaltung übernimmt. Für ihn lassen sich schon in der Planungsphase zukünftige Betriebs- oder Wartungskosten errechnen. Außerdem werden anfallende Reparaturkosten deutlich gesenkt, da etwa bei einem defekten Heizungsrohr alle Leitungen und Wände in BIM visualisiert sind. Der Handwerker weiß dann genau, wo er wie anpacken muss.

Genau diese phasenübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure ist es ja, die den Einsatz von BIM zusätzlich so attraktiv macht, oder?

Richtig. BIM vereinfacht nicht nur die Planung, sondern stellt die digitale Unterstützung des gesamten Bauprojekts dar – von der Entwicklung bis zum Betrieb. Alle Informationen werden überführt in ein kollaboratives Bausystem, auf das alle Akteure digital Zugriff haben. In der Regel spricht man von 6 Stufen der BIM Entwicklung. In Deutschland befinden wir uns derzeit erst am Anfang auf der ersten. Stufe 6 wäre schließlich die volle Integration aller Beteiligten in BIM. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Stufe in zehn Jahren erreicht wird. Dabei wird im optimalen Fall eine offene Plattform genutzt, die alle Baudaten in ein Modell integriert. Die BIM-Objekte sind dabei standardisiert, zum Beispiel durch den Standard IFC. Alle Informationen wie Termine oder Mengenangaben können dann von allen am Bau Beteiligten in Echtzeit abgerufen und bearbeitet werden.

BIM-Wissen

Die Methode Building Information Modeling wird kommen, darüber herrscht Einigkeit. Bereits im Jahr 2020 wird der BIM-Einsatz bei öffentlichen Aufträgen des Bundes Pflicht. Daher gilt es, sich mit der Methode vertraut zu machen. Der karriereführer bauingenieure stellt Weiterbildungen, Studiengänge, Kurse, Institute und Workshops vor, die BIM zum Inhalt haben. Von Christoph Berger

BIM-Weiterbildungen an Universitäten und Akademien

  • BIM Professional für Hoch und Infrastrukturbau an der Akademie der Ruhr-Universität
    www.akademie.rub.de/de/content/bim-professional-f%C3%BCr-hoch-und-infrastrukturbau
  • Building Information Modeling für das mittlere Management an der Akademie der Hochschule Biberach
    www.akademie-biberach.de/web/akademie/buildinginformationmodeling
  • Weiterbildung Digitalisierung in der Bauwirtschaft // BIM am BIM-Institut der Bergischen Universität Wuppertal
    www.biminstitut.de/bildung/weiterbildung

BIM-Weiterbildungen von Unternehmen

  • BIM Ausbildung und Weiterbildung der Akademie des TÜV Süd
    www.tuvsud.com/de-de/store/akademie/seminare-technik/bim
  • BIM – Planen, Bauen, Inbetriebnahme und Betreiben 4.0 der BIMschule
    https://bimschule.gfn.de/
  • Praxisseminar – Building Information Modeling (BIM) des VDI Wissenforums
    www.vdi-wissensforum.de/weiterbildung-bau/praxisseminar-bim/

BIM-Webinare

  • Allplan BIM-Webinare
    www.allplan.com/de/aufgezeichnete-webinare/aufgezeichnete-webinare-bim
  • RIB: Kurse und Weiterbildungen
    www.rib-software.com/de/service-consulting/kurse-weiterbildung.html

Veranstaltungshinweise

Lean Construction Management: Alle zusammen im Takt

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Deutsche Ingenieurskunst genießt weltweit einen guten Ruf. Doch um den Planungs- und Ausführungsprozess effizienter und detaillierter zu gestalten, nimmt man sich nun die Automobilindustrie zum Vorbild: mit Lean Construction Management (LCM®). Von Dirk Jannausch, Leiter LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer

Zur Person

Dirk Jannausch ist seit 2010 für Drees & Sommer tätig. Innerhalb der Unternehmensgruppe treibt er als Geschäftsführer der DS Consulting Process & Organization insbesondere die Themen strategische Prozessberatung, Supply Chain Management und Projekt Management Consulting voran. Seit 2017 leitet Dirk Jannausch zudem das LCM-Expertencenter bei Drees & Sommer.

