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Telegramm – Neues aus der Welt der Nachhaltigkeit

Lebensmittel drucken

Foto: Fotolia/Panuwat
Foto: Fotolia/Panuwat

Jährlich landen rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel auf dem Müll. Dagegen will die niederländische Industriedesignerin und Lebensmitteltechnologin Elzelinde van Doleweerd vorgehen. Sie hat einen 3D-Drucker entwickelt, mit dem aus Lebensmittelresten neue Produkte zum Verzehr entstehen. Altes Brot, Gemüse, Schalen oder gekochter Reis werden zu einer Masse verarbeitet. Der 3D-Drucker macht daraus, zusammen mit Kräutern und Gewürzen, neues ansehnliches Essen. Elzelinde van Doleweerd berät mit ihrem Start-up Upprinting Food Restaurantmanager und Köche, welche Lebensmittelabfälle in ihrer Küche wiederaufbereitet werden können.

Hanfleder statt Tierleder

Foto: Fotolia/Satoshi Kikyo
Foto: Fotolia/Satoshi Kikyo

Wer kein Leder will, greift oft zu Kunstleder. Dies besteht allerdings aus Plastik und ist daher schädlich für die Umwelt. Das Darmstädter Start-up Revoltec, eine Ausgründung der TU Darmstadt, hat nun eine Alternative entwickelt: Lovr sieht aus wie Leder, fühlt sich an wie Leder, wird aber aus übriggebliebenen Materialien aus der Hanfproduktion hergestellt. Es ist recycelbar und biologisch abbaubar. Lovr ist die Abkürzung für „lederähnlich, ohne Plastik, vegan, reststoffbasiert“. Noch ist das Produkt nicht auf dem Markt. Die Gründer planen derzeit den Schritt vom Labor in die Industrie.

Mineralölfreie Hydraulikflüssigkeiten

Foto: Fotolia/Skiffcha
Foto: Fotolia/Skiffcha

Die Stahl-, Aluminium- und Kupferindustrie setzt häufig Hydraulikanlagen ein, die mit umweltschädlichem Hydrauliköl laufen. Der Kamener Mittelständler„Fluid Competence“ hat eine umweltfreundliche Alternative entwickelt: Seine mineralölfreien Hydraulikflüssigkeiten sind in 28 Tagen bis zu 99 Prozent biologisch abgebaut. Die Mischung der Flüssigkeiten ist ein Betriebsgeheimnis, Wasser und Polymere sind auf jeden Fall enthalten. Die neuen Hydraulikflüssigkeiten sind auch besser für die Maschinen, so dass sie länger wartungsfrei laufen. Auch das belastet die Umwelt weniger.

Whisky im Tank

Foto: Fotolia/Iryna
Foto: Fotolia/Iryna

Die schottische Whiskybrennerei Glenfiddich nutzt seit einiger Zeit Destillerie-Abfälle als Treibstoff für ihre Lkw. Das Getreide, das im Mälzprozess übrigbleibt, wird zur Herstellung von Kraftstoff verwendet. Die Brennerei hat bereits drei Lkw umgerüstet. Sie fahren nun statt mit Flüssigerdgas mit dem auf Whiskyabfällen basierenden Biogas. Die gesamte schottische Whisky- Industrie will bis 2040 emissionsfrei werden.

Greenwashing: Grüne Werbelügen

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So manche Nachhaltigkeitsversprechen, die Hersteller geben, entpuppen sich als leere Worthülsen. „Greenwashing“ nennt es sich, wenn Unternehmen sich selber „grüner“ darstellen, als sie wirklich sind. IT-Ingenieur Dominik Sothmann, Gründer der Flip GmbH, beschreibt in einem Gastbeitrag, wie man Greenwashing erkennt und was man dagegen tun kann.

Fünf Arten von Greenwashing-Methoden – oder Kombinationen daraus – sind bekannt:

  1. Produkte werden als umweltfreundlich oder nachhaltig beworben, ohne dass es Belege dafür gibt. Es ist also einfach eine Behauptung.
  2. Unternehmen entwerfen eigene Öko-Siegel, deren Kriterien sie selber festlegen.
  3. Es werden leere, häufig übergroße Versprechungen für die Zukunft gemacht. Einen Plan zur Erreichung dieser Ziele gibt es aber häufig nicht.
  4. Ein Produkt wird im Ganzen als nachhaltig beworben, obwohl nur ein Teilaspekt davon nachhaltig ist.
  5. Es werden Probleme – und oft Lösungen dafür – dargestellt, die es gar nicht gibt, weil es dagegen bereits Gesetze gibt.

Ein frühes Beispiel für Greenwashing ist der Ökostrom: Die ersten Angebote nach der Liberalisierung des Strommarktes wurden in der Branche noch belächelt. Doch irgendwann erkannten die Energieunternehmen, dass es viele Menschen gibt, denen ökologische Stromprodukte wichtig sind. Auf einmal schossen neue grüne Marken wie Pilze aus dem Boden. Schon damals hatten die Verbraucher*innen das Nachsehen. Denn ob es sich bei dem angebotenen Ökostrom um Marken großer Ölkonzerne handelte, die nun nicht gerade Vorreiter in Sachen Ökologie sind, oder nicht, war in der Außendarstellung meistens nicht zu erkennen.

Warum handeln Hersteller oft so intransparent gegenüber ihren Kund*innen und machen falsche Aussagen? Der Nachhaltigkeitsmarkt ist keine kleine Nische mehr, sondern ein sehr relevanter Markt, der stetig wächst. Das haben auch Unternehmen erkannt und versuchen, mit nachhaltigen Versprechen neue Zielgruppen zu erreichen. Einigen Unternehmen ist es dabei ziemlich egal, dass hinter Nachhaltigkeit mehr als ein wirtschaftlich attraktiver Markt steht.

Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten.

Das Problem beim Greenwashing: Die Konsument*innen werden hinters Licht geführt und belogen. Es ist nahezu unmöglich, als Verbraucher*in selber festzustellen, ob man hereingelegt wird oder nicht. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass es Millionen von Verbraucher*innen in Deutschland gibt, die bewusst mit ihrem Konsum zu mehr Nachhaltigkeit beitragen wollen. Wenn sie auf Greenwashing hereinfallen, bewirken sie genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen. Zudem leiden auch die wirklich nachhaltigen Unternehmen darunter, denn sie können sich bei der Außendarstellung ihrer Lösungen wenig von den Greenwashing- Unternehmen differenzieren. Greenwashing schadet also der Green Economy im Ganzen.

Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten. Es muss also auf verschiedenen Ebenen etwas passieren, um dagegen anzugehen. Die EU-Kommission will beispielsweise eine Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken ändern und Greenwashing auf eine sogenannte schwarze Liste setzen. Auf deren Basis könnten Verbraucher*innen grüne Werbelügen anzeigen.

Verdachtsfälle einreichen

Wir haben die Firma Flip gegründet, um Greenwashing aktiv zu entlarven und „echten“ grünen Lösungen zusätzliche Sichtbarkeit zu geben. Dazu recherchieren für uns Journalist* innen investigativ, in Einzelfällen teilweise über Wochen. Die Ergebnisse veröffentlichen wir kostenlos auf unserer Website www.letsflip.de und auf Instagram. Verbraucher*innen können auch Verdachtsfälle oder Recherchewünsche an uns senden. Unser Ziel ist, Konsumgelder an die Stellen umzuleiten, an denen sie wirklich eine positive Auswirkung haben. So schwächen wir die Trittbrettfahrer und stärken echte Überzeugungstäter im Nachhaltigkeitsmarkt.

Neben unseren Recherchen, die für Transparenz und Aufklärung sorgen, arbeiten wir derzeit an einem E-Commerce- Marktplatz mit Greenwashing- Filter. So stellen wir sicher, dass jeder bei uns greenwashing-frei einkaufen kann. Darüber hinaus wollen wir in unserem Shop erklären, was die spezifischen Herausforderungen bei der Produktion innerhalb jeder Branche sind und wie die jeweiligen Anbieter damit bei ihren Produkten umgehen. Außerdem haben wir das Sneaker- Experiment (www.sneaker-experiment. de) als Fortsetzung unserer Sneakerjagd gestartet. Mit der Sneakerjagd hatten wir Ende 2021 rund 10 Millionen Menschen erreicht. Wir haben alte Sneaker von Prominenten mit GPS-Trackern verwanzt und auf verschiedenen Wegen entsorgt. Die getrackten Sneaker führten uns unter anderem bis auf illegale Mülldeponien in Kenia. Wir konnten damit zeigen, dass alte Sneaker oft in Afrika die Umwelt vermüllen und die großen Hersteller sich um das Problem nicht kümmern. Jetzt im Sneaker-Experiment gehen wir der Frage nach: Kann man einen Schuh entwickeln, der dabei hilft, dieses Müllproblem zu lösen? Geplant ist dafür, ein Crowdfunding zu starten, nachdem wir mit unseren Projektpartnern die Machbarkeit sichergestellt haben.

