Serieller Wohnungsbau

Deutschland braucht schnell mehr Wohnungen in einer vernünftigen Qualität, vor allem aufgrund der Binnenwanderung von Menschen aus den ländlichen Räumen in Ballungsgebiete und Schwarmstädte. Dazu kommt die Zuwanderung von Flüchtlingen. Unterschiedliche Quellen gehen von 350.000 bis hin zu 400.000 jährlich zu produzierenden Wohneinheiten bis zum Jahr 2020 aus. Dafür braucht es neue Produktionsweisen: zum Beispiel den seriellen Wohnungsbau. Von Christoph Berger

„Vielleicht produzieren wir bis zum Ende des Jahres 270.000 Wohneinheiten. Wir sind also von der tatsächlich benötigten Zahl an Wohnungen noch ein ganzes Stück entfernt“, sagt Dr. Heiko Stiepelmann, Geschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) für den Bereich Wirtschaft und Recht. Eine Lösung, diese Kluft zu überwinden, sieht er in der Entwicklung von Prototypen, die dann in größerer Zahl deutschlandweit in Produktion gehen – weg von der bisher noch üblichen Einzelfertigung.

Die Rede ist vom seriellen Wohnungsbau. Mit dem Bau von Plattenbauten, habe dies laut Stiepelmann aber nichts zu tun: „Die Variabilität trotz Serie, die beispielsweise auch aus der Automobilindustrie bekannt ist, kann man auch im Wohnungsbau herstellen. Doch ein Stück Standardisierung braucht es“, erklärt er. Diese führt dann schließlich zu den benötigten Kosteneinsparungen und Quadratmeterpreisen, über die vertretbare Mieten darstellbar sind. Die Erkenntnisse darüber, wie der serielle Wohnungsbau funktioniert, sind da. Es gibt nicht den einen Weg der Umsetzung.

Make Space

Studenten der FH Potsdam aus den Bereichen Design, Architektur, Bau-ingenieurswesen und Medienwissenschaften entwickelten mit Partnern einen Prototypen für Wohneinheiten.www.make-space.eu

So basiert beispielsweise das unter „maxmodul“ firmierende Baukonzept der Firmengruppe Max Bögl auf einer sogenannten Raumzelle. Mit den Raumzellen können durch horizontale und vertikale Addition Gebäudekonfigurationen in nahezu unbegrenzter Vielfalt generiert werden. Das Unternehmen Goldbeck hat drei Nutzungskonzepte entwickelt. Die Basis dafür bildet das systematisierte Bauen mit eigenen, industriell vorgefertigten Elementen. Die Bauabläufe sind systematisiert und in hohem Maße standardisiert. Oder das von der Willi Meyer Bauunternehmung mit Architekten entwickelte Wohnkonzept NOW6. Dieses wird in Schottenbauweise aus Betonhalbfertigteilen errichtet.

„Seriell heißt nur, dass Entwürfe mehrfach realisiert werden“, sagt Stiepelmann. Durch die Entwicklung eines für die Serie notwendigen Prototypen, kommt der Planung, neben der Vorfertigung, natürlich eine ganz entscheidende Rolle zu. Es braucht ein variables Konzept. „Durch den hohen Grad der Vorbereitung bieten sich BIM gestützte Verfahren an“, weiß Stiepelmann – auch vor dem Hintergrund, die Daten im Übergang vom Bau in den Betrieb und das Betreiben mitzunehmen. „Das ist der nächste große Produktivitätsschub, den es in der Bauwirtschaft geben wird.“

Vom alten Messegelände zum nachhaltigen Stadtquartier

Über 50 Jahre präsentierte die Stuttgarter Messe auf dem Killesberg Waren aus aller Welt – bis 2007. Dann bezog sie ein neues Gelände. Damit begann ein in seiner Größenordnung einzigartiges Projekt in Deutschland: der Rückbau der alten Messehallen. Und die Entstehung eines neuen Stadtquartiers. Dieses ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit Neunutzungen dem Wohnungsmangel in Deutschland begegnet werden kann. Von Steffen Ruoff, Dipl.-Bauingenieur und Leiter Bauwerksanierung und Rückbau bei Arcadis

Heute befindet sich auf dem Killesberg ein Stadtteilzentrum mit Wohnungen, Nahversorgern, Handels- und Büroflächen, gastronomischen Einrichtungen, Kindertagesstätten, einem Ärztehaus sowie einer direkten U-Bahn- und Bus-Anbindung. Ebenso gibt es einen hohen Anteil an öffentlichem Freiraum. Täglich wird das Stadtquartier von rund 6.000 Menschen frequentiert. Doch um an diesen Punkt zu kommen, musste zunächst das 7,5 Hektar große Messegelände vorbereitet werden: Nach dem Wegzug der Messe standen auf dem Gelände 13 Hallen unterschiedlicher Größe sowie das Messe- und Congress-Centrum.

Arcadis erhielt den Zuschlag für die Planung, Vorbereitung, Ausschreibung und Überwachung des Rückbauprojektes. Damit standen die Bauingenieure vor der Aufgabe, insgesamt 800.000 Kubikmeter umbauter Fläche abzutragen, von Schadstoffen zu befreien sowie das Baumaterial zu verwerten beziehungsweise zu entsorgen. Zwei Jahre waren für diese Aufgaben vorgesehen – inklusive öffentlicher Ausschreibungen und der Auftragsvergabe an die Unternehmen.

