Aufgestiegen zum Bauleiter

Für Andreas Jorsch war es der perfekte Start: Als er 2008 sein Praktikum bei BAM Deutschland begann, kam er direkt zur Baustelle der O2-World in Berlin. Von Christoph Berger

Zur Person

Andreas Jorsch Studium: Bauingenieurwesen an der Hochschule Zittau/Görlitz eingestiegen 2008: als Praktikant aufgestiegen 2010: zum Bauleiter bei BAM Deutschland
Die multifunktionale und 60.000 Quadratmeter große Veranstaltungshalle zählt heute laut dem Branchenmagazin „Pollstar“ im internationalen Vergleich zu den 20 erfolgreichsten Arenen. Sie belegte in der Auswertung „Top 100 Arena Venues“ für das erste Halbjahr dieses Jahres Platz 17. Der Auftrag für BAM lautete: Planung und Neubau. Andreas Jorsch hatte dort die Chance, den Bauleiter bei seiner Arbeit zu begleiten, und bekam so einen ersten Vorgeschmack und Einblick in das, was er selbst einmal tun würde: für den reibungslosen Ablauf auf der Baustelle zu sorgen. „Kaffee kochen und kopieren musste ich nie“, sagt er. Er durfte gleich zu Anfang richtig mitarbeiten und bekam erste Aufgaben übertragen. Diese erledigte er zuverlässig und mit Leidenschaft. „An einem solchen Gebäude“, sagt er „baut man schließlich nur einmal in seinem Leben mit.“ Erfolgreicher Einstieg Der Kontakt zum Unternehmen war hergestellt. Und Andreas Jorsch hielt ihn. Auch seine Diplomarbeit schrieb er in Zusammenarbeit mit BAM: Das Thema war Lösungsverfahren für Klinkerfassaden. Ganz konkret ging es um die Fassade des Hackeschen Quartiers in Berlin. Zu Beginn testete er in der Theorie verschiedene Ausführungsvarianten auf ihre Qualität hin und erarbeitete auf der Grundlage der gewonnen Daten einen passenden Lösungsansatz. Damit hatte er nicht nur sein Diplom in der Tasche, sondern gleichzeitig auch seinen Arbeitgeber gefunden. BAM war überzeugt von den Fähigkeiten des jungen Absolventen und stellte ihn als Bauleiter ein. Bei seinem ersten Projekt ging es um die Umsetzung seiner Diplomarbeit in die Praxis: Er verantwortete den Bereich Klinkerfassade auf der Baustelle. Er sprach die Details mit den Fassadenbauern ab, einigte sich mit den Architekten auf ein Farbkonzept , entwickelte Verfahren für die Anbringung, überwachte die Ausführungen, betreute ausführende Firmen, vereinbarte Termine, nahm Arbeiten ab, und begutachtete mit dem Bauherren oder dessen Vertretern die Baustelle. Bei dem Hackeschen Quartier handelt es sich im Wesentlichen um eine fugenlose Stahlbetonskelettkonstruktion mit vorgehängten Fassaden aus unterschiedlichen Materialien und Ästhetiken. Im Gesamtensemble sind straßenseitig elementare Betonfertigteile, hinterlüftete Metall-Glas-Paneele, Keramikelemente, Klinker-Sonderformsteine und WDVS (Wärmedämmverbundsystem) mit Natursteinsockeln angebracht. So wurde sowohl für optische Abwechslung gesorgt als auch auf ein gut durchdachtes und nachhaltig funktionierendes Gebäude geachtet. Andreas Jorsch hatte eine lange Liste an organisatorischen Aufgaben zu bewältigen. Geholfen hat ihm dabei außer dem im Studium erworbenen Wissen ein gewisser praktischer Sinn: „Manchmal reicht schon ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand“, sagt er. „Dazu kommen natürlich Gründlichkeit in der Arbeitsweise, Verantwortungsbewusstsein sowie Entscheidungsfreude.“ Und da jedes Projekt einzigartig ist, gibt es niemals eine Patentlösung. Immer wieder muss entsprechend den bestehenden Voraussetzungen entschieden werden. Insgesamt arbeitete Andreas Jorsch an dem Projekt fast zwei Jahre mit, bis Ende 2012. Zusatzwissen erwerben Nach den letzten erfolgreichen Projekten in Berlin verließ Andreas Jorsch erst einmal für einige Monate die Welt der Baustellen: „Ich wurde in das Young-Professional-Programm von BAM Deutschland aufgenommen, in dem es vor allem darum geht, die unternehmensinternen Prozesse noch besser kennenzulernen und sein Netzwerk auszubauen.“ Die Teilnehmer dürfen sich selbst Bereiche aussuchen, in die sie gerne tiefer Einblicke bekommen möchten. Andreas Jorsch wählte die Abteilungen Arbeitsvorbereitung Haustechnik, Kalkulation und den kaufmännischen Bereich für Baustellen. In den beiden erstgenannten Bereichen hatte er bis dahin kaum Erfahrung sammeln können. Durch die Mitarbeit in der kaufmännischen Begleitung von Baustellen erhoffte er sich eine Stärkung seiner Kompetenz im Umgang mit Subunternehmern, speziell was die Verhandlungsführung betrifft. Und er nahm in der Zeit an verschiedenen Seminaren teil: Rhetorik und Präsentation, Mitarbeiterführung und Zeitmanagement waren nur einige der Themen. Ab in die Hafenstadt Momentan pendelt Andreas Jorsch zwischen seinem Wohnort Berlin und seiner aktuellen Baustelle in Hamburg hin und her. „Wenn ich mich diszipliniere, leiden meine Hobbys auch darunter nicht“, weiß er inzwischen. „Gerade vor anstehenden Projektenden wird es sportlich.“ Um ein solches Projekt geht es auch in der Hansestadt: Am Albertinen-Krankenhaus im Hamburger Stadtteil Schnelsen realisiert BAM Deutschland den schlüsselfertigen Neubau eines hochmodernen medizinischen Funktionstraktes mit Hightech- OP und Intensivbereichen, einer integrierten Frauen- und Geburtsklinik, einem Diagnostikzentrum sowie einer Notfallaufnahme mit Aufnahmezentrum. Dort unterstützt Andreas Jorsch in der Abschlussphase die Bauleitung. Er ist mitverantwortlich für die Gewerke Türen und Trockenbau. „Es dreht sich vor allem um das Thema Brandschutz und weitere baubegleitende Maßnahmen“, erzählt er. Das sind sehr führungsintensive Aufgaben. Inzwischen konnte er schon viel Erfahrung sammeln, sodass er nicht nur souveräner mit schwierigen Situationen umgeht, sondern sein Wissen auch an nachkommende Bauleiter weitergeben kann. „Bei uns gibt es immer einen Mix an erfahrenen und jungen Bauingenieuren. So ist immer ausreichend Unterstützung da“, weiß er aus eigener Erfahrung. Das Besondere bei BAM ist: „Verantwortung bekommt man sofort.“ Genau darin lag für ihn von Beginn an der Reiz seiner Arbeit. Gefallen hat ihn auch die Aufnahme durch die Projektteams: „Kommuniziert wurde direkt auf Augenhöhe. Das war auch mit den Nachunternehmern der Fall.“ Natürlich übernimmt jeder Einzelne Verantwortung, doch schließlich ist Bau immer auch Teamarbeit. „Man muss die Baustelle gemeinsam mit allen Beteiligten organisieren, nur so kommt man erfolgreich zu einem Abschluss.“

Weiter durch Lernen

Für Bauingenieure gibt es nach einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss zahlreiche Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Das Angebot ist inhaltlich breit gefächert. Der karriereführer bauingenieure stellt vier Angebote vor. Von Christoph Berger

