Von der Formulierung der Anforderungen bis hin zum marktreifen Produkt – Erick Drost ist als Entwicklungsingenieur in der Endoskopie für die Entwicklung von neuen Instrumenten zuständig. Um einen Eindruck davon zu bekommen, worum es sich in seinem Job dreht, durfte er bei einigen realen Operationen zusehen. Von Erick Drost, M.Sc. Biomedical Engineering, Entwicklungsingenieur für Endoskopie bei Aesculap
Es fing alles mit einem dualen Maschinenbaustudium in Friedrichshafen an, das ich in den Praxisphasen bei einem Endoskopie-Hersteller in Tuttlingen absolviert habe. Dabei kam ich zu Beginn eher zufällig in das Gebiet der Medizintechnik, zumal ich in Oberndorf am Neckar aufgewachsen bin, einem Zentrum für Rüstungstechnik. Als ich allerdings im Rahmen einer Projektarbeit zum ersten Mal bei einer Operation dabei sein durfte, stand für mich fest, dass dieser Job etwas Besonderes ist. Wer, außer dem medizinischen Personal, darf sonst bei einer OP live dabei sein und den menschlichen Körper von einer ganz anderen Seite kennenlernen? Daher stand für mich in dem Moment fest, dass ich mich nach meinem Bachelorstudium in diesem Bereich weiter spezialisieren wollte. Hierfür habe ich ein Masterstudium der Fachrichtung Biomedical Engineering an der Hochschule Furtwangen absolviert, die in der Nähe von Tuttlingen liegt, dem „Weltzentrum der Medizintechnik“. Nach dem Masterabschluss begann ich meine Ingenieurkarriere bei Aesculap, einem Unternehmen des Gesundheitsversorgers B. Braun. Hier bin ich als Entwicklungsingenieur für den Bereich Endoskopie eingesetzt. Wir sind auf die Entwicklung minimalinvasiver Instrumente und Geräte spezialisiert, die nach ihrem Einsatz kaum sichtbare Spuren (Narben) am Patienten hinterlassen. Für diesen Zweck werden die Instrumente immer kleiner und filigraner, in der Entwicklung jedoch anspruchsvoller. In den Entwicklungsabteilungen des Unternehmens trifft man Absolventen unterschiedlichster Studiengänge, beispielsweise dem Maschinenbau, der Produktionstechnik, der Medizintechnik und sogar dem Wirtschaftsingenieurwesen. Als Entwicklungsingenieur bin ich für die Entwicklung von neuen Instrumenten von der Formulierung der Anforderungen bis hin zum marktreifen Produkt zuständig. Dies schließt auch die Erstellung von Produktkonzepten in Zusammenarbeit mit internen und externen Spezialisten aus dem medizinischen Bereich ein. Der Kontakt und der Austausch mit Ärzten spielt dabei eine Schlüsselrolle, da wir, die Entwickler, unsere Produkte nicht selber am Patienten anwenden und erproben können. Des Weiteren ist jeder Entwickler Teil eines oder mehrerer Projekt- Managementteams, woraus sich eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Produktion und dem Marketing ergibt. Mein Einstieg begann mit einer ausführlichen Einarbeitung in meinen Aufgabenbereich, und die ersten Wochen vergingen aufgrund der vielen neuen Eindrücke wie im Fluge. Bei der Entwicklung der mechanischen Instrumente konnte ich bisher besonders die im Maschinenbaustudium vermittelten technischen Grundlagen bei der täglichen Arbeit sehr gut einsetzen. Für die Projektarbeit kommen mir die im Master vermittelten Inhalte zugute. Hier lag der Fokus auf der Projektarbeit gemeinsam mit anderen Kommilitonen, was sich im Unternehmen bei der täglichen Arbeit auszahlt. Dies war auch ein Punkt, in dem sich das Master- wesentlich vom Bachelorstudium unterschied. Darüber hinaus sind die im Master vermittelten Inhalte, beispielsweise die medizinische Produktzulassung, Werkstofftechnik und Teilgebiete der menschlichen Physiologie, sehr nützlich. Allerdings gab es für mich nach dem Studium auch einiges, was neu war, und Kenntnisse, die ich mir vor Ort erst aneignen musste. Dabei denke ich besonders an die Zusammenarbeit mit Ärzten, die sich aufgrund der starken Internationalität unserer Branche fast ausschließlich auf Englisch abspielt. Um die Kooperation mit Ärzten effektiv gestalten zu können, muss man sich bei jedem Projekt zu Beginn möglichst viel medizinisches Fachwissen aneignen. Dies betrifft besonders die angewandten Operationsmethoden und mögliche Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ergonomie, Patientensicherheit und Verkürzung der Operationsdauer, wobei insbesondere Letzteres einen Kostenfaktor darstellt. Da sich die Medizin ständig weiterentwickelt, wird man hier als Entwickler auch nie auslernen. Innerhalb des Betriebes bestand eine weitere Herausforderung in der Einarbeitung in die Fertigungsabläufe. Dabei bewahrheitete sich schnell der Spruch: „Überlegenheit durch Kommunikation“. Ich kann nur empfehlen, einen intensiven Dialog mit den Spezialisten aus der Fertigung zu pflegen, um die im Hause vorhandenen Fertigungsmaschinen und Prozesse schnellstmöglich kennenzulernen und zu verstehen. An der Medizintechnik reizte mich bereits im Studium immer besonders, dass es eine äußerst innovative Branche ist, die sich sehr schnell weiterentwickelt. Neueste Technologien und die kontinuierliche medizinische Forschung öffnen sich dabei immer wieder gegenseitig neue Türen. Des Weiteren macht es mir auch Spaß, mit Ärzten und Kollegen aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten, wobei ich meine Fremdsprachenkenntnisse optimal einsetzen kann. Für die Zukunft ist die Medizintechnik bestens aufgestellt, da ihr aufgrund der immer höher werdenden Lebenserwartung der Bevölkerung eine größere Bedeutung zukommen wird. Dies macht sie zudem unabhängig von wirtschaftlichen Krisen. Für jeden Studenten gibt es in der Entwicklung eine entsprechende Herausforderung, sei es bei Instrumenten, Implantaten oder Geräten.Technologie für Menschen
Immer mehr Absolventen entscheiden sich für eine Karriere in der Medizintechnik – eine rasant wachsende Branche mit Zukunft, die qualifizierten Nachwuchskräften zahlreiche Perspektiven bietet. Von Christina Hermann
Erik Albrecht-Laatsch stammt aus Göttingen und hat in Ulm Medizintechnik mit Schwerpunkt Mechatronik studiert. Nach seinem Diplom kehrte er in die Region zurück und fing bei dem Medizintechnik-Unternehmen Ottobock als Ingenieur im Bereich Forschung und Entwicklung an. Heute leitet er dort eine Abteilung mit 15 Mitarbeitern, die elektronische Baugruppen zum Beispiel für den Einsatz in Prothesen entwickeln. Hier stehen Erik Albrecht-Laatsch und seinen Kollegen modernste Messgeräte und Software-Umgebungen zur Verfügung. Fort- und Weiterbildungen sind seitens des Unternehmens ausdrücklich erwünscht, und auch die gute Vernetzung mit Forschungspartnern wie der Technischen Universität Berlin eröffnet neue Perspektiven. Zudem bleibt Raum für kreatives, experimentelles Arbeiten – die Basis für die Entwicklung innovativer Produkte, die die Mobilität und Unabhängigkeit von Menschen verbessern. An seiner Arbeit schätzt Erik Albrecht- Laatsch das kollegiale Miteinander und die gute Atmosphäre: „Wir sind ein gemischtes Team und profitieren von den individuellen Stärken jedes Einzelnen. Als Ingenieur reizt es mich, technische Herausforderungen zu meistern“, ergänzt der 35-Jährige und erklärt, was in seinem Beruf besonders wichtig ist: „Beharrlichkeit und der Wille, selbst bei schwierigen Aufgabenstellungen eine optimale Lösung zu finden.