Daten und Fakten

Standort: Stuttgart-Killesberg
Projekt: Rückbau und Baureifmachung

Dimensionen Rückbau

Fläche: 7,5 Hektar
Abriss von 800.000 Kubikmetern umbauter Fläche

Dimensionen Schadstoffsanierung/ Entsorgung

  • 50 Tonnen Asbest
  • 500 Tonnen künstlicher Mineralfasern
  • 20.000 Tonnen Bauschutt
  • 10.000 Tonnen Schrott/Metall
  • 220.000 Tonnen Baumaterialien wurden für den Wiederaufbau verwendet

Das Projekt in Phasen

  • Bausubstanz- und Gebäudeschadstofferkundung
  • Planung und Ausschreibung
  • Bauüberwachung
  • Sicherheits- und Gesundheitskoordination
  • Umwelttechnische Fachbauüberwachung
  • Bewertung des Stadtquartiers nach DGNB-Kriterien der Pilotphase „Nachhaltige Stadtquartiere“

Bereits bei der ersten Begehung des Geländes wurde festgestellt, dass in den Gebäuden reichlich Asbest verbaut worden war. Dieser musste aufwändig entsorgt werden. Bei von den Bauingenieuren des Unternehmensdurchgeführten Kernbohrungen wurden im Labor darüber hinaus noch weitere schadstoffverdächtige Materialiengefunden. Eine solch detaillierte Bestandsaufnahme ist jedoch notwendig, um für die Ausschreibung der Stadt einen genauen Kriterienkatalog zu erstellen, den die Abbruch- und Entsorgungsunternehmen zu erfüllen haben.

Schadstofferkennung und Recycling

Nach den umfassenden Vorbereitungen konnte dann die eigentliche Projektphase beginnen: Die Messehallen, das Messe- und Congress-Centrum sowie die Straßen auf dem Messegelände wurden abgerissen beziehungsweise zurückgebaut. Als besondere Herausforderung erwiesen sich dabei die Höhenunterschiede von bis zu 22 Metern, die mit Maschinen und Geräten auf dem Gelände überwunden werden mussten. Die Geländekanten wiesen einen Höhenunterschied von bis zu zehn Metern auf.

Auch die Mengen an Bauschutt waren gigantisch. Alleine 50 Tonnen asbesthaltige Materialienkamen zusammen, zudem 500 Tonnen künstliche Mineralfasern, die fachgerecht ausgebaut und entsorgt werden mussten. An teerhaltigen Gebäudematerialienfielen rund 3.000 Tonnen an. Verbundmaterialien wurden darüber hinaus in arbeitsintensiven Prozessen getrennt, um Entsorgungskosten zu sparen. So wurden in erheblichem Umfang teer- und bitumenhaltige Schichten von Betondecken abgefräst.

Nicht schadstoffhaltiges Baumaterial wurde von dem belasteten getrennt und konsequent wiederverwertet. Rund 220.000 Tonnen wurden vor Ort für den Wiederaufbau aufbereitet und für die Profilierung und die Nachnutzung des Geländes eingesetzt. Das schonte nicht nur das Budget, sondern auch die Ressourcen. Trotzdem wurden noch rund 200.000 Kubikmeter Beton und anderes Verfüllungsmaterial aus anderen Baustellen zum Aufschütten des Geländes benötigt. Sie kamen von den Umbauarbeiten an der Mercedes-Benz-Arena und dem Bau der Stuttgarter Stadtbahnlinie U15.

Ressourcenschonendes Baumanagement und Nachhaltigkeit

Während der gesamten Rückbauphase war Arcadis für die Bauüberwachung, die umwelttechnische Fachbauüberwachung sowie für die Sicherheits- und Gesundheitskoordination zuständig. Die Beeinträchtigung der Anwohner in der Nachbarschaft durch Lärm und Staub sollte so weit wie möglich vermieden werden. Auch eine U-Bahn-Station mit angrenzender Außenwand an das Baugelände erforderte besondere Umsicht, Planung und Koordination der Abrissmaßnahmen.

Auf einem Teil des Areals entwickelte ein Investor das inzwischen in vielerlei Hinsicht als innovativ und zukunftsweisend geltende Einkaufs- und Wohnquartier Killesberghöhe. Von Beginn an waren hier die Anrainer in den Architekturwettbewerb und die Bauphase eingebunden. Außerdem wurde die Killesberghöhe als erstes neu errichtetes Stadtquartier in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit einem Zertifikat in Gold ausgezeichnet.

Auch an diesem Projekt war Arcadis beteiligt: Das Unternehmen plante die Baugrube, moderierte, führte Workshops durch und bewertete schließlich das Stadtquartier anhand der DGNB-Kriterien. Um die Voraussetzungen für den Erhalt dieses DGNB-Siegels zu erfüllen, waren immerhin 45 Kriterien einzuhalten. Ein wesentlicher Bestandteil war die Aufbereitung des Baugeländes im Rahmen eines ressourcenschonenden Baumanagements, wie es in dem Rückbauprojektumgesetzt worden war.

Bauleiterin im Straßenbau: Vertrauen und Respekt

Alexandra Hollatz ist Bauleiterin im Straßenbau. In ihrem Erfahrungsbericht beschreibt sie, warum OPA trocken verbaut werden muss und wie sie schnell in verantwortungsvolle Aufgaben hineinwuchs.

Zur Person

Alexandra Hollatz, Foto: Privat
Alexandra Hollatz, Foto: Privat

Alexandra Hollatz, Bauingenieurin M. Sc., Abschluss 2014 an der Universität Stuttgart mit zwei Auslandstrimestern an der University of Calgary in Kanada, Bauleiterin bei der Strabag-Direktion Baden-Württemberg

Bei meinen ersten Projekten war mir zugegebenermaßen noch etwas mulmig. Direkt mit meinem Einstieg bei Strabag habe ich die Leitung einiger Baustellen übertragen bekommen. Es handelte sich vor allem um Kompaktasphaltmaßnahmen im Straßenbau. Dabei werden zwei Asphaltschichten in einem Arbeitsgang eingebaut.

Doch trotz des ersten Gefühls lief alles gut. Zum einen lernt man sehr schnell in solchen Projekten, zum anderen hatte ich bereits während meiner Masterarbeit – auch in der ging es um Kompaktasphalt – als Werkstudentin bei Strabag gearbeitet. Diese Zeit war im Nachhinein sehr hilfreich, da ich bereits damals relativ gut auf die Aufgaben einer Bauleiterin vorbereitet wurde. Wie bei meinem Einstieg gefiel mir schon damals, dass mir direkt von allen Seiten das Vertrauen entgegengebracht wurde, die Aufgaben auch erfolgreich meistern zu können.

