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In Kanzleien versprechen Legal Tech-Lösungen mehr Effektivität, zudem das Ende der mühsamen Routinearbeit. Ein Leitsatz sagt: Alles, was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert. Experten sagen: Mag stimmen – aber die persönliche Rechtsberatung zählt eben nicht dazu. Deshalb suchen die Kanzleien nach Nachwuchs, der beides hat: digitales Denken und die Empathie eines Beraters. Von André Boße

Legal Tech ist in vielen Kanzleien und Rechtsabteilungen keine Zukunftsmusik mehr, digitale Prozesse gehören an vielen Stellen zum Alltag. „Digitale Vertragsakten, intelligente Compliance- Management-Systeme und innovative Enterprise-Legal-Management- Lösungen sind praxiserprobte Hilfsmittel“, heißt es in der Studie „Legal Technology 2018“, die vom Software- Dienstleister Wolters Kluwer erstellt und herausgegeben wurde. Mit Blick auf die Rechtsabteilungen in Unternehmen machen die Autoren deutlich, welche Hoffnungen man dort auf Legal Tech-Lösungen setzt: „Die obersten Ziele, die mit der Einführung von Legal Technology in der Rechtsabteilung verfolgt werden, sind die Optimierung von Arbeitsabläufen (42,52 Prozent) und Kosten (23,95 Prozent)“, schreiben die Autoren Ralph Vonderstein und Marc Morawietz. Kurz: Es geht um Effizienz.

Legal Tech optimiert

Aber auch in der Königsdisziplin der anwaltlichen Arbeit, nämlich der Rechtsberatung, geraten digitale Lösungen mehr und mehr in den Fokus. „Roboter oder auf künstlicher Intelligenz basierende IT-Lösungen werden Anwälte in absehbarer Zukunft nicht ersetzen. Aber sie werden gerade in der Beratung mehr als nur Routineaufgaben für sie erledigen können“, schreiben die Autoren. Dazu nennen sie drei Beispiele:

Legal Tech in Rechtsabteilungen

Über 70 Prozent der Rechtsabteilungen in deutschen Unternehmen halten die Einführung von Legal Technology für unverzichtbar, doch nur drei Prozent arbeiten bereits strategisch an und mit entsprechenden Lösungen. Das ergab die repräsentative Studie „Legal Technology 2018“, die Wolters Kluwer Deutschland und Corporate Legal Insights (CLI) durchgeführt haben. Die größte Herausforderung wird in funktionsfähigen und sicheren Datenschnittstellen gesehen. Jeder fünfte Befragte erwartet, dass neue Arbeitsabläufe und ein höherer Weiterbildungsaufwand der Juristen im Hinblick auf IT-Themen erforderlich werden.

Weitere Infos unter: www.wolterskluwer.de

Eine Distributed Ledger Technologie (DLT), die in Form der Blockchain der Kryptowährung Bitcoin zugrunde liegt, „könnte aufwendige Verifizierungen und Authentifizierungen im Vertrags- und Immobilienrecht überflüssig machen.“ Sogenannte Chatbots beantworteten schon heute einfache Fragestellungen in klar umrissenen juristischen Bereichen. „In Zukunft könnten sie Anwälte und Mandanten auch bei komplexeren Fragen unterstützen.“ Zudem befinden sich laut der beiden Studienautoren „eine Reihe von Projekten in der Erprobung, die künstliche Intelligenz mit juristischem Wissen verknüpfen.“ Von einigen wenigen Kanzleien würden diese bereits heute gezielt eingesetzt.

Blockchain? Chatbots? Das klingt selbst für recht IT-affine Juristen mit Blick auf den Anwaltsberuf dann doch noch eher nach Zukunft. Wie soll es da erst den Mandanten gehen, die häufig mit komplexen und individuellen Problemen in die Kanzleien kommen und sich von ihrem anwaltlichen Berater erhoffen, dass er die Komplexität reduziert – und nicht noch eine komplizierte Ebene mit digitalen Fachbegriffen obendrauf packt? Beraten heißt: Bewerten und überzeugen

Nicht verwunderlich, dass es bereits jetzt eine erste kleinere Bewegung gibt, die Legal Tech eine Art Renaissance der persönlichen anwaltlichen Beratung entgegensetzt. Klar, smarte IT-Lösungen und intensives Mandantengespräch schließen sich nicht aus. Jedoch legen die Kanzleien in ihrer Ansprache zu den Mandanten, aber auch im Recruiting junger Nachwuchskräfte Wert darauf, dass das individuelle und menschliche Element der Beratung an erster Stelle steht.

„Beratung heißt immer auch: Bewerten und überzeugen“, sagt Dr. Joachim Gores, Partner der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein in Essen. Der Jurist arbeitet als Rechtsanwalt und Notar vor allem in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A. Und seit vielen Jahren ist er mit einem Team für das Recruiting der Kanzlei verantwortlich. Seiner Einschätzung nach gehe es im Wirtschaftsrecht um mehr als um die technische Informationsverarbeitung und die Bewältigung großer Datenmengen. „Legal Tech beruht auf Algorithmen und darauf, was Menschen vorher anhand logischer Muster hinterlegt haben. Die Einschätzung und Bewertung eines erfahrenen Beraters kann man damit nicht ersetzen, sondern nur unterstützen und ergänzen.“

Blockchain: viele Fragen offen

Als Blockchain bezeichnet man eine Art digitales Kassenbuch, mit der jede Transaktion zwischen Parteien transparent erfasst und mit jedem Detail gespeichert wird. Offen und unvergesslich: Die Technik eignet sich in der Theorie damit für einen weltweiten, schnellen und unkomplizierten Austausch von Werten.

Auch „Smart Contracts“ sind ein Thema, also Verträge, die keinen Notar mehr benötigen. Die Unternehmensberatung KPMG hat nun aber festgestellt, dass diese Technik juristisch auf wackeligen Beinen steht: „Derzeit sind fast alle juristischen Fragen im Hinblick auf die regulatorische Einordnung offen“, heißt es in einem Infopapier. „So könnte beispielsweise eine Erlaubnispflicht bestehen, wenn der Handel mit Finanzinstrumenten oder das Erbringen von Zahlungsdiensten auf Grundlage der Blockchain-Technologie erfolgt. Auch die Frage der Haftung muss geklärt werden.“

kpmg-law.de

Joachim Gores glaubt auch nicht, dass die Mandanten einer Wirtschaftskanzlei alleine diesen Algorithmen genügend Vertrauen entgegenbringen, um daraufhin Handlungen abzuleiten. „Dass ein Unternehmer seine Entscheidung letztlich aufgrund des ‚Austauschs’ mit einem technischen System fällt, ist kaum vorstellbar.“ Der Wirtschaftsanwalt ist überzeugt: „Um Handlungsalternativen darzustellen, Chancen und Risiken abzuwägen und Reaktionen auf das eigene unternehmerische Handeln einzuschätzen, ist die persönliche Kommunikation unabdingbar.“

Legal Tech-Labore in Kanzleien

Das ist auch der Grund, warum in vielen Kanzleien Legal Tech-Anwendungen zunächst nur intern eine Rolle spielen – also, um Arbeitsprozesse in den Sozietäten neu zu organisieren. Das ist auch bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons der Fall. Dr. Florian von Baum ist dort seit 2012 Partner, seit 2016 leitet er das Büro München und hat sich auf die Beratung von Unternehmen im Bereich IT/Software, Telekommunikation, Automotive sowie Biotech/Life Sciences spezialisiert. Das sind Mandanten aus hochtechnologischen Branchen.