Tipp des Greenwashing-Experten:

Was können angehende Ingenieur*innen tun, um Greenwashing beim eigenen Arbeitgeber zu erkennen?

Grundsätzlich sollte man immer kritisch nachfragen und prüfen, ob Kernaussagen des Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit auch gelebt werden oder einfach nur Worthülsen sind, die modern klingen. Bei Letzterem sollte man stutzig werden und für sich persönlich abwägen, wie man damit umgeht.

Von Menschen für Menschen

Was machen eigentlich Medizintechniker*innen? Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft von der TU Berlin und bei der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik im Fachausschuss „Aus- und Weiterbildung – Biomedizinische Technik im Studium“ gibt einen Überblick über die Einsatzbereiche und Aufgaben.

Für die Medizintechnik gibt es keine technisch definierte Abgrenzung des Fachgebietes, denn jede Technologie, die einen Nutzen in der Medizin hat, kann zur Medizintechnik werden. In der Entwicklung medizintechnischer Geräte sind neben den Medizintechnikingenieur* innen Ingenieur*innen der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Automatisierungs-, Regelungs- und Verfahrenstechnik, aber auch Absolvent*innen aus Informatik und Naturwissenschaft wie Physik, Biologie, Chemie und natürlich Medizin beschäftigt. Sie setzen sich gemeinsam und interdisziplinär mit spannenden Problemen an der Grenze ihrer jeweiligen Fachgebiete auseinander. Eine besondere Herausforderung ist dabei die direkte Wechselwirkung technischer Geräte mit dem menschlichen Körper, der als lebendes System über eine eigene „Regelung“ verfügt und auf jeden Eingriff reagiert. Es müssen also beabsichtigte Effekte erreicht, aber auch unerwünschte Reaktionen auf technische Eingriffe vermieden werden.

Das Fachgebiet der Medizintechnik ist ungeheuer breit. Es reicht von einfachen Medizinprodukten wie chirurgischen Scheren und Skalpellen über komplexe Instrumente für minimal invasive Operationen, Gelenkimplantate, Herzschrittmacher, Herzklappenprothesen, Blutdruckmessgeräte, Dialysemaschinen, Operationstische, Beatmungs- und Narkosegeräte, Orthesen, Rollstühle, Gliedmaßenprothesen und Laborgeräte zur Blutuntersuchung bis zu diagnostisch eingesetzten Großgeräten wie Computer- und Magnetresonanztomographen. Die Digitalisierung verändert die Medizintechnik zunehmend. Systeme werden vernetzt, Daten zusammengeführt, auch um Algorithmen der künstlichen Intelligenz anzuwenden.

Erfolgreiche Branchenentwicklung

Die Medizintechnik entwickelt sich rasant weiter. Sie erlaubt immer frühere und sicherere Diagnosen, die eine erfolgreichere Behandlung bewirken. Technische Geräte und Instrumente ermöglichen zunehmend Eingriffe mit immer geringerer Belastung der Patient* innen. Die Unterstützung der Rehabilitation mit technischen Hilfsmitteln führt zu einer früheren und besseren Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen in ihr familiäres und berufliches Umfeld. Als Ergebnis werden Menschen immer älter, haben aber leider in höheren Lebensjahren auch einen steigenden Behandlungsbedarf. So macht sich die technisch unterstützte Medizin im Interesse eines möglichst langen und gesunden Lebens selbst immer notwendiger. Dies ist neben der Innovationskraft der Branche ein wesentlicher Grund für die überaus erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Medizintechnik.

Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik

Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (VDE DGBMT) ist die größte wissenschaftlich-technische Fachgesellschaft der Medizintechnik in Deutschland. Sie wurde 1961 in Frankfurt am Main gegründet. Die DGBMT im VDE vernetzt Expert*innen aus allen Bereichen der Technikanwendungen in Biologie und Medizin. Mit rund 2000 Mitgliedern und 23 Fachgremien deckt sie das gesamte Themenspektrum der biomedizinischen Technik ab.

Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im VDE ergab, dass der Anteil der Ingenieur*innen in der Medizintechnikindustrie mit Abschlüssen in der (Bio-)Medizintechnik in Unternehmen bis 100 Mitarbeitende bei 39 Prozent beziehungsweise in größeren Unternehmen bei 21 Prozent auf Rang eins lag. Es werden eher Generalisten als Spezialisten gebraucht. Sie sind in der Industrie hauptsächlich in der Forschung und Entwicklung, im Qualitätsmanagement und anwendungsorientierten Produktmanagement tätig.

Wichtigste Tätigkeitsbereiche

In Kliniken ergab sich, verglichen mit den Unternehmen, ein völlig anderes Bild. Hier lagen die wichtigsten Tätigkeitsbereiche der Ingenieur*innen in der Krankenhausbetriebstechnik und Medizintechnik (45,7 Prozent) und im Bereich medizinische Informationssysteme/ Informationstechnik (30,1 Prozent). 54 Prozent sind Absolvent*innen von (Bio-) Medizintechnikstudiengängen, 12,9 Prozent von Informatikstudiengängen, 11,1 Prozent von Elektrotechnik-/Informationstechnikstudiengängen und 10,1 Prozent von Maschinenbaustudiengängen. Ein weiterer Frageblock der DGBMT-Umfrage betraf die Kriterien, nach denen über die Eignung eines neu einzustellenden Mitarbeitenden für eine Ingenieurstelle in der Medizintechnikbranche entschieden wird.

Erwartungsgemäß steht in der Klinik und in den Unternehmen der Studiengang beziehungsweise die Studienrichtung an erster Stelle. Praktika werden bei beiden Arbeitgebern sehr gern gesehen. Der Notenspiegel ist in den Unternehmen wichtiger als in der Klinik. Als eher unwichtig wurden die Bildungseinrichtung und der Grad des Abschlusses eingestuft. Auch die Studiendauer spielt eine sehr untergeordnete Rolle. Unter den Kriterien bei der Einstellung steht an erster Stelle der persönliche Eindruck, gefolgt von der Beherrschung von Softskills und Sprachkenntnissen. Zusammenfassend kann die Medizintechnik, die von Menschen für Menschen entwickelt wird, als besonders spannende und zukunftssichere Ingenieurdisziplin eingestuft werden. Auch Absolvent*innen anderer Ingenieurstudiengänge können hier ein Tätigkeitsfeld finden, für das sie sich begeistern können. Neben einer guten Bezahlung und einem sicheren Arbeitsplatz motivieren das Privileg und das Glücksgefühl, Gutes zu tun.

Ingenieurmangel hemmt Energiewende

Die sinkenden Zahlen der Absolvent*innen vor allem in der Elektrotechnik machen der Energiebranche Sorgen. Von Sabine Olschner

Auf der Hannover Messe im Mai diesen Jahres gaben die Technologieorganisation VDE, der GreenTEC Campus und der Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI) bekannt, dass die komplette Energiewende – also die Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien – innerhalb von wenigen Jahren möglich sei. Voraussetzung: Es finden sich genügend Investoren und Fachkräfte. An Ersterem zweifeln VDE, GreenTEC Campus und BSKI nicht, an Letzterem schon. Um die Energiewende in Gänze zu vollziehen, bedarf es dringend Fachkräfte im Bereich Energietechnik, IT, Maschinenbau und Informatik.