Logistik und offenporiger Asphalt

Während am Anfang vor allem Bundes- und Landesstraßen zu meinen Projekten gehörten, betreue ich derzeit eine Autobahnbaustelle – die Baustelle auf der A6 am Weinsberger Kreuz. Eingebaut wird dort ein offenporiger Asphalt (OPA), dessen Einbau sehr anspruchsvoll ist, der aber viele Vorteile hat: Mit ihm werden zum Beispiel Reifen-Fahrbahn-Geräusche direkt am Ort der Entstehung reduziert. Dafür muss man jedoch darauf achten, dass sich bei der Verdichtung seine Poren nicht zu stark verschließen.

Hochschulranking – Kassel auf Rang 1

Die Universität Kassel belegt im aktuellen Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) im Bereich Bauwesen Platz 1. Untersucht wurden 21 deutsche Universitäten. Wer in Kassel studiert, findet demnach sehr gute Studienbedingungen vor, wird mit großer Wahrscheinlichkeit in angemessener Zeit fertig und hat einen sehr guten Kontakt zur Berufspraxis.www.uni-kassel.de/fb14bauAlle Ergebnisse des CHE-Ranking gibt es unter: www.zeit.de/ranking

Um einen reibungslosen Einbau zu erreichen, muss die Logistik zwischen Mischanlagen, Lkw und Baustelle perfekt aufeinander abgestimmt sein. Mit bis zu vier Einbaukolonnen bauen wir hier auf einer Breite von maximal 24 Metern Asphalt ein. Ein weiterer kritischer Faktor ist das Wetter, da sowohl Gussasphalt als dichte Unterschicht als auch OPA nur bei trockener Unterlage und somit gutem Wetter eingebaut werden können. Eine zusätzliche Herausforderung bei dem Baustellenprojekt liegt darin, dass die Arbeiten bei fortlaufendem Verkehr stattfinden. Etwa 95.000 Fahrzeuge passieren täglich die Baustelle. Meine Hauptaufgaben liegen in der Arbeitsvorbereitung, der Koordination und Abwicklung der Baustelle und der Abrechnung der gesamten Maßnahme. Bei all dem muss ich also immer die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts im Blick behalten.

Offenheit und Respekt

Klar ist, dass es sich bei diesen Aufgaben nicht um einen Bürojob am Schreibtisch handelt. Aber genau das macht den Reiz der Arbeit für mich aus – genauso die Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf und die Abwechslung, sowohl drinnen als auch draußen zu arbeiten. Außerdem habe ich bei meinen Aufgaben mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun und bekomme immer neue spannende Baustellen. Besonders toll ist es, das Endprodukt zu sehen und zu erfahren, was man gemeinsam im Team erschaffen kann. Dies sind für mich ganz entscheidende Faktoren und vielleicht auch ein Grund dafür, dass ich in der doch noch sehr von Männern dominierten Branche noch niemals ein Problem hatte.

Wichtig ist mir, offen und respektvoll mit allen Beteiligten umzugehen, sodass wir alle sagen können: „Das ist unsere gemeinsame Baustelle. “Damit das funktioniert, erhalte ich von meinen Gruppen- und Bereichsleitern volle Unterstützung, arbeite täglich an mir selbst und überlege dabei immer, was ich noch hätte besser machen können. In Abstimmung mit meinem Gruppenleiter habe ich Seminare zu den Themen Zeitmanagement und Selbstorganisation oder Führen, Kommunizieren, Motivieren besucht. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, wenn ich noch mehr Erfahrung gesammelt habe, einmal Gruppenleiterin zu werden. In der Position würde ich dann mehrere Bauleiterinnen und Bauleiter und deren Baustellen betreuen – und hätte einen noch stärkeren Blick auf die wirtschaftlichen Aspekte der Projekte.

„Für Gender Diversity“

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Interview mit der Diplom-Kauffrau Tanja Leis: Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum als neutrale Plattform für alle am Baugeschehen Beteiligten führt derzeit das Pilotprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft – Potentiale besser erschließen“ durch. Im Gespräch stellt Projektleiterin Tanja Leis die derzeitige Situation vor. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Frau Leis, Sie führen derzeit das Untersuchungsprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft“ durch. Um was geht es dabei?
Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum möchte einen Beitrag leisten, um das Arbeitskräftepotenzial von Frauen stärker für die Bauwirtschaft zu erschließen und zu nutzen. Wir wollen positive Beispiele und Vorbilder zeigen, dringende Handlungsfelder wie beispielsweise „Ausbildung von Frauen in technischen Berufsfeldern“, „Führung und Karriere“ oder „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutieren und Handlungsempfehlungen für die Zukunft erarbeiten. Zudem möchten wir die Bauunternehmen für Gender Diversity im Unternehmen sensibilisieren sowie das Image und die Attraktivität als Arbeitgeber verbessern. Die Baubranche ist durchauseine Hightech-Branche. Hier sind kreative und innovative Lösungen gefragt.

Was für Innovationen könnten das sein?
Mit neuen Lösungen, zum Beispiel der Methode Building Information Modeling (BIM), kann die Bauwirtschaft ihre Attraktivität steigern und Innovationsfähigkeit zeigen. Und natürlich geht es auch um die Schaffung belastungsärmerer Arbeitsplätze im Hinblick auf das Arbeiten bis 67. Um speziell junge Frauen für die Bauwirtschaft zu begeistern, muss sich grundsätzlich etwas in den Köpfen der Entscheider ändern. Es muss sich das Bewusstsein entwickeln, dass Frauenanders „ticken“, dies aber auch ein Gewinn für das Unternehmen sein kann. Zudem brauchen Frauen Vorbilder und wollen nicht nur wegen der Frauenquote unterstützt werden.

