Mobilität: „Die Zukunft ist eigentlich schon da“

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Mobilität bedeutet weit mehr als die Weiterentwicklung von Elektroautos. Sabine Olschner sprach mit Dr. Nari Kahle, Autorin des Buchs „Mobilität in Bewegung“, über die vielen Facetten der Mobilität und der Rolle, die Ingenieurinnen und Ingenieure dabei spielen.

Zur Person

Dr. Nari Kahle, 35, arbeitet als Head of Strategic Programs bei Cariad SE, dem Software- und Technologieunternehmen im Volkswagen Konzern. Zuvor war sie bei dem Automobilkonzern in unterschiedlichen Stationen tätig, unter anderem als Leiterin für soziale Nachhaltigkeit und als Referentin des Konzernbetriebsrats. Sie studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität in Bonn, an der Korea University in Seoul und der Harvard University in den USA die Fächer Medienwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre sowie Rechtswissenschaften. Anschließend promovierte sie an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar sowie an der Cambridge University in England über soziale Innovationen sowie deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte. In ihrem aktuellen Buch „Mobilität in Bewegung“ befasst sie sich mit sozialen Innovationen, Beispielen aus der Praxis und mit Vordenker*innen rund um das Thema Mobilität.

Was finden Sie so spannend am Thema Mobilität?
Mobilität hat für uns auch schon in den vergangenen Jahren eine große Rolle gespielt, aber es hat sich lange Zeit nicht viel verändert. Nun passieren auf einmal unfassbar viele Dinge: Wir erleben den Wandel hin zu Elektromobilität. Wir sehen viele neue Player im Mobilitätsumfeld, was früher undenkbar war, weil das Thema wenigen größeren Unternehmen oder staatlichen Betrieben vorbehalten war. Und nun wirbeln Start-ups das Althergebrachte durcheinander. Das alles macht das Thema gerade sehr spannend, weil das Ausmaß davon, wie sich Mobilität verändern wird, noch nicht klar ist. In der Wirtschaft und in der Gesellschaft, vor allem in der jungen Generation, findet gerade ein Umdenken statt: Das Thema Nachhaltigkeit wird immer stärker in der Mobilität verankert.

Ist aus Ihrer Sicht die E-Mobilität das Allheilmittel, um den Klimawandel abzuwenden?
Nein, ganz bestimmt nicht. Wir müssen alle gemeinsam, Gesellschaft und Wirtschaft, dafür sorgen, dass wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren und das Thema Kreislaufwirtschaft immer stärker bedenken. Elektromobilität ist dafür ein wichtiger Baustein. Aber es reicht nicht aus, wenn alle nun ein Elektrofahrzeug fahren. Dieses muss auch nachhaltig geladen werden, und die Produktion muss weniger CO2 verbrauchen als ein klassisches Verbrennerauto. Das ist derzeit noch nicht der Fall. Auch bringt es nichts, wenn jetzt alle direkt ihr Auto austauschen, obwohl das alte eigentlich noch gut ist. Bestehende Fahrzeuge sollten so lange wie möglich genutzt werden.

Wo ist das größte Problem bei der Produktion und der Entsorgung der Altbatterien von Elektrofahrzeugen?
Bei der Entsorgung muss stärker auf eine hohe Recyclingquote geachtet werden. Die seltenen Rohstoffe, die man für die Batterien benötigt, wie Lithium, Nickel oder Kobalt, sollten immer weiterverwendet werden, so dass ein wirklich nachhaltiger Kreislauf entsteht, von der Produktion über die Nutzung bis zum Ende des Autos. Ein weiteres Problem besteht in der Beschaffung der Rohstoffe: Diese haben wir nicht im eigenen Land, sondern sie kommen aus anderen Teilen der Erde, etwa aus Argentinien, Chile, Bolivien oder dem Kongo, wo die Arbeitsbedingungen nicht immer die besten sind. Wir in den Industrieländern müssen uns daher überlegen: Auf wessen Kosten versuchen wir, unsere Klimabilanz zu verbessern, und nehmen dafür nicht nachhaltige Arbeitsbedingungen in anderen Ländern in Kauf? Dabei helfen soll unter anderem das neue Lieferkettengesetz, das Unternehmen in Deutschland in den nächsten Jahren stärker zur Wahrung von Umweltstandards und insbesondere auch Menschenrechten verpflichtet.

Welche technischen Innovationen sind denkbar, um das Auto nachhaltiger zu machen?
Für Ingenieure und Ingenieurinnen ist das gesamte Feld der Mobilität derzeit hochspannend. Sie können relevante Innovationen entwickeln, um etwa die Recyclingquote zu verbessern, Alternativen für kritische Rohstoffe zu finden und – Stichwort Kreislaufwirtschaft – das Auto über sein Ende hinaus sinnvoll zu nutzen. Eine Batterie, die fürs Auto nicht mehr brauchbar ist, hat oftmals noch genügend Energie für andere Zwecke, etwa für Produktionshallen oder eine autarke Stromversorgung für Privathaushalte. Hier gibt es schon erste Ideen von Start-ups, aber der Fantasie ist hier sicherlich keine Grenze gesetzt.

Auch das Thema Autonomes Fahren sprechen Sie in Ihrem Buch an. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass wir in ein paar Jahren gar nicht mehr selber fahren, sondern uns nur noch fahren lassen?
Ich glaube, da muss man gar nicht mehr spekulieren: In Deutschland gibt es schon Orte, an denen man experimentiert, wie autonomes Fahren funktioniert. Dies passiert auch in ländlichen Gebieten, die verkehrstechnisch nicht so komplex sind wie Großstädte. Die Frage ist also gar nicht, ob autonomes Fahren kommt, denn die Zukunft ist eigentlich schon da. Aber natürlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis jeder in ein autonom fahrendes Fahrzeug steigen kann, das ihn von A nach B fährt. In der Gesetzgebung dafür passiert gerade sehr viel. Das Thema Autonomes Fahren ist auch für Ingenieur*innen im Zusammenspiel mit Softwarentwickler* innen sehr interessant. Können sie die autonom fahrenden Autos sicher, angenehm, vernetzt, unterhaltend und so intelligent machen, dass wir ein völlig neues Fahr- und Lebensgefühl im Auto vorfinden werden?

