Arbeitsrechtler

Der Bereich des Arbeitsrechts ist in all seinen Dimensionen vielfältig: Was Ansprechpartner und Themen betrifft genauso wie den Alltag. Um in dem Bereich erfolgreich zu sein, braucht es aber auch einige Voraussetzungen. Von Dr. Svenja Fries und Marco Maurer, Rechtsanwälte bei Mayer Brown LLP, Frankfurt a.M.

Wie abwechslungsreich das Arbeitsrecht ist, zeigt sich in der Praxis bereits an den Ansprechpartnern: Neben Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Richtern und Anwaltskollegen zählen hierzu Betriebsräte, Tarifvertragsparteien, Transfergesellschaften und Sozialversicherungsträger. Weiterhin bestehen Berührungspunkte zu den Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sowie zu betrieblichen und staatlichen Datenschutzbeauftragten. So vielfältig diese Mischung, so spannend ist auch das Tätigkeitsfeld des Arbeitsrechtlers. Gerade in einer internationalen Wirtschaftskanzlei, die sich nicht nur auf transaktionsbezogenes Arbeitsrecht beschränkt, sondern Mandanten in allen Bereichen des Arbeitsrechts berät, ist das Spektrum der Fragen, enorm vielschichtig: Die Beratung umfasst immer wieder Einzelthemen wie Scheinselbständigkeit, Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Videoüberwachungoder die Zulässigkeit der Übermittlung von Arbeitnehmerdaten ins Ausland. Daneben stehen arbeitsrechtliche „Schwergewichte“, etwa die Betreuung eines Betriebsübergangs oder einer Betriebsstilllegung. Bei derart komplexen Prozessen setzt die Beratung oft schon bei der Vorbereitung der unternehmerischen Entscheidung an und erstreckt sich bis über deren endgültigen Vollzug hinaus. Das arbeitsrechtliche Mandat wird nicht nur am Schreibtisch bearbeitet. Der Arbeitsrechtler vertritt seine Mandanten vor Gericht und ist häufig auch bei Einigungsstellenverfahren, Aufsichtsratssitzungen oder Betriebsversammlungen vor Ort. Besonders spannend ist es, mit international tätigen Mandanten zusammenzuarbeiten. Denn nicht selten sind ausländische Ansprechpartner überrascht, wenn sie hören, wie weit die Regelungstiefe im deutschen Arbeitsrecht reicht und wie komplex die Zusammenhänge sind. Was muss der Anwalt für eine Spezialisierung im Arbeitsrecht mitbringen? Wichtig – sozusagen die Basisausstattung – sind natürlich umfassende Kenntnisse des Arbeitsrechts, aber auch des Zivilrechts. Die Entscheidungsfreudigkeit des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sorgt stets für hinreichende Abwechslung. Sehr wertvoll ist zusätzlich ein gutes Verständnis für wirtschaftliche und unternehmerische Zusammenhänge. Und um in die Spitzenklasse der Arbeitsrechtsanwälte vorzustoßen, bedarf es neben einer gesunden Mischung aus Durchsetzungsstärke und Diplomatie auch einer gehörigen Portion Kreativität, um die Gestaltungsspielräume in der Arbeitswelt ausschöpfen zu können.

Kapitalmarktrechtler

Kapitalmarktrecht, das bedeutet die Begleitung von Börsengängen (IPOs), Kapitalerhöhungen und Aktienplatzierungen, aber auch die Begebung von Wandelschuldverschreibungen oder High Yield Bonds. Auch wenn die Beratung einer solchen Transaktion neben profunden Rechtskenntnissen jahrelange Erfahrung erfordert, bietet der Bereich auch Anfängern gute Möglichkeiten, sich in die Praxis einzubringen. Von Dr. Anna Schwander, Partnerin bei Kirkland & Ellis, München

Ein Unternehmen an die Börse zu bringen, ist eine hochkomplexe Transaktion. Sie involviert Banken, manchmal bis zu fünf, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte für das Unternehmen, für die Banken sowie den oder die Altgesellschafter, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als regulatorische Behörde und manchmal außerdem PR-Berater. Es gilt einen Wertpapierprospekt zu erstellen und von der BaFin prüfen und billigen zu lassen. Der Prospekt beschreibt das Unternehmen in all seinen Facetten, Stärken und Schwächen, Risiken und Strategien, seine Finanzzahlen der letzten drei Jahre, das Marktumfeld, die steuerlichen Aspekte sowie die genaue Angebotsstruktur. Der Formwechsel in eine Aktiengesellschaft muss vorbereitet werden mit Vorstandsverträgen, der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, Geschäftsordnungen, Satzung und Corporate-Governance-Strukturen. Oft müssen neue Finanzierungsverträge abgeschlossen werden, insbesondere wenn die Verschuldung des Unternehmens im Rahmen des IPO (Initial Public Offering) reduziert werden soll. Gleichzeitig wird mit Banken und Altgesellschafter(n) die Angebotsstruktur erarbeitet, die die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten, aber auch die Erwartungen der Investoren, berücksichtigen muss. Es können sowohl Aktien aus einer Kapitalerhöhung, als auch aus dem Bestand der Altgesellschafter platziert werden. Gehört das Unternehmen Finanzinvestoren, kann der IPO dem sogenannten Exit dienen. Die Strategie des Unternehmens wiederum muss passen, um als Equity Story das Interesse der Investoren zu wecken und den Banken beim Verkauf der Aktien zu dienen. Die Beziehungen der Parteien untereinander und die einzelnen Schritte der Transaktion werden ebenfalls vertraglich geregelt. Ist das Unternehmen am Kapitalmarkt zugelassen, muss es den Anforderungen und Pflichten des Kapitalmarkts entsprechen. Dies umfasst zahlreiche Veröffentlichungs- und Meldepflichten: Werden diese nicht eingehalten, drohen nach der neuen Marktmissbrauchsverordnung hohe Bußgelder. Die Beratung von Kapitalmarkttransaktionen erfordert weitreichende Kenntnis der rechtlichen Strukturen, tiefes wirtschaftliches und unternehmerisches Verständnis, Know-how zum Kapitalmarkt und nicht zuletzt große Freude daran, eine Vielzahl von Beteiligten und verschiedene Workstreams zu koordinieren. Berufseinsteiger lernen hier sehr anspruchsvolles und abwechslungsreiches juristisches Arbeiten kennen.

CSR – das neue „Weltrecht“

Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) und die mit ihm zusammenhängenden Inhalte  befinden sich derzeit noch in der  Entwicklung. Es gibt keine eindeutige Definition von CSR: Vieles fällt unter den Begriff, ganz unterschiedliches wird unter ihm verstanden. Dr. Birgit Spießhofer gibt einen Einblick. Die Fragen stellte Christoph Berger Frau Dr. Spießhofer, was fällt alles unter den Begriff CSR? CSR bedeutet zu Deutsch „Unternehmerische Verantwortung“. Somit hat das Thema viele Facetten: Es gibt den philosophisch-wirtschaftsethischen sowie den betriebswirtschaftlichen Ansatz. Und in zunehmender Weise gibt es auch juristische Aspekte. Dabei ist das Thema für Juristen prinzipiell nicht neu. Vielmehr geht es beim gesamten Wirtschaftsrecht letztlich darum, eine rechtliche Rahmenordnung für Wirtschaften darzustellen oder zu entwickeln. Auch bei der anwaltlichen Beratung geht es um unternehmerische Verantwortung. Juristen kennen das Thema bisher aber vor allem in der Ausformung rechtlicher Verantwortung.