Die Führungskräfte müssen dahinterstehen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wie stellt sich die Situation für Frauen derzeit dar?
Derzeit liegen mir Zahlen aus dem Jahr 2014 vor. Demnach sind nur etwa zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im deutschen Bauhauptgewerbe Frauen. Und bisher entscheiden sich immer noch wenige Mädchen und Frauen für eine Ausbildung und Karriere in einem Bauberuf. Bei den Studienanfängern im Bauingenieurwesen sind immerhin 25 Prozent weiblich. Dies ist zu begrüßen und sollte weiter gesteigert werden. Auch in den Spitzenpositionen in der Bauwirtschaft sind Frauen immer noch eine Seltenheit. Es gibt aber auch einige sehr gute Beispiele von Frauen in der Bauwirtschaft, die erfolgreich ihr Unternehmen führen.

Was wären die Vorteile eines höheren Frauenanteils?
Meine Top 5-Argumente sind: Erstens schließt ein großes Potenzial an gut qualifizierten Frauen den Personalengpass an Fachkräften. Zweitens gehört Gender Diversity heute zu einer modernen Unternehmenskultur. An dritter Stelle sehe ich eine höhere Meinungsvielfalt innerhalb der Unternehmen. Viertens: Ein erhöhter Frauen-anteil verbessert und erhöht das Arbeitgeberimage. Und fünftens können mehr weibliche Kunden gewonnen werden.

Und welche Argumente haben Sie für Frauen, um in die Branche einzusteigen?
Die Bauspezialisten von heute sind gefragte Allrounder, die nicht nur über handwerkliches Geschick, sondern auch über umfassendes technisches Know-how verfügen. Neue Aufgaben, wie im Umweltbereich, erfordern zusätzliches Wissen. Mit den gewachsenen Anforderungen haben sich auch die Berufsbilder gewandelt und neue entwickelt. Durch die Digitalisierung sind außerdem zunehmend Köpfchen und Geschick gefragt. Sie kann auch dazu beitragen, Privatleben und Beruf besser in Einklang zu bringen. Zwei weitere Vorteile: Das Auskommen ist gesichert und die Aussichten sind bestens.

BIM schafft neue Rollen

Durch Building Information Modeling (BIM) sind im Bauunternehmen Wolff & Müller drei neue Projektrollen entstanden: BIM-Manager, BIM-Koordinator und BIM-Modellierer. Von Niklas Brandmann, Leiter Digitalisierung/BIM der Service-Einheit Unternehmensentwicklung, Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG

Building Information Modeling (BIM)verändert nicht nur die Planungskultur, sondern bringt auch neue Zuständigkeiten mit sich: Jedes BIM-Projekt braucht ein Team, das die Arbeit der Projektbeteiligten am virtuellen Bauwerksmodell steuert und koordiniert. Der 2013 veröffentlichte „BIM-Leitfaden für Deutschland“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR) benennt für BIM-Projekte bei-spielhaft die Aufgabenbereiche: BIM-Management, BIM-Koordination und BIM-Gesamtkoordination.

Gruppe „Digitalisierung/BIM
“Wie ein Bauunternehmen diese Rollen ausfüllt, zeigt das Beispiel Wolff& Müller. BIM-Projekte werden von der Gruppe „Digitalisierung/BIM“ in der zentralen „Serviceeinheit Unternehmensentwicklung“ betreut. Hier arbeiten BIM-erfahrene Architekten und Tragwerksplaner als BIM-Manager und BIM-(Gesamt-)Koordinatoren, unterstützt von Bautechnikern als BIM-Modellierern. In den nächsten Jahren soll jede Niederlassung im Geschäftsfeld Bau einen eigenen BIM-Koordinator bekommen.

Aufgaben des BIM-Managers
Ein BIM-Manager steuert und überwacht mehrere BIM-Projekte und deren Bearbeitungsstände. Er berät den Auftraggeber rund um die Arbeitsmethode und wirkt bei Startgesprächen mit. Er definiert die rechtlichen und technischen Spielregeln für das Projekt (BIM-Projektabwicklungsplan, BIM-BVB, BIM-Pflichtenheft). Unternehmensintern entwickelt er die Standards für die neue Arbeitsweise weiter und berät die Niederlassungen.

Aufgaben des BIM-Koordinators
Der Gesamtkoordinator eines Projekts überwacht die BIM-spezifischen Planungsleistungen und unterstützt die Fachplaner bei der Modellierung in der Cloud. Er überprüft die verschiedenen Fachplaner-Modelle auf Kollisionen, die dann bei Jour-Fixe-Terminen im Planungsteam besprochen werden. Zudem bereitet der Koordinator das Datenmodell für interne Zwecke auf, etwa für die Kalkulation und Ausschreibung oder zur Simulation des Bauablaufs.

Aufgaben des BIM-Modellierers
BIM-Modellierer werden vor allem für die modellbasierte Mengenermittlung in der Angebotsphase eingesetzt. Aus den Entwurfsplänen, die zu diesem frühen Zeitpunkt bereits vorliegen, erstellen sie ein detailliertes BIM-Modell. Aus diesem Modell können die Informationen und Planungsinhalte, die für ein Angebot benötigt werden, besonders effizient und exakt abgeleitet werden.

Diplom bleibt Nonplusultra

75 Prozent der Bauingenieure verfügen laut einer bauingenieur24-Umfrageimmer noch über das Diplom. Bachelor-Absolventen benötigen oft ein gezieltes Training on the Job, um die nötige Berufsbefähigung zu erhalten. Von Fabian Hesse M.A., Redakteur des bauingenieur24 Informationsdienstes

Die Einführung der Studienabschlüsse „Bachelor“ und „Master“ kam vor gut 15 Jahren einer „Reform wider Willen“ gleich. Arbeitgeber fühlten sich in ihrer Ablehnung bestätigt, als sich im Laufe der Zeit herausstellte, dass die Befürchtungen, die Güte der Lehre würde unter der Änderung leiden, berechtigt waren.