Cover Mobilität in Bewegung

Nari Kahle: Mobilität in Bewegung.

Wie soziale Innovationen unsere mobile Zukunft revolutionieren. Gabal Verlag 2021. 25 Euro

Welche Rolle werden Ingenieurinnen und Ingenieure für die Mobilität der Zukunft spielen?
Früher meinte man mit Mobilität das Auto, die Bahn und vielleicht noch das Flugzeug. Heute spricht man bei dem Thema auch über E-Scooter, Flugtaxis und Drohnen, die Menschen in der Luft befördern können. Andere arbeiten an dem Traum vom Hyperloop, der Leute mittels Druckluft befördert. Auch die digitale Mobilität gehört zum Thema. In Corona-Zeiten haben wir gelernt, dass wir viele Termine und Meetings auch digital abhalten können. Werden auf einer Konferenz in Zukunft vielleicht häufiger Avatare sprechen, ohne dass die Person vor Ort sein muss? Ich glaube, wir haben die Mobilität überhaupt noch nicht zu Ende gedacht. In Zukunft wird es nicht mehr eine Lösung für alle geben, sondern individuelle Mobilitätsangebote für viele Gelegenheiten, passend zu den Anforderungen, Vorlieben und Bedürfnissen des Einzelnen. Ingenieurinnen und Ingenieure sind in der Lage, ein spannendes neues Kapitel der Mobilität zu schreiben.

Ein Baustein zur Emissionsfreiheit

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Project Engineer Victor Baumeister arbeitet an der emissionslosen Mobilität. Jeden Tag. Der Wirtschaftsingenieur berichtet über sein Studium und den Berufsstart beim Automobilzulieferer ElringKlinger.

In der Brennstoffzelle entsteht aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrische Energie. Sie gilt als vielversprechende Lösung für eine nachhaltige, komplett emissionsfreie Mobilität. Dass ich in diesem Bereich einmal tätig sein werde, war nicht unbedingt der Plan, als ich mich für ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Maschinenbau an der TU Ilmenau bewarb. Auch als ich mich dafür entschied, an derselben Universität mein Wissen durch ein Masterstudium im selben Bereich, allerdings mit der Vertiefung Richtung Supply Chain Management und Produktionstechnik, zu vertiefen, wusste ich nicht, wohin es mich einmal verschlagen wird. Die Entscheidung für diese Studienrichtungen war vielmehr ein generalistischer Ansatz. Ich wollte mich zu dieser Zeit noch nicht komplett festlegen. Ich wollte aber unbedingt Einblicke in die technische, aber auch in die Projektseite bekommen. Die Beimischung einiger BWL-Inhalte war ein super Paket, von dem ich heute profitiere.

Noch während der Erstellung meiner Masterarbeit bewarb ich mich auf das Traineeprogramm bei ElringKlinger, einem klassischen Automobilzulieferer an dessen Hauptsitz in Dettingen an der Erms bei Stuttgart. Es klang für mich besonders reizvoll, verschiedene Bereiche im Unternehmen zu durchlaufen und auch international eingesetzt zu werden. Die Bewerbung klappte, und so begann das Programm im Jahr 2018 im Bereich Abschirmtechnik, wo Lösungen für Abgaskrümmer, Turbolader, Kofferraum, Reserverad oder Unterboden entstehen. Die dortigen Produkte tragen zu Kraftstoffersparnis, Emissionsreduzierung und Geräuschminderung bei. Nach Beendigung des Programms stand für mich fest, dass ich in diesem Bereich gerne bleiben möchte – doch dann kam Corona und ein Vorgesetztenwechsel in meinem Bereich, was alles über den Haufen warf.

Gleichzeitig wurde ich jedoch auf eine spannende interne Stellenanzeige im Bereich Brennstoffzelle aufmerksam, was sich im Nachhinein als absoluter Volltreffer entpuppte. Für mich stand damals fest, dass ein Wechsel innerhalb des Konzerns nur dann infrage käme, wenn ich in die „neuen Geschäftsfelder“ um Batterie- und Brennstoffzellentechnologie wechseln könnte. Das klappte, wenngleich mein Studium wenig bis gar keine fachlichen Berührungspunkte mit diesem Bereich aufwies. Methodisch war ich jedoch bestens vorbereitet, denn in meinem Studium ging es schwerpunktmäßig um Methodenverständnis sowie Projektmanagement – und das half mir. Durch die erstklassige Einarbeitung durch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen war schnell auch fachliches Grundverständnis da, das ich nach und nach vertiefte.

Niemand in der Fahrzeugindustrie weiß, was in Zukunft kommt und welche Technologie sich letztlich für welche Anwendung durchsetzt.

Die Arbeit rund um die Brennstoffzelle ist etwas Besonderes. Zwar ist Elring- Klinger schon über 20 Jahre in diesem Bereich tätig, aber das Geschäft nimmt seit einiger Zeit ein enormes Tempo auf. Das Potenzial der Technologie ist riesig. Daran mitzuarbeiten, schädliche Emissionen zu eliminieren, macht enorm Spaß, motiviert ungemein und ist absolut sinnstiftend.