Aktuell bestimmen seinen Arbeitsalltag „noch mehr unsere internen Legal-Tech-Anwendungen, dies aber in zunehmendem Maße“. In der Zukunft werde es seiner Meinung aber schon auch darum gehen, entsprechende Legal Tech-Produkte für Mandanten zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. „Wir stellen uns dabei die Frage, wie weit wir solche Dinge intern entwickeln – in Großbritannien haben wir dafür ein Entwicklungszentrum – oder ob wir auf Kooperation mit Dritten setzen.“

Es ist also möglich, dass innerhalb der Kanzleien in naher Zukunft Labore entstehen, in denen IT-Experten und Juristen gemeinsam an Legal Tech- Lösungen für Mandanten arbeiten. Aber gerade dann sei es wichtig, dass das Thema Legal Tech nicht zu isoliert betrachtet werde: Ausrichten müsse sich die Strategie an den „Kategorien ‚People, Process & Technology’“, sagt Florian von Baum. Zu beachten ist die Reihenfolge: Vorne stehen die Menschen, erst dann folgen der Prozess und die Technologie. „Wenn man es positiv sehen will, werden die externen – wie übrigens auch die unternehmensinternen – Rechtsberater von vielen, oftmals lästigen und zeitaufwendigen Arbeiten entlastet“, sagt Florian von Baum. „Und das bedeutet, dass sich der Anwalt wieder mehr um die eigentlich wichtige strategische und persönliche Beratung kümmern kann.“

Consulting Tech & Legal Tech

Die Nachfrage nach einer strategischen und digitalen Beratung für Kanzleien und auch Rechtsabteilungen in Unternehmen steigt, schließlich müssen die Akteure einen Weg finden, wie digitale Lösungen in das People’s Business eingefügt werden können. Der Buchautor Matthias Buchholz glaubt, dass dadurch ganz neue Job-Profile für externe und interne Berater entstehen. Zusammengefasst hat er sie in seinem E-Book: „Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter“, in dem er sehr konkret zwölf Consulting 4.0-Geschäftsmodelle benennt, insbesondere auch mit Fokus auf die digitale Transformation in Kanzleien.

Matthias Buchholz: Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter. Epubli 2017, 7,99 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

Betrachten müsse man aber auch, dass das hergebrachte Geschäftsmodell von Kanzleien, nämlich auf Basis von „Zeiteinheiten“ abzurechnen, nicht mehr funktionieren wird, wenn Algorithmen Teile dieser Jobs erledigen. Der Jurist glaubt daher, dass sich die Struktur der Angebote der Kanzleien ändern wird. „Wir werden neben der eigentlichen Beratung vielmehr in Produktkategorien denken müssen. Das verlangt vom Anwalt neben dem rechtlichen und technischen Know-how noch mehr betriebswirtschaftliche Expertise“.

Job zwischen IT-Expertise und People Business

Für den juristischen Nachwuchs in den Kanzleien ergibt sich dadurch eine besondere Konstellation: Zum einen zählen sie zu den Hoffnungsträgern, um Legal Tech weiter voranzubringen, oft in sehr enger Kooperation mit IT-Experten – und dann eben auch noch mit der ökonomischen Dimension im Hinterkopf. Auf der anderen Seite müssen sie der Strategie gerecht werden, nach der anwaltliche Beratung ein „People Business“ bleibt. Ein schwieriger Spagat!

Was die digitale Kompetenz betrifft, beobachtet Florian von Baum durchaus einen Wissensvorsprung der jüngeren Generation, der sich schon alleine aus den Erfahrungen in der Lebenswelt ergibt. Er selbst, zugelassener Rechtsanwalt seit 1996, nennt sich im Gegensatz zu den „Digtal Natives“ einen „Digital Immigrant“: „Daher kostet mich die Übung, ‚up to date’ zu bleiben ein bisschen mehr Anstrengung.“ Weshalb das IT-Recht gerade für die neue Generation von Anwälten ein so spannendes Thema sei. „Und was ich jedem nur empfehlen kann: regelmäßig ins Silicon Valley fahren und dort ein Netzwerk aufbauen.“

Aber wie führt man den technikbegeisterten Nachwuchs an die persönliche Beratung heran, ohne, dass er dabei die Motivation verliert, digitale Ideen immer auf dem Schirm zu haben? Joachim Gores von Kümmerlein setzt vor allem auf eines: Praxiserfahrung. „Wir lassen unsere jungen Anwältinnen und Anwälte im Mandat unmittelbar erleben, welche Facetten zu einer wirtschaftsrechtlichen Beratung gehören“, sagt der fürs Recruiting verantwortliche Partner.

Wer zum Beispiel vom Anfang bis zum Ende in einem M&A-Projekt mitgearbeitet habe, könne nach kurzer Zeit einschätzen, welchen Teil der Arbeit vielleicht von Legal Tech erledigt werden könnte – und welcher eben nicht. „Zum anderen engagieren wir erfahrene Kommunikationsprofis für interne Schulungen, die zusammen mit den jungen Kollegen persönliche Fähigkeiten ansprechen, die für den Beraterberuf unabdingbar sind.“ Und wo genau können künstliche Intelligenz und Big Data nun helfen? „Legal Tech wird bei der Bearbeitung von Massenverfahren und standardisierungsfähigen Vorgängen viel leisten können“, sagt Joachim Gores. Auch bei der Bereitstellung von intelligenten Vertragsmustern sehe er einiges Potential, zudem „bei der Unterstützung operativer Einheiten, wenn Aufgaben mit juristischem Bezug ohne Einschaltung der Rechtsabteilung gelöst werden sollen“.

Anwaltsberuf: Zu komplex für die KI

Legal Tech: neue Geschäftsmodelle

Bestimmte Rechtsbereiche bieten sich geradezu an, sehr stark auf Legal Tech-Lösungen zu setzen. Zum Beispiel die Frage nach den Rechten von Flugpassagieren bei verspäteten oder ausgefallenen Flüge. Hier gibt es bereits eine Menge Anbieter, die ganz neue Ansätze verwirklichen: zum Beispiel den, dass der Kunde nur im Erfolgsfall zahlt. Die Digitale Anwaltschaft, eine Arbeitsgruppe des Deutschen Anwaltvereins, bietet auf ihrer Homepage einen Überblick über bereits existierende autorisierte Rechtsberatungen. Es zeigt sich: die Vielfalt ist schon heute groß – neben Verbraucherrechten gibt es auch Angebote bei Scheidungen und Unfällen, Problemen mit dem Vermieter und der Verkehrskontrolle.

Sicher sei aber auch: Die rechtlichen Herausforderungen, mit denen man gerade in einer Wirtschaftskanzlei tagtäglich konfrontiert werde, seien viel zu komplex und individuell, dass sie komplett von digitaler Automation übernommen werden könnten. „Daher wird die persönliche rechtliche Beratung trotz aller technischen Neuentwicklungen auf allen Gebieten an Bedeutung gewinnen“, schätzt Gores. „Vor allem, wenn es nicht nur darum geht, Risiken aufzudecken, sondern darum, kreative Lösungen zu entwickeln.“

Denn das ist ja gerade die große Kompetenz eines Juristen, der sich als individueller Rechtsberater versteht: Standardlösungen erarbeiten, das können viele. Für den Mandanten genau die richtige Lösung zu finden und dabei auch Facetten im Blick zu haben, die sogar den Legal Tech-Algorithmen entgehen und in den riesigen Datensätzen überhaupt nicht auftauchen, weil sie etwas mit Empathie zu tun haben, das ist und bleibt die Königsdisziplin des Juristen. Wobei es smart ist, sich dabei von der digitalen Technik helfen zu lassen.

