Flexibel, engagiert, spontan

Im Januar 2011 stand für mich fest, dass ich nach meinem Bachelor einen Master absolvieren und anschließend promovieren wollte. Den Graduate Management Admission Test (GMAT) hatte ich schon hinter mir, und meine Master-Bewerbungen hatte ich bereits verschickt. Doch dann kam alles ganz anders als geplant. Von Charlotte Pallua, Consulting Analyst bei Roland Berger Strategy Consultants

Ich bin 21 Jahre alt und habe einen Bachelor of International Economics and Management an der Bocconi University in Italien und am Dartmouth College in New Hampshire in den Vereinigten Staaten von Amerika erworben. Eines meiner Praktika habe ich bei der internationalen Strategieberatung Roland Berger im Competence Center Consumer Goods & Retail absolviert. Dabei sollte ich die Berater während eines Projekts bei einem führenden Getränkehersteller in Prag unterstützen. Schon an meinem ersten Arbeitstag flog ich zu dem Kunden, ohne zu wissen, was mich genau erwartete. Obwohl ich bereits ein Praktikum bei einer anderen großen Unternehmensberatung absolviert hatte, war vieles für mich komplett neu und die Eingewöhnungsphase kurz. Es ging direkt los: Von Anfang an durfte ich interessante Aufgaben übernehmen, wie die Durchführung von Interviews, aber auch an Workshops teilnehmen, und war in das Projektteam integriert. Hochspannend fand ich den Projektalltag: ab Montagmorgen beim Kunden sein und am Donnerstagabend zurückfliegen, um am Freitag mit anderen Kollegen im Büro zu arbeiten und sich über die Erfahrungen der Woche auszutauschen. Auf der anderen Seite wollte ich aber das Studentenleben noch nicht aufgeben, denn ich habe meine Freiheiten und flexiblen Lernstunden sehr genossen. Umso schwerer fiel mir die Entscheidung, als ich einen Master-Platz an der Ecole des Hautes Etudes Commerciales (HEC) in Paris und zeitgleich ein Angebot von Roland Berger für den Festeinstieg nach dem Bachelor erhielt. Doch zum Glück musste ich mich gar nicht entscheiden, denn das Angebot, als Consulting Analyst zu arbeiten, sicherte mir die Freistellung sowie die finanzielle Unterstützung für das Masterstudium zu. So kann ich mein Studium an der HEC einfach ein Jahr später beginnen. Mittlerweile arbeite ich seit über einem halben Jahr bei Roland Berger und bin mit meiner Wahl sehr zufrieden. Auch mein erstes Projekt nach dem Festeinstieg war sehr aufregend, denn ich durfte eine Initiative der deutschen Luxusindustrie unterstützen – eine Branche, die ich schon während meiner Studienzeit in Mailand näher kennengelernt hatte. Meine Entscheidung, meinen ursprünglichen Studienplan umzustellen, war daher optimal, denn die Arbeit hier macht mir großen Spaß. Einerseits sind die Anforderungen sicherlich hoch: Flexibilität, Engagement, und Spontanität werden von mir erwartet. Andererseits lerne ich jeden Tag viel Neues dazu, werde stark gefördert und arbeite an immer neuen Projekten im Team mit spannenden Menschen zusammen.

Steile Lernkurve

Die Wahl des Berufseinstiegs und des ersten Arbeitgebers sind wichtige Entscheidungen, denn sie stellen die Weichen für den weiteren Karriereweg. Kaum eine Branche ist dynamischer, vielseitiger und bietet engagierten Akademikern steilere Lernkurven als die Topmanagement-Beratung. Von Dr. Thomas Fritz, Director Recruiting bei McKinsey & Company

Den meisten Wirtschaftswissenschaftlern ist McKinsey bereits ein Begriff, und viele haben sich bereits mit der Berufsoption Unternehmensberatung auseinandergesetzt. Bei den anderen Studienrichtungen ist das weniger der Fall. Gerade Naturwissenschaftler, Ingenieure, Juristen oder Geisteswissenschaftler wissen oft sehr wenig über den Beraterberuf, obwohl er für viele eine interessante Perspektive darstellen könnte. Unsere Berater arbeiten gemeinsam mit unseren Klienten daran, komplexe Probleme zu lösen, Konzepte zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Das Spektrum reicht von Unternehmensstrategien über Prozessverbesserungen im Unternehmen bis hin zum Umgang mit dem Klimawandel. In allen Projekten können unsere Berater zeigen, was es heißt, immer auf der Suche nach neuem Wissen und neuen Möglichkeiten zu sein und Ideen auch gegen Widerstände umzusetzen. Als Berater muss man oft in neuen Ansätzen denken und Lösungen erarbeiten, die nicht direkt auf der Hand liegen. Das gelingt vielseitig interessierten Menschen mit außergewöhnlichen Werdegängen oft besser. Bewerber sollten also gezeigt haben, dass sie sich engagieren und Spitzenleistungen erbringen können, sowohl in der Uni, aber vor allem auch über das Studium hinaus – ob im sozialen, musikalischen oder sportlichen Bereich. Ein spezieller Notendurchschnitt ist nicht Voraussetzung, um sich bei uns zu bewerben. In der Regel gehören unsere Mitarbeiter aber zu den Jahrgangsbesten führender Universitäten und Business Schools. Auch die Fachrichtung spielt keine Rolle. Wir raten immer dazu, mit möglichst vielen Beratern über den Berufsalltag zu sprechen oder ihn im Rahmen eines Praktikums selbst zu erleben. Unser neues Praktikumsprogramm GapYear beispielsweise, das wir dieses Jahr gemeinsam mit der Allianz, Bertelsmann und Henkel gestartet haben, gibt Bachelor-Absolventen den Freiraum, vor dem Master nicht nur vielfältige Praxiserfahrung in verschiedenen Unternehmen zu sammeln, sondern auch ein ganz persönliches Projekt zu realisieren. Viele unserer Praktikanten kommen nach Ende des Studiums als Berater zurück. Eine Kollegin beispielsweise hat im Praktikum an dem Pro-bono-Projekt „MittelstandPlus“ mitgearbeitet, einer Initiative, die kostenlos hoch qualifizierte Experten als Bei- und Aufsichtsräte vermittelt. Danach stieg sie als feste Beraterin ein. Sie berät nun hauptsächlich Klienten aus der Konsumgüterindustrie zu Marketingthemen.

Der Weg zur klaren Aussage

Case Studies sind Fallbeispiele im Bewerbungsgespräch. Dabei werden dem Bewerber ein oder mehrere fach- und berufsbezogene Fälle vorgelegt, die er innerhalb einer knapp bemessenen Zeitspanne lösen soll. Von Markus Gerds, Principal Energy & Utilities, Capgemini Consulting

Wie in einem Rollenspiel sitze ich als Personaler vor Ihnen, und Sie sollen die Fragen aller Fragen beantworten, mit Ja oder Nein. Und wenn das nicht möglich ist, erklären Sie mir bitte Ihre Lösungsansätze dazu. Das ist Ziel und gleichzeitig das Geheimnis einer Case Study: der Weg zu einer klaren Aussage. Denn mit Hilfe dieser Methode sollen Struktur, Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Konsistenz, Rhetorik und Transferleistung des Kandidaten in einer ersten Arbeitsprobe getestet werden. Ein Beispiel: „Sie sind privater Investor. Ihr frei verfügbares Vermögen beträgt eine Million Euro. Ihnen wird die Autobahn München–Stuttgart für genau eine Million Euro zum Kauf angeboten. Kaufen Sie?“ Gefragt ist hier Ihr Weg zur Lösung, nicht Ihre Lösung! Würden Sie im ersten Schritt zum Beispiel auch eine vollständige Liste aller denkbaren konzeptionellen Ansätze erstellen, zum Beispiel Cash Flow versus Bilanz? Und wenn ja, warum? Wenn Sie diese Fragen beantworten können, demonstrieren Sie, dass Sie den Kern des Problems erfasst haben und in der Lage sind zu abstrahieren. Sie zeigen, dass Sie Abstraktion als Basis für Transferleistung nutzen, das heißt, Anwendung von theoretischem Wissen auf ein Problem aus der Praxis. Dies ist aus der Sicht eines Personalers ein guter Start in die Lösung einer Case Study. So gerüstet können Sie die Case Study entweder in die Breite, zu einer Diskussion der verschiedenen konzeptionellen Ansätze, oder in die Tiefe, also die Entwicklung einer Lösung zur Berechnung des Cash Flows, entwickeln. Sie bieten Ihrem Gesprächspartner damit die Möglichkeit zu wählen, und das zeigt, dass Sie ein komplexes Thema leicht verständlich darstellen können. Oder Sie schlagen vor, wie es weitergehen soll, und zeigen damit, dass Sie ein Gespräch führen und den Gesprächspartner steuern können. Im weiteren Verlauf der Fallstudie kommen Sie bei der Lösung der Case Study noch an mindestens zwei möglichen Stoppschildern vorbei: Rechnen und Annahmen. Bereiten Sie sich darauf vor, dass beides von Ihnen verlangt werden kann. Da Ziel und Struktur von Case Studies meist sehr ähnlich sind, können Sie sich mithilfe des Internets gut vorbereiten. Das unterstützt Sie dabei, einen guten Start in die Lösung zu finden. Ja oder Nein – eine Case Study soll auch Ihnen helfen zu entscheiden, ob Sie den für Sie richtigen Arbeitgeber gefunden haben.