Mein Arbeitsalltag ist nie gleich. Konkret geht es um die Steuerung, Organisation und Kommunikation zwischen verschiedenen Bereichen, in erster Linie der Entwicklung und dem Industrial Engineering. Die größte Herausforderung liegt dabei in einer gewissen Unbekannten. Niemand in der Fahrzeugindustrie weiß, was in Zukunft kommt und welche Technologie sich letztlich für welche Anwendung durchsetzt.

Wir dagegen wissen genau, was wir dem Markt anbieten möchten, und loten Tag für Tag Wege und Möglichkeiten aus, wie wir Prozesse effizienter gestalten und Produkte kostengünstiger fertigen können. Unser Ziel ist dabei klar definiert. Wir wollen Ende 2022 ein neues serienreifes Produkt haben. Das ist ambitioniert und ganz anders als im klassischen Automotive-Business, wo sich der Markt deutlich langsamer entwickelt. Das Tempo ist enorm – aber das macht es spannend und unglaublich abwechslungsreich. Und genau das ist das Einzigartige an Projektarbeit. Wenn eine Herausforderung gemeistert ist, folgt sofort die nächste. Das Besondere bei uns ist die enorme Gestaltungsfreiheit, die jeder bekommt. Wer eine gute Idee hat, wird gehört und kann diese umsetzen – damit wir alle schnellstmöglich emissionsfrei unterwegs sind.

Wasserstoff spielt fundamentale Rolle für die Energiewende

Die RAG-Stiftung und der Startup-Verband haben eine Studie zu den Potenzialen der Wasserstoffwirtschaft vorgelegt. Die zentralen Ergebnisse:

  • Wasserstoff spielt für die Energiewende in den kommenden Jahrzehnten eine fundamentale Rolle – die Steigerung der jährlich weltweiten neuen Elektrolysekapazitäten um das 24-fache zwischen 2014 und 2019 deutet bereits auf das enorme Marktvolumen des Sektors hin.
  • Die Wasserstoff-Forschung gewinnt zunehmend an Fahrt, was unter anderem der deutliche Anstieg an Patenten im Bereich Elektrolyse belegt. Gleichzeitig drohen Deutschland und Europa den Anschluss zu verlieren, da es an Geschwindigkeit beim Transfer in die Praxis fehlt.
  • Die hohe Attraktivität des Wasserstoff-Sektors schlägt sich auch in wachsenden Investitionssummen nieder. Die Investitionen in europäische Startups sind zwischen 2015 und 2020 von 6 auf 69 Millionen Euro angestiegen. In den USA finden bereits Investments in dreistelligem Millionenbereich statt.
  • Das Ruhrgebiet ist ein führendes Wasserstoff-Start-up-Cluster. NRW und Bayern vereinen über die Hälfte dieser Unternehmen auf sich – dabei stechen das Ruhrgebiet und der Raum München als Cluster mit jeweils 18 Prozent deutlich hervor.

Ideen-Coaching: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Ideenwettbewerb in Mecklenburg-Vorpommern

Der vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Ideenwettbewerb „inspired – Der Ideenwettbewerb. In MV.“ unterstützt jedes Jahr innovative Ideen und Unternehmensgründungen in Mecklenburg-Vorpommern. In dem mehrstufig aufgebauten Wettbewerb, von der Hochschule bis auf Landesebene, werden keine ausgereiften Businesspläne erwartet, sondern eine knappe, präzise Darstellung der Geschäftsidee und der Teilnehmenden, die an dieser Idee weiterarbeiten wollen. Die eingereichte Idee wird im Laufe des Wettbewerbs verfeinert und weiterentwickelt. Eine Teilnahme ist sowohl einzeln als auch im Team möglich. Dabei genügt es, wenn ein Teammitglied aus Mecklenburg-Vorpommern kommt. Ein Branchenfokus existiert in diesem Wettbewerb nicht.

Aerodynamik im Mittelpunkt

Das Haus der Technik (HDT) in München lädt am 23. und 24. November 2021 zur zweitägigen Tagung „Fahrzeug-Aerodynamik“ ein. Fachleute aus der Automobil- und Zulieferindustrie sowie aus Hochschulen und Forschungsinstituten referieren und diskutieren über den neuesten Entwicklungsstand zur Verringerung des Luftwiderstandes. Insbesondere die Elektromobilität und CO2-Gesetzgebung sind mit neuen Herausforderrungen für den Luftwiderstand verknüpft. Themen der Tagung sind unter anderem die Reduzierung des Luftwiderstands von SUV durch aktive Strömungsbeeinflussung, die Aerodynamik des neuen Porsche 911 Turbo, die Aerodynamik-Entwicklung bei der neuen MAN-Truck-Generation und beim neuen Volkswagen Golf und veränderte Anforderungen an die Aerodynamik von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen.

Auf der Schwelle zu einer neuen KI

Von vielen noch unbemerkt ist die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) ins Stocken geraten: Es gibt bis heute keine vollautonom fahrenden Serienautos, keine vollautonomen Kraftwerke und keine KI-Fabriken. Auch würde niemand sein Leben einem Roboterchirurgen anvertrauen. Ist Big Data eine Sackgasse? KI-Experte Professor Ralf Otte ist der Ansicht, wir stehen an der Schwelle zu einer neuen KI: weg von der Software hin zu einer dem Gehirn nachempfundenen Hardware. Damit öffnen wir laut Otte aber auch die Tür zu einer noch gefährlicheren Verschmelzung von Mensch und Maschine. Überschreiten wir die Grenze zum Maschinenbewusstsein aber nicht, wird Europa als Industriegemeinschaft keine Rolle mehr spielen. Der KI-Experte zeigt, was auf uns zukommen könnte und dass die Entwicklung der Maschinen eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung sein sollte. Ralf Otte: Maschinenbewusstsein. Die neue Stufe der KI – wie weit wollen wir gehen? Campus Verlag 2021. 27,95 Euro

Von der Sonne angetrieben

Die amerikanische Firma Aptera hat ein dreirädriges Auto für zwei Personen entwickelt, das niemals an der Steckdose aufgeladen werden muss. Seinen Strom erhält der Wagen von den Solarflügeln auf seiner Oberfläche. Durch seine Bauart hat es einen sehr geringen Luftwiderstandswert und verbraucht entsprechend wenig Energie. Die tägliche Reichweite aus den eigenen Solarzellen beträgt rund 140 Kilometer, mit dem stärksten Batteriepaket wird eine Reichweite von 1600 Kilometern erreicht. Das autarke Solarmobil kann bereits vorbestellt werden – je nach Option kostet es zwischen 25.900 und über 46.000 US-Dollar.