In der Folge gewann das Diplom für jeden, der es besitzt, immer mehr an Wert. Unter den aktiven Bauingenieuren waren 2015 nach einer Umfrage des Berufsportals bauingenieur24 die „Diplomer“ deutlich in der Überzahl. Von 100 befragten Nutzern des Branchendienstes für Bauingenieure gaben 75 an, einen solchen Abschluss zu haben, davon waren 34 „Dipl.-Ing. (TH/TU/Uni)“ und 41 „Dipl.-Ing. (FH)“. 2012 waren es bei der gleichen Umfrage 80 Prozent. Somit verfügt aktuell lediglich ein Viertel der Branchenvertreter über einen der neuen Abschlüsse. Hierbei überwiegt wiederum der Master mit insgesamt 19 Prozent (M.Eng.: 11%; M.Sc.: 8%). 2012 lagen beide Abschlüsse noch gleichauf – bei jeweils rund zehn Prozent.

Das Ergebnis legt nahe, dass für eine erfolgreiche Berufstätigkeit die erweiterte Ausbildung, also das „Draufsatteln“ eines Masters nach dem obligatorischen Bachelor-Abschluss, als notwendig erachtet wird. Der geringe Anteil von nur sechs Prozent (B.Eng.: 4%; B.Sc.: 2%) an Bachelor-Bauingenieuren zeigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt für die Berufsgruppe einen höheren Ausbildungsgrad verlangt.

Die Kritik an verkürzten Studienzeiten zu Lasten von Praxissemestern und einer allgemeinen Grundausbildung wurde in den letzten Jahren regelmäßig wiederholt. Die Unternehmen gaben dabei an, dass ein Bachelor lediglich ein „besseres Grundstudium“ darstelle. Auch heißt es, ein großer Teil der Ausbildung werde in das Berufsleben verlagert, wie durchgeführte Interviews mit Inhabern von Planungsbüros und Bauunternehmen belegen.

Vom Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (AS-Bau) heißt es dazu: „Die Planungsbürosstellen seit jeher höhere Ansprüche an Bewerber als ausführende Unternehmen. Daher werden die neuen Studiengänge von letzteren eher als ausreichend empfunden.“ Bachelor-Bauingenieure hätten demnach beiden Bauunternehmen bessere Chancen als in den Ingenieurbüros.

Um in Zeiten großer Nachfrage die passenden Fachkräfte für sich zu erhalten, bieten sowohl ausführende Baufirmen als auch Planungsbüros Bachelor-Absolventen vermehrt ein gezieltes Training on the Job an. Gute Einkommensaussichten sind jedoch oft nur mit steigender Berufserfahrung und nach mehreren Arbeitgeberwechseln zu realisieren.

Boombranche Bau

Die Umsätze der Betriebe des Bauhauptgewerbes steigen, ebenso die Auftragseingänge. Alle Zeichenstehen auf Wachstum. Die Unternehmen haben nur ein Problem: Es fehlt ihnen an ausreichend Nachwuchs. Von Christoph Berger

Eine paradoxe Situation: Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Studienanfängerzahlen im Fachbereich Bauingenieurwesen konstant hoch bleiben, die Absolventen von Jahr zu Jahr mehr werden. So schlossen 9.954 Studierende im Jahr 2015 ihr Studium erfolgreich ab. Das sind 1.328 mehr als im Jahr zuvor. Doch trotz dieser zunehmenden und für die Branchepositiven Entwicklung übersteigen die den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen inzwischen die der als arbeitslos gemeldeten Bauingenieure. Eine atypische Situation.

Dabei geht der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie davon aus, dass prinzipiell sowieso nur jede dritte offene Stelle gemeldet wird. Hinzu kommt, dass nicht alle Absolventen dem Arbeitsmarktdirekt zur Verfügung stehen, denn es ist davon auszugehen, dass von den rund 6.000 Absolventen mit einem Bachelorabschluss zahlreiche einen Masterabschluss anstreben werden. Junge Bauingenieure haben vor diesem Hintergrund beste Perspektiven für ihren Einstieg. Und das gilt für alle Bausparten.

Laut aktuellen Konjunkturdatenverzeichnet der Wohnungsbau die deutlichsten Zuwächse. Von Januar bis August 2016 wurde der (Neu- und Um-)Bau von 245.325 Wohnungen genehmigt. Das sind 25,1 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum und so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Bauingenieure werden in dieser Sparte nicht nur für den Hochbau, sondern auch für die Sanierungen und das Bauen im Bestand benötigt.

Auch der Wirtschaftsbau legte in den ersten acht Monaten dieses Jahres deutlich zu. In diesem Zeitraum wuchsen die Umsätze der Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten um 4,4 Prozent, die Nachfrage sogar um 14,9 Prozent. Im Öffentlichen Bau stieg der Umsatz sogar um 7,5 Prozent, die Nachfrage um 18,2 Prozent.

Dabei werden bei letzterem noch nicht einmal sämtliche Potenziale ausgeschöpft. Die durch den Investitionshochlauf des Bundes für Infrastrukturbauten zur Verfügung gestellten Gelder können aufgrund des Mangels an qualifiziertem Fachpersonal derzeit überhaupt nicht verbaut werden. Es fehlt sowohl an Bauingenieuren, die die Projekte planen als auch an solchen, die sie vonseiten der öffentlichen Verwaltung betreuen. Die Chancen für Bauingenieure sind in allen Bausparten somit wirklich gut.

Bauliches Recycling ist kein Selbstläufer

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Dr.-Ing. habil. Angelika Mettke ist außerplanmäßige Professorin für das Arbeitsgebiet Bauliches Recycling an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Ihre Schwerpunkte liegen in der Analyse von ingenieurwissenschaftlichen Fragestellungen zur Vermeidung, Verminderung und der hochwertigen Verwertung von Bauabfällen – vor allem mineralische Rohstoffe stehen im Fokus ihrer Forschung. Für ihre Arbeiten erhielt Angelika Mettke den Deutschen Umweltpreis 2016.