Zur Person

Dr. Birgit Spießhofer M.C.J. (New York  University), ist Rechtsanwältin und seit 2010 als Of Counsel im Berliner Büro von Dentons vorwiegend im öffentlichen Wirtschaftsrecht sowie im Bereich der unternehmerischen Verantwortung (Corporate Social Responsibility – CSR) tätig. Birgit Spießhofer gründete im Juni 2009 die „Gaemo Group – Corporate Responsibility International“. Sie ist Chair des CSR Committee des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) und Vorsitzende des Ausschusses Compliance und CSR des Deutschen Anwaltvereins. Sie war unter anderem Co-Chair des CSR Com-mittee der International Bar Association.
Welche Formen kann diese Verantwortung annehmen? Im Falle des Umweltrechts kann die Verantwortung zum Beispiel vorsorglich sein. Sie kann exekutiv sein, indem man bestimmte Tätigkeiten in einer ganz bestimmten Weise ausführt, weil es dafür klare Vorgaben gibt. Und die Verantwortung kann reaktiv beziehungsweise repressiv sein, indem für Unverantwortlichkeiten entweder zivilrechtliche Schadenersatzpflichten, strafrechtliche oder auch verwaltungsrechtliche Sanktionen drohen. Das Thema ist somit das tägliche Brot der Juristen. In der juristischen Beratung läuft es auch oftmals unter dem Stichwort Compliance. Das ist ein etabliertes juristisches Geschäftsfeld für Anwälte und Inhouse-Juristen. Was ist dann neu an CSR aus der juristischen Perspektive? Es geht darum, dass das Recht im Wesentlichen national ist. Das Wirtschaften ist aber global geworden. Das nationale Recht bietet daher ein nicht ausreichendes Handwerkszeug, um globales Wirtschaften in eine angemessene Rahmenordnung zu bringen. Wie kommen wir zu globalem Recht, zu globalen Normen, zu einer globalen Rahmenordnung für globales Wirtschaften? Das ist die entscheidende Frage. Ausgelöst wurde die Debatte dazu zum Beispiel durch die Arbeitsbedingungen oder Umweltbedingungen in der 3. Welt. Es geht auch darum, dass die westlichen Unternehmen in westlichen Ländern eine sehr präzise und effektive Rahmenordnung für ihr Wirtschaften haben, womit ihnen bestimmte Dinge untersagt werden und klar ist, dass diese Rahmenordnung auch durchgesetzt wird. Dem ist nicht so in anderen Ländern. Das Gefälle – die sogenannten Governance Gaps – zwischen der 1. und der 3. Welt muss überbrückt werden. Dafür sind normative Mechanismen zu entwickeln. Wie schwierig ist eine solche Entwicklung und Umsetzung? Ausgangspunkt ist, dass das herkömmliche Völkerrecht nicht suffizient ist, es ist an Staaten gerichtet, basiert vor allem auf völkerrechtlichen Verträ-gen. Es dauert jedoch lange bis völkerrechtliche Verträge ausgehandelt werden – dann oft nur zu spezifischen Detailthemen –, und die Verträge sind von nationalstaatlichen Ratifizierungen und der Umsetzung im innerstaatlichen Bereich abhängig. Aus dieser Insuffizienz hat sich die Forderung nach neuen Instrumenten abgeleitet.

CSR-Richtlinie

Ab dem 6. Dezember 2016 gilt: Große, börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen müssen in ihren Lageberichten künftig stärker als bisher auf wesentliche nichtfinanzielle Aspekte der Unternehmenstätigkeit eingehen:  Es geht um Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Wie weit ist das Thema in Deutschland verbreitet? Das Thema ist in Deutschland sehr verbreitet. In der Vergangenheit wurde das Thema mehr unter dem Aspekt der Freiwilligkeit gesehen. Das war 2001 auch zunächst die Definition der Europäischen Kommission: CSR ist die freiwillige Befolgung von ökologischen, menschenrechtlichen und sozialen Standards über das herkömmliche Recht hinaus. Diese Definition hat sich geändert durch ein Strategiepapier der Europäischen Kommission von 2011: Unternehmen sind für ihre negativen Auswirkungen verantwortlich; die Einhaltung des geltenden Rechts ist das Minimum; die unternehmerische Verantwortung ist dadurch aber nicht erschöpft, sondern geht darüber hinaus. Dieses „darüber hinausgehen“ hat teilweise freiwillige Aspekte, verdichtet sich aber immer mehr zu verbindlichen Instrumenten. Zum Beispiel wurde CSR nun in den Vergaberichtlinien berücksichtigt. Und auch im Fall der CSR-Reporting-Richtlinie wurde geltendes EU-Recht geschaffen. Wir sehen also Instrumente harten Rechts, mit denen CSR-Aspekte implementiert werden. Wir sehen darüber hinaus aber auch, und dies ist das Hauptfeld, zunehmend normative Instrumente internationaler Provenienz wie zum Beispiel den UN Global Compact, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder auch die ISO 26000. Hier werden soziale Erwartungen an Unternehmen formuliert, die eine Form von ethischem Anspruch oder, wie man früher sagte, Anstand beinhalten. Die Unternehmen, die diesen Ansprüchen nicht genügen, werden oftmals im Internet oder an anderen Orten an den Pranger gestellt. Die Verbindung von Soft- mit Hard-Law wird also zunehmend für die  Praxis relevant? Genau. Der Bereich der Compliance, also des geltenden harten Rechts, muss zunehmend um weiches Recht ergänzt werden, weil die Soft-Law-Vorgaben in der als Beispiel angesprochenen CSR-Reporting-Richtlinie relevant sein können. Wir haben hybride Formen, die bei den Unternehmen auftreffen, die dann Beratung abfragen. Wir haben aber auch die Entwicklung, dass Soft-Law-Vorgaben zur im Verkehr üblichen Sorgfalt werden. Damit werden sie zum Element des Fahrlässigkeitstatbestands von zivilrechtrechtlicher als auch strafrechtlicher Haftung. Das Thema wird also zu einem zunehmenden Faktor in der Rechtsberatung.

CSR-Ausbildung

Die DIHK-Bildungs-GmbH bietet den  Zertifikatslehrgang CSR-Manager (IHK) an. Weitere Infos unter: www.dihk-bildungs-gmbh.de/news/2012/erfolgreich-engagiert-neuer- zertifikatslehrgang-csr-manager-ihk
Was bedeutet das für die Arbeit der Anwälte und Kanzleien? Das Thema kommt dort erst langsam an. Im angelsächsischen Bereich ist man schon weiter, von dort kommt es auch. Relevant wird es sowohl für die Beratung der Öffentlichen Hand als auch für die Beratung der Zivilgesellschaft und der Unternehmen. Und die Kanzleien selbst sollen auch CSR-Vorgaben erfüllen. Sie veröffentlichen CSR- oder Nachhaltigkeitsberichte. Inhaltlich geht es da zum Beispiel darum, wie auf Diversity geachtet wird, man versucht den Carbon-Foot-print zu reduzieren unterstützt soziale oder kulturelle Projekte oder berät pro bono. Ein eigener Rechtsbereich wird CSR aber nicht werden, oder? Es wird kein Rechtsbereich wie Umwelt- oder Kartellrecht werden. CSR ist ein Querschnittsbereich, der ganz verschiedene Bereiche beeinflusst. Zum Beispiel schlägt sich der menschenrechtliche Bereich im Arbeits- und Arbeitsschutzrecht nieder und im Bereich der Nicht-Diskriminierung oder Diversity. Aber auch auf das Bergrecht hat CSR Einfluss: Nehmen Sie zum Beispiel „Land Grabbing“ bei großen Bergbauvorhaben. Und auch die Themen Korruption, das Kartellrecht und die Geldwäsche fallen unter CSR. Beim Steuerrecht wird zudem diskutiert, inwieweit Anwälte zukünftig nur zur Legalität des Steuerrechts oder ob sie auch zur Legitimität beraten sollen oder müssen.

Buchtipp

Cover Steuerung von Corporate Social Responsibility durch RechtDas Buch „Steuerung von Corporate Social Responsibility durch Recht“ greift die These auf, dass zuletzt auch staatliche und überstaatliche Stellen die Dynamik der Thematik CSR aufgegriffen haben und somit vermehrt von einer „Verrechtli-chung“ der CSR gesprochen wird. Der Autor identifiziert und strukturiert das vielfältige Normenmaterial der CSR-Politik und schafft damit einen Zugang zu einer rechtlichen Betrachtung der Thematik. David Wolfmeyer: Steuerung von Corporate Social Responsibility durch Recht – Der normative Rahmen der Unternehmens-verantwortung im europäischen und globalen Raum. Peter Lang 2016. 88,89 Euro.

