Form follows Function

Foto: zebris Medical GmbH
Foto: zebris Medical GmbH

Immer kleiner, immer leichter und immer komplexer – medizinische Geräte unterliegen hohen Anforderungen. Kommen sie direkt mit Patienten in Berührung, muss nicht nur die Technik einwandfrei funktionieren, sondern auch das Design stimmen. Von Helmut Wilczek

Ich habe im Auftrag der Firma Zebris ein Kieferregistriersystem entwickelt und designt. Es wird in Zahnkliniken und bei niedergelassenen Kieferchirurgen eingesetzt, um Probleme der Kieferverschiebung, Schmerzen bei Kaubewegungen oder Zahnverschiebung richtig zu erkennen und mit der entsprechenden Software für den Zahnarzt klar zu visualisieren. Es erfasst berührungslos alle Freiheitsgrade des Unterkiefers nach der Methode der Laufzeitmessung von Ultraschallimpulsen.

Maschinenbau-Konstrukteur

Wer als Konstrukteur oder Entwickler arbeiten möchte, bringt als beste Voraussetzung ein abgeschlossenes technisches Studium mit. Neben Maschinenbau und anderen technischen Studiengängen gibt es auch ganz spezielle Ausrichtungen in Konstruktionstechnik.

Ein Beispiel ist die Hochschule Ravensburg-Weingarten. Dort gibt es den Masterstudiengang „Produktentwicklung im Maschinenbau“. Hierfür ist ein überdurchschnittlich guter Bachelor- oder Diplom- Abschluss in Maschinenbau, Fahrzeugtechnik oder in einem verwandten Studienfach Voraussetzung. Außerdem sollten Bewerber gern selbst Initiative ergreifen, Spaß bei der Arbeit im Team haben und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Es ist dabei nicht entscheidend, ob Bewerber sich direkt nach ihrem Erststudium oder nach ein paar Jahren Industrieerfahrung für das Masterstudium entschließen.

Infos unter: www.hs-weingarten.de

Das System besteht aus einem Gesichtsbogen, integrierten Empfängermodulen und einem gelenknachmessenden Unterkiefersensor. Um ein solch komplexes, biomechanisches Messgerät für Patienten zu entwickeln, ist der wichtigste Faktor die ergonomische Betrachtung. Bei dem Kieferregistriersystem ist dies die sogenannte statische Anthropometrie, im Speziellen die Kopf- und Gesichtsmaße von Frauen, Männern, Jugendlichen und Kindern. Denn außer den dürftigen maßlichen Festlegungen, welche es in der einschlägigen Literatur gibt, ist dies die einzige Möglichkeit, die Maße an mehreren Personen zu vermessen beziehungsweise Prototypen und deren Verstellbarkeit auszuprobieren. Der am Kopf befestigte Empfänger-Gesichtsbogen muss sowohl einen verstellbaren Öffnungswinkel als auch Verstellmöglichkeiten vor und zurück sowie rauf und runter (für die Kopfgröße) aufweisen. Alle Verstellmöglichkeiten sollen ohne großen Aufwand schnell und präzise ausgeführt werden können.

Die wesentlichen Punkte, die ich bei der Gestaltung dieses Kieferregistriersystems beachten musste, sind neben der Handlichkeit die Bedienbarkeit, auch Usability genannt, die Gebrauchstauglichkeit und das Gewicht. Das Gewicht ist von besonderer Bedeutung, da die beiden Teile am Kopf des Patienten befestigt werden und der Patient während des Messvorgangs in relativer Bewegungslosigkeit verharren muss. Zudem muss der Patient den Unterkiefersensor mit der Bissgabel mithilfe eines Magneten im Mund halten. Für Benutzerfreundlichkeit und Handlichkeit spricht die schnelle Befestigungsmöglichkeit am Kopf sowie leichte Verstellbarkeit. Die korrekt festgelegten Kopfmaße für Mann, Frau oder Kind ermöglichen die richtige Befestigung am Kopf ohne Verrutschen oder Wackeln.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Entwicklung eines solchen medizinischen Systems ist die Psychologie. Der Patient befindet sich in einer Ausnahmesituation und reagiert meist sensibel. Auftretende Irritationen oder Ängste können abgebaut werden, wenn das Berühren des Gerätes als angenehm und nicht als kalt und rau empfunden wird und wenn das Produkt keine aggressive Form aufweist. So sollte die Anbringung an Ober- und Unterkiefer nicht einengen, Schmerzen oder Angst verursachen. Darüber hinaus sollte das System so klein und so leicht wie möglich sein.

Um vom Design zum Produkt zu kommen, haben sich fünf Arbeitsphasen bewährt, die ich in enger Abstimmung mit dem Kunden durchlaufe. Zunächst fertige ich Skizzen vom Produkt an, um ein Produktdesign-Konzept zu finden. Dieses wird anschließend mit sogenannten Renderingzeichnungen eins zu eins visualisiert und mit Ansichtszeichnungen der ungefähren Konstruktion veranschaulicht. In der dritten Phase arbeite ich die ausgesuchte Produktdesign- Variante aus. Mit 2-D-Zeichnungen mit Vorkonstruktion bemühe ich mich, das Produktdesignmodell so realistisch wie möglich darzustellen. Die vierte Phase umfasst die 3-D-Konstruktion der designten Teile für einen Prototypenbau. In Phase 5 überarbeite ich, wenn nötig, die 3-D-Konstruktion.

Wie so oft bei medizinischen Geräten ist auch hier das Produktdesign dem Diktat der Funktion unterworfen. Das entstandene Design des Geräts bezeichnet man als technisches Produktdesign. Hierbei sollte trotz der zuvor ausgeführten Funktion die Ästhetik und die sinnliche Wahrnehmung, der sogenannte ästhetische Wert des Produkts, nicht vernachlässigt werden, denn Design soll immer die Produktqualität sichtbar machen und das Produkt wertvoll erscheinen lassen.

Bei der Konstruktion solch filigraner Produkte ist es wichtig, eine größere Gesamtstabilität des Ganzen zu erzielen. Hier war es notwendig, die filigranen Auslegerarme des Kieferregistriersystems zu verrippen. Dies ist mit einer 3-D-Software gut zu bewerkstelligen. Um den äußeren Wert des Produktdesigns anzuheben, achte ich immer darauf, eventuelle sogenannte Einfallstellen im Kunststoffteil zu vermeiden. Für die Fertigung ist das Verfahren des Kompaktspritzgusses am besten geeignet. So kann mit relativ dünnen Wandstärken und der Verrippung sowie unter Verwendung des richtigen Werkstoffs ein ausreichend stabiles Produkt entstehen. Zudem gibt der passende Werkstoff der Produktoberfläche die wichtige ästhetische Anmutung.