“ Weltweit beschäftigt das Unternehmen derzeit 285 Ingenieure unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Maschinenbau, Feinwerktechnik, Adaptronik, Mess- und Regelungstechnik. Größtenteils werden sie wie Erik Albrecht- Laatsch in der Forschung und Entwicklung, aber auch in anderen Unternehmensbereichen wie etwa Produktion, Produktmanagement, Logistik, Vertrieb und Einkauf eingesetzt. „Künftig brauchen wir mehr Ingenieure, da die Technologien und Produkte komplexer und hierfür Spezialisten mit fundierter Ausbildung benötigt werden“, sagt Dr. Michael Hasenpusch, Geschäftsführer für Forschung und Entwicklung. Die wesentlichen Trends in der Medizintechnik bringt er mit „kleiner, leichter und preiswerter“ auf den Punkt. So würden Produktfunktionalitäten mehr und mehr durch Elektronik und Mechatronik bestimmt, gepaart mit Miniaturisierung und ansprechendem Design. Der Integrationsgrad werde weiter wachsen, ebenso der Einsatz von intelligenten Materialien wie zum Beispiel Elektronik in Textilien. Ferner rechnet Michael Hasenpusch mit einer weiteren Akademisierung ehemals handwerklicher Berufe, sodass auch hier Ingenieure entsprechende Stellen besetzen können. Jedes Jahr investiert Ottobock mehr als 30 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Technologien. Neben Arm- und Beinprothesen, die verlorene Gliedmaßen beispielsweise nach einer Amputation ersetzen, umfasst das Produktportfolio auch manuell und elektrisch angetriebene Rollstühle sowie Orthesen und Neuroimplantate. Orthesen wirken entlastend und unterstützend und sichern nach einer Verletzung oder Operation die Funktion der betroffenen Körperregion. Neuroimplantate sind eine moderne Therapieoption für Schlaganfall-Patienten mit Fußheberschwäche und können das Gangbild und damit den Bewegungsradius der Betroffenen sichtbar verbessern. Das Unternehmen unterhält im Rahmen seiner wissenschaftlichen Netzwerke eine Vielzahl nationaler wie internationaler Forschungskooperationen mit verschiedenen Fachhochschulen, Universitäten, Kliniken sowie Einrichtungen wie dem Fraunhofer Institut. Ein Forschungsprojekt zur Entwicklung eines speziellen Ganganalysesystems hat es im Konsortium mit der TU Berlin und der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover auf den Weg gebracht. Ziel ist es, eine in die Prothese integrierte Messtechnik zu entwickeln, die Bewegungsdaten nicht nur unter Laborbedingungen, sondern in alltäglichen Situationen sowie bei der Versorgung der Patienten im Sanitätshaus messen kann. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde das Projekt beim „Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik 2010“ ausgezeichnet. Um die Qualität der Patientenversorgung durch die Verbindung handwerklicher Fertigkeiten und wissenschaftlicher Inhalte zu verbessern, hat Ottobock den Studiengang Orthobionik initiiert, der kürzlich im „Zentrum für Healthcare Technology“ der Privaten Hochschule Göttingen (PFH) gestartet ist. Für die Zukunft der Branche und des Unternehmens sieht Michael Hasenpusch zahlreiche Chancen durch innovative Produktentwicklungen: „Gerade die Neurostimulation ist ein spannendes Geschäftsfeld mit enormem Potenzial, denn die demografische Entwicklung hat für die Medizintechnik weitreichende Folgen.“ Mit der Lebenserwartung steigt die Zahl altersbedingter Erkrankungen wie Diabetes und Osteoporose, und auch Schlaganfälle werden weiterhin drastisch zunehmen. Bei rund einem Drittel der Betroffenen bleiben gesundheitliche Schäden zurück. „Diesen Menschen durch medizintechnische Innovationen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, gehört für uns zu den größten Herausforderungen der kommenden Jahre.“ Auch in den anderen Geschäftsbereichen wie der Prothetik seien angesichts immer komplexerer Produkte und Technologien gut ausgebildete Fachkräfte gefragt: „Unsere Forschung an der gedankengesteuerten Armprothese mit Fühlfunktion ist ein erster Vorgeschmack auf die Zukunft.“Link- und Literaturtipps
Interessenvertretung der Unternehmen der Medizintechnologie: Bundesverband Medizintechnologie (BVMed): www.bvmed.de Förderung der Medizintechnik durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): www.gesundheitsforschung-bmbf.de Literatur Erich Wintermantel/Suk-Woo Ha: Medizintechnik, Life Science Engineering: Interdisziplinarität, Biokompatibilität, Technologien, Implantate, Diagnostik, Werkstoffe, Business. 5. Auflage. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3540939351. 149,95 Euro
Form follows Function
Immer kleiner, immer leichter und immer komplexer – medizinische Geräte unterliegen hohen Anforderungen. Kommen sie direkt mit Patienten in Berührung, muss nicht nur die Technik einwandfrei funktionieren, sondern auch das Design stimmen. Von Helmut Wilczek
Ich habe im Auftrag der Firma Zebris ein Kieferregistriersystem entwickelt und designt. Es wird in Zahnkliniken und bei niedergelassenen Kieferchirurgen eingesetzt, um Probleme der Kieferverschiebung, Schmerzen bei Kaubewegungen oder Zahnverschiebung richtig zu erkennen und mit der entsprechenden Software für den Zahnarzt klar zu visualisieren. Es erfasst berührungslos alle Freiheitsgrade des Unterkiefers nach der Methode der Laufzeitmessung von Ultraschallimpulsen.Das System besteht aus einem Gesichtsbogen, integrierten Empfängermodulen und einem gelenknachmessenden Unterkiefersensor. Um ein solch komplexes, biomechanisches Messgerät für Patienten zu entwickeln, ist der wichtigste Faktor die ergonomische Betrachtung. Bei dem Kieferregistriersystem ist dies die sogenannte statische Anthropometrie, im Speziellen die Kopf- und Gesichtsmaße von Frauen, Männern, Jugendlichen und Kindern. Denn außer den dürftigen maßlichen Festlegungen, welche es in der einschlägigen Literatur gibt, ist dies die einzige Möglichkeit, die Maße an mehreren Personen zu vermessen beziehungsweise Prototypen und deren Verstellbarkeit auszuprobieren. Der am Kopf befestigte Empfänger-Gesichtsbogen muss sowohl einen verstellbaren Öffnungswinkel als auch Verstellmöglichkeiten vor und zurück sowie rauf und runter (für die Kopfgröße) aufweisen. Alle Verstellmöglichkeiten sollen ohne großen Aufwand schnell und präzise ausgeführt werden können. Die wesentlichen Punkte, die ich bei der Gestaltung dieses Kieferregistriersystems beachten musste, sind neben der Handlichkeit die Bedienbarkeit, auch Usability genannt, die Gebrauchstauglichkeit und das Gewicht. Das Gewicht ist von besonderer Bedeutung, da die beiden Teile am Kopf des Patienten befestigt werden und der Patient während des Messvorgangs in relativer Bewegungslosigkeit verharren muss. Zudem muss der Patient den Unterkiefersensor mit der Bissgabel mithilfe eines Magneten im Mund halten. Für Benutzerfreundlichkeit und Handlichkeit spricht die schnelle Befestigungsmöglichkeit am Kopf sowie leichte Verstellbarkeit. Die korrekt festgelegten Kopfmaße für Mann, Frau oder Kind ermöglichen die richtige Befestigung am Kopf ohne Verrutschen oder Wackeln. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Entwicklung eines solchen medizinischen Systems ist die Psychologie. Der Patient befindet sich in einer Ausnahmesituation und reagiert meist sensibel. Auftretende Irritationen oder Ängste können abgebaut werden, wenn das Berühren des Gerätes als angenehm und nicht als kalt und rau empfunden wird und wenn das Produkt keine aggressive Form aufweist. So sollte die Anbringung an Ober- und Unterkiefer nicht einengen, Schmerzen oder Angst verursachen. Darüber hinaus sollte das System so klein und so leicht wie möglich sein. Um vom Design zum Produkt zu kommen, haben sich fünf Arbeitsphasen bewährt, die ich in enger Abstimmung mit dem Kunden durchlaufe. Zunächst fertige ich Skizzen vom Produkt an, um ein Produktdesign-Konzept zu finden. Dieses wird anschließend mit sogenannten Renderingzeichnungen eins zu eins visualisiert und mit Ansichtszeichnungen der ungefähren Konstruktion veranschaulicht. In der dritten Phase arbeite ich die ausgesuchte Produktdesign- Variante aus. Mit 2-D-Zeichnungen mit Vorkonstruktion bemühe ich mich, das Produktdesignmodell so realistisch wie möglich darzustellen. Die vierte Phase umfasst die 3-D-Konstruktion der designten Teile für einen Prototypenbau. In Phase 5 überarbeite ich, wenn nötig, die 3-D-Konstruktion. Wie so oft bei medizinischen Geräten ist auch hier das Produktdesign dem Diktat der Funktion unterworfen. Das entstandene Design des Geräts bezeichnet man als technisches Produktdesign. Hierbei sollte trotz der zuvor ausgeführten Funktion die Ästhetik und die sinnliche Wahrnehmung, der sogenannte ästhetische Wert des Produkts, nicht vernachlässigt werden, denn Design soll immer die Produktqualität sichtbar machen und das Produkt wertvoll erscheinen lassen. Bei der Konstruktion solch filigraner Produkte ist es wichtig, eine größere Gesamtstabilität des Ganzen zu erzielen. Hier war es notwendig, die filigranen Auslegerarme des Kieferregistriersystems zu verrippen. Dies ist mit einer 3-D-Software gut zu bewerkstelligen. Um den äußeren Wert des Produktdesigns anzuheben, achte ich immer darauf, eventuelle sogenannte Einfallstellen im Kunststoffteil zu vermeiden. Für die Fertigung ist das Verfahren des Kompaktspritzgusses am besten geeignet. So kann mit relativ dünnen Wandstärken und der Verrippung sowie unter Verwendung des richtigen Werkstoffs ein ausreichend stabiles Produkt entstehen. Zudem gibt der passende Werkstoff der Produktoberfläche die wichtige ästhetische Anmutung.Maschinenbau-Konstrukteur