Karriere im Arbeitsrecht bei Ernst & Young Law

Als ich mich bei der Anwaltsgesellschaft von Ernst & Young (EY Law) im Jahr 2013 auf die Stelle einer Rechtsanwältin im Bereich Arbeits- und Sozialrecht bewarb – die Stelle war klassisch ausgeschrieben, lagen meine Schwerpunkte eigentlich noch nicht in diesen Rechtsgebieten. Im Studium hatte ich mich eher auf den Schwerpunkt Wirtschaftsrecht spezialisiert. Das minderte aber meine Chancen auf den Job nicht und ich bin direkt als Associate eingestiegen. Von Lisa Bornemann

Zur Person

Studium: Rechtswissenschaften an den UniversitätenTrier und Bonn Abschlussjahr: 2012 Fremdsprachen: Englisch Interessen: Reisen, Fußball Ziel: In nächster Zukunft:die Führung desTitels Fachanwältin für Arbeitsrecht; in weiterer Zukunft: noch mehr Wissen im praktischen Bereich des Arbeitsrechts erlangen, um die Karriere weiter fortsetzen zu können. Position: Senior Associate bei Ernst & Young Law Stadt: Düsseldorf
Mit meinen Aufgaben bin ich dann immer tiefer in die Materie des Arbeitsrechts eingedrungen. So bekam ich zu Beginn von meinen Kollegen zum Beispiel klassische Kündigungsschutzfälle oder die Vorbereitung von Entsendungen, in denen es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht, zur Bearbeitung. Nach einem halben Jahr im Job belegte ich außerdem den Fachanwaltslehrgang, um mein Wissen zu vertiefen. Vieles verlief jedoch nach dem Prinzip learning „on-the-job“. Hilfreich war zudem das bei uns vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip. So bekam ich nebenbei ein berufsbegleitendes Coaching. Die Aufgaben wurden mit der Zeit komplexer, mit zunehmender Erfahrung erhielt ich immer mehr Eigenverantwortung. Was unsere Mandate betrifft, beraten wir im Bereich Arbeitsrecht hauptsächlich aus Arbeitgebersicht. Zu unseren Mandanten zählen mittelständische Unternehmen und Konzerne – zunehmend aber auch Personen des Öffentlichen Rechts, also Gemeinden, Städte und die Länder. Dabei geht es jeweils um ganz unterschiedliche und spezifische Fragestellungen. Die Fälle reichen vom klassischen Arbeitsrecht mit Kündigungsschutzprozessen, dem Entwerfen von Arbeitsverträgen, der Unterstützung bei Kündigungsverfahren, der Begleitung beim Personalabbau über Reorganisationen von Unternehmen bis hin zu den bereits erwähnten Entsendungen von Mitarbeitern ins Ausland. Bei Letzteren spielen zum Beispiel auch steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Thematiken eine wichtige Rolle, sodass viele Abstimmungen mit Kollegen aus anderen Abteilungen bei EY stattfinden. Überhaupt arbeiten wir sehr eng mit den Kollegen aus anderen Abteilungen oder dem Ausland zusammen. So lassen wir zum Beispiel Verträge mit Auslandsbezug von unseren Kollegen im Ausland nochmals überprüfen um sicher zu stellen, dass unsere Entwürfe auch mit dem ausländischen Recht im Einklang sind. Es braucht bei vielen Aufgaben den Blick für das große Ganze – man muss wissen, wer zu welcher Problematik noch befragt werden muss. So können die Mandanten schließlich vielseitig und intensiv beraten und rechtlich betreut werden, um sich gut aufgehoben zu fühlen. Entscheidungsfreude und Teamfähigkeit sollte man dafür auf jeden Fall mitbringen. Was mich betrifft, so habe ich den theoretischen Teil zur Fachanwältin für Arbeitsrecht inzwischen abgeschlossen. Derzeit trage ich noch die Fälle für die Liste zum praktischen Teil zusammen. Dann, nach drei Jahren praktischer Arbeit, darf ich diesen Titel auch als Anwältin führen. Das zu erreichen, ist mein Ziel für dieses Jahr.

Aufgestiegen zur Partnerin

Zur Person

Dr. Vera Jungkind Jurastudium und Promotion an der Universität des Saarlands, Auslandsstudium an der Universität René Descartes, Paris V eingestiegen 2006 als Associate aufgestiegen 2015 zur Partnerin bei Hengeler Mueller

Den Wunsch nach beruflicher Vielseitigkeit begann Dr. Vera Jungkind bereits in ihrem Studium umzusetzen. Heute ist sie Partnerin in der Kanzlei Hengeler Mueller. Von Christoph Berger

Jungkind entschied sich für ein Studium des deutschen und französischen Rechts an der Universität des Saarlands. Nach sechs Semestern ging sie für ein Jahr nach Paris, an die Université René Descartes. Am Ende des Aufenthalts erwarb sie die „Maîtrise en droit“. Wieder zurück in Saarbrücken, legte sie das 1. Staatsexamen ab, in Köln schrieb sie anschließend ihre Dissertation und ging ins Referendariat. 2006, nach Abschluss des 2. Staatsexamens, stieg sie direkt bei Hengeler Mueller ein. “Ich kannte die Kanzlei von diversen Bewerberveranstaltungen. Den endgültigen Ausschlag gab aber ein Studienfreund, der schon hier arbeitete und mir die Kanzlei empfohlen hatte“, beschreibt Jungkind den Weg zu ihrer damaligen Entscheidungsfindung. Und sie ergänzt: “Ebenso trug dazu bei, dass man sich hier dezidiert mit dem Öffentlichen Wirtschaftsrecht beschäftigt. Dies hatte mich schon immer interessiert.“ Seit 2006 berät Vera Jungkind deutsche und internationale Mandanten im Öffentlichen Wirtschaftsrecht einschließlich Compliance. Sie erinnert sich an eines ihrer ersten Mandate, das sie zweieinhalb Jahre begleitet hat und das sie von Beginn an bis zu einem erfolgreichen Abschluss betreute. In einem Schiedsverfahren klagte ein deutsches Unternehmen Schadenersatzansprüche aus einem Unternehmenskaufvertrag ein: Die Verkäuferin habe versäumt, eine spezifische Abgasreinigungsanlage entsprechend den Anforderungen des deutschen Immissionsschutzrechts nachzurüsten. “Es ging um sehr viel Geld. Und um eine komplizierte Technik. Alle Schriftsätze waren in Englisch verfasst. Der Kaufvertrag unterlag niederländischem Recht, für die Industrieanlage galt deutsches Umweltrecht. Das Schiedsverfahren richtete sich nach der niederländischen Schiedsgerichtsordnung“, beschreibt sie die damaligen Herausforderungen. Der Fall prägt bis heute ihre Arbeit: “Das war mein erstes großes Mandat. Es ist wichtig, dass man die Sache auch als eigene begreift. Dann ist man mit der notwendigen Begeisterung und dem entsprechenden Engagement bei der Sache“, beschreibt sie die damals erlebte Motivation.

Beratungen zu neuen gesetzlichen Entwicklungen

2007 kam mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags Beratung im Glücksspielrecht hinzu. Typische Mandate für Hengeler Mueller, wie Jungkind erklärt: “Wir beraten oftmals zu neuen gesetzlichen Entwicklungen.“ Mit ihren Kollegen begleitete sie Genehmigungsverfahren, klagte nicht erteilte Genehmigungen ein, ging gegen Untersagungsverfügungen vor und passte Geschäftsmodelle der Mandanten so an, dass sie den Regularien entsprechen. „Zusätzlich zum Glücksspielrecht stellen sich in diesen Fällen zahlreiche zum Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess“, sagt sie. Weiter ging es für sie auch mit der Vielseitigkeit: Parallel zu ihren Mandaten im Bereich Glücksspielrecht bearbeitete sie Fälle in den Bereichen Datenschutz, Sparkassen- oder Außenwirtschaftsrecht. Jungkind weiter: “Wir beraten zur gesamten Bandbreite des Öffentlichen Wirtschaftsrechts – vor allem Großunternehmen sind unsere Mandanten, auch internationale Unternehmen, die wir zum deutschen Recht beraten.“ Einzelne Branchen, zum Beispiel in den Bereichen Energie, Pharma oder Anlagen- und Maschinenbau haben unter Umständen erhöhten Beratungsbedarf im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. In der jüngeren Vergangenheit spielt die Compliance-Beratung eine zunehmend größere Rolle, als Querschnittsdisziplin gerade auch im Öffentlichen Recht. Hengeler Mueller beraten zum Beispiel zum Aufbau von Compliance-Strukturen im Datenschutzrecht, erstellen unternehmensinterne Richtlinien zum Umgang mit dem Terrorlistenscreening oder begleiten unternehmensinterne Untersuchungen.