Der Titel des Studiengangs „Wirtschaftswissenschaften“ mag im ersten Moment etwas irreführend sein und den Anschein erwecken, nicht unbedingt die Bauingenieure als Zielgruppe zu haben. Doch genau die hat das von der TU Bergakademie Freiberg in Kooperation mit dem Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen angebotene Aufbaustudienangebot auch im Fokus: Zielgruppe sind Ingenieure, Architekten, Naturwissenschaftler und Mathematiker. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Hochschulabschluss in einem der genannten Fachbereiche an einer Universität oder einer gleichgestellten Hochschule beziehungsweise die Examensnote „Gut“ an einer Fachhochschule. Das Studium ist modular aufgebaut: Pflichtmodule sind Finanzbuchführung, Kosten- und Leistungsrechnung, Investition und Finanzierung sowie die Grundlagen des Privatrechts. Oligatorisch sind zudem Wahlpflichtmodule aus den Bereichen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Zudem steht über spezielle Wahlpflichtmodule ein zusätzliches Angebot zur Verfügung – entweder für eine generalistische Ausbildung oder aber für eine gezielte Schwerpunktsetzung. Bauingenieure könnten hier beispielsweise die Module „Grundlagen Bau- und Infrastrukturmanagement“, „Entwicklung und Finanzierung von Großprojekten“ oder „Öffentliches Bau- und Planungsrecht“ interessieren. Nach drei Jahren berufsbegleitendem Studium oder einem Präsenzstudium in Freiberg und mit bestandener Diplomarbeit wird den Bauingenieuren schließlich der Grad „Diplom-Wirtschaftsingenieur/-in“ verliehen. Die Weiterbildungen im berufsbegleitenden Zweig finden an zehn Wochenenden im Jahr, jeweils freitags und samstags, in Frankfurt am Main statt, ebenso wie die Prüfungen. Einen etwas anderen Schwerpunkt setzt das Kooperationsangebot der Bauhaus Akademie Schloss Ettersburg, der Bauhaus Weiterbildungsakademie Weimar und der Bauhaus-Universität Weimar. Gemeinsam haben die drei Partner ein weiterbildendes Studium entwickelt, das eine ergänzende Ausbildung von Ingenieuren auf dem Spezialgebiet „Brückenbau“ bietet. Das Studium ist berufsbegleitend auf sechs Monate angelegt. In acht Präsenzphasen, die ebenfalls freitags und samstags stattfinden, bekommen die Studierenden Einblicke und Kenntnisse zu den neuesten Entwicklungen in der Disziplin auf nationaler und internationaler Ebene vermittelt. Das thematische Spektrum reicht von Finanzierungsmöglichkeiten über Planungsgrundlagen wie Modellbildung und Analyse oder speziellen Ausführungsproblemen und -lösungen bis hin zu rechtlichen Fragen der Abrechnung und des Nachtragsmanagements. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein abgeschlossenes Hoch- oder Fachhochschulstudium in einer natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtung. Gezielt angesprochen werden Bauingenieure ohne spezielle Kenntnisse im Brückenbau beziehungsweise solche, die im konstruktiven Ingenieurbau tätig sind und ihre Kenntnisse im Brückenbau erweitern möchten. Die Teilnahme an dem Studiengang kostet 3690 Euro, vergeben wird der Titel „Fachingenieur/in für Brückenbau“. Zwischen ganz unterschiedlichen Vertiefungen können Studierende des Aufbaustudiengangs „Bauingenieurwesen“ an der TU Dresden wählen. Zur Auswahl stehen: Konstruktiver Ingenieurbau, Baubetriebswesen, Stadtbauwesen und Verkehr, Wasser und Umwelt, Computational Engineering sowie Gebäude Energie Management. Alle sind mit einem reichhaltigen Modulangebot hinterlegt. Die TU Dresden richtet sich mit dem Studiengang an Absolventen eines Bachelorstudiengangs mit mindestens 180 Leistungspunkten beziehungsweise an Absolventen eines Fachhochschulstudiums mit mindestens acht Semestern Regelstudienzeit – jeweils im Fach Bauingenieurwesen. Das Lehrangebot ist auf drei Semester verteilt. Im vierten Semester wird die Diplomarbeit angefertigt. Abgeschlossen wird mit dem akademischen Grad Diplom-Ingenieur/-in. Aufbauend auf den Schwerpunkten Konstruktiver Ingenieurbau und Infrastruktur, Wasser und Mobilität bietet der Fachbereich Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Kaiserslautern ab dem Wintersemester 2014/2015 zwei Masterstudiengänge an. Der viersemestrige Masterstudiengang „Bauingenieurwesen – Infrastruktur, Wasser und Mobilität“ enthält im Pflichtteil als Kernfächer vertiefende Studienangebote aus den Fachgebieten Wasserbau und Wasserwirtschaft, Siedlungswasserwirtschaft, Verkehr und Mobilität sowie Baubetrieb und Bauwirtschaft. Der ebenfalls auf vier Semester angelegte Masterstudiengang „Bauingenieurwesen – Konstruktiver Ingenieurbau“ sieht ein Fachstudium mit verbindlichen Fachstudienmodulen und einem Fachpraktikum vor, ein Vertiefungsstudium mit wählbaren Vertiefungsmodulen, ein ergänzendes Wahlpflichtstudium sowie Projektarbeiten und die Masterarbeit. Studierende wählen im Vertiefungsstudium drei Fächer aus: Zur Auswahl stehen Stahlbau, Massivbau, Statik sowie Bodenmechanik und Grundbau. Das vierte Vertiefungsfach besteht aus der Kombination zweier Fächer aus dem Angebot Werkstoffe, Bauphysik, Brandschutz und Baubetrieb. Bei erfolgreichem Abschluss wird in beiden Studiengängen der akademische Grad „Master of Science (M.Sc.)“ vergeben.

Links zu den beschriebenen Aufbaustudiengängen

Die Ausgabe des karriereführer bauingnieure steht online zur Verfügung: www.karrierefuehrer.de/bauingenieure

Mein Berufsweg bei: Hochtief

Trotz meiner erst 33 Jahre blicke ich schon auf einige Jahre Geschichte bei Hochtief zurück. Denn bereits 1996 startete ich bei dem Essener Unternehmen eine Ausbildung zum Beton- und Stahlbetonbauer. Von Sven Gaebel

Sven Gaebel, Foto: Hochtief Name: Sven Gaebel Alter: 33 Jahre Studienort: FH Aachen Hochschulabschluss als: Bauingenieur (FH) Warum Hochtief? Interessante Groß- und Auslandsprojekte, enge Verbindung zum Unternehmen Position: Section Engnieer Sprachen: Englisch, Spanisch und ansatzweise die Sprachen der Länder, in denen ich für Projekte eingesetzt werde
Diese Zeit hilft mir bis heute – sowie auch ein ebenfalls inzwischen abgeschlossenes Bauingenieurstudium. Denn ich sammelte früh praktische Erfahrungen und hatte daher eine gute Grundlage, um Situationen einschätzen zu können. Außerdem war ich auf diesem Weg von Beginn meines Berufslebens an mit Hochtief verbunden. Hier absolvierte ich während meines Studiums etwa sieben Praktika, eines davon in Australien, ein zweites in Schottland. Und ich schrieb eine projektbezogene und englischsprachige Diplomarbeit. Allerdings musste ich mich danach trotzdem noch einmal bei Hochtief bewerben, wenn auch nicht über den ansonsten üblichen Bewerbungsweg: Ende 2008 reichte ich bei der Personalabteilung meinen Lebenslauf ein und führte anschließend ein etwa einstündiges Einstellungsgespräch. Dann war alles klar, und ich startete in der Abteilung für Major International Projects, kurz MIP. Und der Abteilungsname hält, was er verspricht: Schon eine Woche nach dem Vorstellungsgespräch ging es für mich direkt für dreieinhalb Jahre ins Ausland, nach Katar. Dort bauten wir einen über acht Kilometer langen Gebäudekomplex, der aus fünf Einheiten besteht – die Barwa Commercial Avenue in Doha. In einer dieser Einheiten war ich als Section Engineer zuerst für 650 Meter Rohbau verantwortlich, später für den Dachbau und den Ausbau dieses Bereichs. Super war, dass ich ein gutes Team an Polieren und Vorarbeitern hatte, die Planungen gut gelaufen waren und die Arbeitsabläufe stimmten. So meisterten wir vor allem die schwierigen logistischen Herausforderungen erfolgreich und hielten die Termine. Im Frühjahr 2012 kam ich zurück nach Deutschland. Hier arbeitete ich für ein Jahr in der Zentrale an der Erstellung eines Angebots für ein Großprojekt in Saudi-Arabien mit und betreute interne Genehmigungsprozesse. Bei uns durchlaufen die Projekte immer unterschiedliche Phasen und Gremien, in denen festgelegte Richtlinien eingehalten werden müssen. Ich achtete darauf, dass diese Prozesse eingehalten werden, und begleitete sie. Seit Ostern dieses Jahres bin ich nun wieder unterwegs. Allerdings nicht in einem so brütend heißen Land wie Katar, sondern eher im Gegenteil: Etwa 80 Kilometer nördlich von Norwegens Hauptstadt Oslo bin ich innerhalb eines großen Infrastrukturprojekts für einen Tunnelbau verantwortlich. Der Tunnelbau ist, im Gegensatz zum Hochbau in Katar, ganz neu für mich, sodass dies eine riesige Herausforderung ist. Doch genau das habe ich mir gewünscht. Hier kann ich wieder neue Erfahrungen sammeln, mich beweisen und mein Netzwerk ausbauen. Und schließlich ist, insofern ich meine Aufgaben gut erfülle, ein solches Großprojekt auch karrierefördernd – auf dass meine Geschichte bei Hochtief fortgeschrieben wird.

Jung und erfolgreich bei: DB Netz

Heute weiß ich: Mein späterer Weg wurde überwiegend durch die Wahl meiner Vertiefungsrichtung im Studium geebnet. Ich hatte mich für das Verkehrswesen entschieden, der Bereich Eisenbahnwesen gehört dazu. Von Olga Kubacki