Wer als Konstrukteur oder Entwickler arbeiten möchte, bringt als beste Voraussetzung ein abgeschlossenes technisches Studium mit. Neben Maschinenbau und anderen technischen Studiengängen gibt es auch ganz spezielle Ausrichtungen in Konstruktionstechnik. Ein Beispiel ist die Hochschule Ravensburg-Weingarten. Dort gibt es den Masterstudiengang „Produktentwicklung im Maschinenbau“. Hierfür ist ein überdurchschnittlich guter Bachelor- oder Diplom- Abschluss in Maschinenbau, Fahrzeugtechnik oder in einem verwandten Studienfach Voraussetzung. Außerdem sollten Bewerber gern selbst Initiative ergreifen, Spaß bei der Arbeit im Team haben und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Es ist dabei nicht entscheidend, ob Bewerber sich direkt nach ihrem Erststudium oder nach ein paar Jahren Industrieerfahrung für das Masterstudium entschließen. Infos unter: www.hs-weingarten.de
Gesunde Karriere in der Medizintechnik
Zukunftsmarkt klingt immer ein wenig nach Wunschdenken. Doch was die Medizintechnik anbetrifft, stützen Daten die Hoffnung – und für Absolventen rollen viele Unternehmen den roten Teppich zur Karriereleiter aus. Von Petrina Engelke
Die Medizintechnik lockt mit spannenden Aufgabenfeldern für Ingenieure: Sie erfinden Prothesen, mit denen beinamputierte Menschen Marathon laufen können, oder überwachen und warten Geräte auf Intensivstationen. Sie bauen Roboter, die hochsensible Operationen vornehmen, oder machen das Personal im Dialysezentrum mit der neuesten Technik vertraut. „Mit einem Gesamtumsatz von 21,4 Milliarden Euro und 92.000 Mitarbeitern zählt die Branche zu einem der Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft“, sagt Daniela Waterböhr von Spectaris, dem Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V. Ein Akzent liege auf der Entwicklung neuer Technologien. „Damit ist die Branche auf Ideenreichtum und helle Köpfe angewiesen.“Im Juni 2012 veröffentlichte die Personal- und Unternehmensberatung Kienbaum eine Studie zu aktuellen Personalthemen in der Gesundheitswirtschaft. Der für den Medizintechnikteil verantwortliche Kienbaum- Berater Alexander Mischner stellt fest: „Wir beobachten in der jüngeren Vergangenheit quer durch alle Bereiche der Medizintechnik einen stetig ansteigenden Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften. Vor allem in kundennahen Abteilungen wie Vertrieb und Marketing suchen viele Unternehmen mit verstärkter Kraft nach geeigneten neuen Mitarbeitern.“ Und worauf kommt es besonders an? „Medizinisches Wissen ist für eine Karriere in der Medizintechnik keine Voraussetzung, aber ein grundlegendes Verständnis für medizinische Abläufe ist sicher wünschenswert“, sagt Waterböhr. Schließlich arbeiten Ingenieure in diesem Berufsfeld oft mit Ärzten zusammen. Mit technischen Spezialkenntnissen kann man in der Forschung und Entwicklung punkten, im Vertrieb wiederum zählt anderes, erklärt Mischner: „Da kommt es eher auf überfachliche Qualifikationen an, zum Beispiel die Fähigkeit, einen komplizierten technischen Sachverhalt allgemeinverständlich darzustellen.“ Nach dem Einstieg in die Medizintechnik winken leistungsbezogene Vergütung, flexible Arbeitszeitmodelle und spezielle Karriereprogramme: Viele Unternehmen bemühen sich, jungen Absolventen mannigfaltige Anreize zu bieten. Der Fachkräftemangel spielt auch hier in die Hände der Bewerber. Auf die leichte Schulter sollte man das Gespräch mit dem zukünftigen Chef dennoch nicht nehmen. Mischner warnt: „Eine offen zur Schau getragene gleichgültige Haltung kommt auch in Zeiten des Ingenieurmangels nicht gut an.“Innovationsbranche Medizintechnik
Der Studie „MedTech 2020“ des Verbands der Elektrotechnik zufolge führt die Medizintechnik in Deutschland bei den Patentanmeldungen. Die Medizintechnik-Industrie investiert doppelt so viel in Forschung und Entwicklung wie der Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes: nämlich neun Prozent ihres Umsatzes. Quelle: www.vde.com
Schnittstelle
In Deutschland ist der Ingenieurberuf stark mit Forschung und Entwicklung verknüpft. Doch Absolventen der Ingenieurwissenschaften stehen weitere attraktive Berufsfelder offen, zum Beispiel die Strategische Unternehmensberatung. Von Katja Monschau.
Um für unsere Klienten die bestmöglichen Lösungen zu entwickeln, setzen wir unsere Projektteams interdisziplinär zusammen. Wir glauben, dass nur durch Vielfalt kreative und innovative Lösungen entstehen. Deshalb legen wir Wert darauf, Kollegen mit unterschiedlichen Sichtweisen und Know-how einzustellen. Mittlerweile haben mehr als 40 Prozent unserer Berater einen Ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Hintergrund. Viele der Ingenieure arbeiten in Teams, die beispielsweise Kunden aus der Automobilindustrie oder der Telekommunikation beraten, und bilden so die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik. Gerade bei diesen Kunden ist technisches Wissen gefragt und für den Erfolg des gesamten Beratungsprojektes ausschlaggebend. Technologiegetriebene Projekte – unabhängig ob für Kunden der „old“, „new“ oder „green economy“ – verlangen umfassende technische Kenntnisse. Zunehmende Globalisierung und immer schneller wachsende Märkt erfordern darüber hinaus die Fähigkeit, vernetzt zu denken und zu kommunizieren. Ingenieure bringen ein ausgeprägtes technisches Verständnis mit, und haben gelernt, sich in komplexe Sachverhalte schnell einzuarbeiten. Diese Fähigkeit ist gerade für den Beratungsalltag sehr wertvoll. Berater müssen über technisches Wissen verfügen, um dieses Know-how auf die Bedürfnisse des Kunden übertragen zu können. Ingenieure bringen ihr Wissen über die Produktbeschaffenheit und die entsprechenden Produktionsprozesse in Beratungsprojekte ein. Auch analytische Fähigkeiten sind ein wesentlicher Punkt, denn schließlich müssen Berater in der Lage sein, ein Problem schnell zu analysieren, Stärken und Schwächen eines Unternehmens einzuschätzen und dem Klienten Lösungen anzubieten. Dabei spielen die sogenannten Soft Skills wie Kreativität, Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit eine wesentliche Rolle. Denn um optimale Lösungen zu finden, hilft nicht selten die Fähigkeit des Beraters, über den eigenen fachlichen Tellerrand zu schauen. Wichtig ist aber auch, dass der Berater in der Lage ist, sowohl mit dem Kunden als auch mit den eigenen Teamkollegen zu kommunizieren. Nur so kann er die Unternehmensprobleme ansprechen, optimale Strategien erarbeiten und sie kommunikativ transportieren. Und dann sind auch noch die Auslandserfahrungen wichtig: Da viele unserer Kunden auch im Ausland Standorte und Produktionsstätten haben, ist ein Studienaufenthalt oder ein Praktikum im Ausland nicht nur persönlich bereichernd, sondern trägt auch zum Gelingen des Projektes bei.Jung und erfolgreich bei: Fresenius Medical Care
Interview mit Samantha Cristoforetti
Die Astronautin
Samantha Cristoforetti hat geschafft, wovon viele träumen: Die 35-Jährige bereitet sich als Astronautin der Europäischen Weltraumbehörde ESA im Kölner Astronauten-Zentrum auf ihren ersten Weltraumflug vor. Im Interview erzählt die Ingenieurin, wie sie sich im Auswahlverfahren gegen 8500 Mitbewerber durchsetzte und warum ihr Ingenieurwissen ihr auch im Weltraum weiterhelfen wird. Das Interview führte André Boße.