Legal Tech-Entwickler und Wirtschaftsjurist Andreas Ziegenhagen

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Die Großkanzlei Dentons hat mit Nextlaw Labs ein virtuelles Labor entwickelt, in dem Juristen und IT-Spezialisten Legal Tech-Lösungen erarbeiten. Andreas Ziegenhagen, Leiter der deutschen Büros Dentons Europe LLP erzählt, wie dort die Prozesse funktionieren, an welchen Systemen man arbeitet und warum in der Folge die emotionale Intelligenz der Anwälte von immer größerer Bedeutung ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Ziegenhagen ist bei Dentons Managing Partner Deutschland und European Head der Praxisgruppe Restrukturierung. Er ist spezialisiert auf die rechtliche und steuerliche Beratung bei Unternehmenstransaktionen, Restrukturierung und Insolvenzrecht, Unternehmenssteuerrecht und Gesellschafts-, Bank- und Bilanzrecht. Zudem gehört er zu den wenigen deutschen Rechtsanwälten, die gleichzeitig Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind. Seit Januar 2006 ist er Partner bei Dentons in Berlin und zudem Geschäftsführer der Dentons GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft. Er begann seine Karriere bei Haarmann Hemmelrath, wurde 2001 zum Partner ernannt und 2004 Leiter der Praxisgruppe Insolvenz und Sanierung. Zudem ist er Mitglied im Global Board und European Board von Dentons.

Herr Ziegenhagen, können Sie kurz einen Überblick über die Dinge geben, die in den Nextlaw Labs entwickelt werden?
Nextlaw Labs versteht sich als eine Plattform, die innovative technische Lösungen für Probleme entwickelt, die Anwälten in ihrer täglichen Praxis immer wieder begegnen. Am Anfang geht es darum, diese Herausforderungen im Austausch mit Anwälten und Mandanten zu identifizieren. Anschließend versuchen wir, den Weg zu einer technischen Innovation vom Anfang bis zum Ende in umsetzbare Abschnitte zu gliedern.

Geht es darum, Lösungen zu vereinheitlichen?
Nein, denn für verschiedene und komplexe Probleme gibt es keine einheitlichen Lösungen, weshalb für uns bei der Lösungsfindung immer die enge Zusammenarbeit mit Mandanten und Anwälten entscheidend ist. Wir gehen dabei so vor, wie es beispielsweise auch ein Designer hinsichtlich Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit tun würde. Wir sind immer mit einem konkreten Anwendungsfall beschäftigt, der von unseren Mandanten und Anwälten nachgefragt wird.

Warum haben Sie diese technischen Entwicklungen zunächst in die Nextlaw Labs ausgegliedert?
Innovation ist immer auf schnelle Feedback-Prozesse angewiesen. In einer klassischen Kanzleiumgebung ist das nur schwer umzusetzen. Wir haben für das Testen neuer Software ein sogenanntes Sandbox-Konzept entwickelt, mit dem auch noch nicht ausgereifte Programme in einer Testphase gefahrlos ausprobiert, geprüft und weiterentwickelt werden können, ohne, dass sie Auswirkungen auf unsere normale IT-Struktur haben.

Wie kann man sich diese „Labs“ vorstellen, sitzen da Juristen und IT-Experten gemeinsam in echten oder virtuellen Räumen, findet man tatsächlich eine Art „Labor-Situation“ vor?
Nextlaw Labs ist ein virtuelles Labor, es gibt also in diesem Sinne keine physischen Laborräume, in denen die Entwicklung stattfindet. Stattdessen können wir über mehrere Zeitzonen hinweg mit digitalen Kommunika- tionstools arbeiten und Entwickler und Nutzer auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Produkt aus unseren „Labors“ ist „Qualmet“:

Ein Dentons- Mandant, ein amerikanisches Fortune 500-Unternehmen, hatte uns auf ein zentrales Problem für die Rechtsabteilungen in Unternehmen aufmerksam gemacht: Vielen Inhouse- Rechtsabteilungen fehlt ein Standard, um objektiv die Qualität der von externen Beratern erbrachten Rechtsdienstleistungen zu messen. Der Mandant wandte sich an Nextlaw Labs, um ein Tech-Unternehmen aufzubauen, das ein solches System entwickeln kann. Nextlaw Labs hat dann das Know-how an der Schnittstelle von Recht und Technologie zur Verfügung gestellt und Qualmet entwickelt. Dabei haben die Anwälte von Dentons eine zentrale Rolle gespielt. Heute ist Qualmet mit mehreren Beta-Versionen in verschiedenen Inhouse-Rechtsabteilungen im Einsatz.

Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können.

In welchen weiteren Bereichen können neue Techniken zum Einsatz kommen?
Unser Ziel ist es, unsere Anwälte dahingehend zu schulen, sich bei ihren größten Herausforderungen innovativer Mittel zu bedienen. Auf diesem Weg können unsere Anwälte einerseits ihren Mandanten einen Mehrwert bieten und zugleich die Zufriedenheit mit den eigenen Arbeitsbedingungen steigern. Wir sehen Technologie als eine Lösung für insbesondere die repetitive und kleinteilige Arbeit, mit der gerade junge Anwälte häufig konfrontiert sind. Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können. Erst die emotionale Intelligenz im Umgang mit Mandanten macht einen guten Anwalt zu einem sehr guten Anwalt. Was dagegen nie durch Technik ersetzt werden kann, ist die vertrauensvolle Mandantenbeziehung. Technologie kann diese lediglich effizienter gestalten.

Sie sprachen schon von Beta-Versionen, die im Einsatz sind. In der IT-Branche werden diese zu Testzwecken veröffentlicht, Feedbackschlaufen und Verbesserungen sind impliziert. Ist so etwas im Rechtsbereich möglich, schließlich kann jede Fehlleistung für den Mandanten sehr unangenehme Folgen haben.
Der Einsatz von Beta-Versionen ist ein hervorragendes Instrument, um die Lösung eines Problems auf der Grundlage von Feedback weiter zu verfeinern. Noch vorhandene Fehler sind in diesem Sinne hilfreich für die Optimierung. Entscheidend ist, dass unternehmenskritische Risiken identifiziert und ausgeschlossen wurden, bevor eine Beta-Version zum Einsatz kommt. Darüber hinaus besteht das Ziel eines Beta-Release darin, nicht identifizierte Risiken weiter auszuschließen. Dies geschieht idealerweise in einem risikofreien Test-Umfeld und in enger Abstimmung mit dem Mandanten sowie den wichtigsten Akteuren des Unternehmens.

Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger.

Mit Blick auf die Absolventen, die nun Ihre Karriere beginnen: Wie können sich junge Juristen heute auf Legal Tech-Innovationen vorbereiten?
Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger. Repetitive Tätigkeiten können sinnvoll an technische Programme delegiert werden. Das schafft mehr Raum für die besonders interessanten Aspekte des Anwaltsberufs. Die Fertigkeiten, die für die Ausbildung und den Erfolg eines Nachwuchsjuristen unerlässlich bleiben, sind daher insbesondere Fähigkeit zum kreativen Problemlösen, zum kritischen Denken sowie zum souveränen Umgang mit Sprache. Auch ein solides Hintergrundwissen über gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, Akteure und Themen bleibt unerlässlich für gute Juristen. All das kann in naher Zukunft – glücklicherweise möchte man sagen – nicht durch künstliche Intelligenz oder eine andere Technologie ersetzt werden.

Glauben Sie daran, dass in großen Kanzleien früher oder später ganz neue Job-Profile an der Schnittstelle zwischen Recht und IT entstehen?
Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Ein neues Berufsprofil, das in Großkanzleien bereits deutlich Gestalt annimmt, ist das des Legal Engineer. Im Entwicklungsprozess bei Nextlaw Labs sehen wir, dass technisch versierte Juristen oder Software-Spezialisten mit juristischer Zusatzausbildung immer wichtiger werden. Sie überbrücken die Lücke zwischen juristischer Expertise und Technik und erhöhen mit ihrem doppelten Know-how die Chance, dass sich eine neue Technologie im Rechtsmarkt etablieren kann.

Wir sehen auch eine interessante Dynamik im Bereich von Technologie-Startups, wo sich Gründer mit einem juristischen Abschluss zu Geschäftsleuten mit einer Mischung aus technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Fähigkeiten entwickeln. Fachleute mit multidisziplinären Fähigkeiten überblicken zusätzlich zu ihrer fachlichen Spezialisierung die größeren Zusammenhänge im Markt und merken gerade dadurch, wo technische Innovationen jenseits von modischen Schlagwörtern überhaupt nachgefragt werden.

