Das letzte Wort hat: Paul Richrath, Miterfinder von „Cookies Bros.“

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Paul Richrath, ist mit 26 Jahren der jüngste unter den drei Kölner Chefs bei „Cookies Bros.“. Er studierte Betriebswirtschaftslehre. Nach seinem erfolgreichen Abschluss und anderthalb Jahren Berufserfahrung bei EatHappy gründete er mit seinen beiden Geschäftspartnern die SD Sugar Daddies GmbH, die seit 2017 Keksteig zum Naschen vertreibt. Das Produkt „Cookies Bros.“ erfreut sich seitdem wachsender Beliebtheit, wird deutschlandweit in vielen Supermärkten verkauft und erfährt viel mediale Aufmerksamkeit. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Paul Richrath, Foto: SD Sugar Daddies GmbH
Paul Richrath, Foto: SD Sugar Daddies GmbH
Wie kommt man auf die Idee Keksteig zum Naschen zu verkaufen? Die Affinität zum Lebensmittelhandel wurde mir quasi in die „Wiege gelegt“, da ich aus einer Handelsfamilie stamme. Auch der Gedanke, sich selbstständig zu machen, wurde mit wachsendem Alter immer stärker und präsenter. Nach meinem Studium habe ich dann anderthalb Jahre Berufserfahrung bei EatHappy in Köln sammeln können – davon profitiere ich bis heute. In einem gemeinsamen Sommerurlaub mit meinem heutigen Mitgründer Mark stellte dieser mir die Idee vom „essbaren Keksteig“ vor, das war damals DER Trend in New York. Ich war sofort begeistert und wir haben das Projekt gestartet. Kannst Du kurz den Weg von der Idee zur Umsetzung beschreiben!? Unmittelbar nach unserem gemeinsamen Sommerurlaub haben wir uns zusammengesetzt, um die Idee zu konkretisieren. Erst einmal hieß es dann probieren, probieren, probieren. Dafür hatten wir damals noch eine kleine Probierküche, in der wir selbst angerührt und getestet haben. Als wir zufrieden waren, mussten dann Freunde und Verwandte als „Versuchskaninchen“ ran. Und anschließend sollte unser Produkt noch ansprechend aussehen. Nachdem wir Geschmack und Design finalisieren konnten, haben wir dann unseren Zugang zum Handel aufgebaut, um unsere Becher in zunächst 15 Supermärkten in Köln und Umgebung zu verkaufen. Was waren die wichtigsten Faktoren, die zum Erfolg geführt haben? Der Glaube an die Unternehmung, Ausdauer und Beharrlichkeit! Ganz wichtig ist es auch heute noch, dass wir alle an einem Strang ziehen und dasselbe Ziel verfolgen. Gerade die Anfangszeit war hart. Manchmal auch weil wir uns das Leben selbst schwergemacht haben. Das Wichtige war aber, dass wir daraus gelernt haben. Es gibt zu jedem Zeitpunkt Zweifler – auch noch als wir Cookie Bros. bereits erfolgreich in den Markt einführen konnten. Und das Zusammenzustehen als Unternehmen und für das Produkt zu brennen war und ist ganz entscheidend. Und seid Ihr bei der Umsetzung auch auf Schwierigkeiten gestoßen und wie konntet Ihr diese lösen? Als junges Unternehmen gibt es natürlich immer mal wieder Schwierigkeiten. Zu Beginn war es an einigen Stellen das fehlende Know-how und eine gewisse Leichtgläubigkeit. Wir haben uns zuvor beispielsweise nie Gedanken darüber gemacht, welche Zutaten in welcher Schriftgröße auf einer Lebensmittelverpackung deklariert werden müssen. Wenn man dann jedoch eine 6-stellige Menge an Verpackungen bestellt und diese so gar nicht verkauft werden darf, dann wird einem schon etwas anders. Glücklicherweise konnten wir jedoch immer wieder auf die Hilfe von Bekannten und befreundeten Startups zurückgreifen. Es klingt, als würdet Ihr mit Cookies Bros. und Euerm Unternehmen SD Sugar Daddies GmbH genau das tun, was Ihr tun möchtet. Wie findet man Deiner Erfahrung nach seine Berufung? Wir lieben, was wir tun und machen, was uns Spaß macht! Für mich persönlich war und ist das Reflektieren des eigenen Handelns und Denkens sehr entscheidend. Dadurch habe ich gelernt, mich von gesellschaftlichen „Zwängen“ bzw. Normen zu lösen und einfach ich selbst zu sein. Wahrscheinlich gehört auch eine gewisse Prise Glück und Zufall dazu, aber die regelmäßige Selbstreflektion hat mich ein großes Stück in die für mich richtige Richtung geführt. Sobald man dann seinen ganz eigen Plan entwickelt hat, sollte man an dem Vorhaben festhalten, vor allem in schwierigen Zeiten!

karriereführer bauingenieure 2020.2021 – Mit Nachhaltigkeit die Zukunft gestalten

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Cover karrierefuehrer bauingenieure 2020-2021

Mit Nachhaltigkeit die Zukunft gestalten

Die Pandemie verursachte in der Bauindustrie keine Vollbremsung. Doch alles beim Alten bleibt in der Branche dennoch nicht: Die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich die Auftragslage entwickelt, wie attraktiv und produktiv die Unternehmen sind. Der Schlüssel zum Erfolg: eine bessere Risikobewertung dank digitaler Methoden und grüner Transformation.

Bauen in Corona-Zeiten – Chancen der Krise nutzen

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Von Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE

Die Bauindustrie hat, als das private und öffentliche Leben Corona-bedingt fast zum Stillstand gekommen war, ihre Leistungsfähigkeit als Motor der deutschen Volkswirtschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit schneller und zweckmäßiger Flankierung durch die Politik von Bund und Ländern ist es gelungen, einen Lockdown der Bauwirtschaft zu verhindern. Planungen, Ausschreibungen und Vergaben sind weitergelaufen. Die Unternehmen haben weder Kosten noch Aufwand gescheut, die hohen behördlichen Hygieneanforderungen und Abstandsregelungen zu erfüllen, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen. Damit konnten hunderttausende Arbeitsplätze sichergestellt werden. Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir festgestellt, dass die Digitalisierung das A und O ist. Ohne digitale Prozesse hätte die Branche dies nicht leisten können. Als Bauunternehmen hat man zwei wesentliche Aspekte, die von der Digitalisierung maßgeblich beeinflusst werden. Das ist zum einen die Planung, in der die Digitalisierung derzeit verstärkt sichtbar wird. Vor der Corona- Pandemie war dabei das Thema Building Information Modeling (BIM) für unsere Mitgliedsunternehmen von hoher Bedeutung. Corona hat gezeigt, dass unsere Bemühungen, auch den Mittelstand und kleinere Unternehmen mit an Bord zu nehmen, nicht umsonst waren. Die Bauindustrie war gut vorbereitet und konnte schnell auf digitales Arbeiten umstellen. Zum anderen spielt auch beim Arbeiten auf der Baustelle der Digitalisierungsprozess eine wichtige Rolle. Baustellenbesprechungen fanden als Videokonferenzen statt. Auch das Nachtrags- und Genehmigungsmanagement hat reibungslos digital funktioniert. Zudem beobachteten wir, dass viele Baustoffe auf Online-Plattformen bestellt wurden. Vor diesem Hintergrund haben regionale Lieferketten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass auch neue Impulse, wie die Automatisierung im Bereich des modularen bzw. seriellen Bauens, an hoher Bedeutung gewonnen haben. Im modularen bzw. seriellen Bauen und der damit verbundenen Vorfertigung der Bauteile in den Betriebshallen, findet durch die Robotik ein ganz anderes Zusammenwirken von Mensch und Maschine statt. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir in der Lage sind, zügig unsere Arbeitswelten zu modernisieren. Diese Entwicklung wird jetzt noch schneller voranschreiten und zur Folge haben, dass schwere und repetitive Arbeiten noch mehr automatisiert werden. Es werden neue attraktive Arbeitsplätze entstehen. Für die digitale Zukunft sehe ich große Potenziale vor allem im Wissensaufbau der Unternehmen. Die Digitalisierung erzeugt durch neue Methoden und Technologien eine enorme Anziehungskraft für junge Fachkräfte. Bauunternehmen, die sich hier bestens positionieren, ziehen gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte an, die den digitalen Trend bestimmen und damit den Vorsprung im Wettbewerb. Wenn die Digitalisierung konsequent weiter eingesetzt wird, dann wird sie zu einer Erfolgsgeschichte. Die Grundlage dafür bildet die verbesserte, transparentere Kommunikation und Kollaboration aller Beteiligten. In diesem Sinne wird die Bauindustrie die Digitalisierung nicht nur im technischen Sinne als Innovationsmotor nutzen, sondern auch als Weichensteller für einen Kulturwandel des partnerschaftlichen Zusammenarbeitens.