Frau Cristoforetti, herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Beruf, den sich viele Jungen und Mädchen erträumen! Ist das noch so? Manchmal denke ich, die meisten möchten heute lieber Fußballer oder Popstar werden. (lacht) War Astronautin denn Ihr Traumberuf? Ja. Ich hatte viele Poster im Zimmer, las Science-Fiction-Romane, aber auch schon Sachbücher zu diesem Thema. Wann haben Sie sich denn entschieden, ganz bewusst auf dieses Karriereziel hinzuarbeiten? Eigentlich erst, als sich für mich konkret die Möglichkeit ergeben hatte. Astronautin zu werden ist kein normaler Berufsweg. Man kann das nicht planen, da die Anzahl der Astronautenplätze dafür einfach zu begrenzt ist. Den Traum, Astronautin zu werden, hatte ich aber tatsächlich schon als Kind. Also habe ich keinen beruflichen Schritt unternommen, der meine Chancen, diesen Traum einmal zu verwirklichen, verringert hätte. Darum also zunächst ein Ingenieurstudium und dann die Ausbildung zur Militärpilotin. Und dann ergab sich die Möglichkeit. Genau. Die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) stellte ein Auswahlverfahren in Aussicht, das für mich genau im richtigen Moment kam. In diesem Augenblick musste ich mich nicht mehr groß entscheiden – schließlich hatte ich schon auf diese Chance gehofft. Sie haben sich unter 8500 Mitbewerbern durchgesetzt. Was haben Sie, was die anderen nicht hatten? Eine schwierige Frage, die man vielleicht besser denen stellen sollte, die mich ausgewählt haben. (lacht) Ich denke, es gehört viel Glück dazu. Hätten andere ESA-Experten das Auswahlverfahren geleitet, hätten sie sich vielleicht für ein anderes Profil begeistert als meines. Was mussten Sie denn im Rahmen des Auswahlverfahrens leisten? Im ersten Schritt wurden, basierend auf den Lebensläufen, 1000 unter den 8500 Bewerbern ausgewählt. Da war es von Vorteil, wenn man bereits Flugerfahrung gesammelt hat, mehrere Sprachen sprechen kann oder Sportarten ausübt, die einem auch als Astronaut etwas bringen. Die 1000 Bewerber wurden dann nach Hamburg eingeladen, wo wir einen Tag lang in ganz verschiedenen Bereichen getestet wurden. Es ging um Englischkenntnisse oder grundlegendes technisches Verständnis, aber auch Tests zum visuellen und zum Hörgedächtnis, zur Konzentrationsfähigkeit oder zum dreidimensionalen Vorstellungsvermögen. Das Niveau dieser Tests war ungemein hoch; ich weiß noch, dass wir alle das Gefühl hatten, ziemlich mies abzuschneiden. In die nächste Runde kamen dann 200 Bewerber, die zu einem psychologischen Assessment eingeladen wurden. Da ging es darum, uns als Individuen sowie unsere Kommunikations- und Teamfähigkeit zu beurteilen. Dann war ich unter den letzten 45. Wir wurden eine Woche lang medizinisch getestet, und die Kandidaten mit den besten Ergebnissen wurden dann vom ESA-Management zu intensiven Interviews eingeladen. Na ja, und ganz am Ende stand der Anruf, dass ich dabei sein würde. Welchen dieser vielen Schritte empfanden Sie als besonders herausfordernd? Gar nicht unbedingt die Assessments selber, sondern das Warten. Man benötigt eine Menge Geduld, die gesamte Bewerbungsphase hat ein Jahr gedauert. Und das normale Leben hört in dieser Zeit ja nicht auf, zumal ich zeitgleich eine sehr herausfordernde Ausbildung als Pilotin absolviert habe. Sprich: Mit den Füßen noch im alten Beruf, mit dem Kopf aber schon im Weltraum. So ungefähr, ja. Diese Balance wurde immer schwieriger, je näher ich meinem Ziel kam. Wir haben schon einige Talente genannt, die Sie als Astronautin mitbringen müssen. Welche weiteren sind wichtig? Durchsetzungsvermögen sowie keine Probleme damit, in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Primadonnen hatten es dagegen genauso schwer wie Bewerber, die entweder mit der Teamarbeit Schwierigkeiten hatten oder eben nur im Team funktionierten. Man muss sich auch mal selbst genügen. Zudem das Talent, sich auf ein großes Ziel fokussieren zu können – auch, wenn dieses noch in der fernen Zukunft liegt. Man darf sich aber auch nicht zu sehr von dem Fernziel beherrschen lassen. Ich denke, einige Bewerber sind genau deshalb nicht weitergekommen. Bessere Chancen hatten Kandidaten, die eine gute Balance aufwiesen: das Ziel vor Augen – aber dennoch im alltäglichen Leben präsent. Gab es Wissen aus Ihrem Ingenieurstudium, das Sie während der Bewerbungsphase anwenden konnten? Auf jeden Fall. Wir haben uns sehr intensiv mit den technischen Systemen der internationalen Raumstation und der Raumschiffe beschäftigt. Wer da die Fähigkeit mitbringt, diese Dinge aus der Perspektive eines ausgebildeten Ingenieurs zu betrachten, besitzt einen großen Vorteil. Man kennt die Begriffe und weiß, wie die Komponenten des Systems arbeiten, sodass man einen echten Vorteil gegenüber anderen Kandidaten mitbringt, die diesen Background nicht haben. Zu Ihren Hobbys gehören Aktivitäten wie Tauchen und Höhlenforschung, Klettern und Bergsteigen. Welche Sinne schärfen diese Sportarten? Sie schulen, dass man verantwortungsvoll mit Prozeduren und der Ausrüstung umgeht. Tut man das nicht, hat das Konsequenzen – und das ist natürlich beim Fliegen oder im Weltraum genauso. Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein sind sehr wichtig; die Leute müssen darauf vertrauen können, dass ich genau das durchführe, was für mich vorgesehen ist.Zur Person
Samantha Cristoforetti, geboren 1977 in Mailand, wird derzeit bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA als Weltraumfahrerin ausgebildet. Die 35-Jährige studierte in München, Toulouse, Moskau und Neapel Ingenieurwissenschaften sowie Luft- und Raumfahrttechnik. 2001 trat sie in die italienische Luftwaffe ein und schloss 2005 die Luftwaffenakademie im italienischen Pozzuoli ab. Zur Kampfpilotin wurde sie in der amerikanischen Sheppard Air Force Base ausgebildet. Zeitgleich nahm sie am Auswahlverfahren der ESA teil und setzte sich unter knapp 8500 Bewerbern durch. Samantha Cristoforetti ist unter den sechs neuen Astronauten des Europäischen Astronautenkorps die einzige Frau. Ihre Grundausbildung zur Weltraumfahrerin schloss sie im November 2010 ab. Im Juli 2012 gab die ESA bekannt, dass die begeisterte Taucherin und Höhlenforscherin im November 2014 zu einem Langzeitaufenthalt auf der Raumstation ISS starten wird. Samantha Cristoforetti auf Twitter: @astrosamantha
Wissen Sie schon, welche konkreten Aufgaben Sie auf der ISS erwarten werden? Ich werde als Bordingenieurin für den Start, das Andocken an die ISS sowie den Wiedereintritt in die Atmosphäre verantwortlich sein. Zudem besitze ich in dieser Position die tiefsten Einblicke in das technische System des Raumschiffs, sodass ich den Kommandanten vor allem bei der Lösung von unerwarteten Problemen unterstützen kann. Der Kommandant trägt zwar zu jeder Zeit die Verantwortung für die Sicherheit des Schiffes, aber er darf sich durchaus auf die Kenntnisse seines Bordingenieurs verlassen. Ist die Technik in einem Raumschiff und auf einer Raumstation mit der eines Flugzeugs zu vergleichen, oder ist das eine ganz andere Komplexität? Es ist schon wesentlich komplizierter. Ein großer Unterschied: Während ich als Pilotin das Flugzeug im Normalfall zusammen mit dem Co-Piloten steuere, wird die Raumstation von der Erde aus gesteuert. Wir Astronauten sind für alles zuständig, was nur von Hand und nicht vom Computer gesteuert erledigt werden kann. Das sind zumeist Wartungstätigkeiten. Dennoch müssen wir darauf vorbereitet sein, kritische Situationen zu lösen, wenn der Kontakt zum Boden abgebrochen ist. Gibt es ein Klischee, das man sich über Astronauten erzählt, das jedoch mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat? (lacht) Ich denke, viele Leute glauben, Astronauten würden zur Vorbereitung auf ihren Weltraumflug täglich mehrere Stunden in einer Zentrifuge trainieren. Das ist jedoch eine falsche Vorstellung, denn das macht man eigentlich nur ein einziges Mal, nämlich wenn man im sogenannten Sternenstädtchen in Moskau, dem russischen Ausbildungszentrum für Kosmonauten, den Wiedereintritt in die Atmosphäre trainiert. Dort wird dann geübt, diesen Wiedereintritt in einer kritischen Situation manuell durchzuführen – und das macht man sinnigerweise in einer Zentrifuge, da dort die Beschleunigungswerte, die beim Wiedereintritt auftreten, simuliert werden können. Ansonsten spielt die Zentrifuge bei der Vorbereitung jedoch keine Rolle. Zum Abschluss: Was glauben Sie, werden Sie in der Nacht vor dem Abflug ins All gut schlafen können? Wie ich mich kenne, wird es das größere Problem sein, pünktlich aus dem Bett zu kommen. Aber: Ich werde mir einen Wecker stellen.Die ESA
Die deutsche Seite der ESA: www.esa.int/esaCP/SEMYEF56JGG_Germany_0.html ESA bei YouTube: www.youtube.com/esa ESA bei Twitter: www.twitter.com/ESA_de
Die Europäische Weltraumorganisation ESA soll die Entwicklung der europäischen Raumfahrt koordinieren und fördern – und damit sicherstellen, dass die diesbezüglichen Investitionen allen Europäern dauerhaften Nutzen bringen. Aktuell gehören der ESA 18 Mitgliedsstaaten an. Indem sie die Finanzmittel und das Know-how der einzelnen Länder bündelt, ermöglicht sie die Realisierung von Programmen und Projekten, die keiner der Mitgliedsstaaten im Alleingang auf die Beine stellen könnte. Das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR) vertritt die Interessen Deutschlands bei der ESA. Die Astronauten der ESA nehmen wichtige Aufgaben beim Betrieb der Raumstation ISS wahr – einer Art wissenschaftlichem Labor im Weltraum, das gemeinsam von Europa, Japan, Russland, den USA und Kanada betrieben wird. Der Niederländer André Kuipers ist im Sommer 2012 wieder von der ISS zurückgekehrt, während sich der Italiener Luca Parmitano und der Deutsche Alexander Gerst zurzeit auf ihre Langzeitmissionen ab Mai 2013 beziehungsweise Mai 2014 vorbereiten.
