karriereführer ärzte 2021-2022 – Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

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Cover Karriereführer Ärzte 2021-2022

Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

Es ist endlich soweit: Im Gesundheitswesen, wo die Digitalisierung lange Zeit auch skeptisch betrachtet wurde, zeichnet sich eine Trendwende ab. Neue staatliche Regeln, eine steigende Nachfrage auf Patientenseite und letztlich die Corona-Pandemie sind die Treiber hin zum Digitalen. Für Ärzt*innen kommt es nun darauf an, den Wandel mitzugestalten. Außerdem: Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass sich der Arztberuf weiter ausdifferenziert und immer neue Felder in den Fokus kommen. Wie genau aber sehen die Herausforderungen aus und wie sollten angehende Mediziner*innen darauf reagieren?

Digitale Trendwende

Neue staatliche Regeln, Nachfrage auf Patientenseite, die Pandemie als Treiber: 2021 ist das Jahr, in dem das deutsche Gesundheitswesen die Weichen für eine digitale Zukunft stellt. Für Ärzt*innen kommt es nun darauf an, den Wandel mitzugestalten. Dabei kommt es auf interdisziplinäres und innovatives Denken an. Ein Essay von André Boße

Anzeichen dafür, dass sich der Arztberuf weiter ausdifferenziert und immer neue Felder in den Fokus kommen, sind täglich in den Medien erkennbar. Wohl nie zuvor standen medizinische Themen so hoch auf der gesellschaftlichen und medialen Agenda wie im Laufe dieser Pandemie. Ärzt*innen (und zwar längst nicht nur Virolog*innen) sind in Talkshows zu Gast und als Interviewte gefragt. Zugleich mehren sich die Anzeichen, dass im Kampf gegen Corona langsam, aber sicher die Digitalisierung des Gesundheitswesens dringend notwendigen Schwung erhält. Erste Apps sind im Einsatz, uralte Impfpässe werden in digitale Tools umgewandelt, die Impfverteilung zeigt, wie stark die moderne Medizin an Logistik angebunden ist. Auch zeigt sich, wie sehr die Entwicklung von Vakzinen vom Engagement von Investoren sowie öffentlichen Förderungen abhängig ist: Offensichtlich wird dabei, welche Rolle finanzielle Risikobereitschaft spielt, wenn es darum geht, medizinische Fortschritte zu erreichen. >> siehe Interview mit Wolfgang Klein über die „CureVac-Story“ auf den Seiten 12 und 14

Digitalisierung in den Praxen: Es gibt noch viel zu tun

Wie weit aber ist Deutschland auf dem Weg in eine digitalisierte Gesundheitsversorgung? Der aktuelle „eHealth Monitor“, eine Studie von McKinsey & Company, zeigt ein ambivalentes Bild. „Obwohl mehr als acht von zehn Ärzten bereits an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sind, tauschen Gesundheitseinrichtungen medizinische Daten noch weitgehend analog aus“, heißt es in der Studie. 93 Prozent der Ärzt*innen kommunizierten noch immer in Papierform mit den Krankenhäusern. Die Vernetzung sei noch unzureichend, auch das digitale Angebot ambulanter Arztpraxen sei noch relativ begrenzt: Nur 15 Prozent der Praxen gaben bei der Studie an, eine Online-Terminvereinbarung oder die Rezeptbestellung via Homepage zu ermöglichen, 59 Prozent der Praxen hatten zum Zeitpunkt der Befragung noch keinerlei digitale Services im Angebot.

Kommunikation: Fax vor Mail

Dass in Sachen neuer Kommunikationstechnik in den Arztpraxen noch eine Menge Luft nach oben ist, zeigen die Ergebnisse der Bitkom-Studie zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. „Die Kommunikation verläuft größtenteils traditionell“, fassen die Studienautoren zusammen. Im Austausch mit Patient*innen sei das Telefon weiterhin der wichtigste Kanal (77 Prozent), lediglich fünf Prozent gaben an, mit den Patient*innen überwiegend via E-Mail zu kommunizieren. Den Kontakt zu anderen Praxen halten die Ärzt*innen sogar vorwiegend per Fax (22 Prozent) oder Briefpost (19 Prozent). Auch hier liegt der Anteil der E-Mail-Kommunikation bei lediglich fünf Prozent.

Ein Grund für diese digitale Zurückhaltung in den Praxen: Anders als in anderen Branchen fehlte bislang der Transformationsdruck vonseiten der Kund*innen (hier also der Patient*innen) oder auch der politischen Regulatoren. Zwar heißt es im McKinsey-Report, dass „Versicherte und Patienten offen und bewusst mit den digitalen Möglichkeiten umgehen, die ihnen das hiesige Gesundheitssystem bietet“. Die Betonung liegt dabei auf dem Angebot. Und ist dieses flächendeckend nicht gegeben, greift im Gesundheitswesen das Marktprinzip von Angebot und Nachfrage viel weniger als in anderen Branchen. Zumindest bislang, denn es scheint, als würde die Pandemie zum Game-Changer werden, wie die Studie feststellt: „Im Frühjahr 2020 boten bereits 52 Prozent aller niedergelassenen Ärzte Videosprechstunden an. Ende 2017 waren es gerade einmal 2 Prozent.“ Eine McKinsey-Umfrage im August 2020 habe zudem gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der befragten Mediziner*innen diesen digitalen Angeboten „heute aufgeschlossener gegenüberstehen als vor der Krise“.

 

ePA und E-Rezept: Digitale Strukturen werden zum Muss

Ein wichtiger Treiber für diesen Boost sind neue gesundheitspolitische Regularien: Seit dem 1. Juli 2021 sind laut Bundesgesundheitsministerium alle Ärzt*innen gesetzmäßig verpflichtet, sich an das digitale ePA-System anzubinden. Interessant ist die Souveränität über die Daten dieser digitalen Akte, die liegt nämlich bei den Patient*innen, diese „bestimmen, ob und welche Daten aus dem aktuellen Behandlungskontext in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen“, heißt es auf der Homepage des Gesundheitsministeriums. Ergänzend dazu führt das Gesundheitswesen im Januar 2022 das E-Rezept ein: weniger Zettelwirtschaft, vor allem aber auch die Möglichkeit, im Anschluss einer Video-Sprechstunde über den digitalen Weg Medikamente verschreiben zu können – es ist absehbar, dass das Prinzip E-Rezept die Bedeutung von virtuellen Arztbesuchen in großem Maße antreiben wird.

Was die Ärzt*innen von diesem Wandel halten? Die Stimmung ist zwiegespalten, wie eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt. Die Zahlen der Befragung von mehr als 500 Ärzt*innen verdeutlichen, dass die Berufstätigen in Kliniken mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote sind: 86 Prozent der Klinik-Ärzt*innen sehen in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen. Bei den PraxisÄrzt* innen betonen lediglich 53 Prozent diese positiven Aussichten, 39 Prozent dagegen sehen die Entwicklung eher kritisch. Dabei gebe es einen deutlichen Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: „74 Prozent der Frauen sehen die Digitalisierung als Chance, aber nur 63 Prozent der Männer“, heißt es in der Studienzusammenfassung. Und: „Je jünger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener und optimistischer sind sie.“ 88 Prozent der unter 45-Jährigen sehen die Digitalisierung als Chance, bei Ärzt*innen ab 45 Jahren liegt dieser Anteil nur bei 55 Prozent.