Perspektivwechsel durch Aufstieg zur Partnerin

Zum 1. Januar 2015 wurde Vera Jungkind zur Partnerin der Kanzlei gewählt. „Dadurch hat sich meine Perspektive verändert“, erzählt sie. „Ich war nun nicht mehr angestellte Rechtsanwältin, sondern Teilhaberin. Damit ist zum einen erhöhte Verantwortung verbunden. Außerdem erweiterte sich mein Themenbereich.“ Zu der eigentlichen Mandatsarbeit mit der Beratung von Mandanten, der Erstellung von Schriftsätzen und Gutachten kamen viele kanzleibezogene Themen hinzu. Zum Beispiel hat sie sich seit ihrem Aufstieg mit der Personalplanung und Mitarbeiterführung zu beschäftigen, administrative Aufgaben sind hinzugekommen. Die Akquise spielt eine deutlich größere Rolle. Vera Jungkind überlegt sich, zu welchen Themen Mandanten angesprochen werden können, was man ihnen für Leistungen anbieten kann – kurz: unternehmerisches Denken. Auch die Verantwortung ändert sich. Sie sagt: „Für die Qualität des Arbeitsprodukts muss ein Partner letztverantwortlich einstehen. Umso wichtiger ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Kollegen, gerade wenn die Themen komplex und die Fristen kurz sind. An Hengeler Mueller schätze ich besonders die Kollegialität und den Team-Spirit in der Partnerschaft – ich denke, das zeichnet uns aus.“
Für die Qualität eines Arbeitsprodukts ist die vertrauens-volle Zusammenarbeit mit den Kollegen entscheidend, gerade wenn die Themen komplex und die Fristen kurz sind.
Dass sie mit wenigen Kolleginnen auf dieser Hierarchieebene zu einer deutlichen Minderheit gegenüber den männlichen Kollegen zählt, hat Vera Jungkind zwar wahrgenommen, diesen Umstand aber nie als nachteilig empfunden. „An der Uni und den Gerichten im Referendariat war die Situation auch nicht anders“, sagt sie. Und auch auf Seiten der Mandanten überwiegt die Zahl der männlichen Ansprechpartner. Dies ändert sich in den letzten Jahren langsam. „In den ersten drei Jahren meiner Berufstätigkeit geschah es ganz selten, dass ich mal mit einer Geschäftsführerin oder der Leiterin einer Rechtsabteilung gesprochen habe.“ Irgendwie sei es selbstverständlich gewesen, nur mit Männern zu tun zu haben. „Ich verstehe das als ein gesellschaftliches Phänomen“, sagt sie. Doch sie hat beobachtet, dass die Kanzleien – auch Hengeler Mueller – ihre Bemühungen verstärken, den Frauenanteil zu erhöhen – auch wenn sich die Quote der Absolventinnen nicht immer in den Bewerbungen niederschlägt. Netzwerkveranstaltungen für Frauen, Teilzeitangebote, auch auf Partnerebene, flexible Arbeitsorte, Beratung durch Familienservices oder Hilfe bei der Suche nach Kita-Plätzen sind Bestrebungen, die in diese Richtung gehen. Und auch Vera Jungkind selbst ist als Partnerin verstärkt auf der Suche nach weiblichen Nachwuchskräften.

Frauen in Führungskarrieren

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Jacqueline Bauernfeind richtet ein besonderes Augenmerk auf ambitionierte Frauen. Im Gespräch wünscht sich die Partnerin der  Personalberatung Board Consultants International nicht nur mutige Frauen, sondern auch einen Kulturwandel in Unternehmen und Gesellschaft. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Jacqueline Bauernfeind studierte in  München VWL. Ihre berufliche  Karriere begann sie beim Marktforschungsunternehmen Infratest, bevor sie bei der Unternehmens beratung Roland Berger als Beraterin und Projektleiterin tätig war. Seit 1990 ist sie als Partnerin in der Personalberatung tätig. 2003 zählte sie zu den Gründungsgesellschaftern von Board Consultants International. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind nationale und internationale Besetzungen von Top-Positionen.
Frau Bauernfeind, seit Anfang des Jahres gilt die gesetzliche Frauenquote. Wie schätzen Sie die Wirkung ein? Die Diskussion über ein Für und Wider der Quote hat sicherlich dazu geführt, dass einige Unternehmen ihre Bemühungen gesteigert haben, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Man muss hier jedoch grundsätzlich unterscheiden: Die Quote gilt nur für die Aufsichtsräte und auch nur für bestimmte Unternehmen. Weiterhin keine Quote gibt es dagegen für exekutive Top-Positionen, also für Vorstände oder Geschäftsführer. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn die Anforderungen an diese Positionen sind andere. Aufsichtsräte müssen, verkürzt gesagt, vor allem professionelle Erfahrungen und Menschenkenntnis mitbringen, um ihre Kontrollfunktion auszuüben. Vorstände und Geschäftsführer sind diejenigen, die im Unternehmen ganze Truppen in Bewegung setzen. Das sind die Macher. Beobachten Sie weiterhin, dass noch immer zu wenige Frauen unbändige Lust auf dieses Machen mitbringen? Es ist tatsächlich auch weiterhin so: Wird im Unternehmen eine Führungsaufgabe neu besetzt, rufen die Frauen noch immer zu selten oder nicht laut genug: Hier bin ich. Es gibt also durchaus ein Manko an Führungsambition. So, was machen wir nun damit? Erstens müssen sich diejenigen, die diese Positionen besetzen, darauf einstellen, die Frauen auf eine andere Art anzusprechen. Es sollte also nicht unbedingt gelten: Der Erste oder der Lauteste bekommt die Position, denn man kann eine solche Frage ja auch differenzierter stellen. Zweitens appelliere ich an die Frauen: Macht es denjenigen, die diese Führungspositionen besetzen, nicht unnötig schwer. Zeigt euch! Erkennen Sie, dass die Frauen, die heute in die Führungskarriere starten, diesen Appell verstärkt beherzigen? Durchaus, ja. Es tut sich was. Die jungen Frauen bringen Selbstbewusstsein mit, bringen sich deutlicher und offensiver in Stellung. Eine Sache aber bleibt problematisch: Irgendwann stellt sich die Kinderfrage. Hat sich nicht auch in Sachen Vereinbarkeit einiges getan? Ja, es gibt in vielen Unternehmen gut funktionierende Angebote zur Kinderbetreuung. Zudem ist das Betreuungsnetz in Deutschland besser als noch vor wenigen Jahren. Man darf dennoch nicht vergessen: Wir reden hier von Führungspositionen. Diese Jobs enden nicht um fünf oder sechs, sondern in der Regel um acht und nicht selten erst um zehn Uhr. Der zeitliche Anspruch an diese Jobs wird sich also immer mit der Elternrolle beißen, das ist derzeit nicht zu verhindern. Was halten Sie von Modellen, die Arbeit anders einzuteilen – sprich: nicht zuzulassen, dass der Job bis in den späten Abend hinein geht? Als Einzelkämpferin im Unternehmen wird das nicht gelingen. Dafür benötigen wir ein Umdenken in der Gesellschaft, Wirtschaft und den Unternehmen. Das ist sicherlich wünschenswert, und ich bin davon überzeugt, dass man viele Führungsaufgaben auch hinbekommen kann, ohne regelmäßig bis 22 Uhr zu arbeiten. Noch aber gibt es Rituale, die genau das verlangen. Zudem gelten ungeschriebene Gesetze, wie zum Beispiel dieses:  Karriere macht nur der, der auch lange arbeitet. Ganz ehrlich, ich kenne kein großes Unternehmen, in dem die Top-Manager den Laden regelmäßig um sechs Uhr verlassen. Das gibt es noch nicht. Eine Sache, die häufig in den Abendstunden ansteht, ist das Networking. Oft wird gesagt, Männer gingen hier zielstrebiger zur Sache. Stimmen Sie zu? Wenn ich es pauschal formulieren darf: Männer gestalten Ihre Netzwerkzeit nach der Devise, ob es ihnen geschäftlich etwas nützt oder nicht. Frauen orientieren sich danach, ob sie jemanden mögen oder nicht. Und wenn sie eben keine Lust haben, mit einer Person abends noch etwas trinken zu gehen oder sich zum Squash zu verabreden, dann lassen sie es. Dass so eine Verabredung trotz der eher geringen Sympathiewerte karrieretechnisch interessant sein könnte – dieser Gedanke spielt bei den Frauen eine wesentlich kleinere Rolle als bei Männern. Anders gesagt: Männer sind, wenn es um die eigene Karriere geht, leidensfähiger. Ich habe als Personalberaterin Männer erlebt, die sich für einen Top-Job beworben haben und bei denen ich mich hinterher fragte: Wie kamen die auf die Idee, dem Anspruch dieser Position zu genügen? Na ja, sie haben es halt probiert, sind auf die Nase gefallen, sind wieder aufgestanden und probieren es woanders. Frauen dagegen bringen die Haltung mit: Ich möchte mich auf gar keinen Fall selbst überschätzen und damit scheitern. Dadurch stecken sie die eigene Grenze, etwas zu probieren, sehr viel enger. Was muss denn geschehen, damit diese Unterschiede in der Mentalität nicht länger Frauen in Führungspositionen verhindern? Erstens ist es wichtig, das Angebot von Kitas und Schulen mit Ganztagsbetreuung weiter auszubauen. Zweitens müssen sich die Gesellschaft und die Unternehmen dahingehend wandeln, dass Männer nicht mehr schief angeguckt werden, wenn sie es sind, die sich eine Familienauszeit nehmen und sich mit den Kindern befassen. Klar, es gibt Branchen, in denen das bereits üblich ist. Das sind aber nun gerade die Branchen, in denen Frauen sowieso schon stark in Führungspositionen vertreten sind, zum Beispiel in Konsum- oder Medienunternehmen. Wer jedoch als Mann in einem Unternehmen der Maschinenbau- oder Autobranche ankündigt, eine gewisse Zeit zu pausieren, weil er den Nachwuchs betreuen wird, muss damit rechnen, dass zumindest hinter vorgehaltener Hand gesagt wird, dass das nicht geht, ohne dass die Karriere leidet. Welchen Ratschlag können Sie einer weiblichen Nachwuchskraft mit auf den Weg geben, die Lust auf Karriere hat? Spannend wird es immer dann, wenn im Unternehmen anspruchsvolle Aufgaben gestellt werden. Also neue Lösungen und Perspektiven gefragt sind. Frauen sollten Antennen für solche Momente entwickeln. Und dann den Mut mitbringen, dabei zu sein. Die Angst vor dem Versagen darf dagegen keine Rolle spielen. Zudem möchte ich an dieser Stelle auf die Bedeutung von Mentoren und Mentorinnen hinweisen: Suchen Sie sich als Einsteigerin jemanden im Unternehmen aus, von dem Sie erstens wirklich etwas lernen können und der Ihnen zweitens immer mal wieder eine für Sie passende Aufgabe zuschustern kann, zum Beispiel ein Projekt in Lateinamerika oder Asien, eine Sache also, die durchaus mit dem Sprung ins kalte Wasser zu vergleichen ist. Wird diese Aufgabe von einem Mentor an junge Frauen herangetragen, beobachte ich, dass der weibliche Nachwuchs mehr Mut entwickelt. Schließlich wird der Frau durch den Mentor echtes Vertrauen entgegen gebracht. Und das tut ihr gut.