„Beliebter Bachelor“
Wo gibt es den Fachkräftemangel – und wo nicht? Und was bedeutet das für Absolventen? Ina Kayser analysiert beim VDI den Arbeitsmarkt für Ingenieure und rät Einsteigern zu Flexibilität und Grundlagenwissen. Das Interview führte André Boße.
Frau Dr. Kayser, zuletzt gab es widersprüchliche Aussagen zum Fachkräftemangel. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation? Aktuelle Auswertungen des VDI in Kooperation mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen eine ungebrochen hohe Nachfrage an Ingenieuren, die nicht gedeckt werden kann. Der resultierende Fachkräftemangel kann vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und einer innovationsgetriebenen Wirtschaft kritische Folgen haben, denn Ingenieure sind das Herzstück der deutschen Wirtschaft. Sie sind von zentraler Bedeutung für den Technikstandort Deutschland und für unseren Wohlstand. Damit ist der andauernde Fachkräftemangel ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Fehlen denn überall und aus allen Fachrichtungen Ingenieure? Der Fachkräftemangel betrifft nicht alle Fachrichtungen gleichermaßen. Die Ingenieurlücke ist am größten im Maschinenbau und in der Elektrotechnik; im Vermessungsingenieurwesen ist dagegen kaum ein Mangel erkennbar. Auch beobachten wir regionale Differenzen: Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind regional gesehen vom Fachkräftemangel am stärksten betroffen. Gibt es andererseits Regionen, wo es Ingenieure schwerer haben, Stellen zu finden? Wir beobachten in Berlin und Brandenburg in vielen Ingenieurberufen eher einen Überschuss an arbeitslosen Ingenieuren als an offenen Stellen. Hier ist also trotz des generellen bundesweiten Mangels an Ingenieuren bei den kommenden Ingenieuren und Bewerbern Flexibilität gefragt, was die Wahl sowohl der Studienrichtung und Schwerpunkte als auch der Beschäftigungsregion angeht. Mit welchen Fähigkeiten und Qualifikationen wird der Ingenieurabsolvent zur besonders begehrten Fachkraft? Aus unserer Sicht ist es von besonders großer Bedeutung, ein breites Basiswissen zu erlangen, beispielsweise in Form eines grundlegenden Bachelorstudiengangs. Eine Spezialisierung kann dann besser entweder an konkreten Aufgaben orientiert im Unternehmen erfolgen oder über ein Masterprogramm mit starkem Fokus auf einer Spezialisierung. Daneben spielen aber auch Soft Skills eine wichtige Rolle. Neben der fachlichen Qualifikation legen Unternehmen großen Wert auf Kompetenzen wie etwa Teamfähigkeit, aber auch solide Fremdsprachenkenntnisse sind gefragt. Viele Unternehmen suchen Spezialisten. Warum sind die Grundlagen noch immer wichtig? Durch die breite ingenieurwissenschaftliche Basisqualifikation erhalten sich Einsteiger die nötige Flexibilität, um auf Anpassungen am Arbeitsmarkt zu reagieren. Ist ein Bachelorabschluss tatsächlich eine gute Grundlage für den Karrierestart? Ja, denn wir beobachten in der Industrie eine konstant hohe Nachfrage nach Bachelorabsolventen. Sie sind in den Unternehmen vor allem aufgrund ihrer kurzen Studiendauer gern gesehen. Die Spezialisierung kann dann entweder praxisorientiert im Unternehmen erfolgen oder in einem späteren Masterstudium erworben werden. Dürfen Einsteiger als Folge aus dem Fachkräftemangel heute mit Spitzen- Einstiegsgehältern und rasanten Karrieren rechnen? Der VDI führt in regelmäßigen Abständen eine Gehaltsstudie durch, nach der wir einen leichten Anstieg beobachten können; der große Gehaltssprung ist aber bislang ausgeblieben. Es ist jedoch erkennbar, dass immer mehr Ingenieure auch Führungs- und Managementpositionen bekleiden. So gab es im Jahr 2009 in der Industrie rund 79.000 Manager mit ingenieurwissenschaftlichem Abschluss, während die Zahl der Manager mit betriebswirtschaftlichem Abschluss sich auf lediglich rund 62.000 belief.Zur Person
Dr. Ina Kayser, 29 Jahre, ist seit 2012 beim VDI als wissenschaftliche Referentin für das Thema Arbeitsmarkt tätig. Sie promovierte zum Thema „Akzeptanz von E-Government“ und war zu dieser Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Duisburg-Essen tätig. Sie hat einen Master-Abschluss in internationaler Politik und ein Diplom in Wirtschaftsinformatik.
Der VDI
Für Ingenieure, Naturwissenschaftler und Informatiker gibt es eine Vereinigung, die sie bei ihrer Arbeit unterstützt, fördert und vertritt. Diese Aufgabe übernimmt der VDI, Verein Deutscher Ingenieure. Er versteht sich als Sprecher, Gestalter und Netzwerker. Seit über 150 Jahren steht er Ingenieurinnen und Ingenieuren zur Seite. Mit fast 150.000 Mitgliedern ist der VDI die mit Abstand größte Ingenieurvereinigung Deutschlands. Auch in Europa zählt er zu den führenden Organisationen für Ingenieure. www.vdi.de
Es gibt ihn – aber nicht überall
Die These vom Fachkräftemangel steht in der Diskussion. Es gibt Stimmen, die sagen, alles sei halb so schlimm. Was ist dran an diesen Aussagen? Eine Umfrage bei großen Arbeitgebern für Ingenieure zeigt hingegen: Der Fachkräftemangel ist Realität – wenn auch nicht unbedingt an jedem Ort und bei jeder Fachrichtung. Für Absolventen bedeutet das: Flexibilität zeigen! Von André Boße
Ist der Fachkräftemangel nur ein Rechenfehler? Den Verdacht hat zumindest das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung (DIW), das jetzt eine Analyse des Arbeitsmarktes für Ingenieure erstellt hat, die in einigen Punkten den warnenden Worten der Bundesagentur für Arbeit und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) widerspricht. Die zentrale Aussage des DIW nach der Berechnung des Bedarfs an Ingenieuren in der Industrie: Die Klagen über den Fachkräftemangel seien überzogen, die kommende Absolventenmenge reiche vollkommen aus, um freie Stellen zu decken. Und sollte die Zahl der Ingenieurabsolventen in den kommenden Jahren steigen, könne sich der Karriereeinstieg für Absolventen früher oder später sogar als schwierig erweisen. Der VDI hält jedoch dagegen: Im Juni 2012 errechnete der Fachverband zusammen mit dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in den technischen Unternehmen mehr als 107.000 offene Stellen für Ingenieure. Da im Juni 2012 rund 18.700 Ingenieure arbeitslos gemeldet waren, lässt sich errechnen, wie viele Ingenieure der deutschen Wirtschaft derzeit fehlen: 88.300. So groß ist die sogenannte Ingenieurlücke, die in den Unternehmen dazu führt, dass die nötigen Fachkräfte fehlen, um Innovationen voranzutreiben und der noch immer bemerkenswert guten Auftragslage gerecht zu werden. „Wenn diese Zahl nicht nachhaltig verringert werden kann, müssen die davon betroffenen Unternehmen ihre Produktionskapazitäten an diese Engpässe anpassen“, kommentiert IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös die aktuellen Daten.Fachkräftemangel – ja oder nein?