Während die Informatik aufgrund „hipper Themen“ wie Künstliche Intelligenz oder Big Data immer größeren Zulauf erhält, sinken die Zahlen in der Elektrotechnik und im Maschinenbau. Vor allem in der Elektrotechnik nimmt die Kluft zwischen der erfolgreichen Ausbildung von Studierenden und dem steigenden Bedarf dramatische Ausmaße an. Zu diesem Ergebnis kommt die VDE Studie „Arbeitsmarkt 2022“. Fakt ist, dass analog zum Trend des software-driven engineering der Anteil der Hardware als wichtiger integraler Bestandteil wächst. Software arbeitet ohne Highend-Hardware nicht. Es brauche einen Imagewechsel in der Elektrotechnik, so die VDE-Studie, um mehr Schülerinnen und Schüler für ein Studium zu ermuntern. Gleichzeitig muss die Mathekompetenz in den Gymnasien gesteigert werden, die Abbruchquote sei mit über 50 Prozent in der Elektrotechnik zu hoch.

Fachkräftemangel ist auch aus einem anderen Grund problematisch: Mit der Energiewende steigt der Digitalisierungsgrad. Mit der größer werdenden Anzahl dezentraler Strukturen nimmt damit auch die Gefahr für Disruptionen zu. Vor allem Windparks bieten Hackern Angriffsfläche. Gibt es zu wenig Fachkräfte, steigt die Gefahr der Cyberangriffe, die zum Beispiel ganze Windparks außer Betrieb setzen und als Folge zu Blackouts führen. Vor allem Kommunen seien kritische Infrastrukturen, sagen die drei Organisationen, da sie für die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zuständig sind, inklusive Krankenhäuser, Wasser- und Stadtwerke. Hier müsse innerhalb der Kommunen ein Sicherheitsnetzwerk aufgebaut werden, um eine zentralisierte Abwehrstrategie zu entwickeln. Und dafür bedarf es Personal. Um die regionale und lokale Energieversorgung zusätzlich zu schützen und Investoren sowie Versicherern Sicherheit zu geben, legen VDE, die Unternehmen der Energiewirtschaft und das Bundeswirtschaftsministerium derzeit die technischen Eckpunkte und die daraus resultierenden Standards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik fest.

Katrin Bartel, Projektleiterin bei Ladegrün!

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Hi, ich bin Katrin. Am liebsten gehe ich vor der Arbeit eine Runde joggen, wenn ich nicht meine Tochter zur Kita bringe oder eine Yogastunde unterrichte. Ich habe in Aachen, Indien und Berlin Maschinenbau und Verfahrenstechnik studiert und plane seit meinem Jobeinstieg Ladeinfrastrukturen für Elektroautos. Heute bin ich bei einem Traumarbeitgeber, in einem coolen Team mit viel Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum. Später will ich auf einem Roadtrip durch Deutschland mit einem eigenen Elektroauto nur noch bei Ladegrün!-Ladestationen laden. Aufgezeichnet von Sabine Olschner

Während meines Bachelorstudiums Maschinenbau mit Vertiefung Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen hatte ich noch gar nichts mit Elektromobilität zu tun. Erst bei meiner Masterarbeit an der Technischen Universität Berlin über die dezentrale Stromversorgung in Japan kam ich mit dem Thema in Kontakt. Ich lernte die Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts in Berlin kennen, das zu Erneuerbaren Energien forscht. Das Institut suchte jemanden, der Elektromobilitätskonzepte für Kommunen erstellt, also habe ich mich nach dem Abschluss meines Masterstudiums dort beworben. Ich habe für Städte, Kommunen und Unternehmen Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge geplant. Nach ein paar Jahren gründeten wir aus dem Institut heraus die Spin-off Localiser RLI GmbH, die die Ladeinfrastrukturplanung automatisiert. Die Anfänge des Unternehmens liefen allerdings schleppend, sodass ich während meiner Elternzeit meinen Job verlor.

Ich musste mich also nach einer Alternative umsehen und landete im Verkehrsministerium. Auch hier beschäftigte ich mich mit Ladeinfrastruktur, begleitete Förderprogramme und setzte neue auf. Auch wenn die Arbeit interessant war, fühlte ich mich im ministerialen Arbeitsumfeld nicht wohl und wollte wieder zurück zu mehr ingenieurtechnischen Inhalten. Ich lehnte die Verbeamtung ab und kündigte ohne neuen Arbeitsvertrag. Zum Glück, denn sonst wäre ich nicht bei Ladegrün! gelandet, einer Genossenschaft, die 2021 erste Mitarbeitende suchte. Ladegrün! wurde von den drei Ökostromanbietern Naturstrom, EWS Elektrizitätswerke Schönau und Green Planet Energy, ehemals Greenpeace Energy, gegründet. Ziel ist es, zertifizierten Ökostrom an Ladesäulen anzubieten – in Unternehmen, Parkhäusern, Wohnkomplexen und im öffentlichen Raum auf Parkflächen, in außerstädtischen Lade-Hubs oder direkt am Straßenrand als bedarfsgerechte Lösung für Städte und Kommunen. Mittlerweile sind wir rund 20 Mitarbeitende, und ich habe im September die Teamleitung für das Projektmanagement übernommen.

Neues aus der Elektromobilität

Katrin Bartels Tipps für alle, die sich für Elektromobilität interessieren: Der E-Mobility -Podcast CleanElectric. Es geht dort um strombetriebene Fahrund Flugzeuge, Ladeinfrastrukturen und -technologien – aktuelle wie zukünftige.

 

Der tägliche Newsletter von electrive.net, dem Branchendienst für Elektromobilität in Europa und darüber hinaus.

Da wir alle remote arbeiten, treffen wir uns jeden Morgen 15 Minuten online, um uns gegenseitig abzuholen. Ansonsten bin ich als Projektmanagerin vor Ort oder digital im Austausch mit den Kund*innen und Dienstleistern zur Besprechung der notwendigen Schritte beim Ladestationsaufbau. Lange Zeit lag auch der Vertrieb und die Kundenberatung beim Projektmanagement, was nun vom Vertriebsteam übernommen wird.

Wird ein Projekt umgesetzt, kaufen wir die Hardware ein und koordinieren die Dienstleister. Als Projektmanagerin bin ich häufig, zusammen mit den Elektrofachkräften und Tiefbauunternehmen, auf Baustellen zu finden. Zu den größten Herausforderungen meines Jobs gehören auf alle Fälle lange Lieferzeiten bei der Hardware und lange Wartezeiten bei Genehmigungsprozessen oder Fördermittelvergaben. Außerdem macht uns die Knappheit der Fachkräfte für die Baustellen zu schaffen.

Das Maschinenbaustudium vermittelte mir für den Arbeitsbereich Elektromobilität rückblickend die Grundlagen im technischen Verständnis, analytischen und prozessorientierten Denken sowie im Bereich der Elektrotechnik. Ich habe ein paar Weiterbildungen gemacht und das meiste durch Learning-by-doing bei der Projektarbeit gelernt. Für das Verständnis unserer Branche hilft es auf jeden Fall, selber Elektroauto zu fahren und Ladestationen in der Praxis auszutesten. Über verschiedene Online-Angebote (siehe links) kann man gut den Markt beobachten und ein Gefühl dafür bekommen, was gerade wichtig ist.

Wer ebenfalls im Bereich Elektromobilität arbeiten will, sollte grundsätzlich Interesse an dem Thema haben. Wie an meinem Lebenslauf zu sehen ist, muss man nicht unbedingt Elektrotechnik studiert haben. Auch meine Kolleg*innen haben die unterschiedlichsten Studienhintergründe.

Mich hat die Motivation, etwas zu verändern, zur Elektromobilität geführt. Ich kann an neuen Entwicklungen mitarbeiten und schätze die Vielfalt, die das Thema mit sich bringt. Der Markt ist enorm dynamisch, und ich finde es spannend zu sehen, wie sich die Ladeinfrastrukturlandschaft entwickelt. Es macht Spaß, aus ingenieurtechnischer und umweltfreundlicher Sicht sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Denn auch das gehört zum spannenden Thema der Elektromobilität: Elektrisch fahren ist erst dann richtig nachhaltig, wenn der geladene Strom aus erneuerbaren Energien stammt.