Wie Ingenieurskompetenz bei Starkregen helfen kann

Angesichts zunehmender Starkregenfälle im Wechsel mit immer längeren Hitzeperioden fordert die Bundesingenieurkammer, zügig neue Wege bei der Planung von Städten und Gemeinden einzuschlagen. Die fortschreitende Siedlungsverdichtung verschärft die Lage, und die Kanalisation als primäre Entwässerungslösung wird zukünftig nicht mehr ausreichen. Regnen nach längerer Trockenheit in kurzer Zeit gewaltige Wassermengen herab, können diese oft von der Kanalisation nicht mehr aufgefangen werden. Die Folgen: überschwemmte Straßen, überflutete Keller und vollgelaufene Tiefgaragen. Auch Ackerflächen oder Wiesen können diese Wassermassen oftmals nicht mehr aufnehmen. Stadt-, Verkehrs- und Entwässerungsplanung müssen laut der Bundesingenieurkammer deutlicher Hand in Hand gehen. Straßen sollten beispielsweise so geplant und gebaut werden, dass das Wasser schadlos ablaufen kann. Für Regenwasser von Dachflächen muss immer auch eine örtliche Versickerung mit überlegt werden. Fragen, mit denen sich auch Ingenieure künftig beschäftigen müssen.

Weniger Plastikmüll

Seit dem 3. Juli 2021 sind viele Einwegprodukte aus Plastik in der EU verboten. Um die wachsenden Müllberge in den Griff zu bekommen, reicht dieser Schritt jedoch noch lange nicht aus. Wie vielschichtig das Problem ist und wie Plastiksparen im Großen wie im Kleinen gelingen kann, zeigen verschiedene Bücher aus dem Oekom Verlag über die Reduzierung von Plastikmüll.

Baukastensystem für Roboter

Ein Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) hat ein System entwickelt, mit dem es passgenau, Baustein für Baustein, Miniaturroboter herstellen kann. Wie bei einem Lego-System können die Wissenschaftler*innen einzelne Komponenten beliebig kombinieren. Die Bausteine oder Voxel – man könnte sie auch als 3D-Pixel bezeichnen – bestehen aus unterschiedlichen Materialien: Einige können die Konstruktion halten, andere sind magnetische Komponenten, die die Steuerung der weichen Maschinen ermöglichen. Die neue Bauplattform ermöglicht viele neue Designs und ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Forschungsgebiet der Soft-Robotik.

Das letzte Wort hat: Valerian Seither, Gründer des E-Roller-Sharing emmy

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Valerian Seither (35) studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und gründete 2015 mit zwei Kommilitonen das Start-up emmy. Ihre Geschäftsidee: Sharing von Elektro-Rollern. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 130 Mitarbeitende und hat rund 3000 E-Roller in Berlin, München und Hamburg auf den Straßen. Damit sind sie Marktführer in Deutschland. Das Interview führte Sabine Olschner

Valerian Seither, Foto: emmy
Valerian Seither, Foto: emmy

Wie kamen Sie auf Ihre Geschäftsidee?
Wir saßen mit Studienkollegen am Ende unseres Masterstudiums zusammen und haben uns über Roller unterhalten. Obwohl keiner von uns je auf einem Roller gesessen hatte, waren wir uns einig, dass es doch super praktisch wäre, wenn man diese als flexibles Bewegungsmittel für Strecken in der Stadt mieten könnte. So hatten wir die Idee zum Roller-Sharing – analog zum Car-Sharing, das es ja bereits gab. Wir wollten auf jeden Fall Roller mit austauschbaren Akkus und keine klassischen Vespas mit Verbrennermotoren. Letztere gab es schon in Deutschland, aber sie konnten sich nicht halten. Unseres war das zukunftsträchtigere Modell.

Wie ging es nach der ersten Idee weiter?
Wir haben parallel zu unserer Masterarbeit an einem Businessplan gearbeitet, um herauszufinden, ob das Ganze als nachhaltiges Unternehmen funktionieren kann. Anschließend haben wir uns für das EU-finanzierte Programm Climate-KIC Accelerator beworben, das Start-ups im Cleantech-Bereich unterstützt. Wir hatten mit unserer Bewerbung Erfolg und erhielten Zugriff auf Mentoren, Büroräume und etwas Grundkapital.