Besonders Einsteiger fragen sich in dieser Situation: Was stimmt denn nun? Schließlich ist es für den Karrierestart von großer Bedeutung, einschätzen zu können, wie sich die Lage am Arbeitsmarkt darstellt. Ob man als Ingenieurabsolvent wirklich händeringend gesucht wird – oder sich die Marktrealität ganz anders darstellt und die Unternehmen keine großen Anstrengungen im Recruiting anstellen müssen, um die passenden Leute zu finden.Zeit, bei den Unternehmen nachzufragen. Denn dort weiß man am besten, wie es um den Fachkräftemangel wirklich bestellt ist. Eine denkbar klare Aussage zum Thema erhält man bei der Ingenieurgesellschaft Rücker: „Der Fachkräftemangel im Ingenieurbereich ist leider Fakt und unbestritten. Auf dem Markt fehlen eindeutig die geeigneten Bewerber, die wir benötigen und die unseren geforderten beruflichen Qualifikationen entsprechen“, sagt Thomas Aukamm, Konzern-Geschäftsführer Vertrieb, Marketing und Recruiting. Das technologische Entwicklungsunternehmen mit Sitz in Wiesbaden beschäftigt sich überwiegend mit der Planung und Entwicklung von Kraftfahrzeugen, Flugzeugen, Anlagen, Maschinen, Schienenfahrzeugen und Schiffen und benötigt dafür insbesondere Ingenieure aus den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Elektrotechnik. Und genau hier ist die Lücke am größten: Laut VDIZahlen fehlen alleine in diesen Bereichen 57.900 Fachkräfte. „Aufgrund des demografischen Wandels unserer Belegschaft stehen uns erheblich zu wenig junge Ingenieure zur Verfügung, die für ausscheidende ältere Mitarbeiter nachrücken könnten“, analysiert Aukamm die Personalsituation. Für den auf Ingenieurdienstleistungen fokussierten Konzern stelle dieser Mangel ein echtes Problem dar: Ein erfolgreiches und sehr aktives Recruiting sei daher „extrem wichtig“, sagt Aukamm, nur so könne man der erfreulichen Kundennachfrage gerecht werden und weiteres Wachstum generieren. ausgebildeten Ingenieuren hat auch die Deutsche Bahn: Ingesamt sind im Konzern rund 10.000 Ingenieure tätig; der Bedarf für das Jahr 2012 liegt bei 800 Ingenieuren. „Wir schlagen keinen Alarm, stellen jedoch fest, dass die Zahl der geeigneten Bewerbungen abnimmt“, antwortet Kerstin Wagner, im Konzern Leiterin des Bereichs Recruiting & Employer Branding auf die Frage „Fachkräftemangel – ja oder nein?“. Die Personalverantwortliche hat festgestellt, dass potenzielle Kandidaten heute häufig über mehrere Alternativen bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers verfügen. „Gerade in Süddeutschland stehen wir in einem harten Wettbewerb bei Ingenieuren sowie gut qualifizierten Fachkräften wie Mechatronikern“, so Wagner. Und auch bei der Deutschen Bahn verschärft die Altersstruktur der Belegschaft die Problematik: „42 Prozent unserer Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt. Viele werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen.“ Keine pauschale Antwort zum Fachkräftemangel möchte man dagegen beim Halbleiterhersteller Infineon geben, wo vor allem spezialisierte Ingenieure aus den Bereichen IT, Software und Elektrotechnik gefragt sind. Ob es einen konkreten Mangel zu beklagen gebe oder nicht, hänge im Einzelfall vom Standort und der gesuchten Fachrichtung ab. „Gewisses Spezial-Know-how für einen bestimmten Standort zu finden, kann manchmal schwierig sein. Im Großen und Ganzen können wir unsere Stellen jedoch gut besetzen“, sagt Rainer Schmidt-Rudloff, Senior Manager Human Ressources bei der heute eigenständigen ehemaligen Siemens-Tochter mit Sitz in Neubiberg südöstlich von München.Einstiegsgehälter: Master verdient in der Spitze mehr
Die IG Metall hat jetzt eine Studie über Einstiegsgehälter für Absolventen technischer Studiengänge in Unternehmen aus den Bereichen Elektro, IT, Maschinenbau, Stahl und Telekommunikation vorgelegt. So erhalten Uni- Absolventen mit Master-Abschluss im ersten Karrierejahr ein Entgelt (fixes Monatsgehalt plus Zuschläge wie Urlaubsgeld oder 13. Jahresgehalt) in Höhe von 49.414 Euro (FH: 48.018 Euro); Bachelor-Absolventen von der Uni können mit 45.965 Euro rechnen (FH: 45.500 Euro). Während Bachelor- und Master- Absolventen am unteren Rand der Skala nahezu gleich viel verdienen, begründet sich die Entgelt-Lücke über die Einstiegsspitzengehälter: Master-Absolventen von der Uni kommen in der Spitze jährlich auf 54.695 Euro – wer die Uni mit einem Bachelorabschluss verlässt, auf maximal 49.563 Euro.
Einsteiger dürfen Ansprüche stellen
Egal, ob man nun den Begriff Fachkräftemangel nutzt oder nicht: Alle Unternehmen sind sich einig, dass sich die Einstiegssituation von Nachwuchskräften gewandelt hat. Da die Nachfragen nach top-qualifizierten Ingenieuren – zumal, wenn sie schon früh internationale Erfahrung gesammelt haben und sich als starke Persönlichkeit darstellen können – zweifellos sehr hoch ist, müssen ambitionierte Einsteiger nicht nur Leistungsbereitschaft signalisieren, sondern sie dürfen auch Ansprüche stellen. Interessant: Hier stehen bei der jungen Generation weniger Gehälter, Aufstiegsmöglichkeiten und Privilegien wie der Firmenwagen im Fokus. „Heutige Absolventen wollen beruflich weiterkommen – aber nicht um jeden Preis“, heißt es bei Infineon. „Sie wünschen sich eine gute Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem sowie Erfolg und Erfüllung in beiden Welten.“ Die meisten Technologie-Unternehmen haben die Zeichen der Zeit verstanden und reagieren auf die Wünsche der jungen Ingenieurgeneration. Wie groß bei den Unternehmen und Konzernen der Stellenwert einer zeitgemäßen Recruiting-Strategie ist, zeigt das Beispiel Deutsche Bahn: Mit dem Ziel, bis 2020 zu den zehn Top-Arbeitgebern des Landes zu zählen, hat der Konzern begonnen, sich im Bereich Recruiting und Employer Branding neu aufzustellen. Auslöser für diesen Schritt war die Beobachtung, dass sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren zu einem Bewerbermarkt gewandelt habe. Oder anders gesagt: Wer gut ist, hat die Wahl – und wer als Unternehmen gewählt werden möchte, muss etwas bieten. „Wir treffen daher auf junge, gut ausgebildete Kandidaten, die von den Unternehmen vor allem Glaubwürdigkeit, faszinierende Aufgaben und Flexibilität fordern“, hat die Recruiting- Verantwortliche Kerstin Wagner festgestellt. Mit der neuen Recruiting-Strategie möchte sie erreichen, dass der Ingenieurnachwuchs den Konzern als einen Arbeitgeber auf dem Schirm hat, der mehr zu bieten hat als Karrieren für Lokführer oder Zugbegleiter. Das Konzept der Deutschen Bahn, um die stark nachgefragten Besten zu locken: eine intensive Einstiegsphase, die von einem Mentor begleitet wird und die den Einsteiger schnell und eigenverantwortlich in die vielen Großprojekte des Unternehmens führt. Dem Nachwuchs ist es wichtig, dass er direkt das Gefühl bekommt, gebraucht zu werden. Entscheidend ist ein schneller Einstieg aber auch für die Unternehmen: Wenn es an Nachwuchs fehlt und die Belegschaften immer älter werden, kann es sich der Arbeitgeber nicht leisten, die frischen Kräfte im Schneckentempo an die wichtigen Aufgaben heranzuführen.Schneller Einstieg als Herausforderung