Interview mit Dr. Frank Wierlemann

Frank Wierlemann, 47 Jahre, ist Gründer und Vorstand der Unternehmensberatung Inverto, die ihr Consulting-Geschäft auf die Themen Einkauf und Supply Chain fokussiert. Im Interview verrät er, was einen guten Berater in diesem Bereich auszeichnet und warum man als erfolgreicher Consulting-Experte mit diesem Schwerpunkt das Beste aus zwei Welten vereinen muss. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Dr. Frank Wierlemann, geboren am 13.10.1964 in Köln, schloss als promovierter Diplom-Kaufmann sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Köln und Wuppertal ab. Anschließend war er Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens und wechselte als Manager zu einer internationalen Unternehmensberatung. In einem Handelskonzern übernahm er zunächst eine Position im Inhouse-Consulting, bevor er nach einem erfolgreichen Projekt zum Thema Einkauf und Supply Chain dort zum Einkaufsleiter aufstieg. Seine Erfahrungen als Unternehmensberater und im Einkauf kombinierte er im Juli 2000, als er zusammen mit zwei Partnern die Unternehmensberatung Inverto gründete. Dort ist Frank Wierlemann als Partner und Vorstand Spezialist für die Bereiche Handel, Konsumgüter und Pharmaindustrie. Er berät mittelständische Unternehmen und Konzerne in allen Fragen des Sourcing und Supply-Management.
Herr Wierlemann, auf Ihrer Homepage heißt es „Berater gibt es viele“. Was zeichnet denn unter den vielen einen wirklich guten Berater aus? Ein guter Berater, wie wir ihn verstehen und für unser Unternehmen suchen, besitzt einerseits ein gutes Konzept, hat aber andererseits immer schon die Umsetzung im Blick. Das beste Konzept ist nämlich wertlos, wenn es am Ende an der Machbarkeit scheitert. Worauf kommt es an, wenn man bei der Beratung immer auch konsequent an die Umsetzung denken möchte? Es geht nicht darum, standardisierte Konzepte und Lösungen anzubieten. Der Berater muss sich stattdessen auf einzelne Kundensituationen einlassen. Grundlage dafür ist eine Expertise, die bei uns zweigeteilt ist: Zum einen benötigt ein guter Berater natürlich eine Methodenkompetenz. Für die Beratung im Einkauf ist jedoch besonders wichtig, dass er auch eine Fachkompetenz zum jeweiligen Thema entwickelt. Können Sie an einem Beispiel verdeutlichen, warum das so ist? Nehmen wir einen Kunden, der Beratung für seinen Rohstoffeinkauf sucht, weil er in diesem Bereich wirklich etwas verbessern möchte. Als Berater kann man ihm nur dann helfen, wenn man die Thematik wirklich durchdrungen hat. Wenn man die Besonderheiten der Rohstoffmärkte kennt – und zwar, wenn nötig, auch im Detail. Müssen Einsteiger dieses Wissen direkt im ersten Kundengespräch parat haben? Wir verlangen von einem Einsteiger nicht, dass er von Beginn an zum Beispiel alle Facetten des Einkaufs von Orangensaftkonzentrat kennt. Einen guten Berater zeichnet jedoch aus, dass er sich schneller als andere in solche Themen einarbeiten kann. Diese Neugierde ist wichtig. Denn nur so gelingt es ihm, den Kunden schließlich nicht nur konzeptionell, sondern auch auf inhaltlicher Ebene zu überzeugen. Gibt es Themen, in die Sie sich selber trotz Ihrer Erfahrung erst einarbeiten müssen, bevor Sie in die Beratung gehen? Auf jeden Fall. Alleine schon deshalb, weil unser Beratungsgeschäft in den vergangenen Jahren wesentlich anspruchsvoller geworden ist. Überspitzt gesagt: Vor zehn Jahren waren viele Kunden schon zufrieden, wenn man ihnen in Aussicht stellte, bestimmtes Büromaterial wie eine Tonerkartusche günstiger als bisher einzukaufen. Wenn ich heute einen Großbäcker berate, wie es ihm gelingen kann, seinen Einkauf von hochwertigem Weizenmehl zu optimieren, sind wesentlich größere Marktkenntnisse gefragt. Beinahe alle Themen, an denen wir arbeiten, sind komplexer geworden. Welche Rolle spielt bei Ihren Kunden eine nachhaltige Einkaufspolitik? Gibt es einen Trend zum „grünen Einkauf“? Oder sind die Unternehmen ausschließlich auf der Suche nach Einsparungspotenzial? Es gibt heute eigentlich keinen Kunden mehr, der einen niedrigen Preis als allein glücklich machenden Faktor betrachtet. Der Kunde möchte eine transparente Wertschöpfung. Er möchte wissen, wo die Waren herkommen, wie sie verarbeitet wurden. Auch trifft der Kunde verstärkt nachhaltige Lieferantenentscheidungen. Er schaut nicht mehr darauf, wer ihn jeweils am schnellsten und günstigsten beliefern kann, sondern achtet auf ein möglichst langfristiges Vertrauensverhältnis. Um diesen Kunden beraten zu können, müssen wir also auch die möglichen Lieferanten kennen. Wir müssen wissen, wie diese aufgestellt sind, wie ihre Maschinenparks bestückt sind, welche Zertifizierungen sie besitzen und so weiter. Klingt nach einer Fleißarbeit. Beim Thema Einkauf muss man tatsächlich sehr viel Detailarbeit leisten. Erfolgreich ist nur der Berater, der wirklich neugierig jeden kleinen Stein in der Liefer- und Einkaufskette umdreht. Die strategische Unternehmensberatung gehört weiterhin zur Königsklasse des Consultings. Mit welchem Argument überzeugen Sie ein Beratertalent, dass das Consulting im Einkauf mindestens genauso spannende Karrieren bietet? Ich habe selber einige Jahre lang in einer klassischen Unternehmensberatung gearbeitet. Dort lautete das Motto zwar auch „Beratung heißt Umsetzung“ – und doch wurden die meisten Projekte mit einer Vorstandspräsentation abgeschlossen, nach der man als Berater keinen blassen Schimmer hatte, ob es jemals zu einer Umsetzung kommen wird – oder ob das ganze Konzept einfach verpufft. Dieses schwarze Loch in der Beratung gibt es bei uns nicht. Unsere Umsetzungsquote liegt nahe bei 100 Prozent. Andersherum: Mit welcher Besonderheit im Lebenslauf kann ein Bewerber Sie überzeugen? In unserem Umfeld ist das Thema Sprache besonders wichtig. Einkauf ist ein internationales Thema. Mögliche Lieferanten kommen aus allen Ländern der Erde. Englisch ist für uns selbstverständlich, aber wer zum Beispiel Mandarin, Türkisch oder Spanisch spricht, besitzt damit wertvolle Zusatzqualifikationen. Sie sind nach Ihrem Einstieg bei einer Unternehmensberatung zunächst als Einkaufsleiter zu einem Handelskonzern gewechselt. Wie kam es damals zu Ihrer Entscheidung für eine Karriere mit dem Schwerpunkt Einkauf und Handel? Ich arbeitete in dem Konzern zunächst im Inhouse-Consulting. Ein Projekt drehte sich um das Thema Einkauf, und als dann nach einer Umstrukturierung ein Einkaufsleiter gesucht wurde, erinnerte man sich an meine Begeisterung für dieses Thema. Ich habe dann schnell erleben dürfen, wie weit man kommen kann, wenn man es versteht, ein gutes konzeptionelles Grundgerüst mit Pragmatismus zu kombinieren. Ein wenig überspitzt gesagt: Der klassische Berater ist der Theoretiker, der Einkäufer ist der Praktiker. Und wer als Berater im Einkauf Karriere machen möchte, sollte das Beste aus beiden Welten mitbringen.