Welche Herausforderungen gab es, besonders am Anfang der Gründung?
Wir kamen ja frisch aus der Uni und hatten noch keine Ahnung, was man alles machen muss, um eine Firma zu gründen. Daher sind wir auf viele Veranstaltungen für Gründer gegangen, um uns mit erfahreneren Leuten auszutauschen und von ihnen zu lernen. Uns war es wichtig, schnell unsere Idee nach draußen zu tragen, um von anderen zu erfahren, ob wir vielleicht Stolpersteine übersehen haben. Wir haben uns dagegen entschieden, alles erst vorzubereiten und dann mit einer Überraschung ans Licht zu gehen. Wir hatten keine Angst, dass uns unsere Idee geklaut wird, sondern wollten schnell Rückmeldungen von vielen Leuten bekommen und unsere Idee dann rasch weiterentwickeln und umsetzen.

emmy Schwalbe, Foto: emmy
emmy Schwalbe, Foto: emmy

Was sollten Unternehmer beherzigen, wenn es dann wirklich losgeht?
Wir haben anfangs immer versucht, Dinge so günstig wie möglich umzusetzen, um die Euros zusammenzuhalten. Wenn man dann in den Markt geht, kann es aber besser sein, mal etwas mehr auszugeben, um weiterzukommen. Wir haben am Anfang den Fehler gemacht nicht schnell genug Leute einzustellen. So blieb zu viel Arbeit bei uns hängen. Als wir dies bemerkten, haben wir uns schnell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Das hieß dann aber auch, sich anders zu organisieren, als wir es vorher in unserem kleinen, eingespielten Team gemacht hatten. Darüber hinaus bin ich froh, dass wir schnell in den Markt gegangen sind und Fehler, die dabei entstanden sind, im laufenden Geschäft behoben haben. Viele warten nämlich zu lange darauf, bis alles vermeintlich korrekt ist, und verpassen dann den Einstieg.

E-Paper karriereführer ärzte 2021-2022 – Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

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karriereführer ärzte 2021-2022 – Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

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Cover Karriereführer Ärzte 2021-2022

Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

Es ist endlich soweit: Im Gesundheitswesen, wo die Digitalisierung lange Zeit auch skeptisch betrachtet wurde, zeichnet sich eine Trendwende ab. Neue staatliche Regeln, eine steigende Nachfrage auf Patientenseite und letztlich die Corona-Pandemie sind die Treiber hin zum Digitalen. Für Ärzt*innen kommt es nun darauf an, den Wandel mitzugestalten. Außerdem: Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass sich der Arztberuf weiter ausdifferenziert und immer neue Felder in den Fokus kommen. Wie genau aber sehen die Herausforderungen aus und wie sollten angehende Mediziner*innen darauf reagieren?

Digitale Trendwende

Neue staatliche Regeln, Nachfrage auf Patientenseite, die Pandemie als Treiber: 2021 ist das Jahr, in dem das deutsche Gesundheitswesen die Weichen für eine digitale Zukunft stellt. Für Ärzt*innen kommt es nun darauf an, den Wandel mitzugestalten. Dabei kommt es auf interdisziplinäres und innovatives Denken an. Ein Essay von André Boße

Anzeichen dafür, dass sich der Arztberuf weiter ausdifferenziert und immer neue Felder in den Fokus kommen, sind täglich in den Medien erkennbar. Wohl nie zuvor standen medizinische Themen so hoch auf der gesellschaftlichen und medialen Agenda wie im Laufe dieser Pandemie. Ärzt*innen (und zwar längst nicht nur Virolog*innen) sind in Talkshows zu Gast und als Interviewte gefragt. Zugleich mehren sich die Anzeichen, dass im Kampf gegen Corona langsam, aber sicher die Digitalisierung des Gesundheitswesens dringend notwendigen Schwung erhält. Erste Apps sind im Einsatz, uralte Impfpässe werden in digitale Tools umgewandelt, die Impfverteilung zeigt, wie stark die moderne Medizin an Logistik angebunden ist. Auch zeigt sich, wie sehr die Entwicklung von Vakzinen vom Engagement von Investoren sowie öffentlichen Förderungen abhängig ist: Offensichtlich wird dabei, welche Rolle finanzielle Risikobereitschaft spielt, wenn es darum geht, medizinische Fortschritte zu erreichen. >> siehe Interview mit Wolfgang Klein über die „CureVac-Story“ auf den Seiten 12 und 14

Digitalisierung in den Praxen: Es gibt noch viel zu tun

Wie weit aber ist Deutschland auf dem Weg in eine digitalisierte Gesundheitsversorgung? Der aktuelle „eHealth Monitor“, eine Studie von McKinsey & Company, zeigt ein ambivalentes Bild. „Obwohl mehr als acht von zehn Ärzten bereits an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sind, tauschen Gesundheitseinrichtungen medizinische Daten noch weitgehend analog aus“, heißt es in der Studie. 93 Prozent der Ärzt*innen kommunizierten noch immer in Papierform mit den Krankenhäusern. Die Vernetzung sei noch unzureichend, auch das digitale Angebot ambulanter Arztpraxen sei noch relativ begrenzt: Nur 15 Prozent der Praxen gaben bei der Studie an, eine Online-Terminvereinbarung oder die Rezeptbestellung via Homepage zu ermöglichen, 59 Prozent der Praxen hatten zum Zeitpunkt der Befragung noch keinerlei digitale Services im Angebot.

Kommunikation: Fax vor Mail

Dass in Sachen neuer Kommunikationstechnik in den Arztpraxen noch eine Menge Luft nach oben ist, zeigen die Ergebnisse der Bitkom-Studie zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. „Die Kommunikation verläuft größtenteils traditionell“, fassen die Studienautoren zusammen. Im Austausch mit Patient*innen sei das Telefon weiterhin der wichtigste Kanal (77 Prozent), lediglich fünf Prozent gaben an, mit den Patient*innen überwiegend via E-Mail zu kommunizieren. Den Kontakt zu anderen Praxen halten die Ärzt*innen sogar vorwiegend per Fax (22 Prozent) oder Briefpost (19 Prozent). Auch hier liegt der Anteil der E-Mail-Kommunikation bei lediglich fünf Prozent.