 

Interview mit Marc Andre Schüler: Von der Sonne geladen

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Fahrzeuge, die autark mit Solarenergie fahren: Vision oder bereits Wirklichkeit? Marc Andre Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Modultechnologie für fahrzeugintegrierte Photovoltaik am Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme ISE, berichtet über den Stand der Dinge. Die Fragen stellte Sabine Olschner

Marc Andre Schüler, Foto: Conny Ehm

Gibt es bereits Autos, die mit Hilfe einer eigenen Photovoltaik-Anlage fahren?
Toyota und Hyundai produzieren bereits Serienfahrzeuge, bei denen Solardächer optional verfügbar sind. Diese erbringen aber bisher nur eine relativ geringe Leistung im Bereich zwischen 200 und 300 Watt. Auch der Prototyp „Vision EQXX“ von Mercedes besitzt ein Solardach. Die Energie wird in der Batterie zwischengespeichert und kann auch zum Antrieb genutzt werden, wird aber in der Realität eher für zusätzliche Aggregate verwendet, etwa zur Kühlung. Des Weiteren hat das Start-up Lightyear kürzlich den „Lightyear 0“ vorgestellt, der nächstes Jahr vom Band laufen soll. Auch Sono Motors hat ein Modell entwickelt, den „Sion“. Beide Fahrzeuge haben Solarmodule in der kompletten Außenhaut des Fahrzeugs, nicht nur auf dem Dach. Dadurch können sie mehr Leistung generieren. Es gibt also bereits erste Autos mit fahrzeugintegrierter Photovoltaik.

Sind die Techniken vergleichbar?
Der Unterschied liegt vor allem in der Solarzelltechnologie. Lightyear benutzt zum Beispiel rückkontaktierte Zellen, auch IBC-Zellen genannt, die zwar teuer, aber sehr effizient sind und einen hohen Solarertrag generieren. Beim Hyundai Sonata werden monokristalline Solarzellen, der heutige Stand der Technik, verarbeitet. Diese sind weniger effizient, aber dafür günstiger und weniger aufwendig in der Produktion. Ein weiterer Unterschied besteht in der Einkapselung der Zellen: Man kann sie zum Beispiel in ein Glaspanoramadach integrieren. Das Glas schützt die Zellen sehr gut vor Feuchtigkeit, UV-Strahlung und mechanischen Einflüssen. Sono Motors setzt auf leichtere Materialien und kapselt die Zellen in Polycarbonat ein. Eine Herausforderung ist hier die thermische Ausdehnung, woran unter anderem auch unser Institut in Kooperation forscht. Wenn wir hier erfolgreich sind, hat diese Lösung einen hohen Rückgewinnungswert. Lightyear verwendet ein Dünnglas zum Verkapseln. Das ist deutlich leichter als ein Standardglas, muss aber mechanisch stabilisiert werden. Darüber hinaus gibt es Unterschiede in der elektrischen Anbindung: Für Lkw oder Busse nutzen manche Start-ups semiflexible Solarmodule, die sich auf die Außenhaut des Fahrzeugs aufkleben lassen und die 12-Volt-Batterie speisen. Daraus kann zum Beispiel das Bordsystem betrieben werden, was auch die Lichtmaschine schont und den Dieselverbrauch senkt. Fahrzeuge wie der Lightyear 0 oder der Sion hingegen möchten die Energie auch zum Fahren nutzen und müssen sie daher in das Hochvoltsystem des Fahrzeugs einspeisen.

Das heißt: Allein mit Solartechnik lässt sich ein Auto bislang nicht fahren?
Für die meisten genannten Beispiele ist das richtig. Lightyear nutzt ein Photovol taik-System, das bereits einen Großteil der Energie für den Antrieb liefert. Auch das US-amerikanische Unternehmen Aptera hat ein sehr effizientes Fahrzeug entwickelt, das einen Großteil der benötigten Energie aus Solarzellen generiert. Natürlich unterscheidet sich die Leistung je nach Jahreszeit, im Winter muss bei allen Fahrzeugen der Elektromotor hinzugeschaltet werden. Auch an unserem Institut haben wir das Dach eines 18-Tonnen-Lkws mit einer PV-Anlage versehen. Über das Jahr gesehen spart man da auf jeden Fall eine ganze Menge Kilowattstunden an Ladeleistung ein.

Wie wird sich die fahrzeugintegrierte Photovoltaik Ihrer Ansicht nach weiterentwickeln?
Einige Autohersteller forschen derzeit zum Thema „Bidirektionales Laden“. Hier kann ein Elektrofahrzeug mit einer großen Hochvolt-Batterie dazu genutzt werden, als Energiespeicher das Netz zu stabilisieren. Über die Wallbox kann das Fahrzeug dann mit Energie be- oder entladen werden. Solch ein bidirektionales Ladesystem kann mit einem fahrzeugintegrierten Photovoltaik-System ergänzt werden. Ein weiterer Zukunftsausblick: Statt monokristalline Lithium-Zellen zu nutzen, könnte man Tandem-Technologien einsetzen, die zwei oder mehr Teilbereiche des Lichtspektrums einfangen. Solche Technologien sind allerdings noch nicht marktreif, auch das Fraunhofer ISE forscht noch daran. Sollten sie sich durchsetzen, könnte man auf kleinerer Fläche mehr Energie generieren und Solarmodule verstärkt auch auf Autos einsetzen.

Wo liegen die größten Herausforderungen? Zum einen ist die Politik gefragt. Wird es in Zukunft Vergünstigungen für Solar Electric Vehicles, kurz SEV, geben? Zum anderen sind die Steuerkreise der einzel nen Automobilhersteller unterschiedlich. Das bringt Probleme für die einzelnen Photovoltaik-Ausstatter, die ihre Leistung auf die Batterie speisen wollen. Hier müssten die Steuerkreise standardisiert werden, damit dies flächendeckend funktioniert. Große OEM sind auf jeden Fall interessiert an dem Thema. Bei den oben genannten Tandem-Technologien braucht es noch Forschung auf der Materialebene, um die Langlebigkeit des Systems zu gewährleisten.

Welche Art von Ingenieur*innen braucht es, um die Technologien weiterzuentwickeln?
Die unterschiedlichsten Fachrichtungen sind gefragt. Auch am ISE sind wir sehr interdisziplinär aufgestellt, von Biologie und Chemie bis zu Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. Wer sich auf erneuerbare Energien und regenerative Energiesysteme spezialisiert hat, ist ebenfalls nah am Thema.

Woran forscht das ISE derzeit auf diesem Gebiet?
Unter anderem führen wir Fahrzeuganalysen für Automobilhersteller durch. Anhand der Fahrzeuggeometrie können wir die Leistungen von integrierten Photovoltaik- Anlagen berechnen. Intern forschen wir daran, Photovoltaik-Module für diesen Bereich immer leichter und effizienter zu gestalten.

Wären die solarbetriebenen Fahrzeuge die Lösung für alle Mobilitätsprobleme?
Ich denke, dass wir künftig neu denken müssen. Warum sollten Fahrzeuge, die die meiste Zeit ungenutzt herumstehen, nicht dazu beitragen, unser Energiesystem zu unterstützen? Der Ansatz des bidirektionalen Ladens ist also ein spannendes Thema, das wir weiterverfolgen sollten. Um CO2 zu reduzieren, braucht es aber noch viel mehr Sharing-Konzepte für den Individualverkehr. Im Nutzfahrzeugsektor und im öffentlichen Verkehr kann fahrzeugintegrierte Photovoltaik einen Beitrag dazu leisten, CO2 zu reduzieren. Dabei steht fahrzeugintegrierte Photovoltaik nicht im Wettbewerb zu anderen Anwendungen, sondern ist als Ergänzung zu sehen.

Ideen-Coaching: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Graffiti mit Hochdruckreiniger

Foto: Bernd Nörig
Foto: Bernd Nörig

„Umgekehrte Graffiti“ nennt sich die Kunst von Klaus Dauven aus Kreuzau in der Eifel. Statt Wände mit Farbe zu besprühen, bearbeitet er sie mit Hochdruckreinigern. Mit Hilfe der Geräte zeichnet Dauven scherenschnittartige Motive in vorher schmutzige Oberflächen – zum Beispiel auf Staumauern, Brücken oder Wände. Der Künstler gilt als Pionier der „Reverse Graffiti“. Sein neues und bislang größtes Werk ist ein Waldmotiv auf einer Staumauer im französischen Vouglans. Er und sein achtköpfiges Team setzten 2500 Lasermesspunkte, bevor sie mit der Arbeit beginnen konnten. Manche Werke bleiben mehrere Jahre bestehen, andere verschwinden schnell wieder unter neuem Schmutz und Patina.