Ein Virus, das antreibt und Fragen aufwirft

Die Pandemie verursachte in der Bauindustrie keine Vollbremsung. Doch alles beim Alten bleibt in der Branche dennoch nicht: Die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich die Auftragslage entwickelt, wie attraktiv und produktiv die Unternehmen sind. Der Schlüssel zum Erfolg: eine bessere Risikobewertung dank digitaler Methoden und grüner Transformation. Ein Essay von André Boße

„Vergleichsweise gut“ – das klingt nicht nach einem Urteil, das überbordende Freude auslöst. Eine „vergleichsweise gute“ Mathe-Arbeit ist eher eine drei minus, das „vergleichsweise gute“ Spiel eines Fußballteams klingt nicht danach, als habe der Club hoch gewonnen. Wenn also nun gesagt wird, die deutsche Bauwirtschaft sei bislang „vergleichsweise gut“ mit der Pandemie fertiggeworden, so wie es zum Beispiel die Branchenexperten von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG feststellen: Soll man sich dann darüber freuen? Und weitergedacht, welche Perspektiven hat sich der Bau für das kommende Jahr erarbeitet, das – davon muss man ausgehen – weiterhin von großen Unsicherheiten geprägt sein wird, in gesundheitspolitischer wie in ökonomischer Hinsicht?

Gebaut wurde weiter – das beruhigte

Zum ersten Punkt: Grund zur Freude ist durchaus gegeben, zumal wenn man bedenkt, dass die Bauwirtschaft mit ihren Facharbeitern und Bauingenieuren 2020 eine stabilisierende Rolle für die gesamte Wirtschaft der Bundesrepublik eingenommen hat. Viele werden sich noch an das Frühjahr 2020 erinnern: Als rund um Ostern das Leben in der Bundesrepublik in großen Teilen ruhen musste, ging die Arbeit auf den Baustellen in der Regel weiter – und zwar mit funktionierenden Hygienekonzepten. Für viele Menschen besaß dieser Fortgang der Dinge eine beruhigende Wirkung: Gebaut wird trotz Virus – das ist ein gutes Zeichen, es geht weiter voran.

Bauen in der Post-Corona-Welt I

Das Virus wird die Gesellschaft, Ökonomie und Arbeitswelt auch über die eigentliche Pandemie hinaus ändern. Man muss nur auf den Megatrend New Work schauen, um zu erkennen, welche Auswirkungen das auf die Baubranche haben wird: Home-Office und virtuelle Meetings sorgen dafür, dass der Bedarf an Business-Hotels und Bürogebäuden geringer werden wird. Wo die Nachfrage steigen könnte: Gewinnt der sichere Urlaub in Deutschland weiter an Bedeutung und gelten Immobilien weiterhin als gute Investitionen, werden mehr Ferienhäuser gebaut.

Bauen in der Post-Corona-Welt II

Schon 2019 gab es für die Baubranche eine schleppende und zurückgehende Ausschreibungslage beim Straßenbau zu beklagen. Es ist davon auszugehen, dass die Pandemie diesen Trend noch verstärkt, insbesondere, wenn es sich um nicht wirklich dringende Maßnahmen handelt. Möglich ist zudem ein Paradigmenwechsel: In den großen Städten gibt es den politischen Trend, die Dominanz des Autos nicht nur zu hinterfragen, sondern ihr Ende baulich einzuleiten. Die Zukunft könnte Bauprojekten gehören, die Autostädte in rad- und fußgängerfreundliche Kommunen verwandeln.
Die Bauwirtschaft hat in dieser Phase nicht nur die Ökonomie der Bundesrepublik gestützt, sie nahm darüber hinaus auch eine psychologische Funktion ein. So weit, so gut. Mit dem Blick auf das, was 2021 kommen wird, spricht Juan Carlos Klug, Partner bei KPMG, jedoch eine Warnung aus: Dass der Bau unbeeindruckt weitergemacht habe, als andere stoppen oder innehalten mussten – dieser Eindruck sei grundsätzlich richtig, treffe aber nicht vollumfänglich zu: Zwar wurden und werden auch aktuell viele derjenigen Bauprojekte umgesetzt, die bereits vor Corona in Angriff genommen wurden. „Aber trotz drehender Kräne, polternder Presslufthämmer und kletternder Arbeiter – erste Signale für eine Abkühlung der Baubranche zeichnen sich ab.“ Juan Carlos Klug, bei KPMG Experte für Bau- und Infrastrukturprojekte, findet dafür mehrere Gründe. Zum einen stehen viele Unternehmen der Bauindustrie vor einem verschärften Personalproblem: Reisebeschränkungen und Quarantäneverordnungen sorgen auch weiterhin dafür, dass die Gestaltung der sowieso schon engen Dienstpläne zeitweise zur Herausforderung wird. Auch hier gilt: Ein Ende dieser personalpolitischen Ausnahmesituation ist Ende 2020 noch nicht abzusehen. Hinzu kommt hier, dass sich der Fachkräftemangel der Baubranche zuletzt weiter verstärkt hat: Die Volkswirte von der Förderbank KfW haben in einer Fachkräfteanalyse Berufe identifiziert, in denen die durchschnittliche Vakanz bei freien Stellen länger als 200 Tage andauert. 28 solcher „Mangelberufe“ hat die KfW im Research-Papier von Juni 2020 gefunden, „13 der Mangelberufe mit 200 und mehr Vakanztagen – also fast die Hälfte – sind Bauberufe.“

Ende des deutschen Baubooms?

Nicht absehbar sei zudem, so Juan Carlos Klug, wie sich die Auftragslage für neue Projekte in den kommenden Monaten entwickeln werde. Seine Prognose: Die Corona-Krise bedeutet möglicherweise das Ende des „deutschen Baubooms, wie wir ihn kannten“: „Vor einigen Monaten wurde beispielsweise noch überall dort, wo ein Stein hingeworfen wurde, ein Hotel gebaut. Jetzt ist die Situation eine ganz andere: Bauherren und -unternehmen schauen bei zukünftigen Projekten genauer hin.“ Vor allem die Finanzierung werde harten Prüfungen unterzogen, die Bauwirtschaft stehe vor einer Phase, in der die Risikobewertung nach schärferen Kriterien vorgenommen werde – wobei das nicht nur die Bauherren und ihre Projekte betreffe, sondern auch die Unternehmen. „Die Risikobereitschaft der Branche wird unter der Corona-Krise nachhaltig leiden, und dies wird Veränderungen forcieren“, sagt Juan Carlos Klug. „Ein proaktives Risikomanagement wird beispielsweise eine gewichtigere Rolle in den Bauprojekten einnehmen: Um Unterbrechungen der Lieferketten zu vermeiden, könnten Bauunternehmen beispielsweise dazu übergehen, die Lieferketten zu verschlanken und zu regionalisieren oder die just-in-time-Praxis der letzten Jahre wieder mehr durch eine vorausschauende Lagerhaltung zu ersetzen.“