Ein Grund für diese digitale Zurückhaltung in den Praxen: Anders als in anderen Branchen fehlte bislang der Transformationsdruck vonseiten der Kund*innen (hier also der Patient*innen) oder auch der politischen Regulatoren. Zwar heißt es im McKinsey-Report, dass „Versicherte und Patienten offen und bewusst mit den digitalen Möglichkeiten umgehen, die ihnen das hiesige Gesundheitssystem bietet“. Die Betonung liegt dabei auf dem Angebot. Und ist dieses flächendeckend nicht gegeben, greift im Gesundheitswesen das Marktprinzip von Angebot und Nachfrage viel weniger als in anderen Branchen. Zumindest bislang, denn es scheint, als würde die Pandemie zum Game-Changer werden, wie die Studie feststellt: „Im Frühjahr 2020 boten bereits 52 Prozent aller niedergelassenen Ärzte Videosprechstunden an. Ende 2017 waren es gerade einmal 2 Prozent.“ Eine McKinsey-Umfrage im August 2020 habe zudem gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der befragten Mediziner*innen diesen digitalen Angeboten „heute aufgeschlossener gegenüberstehen als vor der Krise“.

 

ePA und E-Rezept: Digitale Strukturen werden zum Muss

Ein wichtiger Treiber für diesen Boost sind neue gesundheitspolitische Regularien: Seit dem 1. Juli 2021 sind laut Bundesgesundheitsministerium alle Ärzt*innen gesetzmäßig verpflichtet, sich an das digitale ePA-System anzubinden. Interessant ist die Souveränität über die Daten dieser digitalen Akte, die liegt nämlich bei den Patient*innen, diese „bestimmen, ob und welche Daten aus dem aktuellen Behandlungskontext in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen“, heißt es auf der Homepage des Gesundheitsministeriums. Ergänzend dazu führt das Gesundheitswesen im Januar 2022 das E-Rezept ein: weniger Zettelwirtschaft, vor allem aber auch die Möglichkeit, im Anschluss einer Video-Sprechstunde über den digitalen Weg Medikamente verschreiben zu können – es ist absehbar, dass das Prinzip E-Rezept die Bedeutung von virtuellen Arztbesuchen in großem Maße antreiben wird.

Was die Ärzt*innen von diesem Wandel halten? Die Stimmung ist zwiegespalten, wie eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt. Die Zahlen der Befragung von mehr als 500 Ärzt*innen verdeutlichen, dass die Berufstätigen in Kliniken mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote sind: 86 Prozent der Klinik-Ärzt*innen sehen in der Digitalisierung primär Chancen für das Gesundheitswesen. Bei den PraxisÄrzt* innen betonen lediglich 53 Prozent diese positiven Aussichten, 39 Prozent dagegen sehen die Entwicklung eher kritisch. Dabei gebe es einen deutlichen Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten: „74 Prozent der Frauen sehen die Digitalisierung als Chance, aber nur 63 Prozent der Männer“, heißt es in der Studienzusammenfassung. Und: „Je jünger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener und optimistischer sind sie.“ 88 Prozent der unter 45-Jährigen sehen die Digitalisierung als Chance, bei Ärzt*innen ab 45 Jahren liegt dieser Anteil nur bei 55 Prozent.

Medizin der Zukunft: 3D-Druck und Pandemie-Prognosen

Wenn es aber darum geht, die Chancen der Digitalisierung mit Blick auf die Zukunft des Arztberufs zu skizzieren, gehen die meisten Befragten davon aus, dass neue Techniken für maßgebliche Fortschritte in der Medizin sorgen werden. Das gilt laut Studie gerade für den Umgang mit kommenden Pandemien: „80 Prozent der Mediziner halten es für wahrscheinlich, dass spätestens im Jahr 2030 computergestützte Voraussagen flächendeckend im Einsatz sind, die vor Pandemien warnen und zum Beispiel durch Algorithmen die Dynamik von Infektionsgeschehen vorhersagen.“ Im Fokus der Szenarien für morgen steht der 3DDrucker: Viele Ärzt*innen glauben daran, dass diese Zukunftstechnik die Herstellung von Organen wie Speiseröhrenimplantate, Haut oder Knorpelscheiben übernehmen kann sowie die Produktion von Zellstrukturen übernimmt, die dann einen großen Teil der Tierversuche unnötig machen würden.

Ohne Freude an IT-Lösungen wird es kaum noch gehen, hinzu kommen ethische und soziale Fragen, denn nie zuvor stand die Medizin so sehr im gesellschaftlichen Fokus wie aktuell.

Sollte das Jahr 2021 tatsächlich zum Wendepunkt der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden, hört diese Transformation mit der Implementierung der neuen Techniken nicht auf. Wer in der Medizin Karriere machen möchte, steht künftig vor der Aufgabe, eine ganze Reihe von Disziplinen mitzudenken: Ohne Freude an IT-Lösungen wird es kaum noch gehen, hinzu kommen ethische und soziale Fragen, denn nie zuvor stand die Medizin so sehr im gesellschaftlichen Fokus wie aktuell. Darüber hinaus wird es darauf ankommen, die Kommunikation mit den Patient*innen neu zu organisieren: Die Menschen werden seltener persönlich in die Sprechstunden kommen, Video-Chats und digitale Diagnosen werden einen größeren Stellenwert einnehmen. Dazu steigt die Datensouveränität der Patient*innen, die mitbestimmen können, was in ihrer elektronischen Patientenakte gespeichert wird – und was eben nicht.

Es ist also davon auszugehen, dass das partnerschaftliche Miteinander an Bedeutung gewinnen wird. Gerade weil die Technik immer mehr übernehmen wird, ist es wichtig, als Arzt oder Ärztin ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Menschen aufzubauen und zu pflegen. Und zwar nicht nur im Vier-Augen-Gespräch, sondern auch über vielfältige digitale Kommunikationswege. Für junge Ärzt*innen bringen diese Entwicklungen Vorteile mit: Sie bringen aus ihrem privaten Leben bereits eine Vielzahl an Erfahrungen mit, wie sich eine vertrauensvolle Cross-Channel-Kommunikation aufbauen lässt.