Frau Dr. Mettke, was war Ihre Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie den Deutschen Umweltpreiserhalten?
Ganz ehrlich: Ich bin fast vom Stuhl gerutscht. Der Preis kam vollkommen überraschend. Mir hat es die Sprache verschlagen und im nächsten Moment war ich einfach nur glücklich. Außerdem bin ich fast zersprungen, weil ich die Information noch fast zwei Wochen für mich behalten musste. Das war eine Phase, die ich wahrscheinlich so nicht mehr erleben werde.

Sie wurden für Ihre Arbeiten im Bereich Baustoff-Recycling ausgezeichnet. Welchen Stellenwert hat das Thema?
In der Praxis leider nicht den, der ihm gebührt. Ich hoffe aber, dass dem Thema durch den Preis eine größere Aufmerksamkeit zukommt. Obwohl die Recycling-Industrie schon 30 Jahre existiert, haben wir noch immer Bereiche, in denen in Ausschreibungen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ausschließlich Naturmaterialien zu verbauen sind. Damit werden im Umkehrschluss Recycling-Baustoffe ausgeschlossen. In diesem Punkt muss sich etwas ändern. Und hier hat die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Von welchen Mengen Recycling-Material aus dem Baubereich sprechen Sie?
Die größte Menge an Bauschutt kommt aus dem Hochbau. Das sind in Deutschland bis zu 60 Millionen Tonnen pro Jahr. Hochwertiges Material, das aufbereitet, gütegeprüft und zertifiziert ist, aber oft nur minderwertig wiedereingesetzt wird. Andererseits bauen wir in der Natur jährlich über 500 Millionen Tonnen Rohstoffe ab, welche in Größenordnungen wieder im Hochbau gebraucht werden. In diesem Zusammenhang verstehe ich beispielsweise nicht, warum in Großstädten anfallender Bauschutt nicht wieder zur Betonherstellung verwendet wird. Die stationären RC-Anlagen befinden sich doch in der Regel am Stadtrand und bereiten die Abfälle wieder zu hochwertigen RC-Baustoffen auf. Dies ist nur eine Fragestellung. Mir ist es wichtig, möglichst viele effiziente Einsatzbereiche für das recycelte Material zu erforschen. Ein Recycling ist umso effizienter, je besser die materialgebenden Eigenschaften ausgenutzt werden.

Ist das Recycling von Baustoffen kompliziert?
Überhaupt nicht. Die Anlagen existieren flächendeckend, die Maschinentechnik ist optimiert, Recycling von mineralischem Bauschutt ist Stand der Technik. Recycling-Produkte und RC-Baustoffe werden sowohl hinsichtlich der bautechnischen Eigenschaften als auch der Umweltverträglichkeit geprüft. Für den Einsatz von natürlichen Baustoffen, wie Kiese und Splitte, ist ein bautechnischer Nachweis ausreichend – trotz des Wissens, dass es Regionen mit geogenen Hintergrundbelastungen gibt. Ich favorisiere jedoch, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, Bauteile in Gänze wieder zu verwenden. Zum Beispiel Betonelemente, die bei Rückbaumaßnahmen aus Plattenbauten anfallen. In einer einzigen Deckenplatte steckt beispielsweise so viel Energie, wie eine dreiköpfige Familie in einem halben Jahr an Energie im Haushalt verbraucht. Folglich verringern sich die CO2 -Emissionen im Vergleich zu neuen Produkten in relevanten Größenordnungen.

Sie versuchen auch immer das Gewissen der Bauherren zu erreichen. Kann man damit in einer vom Preis dominierten Branche Überzeugungsarbeit leisten?
Ja. Wenn ich das nicht könnte, könnte ich einpacken. Immer wieder ist es eine Herausforderung, wenn mich Bauherren kontaktieren und Fragen zu ihren Vorhaben stellen. Ich knüpfe für sie auf der Grundlage von Planungsunterlagen Kontakte zu Recycling-Firmen und/oder Rückbauunternehmen, fahre auf Baustellen, bewerte die Bausubstanz hinsichtlich ihrer Qualität, wähle wiederverwendungsgeeignete Bauteile aus; berate also Bauherren und Planer und begleite Bauvorhaben bis zur Fertigstellung des Rohbaus. Diese Arbeit erfüllt mich. Außerdem stößt man immer wieder auf neue Ausführungsarten oder Fragestellungen. Aber auch in akademischen Kreisen gibt es trotzdem noch ablehnende Haltungen, mit Gebrauchtem zu bauen, wenn auch unbegründet – vor allem unter den Planern und Architekten. Das Thema ist kein Selbstläufer.

Wie fühlen Sie sich als Vorreiterin in diesem Arbeitsgebiet?
Ich freue mich, dass ich – trotz etlicher Widerstände – nie lockergelassen habe. Ich bin zutiefst überzeugt, dass ich mit meiner Arbeit mit dazu beitrage, unseren Kindern und Kindeskindern nicht die Lebensgrundlagen zu entziehen beziehungsweise einen Beitrag zur Schonung unserer Umwelt zu leisten. Wichtig sind die Umsetzungen von Recyclingmaßnahmen in die Praxis. Dazu zählen beispielsweise die direkte Vermittlung von Forschungs-Ergebnissen, deren Einbindung in die Aus- und Weiterbildung. Ich habe die besten Bedingungen hier an unserer Brandenburgischen Technischen Universität.