Digitalisierung hilft beim Risiko-Management

Just-in-time: Dahinter steckt die smarte Idee, mit Hilfe digitaler Logistik-Tools die Materialbeschaffung so zu planen, dass alles genau dann am Bau ankommt, wenn es benötigt wird. Dieser Ansatz steht also für höchste Effizienz. Wenn die Experten nun wieder ein Zurück zur „vorausschauenden Lagerhaltung“ erwarten, steht die Branche damit nicht vor einer Phase, in der Innovationen zurückgedreht werden, wieder konservativ geplant wird? Eine globale Studie der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Deloitte rät dringend davon ab, im Zuge der Risikovermeidung die Digitalisierung in Frage zu stellen. „Global Powers of Construction“ heißt die Publikation, in der die Experten Ansätze finden, wie sich die verschiedenen Herausforderungen für die Baubranche meistern lassen. Die zentrale Feststellung: Digitale Methoden sind keinesfalls Teil des Problems, sondern der Schlüssel für die Lösung. Weil sich mit ihnen in folgenden Feldern Risiken vermindern lassen:
  1. Planung und Angebot

Was will der Bauherr und was können wir mit welchen Partnern leisten? Was wird es kosten und wie lange wird es dauern? Hinter jeder dieser Fragen versteckt sich ein enormes Risikopotenzial. Reduzieren lässt es sich mit Hilfe digitaler Methoden wie Künstlicher Intelligenz oder Big Data-Analysen, die den planenden Bauunternehmen dabei helfen, Szenarien aufzuzeigen oder durchzuspielen – nicht nur auf Basis von Kalkulationen, sondern auch von echten Erfahrungswerten aus anderen Projekten.
  1. Lieferkette

Gerade weil die Supply-Chains in Zeiten der Pandemie verletzlicher sind (man denke hier auch an die Produktionsausfälle bei Lieferanten in Ländern mit noch härteren Lockdowns), sind digitale Tools wichtig, um sensible Stellen zu identifizieren sowie klug zu planen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei laut der Deloitte-Studie die Plattformökonomie ein: Sie gibt den Lieferketten die notwenige Flexibilität, Engpässe oder Komplettausfälle zu vermeiden – und trotzdem die Effizienz zu gewährleisten. Denn eines ist klar: Hamstermentalität und überfüllte Lagerhallen sind keine sinnvolle Alternative.
  1. Fachkräftemangel

Die allermeisten Digital Natives wünschen sich einen Job, in dem sie ihre digitalen Alltagskompetenzen anwenden können.
Zu wenig Leute zu haben, das ist auf dem Bau besonders fatal: In kaum einer anderen Branche kommt es so sehr auf die Leistungsfähigkeit der Belegschaft an, ein Mangel an Fachkräften ist daher kaum zu kompensieren. Zwar sind dem Grad an Automatisierung auf dem Bau Limits gesetzt, dennoch ist beim Einsatz von digitalen Methoden weiterhin Luft nach oben. Wichtig ist den Studienautoren dabei: Diese Tools dürfen nicht zum Selbstzweck werden, sondern müssen sehr genau an die Bedürfnisse der Fachkräfte angepasst werden. Nicht unterschätzt werden dürfe dabei die Signalwirkung einer digitalisierten Bauindustrie: Die allermeisten Digital Natives wünschen sich einen Job, in dem sie ihre digitalen Alltagskompetenzen anwenden können. Die Baubranche gewinnt für den dringend benötigten Nachwuchs an Attraktivität, wenn sie in Sachen Digitalisierung nicht zu weit hinter den Konkurrenzarbeitgebern aus den Bereichen Industrie und Dienstleistung zurückfällt.
  1. Transparenz, Ethik und Nachhaltigkeit

Um beim Nachwuchs zu bleiben: Wer heute in den Beruf einsteigt und um die Begehrlichkeiten der Branchen weiß, schaut bei der Auswahl des Arbeitgebers sehr genau hin. Im Fokus stehen nicht nur Verdienst und Karrierechancen, mindestens genauso wichtig sind Aspekte wie: Welche Freiheiten habe ich? Welchen Sinn erfüllt meine Arbeit? Bin ich für ein Unternehmen tätig, dessen ethische Standards ich erkenne und hinter denen ich stehen kann? Und nimmt es die Megatrends Klimaschutz und Nachhaltigkeit tatsächlich ernst? Digitale Methoden, allen voran BIM, schaffen in diesen Zukunftsfeldern die nötige Transparenz, damit junge Interessierte Antworten auf diese Fragen finden.

Wird Corona zum Digitalisierungs-Boost?

Die Bedeutung der Bauwirtschaft

Die McKinsey-Studie„The next normal in construction – how disruption is reshaping the world’s largest ecosystem“ zeigt: Die Corona-Pandemie kann nun zu einem wirklichen Umbruch in der gesamten Branche führen und bestehende Trends wie Digitalisierung, neue Produktionsverfahren und Konsolidierung weiter beschleunigen. Dies hat Auswirkungen über die Branche hinaus: Mit einem Anteil von 13 Prozent am Welt-Bruttoinlandsprodukt – in Deutschland sind es rund 10 Prozent – ist das Ökosystem Bauen einer der größten Wirtschaftsfaktoren. Eine produktivere Bauwirtschaft ist deshalb auch gesamtgesellschaftlich wünschenswert – ein wesentlicher Anteil aus den aktuell diskutierten Konjunkturpaketen wird voraussichtlich in den Infrastrukturausbau fließen, während der Wohnungsbau schon länger oben auf der politischen Agenda steht.
Klar ist, dass eine kluge und bedarfsorientierte Digitalisierung der Bauwirtschaft die Attraktivität und Produktivität der Branche erhöhen wird. Spannend ist es nun zu verfolgen, inwieweit die Pandemie diese Entwicklung befördert. Es sei zu erkennen, sagt Michael Müller, Leader des Bereichs Real Estate bei Deloitte, dass die Covid-19-Pandemie einen „verstärkten Einsatz neuer industrieller und digitaler Technologien beschleunigt und Bereiche wie künstliche Intelligenz und Analytik ihr großes Potenzial für das Bauwesen in den kommenden Jahren umso stärker werden ausspielen können.“ Somit würde die Corona-Krise wie ein Boost funktionieren, der sinnvolle und notwendige Veränderungen antreibt, mit dem Resultat, dass die Branche gestärkt und fit für die Zukunft aus dieser Ausnahmesituation herauskommt. Jedoch wird der Bauindustrie dieser positive Effekt nicht in den Schoß fallen: Mehr denn je geht es darum, die Zukunft zu gestalten – mit einer klugen Balance aus Lust auf Veränderung und Fokus auf die bewährten Stärken. Wie das gelingen kann, skizziert Kai-Stefan Schober, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Es gehe darum, Bauunternehmen zu „atmenden und schlagkräftigen Organisationen“ aufzubauen, die sich durch konsequent digitalisierte Wertschöpfungsketten, flexible Geschäftsmodelle und einen verstärkten Fokus auf die „grüne“ Transformation auszeichnen – wobei der Blick auf die Nachhaltigkeit auf keinen Fall vernachlässigt werden darf, zumal sich zeigen könnte, dass die zielgerichteten öffentlichen Infrastruktur- und Bauförderungen in naher Zukunft noch mehr als heute auf grüne Standards schauen. Schober glaubt, dass die Chance nicht darin besteht, in der Corona-Krise den Status Quo zu erhalten, sondern gerade jetzt auf Wandel zu setzen, im dem die Akteure „verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung als Kernelemente der Veränderung in den Fokus nehmen“. Dass die Bauindustrie selbst im Sturm der Pandemie nicht ruht, bleibt eine beruhigende Erkenntnis. Dies ändert aber nichts daran, dass die Branche fortlaufend an ihrer Transformation in Richtung mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit weiterarbeiten muss.