Autobauer wissen auf die Sekunde genau, wann welches Fahrzeug mit welcher Ausstattung bei ihnen vom Band läuft. Kommt es zu einer Störung im exakt getakteten Produktionsablauf, heißt das Alarm: So schnell wie möglich muss der Fehler ausfindig gemacht und behoben werden. Auf einer konventionellen Baustelle bleiben Mängel dagegen häufig lange unbemerkt, manchmal so lange, dass irgendwann sämtliche Arbeiten zum Erliegen kommen. Doch mit Lean Construction Management (LCM®) werden die Gedanken des Lean Managements aus der Automobilindustrie auf die Bauprojekte übertragen. Dabei werden der Planungs- und Ausführungsprozess so effizient und detailliert wie notwendig aufgesetzt und während der gesamten Projektlaufzeit verbessert, dass der Baustellenbetrieb in einem gleichmäßigen Takt läuft. Unsere Experten von Drees & Sommer wenden LCM® bereits bei einer Vielzahl ihrer Bauprojekte an. Zuletzt etwa beim Bau eines neuen Produktionsgebäudes für Arzneimittel- Anbieter Biotest in Dreieich sowie bei der Sanierung des Deutschen Museums in München.

Elemente des Lean-Construction-Managements

Beim Lean Construction Management kommt der ganzheitlichen Projektplanung mit allen Beteiligten ein besonderer Stellenwert zu. Im ersten Schritt gilt es daher, die Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken, besonders aber auch zwischen den Planern und Ingenieuren mit den Handwerkern vor Ort frühzeitig in Gang zu bringen und eine Gesamtprozessanalyse durchzuführen. Dieser Abstimmungsprozess erfolgt in Workshops mit allen beteiligten Planungsdisziplinen mit dem Ziel, das Bauen als Prozess in den Mittelpunkt zu stellen und ein gemeinsames Verständnis für die Prozessabläufe im jeweiligen individuellen Projekt zu schaffen. Eine optimale „Sequenz“ der Baustelle und des Gesamtablaufs hin zu einem konsistenten Ausführungskonzept stehen dabei im Mittelpunkt.

Auf der Basis der durchgeführten Analyse erfolgt die Prozessplanung, die den Grundstein für eine belastbare Ablauf- und Terminplanung bildet. Hier ist es wichtig, den Gesamtprozess in sinnvolle Arbeits- und Taktbereiche zu untergliedern. Basierend darauf erfolgt die Konzeption des Ablaufs mit Meilensteinen und Stabilitätskriterien. Am Ende dieser Planung ist klar festgelegt, wann welche Mitarbeiter, Maschinen und Baumaterialien zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort benötigt werden. Die einzelnen Gewerke ziehen wie Züge durch das Gebäude – perfekt getaktet. Ohne Leerläufe oder Verzögerungen, weil Material oder Pläne fehlen, und ohne dass sich die Handwerker in die Quere kommen. Dennoch ist das System flexibel genug, um auch Unvorhergesehenes abzufedern. Die grundlegende Planung des Bauprojekts wird zwar auf einer vierbis sechs-Monats-Basis definiert, diese wird allerdings alle zwei bis vier Wochen von allen Projektbeteiligten erneut abgestimmt und gegebenenfalls angepasst.

Eine Tafel stellt den Bauablauf dar

Auf der Baustelle selbst informiert die Tafelplanung mit Steckkarten – ein weiteres wichtiges Element von LCM® – über die einzelnen Baufortschritte und gegebenenfalls auftretende Hindernisse. Über die Tafel wird der Bauablauf für die kommenden Wochen im Voraus dargestellt und tagesgenau durchgeplant. So ist auf einen Blick ersichtlich, welches Gewerk mit seinen Arbeiten in Verzug ist und woran das liegt. Die Tafel fungiert so einerseits als Steuerungsinstrument für Bauleitung und Fachbauleitung und andererseits als visuelles Frühwarnsystem. Vertreter der Bauleitung und der ausführenden Unternehmen besprechen sich täglich an der Tafel und können so auf Probleme und Verzögerungen schnell reagieren. Alle Beteiligten ziehen also an einem Strang und suchen gemeinsam nach passenden Lösungen. Dies sorgt für hohe Transparenz und Verlässlichkeit in der Bauausführung. Zudem können so bestimmte Kennzahlen wie zum Beispiel die Termintreue pro Firma, die Qualität auf Tagesbasis oder auch die Nutzung der Engpassressourcen analysiert und gegengesteuert werden.

Erst wenn alles stimmt, wird die jeweilige Tageskarte auf Grün gedreht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Lean Construction Management Bauprojekte schneller und effizienter umgesetzt werden können. Verknüpft mit digitalen Methoden wie Building Information Modeling (BIM) wird die Management-Methode aber auch das Arbeitsumfeld von Bauingenieuren in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Neben ihren fachlichen Kenntnissen werden verstärkt auch kommunikative Fähigkeiten und Bereitschaft zur Transparenz gefragt sein.