Medizin der Zukunft: 3D-Druck und Pandemie-Prognosen

Wenn es aber darum geht, die Chancen der Digitalisierung mit Blick auf die Zukunft des Arztberufs zu skizzieren, gehen die meisten Befragten davon aus, dass neue Techniken für maßgebliche Fortschritte in der Medizin sorgen werden. Das gilt laut Studie gerade für den Umgang mit kommenden Pandemien: „80 Prozent der Mediziner halten es für wahrscheinlich, dass spätestens im Jahr 2030 computergestützte Voraussagen flächendeckend im Einsatz sind, die vor Pandemien warnen und zum Beispiel durch Algorithmen die Dynamik von Infektionsgeschehen vorhersagen.“ Im Fokus der Szenarien für morgen steht der 3DDrucker: Viele Ärzt*innen glauben daran, dass diese Zukunftstechnik die Herstellung von Organen wie Speiseröhrenimplantate, Haut oder Knorpelscheiben übernehmen kann sowie die Produktion von Zellstrukturen übernimmt, die dann einen großen Teil der Tierversuche unnötig machen würden.

Ohne Freude an IT-Lösungen wird es kaum noch gehen, hinzu kommen ethische und soziale Fragen, denn nie zuvor stand die Medizin so sehr im gesellschaftlichen Fokus wie aktuell.

Sollte das Jahr 2021 tatsächlich zum Wendepunkt der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden, hört diese Transformation mit der Implementierung der neuen Techniken nicht auf. Wer in der Medizin Karriere machen möchte, steht künftig vor der Aufgabe, eine ganze Reihe von Disziplinen mitzudenken: Ohne Freude an IT-Lösungen wird es kaum noch gehen, hinzu kommen ethische und soziale Fragen, denn nie zuvor stand die Medizin so sehr im gesellschaftlichen Fokus wie aktuell. Darüber hinaus wird es darauf ankommen, die Kommunikation mit den Patient*innen neu zu organisieren: Die Menschen werden seltener persönlich in die Sprechstunden kommen, Video-Chats und digitale Diagnosen werden einen größeren Stellenwert einnehmen. Dazu steigt die Datensouveränität der Patient*innen, die mitbestimmen können, was in ihrer elektronischen Patientenakte gespeichert wird – und was eben nicht.

Es ist also davon auszugehen, dass das partnerschaftliche Miteinander an Bedeutung gewinnen wird. Gerade weil die Technik immer mehr übernehmen wird, ist es wichtig, als Arzt oder Ärztin ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Menschen aufzubauen und zu pflegen. Und zwar nicht nur im Vier-Augen-Gespräch, sondern auch über vielfältige digitale Kommunikationswege. Für junge Ärzt*innen bringen diese Entwicklungen Vorteile mit: Sie bringen aus ihrem privaten Leben bereits eine Vielzahl an Erfahrungen mit, wie sich eine vertrauensvolle Cross-Channel-Kommunikation aufbauen lässt.

CureVac: „In der Naivität liegt auch Kreativität“

Biotech-Unternehmer Wolfgang Klein hat als Finanzchef die Anfangszeit des Biopharmazie- Unternehmens CureVac miterlebt. Sein Buch „Die CureVac-Story“ erzählt vom revolutionären Potenzial der mRNA-Technik und dem Risiko, das man als biomedizinisches Unternehmen bei der Forschung und Entwicklung eingeht. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik, wo das Scheitern keinen guten Ruf besitzt. Zu Unrecht, wie Wolfgang Klein findet. Von André Boße

Zur Person

Wolfgang Klein ist promovierter Naturwissenschaftler, Mitgründer und CEO des Augenmedikamente entwickelnden Unternehmens Katairo. Von 1999 bis 2001 hat er ein MBAStudium in Krems absolviert, zusammen mit Ingmar Hoerr, dem Gründer von CureVac. Von 2002 bis 2010 war er Finanzund Personalchef bei CureVac. Auch nach seiner aktiven Zeit hat er den Draht zu den führenden Personen im Unternehmen nie verloren und die mRNA-Entwicklung aufmerksam verfolgt. Sein Buch „Die CureVac-Story: Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“ ist vor einigen Monaten im Campus- Verlag erschienen.

Herr Klein, Ihr Buch „Die CureVac Story“ trägt den Untertitel „Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“. Dass die Daten des mRNA-Impfstoffs von CureVac gegen Covid-19 die Erwartungen nicht erfüllt hat, belegt diese These Ihres Buches erst recht, oder?
Absolut. Gerade mein Kapitel über „The Risking Pledge“, also das Versprechen, ein Risiko einzugehen, verdeutlicht, wie wichtig ich es finde, bei Investitionen mehr zu riskieren. Es zeigt aber eben auch: Was folgt, ist nicht immer ein Home Run. Klar, die Sache kann so funktionieren: Ein Investment führt zu medizinischen Entwicklungen, die zu Produkten werden, die wiederum Arbeitsplätze schaffen, die Steuern generieren und soziale Sicherung gewährleisten. Das ist der Erfolgsfall. Wer ins Risiko geht, muss aber natürlich auch damit rechnen, dass dieser nicht eintritt. Das weiß man als Investor, weshalb man auf verschiedene Pferde setzt. Für junge Menschen, die sich für Karrieren in diesem Risikobereich interessieren, zählt die Devise: Schert euch nicht darum. (lacht)

Gibt es diese oft zitierte deutsche Angst vorm Risiko?
Ich glaube schon, dass es diese Mentalität gibt, nach der einem das Scheitern am Stiefel kleben bleibt. Das ist in den USA definitiv anders, da gehört Scheitern in der Vita fast dazu. Gescheitert zu sein – das klingt nach Erfahrung, nicht danach, es nicht draufzuhaben. Wobei ich glaube, dass die Angst vorm Scheitern an Macht verlieren würde, wenn mehr Menschen von ihrem Scheitern erzählen würden. Noch sind „Scheiter- Karrieren“ in Deutschland die große Ausnahme.

Scheitern-by-doing.
So ungefähr, ja. Man würde dann sehr schnell sehen, dass Menschen, die gescheitert sind, sehr viele Erfahrungen gesammelt haben. Ich bin nach meinem Weggang bei CureVac auch mehrfach gescheitert. Heute lache ich darüber. Im jeweiligen Moment war das freilich schwer. Aber natürlich hat dieses Scheitern auf meine Erfahrungsbilanz eingezahlt.

Wie war das zur Gründerzeit von CureVac, die Sie ja – etwas später dazugekommen – mitgeprägt haben, welche Stimmung herrschte 2002 in diesem jungen Unternehmen?
Wir waren unbekümmert. Sogar naiv. Und das war okay. Denn in der Naivität liegt auch Kreativität, liegt die Chance, mit Risiken so umzugehen, dass man, wenn es schiefgeht, fragt: Okay, wie geht’s nun weiter? Statt zu sagen: Oh je, da kommen ja noch weitere Hürden, wie soll das nun alles werden?

Wie kommt Naivität bei Investoren an, die ja extrem wichtig sind, um ein medizinisches oder pharmazeutisches Start-up ans Laufen zu bekommen?
Es gab schon welche, die gesagt haben: Eure Ideen sind klasse, aber was uns bei euch im Team fehlt, sind Erfahrungen. – Das ist sehr schade, weil Teams ja schnell wachsen können, man kann sich Erfahrung dazu holen.

Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.

Wenn wir von der Revolution der Medizin sprechen, was passiert da aktuell in diesem Bereich?
Wenn neue Produkte auf den Markt kommen, dann wollen die Leute sicher sein, dass sie erstens nutzen und zweitens nicht schaden. Also muss ein Unternehmen sehr viel Zeit und Geld in die medizinische Entwicklung stecken, damit diese Sicherheit überhaupt entstehen kann. Wobei Sicherheit bedeutet: Das Verhältnis aus Nutzen und Nebenwirkungen muss positiv eingeschätzt werden. Nun weiß aber niemand, der mit einem medizinischen oder pharmazeutischen Unternehmen ins Risiko geht, am Start, ob die Sache funktionieren wird oder nicht. Es ist eine Wette auf die Zukunft. Auf zehn Jahre oder sogar weitaus mehr. CureVac-Co-Gründer Ingmar Hoerr widmete seine Karriere seit Ende der 1990er-Jahre der Entwicklung von mRNA-Vakzinen, also ein halbes Berufsleben lang. Andererseits: Geht die Idee auf, dann hat man etwas Großes entwickelt. Dann kann man sehr vielen Menschen helfen. Was natürlich ein riesiger Ansporn ist. Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.

Wenn, wie aktuell beim Corona-Impfstoff von CureVac, die Wirkung zu gering ist: Was muss man für ein Typ sein, um das wegzustecken?
Eine gewisse Rationalität ist wichtig, überschäumende Emotionen helfen an diesem Punkt nicht. Es geht darum, nüchtern zu fragen: Wo liegt das Problem – und was bedeutet das? Dabei muss es auch eine Option sein, zu sagen: Es ist klüger, jetzt aufzuhören. Der Kampf gegen Windmühlen ist kein Erfolgsrezept. Bei CureVac gab es bereits 2017 einen Rückschlag, eine Studie zur Bekämpfung eines Prostata-Karzinoms lieferte keine guten Ergebnisse, viele Jahre Arbeit und viele Millionen an Investitionen waren dahin. Unser Hauptinvestor Dietmar Hopp hat das Unternehmen allerdings nicht fallen lassen. Er hat sich als Nicht-Mediziner erklären lassen, dass diese mRNA-Technik viel mehr bietet als diese eine, zunächst einmal gescheiterte Applikation beim Prostatakrebs. Und er hat es verstanden.

mRNA-Vakzine kennen wir nun. Was wäre der nächste Durchbruch für diese revolutionäre Technik?
Das wäre in meinen Augen die Proteinersatztherapie: Ein Patient hat eine genetische Krankheit, weil sein Körper ein benötigtes Protein nicht herstellt. Ziel ist es, durch eine Injektion von mRNA den Organismus dazu zu bringen, dieses Protein doch herzustellen. Bei Tieren gibt es da schon großartige Erfolge. Nun kommt es darauf an, diese Therapie an den Menschen zu bringen, um zum Beispiel bestimmte Stoffwechselerkrankungen zu bekämpfen. Was darauf folgt, wäre das dickste Brett: die Krebsimmuntherapie, die ganz sicher das Potenzial einer enormen medizinischen Revolution besitzt.

Der Tumorbekämpfer Dr. Niels Halama im Interview

Wie kann das körpereigene Immunsystem dabei helfen, Tumoren zu bekämpfen? Welche Rolle spielen dabei mRNA-Botenstoffe, die aktuell die effektivste Waffe gegen das Corona-Virus sind? Und warum sorgen diese Entwicklungen dafür, dass sich das Berufsbild des Mediziners immer weiter ausdifferenziert und altes Silodenken keine Chance mehr hat? Antworten von Dr. Niels Halama, der am Deutschen Krebsforschungszentrum neue onkologische Ansätze entwickelt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Privatdozent Dr. Niels Halama leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Abteilung Translationale Immuntherapie sowie seit 2015 die Forschungsgruppe Adaptive Immunotherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Dort ist er auch Oberarzt und vertritt den Schwerpunkt kolorektales Karzinom. Seine Forschungsgebiete sind unter anderem die Tumorimmunologie, tumorassoziierte Entzündungen sowie die immunologische Biomarker- Identifikation. Neben der klassischen Laborforschung ist die Entwicklung neuer digitaler Methodiken wie Machine Learning ein weiterer wichtiger Fokus. Er studierte an der Universität Heidelberg mit zwei US-Stationen in Houston (2002) und Ohio (2004). Er startete seine Berufskarriere 2006 am NCT und verbindet so die Forschung im Labor mit der Umsetzung in der Klinik, insbesondere im Rahmen von frühen innovativen Studien.

Herr Dr. Halama, ist die Corona-Pandemie der wirksamste Volkshochschulkurs zum Thema Medizin, den eine Gesellschaft erfahren kann?
Es ist tatsächlich so, dass wir derzeit in der Öffentlichkeit eine sehr große Bandbreite an medizinischen Themen verhandeln. Das beginnt bei der basalen Biologie, zum Beispiel der Frage, was mRNA bedeutet, bis hin zu Fragen zur Infektion, zur Impfung sowie zum Immunsystem des Menschen. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass die Pandemie ein umfangreiches Bildungsproramm für die Öffentlichkeit gestartet hat.

Auf welche Weise verändert dieses neuartige Virus die Medizin?
Die Pandemie ist in erster Linie ein Ereignis mit traurigen Folgen. Auch hat sie auf viele Missstände in der Medizin hingewiesen, gerade im Pflegebereich. Was ich aber auch sehe: Die Pandemie belegt eindrücklich, wie engmaschig die Entwicklungen im medizinischen Bereich aktuell passieren. Nehmen Sie den mRNA-Ansatz, wir erleben ihn aktuell insbesondere bei der Impfung gegen das Corona-Virus. Das ist ein großartiger Anwendungsbereich, keine Frage. Die medizinische Entwicklung schaut aber bereits weit darüber hinaus, ausgehend von der Frage: Bietet uns mRNA ein ganz neues Set an Werkzeugen, um an diverse Behandlungen ganz anders ranzugehen? Um es bildlich auszudrücken, wir öffnen hier gerade die Tür zu einer ganz neuen Landschaft, die der Medizin vielfältige Fortschritte ermöglichen wird.

Besonders im Fokus steht dabei die Krebstherapie, wie kann der mRNA-Ansatz die Onkologie revolutionieren?
Die klassische Chemotherapie wirkt, um es sehr überspitzt auszudrücken, beinahe mittelalterlich: Wir geben Gift in einen Patienten und hoffen, dass am Ende der Tumor abstirbt und der Patient möglichst wenig Schaden erleidet. Was die Krebsforschung lange prägte, war der eindeutige Fokus auf den Tumor: Warum entsteht er, was treibt sein Wachstum an, wie kann es sein, dass die Zellen nicht mehr sehen, was links und rechts passiert, sondern nur noch wachsen wollen? An einem gewissen Punkt musste die Medizin allerdings festhalten: Wir kommen hier nicht weiter. Nicht nur gewinnen wir kaum noch neue Erkenntnisse, die Patienten profitieren auch nicht substanziell genug. Also begann die Medizin damit, verstärkt nach links und rechts zu schauen – und die Immunologie zu entdecken, als einen Bereich, der zuvor stets ein wenig als esoterisch angehaucht und irrelevant galt.