Buchtipp: Ingenieurbaukunst 2021

Die neue Ausgabe des Jahrbuchs „Ingenieurbaukunst“ präsentiert eine Auswahl der wichtigsten aktuellen Bauwerke „Made in Germany“ und diskutiert die Zukunft des Planens und Bauens. Herausgegeben von der Bundesingenieurkammer werden damit die Leistungen des deutschen Bauingenieurwesens dokumentiert. Ausgewählt wurden die Diskussionsthemen und Bauwerke von einer wissenschaftlichen Jury. Die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure beschreiben die bautechnischen Herausforderungen ihrer Bauwerke und erläutern die konkreten Lösungen bei Planung und Ausführung. Das Jahrbuch Ingenieurbaukunst ist damit einerseits eine Galerie der Spitzenleistungen des deutschen Bauingenieurwesens und andererseits eine Schaubühne der aktuellen Debatten rund um das Planen und Bauen in Deutschland. Bundesingenieurkammer (Hrsg.): Ingenieurbaukunst 2021. Ernst & Sohn 2020, 39,90 Euro.

Der BIM-Verfechter Prof. Dr.-Ing. Markus König im Interview

Dr.-Ing. Markus König, Professor für Informatik und Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum, zählt in Deutschland zu den prägenden Köpfen bei der Implementierung des Building Information Modeling (BIM). Im Juli 2020 erhielt er für seine Verdienste für die Digitalisierung des Bauwesens die Konrad-Zuse- Medaille. Im Gespräch analysiert er die gegenwärtige Stellung von BIM in der deutschen Bauwirtschaft und erklärt, warum sich Bauingenieure mit Digitalisierung im Blut keine beruflichen Sorgen machen müssen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Professor Dr.-Ing. Markus König leitet seit 2009 den Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Universität Bochum. Dort lehrt und forscht er seit vielen Jahren zur Digitalisierung im Bauwesen. Er war Mitglied im Expertenteam des Stufenplans „Digitales Planen und Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), begleitete diverse BIM-Pilotprojekte und entwickelte verschiedene BIM-Schulungen (BIM Professional der RUB Akademie Bochum, Projektmanager BIM des DVP, BIM Schulung für das Amt für Bundesbau). Markus König ist Autor von mehr als 150 wissenschaftlichen Beitragen zur Digitalisierung im Bauwesen und Herausgeber von zwei Büchern zum Thema BIM. Seit Sommer 2019 ist er maßgeblich am Aufbau des nationalen Zentrums für Digitalisierung des Bauwesens beteiligt.
Herr König, die Vorteile von BIM liegen auf der Hand, kaum jemand bestreitet den Nutzen der Methode. Dennoch findet sie weiterhin recht schleppend Einzug in die Branche. Woran liegt das? BIM bedeutet ja nicht nur, kurz eine neue Software zu installieren – und das war’s. Dahinter steckt eine komplette Transformation, die erfordert, dass viele Arbeitsprozesse neugestaltet werden müssen. Denn nur dann können die digitalen Modelle überhaupt erstellt und schließlich bearbeitet werden. Wir reden also davon, dass BIM die Arbeit allumfassend verändert. Genau, was bedeutet, dass in Behörden und Unternehmen viele Dinge passieren müssen, damit BIM funktioniert. Es geht darum, Soft- und Hardware für alle Beteiligten kompatibel zu machen, Schnittstellen zu organisieren, jeweils den Ist-Zustand zu analysieren und das Personal zu schulen. Solche Neugestaltungen von Prozessen passieren nicht von heute auf morgen. Sie haben vor fünf Jahren ein Grundlagenbuch zum Thema BIM geschrieben, mit Blick auf das Tempo des digitalen Zeitalters ist das schon fast eine Ewigkeit her. Reden wir heute überhaupt noch über das gleiche Tool, über das sie 2015 geschrieben haben? Schon, ja. So groß ist die Entwicklungsdynamik in der Baubranche nicht, die Grundaspekte sind heute noch die gleichen wie vor fünf Jahren. Und es ist sinnvoll, weiter damit zu arbeiten. Würden wir versuchen, immer mit den neuesten Technologien zu arbeiten, also zum Beispiel den aktuellen Trends der künstlichen Intelligenz oder der Automatisierung, würden wir viele Beteiligte eventuell überfordern. Viel gewonnen haben wir hingegen, wenn es uns gelingt, die Konzepte, die vor drei, vier Jahren entwickelt worden sind, nun in die Breite zu bringen. Wie weit sind wir in dieser Hinsicht? Es ist schon so, dass sich da in den vergangenen ein bis zwei Jahren einiges getan hat. Ich wohne in Dortmund, und wenn ich mir anschaue, wie Baumaßnahmen hier geplant und angegangen werden, dann erkenne ich, dass BIM-Projekte keine Exoten mehr sind. Geht das mit der Dynamik weiter, dann werden wir in vier fünf Jahren mehr BIM-Projekte als herkömmliche haben, das ist meine Prognose. Heißt aber auch: Es könnte doch schneller gehen. Zugegeben, als wir 2015 das Buch geschrieben haben und kurz danach den BIM-Stufenplan entwickelt und Initiativen gegründet wurden, da hatte ich gehofft, es würde schneller vorangehen. Einige Vorhabenträger waren auch sehr zügig dabei, zum Beispiel die DEGES im Straßenbau oder auch die Deutsche Bahn. Schauen wir aber in die Breite, dann passiert die Entwicklung langsamer, was auch daran liegt, dass BIM die Verwaltungsapparate durchdringen muss, und wer die Taktung der Behörden kennt, der weiß, dass das manchmal eben etwas länger dauert.
Bauingenieure gibt es sowieso schon zu wenige, Bauingenieure mit BIM-Kompetenzen sind besonders begehrt.
Wobei es ja weiterhin eine Reihe von Initiativen gibt, aktuell zum Beispiel in NRW das BIM-Competence-Center. Ja, die gibt es, beispielsweise auch das nationale Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens auf Bundesebene, wobei ich mir schon wünschen würde – auch wenn ich weiß, wie schwierig das gerade jetzt in der Corona-Zeit ist, dass hier noch mehr Mittel bereitstehen würden, gerade für die Schulung von Personal. Denn das ist auf jeden Fall ein Knackpunkt: Bauingenieure gibt es sowieso schon zu wenige, Bauingenieure mit BIM-Kompetenzen sind besonders begehrt. Die Unternehmen und Behörden bekommen ihre Stellen nicht besetzt, weil der Personalmarkt nach dem Bauboom der letzten Jahre nicht mehr viel hergibt. Es wird daher nötig sein, insbesondere die Jobs in der Verwaltung attraktiver zu gestalten. Ein Bauingenieur mit IT-Know-how muss also keine berufliche Zukunftsangst haben. Nein, das erkenne ich auch hier bei uns am Lehrstuhl. Wenn ich jemanden frage, der Bauingenieurswissen und Digitalisierungskompetenz vereint, ob er nicht Lust hat, bei mir zu promovieren, bekomme ich in der Regel zu hören: „Das wird eng, denn ich habe schon drei, vier andere Jobangebote.“ Wie bewerten Sie denn die Ausbildung der Bauingenieure heute, erhält der Nachwuchs genügend digitale Kompetenz? Vielfach schon, wobei es dann doch auch noch weiterhin den Kollegen oder die Kollegin gibt, die Digitalisierungsthemen am Bau skeptisch gegenübersteht. Ich stehe grundsätzlich dafür, eher mehr als weniger digitales Knowhow zu vermitteln, wobei das natürlich auch nicht auf Lasten der Fachkompetenz gehen darf: Den reinen IT-Nerd brauchen wir am Bau auch nicht. Generell stehen die Chancen in Deutschland aber gut, dass man am Ende des Studiums eine gute Ausbildung auch in Richtung Digitalisierung erhalten hat.
Ein Bauvorhaben lebt seit jeher davon, dass sich die beteiligten Akteure und Gewerke die bedeutsamen Informationen zugänglich machen.
Wie steht es um die Kommunikationsfähigkeit, eine für BIM grundlegende Kompetenz? Kommunikation ist überaus wichtig, ja, aber das war sie schon immer. Ein Bauvorhaben lebt seit jeher davon, dass sich die beteiligten Akteure und Gewerke die bedeutsamen Informationen zugänglich machen. Geändert hat sich durch BIM die Art der Kommunikation: Es wird vielleicht weniger geredet, dafür mehr dokumentiert. Das macht Kommunikation für viele einfacher, nichtsdestotrotz muss man diese Art des digitalen Informationsaustausches natürlich beherrschen: Man erkennt heute, dass auch komplexe Projekte dann funktionieren, wenn Bauingenieure beteiligt sind, die sich auf Kommunikation verstehen und die Digitalisierung im Blut haben. Wie steht Deutschland beim Thema BIM im internationalen Vergleich da? Die Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland stehen, kennen die Bauingenieure in anderen Ländern natürlich auch. Es gibt aber Unterschiede im Umgang mit dem Thema, weil es einige andere Staaten nicht ganz so genau nehmen. Nehmen Sie Großbritannien, dort ist BIM seit 2016 bereits auf dem Papier Pflicht, wodurch das Land zum Vorreiter wurde. Schaut man sich die Projekte aber genauer an, dann erkennt man, dass da zwar das BIM-Label drauf ist, viele der wirklichen Abläufe aber noch ganz ähnlich laufen wie bei uns. Wobei diese Projekte in Deutschland noch keinen BIM-Stempel bekommen. Genau. Das liegt daran, dass wir höhere Maßstäbe anlegen, was ein BIM-Projekt ist und was nicht. Das ist sicherlich der deutschen Ingenieurskultur geschuldet, wir nehmen es sehr genau, entwickeln viele Richtlinien bis am Ende eine DIN-Norm steht.