Zum Unternehmen

Inverto ist eine Unternehmensberatung, die sich konsequent auf die Themen Einkauf und Supply Management ausrichtet. Das Unternehmen mit Sitz in Köln beschäftigt 120 Mitarbeiter und betreibt weltweit neun Büros, darunter auch Niederlassungen an international bedeutenden Handelsplätzen wie Shanghai, Hongkong und Mumbai. Das Unternehmen unterstützt seine Kunden dabei, die Organisation des Einkaufs neu auszurichten, Make-or- Buy-Entscheidungen zu treffen, Global- Sourcing-Prozesse umzusetzen, Preise und Konditionen zu optimieren und neue Lieferanten-Strategien sowie -prozesse zu erarbeiten. Zu den Kunden der stetig wachsenden Unternehmensberatung gehören marktführende Unternehmen aus dem Mittelstand, Industrie- und Handelskonzerne sowie große Private-Equity-Unternehmen.

Spezialisieren Sie sich erst später

Dr. Walter Jochmann ist Mitglied der Geschäftsführung von Kienbaum Consultants International sowie Vorsitzender der Geschäftsführung von Kienbaum Management Consultants. 1983 stieg er zunächst als Assistent des geschäftsführenden Gesellschafters Jochen Kienbaum ein, danach arbeitete er als Berater im Recruitment und in der Personalentwicklung. Seit 1998 führt er das strategische Geschäftsfeld Human Resource Management. Im Interview mit Christiane Siemann sprach er über die Vielseitigkeit des Beratungsfeldes.

Was macht den Job HR-Berater spannend? Auf der einen Seite arbeiten wir mit einem sehr spezialisierten Beratungsansatz. Die Beratung im Bereich Personalentwicklung, strategische Personalinstrumente oder Vergütung erfordert – ähnlich einer Wirtschaftsprüfung – ein tiefes Einsteigen in die Organisation und Kultur eines Unternehmens. Auf der anderen Seite ist es ein menschenorientiertes Thema, das auch konzeptionell betrieben werden muss. Wie kann ein Unternehmen Transparenz über seine Nachwuchskräfte erhalten? Wie muss sich ein Arbeitgeber planerisch und im Recruiting aufstellen, um 2018 eine bestimmte Prozentzahl Managementpositionen mit Frauen oder internationalen Mitarbeitern zu besetzen? Allen Konzepten ist gemeinsam, dass sie immer die technologische Umsetzung umfassen, in der Regel international sind und um Akzeptanz der Mitarbeiter geworben werden muss. Kann ein Berufseinsteiger beispielsweise direkt den Weg als Coach oder Talent Manager anpeilen? Da die universitäre Ausbildung bis auf einige wenige Ausnahmen nicht auf den Beruf HR-Consultant vorbereitet, sind Absolventen gut beraten, sich nicht auf bestimmte Bereiche festzulegen. Die ganze Breite und Tiefe der unterschiedlichen HR-Aufgaben ist den meisten nicht bekannt. Es macht mehr Sinn, erst nach zwei bis vier Jahren zu entscheiden, ob sie sich im Bereich Talent Management, Diagnostik, Vergütung oder HR-Strategie spezialisieren wollen. Junior-HR-Berater ohne längere Erfahrung in der freien Wirtschaft – stößt das auf Akzeptanz beim Kunden? Wir müssen zwischen konzeptionellen und umsetzungsorientierten Beratern unterscheiden. Berufseinsteiger, die konzeptionell im Team arbeiten, treten beim Kunden eher als Zuhörer in Erscheinung. Wer im realisierenden Geschäft arbeitet, also im Training, Coaching oder bei Audits, wie Assessment Centern oder Beurteilungen von Mitarbeitern, der muss persönlich Flagge zeigen. Um als Beraterpersönlichkeit akzeptiert zu werden, brauchen Sie in der Regel längere Berufserfahrung als HR-Consultant.

Unternehmerische Denke und psychologisches Talent

Die meisten Berufseinsteiger wissen, dass sich Consultingfirmen durch ihre Beratungsfelder unterscheiden: IT-, Strategie- und Organisationsberatung. Den vierten Bereich, die Human-Resource-Beratung (HR), haben nicht alle auf dem Plan. Dabei sind die Berufsaussichten in der Personalmanagement-Beratung gut. Von Christiane Siemann