Warum?
Weil er zu wenig technisch und messbar zu sein schien. Das änderte sich durch neue Labortechniken, neue Erkenntnisse, klinische Umsetzungen sowie Studien, die zeigten: Wir können hier etwas bewegen – und zwar in einer Dimension, wie wir es mit der Chemotherapie eben nicht mehr konnten.

Jetzt lasst uns als Experten doch nicht weiter jeder für sich über einen Patienten reden, sondern alle gemeinsam mit diesem Patienten!

Man spricht in der Wirtschaft vom „Ende des Silodenkens“, Abteilungen in den Unternehmen arbeitet nicht mehr abgeschottet, sondern zusammen – und organisieren diese Kooperationen immer wieder neu. Ist dieser Trend auch in der modernen Medizin erkennbar?
Absolut, und zwar sowohl in der Forschung als auch in den Kliniken. Es trat eine neue Generation von Medizinerinnen und Medizinern auf, die sagte: Jetzt lasst uns als Experten doch nicht weiter jeder für sich über einen Patienten reden, sondern alle gemeinsam mit diesem Patienten! Klar, es ist anstrengend, dieses Silo aufzubrechen, neue Gedanken anzustoßen, Maßnahmen zu verhandeln, statt sie festzulegen. Denn es ist fraglos komfortabel, in meiner eigenen Blase zu sitzen und das, wofür ich mich entscheide, als das einzige Wahre und Schöne zu bezeichnen. Da muss ich wenig Energie aufwenden. Anders ist es, wenn ich meine Ansätze hinterfrage, wenn ich beginne, sie mit den Ideen anderer zu ergänzen. Diese Auseinandersetzungen kosten Zeit und Kraft, und sie bringen mich manchmal eben auch zu der Erkenntnis, dass mein Ansatz kritisch hinterfragt wird. Das ist heraufordernd. Aber dieses Vorgehen lohnt sich, weil sich die Therapieerfolge dadurch massiv verbessern lassen.

Sind die Klinkkulturen vorbereitet auf diese neue Art der Arbeit?
Hier ändert sich was, auch wieder geprägt von einer neuen Generation. Vor zwei Jahrzehnten stand das sehr hierarchische Denken noch viel stärker im Vordergrund, heute finden wir verstärkt Strukturen, die den Austausch fördern. Mit dem großen Vorteil, dass simple Ja-Nein-Entscheidungen, wie es sie früher gab, heute von differenzierteren Entscheidungen ersetzt werden. Zum Wohle des einzelnen Patienten. Wobei wir feststellen, dass dieser Wandel der Gedankenwelt auch den Medizinerinnen und Medizinern zugutekommt. Denn letztlich waren es ja diese Hierarchien, war es das Feststecken in den Silos, was zur beruflichen Frustration geführt hat.

Mit Blick auf die Fortschritte in der Onkologie: Welche Rolle spielen IT-Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz und Big Data?
Vor fünf bis zehn Jahren war es die Regel, dass die Patienten zu uns kamen und sagten: Macht bitte, was mir hilft! Heute kommen Patienten nicht selten mit einer Festplatte im Gepäck, auf der Unmengen Daten und Messwerte über den Tumor liegen. Wobei der Anspruch lautet: Hier sind meine Daten, nun macht da bitte etwas ganz Nützliches daraus. Wir stehen als Mediziner vor der Aufgabe, diese Daten zu integrieren und einen Nutzen daraus zu ziehen. Das ist manchmal sehr sportlich oder sogar unmöglich. Womit wir bei den digitalen Systemen sind: Sie sind es, die uns dabei unterstützen, diese Daten in eine sinnvolle Anwendung zu bringen. Dabei wird sich in Zukunft zeigen, welche Rolle die Künstliche Intelligenz und Machine Learning spielen werden: Wird sie ein zentraler Helfer sein – oder nur ein Werkzeug unter vielen? Da ist der Ausgang weiterhin offen. Was dagegen klar ist: Junge Medizinerinnen und Mediziner mit Interesse an digitalen Themen müssen sich keine Zukunftssorgen machen. Das Thema wird bleiben und den Klinikalltag prägen.

Ändert also diese Vielzahl an Entwicklungen das Berufsbild einer Ärztin und eines Arztes?
Ich glaube schon, ja. Hinter einer Berufsbezeichnung wie Onkologe stecken schon heute viele verschiedene mögliche Schwerpunkte. Diese Differenzierung wird sich fortsetzen. Die Medizin war immer schon sehr vielfältig, der klassische Herzchirurg hat schon immer ganz andere Dinge gemacht als der Onkologe oder Labormediziner. Doch ist der Grad dieser Differenzierung in den vergangenen zehn Jahren noch einmal explodiert. Das Spektrum erweitert sich enorm. Der Medizinberuf verästelt sich mit der Physik und der Informatik, mit der Ethik und der Kommunikation. Wobei dieser Prozess kein Ende finden, sondern sich immer weiter fortsetzen wird.

mRNA in der Immuntherapie

Im menschlichen Erbgut gibt es Signalmoleküle, die als kurzlebige Botenstoffe fungieren. Zunächst erschienen diese Messenger- RNA wegen ihrer Kurzlebigkeit wenig attraktiv zu sein. Als es im Labor gelang, sie etwas langlebiger und vor allem steuerbar zu machen, reifte die Überlegung, diese Botenstoffe als Medikament einzusetzen. Zumal die kurze Halbwertzeit auch ein Vorteil darstellt: Die Moleküle geben die Chance, sehr präzise Informationen an das Immunsystem bzw. den Körper zu vermitteln, ohne dass dabei langfristige Folgen entstehen. Vermitteln die bekannten Corona-mRNA-Impfstoffe einen Teil des Bauplans des Virus, so geben die Botenstoffe in der Onkologie Informationen über die zu bekämpfenden Tumorzellen weiter. Wobei die Kurzlebigkeit der Moleküle der Medizin die Chance gibt, die Art der Botschaft immer wieder kleinteilig, individuell und maßgeschneidert anzupassen. Die Erfolge klinischer Studien geben Grund zur Hoffnung, dass der mRNA-Ansatz die Krebstherapie einen großen Schritt nach vorne bringen wird. Im Zentrum der aktuellen Forschung steht dabei das „Feintuning“, das verhindert, dass das Immunsystem falsch oder überreagiert.

Medizin, die schmeckt – Kultur-, Buch- und Linktipps

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Das Leben ist einfach…

Cover das Leben ist einfachDer erfahrene Psychotherapeut Holger Kuntze erklärt in seinem neuen Buch, warum wir persönlichen Krisen nicht hilflos ausgeliefert sind – und warum sie manchmal geradezu sinnvoll sein können. Er gewährt uns mithilfe moderner Verhaltenstherapie sowie neuester Erkenntnisse der Neurowissenschaft und Evolutionsforschung einen Blick hinter die Kulissen unseres eigenen Fühlens und Denkens. Mit kleinen Notfallinterventionen und zwanzig Begriffspaaren, die das Leben leichter machen, öffnet er einen Zugang zu unseren inneren Freiräumen. Konkret und mit Beispielen aus seiner eigenen Praxis benennt er Ressourcen, die uns auf der Basis akzeptanzbasierter Strategien ermöglichen, die Zumutungen des Lebens anzuerkennen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Holger Kuntze: Das Leben ist einfach, wenn du verstehst, warum es so schwierig ist. Kösel 2021. 18 Euro.

