Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Und diesmal blicken wir nicht weit in die Vergangenheit, sondern auf Pionierinnen unserer Zeit. Von Kerstin Neurohr
Maren Kroymann (*1949) – Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin
Sie war die erste Frau, die im deutschen Fernsehen eine Satire-Sendung bekam, und eine der ersten Frauen der Medienbranche, die sich als lesbisch outeten. Doch von vorne: Maren Kroymann wuchs in Schwaben auf, in einem intellektuellen Elternhaus – beide Eltern sind Altphilologen – und mit vier Brüdern. Sie lernte Klavierspielen, Ballett tanzen und sang im Kinderchor. Nach dem Abitur ging sie für ein Jahr in die USA, wo sie ein Frauencollege besuchte, Schauspielunterricht nahm und zum ersten Mal auf der Bühne stand, dann studierte sie in Tübingen und Berlin Amerikanistik, Anglistik und Romanistik, sang im Hanns Eisler Chor und engagierte sich in linken Bündnissen. 1982 präsentierte sie ihr Programm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ und wurde prompt für das Fernsehen entdeckt, bekannt wurde sie dann durch die Serie „Oh Gott, Herr Pfarrer“. Als erste Frau im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bekam Maren Kroymann 1993 ihre eigene Satiresendung: Nachtschwester Kroymann, im gleichen Jahr outete sie sich als lesbisch. Sie spielte in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen, sie ist Kabarettistin, Comedian (ihre Satiresendung „Kroymann“ läuft seit 2017 in der ARD), Sängerin, Entertainerin – „sowohl als auch“ ist eher ihr Ding als „entweder oder“.
In Kroymann wirft Maren Kroymann zusammen mit Annette Frier und wechselnden Partner*innen einen satirischen Blick auf Frau und Mann, auf Alt und Jung, auf Politik und Gesellschaft. Das Sketch- Comedy-Format wurde ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis und hat bereits zwei Grimme-Preise erhalten, Staffel 3 und 4 sind nominiert für den 57. Grimme- Preis 2021, der am 11. Mai 2021 verliehen wird. Die Folgen sind in der ARD Mediathek abrufbar.
Sabine Töpperwien (*1960) – Sport-Journalistin
Sie ist DIE Radio-Stimme der Bundesliga und war die erste Frau, die live aus einem deutschen Fußballstadion berichtet hat: Beim EM-Halbfinale der Frauen 1989 spielte Deutschland gegen Italien, und am Mikro saß Sabine Töpperwien. Im gleichen Jahr kommentierte sie erstmals ein Bundesliga-Spiel – für einige Männer der Fußballwelt ein Skandal. Aber Sabine Töpperwien hat sich durchgesetzt. Heute, 30 Jahre nach ihrem Debut, hat sie von über 700 Spielen aus dem Stadion berichtet, außerdem von 12 Olympischen Spielen. Sie hat ab 2001 die WDR-Sportredaktion Hörfunk geleitet, bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland war sie Teamchefin Hörfunk der ARD. Ursprünglich stammt Töpperwien aus dem Harz, ihre Familie war sportbegeistert und nahm sie früh mit ins Stadion, der ältere Bruder Rolf war ebenfalls Sportreporter. Sie studierte Sozialwissenschaften, Publizistik und Sport in Göttingen und schrieb ihre Diplomarbeit über Fußball, anschließend ging sie zum NDR und legte dort den Grundstein für ihre journalistische Karriere. Das Angebot, sie zur Expertin für rhythmische Sportgymnastik zu machen, lehnte sie entschieden ab und beharrte auf ihrer Begeisterung für den Fußball. Nun hat sich Sabine Töpperwien vom Mikro verabschiedet: Im Februar ging sie aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand.
Kamala Harris (*1964) – Amerikanische Vizepräsidentin
Seit dem 20. Januar ist sie Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten – die erste Frau, die es in diese Spitzenposition geschafft hat. „Madam Vice President“, das ranghöchste Kabinettsmitglied nach Präsident Joe Biden, wuchs in Kalifornien und Kanada auf. Ihre Mutter war Brustkrebsforscherin und stammte aus Indien, ihr Vater war Wirtschaftsprofessor und kam aus Jamaika – sie trennten sich, als Kamala Harris sieben Jahre alt war. Maya Harris, ihre jüngere Schwester, leitete den Präsidentschaftswahlkampf. Kamala Harris ist Juristin (hat aber auch einen Bachelor in Politikwissenschaft und Wirtschaftswissenschaft). Sie machte Karriere als Staatsanwältin – galt als klug und ehrgeizig, war häufig umstritten, und ganz oft war sie die Erste: die erste weibliche Bezirksstaatsanwältin von San Francisco, die erste weibliche und die erste schwarze Attorney General von Kalifornien (quasi eine Kombination aus Justizministerin und Generalstaatsanwältin). „While I may be the first, I won’t be the last”, sagte Harris nach ihrer Wahl – sie ebnet den Weg für andere Frauen, wie es Pionierinnen eben tun.
Buchtipp:
Kamala Harris: Der Wahrheit verpflichtet: Meine Geschichte – die Autobiographie. Siedler 2021. 22 Euro
Özlem Türeci (*1967) – Impfstoff-Entwicklerin
Eigentlich hatte sie es sich zur Mission gemacht, die Krebstherapie zu revolutionieren. Als sie Anfang 2020 von einem Virus Sars-CoV-2 – dem Corona-Virus hörte, ließ sie die Arbeit liegen und machte sich daran, einen Impfstoff zu entwickeln. Özlem Türeci arbeitet gemeinsam mit ihrem Mann Uğur Şahin, die beiden sind Gründer der Firma Biontech mit Sitz in Mainz. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Im November 2020 konnten die beiden den Durchbruch bekannt geben, ihr Impfstoff schützt zu mehr als 90 Prozent, und im Dezember wurden in Deutschland die ersten Menschen geimpft.
Özlem Türeci ist eine Ausnahmeforscherin: Überaus klug, überaus ehrgeizig. Sie wurde in Deutschland geboren, ihre ersten vier Lebensjahre verbrachte sie bei den Großeltern in Istanbul, dann lebte sie in Norddeutschland, wo ihr Vater als Chirurg arbeitete. Zum Medizinstudium ging sie nach Homburg im Saarland, dort lernte sie ihren späteren Mann Uğur Şahin kennen, mit dem sie eine Tochter hat. Ihr Weg führte sie dann nach Mainz, wo sie habilitierte und als Privatdozentin tätig war. Mit ihrem Mann gründete sie zuerst das Unternehmen Ganymed Pharmaceuticals, das später an einen japanischen Konzern verkauft wurde, und dann Biontech. Im März 2021 erhielten Özlem Türeci und Ugur Sahin das Bundesverdienstkreuz. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Impfstoff als „Dienst an der Menschheit“.