Name: Olga Kubacki Position: Bauherrenvertreterin für Großprojekte Stadt: Berlin Alter: 28 Jahre Abschlussjahr: 2010 Fremdsprachen: Polnisch, Englisch, Spanisch Interessen: Reisen, Kochen, Musik Ziel: Arbeit in einem internationalen Team
Der das Institut leitende Professor arbeitete selbst für die Deutsche Bahn. Dank seiner vielen Erfahrungen, konnte er uns ein umfangreiches Fachwissen mitteilen und einen guten Überblick über das System Bahn vermitteln. Mit wachsendem Fachwissen kam auch das Interesse. Da die Deutsche Bahn das größte Schienennetz Europas betreibt, war klar: Wenn ich viele Erfahrungen sammeln will, bewerbe ich mich bei der Bahn. Nach einer Initiativbewerbung durchlief ich erfolgreich den Bewerbungsprozess. Schließlich wurde mir eine Traineestelle mit der Zielposition Bauherrenvertreterin für Großprojekte angeboten. Ich nahm an und wurde in zwölf Monaten auf meine heutige Arbeit vorbereitet. In Stationen lernte ich das Unternehmen kennen. Ich wurde mit Fragen der Bauüberwachung, der Finanzierung und des Controllings konfrontiert. Zeitweise war ich aber auch ganz nah am Gleis: Ich inspizierte mit Anlagenverantwortlichen Weichen. So lernte ich bis April 2012 schon viele der Abteilungen kennen, mit denen ich auch heute noch zusammenarbeite. Als Bauherrenvertreterin ist es meine Aufgabe, die Interessen von DB Netz, dem größten Infrastrukturunternehmen des Bahn-Konzerns, in dem jeweiligen Großprojekt zu vertreten. In meiner Organisationseinheit handelt es sich vor allem um Bedarfsplanprojekte. Ich bin für die Finanzierung zuständig, fordere zum Beispiel Bundesmittel an, habe insgesamt ein Auge auf die Kosten und überwache die Einhaltung der Termine. Zudem beauftrage ich unseren internen Dienstleister. Direkt nach der Trainee- Zeit bekam ich die Verantwortung für das Projekt Nordkreuz-Karow, 2. Baustufe übertragen. Dabei handelt es sich um den zweigleisigen Fernbahnausbau eines Streckenabschnitts der Stettiner Bahn nördlich von Berlin unter Einbeziehung der Berliner S-Bahn. In der Phase der Entwurfsplanung des Projekts gab es eine Menge an Abstimmungen zwischen allen Projektbeteiligten zu organisieren. Während der Bauausführung habe ich die Aufgabe der sekundären Bauüberwachung. Vor Ort erkundige ich mich über den Baufortschritt und versichere mich über die Vollständigkeit der bei dem Bau vorzuhaltenden Unterlagen. Genau darin liegt eine der Faszinationen des Jobs: Ich arbeite an sehr unterschiedlichen Aufgaben mit verschiedensten Menschen zusammen. Nach ungefähr einem Jahr habe ich mich intern für ein anderes Projekt in der gleichen Funktion beworben. Seit Mitte dieses Jahres vertrete ich meinen Arbeitgeber bei der Realisierung einer großen Schnellumschlaganlage für den kombinierten Ladeverkehr, dem Mega- Hub Lehrte. Dort werden unter anderem sechs Umschlaggleise gebaut, Hochleistungsportalkräne errichtet sowie das Gleisbild des bereits bestehenden Bahnhofs an die neuen Funktionen angepasst. Solche interdisziplinären und komplexen Aufgaben machen den Reiz meiner Arbeit bei der Bahn aus.

Wissen gepaart mit Kommunikation

Betül H. Sali und Felix Füllgraff arbeiten beide als Bauleiter für ein bayerisches Unternehmen, das deutschland- und europaweit Bauprojekte abwickelt. Sie berichten von ihren ersten Projekten bei Markgraf sowie den damit verbundenen Herausforderungen und benennen geforderte Fähigkeiten, die im Studium nicht erlernt werden. Von Christoph Berger

Als Felix Füllgraff (30 Jahre, Bauleiter bei Markgraf) 2011 bei der Bayreuther Bauunternehmung Markgraf einstieg, war der Bau für ihn keine unbekannte Welt mehr. Der heute 30-Jährige hatte damals bereits eine Zimmererlehre sowie ein Bachelor- und Masterstudium im Bauingenieurwesen abgeschlossen, hatte für einige Zeit in Nigeria und auf deutschen Baustellen gearbeitet. Auf seinen heutigen Arbeitgeber stieß er schließlich über eine Anzeige im Internet. Er sagt: „Die darin beschriebenen Aufgaben klangen sehr interessant, die Unternehmensbeschreibung sehr sympathisch. All das bestätigte sich in dem späteren Bewerbungsgespräch.“ Gleich sein erstes Projekt führte er in Abstimmung mit seinem Projektleiter fast alleine. Es ging um einen Bau im Bestand: In einer Villa sollte der Keller für die Büronutzung tiefergelegt werden. Dazu mussten die kompletten Außenwände unterfangen und die Bodenplatte erneuert werden. Füllgraff verantwortete vier Monate lang die Ausschreibung, die Vergabe und die Ausführungen als Bauleiter.
Felix Füllgraff, Foto: Markgraf
Felix Füllgraff, Foto: Markgraf
An seinem derzeitigen Projekt arbeitet Felix Füllgraff schon länger: Seit Oktober 2012 begleitet er als Bauleiter in einem Projektteam einen Schlüsselfertigbau. Das bedeutet, dass von den Planungen über den ersten Spatenstich bis hin zur Schlüsselübergabe alles von einem Generalunternehmer organisiert wird. Daher sind auch viele Baubereiche in dem Projekt vertreten: Erdbau, Spezialtiefbau, Rohbau und Ausbau. Es geht um insgesamt 23.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Diesmal wurde ihm schon ein Jungbauleiter zur Seite gestellt, der ihm assistiert. „Mir kommt es vor allem auf Fairness, gute Teamführung und Kostenbewusstsein an“, beschreibt er seine Arbeitsweise. Wenn ein Nachunternehmer gute Arbeit leistet, erkennt Füllgraff diese auch offen an. Doch genauso misstraut er dem Satz: „Passt schon.“ Den gibt es für ihn nicht, der widerspricht seinem Gründlichkeitsverständnis und somit seiner Verantwortung gegenüber seinem Arbeitgeber und den Kunden. Das bedeutet nicht, dass es auf der Baustelle nicht auch mal zu persönlichen Gesprächen kommen kann. „Ich versuche, den richtigen Mix zwischen geschäftlicher Professionalität und persönlicher Kommunikation zu finden“, sagt er zu seinem Anspruch.
Betül H. Sali, Foto: Privat
Betül H. Sali, Foto: Privat
Anders als Felix Füllgraff hatte Bauingenieurin Betül H. Sali (26 Jahre, Bauleiterin bei Markgraf) schon vor ihrem Einstieg Kontakt zu Markgraf. Im Frühjahr 2010 hatte sie bei der Bauunternehmung bereits ein 16-wöchiges Pflichtpraktikum absolviert, danach arbeitete sie als Werkstudentin dort weiter. Der 26-Jährigen gefielen die unterschiedlichen Aufgaben, das Lösen von Problemen und die Koordinationsarbeit. Und: „Es ist immer wieder spannend, was einen auf den Baustellen erwartet, da jeder Tag neue Herausforderungen mit sich bringt.“ Direkt nach ihrem Bachelorabschluss stieg sie als Bauleiterin ein. In ihrem ersten Projekt verantwortete sie zusammen mit einem Kollegen die Sanierung eines Wohnhauses. Sie erklärt: „Die Sanierung ist ein sehr schwieriger Bereich, über den man im Studium nicht viel lernt.“ Sie koordinierte die Nachunternehmer, handelte mit ihnen die Vertragsdetails aus, überwachte die technischen Ausführungen und war auch Kontaktperson für die Bauherren. Dabei fiel ihr auf, wie wichtig neben all dem fachlichen Know-how ein Gespür für Menschen ist: „Die Kommunikation ist eine Gratwanderung. Es kommt auf die richtige Mischung zwischen Lernbereitschaft und Durchsetzungsvermögen an“, sagt sie. „Viele am Bau Beteiligte haben schon etliche Jahre Erfahrungen. Da kann ich noch eine Menge lernen.“ Andererseits muss sie auch ihre Entscheidungen vertreten und durchsetzen. Bisher hat sie diese Balance gut halten können: Mit einer offenen Persönlichkeit und Authentizität begegnet sie erfolgreich dem hin und wieder rauen Baustellenton. In ihrem aktuellen Projekt ist Betül H. Sali abseits vom Baustellenleben – zumindest momentan. Seit Mai unterstützt sie die Projektleitung bei den Vorbereitungen zum Bau einer Wohnanlage in München. Sie nimmt an Vergabeverhandlungen teil, prüft Angebote, kommuniziert mit dem Kunden und erstellt Bauzeitenpläne. Doch irgendwann geht es in die Umsetzung all dieser Planungen – ab dem Innenausbau wird sie das Projekt wieder als Bauleiterin vor Ort verantworten.

Start mit Verantwortung

Von der Hochschule direkt in den Job: Das ist der Weg vieler Bauingenieurabsolventen – egal ob sie mit Bachelor, Master oder Diplom ihr Studium abgeschlossen haben. Dieser Übergang in den Beruf ist spannend und birgt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Eine davon ist die Übernahme von Verantwortung. Wer entsprechende Aufgaben übertragen bekommt, weiß: Das Unternehmen vertraut mir als Einsteiger. Von Christoph Berger