Konrad-Zuse-Medaille

Im Juli 2020 erhielt Markus König die Konrad- Zuse-Medaille des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), mit der er für die Digitalisierung des Bauwesens, insbesondere zur Implementierung von Building Information Modeling (BIM) in Deutschland gewürdigt wurde. Markus König habe sehr frühzeitig die Potenziale von BIM erkannt und seine Forschung stringent auf dieses Thema ausgerichtet, heißt es in der Begründung zur Preisvergabe. Wichtig sei ihm vor allem die praktische Umsetzung gewesen. Der Verband hob dabei insbesondere seine federführende Mitwirkung bei der Planung und Umsetzung des Stufenplans von BIM im Infrastrukturbau hervor.
Verhindert diese deutsche Genauigkeit mitunter Innovation und Entwicklung? Auf der einen Seite behindert diese Mentalität vielleicht das Ausprobieren von Dingen, ja. Auf der anderen Seite sind wir in Deutschland aber auch sehr gut darin, solche Normen zu setzen und eine hohe Qualität zu liefern. Jetzt ist es so, dass viele andere Länder gespannt auf uns gucken, weil sie ahnen: Wenn die Deutschen bald mit einer BIM-Norm um die Ecke kommen, dann wird diese sehr gut sein – und dann ist es möglich, dass wir mit diesen durchdachten Vorgaben und Regelungen die anderen sehr schnell überholen. Muss man also nicht zwingend der Erste sein, um am Ende eine Entwicklung erfolgreich umzusetzen? Gerade in der Baubranche geht es häufig darum, bestimmte Vorzeigeprojekte zu realisieren, die dann schnell die Runde machen. Solchen Trends zu entsprechen, ist wichtig, das gilt zum Beispiel auch für Pilotprojekte mit Baurobotern. Damit in der Öffentlichkeit zu punkten, hilft der Branche, weil neue Möglichkeiten aufgezeigt werden. Letztlich geht es aber auch darum, zu schauen, wie die Bauwirtschaft in der Breite davon profitieren kann. Und das ist in Deutschland insbesondere dann der Fall, wenn auch der Mittelstand etwas davon hat.      

Bau visiert Klimaschutz an

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Laut dem Zukunftsinstitut ist Neo-Ökologie ein Megatrend, der in jeden Bereich unseres Alltags hineinreicht und der unternehmerisches Denken und Handeln in seinen elementaren Grundfesten verändern wird. Dazu zählt auch die Fokussierung auf die Energiewende – eine Reaktion auf den Klimawandel. Die Baubranche arbeitet an dieser komplexen Herausforderung in unzähligen Bereichen mit. Von Christoph Berger

Es ist bestimmt nicht untertrieben: Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Handeln ist also gefordert. Die Politik hat auf die Situation unter anderem folgendermaßen reagiert: 2015 haben die Vereinten Nationen im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen globalen Temperaturniveau zu begrenzen. Das Europäische Parlament rief 2019 den Klimanotstand aus. Deutschland einigte sich gemeinsam mit seinen europäischen Partnern auf ein Verfahren, in Europa den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Dazu wurden verbindliche Ziele vereinbart, die bis 2030 erreicht werden müssen. An erster Stelle steht das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 in Europa. Diese Ziele haben für das Bauwesen eine besonders große Bedeutung, gehört das Bauen sowie die Bauwerke doch zu den Hauptemittenten von CO2. 28 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland sind alleine auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Allerdings ist die Bewertung des CO2-Fußabdrucks besonders komplex, da Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen über den gesamten Lebenszyklus der Bauten erforderlich werden – inklusive der sogenannten „Grauen Energie“. Doch genau Letztere kommt oftmals noch zu kurz. In einer aktuellen Studie des Steinbeis- Transferzentrums für Energie-, Gebäude- und Solartechnik und des Fraunhofer- Instituts für Bauphysik (IBP) im Auftrag der Bundesregierung wird die bisherige Vernachlässigung der „Grauen Energie“ bei Wohngebäuden, also der an die Materialien gebundenen Energie, die zur Herstellung, Instandsetzung und Entsorgung benötigt wird, kritisiert. Stattdessen wird eine ganzheitliche energetische Betrachtung der Gebäude über den gesamten Lebenszyklus gefordert. Durch eine klimagerechte und energieoptimierte Wahl der Baumaterialien und der Baukonstruktionen könnten allein im Neubaubereich etwa sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart werden, schreiben die Autoren. Und dies auch noch kostenneutral oder zu geringen Mehrkosten. Eine Forderung an die auch das Bauwende-Bündnis, eine Denkfabrik und ein Impulsgeber für Klimaschutz und Ressourcenschonung am Bau, anknüpft. Die Diskussion zum geplanten Gebäudeenergiegesetz zeige, dass ordnungsrechtliche Änderungen langwierig seien. Bei der KfW-Förderung zum Bauen und Sanieren müsse daher jetzt mit der Berücksichtigung der „Grauen Energie“ ein erster Schritt gemacht werden, anschließend seien die Förderprogramme auf eine gesamtenergetische Betrachtung über den ganzen Lebenszyklus umzustellen.

Klimaneutralität wird angestrebt

Weniger ins Detail geht die Kernaussage des GLOBE Konsens, der jüngst von einer internationalen Expertengruppe verabschiedet wurde, die im Auftrag von sieben führenden internationalen Institutionen im Bereich des Bauingenieurwesens an dem Meilenstein, wie sie ihn nennen, gearbeitet hat. Dafür ist sie umso aufrüttelnder. So heißt es in dem Konsens unter anderem: „Eine erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in der globalen Gesellschaft sowie die Verringerung der verheerenden globalen und lokalen Folgen des Klimawandels erfordern nicht weniger als eine weltweite, transformative und einheitliche Anstrengung aller Akteur*innen des Bauwesen.“ Dr. Dipl.-Ing. Wolfram Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und Mitglied des Editor Boards von der International Union of Laboratories and Experts in Construction Materials, Systems and Structures stellt dabei die Schlüsselrolle von Bauingenieuren heraus: „Mit zunehmender Urbanisierung und wachsendem Baubedarf bei gleichzeitig immer stärker limitierten Ressourcen, werden Bauindustrie und Bauingenieure zu wesentlichen Triebfedern positiver sozio-ökonomischer, ökologischer Entwicklungen und nachhaltiger Prozesse. Allerdings sind sich die meisten Verantwortlichen ihrer Rolle und Verantwortung dabei gar nicht wirklich bewusst. Deshalb stellt der GLOBE Konsens einen Meilenstein dar, indem er die Akteure im gesamten Umfeld des Bauwesens unmittelbar anspricht und dazu ermutigt Vorboten positiver Entwicklungen für eine bessere Zukunft zu werden.“ Doch die Brisanz des Klimawandels und die Dringlichkeit zu handeln, scheint vermehrt anzukommen. So ist der Klimawandel als eines von vier Leitthemen des Branchenevents BAU 2021 ausgerufen worden. Ein anderes läuft unter dem Titel „Ressourcen und Recycling“. Vonseiten des Veranstalters, der Messe München, heißt es Energieeffizienz, Recycling, Nachwachsen und Resilienz seien die Zutaten, mit denen die Klimaneutralität von Gebäuden und Städten realisierbar sei.