Über das Berufsfeld HR-Beratung zu sprechen, verlangt zunächst, zwei Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Das erste Missverständnis: Auch wenn HR-Consulting wörtlich übersetzt Personalberatung heißt, sind HR-Consultants keine Personalberater. Denn unter Personalberatung wird die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften verstanden, auch als Headhunting und Executive Search bekannt. HR-Berater beschäftigen sich dagegen mit Personal als Produktionsfaktor, mit personalwirtschaftlichen Funktionen und Prozessen wie Personalplanung, -einsatz, -führung, -entwicklung, -vergütung und -verwaltung. Deshalb bevorzugen sie die Bezeichnung Human-Resource-Management- Berater. Das zweite Missverständnis: Beim Stichwort Personal ziehen manche die Schlussfolgerung, es würde sich vor allem um eine psychologisch orientierte Beratung handeln, da der Mensch im Mittelpunkt steht. Zu diesem Irrtum trägt auch bei, dass sich derjenige, der beispielweise Mitarbeitern beim Klettertraining Teamfähigkeit vermittelt oder Verkaufsberater schult, auch HRBerater nennen darf. „Doch die Personal- Managementberatung beschäftigt sich mit den Prozessen, Strategien und Maßnahmen rund um die Personalwirtschaft, die zur erfolgreichen Umsetzung der Unternehmensziele notwendig sind“, stellt Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin der Human Capital-Beratung bei Mercer in Deutschland, Österreich und der Schweiz, richtig. „Nicht vordergründig das psychologische, sondern ein ganzheitliches analytisches, unternehmerisches, geschäfts- und ergebnisbezogenes Denken bestimmt die Arbeit.“ Die Personalarbeit in Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert: Wurden früher Mitarbeiter nur über die Lohn- und Gehaltsabrechnung verwaltet, wird heute die Personalabteilung an den Wertschöpfungsbeiträgen und Ergebnissen gemessen, die den Unternehmenserfolg sichern. Die Beratungsfelder der Consultants entsprechen den vielfältigen Tätigkeitsfeldern der Personalabteilung. Zusätzlich unterstützen HR-Consultants auch bei Mergers & Acquisitions oder der strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens. Spannend klingende Aufgaben wie Talent Management, Social-Media-Recruiting oder Leadership-Development locken Berufseinsteiger in die Branche. Doch wer eine fundierte Ausbildung als HR-Consultant anstrebt, sollte sich den Arbeitgeber gut aussuchen. Viele Hundert Anbieter nennen sich HR-Berater und bearbeiten nur einzelne Segmente wie Verkaufstraining, Führungskonzepte oder Recruiting. Die Gesamtpalette der HR-Managementprozesse kann ein Absolvent am besten in einer breit aufgestellten, größeren Beratung kennenlernen. Dabei führt der Weg zum HR-Managementberater selten über ein Fachstudium, denn nur wenige Universitäten bieten einen grundständigen Studiengang Personalwesen an. Häufig bringen Einsteiger ein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Personal mit oder ein Wirtschaftspsychologiestudium. Julia Krieger, Executive Consultant Group Recruitment, Kienbaum Gruppe: „Auch Geistes- oder Naturwissenschaftler können sich bewerben, doch wir setzen voraus, dass man Vorerfahrung mitbringt. Bewerber sollten sich im Studium mit HR-relevanten Themen beschäftigt, ein Praktikum in der Personalabteilung oder einer HR-nahen Beratung absolviert haben.“ Bachelor-Absolventen haben die Möglichkeit, nach dem Studium ein Praktikum zu absolvieren und dann den Direkteinstieg zu wählen. Ähnliches gilt bei der Promerit AG, die auf Talent Management mit den Schwerpunkten Strategieberatung, HR + IT und Personalberatung für HRFunktionen spezialisiert ist. „Wir achten darauf, dass Bewerber Leidenschaft mitbringen. Es reicht nicht aus, gerne mit Menschen zu tun zu haben‘. Es sollte ersichtlich werden, dass sie kaufmännisch denken können und sich nicht nur für Instrumente interessieren, sondern auch für Prozesse und die Umsetzbarkeit von Konzepten“, erläutert Promerit-Vorstand Markus Frosch. „Bei HR-Projekten geht es neben der Effektivität auch um Effizienz, die genauso wie im Bereich Finanzen gemanagt werden muss, und es geht um viele technische, strategische und konzeptionelle Komponenten.“ Wenn beispielsweise ein deutscher Konzern 15.000 Mitarbeiter weltweit auf Potenzial und Leistung beurteilen will, reiche es nicht aus, die Messkategorien und Kompetenzen intelligent zu definieren, sondern es müsse auch ein durchführbarer Prozess aufgesetzt werden. Berufseinsteiger arbeiten bei Promerit den verschiedenen Beratungssegmenten zu und entwickeln sich nach und nach in die Rolle des Unternehmensberaters hinein. Vorstand Markus Frosch: „Anders als im IT-Bereich dauert es in unserem Management-Consulting länger, bis Berufseinsteiger als anerkannte Berater vom Kunden wahrgenommen werden. Um auf Augenhöhe zu beraten, bedarf es eines fundierten Fachwissens und einschlägiger Praxiserfahrung.“ Die Aufgabenfelder angehender HRBerater ähneln denen ihrer Kollegen in anderen Unternehmensberatungen: Sie arbeiten Projekten zu, erheben Daten, bereiten Umfragen vor, erstellen Analysen und Präsentationen oder sind in Teilprojekte aktiv eingebunden. Bei Mercer Deutschland ist jedem Absolventen ein Mentor zugeordnet, in Projekten wird er von Senior Consultants betreut. „Die Spezialisierung auf ein bestimmtes Fachgebiet wie Vergütungsmanagement, HR-Strategie oder -Effektivität erfolgt erst nach zwei bis drei Jahren, wenn die theoretischen und methodischen Grundlagen des Human-Resource-Managements umfassend erlernt sind“, so Dr. Dagmar Wilbs. Während der klassische IT- oder Managementberater häufig direkt beim Kunden in Projekten arbeitet, die sich einige Monate hinziehen, ist der Arbeitsalltag von HR-Consultants mehr durch kürzere Einzelprojekte bestimmt, die oft nebeneinander laufen. Dabei sind Dienstreisen zum Kunden durchaus an der Tagesordnung. Auch wenn die HR-Beratung in erster Linie unternehmerisches Denken und nicht nur psychologisches Talent erfordert, so sollten Absolventen wissen, dass Sozialkompetenz extrem wichtig ist. „Der Beratungsinhalt zielt immer auf den Menschen. Empathie ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, um erfolgreich zu beraten. Sie ist besonders gefordert, weil HR-Berater häufig mit kritischen Themen wie beispielsweise Neustrukturierungen konfrontiert sind“, so Julia Krieger von Kienbaum. Karrierewege führen in der Regel über den Junior Consultant und Senior Consultant zum Projektleiter. Der Wechsel in die freie Wirtschaft ist durchaus üblich, je nach Vertiefungsgebiet beispielsweise als HR-Manager oder Personalentwickler. Gleiches trifft für Absolventen zu, die den Berufseinstieg in die Personalberatung – also die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften – wählen. Die klassische Personalberatungslaufbahn beginnt hauptsächlich mit dem Research, das heißt mit der Identifikation von Firmen und Personen. „Junge Personalberater entwickeln ein großes Wissen, denn sie beschäftigen sich parallel mit den unterschiedlichsten Branchen und Kunden und erstellen internationale Marktanalysen. Viele nutzen die Ausbildung als Sprungbrett in den Recruitment- Bereich in Personalabteilungen von Unternehmen“, berichtet Julia Krieger über die Tochtergesellschaft Kienbaum Executive Search. Die Karriereaussichten in der HRBeratung sind sehr gut, denn vor dem Hintergrund der älter werdenden Bevölkerung sind Mitarbeiter das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Deswegen investieren viele Arbeitgeber in ihre Personalarbeit, vor allem Großunternehmen und große Mittelständler, die grenzüberschreitend arbeiten. Für Berufseinsteiger bedeutet dies laut Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin der Human Capital-Beratung bei Mercer: „Sie müssen an multikultureller Arbeit interessiert sein und die Bereitschaft zur Mobilität mitbringen, da sie auch in internationalen Projekten arbeiten.“
Tätigkeitsfelder von PersonalberaternPositionen für Spezialisten sowie Fachund Führungskräfte besetzen Unternehmen häufig mit Unterstützung einer Personalberatung. Führungskräfte für Vorstands- und Geschäftsführungsposten, Marketing- und Vertriebsexperten, Ingenieure, Konstrukteure, IT-Leiter und Fachkräfte mit Spezialwissen vermitteln laut dem Bund Deutscher Unternehmensberater (BDU) die Personalberater am häufigsten. Zu ihren Aufgaben zählen die Analysen von Kandidatenprofil, Unternehmen, Markt und Wettbewerb. Sie identifizieren und selektieren mögliche Kandidaten, nehmen mit ihnen Kontakt auf und stellen sie den Auftraggebern vor. Insgesamt sind laut BDU rund 11.000 Mitarbeiter in der Personalberatungsbranche in Deutschland beschäftigt.