Die hohe Geschwindigkeit, mit der Ingenieure heute einsteigen, stellt den Nachwuchs auch vor Herausforderungen. So sollten Einsteiger aufpassen, gerade in den ersten Monaten nicht überfordert zu werden. Die vielen Programme im Bereich Work-Life-Balance, die auch Technologie-Unternehmen im Angebot haben, richten sich auch an den Nachwuchs – und man sollte als begehrte Fachkraft nicht davor scheuen, perspektivisch über Themen wie Sabbaticals, Auszeiten oder Kinderbetreuung zu sprechen. Für den Erfolg eines Unternehmens von besonders großer Bedeutung ist das funktionierende Miteinander zwischen dem Ingenieurnachwuchs und den älteren Kollegen. Schließlich ist ein wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel der kurz- oder mittelfristige Ruhestand der sogenannten Babyboomer- Generation (also die Geburtenjahrgänge 1955 bis 1965). Die Umbrüche in der Altersstruktur der Belegschaften verlangt, dass Greenhorns und alte Hasen möglichst schnell zusammenfinden. Damit das Wissen und die Erfahrung der Älteren nicht verloren gehen – und der Nachwuchs wiederum schnell in den Betrieb integriert wird.Frischer Wind trifft Erfahrung
Zwar schätzen die Technik-Unternehmen die Motivation, Kreativität und Innovationskraft der jungen Generation. Doch die fachlichen Kompetenzen und nicht zuletzt das praxisnahe Knowhow im direkten Kundenkontakt der Erfahrenen zählen zum personellen Kernkapital. „Die Älteren wissen ihre Potenziale optimal zu nutzen und können auf ihre langjährigen Erfahrungen bauen“, sagt Rücker-Geschäftsführer Thomas Aukamm. „Dagegen bringen die Jungen mit neuen Ideen, großem Engagement und modernen Sichtweisen viel frischen Wind ins Unternehmen.“ Der Wissenstransfer von Alt zu Jung ist eine Kernkompetenz guten Personalmanagements – gerade im Hinblick darauf, dass man Wissen und Erfahrungen nicht wie in einem IT-System von einer Festplatte auf die nächste kopieren kann. Daher kommt es auf das Zusammenspiel an. „Der Volksmund hat es auf den Punkt gebracht: Die Jungen laufen zwar schneller. Doch die Alten kennen die Abkürzung“, formuliert es Aukamm – wobei die Kombination aus hohem Tempo und cleveren Schleichwegen vor allem dann wichtig wird, wenn in den Unternehmen an bahnbrechenden Innovationen gearbeitet wird. Aukamm denkt zum Beispiel an Entwicklungsaufträge für die Automobilindustrie, die sich mit Hybrid- oder alternativen Antriebskonzepten beschäftigen. Gerade diese Themen faszinierten den Nachwuchs – immerhin habe man hier die Chance, die Mobilität der Zukunft mitzugestalten.Buchtipp: Herausforderung Fachkräftemangel
Warum Fachkräfte die Garanten für unternehmerischen Erfolg sind und vor welchen Aufgaben Unternehmen und auch Einsteiger in Branchen stehen, die vom Fachkräftemangel betroffen sind, analysiert das Fachbuch „Fachkräftemangel in Deutschland: Ausmaß, Ursachen und Lösungsstrategien“. Die Autorin Mariana Mitesser verweist dabei besonders auf die Folgen der Globalisierung: Da Produktionsprozesse günstiger in anderen Ländern durchgeführt werden können, stehen Länder wie Deutschland vor der Herausforderung, sich durch innovative Entwicklungen auszuzeichnen. Welche Rolle dabei top-qualifiziertes Personal und gerade auch Nachwuchskräfte spielen, zeigt das Buch. Die Lösungsansätze der Autorin geben Einsteigern zudem die Richtung vor, in der sie beim Karrierestart denken sollten. Mariana Mitesser: Fachkräftemangel in Deutschland: Ausmaß, Ursachen und Lösungsstrategien. Diplomica Verlag 2012. ISBN 978-3842874060. 39,90 Euro
Olá São Paulo – Hallo São Paulo!
São Paulo in Brasilien – eine der größten Städte der Welt. Joachim von Goetz wagte 2010 den Schritt und ging für SAP, einen Anbieter von Unternehmenssoftware, in die Millionenstadt. Er leitet dort ein Team des Co-Innovation Lab Brazil. Aufgezeichnet von Nina Augustat
Joachim von Goetz, 27 Jahre, studierte International Business Information Technology in Deutschland, England und Hongkong. 2004 startete er bei SAP, arbeitete in Deutschland, Singapur, USA und Japan.Im Dezember 2010 bot mein Chef mir an, ein Team der SAP in São Paulo aufzubauen und zu leiten. Bevor ich meine Entscheidung endgültig traf, flog ich für eine Firmenveranstaltung nach São Paulo, wo ich meine zukünftigen Arbeitskollegen zum ersten Mal getroffen habe. Sie nahmen mich mit einer solchen Herzlichkeit auf, dass meine Entscheidung schon nach kürzester Zeit feststand. Mein Team, das Co-Innovation Lab Brazil, leistet lokalen, regionalen und auch globalen Dienstleistungs-, Softwareoder Technologiefirmen technische Unterstützung bei der Entwicklung von Softwarelösungen. Wir arbeiten dabei eng mit anderen Bereichen der SAP zusammen – sei es in den lokalen Markteinheiten oder auch mit den globalen Abteilungen. So stellen wir sicher, dass die Lösung unsere Produktpalette funktional ergänzt, und versuchen, die Bedürfnisse unserer Kunden bestmöglich abzudecken. Es ist ein sehr interessantes Arbeitsumfeld, jedes Projekt ist einzigartig und bringt die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Das macht es jeden Tag wieder spannend. Wichtig ist mir, dass ich den Freiraum habe, meinen Arbeitstag so zu gestalten, wie ich das möchte. Glücklicherweise gibt es bei uns zum Beispiel eine Vertrauensarbeitszeit, wir haben also keine Stechuhr. Es kommt nicht darauf an, wann und wie lange wir im Büro sind, sondern darauf, dass wir unsere Aufgaben erledigen. Das ist besonders praktisch, wenn man mal etwas Privates erledigen muss. Ich glaube, dass das Thema Work-Life-Balance – unabhängig davon, in welchem Land man arbeitet – mittlerweile für fast alle Arbeitnehmer sehr wichtig ist und die Unternehmen erkannt haben, dass heute andere Faktoren zählen als lediglich ein gutes Gehalt und ein sicherer Arbeitsplatz. Aber es gibt sicherlich auch Unterschiede zwischen den Kulturen – meiner Erfahrung nach haben zum Beispiel die Asiaten ein anderes Verhältnis zu Arbeit und Freizeit als die Europäer.