Zum Unternehmen

Die in Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart ansässige Personalberatung Board Consultants International konzentriert sich auf die Besetzung der ersten beiden Führungsebenen in Unternehmen sowie auf die Suche nach ausgewählten Experten. Neben diesem Executive Search prüft die 2003 gegründete Personalberatung im „Board Consulting“ die Effizienz von Aufsichtsräten und sucht Mitglieder für Aufsichtsgremien. www.board-consultants.eu

Recht als Kultur

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Die Realität schafft sich ihr Recht. Somit spiegeln sich die Globalisierung einerseits, die ganz unterschiedlichen Auffassungen von Recht in den Kulturen und Regionen der Welt andererseits auch in ihm wieder. Das Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ in Bonn sucht nach neuen Mitteln und Wegen, diese spannungsvolle Konstellation zu verstehen. Und liefert in der Praxis arbeitenden Juristen damit Hilfestellungen für ihre tägliche Arbeit. Von Dr. phil. Jan Christoph Suntrup, wissenschaftlicher Koordinator des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“

Die Welt des Rechts wird durch die ambivalente Dynamik der Transnationalisierung und Globalisierung zutiefst durchdrungen. Einerseits sind Tenden-zen einer normativen Vereinheitlichung zu beobachten: In der EU wächst das Bestreben, das herkömmliche Kollisionsrecht durch gemeinsame Rechtsprinzipien im Bereich des Privatrechts zu ersetzen; im Völkerrecht wiederum lassen sich die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs und andere Übertrumpfungen klassischer national-souveräner Argumente und Instrumente mit gutem Willen als Rudimente eines „Humanity Law“, der Begriff stammt von der amerikanischen Jura-Professorin Ruti G. Teitel, lesen. Andererseits gibt es zahlreiche und medial sichtbare Beispiele dafür, dass Identitätskämpfe das Recht nicht aussparen. Hierfür muss man nicht bloß nach Tunesien, Israel und Afgha-nistan schauen, sondern wird schon im Herzen Europas fündig, wie die noch schwelende polnische Verfassungskrise offenbart. Der politische Kampf um die „richtige“ soziale Ordnung ist nicht zuletzt ein Kampf ums Recht, und wie vehement dieser ausgefochten werden kann, zeigt sich besonders dann, wenn religiöse Überzeugungen und Dogmen ins Spiel kommen. Aber auch jenseits offener Identitätspolitik wird schnell deutlich, dass jede Rechtsordnung ein spezifisches Sinngeflecht mit bestimmten Spielregeln ist, das sich nicht ohne Weiteres in einen anderen normativen Kontext „transplantieren“ lässt. Denn Recht besteht nicht nur aus Gesetzestexten und Verfahrensordnungen, sondern verschafft sich Geltung in Symbolen und Ritualen, basiert auf einem komplexen Geflecht von Institutionen und Rechtsautoritäten und ist eingebettet in größere und kleinere Erzählungen. All dies zeigt, dass sich Recht nicht mehr bloß im nationalen Rahmen verstehen lässt, und deutet zugleich an, dass der Konflikt von – oft auch intern umstrittenen und dynamischen – Rechtskulturen mit der rein juristischen Brille nicht zu erfassen ist. Dies ist die Grundüberzeugung des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“ in Bonn, das seit 2010 einen juristischen, aber auch besonders geisteswissenschaftlichen Beitrag zur Rechtsanalyse leistet, der dem Tatbestand fortschreitender Globalisierung in einer zwischen Kulturen differenzierenden Weise Rechnung trägt. Wie – wenn überhaupt – trennen Kulturen Recht von Religion und anderen normativen und sozialen Ordnungen? Wie unterscheiden sich Gesellschaften in ihren rechtlichen Strafritualen? Welche Symbole von Herrschaft und Gerechtigkeit sind dem Recht eingeschrieben? Was macht ein faires Verfahren aus, und wie steht es eigentlich um den Status der „Wahrheit“, die dort ermittelt werden soll? Solche Fragen sind nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern von zentraler Bedeutung für alle Rechtspraktiker, die mit der Kollision verschiedener Rechtskulturen konfrontiert sind. Und so wendet sich das Projekt der Analyse von „Recht als Kultur“, manifestiert in Tagungen, Publikationen oder interdisziplinären Arbeitszirkeln, nicht zuletzt an die juristische Zunft. Denn für diese wird es immer wichtiger, nicht nur die eigene Rechtstechnik zu beherrschen, sondern über hermeneutische Sensibilität und ein historisches und kulturwissenschaftliches Grundlagenwissen zu verfügen.