Interview mit Kassels OB Bertram Hilgen

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Bertram Hilgen ist seit Juli 2005 Kasseler Oberbürgermeister.Der SPD-Politiker absolvierte ein Studium der Rechts- und Politikwissenschaften in Marburg und startete seine Karriere als Referent des damaligen Kasseler Oberbürgermeisters Hans Eichel. Nachdem Eichel zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, folgte er ihm in die Landeshauptstadt Wiesbaden. 1996 kehrte Hilgen nach Kassel zurück, wo er das Amt des Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Kassel bekleidete.
Die Documenta gilt als die weltweit führende Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Kassel dagegen haftet unter Deutschlands Großstädten eher das Image einer grauen Maus an. Zu Unrecht? Sind Ihre Bürger in Wahrheit alle begeisterte Kunstfreaks? Gewiss nicht alle, aber der Stellenwert der Documenta ist uns natürlich bewusst und hat Kassels Selbstbild in den vergangenen 50 Jahren stark geprägt. Eine Kostprobe unseres Kunstverstands können Sie übrigens gerade bei dieser Documenta erleben. Um die Ausstellung auch einem breiteren Publikum zu vermitteln, präsentiert die künstlerische Leitung zum ersten Mal sogenannte „Worldly Companions“: Das sind rund 160 Kasseler, die nach intensiver Schulung Führungen aus der Sicht von Laien anbieten – vom Automechaniker bis zum Hochschulprofessor. Alle sind zwar an Kunst interessiert, aber nicht kunsthistorisch ausgebildet. Erschöpft sich damit der Lokalkolorit? Oder steckt in der Documenta noch mehr Kassel? Obwohl die Documenta von Mal zu Mal internationaler geworden ist, sind die Ausstellung und Kassel weniger denn je voneinander zu trennen. Schließlich entstehen ja viele Kunstwerke in der Stadt. Da liegt es auf der Hand, dass die Arbeiten den einen oder anderen Kasseler Einfluss nicht verhehlen können. Ein weiterer Punkt ist die Wechselwirkung der Exponate mit den verschiedenen Standorten – etwa mit dem Weinberg, dem Gloria-Kino aus den Fünfzigerjahren oder dem Ständehaus, das dieses Jahr zum ersten Mal Kunst beherbergen wird. So fließen die Eigentümlichkeiten Kassels immer in das Kunsterlebnis ein. Dennoch gab es immer wieder Friktionen in der Bevölkerung, wenn es um die Installation von Kunst im Kasseler Stadtbild ging – sei es Claes Oldenburgs riesige Spitzhacke am Ufer der Fulda oder der mit Messingstäben gefüllte „Vertikale Erdkilometer“ von Walter de Maria auf dem Friedrichsplatz … …oder auch Joseph Beuys’ berühmte 7000 Eichen, die er bei meiner ersten Documenta vor 30 Jahren pflanzte. Neben die Stämme rammte Beuys Basaltstelen in die Erde, die er zunächst mitten auf den Friedrichsplatz kippte. Die Aufregung über den riesigen Steinhaufen war enorm. Oder nehmen Sie die Reisterrassen, die ein thailändischer Künstler im Bergpark Wilhelmshöhe anlässlich der 12. Documenta anlegte. Auch diese Aktion blieb nicht ohne Widerspruch. Und doch ist offenkundig, dass die Gelassenheit der Kasseler in diesen Dingen stark gestiegen ist – selbst wenn die Kommunalpolitik hin und wieder das Kreuz gerade machen muss, um manche Projekte durchzusetzen. Aber wie gesagt: Der Stolz auf die Documenta überwiegt bei Weitem. Laut der diesjährigen künstlerischen Leiterin, Carolyn Christov-Bakargiev, soll die Ausstellung helfen, zu erkennen, was man zuvor bereits gesehen hat. Ist dies auch die Funktion der Kunst im öffentlichen Raum? Den Blick zu schärfen, ist bestimmt eine der wichtigsten Aufgaben, die der Kunst zukommen. Und da kann ich keinen Unterschied erkennen zwischen einer Kunst, die „unter Dach“ präsentiert wird, und solcher, die im öffentlichen Raum stattfindet. Negativ formuliert bedeutet dies, dass ein Kunstobjekt im Stadtbild nicht zu einer Art Stammmöblierung verkommen darf. Dass es nicht lediglich ein nettes Aperçu, eine bloße Ergänzung des bereits Vorhandenen ist, sondern Fragen aus Künstlersicht stellt und eigenen Interpretationen Raum lässt. Gibt es da außerhalb von Museumsmauern nicht gewisse Grenzen? Das mag sein, aber wo die liegen, muss immer im Einzelfall entschieden werden. Und da wir ja hier über die Documenta reden, möchte ich als deren Aufsichtsratsvorsitzender betonen, dass der künstlerischen Leitung bei der Einschätzung solcher Fragen eine Art diktatorische Freiheit zukommt. Auch was die Ausstellungsorte betrifft, die dieses Mal ganz besonders dezentral angelegt sind. Gerade das macht den Charakter jeder Documenta ja so einzigartig und spannend. Viel Diskurs – wenig Spektakel: So hätte es Carolyn Christov-Bakargiev gern während der Documenta. Wie steht es mit Ihnen? Beides liegt ja nah beieinander. Und was davon die Oberhand gewinnen und welche Richtung die Ausstellung überhaupt nehmen wird, ist immer völlig offen. Darum sind auch die Besucherzahlen kein wirkliches Kriterium für den Erfolg einer Documenta. Es geht vielmehr um das, was inhaltlich passiert, um die Diskussionen, die angestoßen werden. Die Documenta ist also ein dynamisches Gesamtkunstwerk? Wenn Sie so wollen, ja. Ein schönes Beispiel dafür ist die Installation „Template“ des chinesischen Künstlers Ai Weiwei während der vergangenen Documenta. Das war ein Turm aus dem Holz chinesischer Tempel, die zur Schaffung von Bauraum demontiert wurden. Da es fraglich war, ob diese Konstruktion einem Unwetter standhalten würde, mussten wir Abgrenzungen schaffen, um die Betrachter zu schützen. Und dann kam kurz nach der Eröffnung durch den Bundespräsidenten tatsächlich ein Sturm auf, der das Kunstwerk zum Einsturz brachte. Ai Weiwei entschied sich dafür, „Template“ nicht wieder aufzubauen, sondern als Ruine zu belassen. Die Sache war ein ungeplantes Spektakel, das weite mediale Kreise zog und für viele Diskussionen sorgte. Und so ist auch nicht vorhersehbar, was sich während der 100 Tage der 13. Documenta zutragen wird. Nicht zuletzt deswegen freue ich mich so sehr auf sie. Das Interview führte Wolf Alexander Hanisch.

Was macht eigentlich ein Aktuar, Herr Buse?

Der Beruf Aktuar ist den meisten Menschen unbekannt. Mit seiner ursprünglichen Bezeichnung, dem Schreiber im römischen Senat, hat der moderne Aktuar nichts mehr gemein. Heute versteckt sich hinter dieser Berufsbezeichnung ein Versicherungsmathematiker. Von Michael Buse

Michael Buse ist Aktuar bei der Gothaer Versicherung
„Wir rechnen mit der Zukunft“, so lautet das offizielle Motto der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Das bedeutet: Ein Aktuar erstellt mathematische Modelle, mit denen auf Basis einer Vielzahl von analysierten Daten aus der Vergangenheit benötigte Zielgrößen für die Zukunft berechnet werden können. Dazu einige Beispiele aus dem Bereich der Schaden- und Unfallversicherung: Im Rahmen der Tarifkalkulation erstellen Aktuare mit mathematischen Methoden Risikomodelle. Mit denen versuchen sie, die zu versichernden Risiken in einem Portefeuille möglichst realitätsnah abzubilden. Aus einem solchen Modell entwickeln sie dann unter Hinzunahme weiterer Informationen, wie den Abschluss- und Verwaltungskosten, einen Tarif. Der stellt die Grundlage für die Prämienbemessung für die Versicherung solcher Risiken dar. Oder der Aktuar kalkuliert Rückstellungen. Dabei sucht er durch seine Berechnungen Antworten auf die Frage: In welchen Jahren sind zukünftig welche Zahlungsleistungen für versicherte Schäden zu erbringen – und zwar sowohl in Bezug auf bereits gemeldete Schäden als auch noch nicht bekannte Schäden? In einem anderen Fall erstellt er auf Basis aller verfügbaren Daten mit Data-Mining-Methoden Modelle, die Auskunft darüber geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit Kunden mit bestimmten Merkmalen Verträge stornieren oder weitere Verträge abschließen werden, welchen voraussichtlichen Schadenaufwand sie generieren und welchen ökonomischen Wert sie somit für das Unternehmen mittel- und langfristig darstellen werden. Und ein Aktuar erstellt zur Unterstützung der Unternehmenssteuerung komplexe mathematische Modelle mittels Simulationstechniken. Diese sollen Auskunft darüber geben, welches versicherungstechnische Ergebnis für eine laufende oder künftige Periode zu erwarten ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit Abweichungen von diesem erwarteten Ergebnis eintreten können. Aus diesen Modellen leitet er Zielgrößen für das Unternehmen ab, zum Beispiel den Risikokapitalbedarf. Die Problematik bei all diesen Aufgaben liegt darin, dass die Ergebnisse des Aktuars am Ende Wahrscheinlichkeitsaussagen sind. Er sollte jedoch in der Lage sein, in Bezug auf die zu berechnende Größe nicht nur den Erwartungswert, sondern auch die Schwankungsbreite des Ergebnisses um diesen Erwartungswert herum anzugeben. Die Präzision der Aussagen und die Schwankungsbreite möglicher Ergebnisse hängen dabei von der Datenqualität ab. Ein kompetenter und fachlich versierter Umgang mit den gegebenen Werten ist daher unumgänglich. Die mathematische Abteilung eines Versicherungsunternehmens, Aktuariat genannt, ist die „Heimat“ der Aktuare. Dort werden Tarife kalkuliert, Reserven berechnet und mathematische Modelle zur Unternehmenssteuerung erstellt. Aktuare sind aus Versicherungsunternehmen nicht wegzudenken. Ihre Aufgaben sind für das Kerngeschäft einer Versicherung essenziell, denn die gesamte Versicherungstechnik basiert auf Versicherungsmathematik und deren zahlreichen komplexen Modellen und Formeln, die fachkundiges Expertenwissen erfordern. Zudem ist es nicht damit getan, komplexe mathematische Formeln einmalig durch Aktuare programmieren zu lassen und danach nur noch eine entwickelte Spezialsoftware anzuwenden. Im Rahmen der Erstellung und Anwendung eines aktuariellen Modells bedarf es an unzähligen Stellen der Expertise eines kundigen Menschen, um unter verschiedenen Parametern oder Methoden die geeignetste auszuwählen, um zu plausibilisieren oder zu validieren. Mit Aufnahme in die DAV verpflichten sich die Aktuare, den Satzungsregeln der Vereinigung zu folgen. So darf der Aktuar die sogenannten „Aktuariellen Grundsätze“ nicht verlassen. Das bedeutet: Seine Berechnungen und Modellierungen müssen anerkannten mathematischen Methoden entsprechen. Insofern ist der Aktuar ein unbestechlicher Dienstleister im Unternehmen. In diesem verantwortungsvollen und vielseitigen Aufgabengebiet sind die Berufsperspektiven für Aktuare sehr gut, die Nachfrage seitens der Versicherer nach derartigen Experten ist hoch. Ein Grund dafür ist, dass das Anwendungsgebiet der Mathematik in Versicherungsunternehmen – nicht zuletzt durch gesetzgeberische Entwicklungen wie beispielsweise Solvency II – stetig wächst. Wer daher eine Karriere als Spezialist anstrebt, in der Eigenverantwortung und selbständiges Handeln gefragt sind, findet in der Ausbildung sowie dem Aufgabenfeld des Aktuars eine interessante Herausforderung und eine attraktive Alternative zu den anderen mathematischen Berufen.