Buchtipps

Fiedler, Martin (Hg.), Lean Construction – Das Managementhandbuch: Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen; Berlin: Gabler Verlag 2017.

Heidemann, Ailke, Kooperative Projektabwicklung im Bauwesen unter der Berücksichtigung von Lean-Prinzipien. Entwicklung eines Lean-Projektabwicklungssystems. (Reihe F, Heft 68). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011. Kirsch, Jürgen, Organisation der Bauproduktion nach dem Vorbild industrieller Produktionssysteme. Entwicklung eines Gestaltungsmodells eines ganzheitlichen Produktionssystems für den Bauunternehmer. (Reihe F, Heft 63). Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011.

Kröger, Samy, BIM und Lean Construction: Synergien zweier Arbeitsmethoden. (Beuth Innovation). Berlin: Beuth Verlag 2017.

Spath, Dieter/Bullinger, Hans-Jörg (Hg.), Konzept einer BIM-basierten smarten Bauablaufplanung unter Berücksichtigung von Lean-Prozessstrategien. (Schriftenreihe zu Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement). Stuttgart: Fraunhofer Verlag 2017.

Studie: Internationale Großprojekte made in Germany

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Deutsche Unternehmen aus den Bereichen Bau, Schienenfahrzeugbau und Elektroindustrie sowie Maschinen- und Anlagenbau sind äußerst wettbewerbsstark. Doch laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bedarf es neuer Impulse, um die Chancen der Unternehmen im globalen Wettbewerb um strategische Großprojekte zu verbessern. Von Christoph Berger

Die Studie „EPC-Fähigkeit der deutschen Unternehmen im Bereich der Bauwirtschaft und des Maschinen- und Anlagenbaus“, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums von der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG erstellt wurde und die Situation deutscher Unternehmen und deren Erfolge bei der Beteiligung an internationalen Großprojekten untersuchte, identifizierte insgesamt sechs Handlungsfelder zur Stärkung der EPC-Fähigkeit. EPC steht für Engineering, Procurement und Construction. Als Ausgangslage wird dabei hervorgehoben, dass die genannten Branchen einen bedeutenden Beitrag zur Anbahnung und Erhaltung deutscher Wirtschaftsbeziehungen im Ausland leisten, dass sie „mit der weltweiten Errichtung fortschrittlicher Infrastrukturen die Grundlage für zukünftige Handelsbeziehungen und Exporte deutscher Unternehmen“ legen, so die Autoren.

Vor diesem Hintergrund sei der rückläufige Auftragseingang schlüsselfertiger EPC-Projekte im Großanlagenbau beziehungsweise der zurückgehende Marktanteil deutscher Unternehmen am internationalen Baugeschäft bedenklich. So sei zum Beispiel, was die weltweite Bauwirtschaft und die Auslandsumsätze betrifft, der globale Markt von 2005 bis 2015 zwar um den Faktor 2,6 gestiegen, der Deutschlands im Vergleich dazu jedoch unterproportional geblieben.

Die Studie

Die Studie „EPC-Fähigkeit der deutschen Unternehmen im Bereich der Bauwirtschaft und des Maschinen- und Anlagenbaus“ steht unter folgendem Link zum Download bereit: https://goo.gl/MbPNMX

Nach einer ausführlichen Marktanalyse identifizierten die Berater sechs Handlungsfelder: „Kooperationsplattform EPC Ecosystem“, „Komptenzzentrum digitale Projektabwicklung“, „Gemeinsamer Auslandsauftritt von Industrie & Politik“, „Erweiterung der staatlichen Exportunterstützung“, „Technologiestandort Deutschland“ und „Flexibilisierung der Projektarbeit“. Diesen Feldern wurden wiederum Handlungsempfehlungen angefügt. Die mit der höchsten Priorität sind der Aufbau einer digitalen Kooperationsplattform, die Schaffung eines Kompetenzzentrums Digitale Projektabwicklung, die Stärkung der Markterschließung und die Ausweitung der Finanzierungsmöglichkeiten. Wie wichtig solche Maßnahmen sind, hob Staatssekretär Matthias Machnig bei der Vorstellung der Studie hervor. Gerade im Verbund durchgeführte internationale Großprojekte würden einen wichtigen strategischen Außenwirtschaftsbeitrag leisten: „Hier müssen wir daher in Zukunft besser werden, denn internationale Großprojekte sind ein wichtiges Aushängeschild für ‚Made in Germany’.“