Nextlaw Labs

Nextlaw Labs ist eine Plattform, die mit Fokus auf Investition, Entwicklung und Einsatz neuer Technologien den Rechtsmarkt verändern möchte. Sie ist eine autonome Tochtergesellschaft der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons mit physischen und virtuellen Standorten in Technologiezentren auf der ganzen Welt. Durch ergänzende und strategische Partnerschaften mit führenden Technologieunternehmen, Start-ups und etablierten Rechtsanbietern investiert NextLaw Labs in vielversprechende Unternehmen und entwickelt eine Technologiereihe mit dem Ziel, den Mandantenservice zu verbessern und die Lösungen für Mandanten zu erweitern.

Fraud Manager: Betrug bekämpfen

Fraud Manager spielen eine immer wichtiger werdende Rolle bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität – sowohl in großen Firmen wie auch bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Von Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert, Polizeipräsident a. D., Dr. Buchert & Partner, Frankfurt am Main

Bei Fraud Management geht es primär um die Abwehr und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, von der in den letzten Jahren – glaubt man namhaften Studien – rund die Hälfte aller großen und mehr als ein Drittel aller Unternehmen in Deutschland betroffen waren. Der englische Begriff Fraud wird hier nicht nur für die verschiedenen Formen von Betrug, sondern als Oberbegriff für eine Vielzahl wirtschaftskrimineller Handlungen sowie für alle Facetten von Unternehmenskriminalität gebraucht: zum Beispiel Untreue, Geldwäsche, Bilanzfälschung, Korruption oder Datenmissbrauch.

m Prinzip geht es um die Bündelung verschiedener Maßnahmen, die darauf abzielen, dolose Handlungen zu vermeiden, aufzudecken und aufzuarbeiten. Also alle vorsätzlichen und grob fahrlässigen Schädigungen eines Unternehmens. Aufgabe eines (Anti-)Fraud-Managers ist es, ein Sicherheits- und Überwachungskonzept aufzubauen oder weiterzuentwickeln und in diesem Rahmen Verdachtsmomenten nachzugehen und sie aufzuklären. Das wird oft in Form oder im Rahmen von Compliance-Management-Systemen (CMS) erfolgen und Bestandteil eines internen Kontrollsystems (IKS) sein.

Fraud Management ist also durch die drei Säulen der Prävention, der Aufdeckung und der Aufarbeitung gekennzeichnet. Dabei sollte die Vorbeugung eigentlich die wichtigste Rolle spielen, was aber keineswegs immer der Fall ist. Je nach Struktur eines Unternehmens sind solche Funktionen in der Rechtsoder Compliance-Abteilung, der Revision oder zum Beispiel bei Finanzdienstleistern in gesonderten Organisationseinheiten zusammen mit Geldwäschebekämpfung angesiedelt. Volkswagen hat für die Ermittlungen seit einiger Zeit ein eigenes Investigation Office gegründet. Große Firmen haben in ihren Revisionsabteilungen Einheiten für interne Ermittlungen gebildet.

MBA-Studiengang und Zertifikatskurs

An der School of Governance, Risk & Compliance (School GRC) wird der MBA in der Vertiefung Wirtschaftskriminalität & Compliance angeboten (www.school-grc.de/studium/master-of-business-administration.html) und einen Zertifikatsstudiengang zum „Certified Fraud Manager (CFM)“ bietet die Frankfurt School of Finance and Management an (www.frankfurt-school.de/home/executive-education/governance-audit/zertifikatsstudiengang-certified-fraud-manager.html).

Familienunternehmen scheuen sich oder zögern oft ein Fraud Management zu etablieren und setzen vor allem auf eine Vertrauenskultur. Die Erfahrungen weisen aber in die Richtung, neben dem Vertrauen, das man in die Mitarbeiter setzt, auch angemessene Kontrollsysteme einzurichten. Juristen haben gute Berufschancen im Fraud Management, ebenso Absolventen der Wirtschaftswissenschaften. Zusätzliche Ausbildungen oder Erfahrungen in den Bereichen Interne Revision, Finanz- und Rechnungswesen oder Controlling sind vorteilhaft. Einen speziellen Studiengang gibt es nicht, wohl aber MBA-Programme mit entsprechenden Schwerpunkten. Als Arbeitgeber kommen vor allem große Unternehmen und der gesamte Mittelstand in Betracht. Aber auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften suchen Manager für das Fraud Management, das sie ihren Kunden anbieten.

Europarechtler

Das Europarecht ist in aller Munde. Beinahe täglich hören wir von wegweisenden EuGH-Urteilen, neuen Richtlinien aus Brüssel, Beschlüssen und Vorschlägen der EU-Kommission, Kompetenzkonflikten zwischen den Gerichtsbarkeiten. Wer schaut da noch durch? Und kann es „den“ Europarechtler überhaupt noch geben? Von Dr. Ulrich Karpenstein, Partner bei Redeker Sellner Dahs, Berlin/Brüssel

Gewiss kann es den allwissenden „Europa-Anwalt“ ebenso wenig geben, wie einen Anwalt für das gesamte deutsche Recht. Der Normenbestand des europäischen Sekundärrechts ist dafür längst zu groß geworden. Deshalb und dafür gibt es in der Anwalt- und Beamtenschaft Spezialisten, die sich in den europarechtlich geprägten Sachmaterien auskennen, sie begleiten und auf den Einzelfall anwenden – vom Kartell- und Beihilfenrecht, Umwelt-, Zoll- und Außenwirtschaftsrecht, bis hin zum europäischen Asyl- und Gesellschaftsrecht.

Und doch gibt es auch „die“ Europarechtler, die mit wissenschaftlicher Durchdringung das gesamte Spektrum des europäischen Primär- und Sekundärrechts, namentlich in politisch relevanten Fällen, abdecken. Nur wenige Kanzleien bieten dieses Spektrum an – umso vielfältiger und spannender sind die Verfahren, um die es dann geht:

Entsprechen die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Stabilitätsmechanismus dem deutschen und dem europäischen Verfassungsrecht? Lässt sich die Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbaren? Wie weit reichen nach den EU-Verträgen die Kompetenzen der EU-Kommission und des EuGH zur Sanktionierung der Mitgliedstaaten? Haben die Mitgliedstaaten eine Beurteilungsprärogative zum Schutz ihrer nationalen Interessen, etwa in der Umwelt-, der Verteidigungs- oder der Gesundheitspolitik? Und unter welchen Voraussetzungen haftet Deutschland für die Nichtumsetzung von Unionsrecht?

Interessierte Berufsanfänger tun gut daran, sich Kanzleien oder Behörden, die dieses Spektrum anbieten, schon im Referendariat anzusehen.

Alle diese und unzählige weitere Fragen treten in den unterschiedlichsten Konstellationen auf, werden von Mandanten mit divergierenden Interessen – von den mitgliedstaatlichen Regierungen über Unternehmen und Verbände bis hin zu europäischen Institutionen – aufgeworfen und müssen meist vor Gerichten ausgefochten werden, die unterschiedlicher nicht sein können: Den Unionsgerichten (EuG und EuGH), die für ihre europarechtsfreundliche Entscheidungspraxis bekannt sind und deutschen Zivil- und Fachgerichten, von denen viele das Unionsrecht und den EuGH noch immer scheuen.

Interessierte Berufsanfänger tun gut daran, sich Kanzleien oder Behörden, die dieses Spektrum anbieten, schon im Referendariat anzusehen. Erwartet werden – neben politischem Fingerspitzengefühl – herausragende rechtswissenschaftliche Fähigkeiten, Engagement sowie eine Formulierungsgabe, die den anspruchsvollen Erwartungen der Mandanten – ihrerseits meist erfahrene Juristen aus Rechtsabteilungen – in jeder Hinsicht gerecht wird. Ihnen sei versprochen: Der Aufwand lohnt!