Über „Recht als Kultur“

Das Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ möchte einen Beitrag zum  Verständnis von Recht in Zeiten einer  voranschreitenden Globalisierung normativer Ordnungen leisten. Im Jungen Forum werden dafür zum  Beispiel die sogenannten Luncheon Talks angeboten: Postdocs verschiedener Fachrichtungen tauschen sich dabei regelmäßig und interdisziplinär über Grundfragen und Grundlagen normativ-rechtlicher Ordnungen aus. Weitere Infos unter: www.recht-als-kultur.de

Schrift-Sätze

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KURIOSE RECHTSNACHRICHTEN

Roboter-Anwälte, Strafe für schlechte Facebook-Werbung oder ein verspäteter Passagier, der das Flugzeug über das Rollfeld verfolgt: Stefan Maier stellt zusammen mit Kollegen auf der Internetseite “Justillion“ seit Juli 2014 kuriose Nachrichten aus der Welt des Rechts vor. Inhaltlich werden die Nachrichten so präsentiert, dass sie zum einen für Laien verständlich sind, zum anderen aber auch für Juristen noch fachlich interessant genug sind. Verantwortlicher Chefredakteur ist dabei übrigens auch ein Diplom-Jurist. Die Nachrichten finden sich unter www.justillon.de.

ANWALT ALS THRILLER-AUTOR

Cover Das Mona Lisa-VirusEigentlich ist Tibor Rode Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Informationstechnologierecht. Zudem ist er Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg. Doch nebenbei ist inzwischen mit „Das Mona-Lisa-Virus“ sein dritter Roman erschienen. Darin passieren Ereignisse, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Doch die Geschichte nimmt ihren Lauf. Tibor Rode: Das Mona-Lisa-Virus. Bastei Lübbe 2016. 14,99 Euro.

FÜR EINE KULTUR DER MENSCHLICHKEIT AM ENDE DES LEBENS

Cover Das letzte TabuDer promovierte Jurist Dr. Henning Scherf war lange Jahre Sozial-, Bildungs- und Justizsenator und von 1995 bis 2005 Bürgermeister und damit Ministerpräsident des Bundeslandes Bremen. Zusammen mit der Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Annelie Keil, ehemalige Dekanin der Universität Bremen und deren Mitbegründerin, geht er in einem geradeerschienenen Buch der Frage nach: Wie wollen wir sterben? Die beiden beschreiben dabei sehr persönliche Erfahrungen, gleichzeitig fordern und fördern sie aber auch eine gesellschaftliche Kursänderung. Henning Scherf, Annelie Keil: Das letzte Tabu. Herder 2016. 19,99 Euro.

JURIST IST EINZIGARTIGER LEGOKÜNSTLER

Foto: Nathan Sawaya / The Art Of The Brick
Foto: Nathan Sawaya / The Art Of The Brick
Er ist die einzige Person weltweit, die die Firma Lego sowohl als Lego-Baumeister als auch als Lego Certified Professional anerkennt. Die Rede ist von Nathan Sawaya. Der US-Amerikaner baut Kunstwerke aus Lego. Dabei verwirklicht er sowohl eigene Projekte, in anderen bezieht er sich auf bereits geschaffene. Zum Beispiel hat er Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ und Edvard Munchs „Der Schrei“ in die Lego-Welt übertragen. Seine zuletzt gezeigte Ausstellung „The Art oft the Brick“ in Hamburg sahen mehr als 58.000 Besucher. Interessant dabei: Vor seinem Leben als Künstler arbeitete Sawaya als Anwalt. Weitere Infos unter www.taotb.de

JOSEF HAUBRICH – EIN ANWALT DER KUNST

Cover Josef HaubrichEr war namhafter Kölner Politiker, Anwalt und Zeitzeuge umwälzender Phasen der deutschen Geschichte: Josef Haubrich (1889–1961) – der nie den Glauben an die Kunst und deren unabdingbaren Wert für die Menschheit verlor. Zeitlebens von Kultur und Politik fasziniert, ließ er sich seine Neugier nicht nehmen und setzte sich voller Begeisterung für die zeitgenössische Kunstszene ein. Seine beachtenswerte Sammlung expressionistischer Werke konnte er in die Nachkriegszeit hinüberretten und schenkte sie 1946 der Stadt Köln. Das 70-jährige Jubiläum der Schenkung war Anlass, sich erneut mit dieser prägenden Person des Kölner Kulturlebens auseinanderzusetzen: Birgit Kilp,“Josef Haubrich – ein Anwalt der Kunst“, 2016, Wienand-Verlag, Köln, 29,80 EUR Mehr zu Josef Haubrich auch im Museum Ludwig, das noch bis 08. Januar 2017 insgesamt drei Jubiläen feiert: www.museum-ludwig.de, www.wienand-verlag.de

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ UND URHEBERRECHT

“Kunst und künstliche Intelligenz sind zwei Welten, die nicht besonders miteinander vertraut sind“, sagte der Jurist Dr. Andres Guadamuz von der University of Sussex auf der diesjährigen re:publica. Und doch komme es immer häufiger vor, dass Maschinen Kunst erzeugen. So kommt es zur entscheidenden Frage: Wer ist der Künstler, die Maschine oder der Programmierer der Maschine – immerhin handelt es sich bei Letzterer oft um ein selbstlernendes System, das auf der Grundlage von neuronalen Netzwerkenarbeitet? Bisher ist Guadamuz´; Antwort klar: der Programmierer. Sein Vortrag zu dem Thema ist vollständig auf Youtube unter dem Link www.youtube.com/watch?v=Omc9bT7jgok zu sehen.

BRANDNEU: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN WIRTSCHAFT UND ALLTAG

Juristin, Unternehmerin und Essayistin Yvonne Hofstetter hat ein neues Buch geschrieben: Das Ende der Demokratie. Randomhouse 2016. 22,99 Euro.

IDYLLE UND HÖLLE

Die promovierte Juristin und Bestseller-Autorin Juli Zeh hat einen vielbeachteten Gesellschaftsroman verfasst: Unterleuten. Luchterhand 2016. 24,99 Euro.

Interview mit der Juristin und Business-Poetin: Dr. Martina Violetta Jung

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Martina Violetta Jung war 32 Jahre alt und arbeitete höchst erfolgreich als Wirtschaftsanwältin. Dann machte ihr der Körper einen Strich durch die Rechnung: Burn-out-Syndrom. Sie begann eine zweite Karriere als Managerin und eine dritte als Unternehmensberaterin – bis sie einige Jahre später erneut einen Punkt erreichte, an dem sie merkte: Es muss sich etwas ändern. Heute schreibt Martina Violetta Jung fiktive Geschichten für die harte Businesswelt. Ihr Ziel: Hunderttausenden Herzensnahrung zu servieren, damit sie wieder aus ihrem ganzen Wesen heraus begeistert arbeiten können und ihre Fähigkeiten zum Wohle aller einsetzen. Das Interview führte André Boße.