Die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten stehen ganz oben auf der Liste der Motivatoren. Sie sind Grund für das Engagement der Mitarbeiter in Unternehmen und ihre Bindung zum Arbeitgeber. Dies ist das Ergebnis einer weltweiten Befragung von 3,8 Millionen Mitarbeitern in 2500 Unternehmen durch das auf Personallösungen spezialisierte Unternehmen Aon Hewitt. Schaut man sich vor diesem Hintergrund die Ein- und Aufsteigerporträts dieser aktuellen Magazinausgabe sowie die der vorangegangen an, kommt man zu dem Schluss: Auch Bauingenieure treten nach ihrem Abschluss in eine Welt reichhaltiger Chancen. Absolventen des Fachs Bauingenieurwesen übernehmen meist direkt verantwortungsvolle Positionen, und ihre Verantwortungsbereiche wachsen schnell – sofern sie sich in den ersten Projekten bewähren. Bauingenieure starten in Bauunternehmen oft als Bauleiter, entweder mit Alleinverantwortlichkeiten für kleinere Projekte oder sie übernehmen die Führung auf der Baustelle zusammen mit einem Kollegen, oder sie leiten Teilprojekte. Schnell dürfen und sollen sie mitgestalten. Um die neuen Herausforderungen zu meistern, werden sie von den Unternehmen auf vielfältige Weise unterstützt: Zum einen bekommen sie erfahrene Mitarbeiter zur Seite gestellt, die bei kniffligen Fragen und Situationen helfen, zum anderen erhalten sie Weiterbildungen. Nach Abschluss ihres technischen Studiums geht es dabei oft erst einmal um die Themen Kommunikation, Präsentation und Verhandlungsführung sowie auch um betriebswirtschaftliches Know-how. Und schließlich gibt es noch die Projektleiter, die ein Auge auf das Gesamtprojekt haben und darauf achten, dass mögliche Probleme möglichst früh erkannt werden und rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Durch die schnelle Eingliederung in die Projektarbeit ist es zudem nicht verwunderlich, dass der Direkteinstieg mit Training-on-the-Job die gängigste Einstiegsvariante ist. Auffällig ist auch: Viele der Absolventen haben bereits während ihres Studiums Kontakt zu ihrem späteren Arbeitgeber geknüpft: Praktika sowie projekt- und unternehmensbezogene Studienabschlussarbeiten mündeten nicht selten in einer Anstellung. Das ist nicht verwunderlich, denn Absolvent und Unternehmen kennen sich durch die Zusammenarbeit bereits. Die Unternehmen können daher die Fähigkeiten ihrer zukünftigen Mitarbeiter besser einschätzen, und die Absolventen haben ein Gefühl für Aufgaben, Entwicklungsmöglichkeiten und die jeweilige Unternehmenskultur entwickelt. Sie wissen, ob all das zu ihren Vorstellungen passt. „Onboarding-Phase“ wird diese Zeit im Fachjargon genannt. Nicht selten starten die Absolventen sogar direkt in den Teams, in denen sie bereits zu Studienzeiten mitgearbeitet haben. Traineeprogramme werden hingegen vor allem von den größeren Unternehmen angeboten. Sie gewähren den Einsteigern einen Einblick in unterschiedliche Unternehmensbereiche. In den Bau-, Dienstleistungs- und Serviceunternehmen des Bauhauptgewerbes sind die Programme hingegen meist auf eine Zielposition ausgerichtet. Absolventen lernen in dieser Zeit die Abteilungen kennen, mit denen sie später zusammenarbeiten werden. So kennen sie die Aufgaben, Arbeitsweisen und Personen, die an den Bauprojekten beteiligt sind. Kleine Unternehmen können Traineeprogramme oft aufgrund des Personal- und Organisationsaufwands nicht bieten. Laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwirtschafteten die 75.000 Unternehmen des Bauhauptgewerbes insgesamt 93 Milliarden Euro. 37 Prozent des Umsatzes stammen dabei aus dem Wirtschaftsbau, 35 Prozent entfallen auf den Wohnungsbau und 28 Prozent auf den Öffentlichen Bau. Und die Umsätze wachsen seit 2005 in der Branche – wenn auch mit Schwankungen. Der Verbandspräsident Professor Dipl.-Kfm. Thomas Bauer erklärte anlässlich der Jahrespressekonferenz am 5. Juni zum „Tag der Deutschen Bauindustrie“: „Die Bauunternehmen werden ihre Beschäftigung 2013 auf Vorjahresniveau halten.“ Damit bleibt die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe im Jahresdurchschnitt bei 745.000 Personen. Das sind 40.000 mehr als 2009, dem damaligen Tiefpunkt der Branche. Diese Zahlen festigten sich im Verlauf des Jahres. Mit Bezug auf eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags DIHK aus dem September sagte Bauer, dass 91 Prozent der Bauunternehmen ihre personellen Kapazitäten in den kommenden Monaten halten beziehungsweise erweitern wollen, lediglich neun Prozent würden eine Reduzierung planen. Gehälter von Bauingenieuren, Quelle: www.personalmarkt.de Bleibt schließlich noch die Frage nach dem Gehalt. Dieser Aspekt spielt laut verschiedener Studien zwar für die heutigen Absolventen nicht mehr die gleiche Rolle wie für ihre Vorgängergenerationen, trotzdem ist es interessant, welches Gehalt sie beim Einstieg erwartet. Das auf Gehaltsanalysen spezialisierte Unternehmen Personalmarkt hat für den karriereführer bauingenieure 2084 aktuelle Datensätze ausgewertet: Unterschiede gibt es im Gehalt nicht nur hinsichtlich der Jahre an Berufserfahrung, sondern auch in Bezug auf die Unternehmensgröße. Im Median – also: 50 Prozent verdienen mehr, 50 Prozent weniger – erhalten Bauingenieure mit weniger als drei Jahren Berufserfahrung 38.975 Euro. Mit elf Jahren Berufserfahrung bekommen Bauingenieure im Median 52.971 Euro. Professor Dr.-Ing. Josef Zimmermann, Ordinarius des Lehrstuhls für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung an der TU München, sagte im Rahmen der Präsentation der Gewinner „Bauunternehmen des Jahres“ Mitte Juni in München: „Die Dienstleistung ‚Bauen‘ erfordert ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz in der Umsetzung der Kundenwünsche.“ Nehmen sich Bauingenieure noch diesen Satz zu Herzen, kann mit dem Berufsstart eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Angeklickt

Die TU München und das Fachmagazin tHIS (Tiefbau, Hochbau, Ingenieurbau, Straßenbau) vergaben im Juni erstmals einen Preis für erfolgreiche und innovative deutsche Bauunternehmen: die Bauunternehmen des Jahres 2013. Gesamtsieger war das Unternehmen Krieger+Schramm. Die Sieger in den weiteren Kategorien waren: Hochbau: Goldbeck Entwicklung und Ausführung von Systemlösungen: Schwörer Bauindustrie Tief-, Straßen- und Ingenieurbau: Heitkamp Hülscher Bauen im Bestand: K. Baumann Ausbau: Baierl + Demmelhuber Quelle: www.bauunternehmen-des-jahres.de

Interview mit Jan-Hendrik Goldbeck

Der Baudienstleister Goldbeck versteht sich als Familienunternehmen. Jan-Hendrik Goldbeck steht für die zweite Generation, schon mit Anfang 30 stieg er in die Geschäftsführung auf. Im Interview erzählt der heute 37-Jährige, wie wichtig für ihn praktische Erfahrungen in Transsilvanien waren und welche Rolle Psychologie auf der Baustelle spielt. Das Gespräch führte André Boße.

Zur Person

Jan-Hendrik Goldbeck, 1976 in Bielefeld geboren, studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe und Lausanne und verfasste seine Diplomarbeit in München zum Thema Immobilien. Als Einsteiger arbeitete er bei IVG Immobilien, erst als Trainee, später als Assistent des Vorstands. Ende 2005 stieg er dann in das Unternehmen seines Vaters ein. Er war zunächst als Bauleiter bei Goldbeck International tätig. Später verantwortete er als Projektleiter unter anderem den Bau eines neuen Nokia-Werkes in Rumänien. 2008 wechselte Goldbeck in die Geschäftsführung der übergeordneten Gesellschaft, der Goldbeck GmbH mit Sitz in Bielefeld. Zudem ist er Geschäftsführer der Goldbeck Süd, die sich auf die Geschäfte des Bauunternehmens in Süddeutschland fokussiert.
Herr Goldbeck, wie haben Sie das Bauunternehmen Ihres Vaters als Teenager erlebt?
Positiv, weil mein Vater vor allem seine unternehmerische Leidenschaft mit nach Hause brachte. Er berichtete uns von neuen Errungenschaften und Erfolgen, von Innovationen und Wachstum. Solche Erzählungen prägen natürlich auch die eigene Berufswahl. Genau. Mit 14 oder 15 hatte ich kurz überlegt, eher in eine musikalische oder literarische Richtung zu gehen. Das hätte durchaus meinen Neigungen entsprochen. Aber dann habe ich mich doch entschieden, darauf hinzuarbeiten, auch ins Unternehmen einzusteigen. Was gab letztlich den Ausschlag? Ich habe geschaut, welcher Bereich mir die größeren Einflussmöglichkeiten und Gestaltungsfreiräume gibt. Und da lag der Vorteil beim Familienunternehmen und der Baubranche – zumal mir dieser Gestaltungsfreiraum auch die Möglichkeit gibt, das kreative Element einzubringen. Sprich, ich kann meine Ideen einbringen und dafür Verantwortung übernehmen. Wo erleben Sie konkret das Kreative in Ihrer Arbeit? Der universitäre Kosmos war sehr stark von der Problembehandlung innerhalb einer gegebenen Situation geprägt, die Parameter waren limitiert. Kommt man dann in die Realität der Bauwirtschaft, erlebt man plötzlich einen Raum mit unendlich vielen Parametern. Der Rahmen ist also deutlich komplexer. Nichts ist schwarz oder weiß, es müssen immer Abwägungen vorgenommen werden. Genau das mag ich. Wie verbinden Sie im Unternehmen diese freie Arbeit mit den systemischen Vorgaben der Bauwirtschaft? Unser Unternehmen basiert auf zwei Säulen. Da ist zunächst einmal die technisch-prozessuale Säule. Wir versuchen, das Bauen zu systematisieren, indem wir Prozessschritte vordenken und Lösungen vorfertigen. Wir nennen dieses Vorgehen „Elementiertes Bauen mit System“. Die zweite Säule verstehen wir als kulturelle und organisatorische Säule, die durch Begriffe wie Vertrauen und Verantwortung sowie durch Dezentralität geprägt wird. Beide Säulen greifen ineinander: Die technisch-prozessuale Komponente gibt mir die Sicherheit, bei der Nutzung der Freiräume die Risiken zu beherrschen. Das führt dazu, dass wir im Unternehmen jungen Kräften sehr früh Verantwortung übergeben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ausgewählte Einsteiger schon nach zwei oder drei Jahren eigenverantwortlich ein Projekt leiten. Worauf kommt es bei diesen Tätigkeiten an? Für Absolventen ist die Realität eigentlich immer eine Überraschung. Zu den technischen Aspekten, die man an der Hochschule gelernt hat, gesellen sich eine Menge neuer Herausforderungen hinzu. Bei Bau- und Projektleitern sind das vor allem die organisatorischen und psychologischen Dimensionen. Diese Dinge kann man nicht im Studium lernen, man muss sie im Beruf erleben. Wie haben Sie damals den Schritt von der Uni in den Beruf erlebt? Ich habe nach dem Studium zunächst einmal drei Jahre lang in der Vorstandsassistenz eines börsennotierten Unternehmens gearbeitet. Danach ging es dann in die Bauleitung eines Projekts – und das war schon ein kleiner Kulturschock. Trotzdem würde ich jeder Nachwuchskraft raten, diese Erfahrung zu machen. Als Bauleiter erhält man die embryonalen Stammzellen für eine Karriere in der Baubranche. Aus einem Bauleiter von heute kann morgen alles werden, weil er weiß: Was passiert auf der Baustelle? Wie sind die Zusammenhänge? Wann läuft etwas gut, wann schlecht? Alle diese Dinge sind wichtig, um später ein gutes Bauchgefühl für unternehmerische Entscheidungen zu entwickeln – wobei das Bauchgefühl ja nichts mit dem Bauch zu tun hat, sondern sich als Substrat meiner individuellen Erfahrungen ergibt. Nun befand sich Ihre erste Baustelle als Projektleiter nicht in heimischer Umgebung, sondern in Transsilvanien. Da hat Sie Ihr Vater aber direkt ins kalte Wasser geworfen. Kann man so sagen. Für mich war es in dieser Situation natürlich besonders wichtig zu wissen, dass es ein erprobtes technisches System gibt, auf das ich auch auf einer Wiese in Transsilvanien zurückgreifen kann. Auf der technischen Seite war also klar, wie man an das Projekt herangeht, und erfahrene Mitarbeiter waren an meiner Seite. Nun ging es also darum, sich den organisatorischen und kulturellen Herausforderungen zu stellen. Und welche waren das? Auf der Baustelle befanden sich Mitarbeiter aus 15 verschiedenen Nationen. So ein Team muss man erst einmal organisieren. Meine Arbeit war daher weniger technisch orientiert. Entscheidend war es herauszubekommen, wen man wann anspricht, wie direkt diese Ansprache sein darf und welche Prioritäten man setzt – diese Fragestellungen waren vor allem zum Kunden hin von höchster Wichtigkeit. Wie entscheidend sind diese soziokulturellen Aspekte für den Erfolg eines Bauprojekts? Sie sind mitentscheidend, jedoch nicht alleinentscheidend. Die Prozess- und Technikthemen müssen schon auf sehr hohem Niveau abgearbeitet werden. Das ist die Basis. Es ist die hohe Schule, dazu auch noch die psychologischen Themen zu beachten: Projektleiter, die auch auf dieser Klaviatur spielen, haben später in der Regel die größeren Erfolge. Wobei man sagen muss, dass es in der Baubranche auch heute noch Positionen gibt, in denen es verstärkt auf das numerische oder zeichnerische Abarbeiten ankommt und in denen soziokulturelle und psychologische Aspekte keine so große Rolle spielen. In den operativen Führungspositionen, die zum großen Teil auf Interaktion basieren, jedoch schon. Da ist die menschliche Komponente unverzichtbar. Von welchen Personen reden wir hier? Neben den Projektleitern zum Beispiel von den Vertriebs- und Konzeptingenieuren, die beim Kunden agieren, die Bauvorhaben anhand des Kundennutzens durchdenken, die Preise gestalten und den Auftrag schließlich an Land ziehen. Aber auch von den Planungsmanagern, die den gesamten Planungsprozess eines Baus koordinieren.