Neuer Podcast „FAMILIE UND CORONA“

Foto: AdobeStock/Fotomek
Foto: AdobeStock/Fotomek

Wissenschaftler*innen der Hochschule für Gesundheit haben einen Podcast zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Familien ins Leben gerufen. Der Wissenschaftspodcast mit dem Titel „Familien und Corona“ erscheint seit dem 16. April 2021 ein- bis zweimal im Monat.

Stimmtraining

Cover Sei eine StimmeStarke Stimme – starker Auftritt: Unsere Stimme ist der Spiegel unserer Seele. Sie hat großen Einfluss darauf, wie unsere Umwelt uns wahrnimmt. Habe ich überhaupt eine Stimme? Was habe ich der Welt zu sagen? Wie verschaffe ich mir Gehör? Wer bin ich? Was sagt meine innere Stimme? Der Musikwissenschaftler, Theologe und Coach Gerrit Winter macht in seinen Trainings den Menschen ihre schlummernden Fähigkeiten bewusst und birgt lange vergessene Potenziale. Gerrit Winter: Sei eine Stimme, nicht nur Echo. ZS-Verlag 2021. 16.99 Euro.

„Unendliche Weiten, faszinierende Welten“

Der Wissenschaftspodcast der Humboldt-Universität (HU) bringt die Hörerinnen und Hörer in Kontakt mit den Forschenden der HU.

„Fenster ins Gehirn“

Cover Fenster ins GehirnZu wissen, was im Kopf des Gegenübers vor sich geht, ist seit jeher eine tiefe Sehnsucht des Menschen. Tatsächlich kann die Forschung bereits Gedanken aus der Hirnaktivität auslesen. Der Neurowissenschaftler und Psychologe John-Dylan Haynes hat es geschafft, verborgene Absichten in den Hirnen seiner Probanden zu entschlüsseln. Aus seiner Forschung ergeben sich provokante Fragen: Sind unsere Gedanken wirklich so frei und sicher wie wir glauben? Oder wird man irgendwann per Gehirnscan unsere Wünsche und Gefühle oder gar unsere PINs auslesen können? Kann die Werbung unsere Hirnprozesse gezielt beeinflussen? Haben wir überhaupt einen freien Willen oder sind unsere Entscheidungen durch unser Gehirn vorherbestimmt? John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt zeigen, was heute schon möglich ist, und worauf wir uns in den kommenden Jahren einstellen sollten. John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt: Fenster ins Gehirn. Ullstein 2021. ISBN 978-3-550-20003-8. 24 Euro.

Gesundsheits-App „AUDIO RESONANCE THERAPY“

Foto: AUDIO RESONANCE THERAPY
Foto: AUDIO RESONANCE THERAPY

Mehr als 3300 Nutzer*innen verwenden die Meditations- und Gesundheits-App „Audio Resonance Therapy“ (A.R.T.), um Stress zu bewältigen und ihre Resilienz zu stärken. Die Kombination von stimulierenden, eigens komponierten Klangsequenzen und wirkungsvollen Meditationstechniken zur therapeutischen Unterstützung und Prävention kann dabei helfen, Erschöpfung, Angstzustände, Burnout, Schlafstörungen und gar Depressionen zu lindern. Entwickelt wurde die A.R.T. von der Medizinerin und Buchautorin Dr. med. Roya Schwarz und dem Komponisten Dirk Reichardt. Die App ist in allen bekannten Online-Stores erhältlich.

„Unsichtbarer Tod“

Cover Unsichtbarer TodAm Anfang war der Lockdown: Menschen wurden sesshaft, Tiere gesellten sich zu ihnen. Das war praktisch. Aber tödlich. Weil sich unsere Vorfahren das Sterben nicht erklären konnten, suchten sie Antworten bei den Göttern. So entstanden religiöse Hygiene- und Nahrungsvorschriften. Man fand heraus, welchen Wert saubere Straßen, frisches Wasser, gut belüftbare Wohnungen besaßen, man entdeckte die Keime und das Penicillin. Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie, nimmt uns mit auf einen faszinierenden Streifzug durch die Geschichte der Zivilisation, der Religionen, der Architektur, der Medizin und der Wissenschaften. Er erzählt eine Geschichte ohne Ende, ein wesentliches Kapitel schreiben wir alle gerade selbst … Dirk Bockmühl: Der unsichtbare Tod. Dtv 2021. ISBN 978-3-423-28304-5. 24 Euro.

telegramm – Neues aus der Welt der Medizinforschung

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Neues Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie

Foto: Fotolia/warmworldSchon 2012 wurde mithilfe des hessischen LOEWE-Programms (Landesoffensive für ökonomische und wissenschaftliche Exzellenz) am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME eine Fraunhofer-Projektgruppe für Translationale Medizin und Pharmakologie TMP eingerichtet, um das Portfolio der Fraunhofer-Gesellschaft auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung und -entwicklung zu erweitern. Basierend auf ihrer hohen Expertise auf den Gebieten Wirkstoffsuchforschung, pharmazeutische Technologie, hochdifferenzierte und indikationsspezifische pharmakologische Modelle bis hin zur klinischen Forschung hat sich die einstige Fraunhofer- Projektgruppe TMP in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Immunerkrankungen international sichtbar etabliert. Aufgrund dieser positiven Entwicklung wurde der Institutsteil TMP des Fraunhofer IME zum 1. Januar 2021 in ein eigenständiges Institut mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und Standorten in Hamburg und Göttingen überführt. www.fraunhofer.de

Blick ins Gehirn: Sonderforschungsbereich geht in die Verlängerung

Foto: Fotolia/sester1848Das Säugetiergehirn ist außerordentlich komplex – schätzungsweise besteht es aus rund 100 Milliarden Nervenzellen. Jede dieser Zellen ist über Synapsen mit Zehntausenden anderen Gehirnzellen verknüpft. Wie arbeiten die Elemente eines solchen komplexen Netzwerks zusammen, um Verhalten zu erzeugen? Wie verändern sich die Netzwerke durch Erkrankungen? Diesen und weiteren Fragen gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit acht Jahren im Sonderforschungsbereich (SFB) 1089 „Synaptische Mikronetzwerke in Gesundheit und Krankheit“ der Universität Bonn nach. Mit großem Erfolg: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den interdisziplinären Verbund über weitere vier Jahre. Die beantragte Fördersumme beträgt rund 11,1 Millionen Euro. Partner sind das Forschungszentrum caesar in der Max-Planck- Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn. www.uni-bonn.de

Hohe Bereitschaft zur Spende von Gesundheitsdaten

Foto: Fotolia/Mykola-lovemaskIn der Covid-19-Pandemie sind viele Menschen bereit, ihre Gesundheitsdaten der Forschung zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wichtiges Ergebnis einer Studie des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. Die Forschenden haben die persönliche Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer zur Corona-Datenspende-App des Robert-Koch-Instituts untersucht und daraus Empfehlungen für die Entwicklung von Technologien abgeleitet, die bei zukünftigen Krisen zum Einsatz kommen sollen. Entgegen bisheriger Erfahrungen mit anderen Projekten aus der Gesundheitsforschung geben die App-Nutzer auch dann ihre Daten für die Forschung frei, wenn sie keinen direkten Nutzen für sich selbst sehen. Offenbar genügt in diesem Fall der Anreiz, einen Beitrag zur Bewältigung eines großen gesellschaftlichen Problems zu leisten. Während den meisten Nutzerinnen und Nutzern das Ziel der App – die frühzeitige Erkennung von Corona-Hotspots – bewusst war, konnten sie den persönlichen Wert ihrer Datenspende nicht nachvollziehen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass für die Nutzerinnen und Nutzer das Gemeinwohl die vorherrschende Motivation war. www.uni-bremen.de/tzi/

Das letzte Wort hat: Dota Kehr – Liedermacherin, Musikproduzentin und studierte Medizinerin

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Dota, eigentlich Dorothea Kehr, ist nicht nur eine deutsche Liedermacherin und Musikproduzentin, sondern auch studierte Medizinerin. Bekannt wurde die Berlinerin mit ihrer Musik als Kleingeldprinzessin, heute schreibt und singt sie die Lieder der Band DOTA. Gerade ist das neue Album „Wir rufen dich Galaktika“ erschienen. Die Fragen stellte Christiane Martin.