Zur Person

Dr. Martina Violetta Jung absolvierte eine internationale Ausbildung zur Volljuristin in Deutschland, China, Hong Kong und Großbritannien und begann ihre Karriere als Wirtschaftsanwältin. Anschließend sammelte sie Managementerfahrung in Führungspositionen bei der Hapag-Lloyd Container Linie, als CEO von Ahlers, als Leadership- und Integrationscoach sowie als Aufsichtsrätin in international aktiven Unternehmen. Angeregt durch Ausbildung und berufliche Tätigkeit in Asien vertiefte sie sich in das fernöstliche Wissen über den Menschen und sein Verständnis der Wirklichkeit. Als Expertin für ganzheitlich bewusstes Arbeiten widmet sie sich heute ihrer Vision einer Arbeitswelt im Wandel.
Frau Dr. Jung, als wie stringent würden Sie ihre Laufbahn bezeichnet? (lacht) Also, Stringenz entdecke ich bei mir nur in der Seele. Ich bin von meinem Weg mehrere Male abgekommen. Ich habe Jura studiert, weil ich dachte, Recht und Gerechtigkeit hätten etwas miteinander zu tun – ganz grobe Fehleinschätzung. Ich bin Arbeiterkind und war die erste in der Familie, die Abitur gemacht hat. Trotzdem haben mich meine Eltern geprägt, weil sie mir Gerechtigkeit vorgelebt haben und mir auf den Weg gegeben haben: Es ist nicht wichtig, wie viel du hast, sondern wie du mit den anderen umgehst. Deshalb wollte ich Jura studieren, denn ich dachte weiterhin, Recht und Gerechtigkeit hätten etwas miteinander zu tun. Ich habe mich also durch mein Jurastudium bewegt, wissend, dass ich Richterin werden wollte – aber ich war damit nicht glücklich. Warum nicht? Während meiner Referendarzeit habe ich gemerkt, dass sehr viele Richter und Staatsanwälte in erster Linie nur einen sicheren Job wollten. Und das war mir zu wenig. Sie sind dann Wirtschaftsanwältin geworden. Ich hatte einen Professor an der Uni, für den war es die Traumvorstellung schlechthin, als Wirtschaftsanwalt zu arbeiten. Und zwar international. Zu mir hat er gesagt: Wer bei mir promoviert, der geht ins Ausland. Nicht in der Bibliothek bleiben, sondern: Nase raus. Das habe ich dann auch gemacht und bin nach China gegangen. Und dort habe ich gelernt, worum es im Leben eigentlich geht. Ich bekam einen chinesischen Professor, 82 Jahre alt. Ich erklärte ihm, über welches Thema ich bei meiner Promotion schreiben wollte, und er sagte mir: „Dieses Wissen kannst du hier nicht finden. Du kannst nur dann über China schreiben, wenn du die Chinesen verstehst. Also fährst du jetzt dahin, wo Wirtschaft wirklich stattfindet, und redest mit den Leuten. Aber, du beurteilst sie nicht. Denn dafür fehlt dir die Erfahrung – außerdem musst du ja hier nicht leben, deshalb steht dir kein Urteil zu.“ Besaßen Sie dafür genügend Chinesischkenntnisse? Ab dem 6. Semester hatte ich Chinesisch gelernt. Mir war früh klar, dass ich als Juristin in eine Umgebung wollte, von der ich wusste, dass ich dort nichts verstehe. Und dass man dort wiederum mich nicht versteht. Dieses Erlebnis wollte ich haben. Warum hatten Sie dieses Bedürfnis? Ich bin eine mutige Frau. Mein Mut wird größer, je lauter die Stimmen werden, die sagen: „Das geht nicht, das darfst du nicht.“ Wie ging die Geschichte mit Ihrem chinesischen Professor weiter? Ich war in China unterwegs, und als ich wiederkam, sagte ich ihm: „Ich denke, ich habe verstanden.“ Darauf sagte er: „Gut, dann fängt jetzt die eigentliche Arbeit an.“ Ich dachte daran, nun meine Promotion und weitere Publikationen zu schreiben, er aber sagte: „Nein, nein, du musst erst noch mehr verstehen.“ Ab dann bin ich einmal die Woche bei ihm gewesen, und er hat mich ins klassische chinesische Wissen eingeführt, hat mir erklärt, warum es so wichtig ist, eine Balance aus Körper, Seele und Geist zu finden. Als ich dann nach Deutschland zurückkam, begann schon bald die Krise. Ich war 32 Jahre alt – und hatte das, was man heute Burn-out-Syndrom nennt. Nach außen sah das alles super aus. Ich war jung, bekam ein für die damalige Zeit astronomisches Gehalt. Die Kanzleien liefen hinter mir her, weil ich in Deutschland eine von lediglich drei voll ausgebildeten Juristen war, die einigermaßen Chinesisch sprachen. Und ich? Habe gelitten. Können Sie Ihr Leiden von damals beschreiben? Wir wissen, dass wir aus Körper, Geist und Seele bestehen. Wenn die drei Bestandteile des Seins auseinanderfallen – dann ist es Ihr Körper, der Sie nicht anlügt. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich eines Morgens nicht mehr aufstehen konnte. Ich litt unter Herz-Rhythmus-, Nieren- und Leberstörungen. Und ich war intellektuell noch nicht einmal mehr in der Lage, die Nachrichten zu verstehen. Mit 32 Jahren. Rumms!