Social Media-Recht

Beratung im Social Media-Recht benötigen sowohl Agenturen und Unternehmen als auch Privatpersonen. Anwälte müssen sich in vielen Bereichen auskennen und sich ständig weiterbilden, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dafür werden sie mit einem abwechslungsreichen, spannenden Berufsfeld belohnt. Von Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner bei der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke

Heutzutage gibt es kaum noch ein Unternehmen, das sich die sozialen Netzwerke nicht zunutze macht. Marketing- und PR-Strategien setzen bewusst auf die meist kostenfreien sozialen Plattformen, auf denen sich Millionen interessierter Nutzer tummeln. Neben den „älteren“ Netzwerken wie Facebook, Google+, XING, LinkedIn oder Twitter ist in der jüngsten Zeit die Plattform Instagram der Renner. Doch die Nutzung von Social Media birgt auch einige rechtliche Risiken.

Von der Impressumspflicht und der Datenschutzerklärung über das rechtskonforme Direkt- oder Influencer-Marketing bis hin zu arbeitsrechtlichen Aspekten, Problemen aus dem Haftungsrecht oder dem Urheberrecht gibt es viele rechtliche Fallstricke.

Häufig geht es hier um die Abwehr von „Hate Speech“ im Netz, also um die Abwehr anderer Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Oder darum, die Verbreitung von Bildern der Person im Netz zu verhindern.

Ein Social Media-Anwalt bietet zunächst Hilfestellung, wenn es darum geht, die Probleme im Vorfeld aufzuspüren. So müssen Marketingaktionen stets sowohl auf ihre Gesetzeskonformität als auch auf ihre Kompatibilität mit den AGB des sozialen Netzwerks geprüft werden. Beratungsbedarf im Urheberrecht entsteht zum Beispiel bei der Einstellung von Inhalten wie Bildern, Texten oder Musik.

Daneben steht der Anwalt aber natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn es doch einmal zu einer Abmahnung gekommen sein sollte und man dagegen vorgehen möchte. Auch berät er seine Mandanten, wenn sie einem „Shitstorm“, einer ungerechtfertigten negativen Bewertung oder einer anderen Unternehmenspersönlichkeitsrechtsverletzung ausgesetzt sind.

Aber auch im privaten Bereich kommt es zu rechtlichen Problemen: Häufig geht es hier um die Abwehr von „Hate Speech“ im Netz, also um die Abwehr anderer Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Oder darum, die Verbreitung von Bildern der Person im Netz zu verhindern.

Vielseitig interessierte Anwälte an Puls der Zeit

Gerade weil der Bereich Social Media so groß ist, sind es die Aufgaben eines Social Media-Anwalts entsprechend auch. Daher benötigt man besondere Expertise in verschiedensten Rechtsgebieten wie zum Beispiel dem Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Medienrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht und Datenschutzrecht. Es lohnt sich insbesondere ein Fachanwaltslehrgang im Medienrecht.

Hauptvoraussetzung für den Beruf ist eine gewisse Begeisterung für die sozialen Medien. Hinzu kommt die Bereitschaft, sich in diesem schnelllebigen Rechtsbereich konstant weiterzubilden. Denn in diesem Bereich gibt es ständig Neuerungen in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Auch die Plattformen selbst ändern ständig ihre Nutzungsbedingungen und entwickeln ihre Dienste fortlaufend weiter. Dafür wird man mit einem abwechslungsreichen und spannenden Berufsfeld belohnt.

Baurechtler

Die anwaltliche Tätigkeit des Baurechtlers folgt im Wesentlichen dem klassischen Leitbild des deutschen Anwaltsberufs. Seine Tätigkeit ist dementsprechend vielseitig und reicht von der strategischen Konzeption der Entwicklung eines Bauvorhabens „am Reißbrett“ über die Baurechtschaffung und Aushandlung der relevanten Verträge mit allen Baubeteiligten und Beratung während der Bauabwicklung bis hin zur Nachverfolgung von Mängeln im Rahmen der Gewährleistung und der Beratung beim „Exit“ beziehungsweise Weiterverkauf des Objekts. Von Dr. Maximilian R. Jahn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei GvW Graf von Westphalen, ab 1. Januar 2019 bei der Kanzlei Jahn Hettler Partner

Im Regelfall stehen gleich drei große Themen des Schuldrechts im Mittelpunkt: Kosten (= Vergütung), Termine (= Verzug) und Qualitäten (= Mängel). Besteht (und wenn ja in welcher Höhe?) ein Vergütungsanspruch aufgrund einer nachträglichen Änderung des Bauvorhabens oder war der Aspekt bereits vom vertraglichen „Bausoll“ umfasst? Wurde ein Zwischentermin mit der Folge eines Vertragsstrafeanspruchs „gerissen“, obwohl zunächst eine „Behinderung“ durch den Bauherrn selbst vorlag und der Termin sich verschoben hat? Liegt ein Mangel vor, wenn sich die einschlägigen technischen Regelwerke nach Vertragsschluss geändert haben und der Bauunternehmer danach gebaut hat?

Diese und viele weitere Fragen des Schuldrechts – wie die Wirksamkeit von Vertragsklauseln im Rahmen der AGB-Inhaltskontrolle, Annahmeverzug, Mitwirkungspflichten, Abnahmereife usw. – machen das Baurecht zu einem der konfliktträchtigsten Rechtsgebiete überhaupt. Klageverfahren haben oft einen erheblichen Umfang. Die Prozessführung macht ca. 40 – 50 % der Tätigkeit aus. Das Ziel ist es aber, das typische Konfliktpotential bereits vor Beginn der Bauausführung durch individuelle vertragliche Lösungen und während der Bauabwicklung im Rahmen der projektbegleitenden Bauberatung zu minimieren.

Bei letzterem ergeben sich gerade im Rahmen des sog. Anti-Claim-Managements diverse Schnittstellen zu baubetrieblichen Fragen (welche Leistung hätte im Bauablauf wann erbracht werden können/ müssen?) und technischen Aspekten. Im Fokus steht nicht erst seit Inkrafttreten am 01.01.2018 das neue Bauvertragsrecht.

Mit den §§ 650b – §§ 650d BGB wurde ein völlig neues System mit Blick auf das Anordnungsrecht des Auftraggebers – was darf er nachträglich ändern? – aber auch die Bestimmung der Vergütung für diese Leistungen geschaffen.

Bereits im Vorfeld mussten sämtliche Verträge geändert und aktualisiert werden. Das setzt neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Neuregelungen auch eine Prognose und Fingerspitzengefühl dahingehend voraus, ob und welche vertraglichen Regelungen einer AGB-Inhaltskontrolle mit dem neuen Bauvertragsrecht als neuem gesetzlichen Leitbild standhalten. Hier wird in den nächsten Jahren eine fortlaufende Anpassung erforderlich. Mit den §§ 650b – §§ 650d BGB wurde ein völlig neues System mit Blick auf das Anordnungsrecht des Auftraggebers – was darf er nachträglich ändern? – aber auch die Bestimmung der Vergütung für diese Leistungen geschaffen.

Der Gesetzgeber hat hier beiden Parteien über das Instrument der einstweiligen Verfügung in § 650d BGB die Möglichkeit gewährt, schon im laufenden Bauvorhaben Konflikte gerichtlich auszutragen. Dementsprechend wurden auch an allen Landgerichten spezialisierte Baukammern eingerichtet.

Zu den Mandanten zählen u. a. die öffentliche Hand, Investoren, Bauherren, Projektentwickler, Bauträger, Architekten sowie Fachplaner und Fachingenieure, Bauunternehmer (General- oder Nachunternehmer) und Handwerksbetriebe, Wohnungseigentümergemeinschaften, (Wohnungs-)Erwerber.