Upcycling in Schulen

Zwölf junge Menschen (und ein Hund) haben sich als Save Nature Group zusammengetan und das Kunststoff-Recycling-Mobil ins Leben gerufen. Die Pädagog*innen und Ingenieur*innen der Thüringer Naturschutzorganisation gehen in Schulen, um den Teilnehmenden mit ihrer mobilen Recyclingsmaschine auf interaktive Weise einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoff und unserer Umwelt nahezubringen. Die Schüler*innen lernen Verfahren zum Recycling und zur Mülltrennung kennen und Kunststoffe zu unterscheiden. Anschließend sammeln alle gemeinsam Müll auf dem Schulhof und gestalten daraus Neues – ganz im Sinne des Upcycling.

Karrieremythen entlarvt

Cover Eines TagesDer Chef ist ein mieser Typ, das Unternehmen rücksichtslos, und für eine Beförderung braucht man das „richtige“ Vitamin B. Ist das wirklich so? Diese und andere Karrieremythen entlarven die Topmanagement-Beraterinnen Dorothea Assig und Dorothee Echter in ihrem neuen Buch „Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“. Sie haben zahlreiche Menschen dabei unterstützt, die Ursachen für ihren Karrierestillstand zu finden. Meistens haben sich kleine Rückschläge zu handfesten Karrieremythen verhärtet. Assig und Echter zeigen in ihrem Buch, wie aus Karrieremythen Karrierestrategien werden. Dorothea Assig und Dorothee Echter: „Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“: Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und Sie dennoch weiterkommen. Ariston Verlag 2022. 20 Euro

Mit der Astronautin ins Musik-All

Foto: www.marekbeier.de
Foto: www.marekbeier.de

Fördert Klavierspielen die Intelligenz? Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Kann man das absolute Gehör trainieren? Und wie klang eigentlich der Urknall? Die Astrophysikerin Suzanna Randall, die gerade für ihren ersten Aufenthalt im All trainiert, ist auch ein leidenschaftlicher Musik-Fan und erforscht nun wissenschaftllich die Welt der Klänge. In ihrem Podcast „Kosmos Musik“ mit Suzanna Randall befragt sie Expert*innen aus Hirnforschung, Medizin, Archäologie, Soziologie, Psychologie und Philosophie zu den großen Rätseln der Musik und den neuesten Forschungen auf diesem Gebiet.

Methangas ernten

Methan, Kohlendioxid und Stickstoff gehören zu den natürlichen Treibhausgasen, die für die Klimaveränderung verantwortlich sind. Um den Ausstoß des schädlichen Methans zu verringern, hat das Labor für Wasser und Umwelt (LWU) an der Technischen Hochschule Köln einen Prototyp zur Methangasernte aus Stauseen weiterentwickelt. Getestet wurde er auf der Wuppervorsperre in Hückeswagen im Bergischen Land. Die Anlage zur Methangasernte wirbelt das Sediment am Gewässergrund mithilfe von Hochdruckdüsen auf und leitet es über eine Tauchpumpe in einen Gasabscheider auf einer Arbeitsplattform. Auf der Arbeitsplattform messen die Forscher*innen die Gasmenge, die Zusammensetzung und die Menge des verlagerten Sediments. Quelle: Technische Hochschule Köln

Die Welt der Technik in 100 Objekten

Cover Die Welt der TechnikWas uns ein Mikroskop aus dem 17. Jahrhundert über den Aufbruch in eine neue Zeit berichten kann, wie auf der Pariser Weltausstellung von 1900 gezeigte Teerfarbstoffe die Entstehung der modernen Malerei beeinflussten und was eine aus alten Safttüten gefertigte Umhängetasche über das Anthropozän verrät: All das beschreibt der Generaldirektor des Deutschen Museums, Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl, in seinem reich bebilderten Buch „Die Welt der Technik in 100 Objekten“. Jedes Objekt wird auf mehreren Ebenen vorgestellt: was zu seiner Erfindung führte; für welche Zeit es geschaffen wurde; wie es die Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit und nicht zuletzt diese Wirklichkeit selbst verändert hat; wie sein Lebenslauf aussah und schließlich auch, auf welchen Wegen es in das Deutsche Museum fand. Wolfgang M. Heckl: Die Welt der Technik in 100 Objekten. C.H. Beck Verlag 2022. 39,95 Euro

Das letzte Wort hat Theodor Golditchuk, Gründer von buycycle

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Die drei Ingenieurabsolventen Florian Senoner, Jonas Jäger und Theodor Golditchuk (von links) haben nach ihrem Hochschulabschluss und einigen Jahren in der Unternehmensberatung buycycle gegründet, einen Online-Marktplatz für gebrauchte Mountainbikes, Rennräder und Gravel Bikes. Sabine Olschner sprach mit Theodor Golditchuk über die Gründungsphase des Münchener Unternehmens.

Wie kamt Ihr auf die Idee, Euch selbstständig zu machen?
Wir drei kennen uns über das Rennradfahren und haben für unser Hobby neue Rennräder gesucht. Auf den Kleinanzeigenportalen gab es zwar eine Menge gute Angebote, aber es blieben viele Fragen offen: Was muss man beim Online-Kauf von gebrauchten Rennrädern beachten? Wie erkenne ich aus der Ferne, ob das Rad in Ordnung ist? Wie kommt das gewünschte Rennrad aus einem anderen Bundesland zu mir? Wir haben gemerkt: Das Potenzial des Gebraucht-Fahrrad-Marktes ist riesig, aber die Abwicklung für teure Räder funktioniert einfach nicht richtig. Die Situation war zudem günstig: Neue Rennräder sind bei den Händlern seit Corona-Zeiten kaum noch zu bekommen, daher boomt der Handel mit Gebrauchträdern. Das war der letzte Schubs, den wir gebraucht haben, um durchzustarten. Vor einem Jahr haben wir also einen Marktplatz für gebrauchte, Rennräder, Gravel Bikes – also geländegängige Fahrräder – und Mountainbikes gegründet. Wir bringen Käufer und Verkäufer zusammen, kümmern uns um die Versandabwicklung, den Geldfluss und eventuelle Rückabwicklungen. Außerdem bieten wir optional einen Werkstatt-Check für die Räder an, und wir bereiten alte Räder auf und verkaufen diese selber.

Wie hat Euch das Ingenieurstudium und die Arbeit bei der Unternehmensberatung beim Sprung in die Selbstständigkeit geholfen?
Wir haben gelernt, wie man strukturiert und effizient Probleme angeht. Und das auch bei Themen, in denen man noch keine langjährige Expertise hat.

Wie lief die Startfinanzierung für Euer Unternehmen?
Wir hatten für den Anfang etwas eigenes Startkapital angespart. Außerdem haben wir einen Förderkredit der KfW-Bank mit besonders günstigen Konditionen für Unternehmensgründer in Anspruch genommen. Allerdings haben wir den Anspruch, der führende Marktplatz für gebrauchte Fahrräder in Europa zu werden. Daher wollen wir noch schneller wachsen und mehr professionelle Services anbieten. Also haben wir externe Investoren an Bord geholt, mit denen wir uns auch fachlich austauschen können.

Wo habt Ihr Euch als Ingenieure die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse angeeignet?
Ich habe im Master den Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen gelegt. Und bei der Arbeit in der Unternehmensberatung haben wir alle auch viel kaufmännisches Wissen erlernt. Alles andere geschieht durch Learning-by-doing im eigenen Unternehmen. Im Internet gibt es unendlich viele Informationsquellen, darüber haben wir uns vieles selber beigebracht. Außerdem haben wir uns von Anfang an einen Mentorenkreis aufgebaut, mit dem wir uns austauschen. Zu unseren Mentoren zählen unter anderem E-Commerce- und Finanzierungsexperten. An der Universität München haben wir zudem an einem Start-up-Accelerator teilgenommen, bei dem man Mentoren als Ansprechpartner hat, Kurse besucht und einen Coworking-Space nutzen kann. Das Angebot für angehende Gründer ist in München grundsätzlich sehr gut.

Was ist Euer Tipp für Ingenieurstudierende, die ebenfalls gründen wollen?
Der wichtigste Schritt: Man muss sich trauen. Vor allem, wenn man schon ein festes Einkommen und damit eine gewisse Sicherheit hat, ist es oft nicht so leicht, das aufzugeben. Ich sage mir: Egal, ob buycycle erfolgreich wird oder nicht – das erste Jahr war für mich so lehrreich, dass ich es auf keinen Fall missen möchte. Mein zweiter Tipp: Wenn man eine gute Idee für ein eigenes Unternehmen hat, sollte man nicht zu stark an dieser ersten Idee festhalten, sondern offen dafür sein, sie auch anzupassen und weiterzuentwickeln.