DOTA, Foto: Annika Weinthal
DOTA, Foto: Annika Weinthal

Sie haben Medizin studiert, verdienen Ihr Geld aber mit Musik. Wird das für immer so bleiben?
Ich gehe davon aus. Zwar habe ich mit viel Interesse und Begeisterung Medizin studiert und wenn der Tag 48 Stunden hätte, würde ich vielleicht versuchen, beiden Berufen parallel nachzugehen, aber da die Zeit begrenzt ist, entscheide ich mich für die Musik. Ohne zu singen, könnte ich nicht leben.

Was hat Sie dazu bewogen Medizin zu studieren? Was fasziniert Sie an diesem Fach?
Zunächst war es – schon in der Schulzeit – eine Neigung zu naturwissenschaftlichen Fächern, dann die Faszination für Physiologie und der Drang zu verstehen, wie der Organismus in allen Details funktioniert. Ich hätte mir damals auch eine Betätigung in der medizinischen Grundlagenforschung vorstellen können. Später im Studium hat mich die ganze kommunikative Ebene ebenso begeistert – und ich glaube, dass sie mir auch liegt. Und im PJ habe ich die Chirurgie entdeckt. Ich glaube, wenn ich in der Medizin geblieben wäre, hätte ich mich für ein Fach mit chirurgischem Anteil entschieden. Gynäkologie oder Urologie vielleicht.

Gibt es Parallelen im Leben einer Ärztin und einer Sängerin?
Eigentlich wenige. In der Medizin gibt es an vielen Stellen Protokolle, denen zu folgen ist, im diagnostischen Vorgehen, in der Behandlung etc. In der Musik habe ich überhaupt keine Vorgaben. Kein Treppengeländer sozusagen. Ich taste mich mit jedem neuen Lied in unbekanntes Gebiet vor. Eine gewisse Disziplin ist für jeden Beruf notwendig. In dem freien Beruf von Künstlern ganz besonders. Ich muss mir jeden Tag die notwendigen Erledigungen und zu erreichenden Ziele selber vorgeben.

Was bedeutet für Sie Erfolg?
Auf der Bühne zu stehen und in strahlende Gesichter zu blicken. Das Radio einzuschalten und zufällig ein Lied von mir zu erwischen. Zu hören, wie Leute meine Lieder nachsingen – ein ganz besonders schmeichelhaftes Erlebnis war, dass ein Lied von mir Eingang gefunden hat, in die Liederbücher der Pfadfinder und landauf, landab nachgesungen wird.

DOTA „Wir rufen dich Galaktika“

DOTA „Wir rufen dich Galaktika“
Kleingeldprinzessin Records 2021

Universitätsklinikum Münster

Branche
Krankenhaus, Klinikum, Universitätsklinik

Produkte/Dienstleistungen
Universitätsklinikum der Maximalversorgung

Anzahl der Standorte
Münster und Steinfurt

Anzahl der MitarbeiterInnen
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Vielfältige Angebote für Studentische Hilfskräfte und Studentische Aushilfen, Abschlussarbeiten sind möglich, das PJ wird für Studierende der Medizin angeboten, Promotionsstellen sind ebenfalls zahlreich ganzjährig vorhanden.

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Mehr Wissen für Ihre Beratung

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Gerade in Zeiten hoher Veränderung kommt es darauf an, sich durch (Mehr-)Wissen und Solidität im Markt abzugrenzen. „Unternehmenserfolg entsteht nicht von alleine, sondern muss immer wieder professionell erarbeitet werden. Das berufsbegleitende MBA-Studium Business Consulting vermittelt die hierfür nötigen Fähigkeiten. Schnelle und treffsichere Analysen, intelligente und zielführende Konzeption und konsequente Umsetzung sind der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Dr. Jörg Wildgruber, Mitglied im Aufsichtsrat der ING Deutschland und Dozent bei WINGS-Fernstudium. Denn: Ob es nun um digitale Transformation, strategische Akquisitionen oder agiles Management geht – aktuelle betriebswirtschaftliche Themen flexibel zugänglich und Gelerntes unmittelbar anwendbar machen, das ist es, was sich Profis von einem berufsbegleitenden Bildungsangebot wünschen.

Consultingansatz mit hohem Praxisbezug

Logo WINGS-FernstudiumNach dem Vorbild amerikanischer Business Schools beruht der MBA Business Consulting im Wesentlichen auf aktuellen Praxisfällen, die in interdiziplinären Gruppen bearbeitet werden. „Das Wissen erlernen die Fernstudierenden bei der Beschäftigung mit fachlichen Meilensteinen im Lebenszyklus von Unternehmen und mit Arbeitsweisen und -methoden, die wertschöpfende Veränderungsprozesse erst ermöglichen“, betont Wildgruber. Eine Praxis, bei der moderne BWL mit Methoden des Projekt- und Change-Management sowie agiler Organisationsformen kombiniert werden. Andere wichtige Merkmale sind der Fokus auf einschneidende Entwicklungen eines Unternehmens wie Gründung, Digitalisierung, Restrukturierung und M&A aber auch der klare Consultingansatz. Diese und weitere Schlüsselkompetenzen vermittelt aktiven und angehenden internen und externen Beratern der berufsbegleitende MBA. Denn hochaktuelle Methodik und die Fähigkeit, den professionellen Blickwinkel ändern zu können, sind Grundvoraussetzungen für die optimale Bewältigung von Herausforderungen jedes Unternehmens wie dem digitalen Wandel, Krisen oder Wachstumsschwächen.

MBA – der Goldstandard in der Ausbildung

Professoren verschiedener Hochschulen sowie erfahrene Dozenten aus der Consulting-Branche leiten die Lehrveranstaltungen und begleiten die Studierenden in wöchentlichen Online-Tutorien sowie live in den Praxisseminaren vor Ort. Nach vier Semestern verleiht die staatliche Hochschule Wismar den international anerkannten Hochschulabschluss „Master of Business Administration (MBA)“ – der Goldstandard in der Ausbildung. Seit dem Studienstart 2005 haben mehr als 640 interne und externe Consultants den MBA Business Consulting erfolgreich absolviert. Zu ihren Arbeitgebern zählen Unternehmen wie die Deutsche Bank, Deutsche Bahn, Dräger, KPMG sowie zahlreiche Mittelstandsunternehmen aus diversen Branchen.