Zum Unternehmen

Goldbeck ist ein familiengeführter Baudienstleister mit Stammsitz in Bielefeld. Das Unternehmen wurde 1969 von Ortwin Goldbeck gegründet und fokussierte sich zunächst auf klassischen Stahlbau. Im Laufe der Jahre kamen immer neue Geschäftsfelder hinzu. Das Unternehmen wuchs und ist heute als Generalunternehmer Spezialist für gewerblichen und kommunalen Hochbau. 2008 zog sich Unternehmensgründer Ortwin Goldbeck aus dem operativen Geschäft zurück. Seine Nachfolge traten die drei Söhne an: Während Jörg-Uwe und Jan-Hendrik Goldbeck die Geschäfte leiten, führt Joachim Goldbeck die Solar-Sparte. Derzeit beschäftigt das Unternehmen in 38 Niederlassungen in Deutschland und Europa sowie sechs Werken rund 3300 Mitarbeiter.

„Fachlich und methodisch stark“

Als Baumediator wird Prof. Dr. Bernd Kochendörfer dann gerufen, wenn sich zwei Vertragspartner am Bau einigen wollen, ohne dafür vor Gericht zu ziehen. Im Gespräch mit André Boße beschreibt der 66-Jährige seinen Job und zeigt auf, worauf es in erfolgreichen Projektteams ankommt.

Zur Person:

Bernd Kochendörfer, Foto: Bernd Kochendörfer
Bernd Kochendörfer, Foto: Bernd Kochendörfer
Prof. Dr. Bernd Kochendörfer, Jahrgang 1947, machte 1971 seinen Diplom-Abschluss in Bauingenieurwesen an der Uni Stuttgart. Seit 1991 ist er Professor im Fachgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Berlin. Zudem arbeitet er als Schlichter und Baumediator und sitzt im Vorstand des Verbandes der Baumediatoren.
Herr Prof. Dr. Kochendörfer, was ist die Aufgabe eines Baumediators, und wann treten Sie auf den Plan? Konflikten in Bauprojekten liegen in der Regel vertragliche Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zugrunde. Wenn eine außergerichtliche Konfliktlösung in Form einer Mediation gesucht wird, dann rufen uns idealerweise beide Vertragsparteien an. Was genau tun Sie dann? Im ersten Arbeitsschritt klären wir mit den Vertragsparteien, genannt Medianten, nach welchen Regeln die Mediation ablaufen soll. Ziel ist es, eine entsprechende Mediationsvereinbarung abzuschließen. Ist diese unterzeichnet, startet das Verfahren. Der eigentliche Job ist es dann, die Medianten dabei zu unterstützen, das Gespräch miteinander nach den verabredeten Spielregeln zu führen und eigenständig Lösungen zu finden. Worin liegt die größte Herausforderung? Die Medianten dazu zu bewegen, sich weg von einer konfrontativ geprägten Haltung und hin zu einem kooperativ ausgerichteten Verfahren zu bewegen. Ist der ursprüngliche Konflikt gelöst und sind beide Medianten mit dem gefundenen Ergebnis zufrieden, haben wir unseren Job gemacht. Unter den Baumediatoren finden sich in der Regel Anwälte und Bauingenieure. Was können die Bauingenieure unter den Mediatoren, was die Anwälte nicht können? Die Ingenieure können ihren technisch-wirtschaftlichen Hintergrund in der Gesprächsführung einsetzen. Umgekehrt gelingt es den Juristen eher und mit höherer Akzeptanz, die Medianten in ihren juristischen Standpunkten abzuholen. Da den Baukonflikten meistens nicht ausschließlich technische Probleme zugrunde liegen, sondern auch juristisch komplexe Sachverhalte, finden oftmals Co-Mediationen von Ingenieuren und Juristen statt. Gilt Ihrer Erfahrung nach die Faustregel: Ein Bauprojekt kann nur so gut gelingen, wie das Projektteam zusammengestellt ist? Die Faustregel ist zutreffend, jedoch mit der wichtigen Erweiterung, dass auch der Auftraggeber – vertreten durch seine Projektleitung – eine wichtige Erfolgskomponente darstellt. Wenn es dem Auftraggeber nicht gelingt, seinen Bedarf und seine Ziele umfassend zu definieren, dann birgt das Projekt gewaltige Risiken in sich. Sichtbar werden diese dann meistens zu spät. Das ideale Projektteam zeichnet sich dadurch aus, dass die Projektleitung fachlich und methodisch stark und als Teamleader akzeptiert ist. Die Teammitglieder müssen, unter Berücksichtigung der zwangsläufig vorhandenen Partikularinteressen, kooperativ und problemorientiert agieren – und nicht vorrangig interessengesteuert. Mit Blick auf Bauingenieure: Wie wichtig ist es für Einsteiger, sich neben dem typischen Know-how der Bauingenieure auch mit Soft Skills zu beschäftigen? Neben den notwendigen Säulen Technik, Wirtschaft und Recht ist es für eine erfolgreiche Projektarbeit unerlässlich, dass Bauingenieure auch Grundlagen der sozialen Kompetenz vermittelt bekommen, also Gesprächs- und Verhandlungsführung. Dies gilt sowohl für Aufgaben in der internen Personalführung als auch für Aufgaben in der Projektleitung mit externen Teammitgliedern. Man hat heute den Eindruck, dass sich große Bauprojekte so komplex gestalten, dass sie mit den üblichen Methoden des Projektmanagements gar nicht mehr zu stemmen sind. Stimmen Sie zu? Ja – allerdings wäre das eine zu einfache Antwort. Die zu Recht in der Kritik stehenden Leuchtturmprojekte sind zwar von unterschiedlichsten Problemen gekennzeichnet, aber gemeinsam ist ihnen, dass von Anfang an mit wichtigen Zielgrößen wie Anforderungen, Umfang sowie den daraus resultierende Kosten nicht transparent umgegangen worden ist – und dass wahrscheinlich auch kein konsequentes Änderungsmanagement umgesetzt worden ist.