Job-Steckbrief „Aktuar“

Voraussetzungen:
  • Abgeschlossenes Mathematikstudium, das durch gleichwertige Abschlüsse ersetzt werden kann
  • Grundkenntnisse in Stochastik und Statistik
  • Voraussetzung für die Teilnahme an der wohl wichtigsten Teilprüfung, der sogenannten „Spezialwissen-Prüfung“, ist der Nachweis einer mindestens dreijährigen Tätigkeit in einem Aktuariat oder in einer vergleichbaren Stelle
Besondere Anforderungen:
  • Fachliche Qualifikation, nachgewiesen durch Diplom oder Master in Mathematik und den Titel „Aktuar (DAV)“. Darüber hinaus: gute Kommunikationsfähigkeiten, Fähigkeit zur fachlichen Führung, Fähigkeit, Ergebnisse und Vorgehensweisen auch Nicht-Mathematikern, insbesondere im Kreise des Managements, verständlich zu erklären
Einkommen:
  • Variabel; circa 45.000 Euro Einstiegsgehalt
Hier gibt’s weitere Informationen!

Ahoi, MBA

Hinter einem MBA-Abschluss stand einst der Anspruch, Teilnehmern ein generalistisches Managementwissen zu vermitteln. Inzwischen ist das nicht mehr immer so. Zahlreiche Programme haben sich auf bestimmte Branchen spezialisiert. Dazu zählen auch auf die Bankenund Versicherungsbranche ausgerichtete Programme. Von Christoph Berger

Leichter als es einem die London School of Business and Finance macht, geht es momentan wohl kaum: Über die Facebook-App LSBF Global MBA stellt die Business School Hunderte Lehrstunden frei zur Verfügung. Darin integriert sind Fallstudien, Diskussionsforen, Videokurse und Vorlesungen von Dozenten aus der ganzen Welt. Studiert werden kann von jedem Ort aus, sofern ein Internetzugang vorhanden ist. Es gibt keine zeitlichen Vorgaben, und auch die Reihenfolge der Kurse ist nicht festgelegt. Die Business School will mit diesem Angebot Barrieren bei Interessierten abbauen, frei nach dem Motto: „Try before you buy“. Und sie will Studierende für sich gewinnen. Denn auch wenn die Lehrmaterialen frei sind: Die Zulassung zur Prüfung kostet schließlich doch Gebühren. Ebenso müssen die formalen Kriterien – ein erster Studienabschluss und Berufserfahrung – erfüllt sein. Allerdings wissen Studierende bei der Anmeldung dann längst, worauf sie sich eingelassen haben. Es wundert daher nicht, dass das Konzept angenommen wird: Bereits nach einem Jahr nutzen 30.000 Anwender das Angebot aktiv. Der Master of Business Administration, kurz MBA, soll Absolventen befähigen, führende Managementaufgaben erfolgreich zu meistern. Während es bei seiner Entwicklung um einen generalistischen Ansatz ging, in dem alle Managementbereiche gelehrt wurden, hat sich dieser Gedanke inzwischen gelockert. Immer mehr Programme sind auf bestimmte Branchen oder gewisse Themen spezialisiert. Dies liegt sicher auch an der Fülle der Angebote: Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 400 MBA-Angebote, weltweit über 10.000 Programme. Mit dem Abschluss in der Tasche erhoffen sich die Absolventen Fachwissen, das ihnen den Aufstieg die Hierarchiestufen hinauf erleichtert. Daher ist diese Form der Weiterbildung so gefragt. Laut der Umfrage „Management-Weiterbildung: Was High Potentials wirklich wollen“, durchgeführt von der Universität Mannheim, ist das Interesse an Management-Weiterbildungen groß. Insbesondere Berufseinsteiger planen sie schon in den ersten fünf Jahren nach ihrem Studienabschluss ein. Um bei den vielen Auswahlmöglichkeiten die richtige Wahl zu treffen, sollten Interessierte außer auf die inhaltliche Ausrichtung auch auf eine vorhandene Akkreditierung des ausgesuchten Studiengangs achten. Die fungiert als Qualitätsmerkmal und garantiert einen definierten Standard – sowie die internationale Vergleichbarkeit. Vergeben wird sie von nationalen und internationalen Agenturen. Sucht man allerdings deutsche Business School mit internationaler Akkreditierung, schrumpft die Auswahl erheblich. Laut dem Online-Portal MBAGuide sind von den 130 Anbietern in Deutschland mit ihren 280 MBA-Angeboten nur zehn Hochschulen international akkreditiert. Dazu zählen beispielsweise die Handelshochschule Leipzig (HHL), die School of Business and Economics der RWTH Aachen, die Business School der Universität Mannheim und der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Besser sieht es auf nationaler Ebene aus: Etwa 70 Prozent aller deutschen MBA-Studiengänge sind da bereits akkreditiert beziehungsweise durchlaufen momentan den Anerkennungsprozess. Auch in den unterschiedlichen MBA-Rankings der internationalen Wirtschaftszeitungen sind deutsche Business Schools bisher selten zu finden. Dies hat jedoch formale Gründe. Entweder fehlt ihnen die bereits erwähnte internationale Akkreditierung oder aber ihre Teilnehmerzahl ist zu gering, um überhaupt betrachtet zu werden. Denn qualitativ mithalten können die deutschen Angebote, wenn sie auch nicht die ganz großen Namen haben, allemal. MBA-Banking, MBA-Finance, MBA-Versicherungswesen oder MBA-Insurance: So heißen Angebote für die Banken- und Versicherungsbranche. Am House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt wird zum Beispiel der Executive Master of Finance and Accounting angeboten. Es handelt sich bei ihm um einen berufsbegleitenden Studiengang, der gemeinsam von der Goethe Business School und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG entwickelt wurde. Nach eigener Aussage werden darin Managementkompetenzen für eine Karriere im Finanz- und Rechnungswesen vermittelt. Im Kommen sind zudem Programme, die mit Abschlüssen zweier Hochschulen enden. Sie tragen dem Gedanken eines internationalen Abschlusses noch einmal in ganz besonderer Weise Rechnung. Das Institut of International Education und die Freie Universität Berlin haben in ihrem Report „Joint and Double Degree Programs in the Global Context“ herausgefunden, dass bereits zwei Drittel der Business Schools derartige Studiengänge anbieten. Denn dies ist ein weiterer Vorteil eines MBA: Er bereitet auf eine internationale Karriere vor.
Die Entscheidungskriterien Die zeitliche Strukturierung ist das Hauptentscheidungskriterium für oder gegen ein MBA-Programm – 42 Prozent halten diesen Aspekt für sehr wichtig, 40 Prozent für wichtig. An zweiter Stelle steht die Akkreditierung des Studiengangs (41 Prozent sehr wichtig, 31 Prozent wichtig). Es folgt die Programmdauer (29 Prozent sehr wichtig, 41 Prozent wichtig) und die Platzierung des Programms bei Rankings (16 Prozent sehr wichtig, 27 Prozent wichtig).Quelle: MBA Studie 2010 – Trendbarometer Executive Education von Swop