CureVac: „In der Naivität liegt auch Kreativität“

Biotech-Unternehmer Wolfgang Klein hat als Finanzchef die Anfangszeit des Biopharmazie- Unternehmens CureVac miterlebt. Sein Buch „Die CureVac-Story“ erzählt vom revolutionären Potenzial der mRNA-Technik und dem Risiko, das man als biomedizinisches Unternehmen bei der Forschung und Entwicklung eingeht. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik, wo das Scheitern keinen guten Ruf besitzt. Zu Unrecht, wie Wolfgang Klein findet. Von André Boße

Zur Person

Wolfgang Klein ist promovierter Naturwissenschaftler, Mitgründer und CEO des Augenmedikamente entwickelnden Unternehmens Katairo. Von 1999 bis 2001 hat er ein MBAStudium in Krems absolviert, zusammen mit Ingmar Hoerr, dem Gründer von CureVac. Von 2002 bis 2010 war er Finanzund Personalchef bei CureVac. Auch nach seiner aktiven Zeit hat er den Draht zu den führenden Personen im Unternehmen nie verloren und die mRNA-Entwicklung aufmerksam verfolgt. Sein Buch „Die CureVac-Story: Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“ ist vor einigen Monaten im Campus- Verlag erschienen.

Herr Klein, Ihr Buch „Die CureVac Story“ trägt den Untertitel „Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“. Dass die Daten des mRNA-Impfstoffs von CureVac gegen Covid-19 die Erwartungen nicht erfüllt hat, belegt diese These Ihres Buches erst recht, oder?
Absolut. Gerade mein Kapitel über „The Risking Pledge“, also das Versprechen, ein Risiko einzugehen, verdeutlicht, wie wichtig ich es finde, bei Investitionen mehr zu riskieren. Es zeigt aber eben auch: Was folgt, ist nicht immer ein Home Run. Klar, die Sache kann so funktionieren: Ein Investment führt zu medizinischen Entwicklungen, die zu Produkten werden, die wiederum Arbeitsplätze schaffen, die Steuern generieren und soziale Sicherung gewährleisten. Das ist der Erfolgsfall. Wer ins Risiko geht, muss aber natürlich auch damit rechnen, dass dieser nicht eintritt. Das weiß man als Investor, weshalb man auf verschiedene Pferde setzt. Für junge Menschen, die sich für Karrieren in diesem Risikobereich interessieren, zählt die Devise: Schert euch nicht darum. (lacht)

Gibt es diese oft zitierte deutsche Angst vorm Risiko?
Ich glaube schon, dass es diese Mentalität gibt, nach der einem das Scheitern am Stiefel kleben bleibt. Das ist in den USA definitiv anders, da gehört Scheitern in der Vita fast dazu. Gescheitert zu sein – das klingt nach Erfahrung, nicht danach, es nicht draufzuhaben. Wobei ich glaube, dass die Angst vorm Scheitern an Macht verlieren würde, wenn mehr Menschen von ihrem Scheitern erzählen würden. Noch sind „Scheiter- Karrieren“ in Deutschland die große Ausnahme.

Scheitern-by-doing.
So ungefähr, ja. Man würde dann sehr schnell sehen, dass Menschen, die gescheitert sind, sehr viele Erfahrungen gesammelt haben. Ich bin nach meinem Weggang bei CureVac auch mehrfach gescheitert. Heute lache ich darüber. Im jeweiligen Moment war das freilich schwer. Aber natürlich hat dieses Scheitern auf meine Erfahrungsbilanz eingezahlt.

Wie war das zur Gründerzeit von CureVac, die Sie ja – etwas später dazugekommen – mitgeprägt haben, welche Stimmung herrschte 2002 in diesem jungen Unternehmen?
Wir waren unbekümmert. Sogar naiv. Und das war okay. Denn in der Naivität liegt auch Kreativität, liegt die Chance, mit Risiken so umzugehen, dass man, wenn es schiefgeht, fragt: Okay, wie geht’s nun weiter? Statt zu sagen: Oh je, da kommen ja noch weitere Hürden, wie soll das nun alles werden?

Wie kommt Naivität bei Investoren an, die ja extrem wichtig sind, um ein medizinisches oder pharmazeutisches Start-up ans Laufen zu bekommen?
Es gab schon welche, die gesagt haben: Eure Ideen sind klasse, aber was uns bei euch im Team fehlt, sind Erfahrungen. – Das ist sehr schade, weil Teams ja schnell wachsen können, man kann sich Erfahrung dazu holen.

Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.

Wenn wir von der Revolution der Medizin sprechen, was passiert da aktuell in diesem Bereich?
Wenn neue Produkte auf den Markt kommen, dann wollen die Leute sicher sein, dass sie erstens nutzen und zweitens nicht schaden. Also muss ein Unternehmen sehr viel Zeit und Geld in die medizinische Entwicklung stecken, damit diese Sicherheit überhaupt entstehen kann. Wobei Sicherheit bedeutet: Das Verhältnis aus Nutzen und Nebenwirkungen muss positiv eingeschätzt werden. Nun weiß aber niemand, der mit einem medizinischen oder pharmazeutischen Unternehmen ins Risiko geht, am Start, ob die Sache funktionieren wird oder nicht. Es ist eine Wette auf die Zukunft. Auf zehn Jahre oder sogar weitaus mehr. CureVac-Co-Gründer Ingmar Hoerr widmete seine Karriere seit Ende der 1990er-Jahre der Entwicklung von mRNA-Vakzinen, also ein halbes Berufsleben lang. Andererseits: Geht die Idee auf, dann hat man etwas Großes entwickelt. Dann kann man sehr vielen Menschen helfen. Was natürlich ein riesiger Ansporn ist. Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.