Die „Business-Poetin“

Auf ihrer Seite www.heilendegeschichten.de stellt sie als „Business-Poetin“ Gedichte und Geschichten vor, die zudem als Bücher und e-Bücher erhältlich sind. Amazon-Werbelinks: » VON WEGEN – Ein Skandalkonzern im Selbstreinigungsprozess » ICH: Inspirierende Geschichten und Gedichte für Karrieremenschen » Die Hälfte des Himmels ist weiblich – 7 Geschichten von Frauen die handeln. » Der Wettkampf. Eine Fabel.
Wie kann man sich diesen Kollaps erklären? Ich war als Wirtschaftsanwältin in einem intellektuellen Hochleistungsumfeld tätig. Ich habe Unternehmen gekauft, verkauft, 14 Stunden am Tag. Was ich damals jedoch noch nicht über mich wusste: Ich bin ein intuitiver Gefühlsmensch. Erst entscheidet sich mein Herz, dann benutze ich das Denken. Ist jedoch das Herz stumm geschaltet, wird es schwierig. Nur, das merken Sie im Alltag nicht. Um Sie herum sind schon zu viele auf Autopilot. Sie merken nur, dass Sie immer müder und desinteressierter werden – und die Arbeitsergebnisse schlechter. Dass Sie abends zwei Gläser Rotwein brauchen, um einschlafen zu können. Sie tun alles, um ihren Körper auszutricksen. Aber der lässt das nicht mit sich machen – und irgendwann rebelliert er. Wie haben Sie auf diese Rebellion reagiert? Ich hatte damals das Glück, dass eine Freundin mich zu einer chinesischen Ärztin gebracht hat. Die hat gesagt: „Du hast deine Mitte verloren. Und du warst in China, du solltest wissen, was das heißt: Lass diesen Job los.“ Ich bekam sofort Pickel im Gesicht! (lacht) Denn das ging ja gar nicht: Nach zehn Jahren Ausbildung war ich endlich wer – und jetzt sagt jemand, ich soll den Job loslassen? Ich hatte Existenzangst, klar, und mein erster Impuls war es, den Ratschlag zu verweigern. Ich konnte mir auch überhaupt nicht vorstellen, dass es irgendwas anderes für mich zu tun gab. Der Jurist ging in seinem juristischen Beruf auf – ja worin denn auch sonst? Ich habe neun Monate gebraucht, um mit meiner Angst umzugehen. Dann entwickelte ich einen beruflichen Plan-B: Ich könnte meine Unternehmenskenntnisse ja auch in der Wirtschaft einsetzen.
Am nächsten Montag bin ich in die Kanzlei gegangen und habe gekündigt.
Sie sind dann zur Reederei Hapag Lloyd gewechselt. Genau, dorthin hatte ich persönliche Kontakte. Ich wollte über dieses Unternehmen eigentlich nur ein paar Ideen bekommen, dann hieß es: Du kommst zu uns. Ich frage: „Wie? Ich habe keine Ahnung von der Schifffahrt.“ Mein zukünftiger Chef sagte daraufhin: „Stimmt, aber du hast Ahnung von Menschen.“ Und dann hat er mir aus dem Stand eine verantwortungsvolle Position angeboten. Das war freitags, und am nächsten Montag bin ich dann in die Kanzlei gegangen und habe gekündigt. Wie reagierte man dort? Der Seniorpartner guckte sehr ernst und sagte: „Sie haben richtig gehandelt. Sie wären hier nicht glücklich geworden.“ Dann guckte er runter und bekam plötzlich einen sehr väterlichen Blick. Er sagte: „Ich werde Sie vermissen. Wer ist jetzt hier unser gutes Gewissen? Und dass Sie es wissen: Die wollten Sie zweimal rausschmeißen, aber das habe ich verhindert.“ Warum standen Sie in der Kanzlei auf der Kippe? Wenn ein Seniorpartner verbal aggressiv bei seiner Sekretärin Dampf abließ, dann bin ich erst in das Zimmer der Sekretärin und habe die getröstet. Dann bin ich zum Seniorpartner und habe ihn gesagt, dass er sich unmöglich verhalten habe – um es vornehm auszudrücken. Das ist mutig. Innere Überzeugung. Ich hab’ mich nie gefragt, ob das gut für meine Karriere ist. Egal, mein Herz hat gesagt, das ist richtig. Woher wussten Sie denn, dass Sie bei Ihrem Job bei der Reederei nicht die gleichen Probleme bekommen wie in der Kanzlei? Das wusste ich gar nicht. Seit meinen Erfahrungen in China und später in Hong Kong und Japan versuche ich nicht mehr, die Welt im Griff zu haben oder glaube, sie planen zu können. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der das geschafft hätte. Auch unsere Unternehmen schaffen das ja nicht.
Was Ihnen als Jurist immer hilft: Sie haben eine besondere Art und Weise des Denkens gelernt.
Hat Ihnen Ihr juristisches Know-how beim neuen Job geholfen? Was Ihnen als Jurist immer hilft: Sie haben eine besondere Art und Weise des Denkens gelernt. Hier ist ein Problem – und als Jurist können Sie von fünf verschiedenen Ecken auf dieses Problem schauen, in fünf verschiedenen Sichtweisen argumentieren – und die Dinge dann sehr scharf auf den Punkt bringen. Ich kann auch mit Druck sehr gut umgehen, wenn mein Herz sagt, das ist richtig. Aber wehe, das ist nicht der Fall … Was dann? Dann weiß ich mittlerweile, dass es dringend an der Zeit ist, einen Schlussstrich zu ziehen. Nach meiner Zeit bei Hapag Lloyd habe ich zunächst als CEO für einen belgischen Logistikkonzern gearbeitet, anschließend neun Jahre selbständig als Leadership und Integrations Coach. Ich war erfolgreich, war viel in Europa unterwegs. Dann stellte ich fest, dass ich mich in diesem Job erneut aufzehrte. Meine Ehe ging kaputt, ich war nicht glücklich – und da habe ich erneut den Stecker gezogen und gesagt: Schluss jetzt. Ich habe alles verkauft und bin mit meinem Auto, zwei Koffern und meinem Laptop nach Hamburg zurückgekommen. Da waren Sie ja ziemlich alleine, oder? Die Ehe war kaputt, die Kunden waren weg, keine Boardingpässe mehr, keine Anrufe … Genau. Ich war ein Niemand. Wie ging es Ihnen damit, plötzlich ein Niemand zu sein? Es hilft total dabei, sich aufrichtig und vorbehaltlos mit sich selbst zu beschäftigen. Seine wahren Fähigkeiten zum Vorschein kommen zu lassen folgt dem Apfelbaum-Prinzip: Es hängen im August Äpfel am Baum, wenn der Baum im Winter geruht hat. Fällt die Winterruhe aus, können Sie die Sache mit den Äpfeln vergessen.
Meine Intuition ist in der Lage, Menschen und komplexe Sachverhalte zu durchschauen und in wenigen Worten auf deren Essenz zu reduzieren.
Was haben Sie in dieser Ruhephase über sich gelernt? Noch einmal die Bestätigung: Ich bin ein intuitiver Gefühlsmensch. In dieser Reihenfolge: Ich hole mir meine Informationen über die Intuition, das Herz entscheidet, dann arbeitet der Kopf intellektuell ab. Wenn ich den Spieß umdrehe, so wie ich es als Wirtschaftsanwältin getan habe, arbeite ich meinem eigenen Wesen zuwider. Meine Intuition ist in der Lage, Menschen und komplexe Sachverhalte zu durchschauen und in wenigen Worten auf deren Essenz zu reduzieren. Das schockiert Anfangs viele. Aber sie merken schnell, mein Herz meint es ehrlich und mein Kopf urteilt nicht. Was ich in der Ruhephase zudem feststellte: Was mich besonders gereizt hatte bei meiner Arbeit, war die Möglichkeit, Leuten tatsächlich helfen zu können, im Einklang mit all ihren Fähigkeiten zu arbeiten. So entstand die Idee, ein Buch zu schreiben – und zwar eines, das viel mehr Menschen berührt und bewegt, als ich über meinen Job jemals erreichen könnte. Bei „Ich kann so nicht mehr arbeiten“ handelte es sich noch um einen Ratgeber, aber dann folgten mit „VON WEGEN – Ein Skandalkonzern im Selbstreinigungsprozess“ und „ICH“ fiktive Geschichten, in denen Sie Ihr Wissen aus dem Wirtschaftsalltag einsetzen. Warum? Gegenfrage: Wie viele Sachbücher, die Sie je gelesen haben, kennen Sie auswendig? Winnetou, Frodo Beutlin, Harry Potter und Katniss Everdeen – das sind die Figuren, mit denen man sich identifizieren kann – die brauchen wir auch in unseren Unternehmen. Ihr Gefühl und Ihr Gehirn sortieren Informationen nach dem emotionalen Wert. Je höher dieser Gefühlsfaktor ist, desto länger und nachhaltiger bleiben die Informationen in Ihrem Gehirn. Und das hilft mir natürlich, weil ich mit meinen Büchern durchaus ambitionierte Ziele verfolge. Welche sind das? Wenn ich in einen Spiegel schaue, dann suche ich Bestätigung. Sei es den Spiegel an der Wand oder den Spiegel der Erwartungshaltungen meines Umfeldes. Wenn ich aber hinter die äußere Hülle, die Fassade, schaue, tief in mich hinein, dann suche ich meine Mitte, meine Herzenswärme, meiner Seele Potential und kann es auch entfalten, zum Wohle aller. Auf Seelenebene sind alle Menschen eins. Wenn ich aus meiner Seele, aus meiner Mitte, aus meinem Herzen heraus lebe, kann ich das umsetzen. Solche Menschen brauchen wir in verantwortlichen Positionen in unseren Unternehmen. Das ist enorm bedeutsam, denn für mich ist die Wirtschaft der Machtfaktor, der die Welt gestaltet – weniger die Politik. Und noch ein dritter Punkt, ich möchte zeigen, was Weiblichkeit tatsächlich zu leben zur Unternehmensgestaltung beitragen kann. Daher heißt mein neues Buch „Die Hälfte des Himmels ist weiblich“. Wichtig ist mir dabei, dass wir Frauen selbst erst einmal definieren, was weiblich ist. Das tun wir im Moment viel zu wenig. Nur Pippi Langstrumpf war darin genial.
Michelle Obama sagt ihre Meinung, lebt Werte, zeigt Haltung. Das finde ich stark.
Umso mehr machen das die Männer … Ja. Das neue Buch erzählt daher in sieben Episoden, was passiert, wenn Frauen es wagen, ihre weibliche Sichtweise einzubringen und unerhörte Dinge tun. Ich möchte damit Frauen Mut machen, ihre Weiblichkeit zu leben, statt zu sagen: „Wenn ich mich so verhalte, wie Mann es von mir erwartet, bekomme ich keine Probleme und mache Karriere.“ Ein tolles Beispiel dafür, wie es anders gehen kann, ist Michelle Obama. Schon die äußere Erscheinung, ärmelloses Trägerkleid – aber man sieht die Muckis. Sie ist nicht wie Jackie Kennedy, kein zartes Püppchen, das gefallen will. Michelle Obama sagt ihre Meinung, lebt Werte, zeigt Haltung. Das finde ich stark. Was raten Sie einem jungen Menschen, der früh in seiner Karriere feststellt, dass die innere Balance verloren geht? Renn um dein Leben! In „Die Hälfte des Himmels ist weiblich“ geht es nicht um Frau und Mann sein. Mein Plädoyer lautet: Lebt eure Herzenswahrheiten! Wir können allen Luxus dieser Welt anhäufen, aber davon können wir nicht leben, als Menschheit nicht überleben. Es geschafft zu haben, ist nur eine Illusion, eine fixe Idee. Und wenn Idee und Wirklichkeit auseinanderklaffen, dann tut es weh. Die Frage ist daher: Was ist meine Wirklichkeit, wer bin ich wirklich und was ist nur meine oberflächliche Idee von mir? Wenn zwischen der Antwort auf diese Frage und dem, was ich beruflich tue, ein Konflikt besteht, dann stellt sich nicht die Frage, ob es knallt. Die Frage lautet dann nur noch, wann es knallt – und wie weh es dann tut.
Cover Von Wegen - Ein Skandalkonzern im Selbstreinigungsprozess Neu: Roman, Dr. Martina Violetta Jung, VON WEGEN – Ein Skandalkonzern im Selbstreinigungs-prozess, E-Book, Amazon 8,95 Euro.
 

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