Pause machen und Gutes tun SAP-Mitarbeiter haben seit 2012 die Möglichkeit, ein „Social Sabbatical“ einzulegen. Für vier Wochen reisen sie in kleinen Teams in Schwellenländer und geben dort ihr Fachwissen in Strategie, Marketing, IT, Finanzwesen, Consulting oder Recht an Unternehmen und kleine Firmen weiter. Die SAP-Mitarbeiter haben dabei die Gelegenheit, ihre Führungsqualitäten weiterzuentwickeln, kulturelles Wissen zu vertiefen und Kontakte mit anderen Führungskräften aus aller Welt zu knüpfen.In der „New York Times“ gab es einmal einen Reiseartikel, der den Kern der Stadt aus meiner Sicht sehr gut zusammenfasst. Er besagt ungefähr Folgendes: „São Paulo ist wahrscheinlich die hässlichste und gefährlichste Stadt, die du je lieben wirst.“ Die Sicherheit ist, neben der Infrastruktur, eine der größten Schwächen der Millionenstadt São Paulo. Außerdem machen allein die Größe und die Anzahl der dort lebenden Menschen es nahezu unmöglich, etwas in planbarer Zeit zu erreichen. Schon aus einigen wenigen Kilometern können, vor allem bei Regen oder nach Feierabend, schnell ein paar Stunden Autofahrt werden. Im Gegenzug bietet die Stadt aber vierundzwanzig Stunden am Tag alles, was man sich vorstellen kann – São Paulo ist eine Stadt, die niemals ruht. Es gibt für jeden Geschmack Stadtteile, immer wieder neue Restaurants und Bars, spontane Konzerte und kulturelle Veranstaltungen. Das Besondere: Überall wird man von brasilianischem Charme und Lebensfreude empfangen. Brasilien ist ein Land zum Erkunden und ein Land, auf das die Einwohner mit Recht sehr stolz sind. Mit meinen neuen Kollegen bin ich schnell in Kontakt gekommen, und wir gehen oft abends gemeinsam etwas trinken oder am Wochenende ins Restaurant – es ist fast wie in einer großen Familie. Das Wichtigste ist, immer offen und flexibel zu sein, egal, was kommt, und sich dabei mit seiner eigenen Art möglichst gut in die lokale Kultur einzufinden. Zurückblickend fallen mir viele schöne Situationen ein, an die ich mich gerne erinnere – fast alle haben allerdings eines gemeinsam: Immer waren gute Freunde oder Kollegen dabei. Ich finde es toll, wenn man mit den verschiedensten Menschen an den unterschiedlichsten Orten Gemeinsamkeiten entdeckt und diese im Idealfall zusammenbringen kann. Im Moment liegt mein Fokus auf dem Erfolg des Teams und der Partnerschaften. Ich möchte mein Team so etablieren, dass es erfolgreich ist und vor allem auch nach meinem Weggang – mit einem entsprechenden Nachfolger – weiterlaufen kann. Ich denke noch nicht darüber nach, wann ich gehen werde oder was ich danach machen werde. Klar habe ich Ideen, was kommen könnte, aber vor knapp zwei Jahren hätte ich auch noch nicht geglaubt, dass ich jetzt in Brasilien lebe. Planung ist zwar ein wichtiges Element der Karriere, aber man sollte sich nie die Möglichkeit verbauen, neue interessante Möglichkeiten spontan zu erkennen. Mein erstes Visum ist zwei Jahre gültig, und vor kurzem habe ich meine Visumsverlängerung beantragt. Eines ist für die Zukunft klar: Ich möchte weiterhin mit verschiedensten Kulturen arbeiten und versuchen, diese miteinander zu verbinden. Ich will täglich mehrere Sprachen sprechen, spannende Ideen mit neuen Technologien realisieren und im Idealfall dabei neue Geschäftsmodelle oder -konzepte bauen. Vor allem aber möchte ich den täglichen Spaß und die Herausforderung nie verlieren.
Brasilien
Landesinformationen:
Größe: 8,5 Mio. km2 Einwohner: 192 Mio. Hauptstadt: Brasília (450.000 Einwohner) Klima: Durchschnittstemperatur in São Paulo: Januar 27°C/Juli 22°C Landessprache: Brasilianisches Portugiesisch Währung: Real – 1 Euro = 2,58 Real (Stand: 07.09.12) Flugdauer Direktflug: Frankfurt – São Paulo circa 11 Stunden, Kosten: ca. 500 Euro Essen: Nationalgericht São Paulos ist die Feijoda, ein Bohnentopf mit verschiedenen Fleischsorten. Auch ein Besuch in einem typisch brasilianischen Restaurant lohnt sich: Beim Churrasco werden verschiedene Fleischsorten direkt am Tisch von einem Spieß geschnitten und serviert. Zeitverschiebung: GMT -3 Stunden Einreisebedingungen: Für die Einreise nach Brasilien benötigen deutsche Staatsangehörige einen gültigen Reisepass. Aufenthalte von bis zu 90 Tagen sind visumsfrei möglich.
Betrieblicher Gesundheitsmanager
Eine Ausbildung zum betrieblichen Gesundheitsmanager qualifiziert zur Entwicklung und Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements im Unternehmen. Es gibt diverse Studiengänge mit Zertifikatsabschluss oder Masterstudiengänge – eine Auswahl stellen wir hier vor. Von Kerstin Neurohr
Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Bielefeld Das Angebot richtet sich an Führungskräfte und Experten und ist eine Kombination aus Studium, Praxisprojekt und Beratung/Mentoring. Zur Wahl stehen eine einjährige Weiterbildung, die mit dem Universitätszertifikat „Betrieblicher Gesundheitsmanager“ abschließt, ein zweijähriger akkreditierter Masterstudiengang „Workplace Health Management“ sowie themenspezifische Seminare. www.bgm-bielefeld.de Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement Die staatlich anerkannte private Hochschule bietet fünf teilweise ausbildungsbegleitende Bachelor- und zwei Masterfernstudiengänge an, unter anderem in Gesundheitsmanagement, Prävention und Gesundheitsmanagement, Fitness- oder Sportökonomie, Fitnesstraining und Ernährungsberatung. www.dhfpg.de Hochschule Magdeburg-Stendal Der Bachelorstudiengang „Gesundheitsförderung und -management“ dauert sechs Semester, schließt Praktika ein und beginnt immer zum Wintersemester. Der konsekutive Masterstudiengang „Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung“ richtet sich an Gesundheits- und Sozialwissenschaftler und dauert vier Semester. www.hs-magdeburg.de Zentrum für Fernstudien und Universitäre Weiterbildung (ZFUW) der Universität Koblenz-Landau Der berufsbegleitende Universitätszertifikatslehrgang zum „Gesundheitsmanager (univ.)“ richtet sich an alle Fach- und Führungskräfte. Die insgesamt acht Module zur betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung finden über sieben Monate hinweg jeweils von Freitag bis Samstag statt. https://www.uni-koblenz-landau.de/de/zfuw IHK-Düsseldorf in Kooperation mit dem IST-Studieninstitut Die fünfmonatige berufsbegleitende Weiterbildung „Betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK-Zertifikat)“ wird als Kombination aus Fernunterricht und zwei Präsenzphasen durchgeführt. Teilnehmen kann, wer eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen hat und Berufserfahrung in bestimmten Arbeitsbereichen vorweisen kann. www.ist.deHerausforderung Vielfalt
Welcher Studierende kennt sie nicht, die Berichte von den absoluten Traumarbeitsplätzen: Bei dem größten Internetkonzern soll das Büro wie eine Mischung aus Lounge, Club und Fitnessstudio aussehen. Hochschulabsolventen fragen sich, wie ihre eigenen Perspektiven aussehen. Von Kerstin Tote, Charta der Vielfalt e.V. www.charta-der-vielfalt.de
2006 gründeten vier große Konzerne zusammen mit Staatsministerin Maria Böhmer, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, die Initiative „Charta der Vielfalt“, um für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld zu sorgen. Eine moderne Strategie hatte es aus den USA bis in die Managementebenen deutscher Unternehmen geschafft. Ihr Name: Diversity Management. Dabei geht es um den richtigen Einsatz und das Management von personeller Vielfalt. Die Wertschätzung der Vielfalt der Beschäftigten ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern dient dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Hier gibt es eine Reihe von Effekten: Beschäftigte, die sich respektiert fühlen, sind loyaler und arbeiten motivierter. Die richtige Zusammensetzung von gemischten Teams erweitert Perspektivenreichtum, Kreativität und marktgerechte Anpassung von Unternehmen und damit ihre Effizienz. Auch die öffentliche Wahrnehmung wird durch ein pluralistisches Unternehmensbild positiv beeinflusst. Mittlerweile wird die Initiative von dem gemeinnützigen Verein „Charta der Vielfalt e.V.“ getragen, und dieser ist der Impulsgeber, wenn es um Vielfalts- Management in Deutschland geht. 18 Konzerne sind Mitglied im Verein, Staatsministerin Böhmer hat einen festen Vorstandssitz und ist damit die Verbindung zur politischen Szene der Hauptstadt. Herzstück des Vereins ist eine Selbstverpflichtung. Mit ihrer Unterzeichnung verpflichten sich Organisationen dazu, eine Kultur zu pflegen, die auf Respekt und Wertschätzung beruht. Diese Selbstverpflichtung haben bereits über 1300 Unternehmen und öffentliche Institutionen unterschrieben, damit repräsentieren sie sechs Millionen Beschäftigte. Diversity Management hat sich somit zu einem breiten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trend entwickelt. „Wichtig für Unternehmen ist es, die ,Herausforderung Vielfalt‘ als ganzheitlichen Diversity-Ansatz zu begreifen und als Querschnittsstrategie in alle Unternehmensbereiche zu implementieren“, so Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin des Vereins. Die Konzentration auf einen Aspekt von Vielfalt ist also nicht zu empfehlen, schließlich zeichnet sich die moderne Gesellschaft durch eine Vielzahl an Zugehörigkeiten aus: Alter, Gender, ethnische und soziale Herkunft, Weltanschauung und Religion, Behinderung oder sexuelle Orientierung. Abhängig von den Voraussetzungen in der Organisation, sei es die Struktur der Beschäftigten oder auch die Zielgruppe der Organisation, müssen die Maßnahmen individuell entwickelt werden. Diversity ist eine Reise, und Voraussetzung ist, sich auf den Weg zu machen.