E-Paper karriereführer ärzte 2022.2023 – Digitale Chancen: Trends im Gesundheitswesen

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karriereführer ärzte 2022.2023 – Digitale Chancen: Trends im Gesundheitswesen

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Cover karriereüehrer ärzte 2022-2023

Digitale Chancen: Trends im Gesundheitswesen

Endlich kommt die Digitalisierung auch im Gesundheitswesen an – allerdings langsam. Immer noch wird sie hier skeptisch betrachtet, doch die Vorteile werden deutlicher und beschleunigen den Trend. Patient*innen, Mediziner*innen und die Kostenstruktur des gesamten Systems können durch digitale Infrastrukturen nur gewinnen. Gefragt ist nun die junge Ärzt*innen-Generation, die mit ihrem digitalen Mindset die Vorteile der neuen Techniken mit der notwendigen Sorgfalt bei Diagnosen und Datenschutz verbindet. Wie genau die Herausforderungen dabei aussehen und wie angehende Mediziner*innen darauf reagieren sollten, zeigt ihnen die vorliegende Ausgabe des „karriereführer ärzte“.

Digitale Chancen

Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens schreitet voran – wenn auch recht träge. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand – für Patient*innen, Mediziner*innen und die Kostenstruktur des gesamten Systems. Gefragt ist nun die junge Ärzt*innen-Generation, die mit ihrem digitalen Mindset die Vorteile der neuen Techniken mit der notwendigen Sorgfalt bei Diagnosen und Datenschutz verbindet. Ein Essay von André Boße

Verschiedene Entwicklungen haben in den vergangenen Jahren die Digitalisierung im Arbeitsbereich von Ärzt*innen vorangetrieben. Eine davon war gewollt: 2019 verabschiedete der Bundestag das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das im Dezember 2019 in Kraft trat und unter anderem dafür sorgte, dass nun Gesundheitsapps verschrieben werden können und die Kosten von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden. Das politische Ziel des Gesetzes: die Innovationskraft des Gesundheitssystems zu fördern. Dies passierte darüber hinaus als Folge eines Weltereignisses, das nicht geplant war. 2020 brach das Coronavirus aus, von heute auf morgen wurden im gesundheitlichen Bereich digitale Services notwendig.

Video-Sprechstunden, digitales Termin-Management, Entwicklung neuer Apps – was jahrelang nur schleppend voran ging, legte von Covid-19 angetrieben ein neues Tempo vor. „Das Auftreten des Corona-Virus und die damit verbundenen erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Leben und des direkten Kontaktes haben auch im Gesundheitssektor vielfältige Rückstände bei der Digitalisierung aufgezeigt und in einigen Bereichen als Katalysator für eine massive Aufrüstung und Weiterentwicklung beim Einsatz von Informationstechnologie und digitalen Übertragungsformen gedient“, heißt es dazu in der Einführung der Studie „Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2021/22“ der Stiftung Gesundheit.

Nur wenige Apps in der Anwendung

Konkret widmet sich die Befragung den Erfahrungen und Erkenntnissen, die Ärzt*innen in der Praxis mit Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) sammeln konnten. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass in weiten Teilen der Ärzteschaft weiterhin eine Grundskepsis gegenüber der Anwendung medizinischer Apps vorherrscht: Zwar geben mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden an, DiGa bereits eingesetzt zu haben oder dies bald tun zu wollen. Jedoch sagten auch 71,3 Prozent der befragten Ärzt*innen, ihren Patient*innen bisher noch nie eine App empfohlen zu haben. Zwar glaubt die deutliche Mehrheit der Studien-Teilnehmer*innen, dass gezielt eingesetzte Apps „überaus hilfreich“ sein können (rund 66 Prozent) und dass die den Arbeitsalltag von Ärzt*innen mittelfristig verändern werden (rund 60 Prozent) – und wenn Patient*innen dies wünschten, würden knapp 60 Prozent ihnen „mit Augenmaß“ Apps verschreiben. Im Praxisalltag jedoch spielen DiGa weiterhin eine kleine Rolle: Der Anteil der Ärzt*innen, die eine vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüfte App auf Rezept verschrieben haben, liegt bei lediglich 14,3 Prozent.

eRezept: Stufenweiser Roll-out

Seit dem 1.9.2022 testet die Kassenärztliche Vereinigung in der Region Westfalen-Lippe das eRezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel. „Der Rollout wird dabei eng begleitet, um Probleme schnell identifizieren und lösen zu können“, heißt es auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Verläuft der Test erfolgreich, folgen zunächst sechs weitere Regionen. Danach wird das eRezept flächendeckend in allen Regionen der Kassenärztlichen Vereinigung umgesetzt. Seit Beginn des Rollouts mussten sich alle Apotheken in Deutschland bereithalten, elektronische Rezepte anzunehmen und zu verarbeiten.

Wo liegen die Gründe für diese Zurückhaltung? Das Ergebnis der Studie legt nahe, dass hier auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen: Laut Befragung stimmen 60,3 der Befragten der Aussage zu, dass Apps sich nur durchsetzen würden, wenn Ärzt*innen für ihren Einsatz auch angemessen bezahlt würden. Bei den potenziellen Risiken, die letztlich für Hemmnisse bei der Umsetzung verantwortlich sind, liegen laut Studie datenschutzrechtliche Bedanken mit 70,6 Prozent deutlich an erster Stelle, es folgen Zweifel an der Wirksamkeit der Apps (47,4 Prozent) und an der Motivation der Patient*innen, diese zu nutzen (45,6 Prozent). Häufig genannt wurden auch die mangelnden Möglichkeiten, als Behandelnder diese Apps zu testen.

Politik pocht auf digitale Transformation

Diese Vorbehalte sind verständlich. Aber: Es muss daran gearbeitet werden, sie zu überwinden. Das gilt auch im Bereich der Kommunikation der Akteure untereinander: Die Unternehmensberatung McKinsey hat in ihrem aktuellen eHealth-Monitor, der die Fortschritte im Digitalisierungsgrad des deutschen Gesundheitswesens analysiert, festgestellt, dass das System an einigen Stellen noch weitestgehend anlog tickt, „insbesondere beim Datenaustausch zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen“, wie es im Report heißt, „die Kommunikation zwischen Arztpraxen und Krankenhäusern erfolgt zu 95 Prozent immer noch in Papierform.“ Vor allem das Fax hält sich beharrlich, der Glaube jedoch, das Gesundheitssystem könnte es sich erlauben, sich den Vorteilen der Digitalisierung zu entziehen, wird schon bald von der Realität überholt werden. Schon allein deshalb, weil die politischen Weichenstellungen eine klare Richtung vorgeben.

Wir haben in Deutschland beim Thema eHealth im letzten Jahr einige Fortschritte gemacht, sind aber noch lange nicht am Ziel.

Neben den DiGa haben die Gesetzgeber auch der elektronischen Patientenakte (ePA), die seit Anfang 2021 alle gesetzlich Versicherten erhalten können, sowie dem eRezept, das seit September 2022 stufenweise realisiert wird, den Weg bereitet. „Wir haben in Deutschland beim Thema eHealth im letzten Jahr einige Fortschritte gemacht, sind aber noch lange nicht am Ziel“, wird McKinsey-Partnerin Laura Richter, Co-Autorin des eHealth-Monitors, in einer Zusammenfassung der Studie auf der Homepage der Unternehmensberatung zitiert. „Die größten Herausforderungen sind der flächendeckende Datenaustausch von Leistungserbringern insbesondere über ambulant-stationäre Grenzen hinweg sowie die Skalierung von ePA und eRezept in Richtung Patienten durch eine umfassende Informationskampagne.“ Wie wichtig diese ist, belegen die Zahlen der Studie: So zeige sich jeder zweite Patient digitalen Gesundheitsangeboten gegenüber aufgeschlossen, „doch es fehlt den Befragten eigenen Angaben zufolge an Information und Aufklärung über die digitalen Angebote“, heißt es in der Zusammenfassung.