Zusammen sind wir stark

Je komplexer Bauvorhaben werden, desto wichtiger sind gut zusammengestellte und organisierte Teams. Bauingenieure können hier selbstbewusst auftreten: Ihr Know-how wird gebraucht. Es hilft jedoch, sich Extrawissen anzueignen und an seinen Soft Skills zu arbeiten. Von André Boße

Wenn Torsten Haubold auf dem Papier die Zusammensetzung eines Projektteams für ein großes Bauvorhaben analysiert, benötigt der Bau- und Immobilienexperte der Unternehmensberatung Ernst & Young nicht lange, um vermeidbare Fehler zu entdecken. Da ist zunächst einmal die Größe: „Wenn Teams zu groß werden, lähmt das den Entscheidungsprozess“, so der Berater. Auch fehlende Hierarchien machen sich negativ bemerkbar: Basisdemokratie klingt in der Theorie gut, führt aber in Projektteams häufig nicht zu den besten Lösungen. Haubold: „Teamgeist ist zweifelsohne wichtig und gut, aber letztendlich brauchen gerade Großprojekte klare, eindeutige Entscheidungen und weniger faule Kompromisse.“ Was zudem häufig falsch laufe, sei die Zusammensetzung der Teams. Oft würden nicht alle fachlichen Kompetenzen abgebildet werden. „Unter den Teammitgliedern dominieren Manager mit kaufmännischem oder betriebswirtschaftlichem Hintergrund“, sagt Haubold. „Die baulichen und ingenieurwissenschaftlichen Kompetenzen werden jedoch bei der Besetzung oft vernachlässigt.“ Eigentlich seltsam: Es wird gebaut – doch in den Teams, in denen entschieden wird, wie gebaut wird, fehlt es nach Expertenmeinung häufig an der Kompetenz der Bauingenieure. Diese Fehlentwicklung begann, als die Ökonomie des Bauens ins Zentrum rückte. Viele Bauingenieure kamen da zunächst einmal nicht mehr mit. Ihnen fehlte das methodische Werkzeug, das zum Beispiel Wirtschaftswissenschaftlern im Studium beigebracht wird. Doch nun fehlt das Know-how der Bauingenieure in den Projektteams. Damit schlägt die Stunde für die neue Generation von Bauingenieuren. Für Leute, die sich zutrauen, ihre Fähigkeiten so zu erweitern, dass sie als Bauingenieure zu unverzichtbaren Mitgliedern der Projektteams werden. Doch was benötigen Bauingenieure, um sich in den Projektteams zu behaupten? Bauexperte Torsten Haubold glaubt, dass Nachwuchskräfte heute besonders mit kommunikativen und sozialen Fähigkeiten punkten, die weit über das Fachwissen von Bauingenieuren hinausgehen. „Die Zeit der lauten, autoritär agierenden Bauleiter ist vorbei, heute kommt es auf Kommunikation an“, sagt der Unternehmensberater. Das bedeute nicht, dass immer alles endlos ausdiskutiert werden müsse. „Aber auch in Teams mit klaren Vorgaben sind Teamfähigkeit und Moderationsqualitäten hilfreich.“ Wichtig seien zudem eine schnelle Auffassungsgabe und Zielorientiertheit: „Besonders gerne sind Bauingenieure gesehen, die sich nicht auf der Detailebene verlieren, sondern die Detailprobleme verstehen, diese aber dann auf der übergeordneten Ebene abstrahieren und lösen.“ Dies, so Haubold, sei bei den Bauingenieuren eine „seltene Gabe“.

Großer Beratungsbedarf am Bau

Gesucht werden Bauingenieure mit diesen Fähigkeiten besonders von Arbeitgebern, die sich nicht mehr nur als klassische Bauunternehmen verstehen, sondern als Dienstleister für Projekte mit hohem Beratungsanteil. Ein solches Unternehmen ist Bilfinger Bauperformance mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Die Tochter des Baukonzerns Bilfinger versteht sich als Dienstleister, der je nach Aufgabe steuert, plant und berät. Entscheidend für die Zusammenstellung der Teams sind die Bedürfnisse des Kunden. „Die veränderten gesetzlichen Vorgaben haben zum Beispiel eine stärkere Nachfrage in den Bereichen Energieeffizienz und Zertifizierungen bewirkt“, sagt Thomas-M. Vogt, Vorsitzender der Geschäftsführung. Darüber hinaus steige der Bedarf in den Bereichen Projektplanung. Das gelte auch im Hinblick auf die Optimierung von Bestandsgebäuden, der Betrachtung der Lebenszyklen sowie der Zukunftsfähigkeit von Immobilien. Zudem ist die Branche weiterhin mit wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert: Viele Immobilien werden heute aus ökonomischer Sicht viel strenger bewertet als noch vor einigen Jahren. Auch damit steige der Beratungsbedarf – wobei die Beratung im besten Fall dazu führt, dass Kostenexplosionen und ewige Verzögerungen von großen Bauvorhaben verhindert werden. „Dies setzt aber neben der nötigen Fachkompetenz auch das konstruktive Miteinander aller Beteiligten voraus“, sagt Vogt, „inklusive dem expliziten Willen, Beratung, Planung und Steuerung auch anzunehmen und in die bestehenden Prozesse zu implementieren – und zwar zum richtigen Zeitpunkt.“

Bunte Teams erfordern Extrawissen

Ist damit die Zeit vorbei für Bauingenieure, die sich als reine Experten verstehen und damit eher intro- als extrovertiert auftreten? Oder anders gefragt: Zählen für die Karrieren auf dem Bau heute nur noch Management- und Führungsqualitäten? „Nein“, sagt Thomas- M. Vogt. „Bei uns sind Generalisten mit Managementqualitäten genauso gefragt wie ausgewiesene technische Spezialisten.“ Aus seiner Sicht lasse das heutige Berufsbild des Bauingenieurs eine extreme Bandbreite zu. Dennoch: Auch für technische Experten sei es mit Blick auf die zunehmende Komplexität der Branche wichtig, Projekte in ihrer Ganzheit zu betrachten und die Perspektiven aller Projektbeteiligten einzubeziehen. „Jeder Auftraggeber ist anders, jedes Projekt auch. 08/15-Lösungen werden heute nicht mehr honoriert“, sagt der Chef von Bilfinger Bauperformance. Was sein Unternehmen daher benötige, seien junge, gut ausgebildete und motivierte Studienabgänger, die bereit sind, nach dem Studium weiter zu lernen, die Erfahrungen „alter Hasen“ anzunehmen und in Teams Lösungen zum Wohl des Kunden zu erarbeiten.

Wie arbeite ich an meiner Teamfähigkeit?

    • Trainieren Sie Ihre Kommunikation.
    • Analysieren Sie mit professioneller Hilfe Ihre Persönlichkeit.
    • Seien Sie authentisch. Denn wer als introvertierter Mensch den extrovertierten mimt, wird scheitern.
    • Lernen Sie aus der Praxis. Beobachten Sie die am Bauprozess beteiligten Menschen und ihre Entscheidungsprozesse.
    • Analysieren Sie die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg der Menschen, denen Sie auf der Baustelle begegnen.
Quelle: Torsten Haubold, Ernst & Young
Dabei ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass Bauingenieure in diesen Teams auf Personen mit ganz anderem beruflichen Hintergrund treffen: So begegnen sie zum Beispiel neben Baukaufleuten oder Architekten auch zunehmend Anwälten, die von Beginn an Teil der Teams sind, um juristische Fallen zu umgehen. „Man mag dies bedauern, aber das Projektumfeld für größere Projekte ist heute in ganz wesentlichem Umfang auch juristisch bestimmt“, sagt Dr. Klaus Eschenbruch, Experte für Immobilien- und Baurecht in der Düsseldorfer Kanzlei Kapellmann & Partner – und denkt dabei vor allem an die Gestaltung und Einhaltung des komplizierten Vertragswesens eines Bauprojekts. Dabei hat der Rechtsanwalt beobachtet, wie schwer sich die Vertreter der verschiedenen Disziplinen häufig damit tun, einen gemeinsamen kommunikativen Nenner zu finden. Schließlich verfügen alle Professionen über ihre eigenen Sprachen und Sichtweisen. „Eine gelungene Teamarbeit setzt deshalb Beteiligte voraus, die sich darauf verstehen, die unterschiedlichen Denk- und Handlungsansätze zusammenzuführen“, sagt Eschenbruch. Nun ist es aber nicht so, dass schon Einsteiger sich mit allen juristischen Detailproblemen auskennen müssen. Dennoch empfiehlt Eschenbruch dem Nachwuchs, sich das Basiswissen über rechtliche Rahmenbedingungen anzueignen – zum Beispiel zur VOB/B (siehe Kasten). „Es muss so viel juristisches Wissen vorhanden sein, dass Bauingenieure erkennen, wann eine juristische Expertise eingeholt werden muss“, stellt der Anwalt als Faustregel auf. Insbesondere sei es wichtig, dass Bauingenieure nicht selbst über juristische Probleme stolpern, die sie fachlich nicht überblicken könnten. Denn das kann unangenehme persönliche Folgen haben. Eschenbruch warnt: „Bauingenieure neigen dazu, Problemstellungen sehr erfolgs- und zielorientiert zu überwinden. Bei komplexeren Themenstellungen kann dies jedoch sehr schnell zu einer persönlichen Haftung führen.“

Kritische Öffentlichkeit überzeugen

Damit es nicht soweit kommt und das Bauprojekt stattdessen zur Zufriedenheit aller Beteiligten realisiert wird, sollten Nachwuchskräfte das bunt zusammengesetzte Miteinander nicht als Klotz am Bein wahrnehmen, sondern als ein Team, in dem die Stärken der Mitglieder das Vorhaben vorantreiben. Nur so ist es auch möglich, ein Bauprojekt erfolgreich in der Öffentlichkeit zu vertreten, denn Kommunalpolitik und Bevölkerung blicken derzeit sehr kritisch auf alle großen Vorhaben. Daher ist es wichtig, als Team einheitlich aufzutreten, um die Unsicherheit nicht noch zu verstärken. Vor allem die Bauingenieure sollten dabei selbstbewusst auftreten: Sie sind die Teammitglieder mit dem größten Wissen bei allen Fragen zur Technik am Bau. Wer sich in seinem Team bewährt, hat beste Chancen, beim nächsten Mal nicht nur wieder mit dabei zu sein, sondern das Team sogar zu führen.