Vielfältige Einflussmöglichkeiten

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat vor diesem Hintergrund selbst Handlungsfelder und Stellschrauben analysiert, um aktiv einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Zertifizierung von Gebäuden nach höchsten Standards der Nachhaltigkeit (z. B. DGNB Platin), serielle Sanierungskonzepte, innovative regenerative Energieerzeugungsanlagen, CO2-bindender Asphalt sind Beispiele für derartige Möglichkeiten. Verbunden sind in diesen Maßnahmen sowohl bauingenieurtechnische Kompetenz als auch der Klimaschutz.

55 saubere Technologie-Initiativen

Capgemini Invent, die weltweite Beratungseinheit der Capgemini-Gruppe für digitale Innovation und Transformation, hat Mitte Oktober 2020 die Studie „Fit for NetZero: 55 Tech Quests to Accelerate Europe‘s Recovery and Pave the Way to Climate Neutrality“ veröffentlicht, die aufzeigt, wie die ambitionierten EU-Klimaziele erreicht werden können. Dabei wird auch gezeigt, wie gezielte Investitionen die Innovationszyklen beschleunigen können, um so zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen, 12,7 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen und eine Bruttowertschöpfung von fast 800 Milliarden Euro zu generieren. Ein Schwerpunktthema der Studie ist „Gebäude und Bauwesen“.
Und natürlich darf auch die Wissenschaft bei der Bearbeitung des Themas mit seinen komplexen Herausforderungen nicht außen vor gelassen werden. Leichtbaukonstruktionen wie sie zum Beispiel am IBP erforscht werden oder die auf dem Gelände des Flughafens Tegel geplante Bauhütte 4.0 sind nur zwei Beispiele. Sobald Tegel 2021 endgültig schließt, soll dort ein Forschungs- und Industriepark für urbane Technologien sowie ein Stadtquartier für mehr als 10.000 Bewohner*innen entstehen. Nachhaltiges Bauen steht dabei im Fokus. „Langfristiges Ziel ist die Förderung von Stadtquartieren in Holzbauweise, um gezielt auf die steigenden Treibhausgasemissionen in urbanen Ballungsräumen zu reagieren“, so Prof. Raoul Bunschoten, Leiter des Fachgebiets CHORA conscious city – Städtebau und nachhaltige Stadtentwicklung an der Technischen Universität Berlin. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) und der Tegel Projekt GmbH soll ein Cluster für den innovativen Holzbau entstehen, in dem Akteure der Zivilgesellschaft, Forstwirtschaft, Forschung und Entwicklung, Bauindustrie und Stadtentwicklung zusammenkommen, um nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern.

Größte Klimaschutzsiedlung in NRW

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Am Mönchengladbacher Hauptbahnhof, in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt, entsteht in den kommenden Jahren ein urbanes Stadtquartier: die Seestadt mg+. Auf über 200.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche sollen etwa 2.000 Wohnungen und diverse gewerbliche Nutzungen unterkommen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den Klimaschutz und die Mobilitätswende gelegt. Von Christoph Berger

In Mönchengladbach entsteht in den kommenden 15 Jahren ein Modellprojekt im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten „Reallabor der Energiewende“. Reallabor deshalb, weil in dem Förderprogramm innovative Technologien in Anwendung gebracht und unter realen Bedingungen erprobt werden. In der Seestadt soll beispielsweise eine CO2- freie Wärmegewinnung aus Abwasser verwirklicht werden. Prinzipiell geht es bei dem Projekt also nicht nur um Energieeinsparung, sondern auch um Energiegewinnung und -verteilung. Außerdem will man mit zwei Kindertagesstätten, zwei öffentlichen Spielplätzen, drei Mobilität-HUBs mit E-Bikes und E-Scootern sowie Carsharing-Angeboten und Packstation ein zukunftsfähiges Angebot schaffen, mit dem langfristig ein attraktives Wohnumfeld geboten werden soll. Das Wirtschaftsministerium des Landes NRW und die EnergieAgentur.NRW haben das Projekt bereits als Klimaschutzsiedlung zertifiziert – laut NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart die größte in NRW. Und dies nicht nur wegen der nahezu CO2-freien Energiegewinnung, sondern auch wegen eines fast zwei Hektar großen, künstlich anzulegenden Sees mitten in der Innenstadt von Mönchengladbach. Er ist das Kernstück des Projekts. Dieser See soll einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas und zum Artenschutz leisten, als Retentionsbecken, also als ein Rückhaltebecken, dienen und den Stadtbewohnern mit seinen naturnahen Uferzonen und Uferpromenaden einen Anziehungspunkt mit einmaliger Aufenthaltsqualität in Innenstadtnähe bieten. Dass die Gebäude wärmegedämmt werden, soll hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden. Nachhaltigkeit verspricht das Quartier aber nicht nur wegen der Mobilitätsangebote sowie der prognostizierten CO2-Neutralität. Zehn Prozent der Mehrfamilienhäuser werden als öffentlich geförderter Wohnungsbau und 30 Prozent als zielgruppenorientierter Wohnungsbau eingeplant. Alle Wohnungen sind stufenlos erreichbar, verfügen über Balkon oder Terrasse, offene Wohn- und Essbereiche mit bodentiefen Fenstern und modernen Neubaustandards. Die Wohnungsgrößen variieren dabei von 38 bis 103 Quadratmetern: Zielgruppe sind alle Alters- und Einkommensgruppen – von Singles bis Familien, von Studenten bis Rentnern. Der Baustart für das vom schwedischen Unternehmen Catella geplante Stadtquartier soll noch in diesem Jahr erfolgen. Der Stadtrat Mönchengladbachs hat Anfang September 2020 mit einem mehrheitlich gefassten Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Der Bauantrag für die ersten 250 Wohneinheiten ist bereits eingegangen, mit dem ersten Bauabschnitt, dem Südviertel, wird auch die erste öffentlich nutzbare Mobilitätsstation mit Angeboten für Sharing-Fahrzeuge realisiert.

Dekarbonisierung von Zement

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Die Richtung ist klar vorgegeben: Der Verein Deutsche Zementwerke (VDZ) sieht die größte Herausforderung für die weltweite Zementindustrie in den kommenden Jahren eindeutig in der Dekarbonisierung ihres Herstellungsprozesses. Ein Fokus wird dabei auf eine entsprechende Infrastruktur für den Transport des CO2 gerichtet, um das abgeschiedene Treibhausgas einer Nutzung bzw. Speicherung zuführen zu können. Von Christoph Berger