Der Studienstart ist jederzeit möglich. Weitere Infos zum MBA-Studium unter www.wings.de/consulting

karriereführer wirtschaftswissenschaften 2.2021 – Zukunft gestalten: Die Arbeitswelt wird digitaler und nachhaltiger

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cover karrierefuehrer wirtschaftswissenschaften 2-2021

Zukunft gestalten: Die Arbeitswelt wird digitaler und nachhaltiger

Veränderungen sind nicht immer einfach – aber sie eröffnen uns oft Möglichkeiten zur Gestaltung. Mit dieser Ausgabe schauen wir auf Veränderungen der Arbeitswelt: Digitale Prozesse und Nachhaltigkeit sind dabei die großen Schlagworte. Mit Prof. Dr. Matthias Finkbeiner haben wir über Ökobilanzen gesprochen. Der Leiter des Fachgebietes Sustainable Engineering und geschäftsführende Direktor des Instituts für Technischen Umweltschutz an der TU Berlin beobachtet positive Veränderungen: „In den Unternehmen wird seit vielen Jahren gehandelt“, sagt er. Die Unternehmen könnten zwar immer noch mehr tun, aber führende Unternehmen seien in einigen Bereichen weiter als die Umweltpolitik. Außerdem haben wir uns angeschaut, wie die digitale Transformation den Beruf des Wirtschaftsprüfers neu definiert. Und wir werfen einen Blick auf Megatrends, die den Handel in Zukunft prägen werden.

E-Paper karriereführer wirtschaftswissenschaften 2.2021 – Zukunft gestalten: Die Arbeitswelt wird digitaler und nachhaltiger

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Wirtschaftsprüfung 4.0

Kontinuierliche Prüfungsprozesse, mit Künstlicher Intelligenz und Big Data, hohen Compliance-Standards und permanenter Vernetzung mit dem Mandanten: Die digitale Transformation definiert den Beruf des Wirtschaftsprüfers neu. Dabei ist weiterhin der Mensch gefragt: als Vertrauensgarant, Berater und Möglichmacher. Dass es aktuell an Nachwuchs mangelt, könnte sich bald ändern: Durch die steigende IT-Affinität gewinnt der Job an Attraktivität. Von André Boße.

Die Sache kippt im Jahr 2026. Dann, so schätzen Verantwortliche der 25 führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland, werden erstmals mehr Maschinen als Menschen Prüfungs-Dienstleistungen erbringen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Marktstudie des Analyse- Unternehmens Lünendonk. Werden also in fünf Jahren keine Wirtschaftsprüfer*innen mehr benötigt? Die Antwortet lautet: doch! Aber andere. Den tiefgreifenden Wandel erkennt man auch daran, welche neuen Begriffe im Bereich der Wirtschaftsprüfung schon heute zum Alltagsvokabular zählen: Big Data Analytics und Process Mining, IT Audit und TaxTech – die Sprache in der Branche ändert sich. Auf die Industrie 4.0 folgt die Wirtschaftsprüfung 4.0: Zur Anwendung kommen vernetzte Systeme mit Künstlicher Intelligenz und Big Data. Was das konkret für die Arbeitsweisen- und inhalte bedeutet, macht Lünendonk-Geschäftsführer Jörg Hossenfelder deutlich:

„Der Wirtschaftsprüfer der Zukunft muss nicht nur die digitalen Geschäftsideen verstehen, sondern in diesen auch beraten. Er beherrscht den Jargon aus der IT-Branche und kann sein bestehendes Know-how in die digitale Welt übertragen.“ Wirtschaftsprüfer*innen werden damit zu Begleitern von Mandant*innen, deren Geschäftsbeziehungen sich komplett ändern. Für die Unternehmen werden aus Wertschöpfungsketten Netzwerke, die Intensität der notwendigen Kommunikation mit Partnern nimmt zu, geführt wird diese mit Hilfe digitaler, häufig vollautomatisierter Tools. „Dies alles führt zu einer immer engeren Verflechtung von Unternehmen und deren Lieferanten auf der einen Seite und Kunden auf der anderen“, beschreibt Jörg Hossenfelder den Wandel. Die Wirtschaftsprüfung erhält in diesem Geflecht ganz neue Aufgaben. Erstens arbeiten die Gesellschaften mit hoher Priorität daran, die Netzwerkstruktur der Mandant*innen mitzugestalten. Zweitens ergeben sich mit Blick auf diese Veränderungen „Fragen hinsichtlich Investitionen, Compliance und Cyber Security“, sagt Hossenfelder. Und, klar, die Prüfungen selbst stehen natürlich auch noch an.

„Causa Wirecard“: Kontrolle in der Komplexität

„Muss das denn alles sein?“, werden sich konservative Wirtschaftsprüfer fragen. Expert*innen sagen: Ja. Für diese notwendigen Schritte der Digitalisierung sprechen einmal die enormen Potenziale, mit Hilfe des Wandels Prozesse effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Doch diese simple Kosten-Nutzenrechnung darf heute nicht der einzige Grund sein, in der Wirtschaftsprüfung neue Wege zu finden. Was hinzu kommt: Die komplexe Gemengelage ruft nach neuen Formen der Kontrolle.

Es gab in den vergangenen Monaten nicht viele Ereignisse, die sich gegen das Dauerthema Pandemie durchsetzen konnten. Die „Causa Wirecard“ war eines davon. Abseits der gerichtlich zu entscheidenden Fragen über Schuld und Verantwortung zeigte sich, dass die turbodigitalisierte Wirtschaft mit ihren unzähligen internationalen Verflechtungen nach neuen Methoden verlangt, um sie wirksam durchleuchten zu können. Zumal weiterhin mit zusätzlichen regulatorischen Vorgaben zu rechnen ist, die eine höhere Compliance-Qualität nötig machen.

Eine Methode, auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Mandanten setzen, ist das „Continuous Auditing“, also eine Art kontinuierliche Abschlussprüfung. Was widersprüchlich klingt ergibt Sinn, wenn man sich genauer anschaut, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüfer und Mandant zuletzt gestaltet hat.

Eine Methode, auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Mandant* innen dabei setzen, ist das „Continuous Auditing“, also eine Art kontinuierliche Abschlussprüfung. Was widersprüchlich klingt (ein Abschluss kann eigentlich nicht kontinuierlich sein) ergibt Sinn, wenn man sich genauer anschaut, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Wirschaftsprüfer* innen und Mandant*innen zuletzt gestaltet hat. „Der Druck auf Unternehmen, externe und interne Anforderungen einzuhalten, wächst stetig und erreicht in Unternehmen mit unterschiedlichen Standorten und ITSystemen eine herausfordernde Komplexität“, heißt es in einem Newsletter des Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Rödl & Partner. Wichtig werden daher Methoden eines „Continuous Auditing & Control Monitoring“ (CACM), das kontinuierliches Risikomanagement gewährleistet. „Ziel des CACM ist es, permanent Transparenz über die Wirksamkeit von wichtigen KPIs und Kontrollen zu erreichen sowie Abweichungen in Echtzeit zu erkennen“, heißt es im Newsletter.