Evidenz-Studien geben Vertrauen

Nachholbedarf gibt es auch bei den Evidenz-Studien zu medizinischen Apps in Forschungspublikationen. Solche Analysen sind es, die Ärzt*innen grundlegende Informationen über Wirksamkeit der digitalen Technologien geben. Zwar habe sich die Zahl der Veröffentlichungen zu App-Entwicklungen im Beobachtungszeitraum 2020 versechsfacht, im internationalen Vergleich hinke Deutschland jedoch weiter hinterher. So gab es in Großbritannien doppelt so viele publizierte Evidenz-Studien. Was die Beurteilungen der App-Wirksamkeit angeht, weisen – so der McKinsey-Report – 84 Prozent der Publikationen einen positiven Nutzeneffekt der digitalen Anwendungen nach, bei drei Viertel davon war das konkret ein verbesserter Gesundheitsstatus der Patient*innen. Zehn Prozent der Studien belegten höhere Kosteneffizienz, 14 Prozent eine Zeitersparnis für Ärzt*innen. „Diese Zahlen zeigen, dass eHealth-Anwendungen das Potenzial haben, Patienten bei nachhaltigen Verhaltensänderungen zu helfen – und Ärzt*innen und Pflegenden bei der Behandlung unterstützen können“, fasst Studien-Co-Autor Tobias Silberzahn die Ergebnisse zusammen.

Telemedizin: Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Im deutschen Bericht der europaweiten Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte zeigt sich, dass beim Thema Telemedizin noch Luft nach oben ist. Für die Studie wurde medizinisches Personal befragt, inwiefern in den Praxen, Kliniken und Einrichtungen Technologien zur Betreuung von Patient*innen via Telefon und Videochat genutzt würden. Nur 30 Prozent der Befragten gaben an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Teilnehmende, nämlich 64 Prozent. Zum Vergleich: In Ländern wie Dänemark und den Niederlanden nutzen bereits um die 60 Prozent der Befragten diese Technologien erfolgreich zum Dialog mit den Patient*innen.

Digitalisierung verspricht Milliarden-Entlastung

Einen weiteren Effekt der Digitalisierung des Gesundheitswesens stellten die Health-Expert*innen von McKinsey in einer Pressemitteilung im Mai 2022 in Aussicht: Der Einsatz digitaler Technologien gebe dem deutschen System eine „42-Milliarden- Euro-Chance“ – und zwar jährlich. „Durch den Einsatz digitaler Technologien können Versorgungsqualität und Kosteneffizienz erhöht und gleichzeitig Behandlung und Betreuung von Patienten sowie die Arbeitssituation des Personals im Gesundheitswesen verbessert werden“, heißt es in der Zusammenfassung der Analyse. Beziffert haben die Expert*innen das Effizienzpotenzial in sechs konkreten Bereichen:

  1. Online-Interaktionen, z. B. durch Tele-Konsultation oder Fernüberwachung chronisch Erkrankter: 12,0 Mrd. Euro.
  2. Umstellung auf papierlose Datenverarbeitung (elektronische Patientenakte und eRezept): 9,9 Mrd. Euro.
  3. Automatisierung von Arbeitsabläufen, z. B. durch mobile Vernetzung oder auf Barcodes basierte Medikamentierung: 6,7 Mrd. Euro.
  4. Datentransparenz, die Entscheidungen erleichtert, z. B. durch den Einsatz von Software, um Doppeluntersuchungen von Patienten zu vermeiden: 6,4 Mrd. Euro.
  5. Patientenselbstbehandlung, z. B. durch Gesundheits- Apps oder digitale Diagnosetools: 4,6 Mrd. Euro.
  6. Patienten-Self-Service, z. B. mit Onlineportalen zur Terminvereinbarung: 2,5 Mrd. Euro.

Beim Blick auf diese sechs Punkte und die Einsparungssummen, die dahinterstecken, wird klar, welchen Weg das transformierte deutsche Gesundheitswesen gehen muss: Im Zuge der Digitalisierung wird das System auf Services, Methoden und Techniken setzen, die in anderen Branchen längst zum digitalen Alltag gehören. Ärzt*innen stehen nun gemeinsam mit IT-Entwicklern und Gesundheitsmanagern vor der Aufgabe, diese Transformation im medizinischen Bereich so zu gestalten, dass die Effizienzversprechen eingelöst werden, dies aber nicht auf Kosten der Sicherheit und medizinischen Qualität geschieht. Natürlich herrschen im Gesundheitssystem gesonderte Bedingungen, zum Beispiel mit Blick auf den Datenschutz oder die Verantwortung der Mediziner*innen. Hier eine Balance zu finden, ist eine spannende Herausforderung, vor der heute und in naher Zukunft die junge Generation an Mediziner*innen steht – eine Generation, die ganz selbstverständlich ihr digitales Mindset in den Beruf einbringt. Sodass eher nicht zu befürchten ist, dass junge Ärzt*innen weiter wert

Künstliche Intelligenz und Virtual Reality

Der Umsetzungsgrad der Technologien KI und VR ist im Gesundheitsbereich bislang nur vereinzelt zu finden. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von medizinischem Personal im Rahmen der Deloitte-Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare“. Im deutschen Gesundheitswesen gaben 7 Prozent der Teilnehmenden an, KI-Systeme zu nutzen. Bei Virtual-Reality-Anwendungen liegt die Zahl mit 4 Prozent noch niedriger. „Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten“, heißt es in der Studienzusammenfassung von Deloitte.

Lebensretter Jens Kleinefeld im Interview

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Jens Kleinefeld ist Facharzt für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin. Nach vielen Jahren in der Notfallmedizin fokussiert er sich seit 2010 auf Einsätze im Sportbereich: Für Verbände macht er die Dopingkontrollen – auch bei der WM in Katar wird er im Einsatz sein. Und bei Großveranstaltungen ist er als Medical Officer im Notfall für den Rettungseinsatz verantwortlich. Zu einem solchen kam es bei der Fußball- EM 2021: Der dänische Spieler Christian Eriksen kollabierte nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand, Jens Kleinefeld rettete ihm das Leben, vor den Augen von Millionen Zuschauern. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Jens Kleinefeld (geboren 1963 in Düsseldorf) ist Facharzt für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin. Bis 2010 war er ärztlicher Leiter im Rettungsdienst der Stadt Solingen, Ausbilder und Prüfer an der staatlichen Rettungsassistentenschule sowie leitender Notarzt der Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er als Doping Control Officer (DCO) und Medical Officer für verschiedenste nationale und internationale Sportverbände aktiv. Als DCO verfügt er über den weltweit höchsten Erfahrungsschatz bei Dopingkontrollen im Fußballsport und wurde 2014 für diese Tätigkeit geehrt. Als Medical Officer war er an der Organisation der Medizinischen Versorgung diverser internationaler sportlicher Großveranstaltungen beteiligt. Als Mitglied der Anti Doping Expert Group eines großen internationalen Sportverbandes arbeitet er an der Weiterentwicklung und Verbesserung der Dopingkontrollsysteme.

Herr Kleinefeld, wie sind Sie als Mediziner in den Bereich des Sports gekommen?
Ich war selbst im Schwimmsport aktiv und habe eines Tages die Anfrage bekommen, ob ich beim Deutschen Schwimmverband bei den Dopingkontrollen mitarbeiten wolle. Das habe ich gemacht, später auch für den Kanuverband. Anfang der 1990er-Jahre sprach mich dann der Deutsche Fußball-Bund an, ob ich mir diese Arbeit auch im deutschen Profifußball vorstellen könne. Es gab damals noch nicht viele Mediziner beim DFB, das Doping-Kontrollsystem stand noch am Anfang, sodass ich dank meiner Erfahrungen recht schnell zum Leading-DCO wurde, also zum führenden Doping-Kontrolleur beim DFB. Über ein Engagement bei der UEFA hat mich dann nach der WM in Deutschland 2006 die FIFA angeheuert, seitdem führe ich die Doping-Kontrollen auch bei internationalen Länderspielen im Auftrag des Weltverbands durch, mittlerweile als freier Dienstleister der Nationalen Anti-Doping- Agentur NADA.

Als Sie diese Karriere starteten, kam das Thema Doping gerade frisch auf die Agenda.
Das stimmt, in den Fokus rückte es insbesondere nach der Wiedervereinigung, als die früher getrennten deutschen Teams aus Ost und West erstmals gemeinsam auftraten und die Doping-Vergangenheit in der DDR in aller Munde war. Gerade im Schwimmsport war das eine interessante Zeit.

Hat man Sie damals als Störenfried betrachtet?
Man muss halt schauen, wie man auftritt. Wenn man den Athleten vermittelt, dass man die Sportart sauber halten will und die Dopingkontrollen zu deren medizinischem Schutz durchführt, reagieren die allermeisten mit Akzeptanz.