Die Zementindustrie gehört zu den energie- und rohstoffintensiven Branchen. So tragen die Prozesse zur Produktion von Zementklinker und Zementen laut des vom Umweltbundesamt im März 2020 herausgegebenen Berichts „Prozesskettenorientierte Ermittlung der Material- und Energieeffizienzpotentiale in der Zementindustrie“ weltweit zu sechs bis sieben Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen bei. Die Herstellung einer Tonne Zement verursacht etwa 700 Kilogramm Kohlendioxid; jährlich werden weltweit rund zwölf Kubikkilometer Beton produziert – Zement vermischt mit Wasser, Sand und Kies ergibt Beton. Pietro Lura, der an der schweizerischen Empa die neue Forschungsabteilung „Beton und Asphalt“ leitet, sagt: „Mit einem Bedarf von über 4,5 Milliarden Tonnen jährlich stellen die beiden Baustoffe in Summe den Löwenanteil aller weltweit verwendeten Materialien dar.“ So stünden denn auch beide Produkte vor gemeinsamen Herausforderungen, etwa eine umweltfreundliche, ressourceneffiziente Herstellung und Nutzung mit verminderten CO2-Emissionen. Die Empa-Forschenden arbeiten daher an neuen Zement- und Bitumen-basierten Materialien, bei deren Herstellung weniger schädliches Klimagas entsteht – oder sogar CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden kann. „Wir werden Prinzipien der Kreislaufwirtschaft umsetzen, indem wir neue Komposit-Materialien entwickeln und das Cross-Recycling von Asphalt und Beton in einem global stetig wachsenden Markt ermöglichen“, sagt Lura. Der Baustoffhersteller Cemex gab Anfang Oktober 2020 bekannt, zusammen mit dem Unternehmen Synhelion eine Technologie auf der Basis von Solarenergie entwickelt zu haben, die eine vollständige Dekarbonisierung der Zementherstellung ermöglichen soll. Der Ansatz basiert darauf, im Zementwerk die Nutzung fossiler Brennstoffe durch Hochtemperatur-Solarwärme zu ersetzen und dabei 100 Prozent der CO2-Emissionen abzuscheiden, um sie als Ausgangsmaterial für die Brennstoffproduktion zu nutzen, wodurch die Zementherstellung klimaneutral würde. Ein Forschungsprojekt dazu sei bereits abgeschlossen, nun soll die Technik schrittweise in eine Pilotanlage eingeführt werden. Vonseiten des VDZ heißt es, dass die Branche mit konventionellen Ansätzen wie dem Einsatz alternativer Brennstoffe zwar die CO2-Performance von Jahr zu Jahr verbessere, man aber an Grenzen stoße. VDZ-Präsident Christian Knell ist sich sicher: „Klimaneutralität können wir langfristig jedoch nur mithilfe neuartiger Technologien erreichen, mit denen das CO2 im Zementwerk abgeschieden wird, um es anschließend zu nutzen oder zu speichern.“ Deutsche Zementhersteller würden bereits konkrete Pilot- und Demonstrationsvorhaben planen, um die CO2-Abscheidung zur technischen Reife zu führen.

Hudson Yards

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An der West Side von Manhattan New York City, USA, entsteht ein neuer Stadtteil: Hudson Yards. In dem soll alles geboten werden, was es zum urbanen Leben braucht: 4.000 Wohnungen, Büros, 14 Hektar öffentliche Plätze, Gärten und Haine plus eine Schule, ausreichend Shopping-Möglichkeiten und kulinarische Angebote. Von Christoph Berger

Highlight jagt Highlight jagt Highlight. Am 11. März dieses Jahres war wieder so ein Tag. Da verkündeten die Macher des neuen Stadtteils Hudson Yards an Manhattans West Side: „Heute wurde Edge, das höchste Außendeck der westlichen Hemisphäre, offiziell für die Öffentlichkeit eröffnet und bietet einen beispiellosen 360-Grad-Blick auf die ikonische Skyline der Stadt.“ Und das ist wahrlich nicht übertrieben: Das Außendeck, das 765.000 Pfund schwer ist – umgerechnet sind das knapp 374.000 Kilogramm oder 374 Tonnen, beinhaltet einen Glasboden, schräge Glaswände und eine Freiluft-Treppe von der 100. bis 101. Etage von 30 Hudson Yards, einem weiteren Super-Wolkenkratzer in der Skyline von Big Apple, der 2019 mit anderen Gebäuden des Komplexes eingeweiht wurde. Die Plattform besteht aus 15 Abschnitten, die jeweils zwischen 35.000 und 100.000 Pfund wiegen, miteinander verschraubt und an der Ostund Südseite des Gebäudes verankert sind. Der 7.500 Quadratfuß große Außenaussichtsbereich ist von 79 Glaspaneelen mit einem Gewicht von jeweils 1.400 Pfund umgeben, die in Deutschland hergestellt und in Italien fertiggestellt wurden. Einziges Manko: Die Freude vom Ausblick der Plattform währte erst einmal nicht lange, bereits zwei Tage nach der Eröffnung musste sie aufgrund der COVID-19-Pandemie wieder geschlossen werden. Die Entwicklung des neuen Stadtteils gilt als das größte private Bauvorhaben des Landes und eines der komplexesten Bauprojekte in der Geschichte New Yorks. Alleine, dass in dem Viertel einmal 15 Wolkenkratzer stehen sollen, verdeutlicht die Dimensionen. Ebenso, dass dort nach Fertigstellung schätzungsweise 125.000 Menschen täglich leben, arbeiten, essen, einkaufen, studieren, bummeln oder die Sehenswürdigkeiten besichtigen werden. Entstehen wird Hudson Yards an der Nahtstelle zwischen Chelsea und Hell‘s Kitchen. Außerdem wird der Stadtteil das erste LEED GOLD-Quartiersentwicklungsprojekt Manhattans sein. Die WiredScore- Zertifizierung hat er bereits erhalten. Und als wenn dies alles noch nicht genug wäre, mussten auf dem insgesamt 28 Hektar großen Gelände 30 aktive Zuggleise, drei Eisenbahntunnel und der neue Gateway-Tunnel überbrückt werden. Dafür bedurfte es 300 Senkkästen, die nicht nur die zwei Bahnsteige, die über den Zugleisen errichtet wurden, stützten, sondern auch die Gebäude. Ebenso beeindruckend ist das Herzstück der Hudson Yard, die unter dem Namen „Vessel“ bekannte und von Thomas Heatherwick errichtete Wendeltreppe, von der aus die Besucher aus verschiedenen Höhen, Winkeln und Aussichtspunkten neue Perspektiven auf die Stadt und aufeinander genießen können. Dieses interaktive Kunstwerk besteht aus 154 kompliziert miteinander verbundenen Treppenläufen – fast 2.500 einzelnen Stufen und 80 Treppenabsätzen.

Weltweit erstes Haus aus Carbonbeton

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Im Februar 2020 wurde in Dresden die Baugenehmigung für das weltweit erste, vollständig aus Carbonbeton errichtete Gebäude erteilt, den sogenannten „Cube“. Im Juni folgte dann die Grundsteinlegung – aufgrund der CoronaPandemie im Rahmen einer digitalen Übertragung. Von Christoph Berger

Gebaut werden soll der Cube an der nach dem bekanntesten Wissenschaftler der Neuzeit benannten Straße – der Einsteinstraße, am Dresdner Uni-Campus. Bei dem 220 Quadratmeter großen Bauprojekt wird es sich um Experimentalbau handeln, an dem zum einen gezeigt werden soll, was mit Carbonbeton schon heute möglich ist, zum anderen soll er als Versuchsstand dienen. Erforscht werden sollen unter anderem die Langzeittauglichkeit von Carbonbeton aus baukonstruktiver, statischer und bauphysikalischer Sicht. Zudem will man an ihm die Betriebs- und Lebenszykluskosten beurteilen. Das Gebäude wird aus einer Box bestehen – der Ursprung für den Namen Cube, die um zwei symmetrisch gegenüber angeordnete Twist-Elemente ergänzt wird. Diese werden gleichzeitig den seitlichen sowie oberen Raumabschluss bilden und sollen das außerordentliche Anwendungsspektrum der Carbonbetonbauweise veranschaulichen. Die Box wiederum soll verdeutlichen, dass herkömmliche Baukörper des Hochbaus nach dem Stand der Technik bereits mit Carbonbeton errichtet werden können. Das Gebäude soll sowohl einen Präsentationsraum für etwa 20 Personen, Labor-, Test- und Technikräume als auch sanitäre Einrichtungen beinhalten. Carbonbeton ist Gegenstand der Forschung in Deutschlands größtem Bauforschungsprojekt C3– Carbon Concrete Composite, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. Über 160 Partner arbeiten an der Etablierung des Verbundwerkstoffes auf dem Markt. Diese Breite hat ihre Gründe: Mit über 100 Millionen verbauten Kubikmetern im Jahr ist Stahlbeton der wichtigste Baustoff Deutschlands. Allerdings hat dieser Baustoff ein Manko. Wegen der Korrosion am Stahl bleiben Stahlbetonkonstruktionen hinter ihrer erwarteten Lebensdauer zurück. Hinzu kommen die enormen CO2-Emissionen. Allein die Herstellung von Zement ist für 6,5 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Im Carbonbeton wird nun der Stahl durch Carbon ersetzt. Diese neue und aus Kohlenstofffasern bestehende Bewehrung rostet nicht. So kann all der Beton eingespart werden, der zuvor nur für den Schutz des Stahls in den Bauund Verbundwerkstoff eingebracht wurde. Vonseiten des Bauforschungskonsortiums heißt es, dass mit dem Einsatz von Carbonbeton nachhaltig, umweltschonend, weniger material-intensiv und leichter gebaut werden könne. Außerdem sei in der Architektur eine andere Formensprache möglich. „Leicht Bauen“ und „Beton“ seien kein Widerspruch mehr, sondern vielmehr das Konzept der Zukunft. Ziel des Forschungsprojekts ist es daher auch, bis 2021 alle Voraussetzungen für eine Markteinführung von Carbonbeton zu schaffen. Bis 2025 soll die Bauweise dann dauerhaft etabliert werden. Der Cube in Dresden soll voraussichtlich bis Mitte 2021 gebaut werden.