Weinrechtler

Weingüter, Winzer, Winzergenossenschaften, Weinkommissionäre und Weinhändler benötigen eine spezielle Beratung. Fehlerhafte Bezeichnungen oder Behandlungsmethoden können zu Vertriebsverboten und sogar zu strafrechtlicher Verfolgung führen. Von Florian Carlos Schulz-Knappe, LL.M. Gewerblicher Rechtsschutz (Düsseldorf), Máster de Estudios Europeos Avanzados (Barcelona), Partner der Kanzlei Schulz-Knappe, Neustadt an der Weinstraße.

Das Weinrecht im engeren Sinne wird in zahlreichen Bundes- und Landesgesetzen sowie nationalen und europäischen Verordnungen geregelt. Vorschriften zu Anbau, Lese, Herstellung, Aufmachung, die Einordnung in die unterschiedlichen Produktspezifikationen – etwa in Qualitätswein, Prädikatswein oder Sekt – finden sich im Weingesetz (WeinG) und der Weinverordnung.

Dabei stößt man auf überraschende Regelungen. So kann nach §§ 10, 11, 49 Nr. 2 WeinG bestraft werden, wer zu viel Wein herstellt. „Übermengen“ sind grundsätzlich ohne Entschädigung zu vernichten. Strafbar ist auch die irreführende Bewerbung von Wein. Bereits die kleinsten Bezeichnungsverstöße können gemäß §§ 25, 49 Nr. 4 WeinG als Straftaten verfolgt werden. Neben den weinrechtlichen Vorschriften spielen zudem das Kauf- und Kommissionärsrecht, die Lebensmittelinformations- Verordnung (LMIV) und Health-Claims-Verordnung (HCVO), das Marken- und Wettbewerbsrecht, vor allem mit Blick auf die Etikettierung der Flaschen, eine wesentliche Rolle.

Die klassischen „Weinpanscherfälle“ sind selten geworden.

Die höchsten Gerichte müssen sich immer wieder mit Besonderheiten der Weinbranche und den Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten beschäftigen. Ich hatte zum Beispiel in einem viel beachteten Verfahren einen Winzer vertreten, der Schadenersatz von den Geschäftsführern einer insolventen Weinhandelsgesellschaft wegen seines dort belassenen Auszahlungsguthabens erstritten hat, § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit §§ 1, 32, 54 des Kreditwesengesetzes (BGHZ 197, 1 -Winzergeld).

Der Bundesgerichtshof hat zuletzt die von Edeka anlässlich der Übernahme der Plus-Filialen von den führenden deutschen Sektherstellern geforderten „Hochzeitsrabatte“ für kartellrechtswidrig erklärt. Die Sekthersteller seien von Edeka wirtschaftlich abhängig. Edeka habe von ihnen ungerechtfertigte Vorteile einverlangt und erhalten (Urteil vom 23.01.2018 Az: KVR 3/17).

Die klassischen „Weinpanscherfälle“ sind dagegen selten geworden. Früher wurde den Weinen gelegentlich Wasser oder Glykol zugesetzt oder ausländische Billigweine falsch deklariert, um die Gewinnspannen zu erhöhen. Die Kontrollen verlagern sich inzwischen auf Bezeichnungsverstöße und chemisch-analytische Beanstandungen wegen Pestizidrückständen, Aromastoffen und unzulässigen Vermischungen oder Behandlungsmethoden.

Weitere Infos

www.weinrecht.de

Bei über 10.000 Inhaltsstoffen im Wein – es lässt sich von einem „biochemischen Wundercocktail“ sprechen – werden die Kontrollen durch die Chemischen Untersuchungsämter immer bedeutsamer. § 13 der Weinverordnung legt für etwa 250 (Fremd-) Stoffe von Aluminium, Arsen, Blei bis zu Zink und Fungiziden wie Zoxamid die Grenzwerte fest. Übrigens: Eine besondere Weiterbildung in diesem Rechtsgebiet bietet in jedem Sommer die Universität Göttingen und das Institut für Landwirtschaftsrecht in einem Weingut an der Mosel an.

Wahlstation Bundeskriminalamt

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Wegen jetziger und möglicher zukünftiger Aufgaben bleibt der Interviewte anonym. Nur so viel: Er ist 33 Jahre alt und studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen die Schwerpunkte Kriminologie und Strafrecht. Aufgezeichnet von Christoph Berger.

Dass ich einmal im polizeilichen Bereich arbeiten möchte, war mir schon während meines Studiums klar. Allerdings sind die Plätze für Wahlstationen in dem Umfeld sehr begehrt. Ich hatte großes Glück, dass ich im Jahr 2013 gleich in zwei maßgeblichen Behörden meine Stationen absolvieren konnte: Beim Landeskriminalamt, kurz LKA, und beim Bundeskriminalamt, BKA.

Vor allem beim BKA hat mir die Arbeit besonders gut gefallen. Ich arbeitete dort in dem Bereich Cyber crime. Meine Aufgabe bestand darin, neue, durch das Internet aufkommende Straftat- Phänomene zu untersuchen und sie in einen Rechtskontext zu setzen. Beispielsweise das Thema Datenhehlerei, für das inzwischen eine Norm im Strafgesetzbuch geschaffen wurde. Im Allgemeinen behandelt der Bereich all die Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten. Oder aber um solche, die mittels der Informationstechnik begangen werden.

Das machte den Reiz der Arbeit aus: Ich habe sehr konkrete Bezüge zur Praxis und viel von der konkreten Polizeiarbeit mitbekommen.

Die Herausforderungen während meiner Wahlstation bestanden vor allem darin, mich schnell in neue Themen und die unbekannte Materie hineinzuarbeiten und die Behörde von innen kennenzulernen. Zu beidem kann ich aus heutiger Sicht sagen: Man wächst hinein – zumal ich auch einen Juristen an meiner Seite hatte, der mir fachlich zur Seite stand. Meine anderen Kolleginnen und Kollegen waren alles Polizisten. Aber genau dies machte auch den Reiz der Arbeit aus, ich habe sehr konkrete Bezüge zur Praxis und viel von der konkreten Polizeiarbeit mitbekommen – ebenso aus der Arbeit mit den Vollzugsbeamten.

All das bekräftigte mich in meinem zu Studienzeiten formulierten Entschluss und ich begann, fest beim BKA zu arbeiten. Zu Beginn beschäftigte ich mich dort mit dem Thema Datenschutz, überprüfte dessen Einhaltung und beriet die unterschiedlichsten Abteilungen. Nun arbeite ich in einer Abteilung, die unter anderem für das zentrale Informationsmanagement zuständig ist. Die Arbeit im BKA ist also sehr abwechslungsreich und man hat als Jurist die Möglichkeit, im Rahmen der Rotation unterschiedliche Bereiche kennenzulernen.

Wenn die Wahrnehmung verzerrt ist: Unconscious Bias

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Das Denken der Menschen ist von jahrtausende alten Erfahrungen geprägt, sodass viele Entscheidungen auf Instinkten basieren. Doch aufgrund neuer Kontexte führen uns die Instinkte inzwischen oftmals zu Fehlentscheidungen. Unsere Entscheidungen sollten daher bewusst hinterfragt werden, wie Manfred J. Wondrak im Interview erklärt. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person

Manfred J. Wondrak ist geschäftsführender Gesellschafter und Senior Consultant der factor-D Diversity Consulting GmbH in Wien. Seit 2006 ist er Unternehmensberater und Lehrtrainer mit Schwerpunkt Diversity & Inclusion und Unconscious Bias. Zudem ist Wondrak unabhängiger Experte für Diversity & Equality für die Europäischen Kommission – DG Home Affairs & DG Justice sowie Lehrbeauftragter der Donau-Universität Krems für Diversity Management & CSR, der Universität Wien für Unconscious Bias and Discrimination und Gastvortragender an der WU Wien. Weitere Informationen unter: www.factor-d.at

Herr Wondrak, was ist unter dem Begriff „Unconscious Bias“ zu verstehen?
Der Begriff kann direkt mit kognitiven Wahrnehmungsverzerrungen übersetzt werden. Im Kontext der Diversität wird er auch manchmal mit unbewussten Vorurteilen thematisiert. Doch im wissenschaftlichen Bereich passt kognitive Wahrnehmungsverzerrungen besser.