Aufgestiegen zur Associate

Stephanie Bürgel, 29 Jahre, studierte Betriebswirtschaftlehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München mit den Schwerpunkten Finance und Accounting/Auditing. Direkt nach ihrem Diplom stieg sie bei der UniCredit Group in München als Trainee ein. Den Kontakt zu dem Unternehmen hatte sie bereits durch ein Praktikum kurz vor dem Studienabschluss geknüpft. Von Beginn arbeitet sie im Bereich Corporate & Investment Banking. Ihre Schwerpunkte sind die Vorbereitung und Begleitung von Fusionen und Übernahmen in der Versicherungsbranche. Von Christoph Berger

Zur Person

Stephanie Bürgel, 29 Jahre Eingestiegen November 2008 als Trainee und Analystin bei der UniCredit Corporate & Investment Banking Aufgestiegen Januar 2011 zur Associate
Netzwerke sind wichtig. Diesen Satz hat Stephanie Bürgel in ihrer dreieinhalbjährigen Berufszeit oft gehört. Und sie hat ihn beherzigt. Das Knüpfen von Kontakten und das Zugehen auf Menschen hat sich für die 29-jährige Betriebswirtin nicht nur gelohnt, es erleichterte ihr gerade in den vergangenen vier Monaten wieder einmal vieles: Im Februar wurde sie nach Mailand versetzt. Dort arbeiteten bereits einige Leute aus ihrer Traineezeit. Eine E-Mail an die ehemaligen Kollegen in der italienischen Finanzmetropole genügte, sofort war sie integriert. Ein Anruf aus ihrem Netzwerk war es auch, der Stephanie Bürgel direkt nach dem Studium zur UniCredit führte. Der Anruf ging jedoch nicht von ihr aus, sondern kam aus der Deutschlandzentrale der Bank in München. Ihr Vorgesetzter aus ihrem letzten Praktikum rief sie an und erzählte ihr vom Neuaufbau einer Abteilung, in der eine Traineestelle zu vergeben wäre – ob sie sich nicht bewerben wolle. Das tat sie. Den Bewerbungsprozess hat sie trotz ihres Kontakts durchlaufen: Vertreter der Personal- und Fachabteilung führten mit ihr Gespräche, einen Tag lang wurde ihr Vorgehen in einem Assessment Center (AC) beobachtet. „Wir waren damals nur zu zweit in dem AC, das ist untypisch. Normalerweise besteht die Gruppe aus etwa zwölf Bewerbern“, erinnert sie sich. Die Situation entsprang der Finanzkrise, die damals gerade ein Hoch erreicht hatte. Es gab kaum Einstellungen und nur wenige offene Stellen. Stephanie Bürgel erfuhr jedoch noch am selben Abend, dass sie sämtliche Prüfungen des AC bestanden hatte und einstimmig beschlossen worden war, ihr die Stelle anzubieten. Sie sagte zu. Als Analystin und Trainee startete sie im November 2008 in der Abteilung Financial Institutions Group Insurance ins Berufsleben. Das Münchener Team wurde damals gerade neu aufgebaut – zu Beginn gab es nur Stephanie Bürgel und ihren Chef. Einen Monat später kam noch ein weiterer Kollege dazu. Daher ging es gleich ganz untypisch für sie weiter: „Während andere Trainees zwei- bis dreimal in ihrer Traineezeit die Abteilungen wechseln, hatte ich nur eine Rotation. Ich arbeitete in den zwölf Monaten für ein Vierteljahr in Mailand.“ Sie musste sich schnell und intensiv in das Thema Mergers und Akquisitions auf dem Versicherungsmarkt einarbeiten und sofort voll mitarbeiten. Doch Nachteile haben sich daraus für sie bis heute nicht ergeben. Auch hat sie nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Eher das Gegenteil ist der Fall: „Ich übernahm in dem neu geschaffenen Team schnell Verantwortung. Das gab mir die Chance, mich gleich zu beweisen.“ Nach drei Wochen flog sie mit ihrem Chef nach London, um englischen Versicherungsunternehmen den deutschen Lebensversicherungsmarkt vorzustellen und ihnen mögliche Übernahmekandidaten zu präsentieren. Den eigentlichen Vortrag hielt damals zwar ihr Vorgesetzter, sie hatte jedoch viele Daten für die Präsentation zusammengetragen. Dazu hatte Bürgel Geschäftsberichte deutscher Versicherer und Broker- Research-Reports gewälzt, Firmenprofile und Databases erstellt sowie Marktanalysen durchgeführt. Aus sämtlichen Daten erstellte sie ein sogenanntes Pitch-Book für potenzielle Übernahmekandidaten, in dem ausgewählte Lebensversicherer mit allen relevanten Kennzahlen aufgeführt waren. „Dafür ist es wichtig, die Zielmärkte des Kunden zu erfassen. Die Daten und Vorschläge müssen zudem in seine Unternehmensstrategie passen“, erklärt Bürgel. Ziel derartiger Präsentationen und Gespräche ist es, das Interesse der Zuhörer zu wecken und zu einem Follow-up- Meeting zu kommen. Läuft alles nach Plan, steht am Ende die Begleitung und Durchführung einer Übernahme beziehungsweise Zusammenführung. Ihre Arbeit hinterließ Eindruck: In den ersten Jahren überzeugte Stephanie Bürgel so sehr, dass sie in den Talentpool der international aufgestellten Großbank aufgenommen wurde. Dort hinein kommt man aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen und seines hohen Potenzials. Die Aufnahme in den Pool ist allerdings nicht der Erhalt eines Freifahrtscheins die Hierarchiestufen hinauf. Einmal im Jahr muss das Verbleiben im Talentpool der Bank durch die Vorgesetzten bestätigt werden. Die Aufnahme ist zum einen also eine Auszeichnung, zum anderen eine Herausforderung, weiterhin überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Sie ist aber auch mit einigen Vorteilen verbunden: „Ich erhalte mehr Förderung und kann auch mal ein externes Seminar besuchen“, erzählt Bürgel. Letztes Jahr nahm sie an einem Seminar in London zum Thema Versicherungsbewertungen teil. „Das Angebot hätte es im deutschsprachigen Raum so nicht gegeben“, sagt sie. Nach der zwölfmonatigen Traineezeit stieg sie im Januar 2011 zur Associate auf. Sie blieb in ihrer Abteilung, übernahm aber Schritt für Schritt neue Aufgaben. So baut sie inzwischen selbst Bewertungsmodelle für Versicherungen auf, erstellt federführend Präsentationen für Kunden und macht Kapitalanalysen. „Eine der maßgeblichen Kenngrößen eines Versicherungsunternehmens ist die Solvabilitätsquote, welche die Kapitalstärke eines Unternehmens beschreibt. Dabei werden die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Eigenmittel den aktuellen gesetzlichen Kapitalanforderungen gegenübergestellt“, erklärt sie. Bürgel liefert nun nicht mehr nur einzelne Teile zu den Präsentationen, sondern erstellt das komplette Bewertungsprodukt. Ende 2011 wurde sie gefragt, ob sie nicht nach Mailand wechseln wolle. Ihre Arbeit dort sei dieselbe, nur ausgerichtet auf den italienischen Versicherungsmarkt. Lange überlegen musste sie nicht, Italienisch hatte sie bereits während des Studiums gelernt. Und eine Nähe zur italienischen Kultur und Lebensweise hatte sie schon immer empfunden. Die Arbeitsweise dort ist sowieso sehr deutsch, wie sie sagt: „Im M&A-Geschäft muss man sehr akkurat und strukturiert vorgehen.“ Und der Kontakt in die Heimat besteht weiterhin: Einmal im Monat fliegt sie nach Hause nach München.