Darüber hinaus könne das CACM auch prüfungsunterstützend für die Interne Revision oder externe Prüfung dienen, um Prüfungsnachweise bereitzustellen oder den Umfang von Stichprobenprüfungen zu reduzieren. Ergänzt werde diese Effizienz durch ein gesteigertes Sicherheitsgefühl: „Fehler werden durch automatisierte Kontrollen sofort erkannt, definierte Personen automatisch informiert.“ Die CACM-Experten von Rödl & Partner geben an, dass auf diesem Wege „Einsparungen von bis zu 60 Prozent der Prozess-, Überwachungs- und Audit-Kosten“ keine Seltenheit seien. Zudem spare sich das Unternehmen eine Reihe von manuellen Tätigkeiten, um Informationen und Daten zu sammeln, aufzubereiten und zu analysieren.

Warum eigentlich 4.0?

Abgeleitet von der Industrie 4.0 lässt sich in vielen Bereichen beobachten, dass die dort formulierten Standards der vierten industriellen Revolution auch in anderen Sektoren zu Megatrends werden. So zum Beispiel auch in der Wirtschaftsprüfung. Kurz die Schritte von der ersten bis zur vierten Revolution:

1.0: Durch die Mechanisierung mit Hilfe von Dampf und Hydraulik blüht der Maschinenbau auf.
2.0: Die Elektrisierung ermöglicht den Aufbau moderner Fabriken mit Fließbandarbeit.
3.0: Speichermedien und EDV eröffnen das digitale Zeitalter.
4.0: IT-Systeme vernetzen sich intelligent miteinander.

Deutlich wird, dass sich die Rolle von Wirtschaftsprüfer* innen durch solche digitalen Methoden ändert. Das Continuous Auditing & Control Monitoring ist tief in der IT der Organisation verankert, es kommt daher auf ein enges Zusammenspiel zwischen der internen IT und den ITExpert* innen des Wirtschaftsprüfungsunternehmens an. Dort wieder gilt es, Know-how in Sachen IT und Wirtschaftsprüfungen so zusammenzubringen, dass bei den – zu Beginn vielleicht noch kritischen – Mandant*innen schnell der Nutzen der Umstellung deutlich wird. Entsprechend wichtig sind Leistungen wie Beratung und Begleitung der Prozesse – wobei gerade der Erfolg digitaler Transformationen davon abhängig ist, dass sich die Beteiligten Vertrauen.

Gleicher Personalbedarf, höhere Anforderungen

Diese Einschätzung deckt sich mit einer aktuellen Studie der Personalberatung Maxmatch für den Finanzbereich: Zwar gaben mehr als 80 Prozent der Befragten an, dass die Zahl der benötigten Mitarbeiter*innen trotz der digitalen Transformation konstant bleibt – dass also der Wandel weder dazu führt, dass weniger Leute gebraucht werden, noch dazu, dass der Personalbedarf sinkt. „Doch was sich für die Teamzusammenstellung eindeutig geändert hat, sind die Anforderungen, die Mitarbeiter erfüllen müssen“, heißt es in der Studie. „79,1 Prozent der Studienteilnehmer bestätigen, dass durch die digitale Transformation neue Kompetenzen von Mitarbeitern verlangt und erwartet werden.“ Als besonders wichtig eingeschätzt werden dabei Anwender-Kenntnisse in kollaborativen Technologien, Kenntnisse im Bereich Datenbanken sowie Erfahrungen im Umgang mit großen Datenmengen.

So klar die Herausforderungen für die befragten Verantwortlichen der Unternehmen aus dem Finanzbereich sind, so unklar ist, wie es gelingen soll, Nachwuchskräfte zu rekrutieren, die diese mitbringen. „Mehr als jeder Zweite der Umfrageteilnehmer bewertete die Suche nach Mitarbeitern mit den entsprechenden digitalen Kompetenzen als ‚schwer‘ oder ‚sehr schwer‘“, heißt es in der Studie. Ein Ergebnis, dass das Marktforschungsunternehmens SWI Finance in einer Befragung bestätigt: 86 Prozent aller befragten Steuerberater*innen und Wirtschaftsprüfer*innen – und sogar 95 Prozent der großen Kanzleien – sehen sich auch in diesem Jahr vor die kontinuierliche Herausforderung gestellt, qualifiziertes Personal zu finden.

Recruiting: IT-Affinität kommunizieren

Das Bild des Wirtschaftsprüfers, der sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften durch immer wiederholende Aufgaben und Tätigkeiten wühlt, ist überholt.

Was hilft? Ein anderes Image. Und auch das ergibt sich durch die digitale Transformation. Das Bild von Wirtschaftsprüfer* innen, die sich aufgrund gesetzlicher Vorschriften durch immer wiederholende Aufgaben und Tätigkeiten wühlen, ist überholt. „Kenner der Branche verbinden mit dem Berufsstand Eigenschaften wie abwechslungsreich, analytisch, attraktiv bezahlt und kommunikativ sowie krisensicher. Das Bild der Wirtschaftsprüfung in der heutigen Zeit ist deutlich vielfältiger, komplexer und anspruchsvoller geworden“, findet Jörg Hossenfelder von Lünendonk. Nun bringt dieses intern empfundene Image nichts, wenn der Wiwi-Nachwuchs es nicht auch so sieht – und sich für eine Karriere in diesem Bereich begeistern lässt. Hier sei es Aufgabe der Unternehmen und der Lehrenden an den Hochschulen, den jungen Interessierten zwei Dinge klarzumachen: Erstens sorge die Digitalisierung dafür, dass die Wirtschaftsprüfer* innen von einfachen, sich wiederholenden Tätigkeiten befreit werden – „was eine verstärkte Beschäftigung mit Sach- und Sonderthemen ermöglicht“, wie Jörg Hossenfelder es formuliert. Zweitens, dass es bei dieser Arbeit viel mehr IT-Kenntnisse ankommt, als man denken könnte.

Hier komme es auch auf die Art und Weise an, wie Hochschulen die kommenden Absolvent*innen auf das Examen und das anschließende Berufsleben vorbereiten: Fast neun von zehn Umfrageteilnehmer*innen der Lünendonk-Studie gaben bei der Umfrage an, dass sich in der internen Weiterbildung sowie der Vorbereitung auf das Wirtschaftsprüfungs- Examen etwas ändern müsse. Eine solche Zahl zeigt: Der Wandel ist im vollen Gange.

Was Wirtschaftsprüfungen bei der Digitalisierung bremst

Die Lünendonk-Studie hat Verantwortliche der größten Prüfungsgesellschaften gefragt, welche Hürden sie bei der digitalen Transformation als besonders restriktiv erachten.

Das Ergebnis:

  • 91 Prozent halten die mangelnde Datenqualität ihrer Mandant*innen für einen Behinderungsfaktor.
  • 67 Prozent sehen die Umsetzung des erlernten WP-Know-hows in automatisierte Prozesse als problematisch.
  • 62 Prozent nennen die Zurückhaltung der Mandant*innen bei diesem Thema.
  • 48 Prozent verweisen auf den strengen Datenschutz als Hürde.

Wirtschaftsprüfung digital: Was sich ändert…

  • Algorithmen übernehmen Standard- und Routinetätigkeiten.
  • Prüfungen sind nicht mehr an Zeiten und Orte gebunden, da Daten jederzeit über die Cloud abrufbar sind.
  • Big Data-Methoden und automatisierte Audit Bots prüfen in hohem Tempo. riesige Datenmengen, sodass statt Stichproben Vollprüfungen möglich werden.
  • Tools prüfen auch die Daten-Qualität der/des Mandant*in.
  • Vorteil für Mandant*innen: Versteckte Verschwendungen und Potenziale werden aufgezeigt, Risiken minimiert.