Unternehmensgruppe Vogel-Bau

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Branche
Bauindustrie

Produkte/Dienstleistungen
Tief- und Straßenbau, Ingenieurbau,
Betonfertigteilewerke, Wohnbau,
Schlüsselfertigbau, Hausbau, Abbruch,
Industrie- und Gewerbebau, Entsorgung,
Rohstoff- und Veredelungswerke

Anzahl der Standorte
8 Unternehmen und 14 Standorte

Jahresumsatz
170 Mio. Euro Geschäftsjahr 2013/14

Anzahl der MitarbeiterInnen
Ca. 825 Mitarbeiter

Bedarf an HochschulabsolventInnen
Ca. 10 pro Jahr

Gesuchte Fachrichtungen
Bauingenieurwesen, Architektur, Infrastrukturmanagement,
Vermessung, konstruktiver Ingenieurbau

Einsatzmöglichkeiten
Bauleitung, Ingenieur- und Planungsbüro,
Projektentwicklung, Kalkulation

Einstiegsprogramme
Direkteinstieg oder individuelle Einarbeitungsprogramme

Mögliche Einstiegstermine
Nach Absprache

Auswahlverfahren
Bewerbungsgespräch

Angebote für StudentInnen
Praktika, Studien- und Diplomarbeiten,
Duales Studium Bauingenieur

Logo Vogel Bau

Ansprechpartner Bewerbung
Vogel-Bau Zentrale

Anschrift
Dinglinger Hauptstraße 28
77933 Lahr / Schwarzwald

Fon
07821/893-0

Fax
07821/22 939

E-Mail
bewerbung@vogel-bau.de

Internet
www.vogel-bau.de
www.vb-industriebau.de
www.wochner-massivhaus.de

E-Paper karriereführer handel 2016.2017

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karriereführer handel 2016.2017 Disruption im Handel

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Cover handel 2016.2017

Stationär wird digital

Die spannendsten Innovationen in der Handelsbranche haben die Shops im Fokus: Ziel der Entwicklungen ist es, die Offline- mit der Online-Welt zu verschmelzen. Stichworte sind das Internet der Dinge und Cognitive Computing, Beacons und Wearables. Wir erklären, was hinter den Innovationen steht, warum Probleme bekommt, wer sie ignoriert, und wie der Handelsnachwuchs davon profitieren wird.

Disruption im Handel – Stationär wird digital

Die spannendsten Innovationen in der Handelsbranche haben die Shops im Fokus: Ziel der Entwicklungen ist es, die Offline- mit der Online-Welt zu verschmelzen. Stichworte sind das Internet der Dinge und Cognitive Computing, Beacons und Wearables. Wir erklären, was hinter den Innovationen steht, wer Probleme bekommt, wer sie ignoriert, und wie der Handelsnachwuchs davon profitieren wird. Von André Boße

Disruption – das klingt schon mal gar nicht gut. Irgendwie nach Unheil. Doch keine Angst: Im Grunde stecken hinter dem Begriff viele Chancen für den Handel. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Wer diese Chancen nicht nutzt, wird Probleme bekommen. Disruptiv, das Adjektiv, wird laut Duden mit „zerstörend“ definiert. Unter disruptiver Technologie versteht man in der Wirtschaft Innovationen, die so viele Änderungen implizieren, dass bereits kurz nach ihrer Einführung kein Stein mehr auf dem anderen steht.

Disruptive Technologien sind nicht neu, gerade im Handel nicht. Die Idee eines Discounters hat einst den Tante-Emma-Läden zugesetzt. Doch die Disruption, die aktuell von der Digitalisierung ausgeht, hat in Sachen Dynamik und Relevanz deutlich mehr zu bieten. In einem Wahnsinnstempo verändern digitale Innovationen das Kaufverhalten der Kunden. Einige Branchen sind dadurch schon komplett durcheinandergewirbelt worden, der Buchhandel zum Beispiel oder die Musikindustrie. Jedoch steht der Handel nicht bereits am Ende des Zeitalters der totalen Veränderung. Die Branche steckt mittendrin. Einige Experten sagen sogar, jetzt gehe es erst richtig los. Und zwar nicht nur im Netz. Sondern insbesondere in den Geschäften.

Online-Durchbruch in Stores

„Wir erleben, dass sich der stationäre Einzelhandel zunehmend digitalisiert“, sagt Wilfried Malcher, Geschäftsführerfür Bildung und Berufsbildung beim Handelsverband Deutschland (HDE). Ein wichtiger Schritt, der diese Entwicklung weiter befeuert, sei der Wegfall der WLAN-Störerhaftung: Nun ist der Anbieter eines freien Hotspots in einem Store nicht mehr für das eventuelle Fehlverhalten Dritter haftbar. „Das“, glaubt Malcher, „löst einen Innovationsschub im stationären Handel aus und treibt die digitale Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und Online voran.“

Diese Dynamik zu forcieren, daran arbeitet Richard Lemke, Geschäftsführer des Technologieunternehmens Favendo, einem Entwickler für digitale Innovationen für den
stationären Handel. Wer mit Lemke über die Shops der Zukunft spricht, glaubt schon bald, die Shoppingerfahrung von morgen habe mehr mit einem Videospiel zu tun als mit dem klassischen Einkaufsbummel. So spricht der CEO von „FlowTrackern“, die es ermöglichen, „Kundenströme und Bewegungen zu erfassen, ohne dass der Besucher dazu eine bestimmte App nutzen muss“. Auch das Internet der Dinge werde im stationären Handel verstärkt eine Rolle spielen, glaubt Lemke: „Das Smartphone wird zu einer Art Fernbedienung, um mehr Informationen über die Waren in der nahen Umgebung zu erhalten.“

Von solchen „Smart Stores“ profitiert dann auch der Händler: Produkte, Store-Infrastruktur und Kunde vernetzen sich, das legt Laufwege und Kaufverhalten offen.
Über Sensoren und Kameras erhält der Händler riesige Datenmengen, wobei es bereits mit Künstlicher Intelligenz ausgerüstete Maschinen gibt, die in der Lage sind, aus diesen Daten Muster zu erkennen und Schlüsse zu ziehen. „Cognitive Computing“ nennt sich diese Entwicklung: IT-Systeme beobachten und bewerten alles, was im Geschäft passiert – und liefern dem Händler aufbereitete Daten, mit deren Hilfe er sein Angebot optimieren kann.