Wie kommt es zu diesen Wahrnehmungsverzerrungen?
Über Jahrtausende haben wir Instinkte aufgebaut und aus diesen heraus wurden bestimmte Denk- und Verhaltensmuster geprägt. In den letzten zehntausend Jahren haben diese Instinkte sehr gut funktioniert, sie haben unser Überleben gesichert und uns geholfen, in komplexen Situationen sehr schnell über unsere Wahrnehmung zu Entscheidungen zu kommen. Doch wenn diese Muster in anderen Kontexten verwendet werden, kann es zu Verzerrungen kommen.

Ein Beispiel: Vom Instinkt haben wir einen inneren Sensor, das Bauchgefühl, der Personen automatisch in sympathisch und unsympathisch, also Freund oder Feind, unterteilt. Außerdem wird unbewusst direkt abgefragt: Ist die Person kompetent und kann sie mir gefährlich werden beziehungsweise ist die Person fähig, ihre Ziele umzusetzen? Diese Muster verwenden wir noch immer. Allerdings ist heute der Kontext ein anderer. So passiert es, dass wir zum Beispiel große Männer mit tiefer Stimme noch immer als kompetenter einordnen als kleine mit hoher Stimme.

Was sind die Folgen der Biases – vor allem im Kontext der Arbeitswelt?
Die Verzerrungen führen zu Fehleinschätzungen, obwohl wir denken, sehr gut beim Treffen von Entscheidungen zu sein. Doch gewisse Merkmale an Menschen lassen sie uns anders wahrnehmen als sie tatsächlich sind. Für den Bewerbermarkt bedeutet das zum Beispiel, dass unter Umständen eher die Bewerber eingestellt werden, die uns sympathisch und ähnlich sind – jede Person, die etwas symbolisiert, das uns ähnlich ist, wird uns sympathischer. Ähnlichkeit löst bei uns Vertrauen aus, sagt aber nichts über Kompetenz aus. Für homogene Aufgaben mag die Ähnlichkeit der Teammitglieder egal sein, doch in der komplexen Welt von heute geht man davon aus, dass die Herausforderungen nicht mehr von homogenen Teams gelöst werden können. Dafür braucht es unterschiedlichste Perspektiven und Persönlichkeiten.

Ich muss mein Bauchgefühl immer wieder mit bewussten Interventionen hinterfragen.

Gibt es Möglichkeiten, sich dieser unbewussten Verzerrungen bewusst zu werden, um ein objektiveres Bild zu bekommen?
Ich muss mein Bauchgefühl immer wieder mit bewussten Interventionen hinterfragen. Ganz simpel: Wenn mein Bauchgefühl mir sagt, nimm diese Person, dann sollte ich diese Entscheidung mit objektiven Faktoren absichern. Objektive Faktoren können zum Beispiel eine zweite Person sein, die ich zur Entscheidungsfindung hinzuziehe. Oder ich stelle mir bewusst die Frage: Was hat das Sympathie-Gefühl zu dieser Person ausgelöst? Meine Erfahrungen zeigen, dass die Anwendung objektiverer Faktoren in der Vorselektion von Bewerbern noch ganz gut funktioniert, bei der endgültigen Entscheidung dann aber doch noch das Bauchgefühl maßgeblich mitentscheidet.

Infos zu Unconscious Biases

Auf der Online-Plattform Anti-Bias dreht sich alles um das Thema „bewusster Umgang mit unbewussten Vorurteilen – Unconscious Biases“. Die Expertinnen und Experten der factor-D Diversity Consulting GmbH geben dort einen Überblick über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsprojekten zu Unconscious Biases und über erfolgreiche Strategien zu deren Vermeidung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Arbeitswelt und dem Konzept Diversity and Inclusion. Weitere Infos unter:

www.anti-bias.eu

Algorithmen, Big Data und künstliche Intelligenz sind derzeit aufkommende Technologien. Helfen sie uns, vorurteilsfreiere Entscheidungen zu treffen?
Da muss man vorsichtig sein. Erste Studien über die Entscheidungsfindung via Algorithmen oder Big Data haben gezeigt, dass es auch beim Technologieeinsatz zu Verzerrungen kommen kann. Das liegt unter anderem daran, dass beispielsweise Algorithmen auf Entscheidungsdaten zurückgreifen, die Menschen getroffen haben. Die Verzerrungen haben sich somit auch in den technisch generierten Entscheidungsvorschlägen gefunden. Ich glaube aber, dass Big Data uns sehr wohl helfen kann, objektiver zu entscheiden, würde mich aber nicht nur auf die Technik verlassen. Ich würde die Ergebnisse des Computers aber mit in die Entscheidungsfindung einfließen lassen.

Da die „alten“ Instinkte nun mal noch präsent sind: Können Bewerberinnen und Bewerber diese Denkmuster nicht auch ausnutzen, um in einem Bewerbungsprozess von sich zu überzeugen?
Da es einen Sender und Empfänger gibt, ist es durchaus möglich, den ersten Eindruck zu beeinflussen. Zum Beispiel über die Kleidung. Bewerber können sich also durchaus die Frage stellen: Was sende ich aus? Dazu können sie sich die vorherrschenden Verzerrungen bewusst machen und darüber nachdenken, wie sie diese in ihre Strategie einbauen, um von sich zu überzeugen oder die kognitiven Verzerrungen aufzulösen.

Die Schnittstelle von Kunst und Recht

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„Jurastudierende für Kunststudierende“: Unter diesem Motto positioniert sich die Art Law Clinic der Universität Münster an der Schnittstelle zwischen Kunst und Recht. Mit einem innovativen und weltweit einzigartigen Konzept kommt sie dem Bedarf an rechtlicher Unterstützung für Kunststudierende nach – in einem Rechtsbereich, der sich im steten Wandel befindet. Von Julia Werner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster

Die Art Law Clinic hat sich der Beantwortung jener Rechtsfragen angenommen, mit denen sich Kunststudierende im Laufe ihres Studiums konfrontiert sehen. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Kunstakademie Münster und der zivilrechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht in Münster, das in seiner Form weltweit einzigartig ist.

Die Grundidee einer Law Clinic aus den USA hat sich in Deutschland schon mancherorts etabliert, neu ist die Einrichtung einer solchen Institution speziell für Kunstrecht. Jurastudierende höheren Semesters helfen Kunststudierenden bei der Beurteilung rechtlicher Fragen, denen sie im Rahmen ihres Studiums begegnen. Dies erfolgt für die Studierenden der Kunstakademie kostenlos. Darüber hinaus stellt die Art Law Clinic einen juristischen Leitfaden für Künstler bereit, der rechtliche Orientierung für die Studierenden bieten soll.

Regelmäßig suchen Kunststudierende Unterstützung beim Verkauf von Kunstwerken.

Durch die Verknüpfung von Kunst und Recht auf Grundlage studentischer Hilfe untereinander, fördert die Art Law Clinic insbesondere das interdisziplinäre, gegenseitige Verständnis für den jeweils anderen Studiengang und zeigt dabei die vielfältigen Berührungspunkte der beiden Fächer: Regelmäßig suchen Kunststudierende Unterstützung beim Verkauf von Kunstwerken über Galerien oder bei der Versicherung in der Künstlersozialkasse. Sie haben Fragen bezüglich der Verwendung fremder Musik, Marken oder, wie zuletzt, von amtlichen Vernehmungsprotokollen in ihren Kunstwerken.