Jung und erfolgreich bei: Horbach

Zu keinem Zeitpunkt während Inad Baassiris Studium gab es Anzeichen dafür, dass er seine berufliche Karriere in der Finanzbranche starten würde. Bis zu seinem Abschluss hatte er seinen Blick auf die Industrie gerichtet – nicht weit entfernt von der Universität Hohenheim sind in der Region zwischen Stuttgart und Ulm einige Automobilunternehmen und deren Zulieferer beheimatet. Dort machte er seine studienbegleitenden Praktika. Dabei lernte er jedoch nicht nur Fachliches, sondern auch sich selbst besser kennen. Ihm wurde bewusst, wie wichtig ihm der Umgang mit Menschen ist, dass ihm die Beratung rund um ihre Bedürfnisse nicht nur Spaß macht, sondern auch liegt. Von Christoph Berger

Zur Person

Name: Inad Baassiri Position: Finanzberater Stadt: Stuttgart Alter: 31 Jahre Studium: Wirtschaftswissenschaften (Diplom) an der Universität Hohenheim Abschlussjahr: 2010 Fremdsprachen: Arabisch, Französisch, Englisch Interessen: Joggen, Fitness Ziel: Mitarbeiter führen und einen Teamspirit aufbauen
Nach dieser Erkenntnis ließ er sich erst zum SAP-Berater zertifizieren. Später lernte er auf einer Jobmesse Mitarbeiter des Unternehmens Horbach kennen. „Aus einem anfänglich leichten Smalltalk entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über Arbeitsweisen sowie Ziele und Möglichkeiten im Beruf“, erinnert sich Baassiri. Das Gespräch hinterließ Eindruck auf beiden Seiten: Horbach lud Baassiri zu einem Center-Tag ein. Der nahm die Einladung gerne an und bekam Einblick in das Tagesgeschäft eines Finanzberaters, indem er das operative Geschäft des Unternehmens kennenlernte. „Ich stellte fest, dass die Schnittmenge zwischen dem Berufsangebot und meinen eigenen Zielen groß ist“, sagt er. Dazu gehört, dass ihm das Unternehmen zum einen eine Struktur bietet, in der die ersten Ausbildungsschritte klar vorgegeben sind, dass er sich aber auch selbst unternehmerische Ziele setzen kann, die letztlich über seinen Erfolg als Berater mitentscheiden. Baassiri durchlief erfolgreich das eintägige Assessment Center und überzeugte im Gespräch mit dem Management der Stuttgarter Niederlassung. Darauf folgten sechs Monate Traineezeit. Die Ausbildung erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen der Horbach Akademie für Finanzplanung & Management, der Servicezentrale und der betreuenden Führungskraft gemäß des persönlichen Karriereplans. „In den ersten drei Monaten büffelte ich für die IHK-Prüfung zum Versicherungsfachmann“, erzählt Baassiri. Dieser Titel ist Grundvoraussetzung dafür, überhaupt beraten zu dürfen. Seitdem berät er als freier Finanzberater Kunden in allen finanziellen Fragen – egal ob Vorsorgekonzepte, zielgerichtete Vermögensbildung, Beteiligungen, Immobilien oder Finanzierungen. Seine Kunden sind meist Hochschulabsolventen, die er im Optimalfall vom Studium bis ins Rentenalter begleitet und mit deren wechselnden Lebenssituationen er mitwächst. Dabei stehen in der persönlichen Beratung die individuellen Ziele und Präferenzen des Kunden im Fokus. So ganz hat Baassiri den Kontakt zur Industrie dabei nicht verloren: „80 Prozent meiner Kunden sind Ingenieure. In deren Welt kann ich mich besonders gut hineindenken, denn ich verstehe sie.“

Privatbank versus Großbank

Weltweiter Konzern oder familiäre Atmosphäre? Beim Berufseinstieg ist die Entscheidung für eine Privat- oder eine Großbank eine richtungweisende Frage. Möglichkeiten zur großen Karriere bieten beide Modelle. Allerdings auf unterschiedliche Weise. Von Jürgen Bröker

Als Martina Lohmüller vor mehr als 20 Jahren – damals noch bei der Dresdner Bank – in die Welt einer Großbank eingestiegen ist, hat sie sich das genau überlegt. Sie war sich der Karrierechancen bewusst, die ein breit aufgestelltes Kreditinstitut seinen Mitarbeitern bietet. Die Dresdner Bank ist mittlerweile mit der Commerzbank verschmolzen, und Lohmüller ist immer noch dabei. Seit 2009 ist sie als Teamleiterin für Nachwuchs und Beratung in der Region Süd zuständig. Von der Rekrutierung bis hin zur Weiterentwicklung koordiniert sie die Nachwuchsarbeit für die Großräume Frankfurt am Main, München und Stuttgart. Bis zu 150 Trainees stellt die Commerzbank jedes Jahr ein – in ganz unterschiedlichen Bereichen. „Wir suchen IT-Leute und Controller genauso wie junge Menschen, die ihre Karriere eher im Vertrieb sehen“, sagt Lohmüller. Dabei achtet die Bank darauf, dass das Gesamtpaket jedes Bewerbers stimmt. Neben den gängigen Qualifikationen aus Studium und Abschlussnoten sind für die Großbank Leistungs- und Lernbereitschaft sowie Teamfähigkeit ganz wichtig. Dafür gibt es für Einsteiger Möglichkeiten in sämtlichen Finanzbereichen. Zudem erhalten gerade Akademiker schnell die Chance, sich auf einen bestimmten Bereich zu spezialisieren. Eine Option ist die Karriere zum sogenannten Private-Banking-Berater. Dieser betreut vermögende Kunden. Hierbei sind die Aufstiegschancen in eine Führungsposition laut Lohmüller sehr gut. Im Bereich des Mittelstands können sich Einsteiger zum Firmenkundenberater ausbilden lassen. Die Einsatzmöglichkeiten richten sich nach den jeweiligen Stärken. Dabei stützt sich das Karrieremodell der Commerzbank auf drei Säulen: Diejenigen, die ihr Talent in der Mitarbeiterführung haben, gehen in Richtung Führungskarriere. Wer sich in Projekten wohlfühlt, kann dort Karriere machen. Und wem die Einarbeitung in ein bestimmtes Gebiet liegt, kann eine Spezialistenkarriere anstreben. Neben der Vielzahl an unterschiedlichen Bereichen sieht Lohmüller noch einen weiteren Vorteil im Vergleich zu kleinen Banken: Das Kreditinstitut ist nicht nur bundesweit, sondern auch im Ausland vertreten. Das eröffnet Absolventen internationale Perspektiven. Kontinuität und Tradition: Das sind die Säulen, auf die sich das Bankhaus Lampe beruft. Das wirkt sich auch auf die Karrieremöglichkeiten aus. Die sehen bei der Privatbank mit ihren insgesamt etwa 600 Mitarbeitern ganz anders aus als bei einer Großbank. „Wer zu uns kommt, entscheidet sich ganz gezielt für die besondere Atmosphäre einer unabhängigen Privatbank, die durch den unternehmerischen Hintergrund der Familie Oetker geprägt ist“, sagt Christiane Wolff, stellvertretende Personalleiterin des Bankhauses. Großbank sieht Wolff dabei für Trainees und Hochschulabsolventen die Möglichkeiten der Entwicklung abseits vorgegebener Karriereleitplanken. „Wir binden uns nicht an eine strenge Karriereplanung für bestimmte Funktionen, sondern schauen auf die Stärken und Neigungen unserer Mitarbeiter“, sagt sie. Individuelle Förderung und flache Hierarchien sorgen dafür, dass sich ein Berufseinsteiger im Laufe seiner Karriere in einem bestimmten Gebiet ein breites Wissen erwirbt und bei entsprechender Eignung sowie Engagement schnell als Experte fungieren kann. Dieses Jahr startet zudem ein neues Traineeprogramm, bei dem die Teilnehmer innerhalb von zwölf Monaten alle wesentlichen Geschäftsfelder der Bank und ihrer Tochtergesellschaften kennenlernen, um sich im Anschluss daran für einen künftigen Schwerpunkt zu entscheiden. „Unsere Stärke ist sicherlich, dass wir jeden Mitarbeiter persönlich kennen“, sagt Wolff. Sie glaubt zudem, dass die Querdurchlässigkeit und Flexibilität einer kleineren Bank größer ist. „Uns zeichnet außerdem vor allem Kontinuität aus“, sagt sie. Diesem Anspruch will man sich auch in der Sache Nachwuchs stellen. „Und den wollen wir nach Möglichkeit bei uns im Haus halten. Im Idealfall wird der Berater mit seinen Kunden älter“, sagt Wolff.