Soft Skills

Seminare für Studenten: Das Meyer-Camberg-Institut bietet in mehreren Städten Soft-Skills-Seminare speziell für Studierende an. Themen sind beispielsweise Kommunikation, Präsentation und Umgangsformen. Aktuelle Studie: Die Personalberatung Boyden hat in Kooperation mit der EBS Business School die Umfrage „Recruiting 2020“ entwickelt. Ergebnis: Top-Managern mit Soft Skills gehört die Zukunft www.boyden.de/mediafiles/attachments/7673.pdf Soft Skills online testen: Die Technische Universität Bergakademie Freiberg stellt ein kostenloses Onlinetool zur Verfügung, mit dem man seine eigenen Soft Skills testen und auswerten lassen kann: http://tu-freiberg.de/career/individuelle-beratung/soft-skill-analyse

Konzept gegen die Gier

Ein cooles Produkt, mit dessen Kauf man Gutes tut – das ist die Idee von I Wish U Sun und der Gründer-Geschwister Cathy Boom und Patrick Andrist. Der Kauf einer Jacke finanziert eine Operation der Augenkrankheit Grauer Star in Bangladesch – mit jedem verkauften T-Shirt bezahlt das Sozialunternehmen dort eine Brille für bedürftige Schulkinder. Aufgezeichnet von Stefan Trees

Cathy Boom, Foto: IWISHUSUN
Cathy Boom, Foto: IWISHUSUN
Cathy Boom, Projekt: I Wish U Sun Ort: Berlin Web: www.iwishusun.de
Wie alles begann und warum ich das mache Mehr als 15 Jahre lang habe ich als Herausgeberin und Chefredakteurin das Berliner Mode- und Kulturmagazin „Style & the Family Tunes“ und die zugehörige Onlineplattform stylemag.net geleitet. Mode, Kunst und Musik – in diesem Feld kenne ich mich gut aus. Nun wollte ich meine Fähigkeiten einsetzen, um etwas an die Welt zurückzugeben. Gemeinsam mit meinem Bruder habe ich begonnen zu recherchieren, was das sein kann. Und egal, wohin wir geschaut haben, erkannten wir: Es gibt viel zu viel zu tun. Da ist es eigentlich nebensächlich, was man tut, Hauptsache, man tut etwas. Ich finde, man sollte Großes wollen, kann aber auch erst mal Kleines tun und dabei sein Thema finden. Wir sind schließlich verschieden und werden alle von anderen Themen angesprochen. Mich sprechen ganz klar Augen an, denn in all dem, was mit Fotografie und unserer visuellen Welt zu tun hat, darin bewege ich mich jeden Tag – ohne Augen könnte ich meinen Job nicht machen. Fotos: IWISHUSUN In Studien der Weltgesundheitsorganisation bin ich darauf gestoßen, das es 39 Millionen blinde Menschen auf dieser Welt gibt, wovon 80 Prozent gar nicht blind sein müssten. Das hat mich schockiert. 80 Prozent ist eine ungeheuerliche Anzahl. Katarakt beispielsweise, der sogenannte Graue Star, ist eine Augenerkrankung mit hervorragenden Aussichten der Heilung, wenn sie rechtzeitig operiert wird. Es ist kein medizinisches, sondern ein soziales Problem, dass viele Menschen nicht operiert werden. Denn die Katarakt- Operation kostet rund 45 US-Dollar – für uns ist das nicht viel. Wie es weiterging Ich habe jahrelang mit popkulturellen Inhalten gearbeitet, die Menschen in diesem Feld sind nicht affin für den Ansatz einer normalen Charity. Sie reagieren nicht auf diese Welt, die sie hier dargestellt bekommen. Ich habe mir deshalb vorgenommen, diese Menschen davon zu begeistern, dass der Kauf eines Produkts von I Wish U Sun eine Win-Win-Situation ist: Ihr bekommt ein cooles Produkt UND ihr tut was Gutes, weil mit jedem Kauf eine Augen-Operation bezahlt werden kann. Es gibt bereits viele tolle Charity-Projekte, die ich gerne mag, aber oftmals finde ich sie so unpräzise kommuniziert, dass ich das Gefühl habe: Wo geht mein Geld denn eigentlich hin? Kommt es da auch wirklich an? Was erreiche ich denn mit meinem Geld? Uns war es deshalb wichtig, ein Konzept zu erarbeiten, das sehr direkt und leicht verständlich ist. Wir wollten aus dem großen Feld der Möglichkeiten eine einzige Organisation heraussuchen: Mit Orbis haben wir den geeigneten Partner gefunden. Er hat jahrzehntelange und weltweite Erfahrung bei der Behandlung und Operation von Katarakt. I Wish U Sun unterstützt geografisch nur ein kleines Wirkungsfeld dieser Organisation, die eigentlich weltweit aufgestellt ist. Es soll klar und transparent sein: Da geht das Geld hin, und es wird mit diesem Geld wirklich gemacht, was wir versprechen. Unsere Gelder gehen nach Bangladesch, das eines der ersten Länder war, in denen Orbis tätig geworden ist, und zwar an das Ispahani Islamia Eye Institute, die größte und älteste Augenklinik des Landes. Hier können wir sicher sein, dass unsere Gelder wirklich zur Finanzierung von Operationen und nicht zum Aufbau einer Organisation verwendet werden. Warum wir es ernst meinen Ich habe vor Kurzem mit einem Marketingexperten gesprochen, der mich ernsthaft fragte, ob wir mehr als einen Euro vom Gewinn zurückgeben. Ich habe geantwortet: I Wish U Sun ist als Hilfsprojekt ernstgemeint und kein Marketing-Coup. Ein Großteil des Gewinns fließt deshalb zu den Bedürftigen. Die Frage kam nicht von ungefähr, denn viele große Unternehmen tun genau das: Sie wissen, sie müssen ihre Kollektionen verkaufen, also gibt es innerhalb der Kollektion ein einziges Kleidungsstück, das nachhaltig produziert wurde und den „Nachhaltigkeits- Gutmenschen-Charity-Button“ bekommt. Was es bislang gebracht hat Wir arbeiten jetzt ein Jahr an I Wish U Sun und sind letzten November mit unserer Webseite online gegangen. Wir freuen uns über viel positives Feedback. Mit dem Verkauf jeder Jacke haben wir eine Katarakt-Operation finanziert. Jetzt haben wir neue Produkte lanciert – die T-Shirts sind nicht ganz so teuer wie die Jacken, weshalb wir davon keine Operation mehr finanzieren können. Nun bezahlen wir mit jedem Kauf eines T-Shirts eine Brille für ein Schulkind in Bangladesch. Dennoch: Innerhalb eines halben Jahres haben wir rund 200 Operationen finanziert. Ich wünschte allerdings, es wären noch mehr. Als Verlagschefin war ich viele Jahre lang Unternehmerin, insofern verstehe ich die Systematik der Wirtschaftswelt und der Märkte. Es geht heute um die Frage: Was müssen wir in dieser modernen Welt, in der wir uns bewegen, verändern, und wie kann man sie global in die richtige Richtung treiben? Ich bin der Meinung, wir müssen innerhalb des kapitalistischen Systems neue Systeme schaffen, die dieses Zurückgeben als selbstverständlich ansehen. Worum es letzendlich geht Es sollte sich einfach richtig für uns anfühlen, etwas abzugeben und sich der Welt gegenüber korrekt zu verhalten. Ich glaube, dass wir diesen Wandel nur durch Unternehmen vollziehen können. Deshalb muss man das vorhandene kapitalistische System nutzen, und es ist aus meiner Sicht auch Aufgabe der großen Unternehmen, hier viel aktiver zu werden. Am Ende des Tages geht es doch nur um eines: Es geht um ein Konzept gegen die Gier.

Eigentum war gestern – heute wird geteilt

Bisher ging man in einen Laden oder zu einem Onlineshop, kaufte eine Ware ein und war fortan ihr Besitzer. Das neue Wirtschaftsmodell der Share Economy stellt dieses Prinzip infrage: Muss man wirklich alles besitzen, was man benötigt? Oder reicht es vielleicht aus, sich die Dinge für einen begrenzten Zeitraum zu leihen? Durch diese Idee ergeben sich ganz neue Geschäftsmodelle und auch neue Chancen für Absolventen. Von Sabine Olschner