Neu gebaut

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International und national entstehen ständig bemerkenswerte Bauwerke, die nicht nur mit ihrem Erscheinungsbild überzeugen, sondern oftmals auch ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Der karriereführer stellt einige solcher Projekte vor. Von Christoph Berger

Frankfurter Omniturm gehört zu den Finalisten des IHP

Foto: Nils Koenning
Foto: Nils Koenning

Ende September 2020 gab die Jury des diesjährigen Internationalen Hochhaus Preises (IHP) die Finalisten bekannt. Unter den Finalisten findet sich auch der Frankfurter Omniturm von BIG – Bjarke Ingels Group aus New York / Kopenhagen. Somit hat es das erste Hybridhochhaus in einem deutschen Stadtzentrum in die Endrunde geschafft. Für Jury-Mitglied Ina Hartwig macht der Turm seinem Namen alle Ehre. Er vereint Gastronomie, Büros, Wohnungen und Geschäfte unter einem Dach. Damit ist der 190 Meter hohe Omniturm im internationalen städtebaulichen Vergleich auf der Höhe der Zeit.

Eine Brücke zum Aufklappen

Foto: TU Wien
Foto: TU Wien

Anfang 2020 wurde in Österreich eine Weltpremiere präsentiert: Eine ausklappbare Brücke. Entwickelt wurde die neue Brückenbautechnik an der TU Wien, in einem Bauwerk der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), einer österreichischen Infrastrukturgesellschaft, wurde sie erfolgreich eingesetzt. Dabei entsteht die Brücke nicht horizontal, sie wird stattdessen vertikal errichtet und dann ausgeklappt. An beiden Seiten eines Betonpfeilers werden dazu senkrecht Träger montiert, die dann ausgeklappt werden können. Ähnlich wie bei einem Regenschirm. „Die beiden Träger sind oben, direkt über dem Pfeiler, durch ein Gelenk miteinander verbunden“, erklärt Johann Kollegger, Professor am Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien und Entwickler der Technik. „Mit hydraulischen Anlagen wird dieses Gelenk dann langsam abgesenkt, dabei klappen sich die Träger auf beiden Seiten aus.“ Die Träger bestehen aus dünnwandigen Fertigteilen mit Stahlbewehrung und sind zunächst hohl. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, werden sie mit Beton ausgegossen. Die Klapp- Konstruktion lässt sich in zwei bis drei Tagen aufstellen, der Ausklappvorgang dauert ungefähr drei Stunden. Es werden somit Zeit, Geld und Ressourcen eingespart.

Sonnenschutzmittel für den Asphalt

Der Verschleiß des Bindemittels Bitumen in Asphaltstraßen führt zu Rissen und Schlaglöchern. Vor allem Licht, Sauerstoff und Wärme setzen dem Bindemittel zu. Wissenschaftler des Instituts für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig haben jetzt herausgefunden, wie sie die UV-Alterungsbeständigkeit von Bitumen mit einem neuen Nanokomposit aus Ton und pyrogener Kieselsäure, die als Füllstoff in Kunststoffen verwendet wird, verbessern können. „Die Modifizierung von Bitumen durch Ton- und pyrogene Kieselsäure-Nanopartikel kann als eine interessante, kostengünstige Technik im Asphaltstraßenbau neue Perspektiven bieten, um Asphaltmaterialien haltbarer zu machen“, sagt Goshtasp Cheraghian, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut.

Hochwasserrückhaltebecken Niederpöbel

Foto: Landestalsperrenverwaltung Sachsen / Sebastian Rieß
Foto: Landestalsperrenverwaltung Sachsen / Sebastian Rieß

Nach neunjähriger Bauzeit wurde im April 2020 das Hochwasserrückhaltebecken Niederpöbel (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) für funktionstüchtig erklärt und der Straßendurchlass, der durch den Damm führt, freigegeben. Das Becken schützt die Bewohner des Osterzgebirges von Schmiedeberg bis Dippoldiswalde besser vor Hochwasser. Mit seiner Speicherkapazität von über einer Million Kubikmeter Wasser wirkt es bis zur Talsperre Malter und hat damit eine Schutzwirkung bis nach Freital und Dresden. Der Freistaat Sachsen und der Bund investierten dafür rund 50 Millionen Euro. Das Rückhaltebecken ist ein sogenanntes grünes Becken. Es wird nur bei Hochwasser eingestaut. Dazu wird im Notfall die Staatsstraße S183, die durch den Damm des Beckens führt, gesperrt und der Verkehr über eine Umleitungsstrecke geführt. Bei einem Vollstau wird die Straße auf einer Länge von 1,2 Kilometern überstaut. Die Wasserfläche ist dann etwa 13 Hektar groß.

Weltweit erstes Schachtkrafwerk am Netz

Foto: Frank Becht / TUM
Foto: Frank Becht / TUM

Im bayerischen Fluss Loisach ist das weltweit erste Schachtwasserkraftwerk in Betrieb gegangen. Es produziert klimafreundlich Strom und schont gleichzeitig die Natur stärker als konventionelle Wasserkraftwerke. Die Turbine wird in einem Schacht im Flussbett versteckt. Fische können über das Kraftwerk hinweg flussabwärts wandern. Bei herkömmlichen Flusskraftwerken wird das Wasser durch ein Maschinenhaus umgeleitet, um die Turbine anzutreiben. Von der Strömung können Fische zum Kraftwerk getrieben und an Turbine und Gittern tödlich verletzt werden. Entwickelt wurde der neue Anlagentyp von einem Team am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Technischen Universität München (TUM).

Ein Hotel aus Modulteilen

Foto: Danny Forster & Architecture
Foto: Danny Forster & Architects

Das Manhattan AC Hotel in New York von Marriott wird so gut wie ausschließlich aus fertig angelieferten Modulen bestehen. Die 168 Gästezimmer werden in einer Fabrik in Polen zusammengebaut, nach Übersee verschifft und nachts per Lkw nach New York gebracht. Die Modulbauweise wurde gewählt, um kosteneffizient und qualitätskontrolliert zu bauen. Gleichzeitig wolle man zeigen, dass ein Turm aus Modulen nicht wie gestapelte Kisten aussehen muss, heißt es vonseiten des Architekturbüros Danny Forster & Architects, das den Turm entworfen hat. Der abgewinkelte, aber hypersymmetrische Gästegrundriss nutze alle Effizienzvorteile, die man beim Bauen in einer Fabrik erhalte. Das Design lasse darüber hinaus noch Variationsmöglichkeiten zu. Und die Fassade sei dermaßen auffällig, dass sie alle Blicke auf sich ziehe.