Die Beantwortung der zahlreichen Fragen aus den verschiedensten Themengebieten ist oft komplex und der Bedarf der Kunststudierenden an rechtlicher Unterstützung dementsprechend hoch. Während sich diese in der Regel entweder allein oder in kostspieliger Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten mit Rechtsfragen auseinandersetzen müssen, bietet die Art Law Clinic dazu eine Alternative, indem sie jedenfalls rechtliche Grundlagen vermitteln will.

Mit all dem trägt die Art Law Clinic dem stetigen Wandel der Kunst und den daraus wachsenden Herausforderungen Rechnung. Insbesondere im Zuge der Digitalisierung entstehen täglich neue rechtliche Herausforderungen. Neuartige Kunstformen, neue digitale Vertriebswege und nicht zuletzt unser neues Verständnis von Kunst bedürfen rechtlicher Ausgestaltung. Nur beispielhaft seien hier die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Tweets, die Veröffentlichung von Kunstwerken auf Wikipedia oder das Schaffen von Kunstwerken mittels künstlicher Intelligenz genannt. Auch in Zukunft gilt es also, auf die Rechtsfragen aus der Welt der Kunst eine Antwort zu geben.

Die Musterfeststellungsklage kommt

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Bereits am 9. Mai 2018 hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Möglichkeit der Kollektivklage beschlossen – der so genannten Musterfeststellungsklage. Zum 1. November 2018 soll das Gesetz in Kraft treten. Von Christoph Berger

Mit dem neuen Gesetz sollen „anerkannte und besonders qualifizierte“ Verbraucherverbände die Möglichkeit erhalten, künftig die Ansprüche in einem einzigen Gerichtsverfahren verbindlich klären zu lassen – insofern mindestens zehn Verbraucher in gleichartiger Art und Weise geschädigt worden sind. Dazu wird die jeweilige Klage in einem Klageregister eingetragen und bekannt gemacht. Melden sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Verbraucher an, wird das Verfahren durchgeführt. Und: Mit der Anmeldung im Klageregister verhindern die Betroffenen zugleich die Verjährung ihrer möglichen Ansprüche.

Der Vorteil: Mit dem neuen Gesetz muss nicht mehr jeder einzelne Verbraucher alleine vor Gericht ziehen. Bisher, so das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, sei der erlittene Nachteil im Einzelfall manchmal zu gering gewesen, sodass Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt wurden – der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erschienen. Ein weiterer Vorteil: Den Betroffenen entstehen keinerlei Kosten.

Laut einer Befragung des Soldan Instituts unter 1179 Anwälten wird das Gesetz von einer knappen Mehrheit begrüßt. So bewerten 51 Prozent die Einführung der Musterfeststellungsklage positiv. Doch es gibt auch Kritik. 18 Prozent der Befragten geht die von der Bundesregierung vorgeschlagene Möglichkeit einer Musterfeststellung von Ansprüchen nicht weit genug. Sie sprechen sich für die Zulässigkeit einer darüber hinaus gehenden kollektiven Rechtsdurchsetzung nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen aus. Weitere 31 Prozent der Befragten halten die Einführung des neuen Gesetzes für gänzlich überflüssig.

Es ist erstaunlich, dass sich ein relativ großer Anteil der Anwälte für den für sie eher ungünstigeren Vorschlag ausspricht.

Laut den für die Studie Befragten ist besonders die Klagebefugnis zur Erhebung einer Musterfeststellungsklage kritisch zu betrachten: 54 Prozent von ihnen sprachen sich dafür aus, dass auch anwaltlich vertretene adhoc-Interessengemeinschaften klagebefugt sein sollten. Doch immerhin 30 Prozent befürworteten auch die Beschränkung auf Verbraucherverbände. „Es ist erstaunlich, dass sich ein relativ großer Anteil der Anwälte für den für sie eher ungünstigeren Vorschlag ausspricht“, stellt der Direktor des Soldan-Instituts, Prof. Dr. Matthias Kilian, fest.

Zurückzuführen sei dies auf die Tatsache, dass viele Rechtsanwälte nicht mehr für Verbraucher tätig werden und sie in den neuen Instrumenten kollektiver Rechtsdurchsetzung eher Risiken für die von ihnen „bevorzugt betreute unternehmerische Mandantschaft“ sehen.

Nachhaltigkeit in der juristischen Ausbildung

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International, flexibel, praxisintegriert: Angesichts der Digitalisierung und Globalisierung aller Teilbereiche des öffentlichen Lebens steht auch die juristische Aus- und Weiterbildung vor neuen Herausforderungen. Von Dr. Eva Feldbaum, Direktorin der SIBE Law School

Eine oft gehörte Antwort auf die sich aus der Dynamik der modernen Arbeitswelt ergebenden Fragen besteht in der Aufforderung zur Nachhaltigkeit. Nach einer recht allgemeinen Definition des Begriffes fungiert sie als ein Handlungsprinzip zur Ressourcennutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht. Und so muss auch das Recht trotz zunehmender Komplexität nachhaltig sein – ebenso der Rechtsanwender und die juristische Ausbildung. Doch regenerationsfähig wird sich die juristische Aus- und Weiterbildung nur erweisen, wenn sie der mit der Digitalisierung verbundenen Dynamik Rechnung trägt sowie folgende drei Voraussetzungen erfüllt.

Die fortschreitende Globalisierung zwingt den Juristen von heute unausweichlich zur Beschäftigung mit einem sich ständig verändernden, nicht mehr national geprägten, im europäischen Raum in hohem Maße supranationalen und insofern „entgrenzten“ Recht. Daher muss er seine Kenntnisse laufend verbreitern und spezialisieren, um den transnationalen Dimensionen gerecht zu werden. Zumindest sollte er die Fähigkeit erwerben, sich schnell in das andere Recht einzuarbeiten.

Internationales Networking führt zu sozialem Zusammenhalt und damit zu Nachhaltigkeit in der Ausbildung

Allgemein gesprochen, hat jedes interne Rechtsgebiet mit wirtschaftsrechtlichem Bezug eine transnationale Dimension. Daher gehört die Zukunft den internationalen Lerngruppen mit Teilnehmern aus verschiedenen Rechtskulturen, die durch das gemeinsame Bestreben verbunden sind, mit der juristischen Dimension dieser sich rasch entwickelnden internationalen Verflechtung vertraut zu werden. Das dadurch entstehende internationale Networking führt zu sozialem Zusammenhalt und damit zu Nachhaltigkeit in der Ausbildung.

Dies wirft auch die Frage der medientechnischen Bewältigung des Unterrichts auf: Die Antwort kann nur sein, dass die neuen telekommunikativen Mittel, besonders die Nutzung des Internets, zum Einsatz kommen müssen. Zeitliche und örtliche Flexibilität ermöglicht eine moderne Organisation des Alltags der Lernenden und gewährleisten damit die für die Lebensqualität und damit die Leistungsfähigkeit so wichtige Work-Life-Balance. Anders gewendet: Flexibilität der Aus- und Weiterbildung generiert deren Nachhaltigkeit.

Mit Blick auf die hohe Arbeitsbelastung der international tätigen Juristen sollte die juristische Aus- und Weiterbildung schließlich dual, parallel zur Arbeit, zu ihr komplementär und mit ihr abgestimmt, durchgeführt werden. Elementar sind die Beschäftigung mit Fragen, die dem jeweiligen beruflichen Interesse entsprechen – also nachhaltig, da es Möglichkeit zur direkten Anwendung des Erlernten in Gegenwart und Zukunft gibt. Das zu bearbeitende Thema sollte dabei in einem Dialog zwischen Lernendem und Lehrendem gefunden werden Zusammenfassend gewährleisten insbesondere Internationalität, Flexibilität und Praxisintegration die Nachhaltigkeit der juristischen Aus- und Weiterbildung in einer sich ständig verändernden Situation des nationalen und internationalen (Wirtschafts-) Rechts.