Stadtbüchereien machen es schon seit Jahren vor: Wer ein Buch lesen will, nimmt es für ein paar Tage mit nach Hause und bringt es dann wieder zurück in die Bücherei, wo es der Nächste ausleihen kann. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Freude am Teilen auch auf viele andere Lebensbereiche ausgeweitet: Stadtbewohner nutzen Carsharing statt jeden Abend einen Parkplatz für das eigene Auto zu suchen; mit Leihrädern an der Straßenecke hat man einen fahrbaren Untersatz, wenn man ihn gerade braucht; Kostümverleiher bieten komplette Karnevals-Outfits, die nach der Feier zurückgegeben werden … Die Beispiele für Share Economy ließen sich noch weiter ausführen und zeigen eindrücklich: Teilen ist „in“ – alles selber besitzen wollen ist „out“. Sieht man von Familien ab, in denen man schon immer die täglichen Dinge des Lebens gemeinsam besaß, hat die öffentliche Teilen-Kultur im Internet ihre Anfänge: Über Social Media wie Facebook oder Twitter ist es besonders leicht, auf die Suche nach benötigten Gegenständen zu gehen – sei es nach dem Bohrer fürs neue Regal oder einem Buch, das man unbedingt lesen will. Suchanfragen verbreiten sich schnell, und ehe man sich versieht, ist jemand anderes bereit, genau das, was man sucht, zu verleihen. Die Suche geht weit über die bisherige Nachbarschaftshilfe hinaus – bietet doch das Internet einen viel größeren Kreis an potenziellen Besitzern. Noch steht das kommerzielle Prinzip Leihen am Anfang: Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage haben gerade einmal neun Prozent der Internetnutzer in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren Bikesharing genutzt, drei Prozent das Carsharing. Couchsurfing – also das Vermieten der eigenen beziehungsweise das Mieten einer fremden Privatwohnung – haben bislang nur zwei Prozent getestet. Doch 73 Prozent der Befragten sind laut Bitkom der Meinung, dass solche Dienste in Zukunft populärer werden. Fakt ist: Das Thema Share Economy ist nicht mehr nur eine Privatangelegenheit – auch die Wirtschaft wittert Geschäftsmodelle. Die CeBIT, die Messe der Informations- und Telekommunikationsindustrie, hatte Shareconomy – der Kunstbegriff wurde von der Deutsche Messe AG kreiert – in diesem Jahr sogar zum Leitthema ihrer Ausstellung gemacht. Die Handelsbranche wird diese Kultur des Teilens wahrscheinlich zunächst weniger freuen. Die Befürchtung: Wenn Menschen sich Dinge demnächst immer öfter teilen, werden diese nicht so häufig verkauft. Doch diese Gefahr sieht Daniel Bartel nicht. Er beschäftigt sich seit mehreren Jahren in seinem Blog kokonsum.org mit dem Thema kooperativer Konsum und berät Share-Economy-Start-ups. In einem Interview auf der Plattform „Let‘s Share“ sagte er: „Die Konsumgüterindustrie geht nicht kaputt. Wir kaufen ja weiterhin, manchmal mehr denn je. Die Unternehmen produzieren weiterhin die Güter, aber enablen sie fürs Sharing.“ Sprich: Sie bereiten die Güter fürs Teilen vor. Laut Bartel gilt es, sein Geschäftsmodell zu öffnen und statt nur auf Verkaufen auch auf Vermieten zu setzen. Ein Beispiel sind etwa Automobilunternehmen wie BMW, Daimler, VW und Ford, die ihre Autos nicht mehr nur über den Handel verkaufen, sondern auch ins Carsharing-Geschäft eingestiegen sind und damit einen Teil ihrer Produkte vermieten. Nachwuchskräfte mit kreativen Ideen zur Share Economy können also auch bei eingesessenen (Handels-)Unternehmen für frischen Wind sorgen. Für junge Absolventen, die auf der Suche nach einer Geschäftsidee für ein eigenes Start-up sind, bietet Share Economy noch viel mehr Chancen. Ein paar Beispiele erfolgreicher Gründungen:
  • Milk the Sun bringt Menschen, die ihre Dächer oder andere Freiflächen vermieten wollen, mit Anlagenbetreibern und Investoren von Fotovoltaikanlagen zusammen. Für die Vermittlung erhebt Milk the Sun eine Provision vom Käufer.
  • Die Firma flinc organisiert Fahrgemeinschaften zwischen Kollegen in großen Unternehmen, damit nicht jeder mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren muss. Finanzieren lassen sie sich ihre Arbeit über die Unternehmen.
  • Carzapp vermittelt Autos von Privatanbietern an interessierte Fahrer und verlangt dafür einen Anteil vom Mietpreis.
  • Airbnb vermittelt weltweit Unterkünfte an Privatpersonen. Der Reisende zahlt eine Gebühr an das Onlineunternehmen.
Die Ideen, was sich alles teilen lässt, sind schier unbegrenzt: Ob man ganze Inseln auf www.visiwa.com anbietet, Dienstleistungen tauscht oder in Coworking-Häusern eine Zeitlang den Arbeitsplatz teilt – findige Geschäftsleute müssen einfach einen Weg finden, damit Nutzer bereit sind, fürs Ausleihen auch zu zahlen. Denn eines ist klar: Das Teilen bringt viele Vorteile, nicht nur für den Nutzer. Die Umwelt wird geschont, weil weniger Ressourcen für die Herstellung neuer Produkte verbraucht werden und weniger weggeworfen wird; man benötigt keinen Platz, um seinen Besitz unterzubringen; und der Geldbeutel freut sich auch. Wenn das keine guten Gründe zum Teilen sind.

„Sich selbst immer wieder herausfordern“

Es gibt ein Leben vor dem Tod, doch leider verpassen es viele Menschen. Wie man das Glück findet – im Privaten und im Beruf – zeigt der Coach und frühere Handelsexperte Hermann Scherer in seinem neuen Buch „Schatzfinder“ und im karriereführer-Interview. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Hermann Scherer, Foto: Hermann Scherer
Hermann Scherer, Foto: Hermann Scherer
Hermann Scherer, geboren 1964, lebt in Zürich. Nach einer Lehre zum Einzelhandelskaufmann studierte er BWL und arbeitete erfolgreich im Lebensmittelhandel. Heute ist er Bestseller-Autor, Vortragsredner, Coach und anerkannter Business-Experte.
Herr Scherer, leben Sie das Leben Ihrer Träume? Nein, weil mit Erreichen meiner Träume neue Träume in mein Leben treten und diese größer werden und ich somit weit hinter meinen eigenen Erwartungen zurückliege – und dennoch ein traumhaftes Leben führe. Was also empfehlen Sie, um das Glück zu finden? Glück ist unter anderem eine Überwindungsprämie, deshalb empfehle ich, sich selbst immer wieder herauszufordern. Für langfristiges Glück gilt es, sich seiner Ziele und des Grades der Erreichung bewusst zu werden. Auf die Frage „Angenommen, Sie würden heute sterben, hätten Sie Ihre Ziele erreicht?“ antworten über zwei Drittel mit „Nein“. Und auf die Folgefrage: „Wenn Nein, würden Sie die Ziele noch erreichen, ohne Ihr Leben zu ändern?“ antworten wieder über zwei Drittel mit „Nein“. Wir sterben also nicht zu früh – wir leben zu wenig oder zumindest zu wenig auf unsere Lebensziele fokussiert. Das ist doch gar nicht so schwer. Warum verpassen dann so viele Menschen ihre Erfüllung? Es ist nicht eine Frage des Schwierigkeitsgrades – es ist eine Frage des Umsetzungsgrades. Wir haben viele Gegner: unsere Angst, unsere Mutlosigkeit. Doch unser größter Feind sind unsere Selbstzweifel. Und so verharren wir im Mittelmaß. Und was genau verstehen Sie unter Mittelmaß? Wie kann man es bekämpfen? Erfolg ist eben nicht durch das Mit-, sondern ausschließlich durch das Voranmarschieren realisierbar. Und solange Menschen oder Unternehmen nur das bieten, was alle bieten, werden sie auch nur das bekommen, was alle bekommen: durchschnittliche Erlöse, durchschnittliche Anerkennung, durchschnittliche Aufmerksamkeit. Und alles das ist letztlich nicht viel wert. Dort, wo alle sind, ist wenig zu holen. Jeder sucht die goldene Mitte, und wer sie gefunden hat, der wundert sich, dass sie verstopft ist – und versinkt im Mittelmaß. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass die Normalen das Passepartout sind, damit sich die Außergewöhnlichen auch wirklich außergewöhnlich fühlen können. Für mich ist „Mitte“ häufig schlecht und unmoralisch, weil sie oft den eigenen Werten entgegensteht. Denn in der lauwarmen Mitte wird das Leben verleumdet. Sie ist der Tatort der schlimmsten Unterlassungssünden.
Buchtipp Hermann Scherer: Schatzfinder. Warum manche das Leben ihrer Träume suchen – und andere es längst leben. Campus Verlag 2013. ISBN 978-3593398310. 19,99 Euro. Jetzt probelesen!
Was empfehlen Sie Hochschulabsolventen für ihre berufliche Laufbahn? In Problemen zu denken – denn jedes Problem ist ein noch nicht gegründetes Unternehmen. Alle Unternehmen sind nur auf dem Markt, weil sie Probleme lösen. Je mehr Probleme jemand identifizieren kann, desto mehr Potenziale für Firmengründungen hat er gefunden. Und damit lässt sich Karriere machen oder gleich ein Unternehmen gründen. Und worauf kommt es konkret bei einer Karriere im Handel an? Gerade der Handel hat noch extremes Wachstumspotenzial. Doch wir sehen oft den Baum vor lauter Wald nicht, da wir zu wenig über den nationalen Tellerrand blicken. Gerade Beispiele in New York oder Asien zeigen auf, wie Kaufpotenziale von Anbietern generiert und in Geschäftsmodelle umgesetzt werden und wie viele Chancen und Potenziale vom Handel nicht erkannt werden. Man darf vor lauter Arbeit einfach seine Ziele nicht aus den Augen verlieren. Und zum Schluss: Was kann man tun, wenn es mal nicht so rund läuft und die Ziele weiter wegrücken? Zuerst sollten wir unser Commitment uns selbst gegenüber überprüfen. Für sich abklären, ob einem die Sache wirklich noch wichtig ist. Wenn Ziele wegrücken, dann haben sie für uns häufig an Zielmagnetismus verloren. Wenn uns das Ziel nicht mehr magisch anzieht und wir Energie, Zeit und Geld in andere Ziele oder Ablenkungen setzen, dann ist das ein Zeichen dafür, dass uns die Alternativen wichtiger sind, und im schlimmsten Fall ist das ein Zeichen für Faulheit. Denn die Taten bringen den Willen ans Licht, die Worte nur die Wünsche.