Ich stelle mir vor, dass es in der ersten Zeit noch recht einfach war, Dopingsünder zu überführen. Ist es mittlerweile wie bei der Geschichte vom Hase und dem Igel: Immer, wenn sie einen Weg gefunden haben, Substanzen zu identifzieren, sind die Doper schon einen Schritt weiter?
Solche Verschleierungstaktiken gab es immer schon. Unsere Aufgabe ist es, immer bessere Nachweismethoden zu entwickeln, wobei gerade das Labor an der Sporthochschule Köln führend war, zum Beispiel beim Nachweis von EPO, das das Wachstum von roten Blutkörperchen steigert, im Radsport. Generell glaube ich, dass wir in den Laboren den Dopingsündern mehr auf den Fersen sind, als es früher der Fall war. Wobei sich die Kontrollen an sich nicht geändert haben, es werden auch weiterhin Urinproben genommen, und natürlich muss man aufpassen, dass bei diesem Prozess nicht betrogen wird.

Es ist also detektivischer Spürsinn gefragt.
Genau, man muss genau hingucken, muss beobachten – und hat durchaus das Recht, bestimmte Athleten, bei denen es Auffälligkeiten gibt, auch dann zu kontrollieren, wenn sie nicht dafür ausgelost wurden.

Welche Skills sind darüber hinaus für diesen Job wichtig?
Man sollte schon an Sport interessiert sein, zudem sollte man sich in den Sportarten, bei denen man im Einsatz ist, auskennen, weil es immer Besonderheiten gibt. Es kommt darauf an, den besten Zeitpunkt für die Kontrollen zu erwischen, denn wir wollen sie ja mit unserer Arbeit nicht aus dem Rhythmus bringen.

Manche meinen, Doping sei kein Betrug, wenn alle dopen. Stimmt das?
Nein. Doping ist Betrug. Mehr noch: Doping hat weitreichende Folgen, die weit darüber hinaus gehen, dass ein Athlet dadurch leistungsstärker wird. Das ist ein Thema, das bis in den Kinderund Jugendschutz geht. Junge Menschen beginnen früh damit, sich für den Leistungssport bereit zu machen. Wann also gibt man diesen Mädchen und Jungen zum ersten Mal verbotene leistungssteigernde Substanzen? Mittel, die ja auch deshalb verboten sind, weil sie schädigende Auswirkungen auf den Organismus haben. Man kann Doping daher nicht legalisieren. Im Schwimmsport war es der Fall, dass 14, 15 Jahre alte Mädchen Mittel bekommen hatten, ohne selbst zu wissen, was sie da leichtgläubig nehmen. Die Athletinnen und auch ihre Eltern dachten, es handele sich um Vitamine, dabei waren es anabole Steroide, die gerade in der Pubertät fatale Nebenwirkungen haben können.

Nun sind Sie neben Ihrer Tätigkeit als Dopingkontrolleur auch als Notfallmediziner beim Fußball tätig, und da kam es im Sommer 2021 zu einem dieser „Weißt du noch, wo du warst, als …?“-Momenten: Drittes Spiel der Europameisterschaft, Dänemark gegen Finnland, in Minute 43 bricht der dänische Spieler Christian Eriksen ohne Fremdeinwirkung zusammen: Herzstillstand. Sie waren der Arzt, der ihm mit Thoraxkompressionen sowie einer Defibrillation das Leben gerettet hat. Rein medizinisch kein besonderer Einsatz, oder?
Genau, das war für einen erfahrenen Notfallmediziner wie mich Rettungsroutine.

Eine der Eigenschaften eines Rettungsarztes muss sein: Je kritischer eine Situation ist desto ruhiger muss man sein. Denn die eigene Nervosität würde sich übertragen, was nicht passieren darf.

Nur, dass in diesem Fall fast 40 000 Menschen im Stadion dabei waren und Millionen vor dem Fernseher.
Das muss man unbedingt ausklammern. Eine der Eigenschaften eines Rettungsarztes muss sein: Je kritischer eine Situation ist desto ruhiger muss man sein. Denn die eigene Nervosität würde sich übertragen, was nicht passieren darf. In diesem Fall war ich der Leader einer Reanimation, und natürlich muss man wie in allen Führungspositionen kühlen Kopf bewahren, klare Anweisungen geben und sich nicht von den äußeren Umständen beeinflussen lassen. Mir ist dieses Ausblenden im Fall Eriksen gut gelungen, ich war auf den Notfall fokussiert, hatte die Zuschauer im Stadion oder vor den Bildschirmen nicht auf dem Schirm, sondern habe einfach das getan, was ich kann, was ich gelernt habe. Dafür gibt es kein Coaching, das ist einfach Berufserfahrung.

Und die Rettung hat funktioniert.
Ja, aber das hat mich nicht überrascht, weil ich schon auf dem Weg zum ihm wusste, dass die Geschichte gut ausgehen wird, dass er überlebt. Was wir hier hatten, war ein beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand als Folge eines Rhythmusereignisses. Beobachtet heißt, dass ich quasi direkt bei ihm war, nachdem es passierte. Die Überlebenschancen sind in diesem Fall recht hoch, und natürlich war es ein schönes Ereignis, als er aufwachte …

… und sinngemäß sagte: „Ich bin doch erst 29 Jahre alt.“ Er wusste also, was ihm da passiert war.
Ja, und diese reflektierte Aussage zeigte mir direkt, dass er keine Hirnschäden davongetragen hatte, was wunderbar war. Denn darum geht es bei der Reanimation ja auch: neurologische Schäden zu vermeiden.

Es ist wichtig, die Menschen weiter aufzuklären, dass bereits eine recht simple Herzdruckmassage die Überlebenschancen deutlich erhöht – und dass man dabei gar nicht viel verkehrt machen kann.

Nun passieren die meisten Herz-Kreislauf- Stillstände nicht in Gegenwart eines Arztes.
Das stimmt, bei Notfällen, die ohne ärztliche Beobachtung passieren, vergehen mehre Minuten – wobei in dieser Zeit nur in seltenen Fällen jemand mit den ersten Maßnahmen zur Reanimation beginnt. Viele Leute haben Angst, etwas falsch zu machen. Wobei es der größte Fehler ist, überhaupt nichts zu machen. Daher ist es wichtig, die Menschen weiter aufzuklären, dass bereits eine recht simple Herzdruckmassage die Überlebenschancen deutlich erhöht – und dass man dabei gar nicht viel verkehrt machen kann. Genauso wichtig ist es, möglichst bei allen größeren Sportveranstaltungen Defibrillatoren sowie Leute, die diese Geräte auch bedienen können, zu haben.

Plädieren Sie für eine Aufklärung darüber, was im Notfall zu tun ist?
Absolut, wobei wir erkennen, dass gerade nach einem Ereignis wie dem Zusammenbruch von Eriksen das Interesse seitens der Sportvereine steigt: Immer mehr Clubs, auch aus dem Amateurbereich, kommen zu uns, um sich schulen zu lassen, mittlerweile sind diese Schulungen sogar verpflichtend. Oft muss halt was passieren, bevor es zum Umdenken kommt. Das war bei mir nicht anders, ich habe mich für die Tätigkeit als Medical Officer beim Fußball zu interessieren begonnen, nachdem Mitte der 2000er-Jahre die zwei jungen Spieler Marc-Vivien Foé und Miklós Fehér einen plötzlichen Herztod erlitten, weil man ihnen auf dem Platz nicht schnell und effektiv genug helfen konnte. Mir war klar: Diese Todesfälle sind vermeidbar, also tun wir alles dafür.

Zum Unternehmen

Jens Kleinefeld ist einer von zwei Geschäftsführern der Agentur Sports Medical Services (sms), einem Dienstleister im Dopingkontrollwesen für Sportverbände und Nationale Antidoping Agenturen. Auch engagiert sich das Unternehmen in der Dopingprävention, um bei Trainern und Athleten das Wissen zu vermitteln, dass Doping nicht nur Betrug ist, sondern dem eigenen Organismus schadet. Ein drittes Geschäftsfeld ist das Notfalltraining bei Sportereignissen. Geschult werden Ärzte, Physiotherapeuten und Trainer von Leistungssportlern, um vor Ort schnell und effektiv Notfälle zu erkennen und zu behandeln sowie den Beteiligten die Angst vor Notfallsituationen zu nehmen.