Beacons und Wearables „Location-based Services“ heißen diese digitalen Möglichkeiten, mit denen man als Händler mehr über den Kunden erfahren und diesem gleichzeitig mehr bieten kann. Eine der interessantesten Innovationen auf diesem Feld nennt sich Beacon. Die Idee: Im Laden gibt es Sender, die per Bluetooth-Technologie Informationen an die Empfänger schicken. „Wir müssen uns vor Augen halten, dass 90 Prozent aller Kunden inzwischen ganz selbstverständlich das Smartphone während des Einkaufs nutzen“, sagt Richard Lemke, der mit seinem Unternehmen die Beacon-Technologie in Deutschland voranbringen will. Nun erhält das Smartphone sogar noch Konkurrenz: So genannte Wearables wie Datenbrillen, Uhren oder mit RFID-Technik ausgerüstete Kleidungsstücke vernetzen den Konsumenten noch direkter mit den digitalen Kanälen.

Funktionierendes Marketing

Für den Kunden wird die Offline-Welt des Shoppings im Laden also mit der Online-Welt verschmelzen. Dass der Händler daher versucht, den Kunden nicht nur durch haptische, sondern auch durch digitale Angebote zu erreichen, ist also logisch. „Für den Händler ist es ein großer Vorteil, dass er seine Kunden und deren Verhalten in seinem Geschäft viel genauer kennenlernt, als es bisher möglich war“, sagt Lemke. Zudem gewinne der Händler einen sehr genauen Überblick darüber, welche Marketingmaßnahmen funktionieren und welche nicht, also welche Angebote Kunden interessieren – und welche er ignoriert. „Das Stochern im Dunklen hat damit ein Ende.“

Die Idee von Beacons ist nicht neu, flächendeckend durchgesetzt hat sie sich bislang noch nicht. Doch nun geht es los, glaubt der Favendo-Gründer. „Die Phase der kleinflächigen Piloten ist zu Ende. Im Handel erleben wir aktuell den Sprung in großflächige Anwendungsszenarien.“ Aktuell habe ein Handelskonzern in England und Frankreich 24 Einkaufszentren komplett mit Beacon-Infrastrukturen ausgestattet. Interessant ist die Technik auch für die Außenwerbung: Beacons schaffen Mehrwerte, in dem sie dem Kunden Angebote aufs Smartphone schicken. „Viele große Unternehmen sind aktuell extrem aktiv. Der Durchbruch ist da“, glaubt Lemke.

Wichtig sei nun, dass die Händler verantwortungsbewusst mit den neuen Möglichkeiten umgehen. „Beacon-Technologie beinhaltet die Gefahr, den Kunden permanent anzusprechen und zu penetrieren“, sagt Lemke. „Wenn Beacons auf die Möglichkeit reduziert werden, dem Kunden ungefiltert eine Push-Nachricht nach der anderen zu schicken, ist das extrem kontraproduktiv. Händler müssen diese neue Technologie daher unbedingt aus Kundensicht denken.“ Wilfried Malcher vom HDE glaubt, dass der Handel in dieser Hinsicht das richtige Maß finden wird. „Der Einzelhandel ist von jeher eine kundengetriebene Branche. Letztlich wird sich die Digitalisierung auf dem von Kunden gewünschten Niveau einpendeln.“

Back-Office durchdigitalisiert

Das gilt für alle von den Konsumenten sichtbaren Prozesse. Das Back-Office hingegen werde entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf jeden Fall weiter digitalisiert, glaubt Malcher. „Ganz einfach, weil hier erhebliche Qualitäts- und Leistungsverbesserungen möglich sind.“ Das gilt insbesondere für Bereiche wie Logistik und Vertrieb, wo digitale Software viele Abläufe optimieren kann.

Dabei glaubt der Experte vom Handelsverband nicht, dass sich Online- und Offline-Shoppingwelt dahingehend aufteilen, dass es im Internet nur noch um den günstigsten Preis geht und in den Stores um die Shopping-Erfahrung. „Die Entwicklung geht gerade nicht zu einer zweigeteilten Handelswelt, sondern vielmehr in Richtung Verschränkung von Off- und Online“, sagt Malcher. Die Handelsunternehmen müssten daher sowohl beim Stadtbummel als auch im Internet für ihre Kunden da sein. „Erfolgreich werden die Händler sein, die konsequent die Vorteile beider Welten miteinander verbinden und den Kunden so einen Mehrwert bieten.“

Ein Beispiel sei Click & Collect. Mit diesem Verfahren können die Kunden Ware im Internet bestellen und dann persönlich im Laden abholen. Malcher: „Dass der Trend in Richtung Cross- und Multichannel-Handel geht, lässt sich daran erkennen, dass immer mehr bisher reine Online-Händler stationäre Geschäfte eröffnen und diese wie selbstverständlich mit dem Online-Geschäft verzahnen.“

Menschlich geprägtes Business

Da ist es nur logisch, dass der Handel nach Nachwuchskräften Ausschau hält, die sich in beiden Welten bestens auskennen. „Wie bei allen großen Innovationen, tragen auch bei der Digitalisierung junge Generationen neue Herangehensweisen in das Arbeitsleben, die Probleme auf neue Art lösen“, sagt der HDE-Bildungsexperte. „Die junge Generation nutzt mit bisher nie dagewesener Selbstverständlichkeit digitale Medien. Das bringt neue Impulse in die Unternehmen.“ Zudem sei es mit digitalen Vorkenntnissen deutlich einfacher, sich im Studium den berufsoder fachbezogenen Umgang mit der digitalen Technik und der geeigneten
Software anzueignen.

Sind in diesem Zusammenhang die klassischen Kompetenzen von Handelsprofis nicht mehr gefragt? Wird die Branche zunehmend von IT-Spezialisten übernommen? Malcher glaubt das nicht. „Weiterhin stehen Branchenwissen und soziale Skills, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft und interkulturelle Kompetenzen im Mittelpunkt.“ Bei aller Veränderungsdynamik, bei aller Disruption: Hier bleibt sich der Handel treu – er bleibt auch nach der Digitalisierung ein menschlich geprägtes Business. Wenn auch mit neuem Vorzeichen.