Bauliches Recycling ist kein Selbstläufer

Die Preisträgerin des Deutschen Umweltpreises 2016 Angelika Mettke im Gespräch

Angelika Mettke, Foto: Weisflog/dbu
Angelika Mettke, Foto: Weisflog/dbu

Dr.-Ing. habil. Angelika Mettke ist außerplanmäßige Professorin für das Arbeitsgebiet Bauliches Recycling an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Ihre Schwerpunkte liegen in der Analyse von ingenieurwissenschaftlichen Fragestellungen zur Vermeidung, Verminderung und der hochwertigen Verwertung von Bauabfällen – vor allem mineralische Rohstoffe stehen im Fokus ihrer Forschung. Für ihre Arbeiten erhielt Angelika Mettke den Deutschen Umweltpreis 2016.

Frau Dr. Mettke, was war Ihre Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie den Deutschen Umweltpreiserhalten?
Ganz ehrlich: Ich bin fast vom Stuhl gerutscht. Der Preis kam vollkommen überraschend. Mir hat es die Sprache verschlagen und im nächsten Moment war ich einfach nur glücklich. Außerdem bin ich fast zersprungen, weil ich die Information noch fast zwei Wochen für mich behalten musste. Das war eine Phase, die ich wahrscheinlich so nicht mehr erleben werde.

Sie wurden für Ihre Arbeiten im Bereich Baustoff-Recycling ausgezeichnet. Welchen Stellenwert hat das Thema?
In der Praxis leider nicht den, der ihm gebührt. Ich hoffe aber, dass dem Thema durch den Preis eine größere Aufmerksamkeit zukommt. Obwohl die Recycling-Industrie schon 30 Jahre existiert, haben wir noch immer Bereiche, in denen in Ausschreibungen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ausschließlich Naturmaterialien zu verbauen sind. Damit werden im Umkehrschluss Recycling-Baustoffe ausgeschlossen. In diesem Punkt muss sich etwas ändern. Und hier hat die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Von welchen Mengen Recycling-Material aus dem Baubereich sprechen Sie?
Die größte Menge an Bauschutt kommt aus dem Hochbau. Das sind in Deutschland bis zu 60 Millionen Tonnen pro Jahr. Hochwertiges Material, das aufbereitet, gütegeprüft und zertifiziert ist, aber oft nur minderwertig wiedereingesetzt wird. Andererseits bauen wir in der Natur jährlich über 500 Millionen Tonnen Rohstoffe ab, welche in Größenordnungen wieder im Hochbau gebraucht werden. In diesem Zusammenhang verstehe ich beispielsweise nicht, warum in Großstädten anfallender Bauschutt nicht wieder zur Betonherstellung verwendet wird. Die stationären RC-Anlagen befinden sich doch in der Regel am Stadtrand und bereiten die Abfälle wieder zu hochwertigen RC-Baustoffen auf. Dies ist nur eine Fragestellung. Mir ist es wichtig, möglichst viele effiziente Einsatzbereiche für das recycelte Material zu erforschen. Ein Recycling ist umso effizienter, je besser die materialgebenden Eigenschaften ausgenutzt werden.

Ist das Recycling von Baustoffen kompliziert?
Überhaupt nicht. Die Anlagen existieren flächendeckend, die Maschinentechnik ist optimiert, Recycling von mineralischem Bauschutt ist Stand der Technik. Recycling-Produkte und RC-Baustoffe werden sowohl hinsichtlich der bautechnischen Eigenschaften als auch der Umweltverträglichkeit geprüft. Für den Einsatz von natürlichen Baustoffen, wie Kiese und Splitte, ist ein bautechnischer Nachweis ausreichend – trotz des Wissens, dass es Regionen mit geogenen Hintergrundbelastungen gibt. Ich favorisiere jedoch, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, Bauteile in Gänze wieder zu verwenden. Zum Beispiel Betonelemente, die bei Rückbaumaßnahmen aus Plattenbauten anfallen. In einer einzigen Deckenplatte steckt beispielsweise so viel Energie, wie eine dreiköpfige Familie in einem halben Jahr an Energie im Haushalt verbraucht. Folglich verringern sich die CO2 -Emissionen im Vergleich zu neuen Produkten in relevanten Größenordnungen.

Sie versuchen auch immer das Gewissen der Bauherren zu erreichen. Kann man damit in einer vom Preis dominierten Branche Überzeugungsarbeit leisten?
Ja. Wenn ich das nicht könnte, könnte ich einpacken. Immer wieder ist es eine Herausforderung, wenn mich Bauherren kontaktieren und Fragen zu ihren Vorhaben stellen. Ich knüpfe für sie auf der Grundlage von Planungsunterlagen Kontakte zu Recycling-Firmen und/oder Rückbauunternehmen, fahre auf Baustellen, bewerte die Bausubstanz hinsichtlich ihrer Qualität, wähle wiederverwendungsgeeignete Bauteile aus; berate also Bauherren und Planer und begleite Bauvorhaben bis zur Fertigstellung des Rohbaus. Diese Arbeit erfüllt mich. Außerdem stößt man immer wieder auf neue Ausführungsarten oder Fragestellungen. Aber auch in akademischen Kreisen gibt es trotzdem noch ablehnende Haltungen, mit Gebrauchtem zu bauen, wenn auch unbegründet – vor allem unter den Planern und Architekten. Das Thema ist kein Selbstläufer.

Wie fühlen Sie sich als Vorreiterin in diesem Arbeitsgebiet?
Ich freue mich, dass ich – trotz etlicher Widerstände – nie lockergelassen habe. Ich bin zutiefst überzeugt, dass ich mit meiner Arbeit mit dazu beitrage, unseren Kindern und Kindeskindern nicht die Lebensgrundlagen zu entziehen beziehungsweise einen Beitrag zur Schonung unserer Umwelt zu leisten. Wichtig sind die Umsetzungen von Recyclingmaßnahmen in die Praxis. Dazu zählen beispielsweise die direkte Vermittlung von Forschungs-Ergebnissen, deren Einbindung in die Aus- und Weiterbildung. Ich habe die besten Bedingungen hier an unserer Brandenburgischen Technischen Universität.