Wenn, wie aktuell beim Corona-Impfstoff von CureVac, die Wirkung zu gering ist: Was muss man für ein Typ sein, um das wegzustecken?
Eine gewisse Rationalität ist wichtig, überschäumende Emotionen helfen an diesem Punkt nicht. Es geht darum, nüchtern zu fragen: Wo liegt das Problem – und was bedeutet das? Dabei muss es auch eine Option sein, zu sagen: Es ist klüger, jetzt aufzuhören. Der Kampf gegen Windmühlen ist kein Erfolgsrezept. Bei CureVac gab es bereits 2017 einen Rückschlag, eine Studie zur Bekämpfung eines Prostata-Karzinoms lieferte keine guten Ergebnisse, viele Jahre Arbeit und viele Millionen an Investitionen waren dahin. Unser Hauptinvestor Dietmar Hopp hat das Unternehmen allerdings nicht fallen lassen. Er hat sich als Nicht-Mediziner erklären lassen, dass diese mRNA-Technik viel mehr bietet als diese eine, zunächst einmal gescheiterte Applikation beim Prostatakrebs. Und er hat es verstanden.

mRNA-Vakzine kennen wir nun. Was wäre der nächste Durchbruch für diese revolutionäre Technik?
Das wäre in meinen Augen die Proteinersatztherapie: Ein Patient hat eine genetische Krankheit, weil sein Körper ein benötigtes Protein nicht herstellt. Ziel ist es, durch eine Injektion von mRNA den Organismus dazu zu bringen, dieses Protein doch herzustellen. Bei Tieren gibt es da schon großartige Erfolge. Nun kommt es darauf an, diese Therapie an den Menschen zu bringen, um zum Beispiel bestimmte Stoffwechselerkrankungen zu bekämpfen. Was darauf folgt, wäre das dickste Brett: die Krebsimmuntherapie, die ganz sicher das Potenzial einer enormen medizinischen Revolution besitzt.

Der Tumorbekämpfer Dr. Niels Halama im Interview

Wie kann das körpereigene Immunsystem dabei helfen, Tumoren zu bekämpfen? Welche Rolle spielen dabei mRNA-Botenstoffe, die aktuell die effektivste Waffe gegen das Corona-Virus sind? Und warum sorgen diese Entwicklungen dafür, dass sich das Berufsbild des Mediziners immer weiter ausdifferenziert und altes Silodenken keine Chance mehr hat? Antworten von Dr. Niels Halama, der am Deutschen Krebsforschungszentrum neue onkologische Ansätze entwickelt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Privatdozent Dr. Niels Halama leitet am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Abteilung Translationale Immuntherapie sowie seit 2015 die Forschungsgruppe Adaptive Immunotherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Dort ist er auch Oberarzt und vertritt den Schwerpunkt kolorektales Karzinom. Seine Forschungsgebiete sind unter anderem die Tumorimmunologie, tumorassoziierte Entzündungen sowie die immunologische Biomarker- Identifikation. Neben der klassischen Laborforschung ist die Entwicklung neuer digitaler Methodiken wie Machine Learning ein weiterer wichtiger Fokus. Er studierte an der Universität Heidelberg mit zwei US-Stationen in Houston (2002) und Ohio (2004). Er startete seine Berufskarriere 2006 am NCT und verbindet so die Forschung im Labor mit der Umsetzung in der Klinik, insbesondere im Rahmen von frühen innovativen Studien.

Herr Dr. Halama, ist die Corona-Pandemie der wirksamste Volkshochschulkurs zum Thema Medizin, den eine Gesellschaft erfahren kann?
Es ist tatsächlich so, dass wir derzeit in der Öffentlichkeit eine sehr große Bandbreite an medizinischen Themen verhandeln. Das beginnt bei der basalen Biologie, zum Beispiel der Frage, was mRNA bedeutet, bis hin zu Fragen zur Infektion, zur Impfung sowie zum Immunsystem des Menschen. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass die Pandemie ein umfangreiches Bildungsproramm für die Öffentlichkeit gestartet hat.

Auf welche Weise verändert dieses neuartige Virus die Medizin?
Die Pandemie ist in erster Linie ein Ereignis mit traurigen Folgen. Auch hat sie auf viele Missstände in der Medizin hingewiesen, gerade im Pflegebereich. Was ich aber auch sehe: Die Pandemie belegt eindrücklich, wie engmaschig die Entwicklungen im medizinischen Bereich aktuell passieren. Nehmen Sie den mRNA-Ansatz, wir erleben ihn aktuell insbesondere bei der Impfung gegen das Corona-Virus. Das ist ein großartiger Anwendungsbereich, keine Frage. Die medizinische Entwicklung schaut aber bereits weit darüber hinaus, ausgehend von der Frage: Bietet uns mRNA ein ganz neues Set an Werkzeugen, um an diverse Behandlungen ganz anders ranzugehen? Um es bildlich auszudrücken, wir öffnen hier gerade die Tür zu einer ganz neuen Landschaft, die der Medizin vielfältige Fortschritte ermöglichen wird.

Besonders im Fokus steht dabei die Krebstherapie, wie kann der mRNA-Ansatz die Onkologie revolutionieren?
Die klassische Chemotherapie wirkt, um es sehr überspitzt auszudrücken, beinahe mittelalterlich: Wir geben Gift in einen Patienten und hoffen, dass am Ende der Tumor abstirbt und der Patient möglichst wenig Schaden erleidet. Was die Krebsforschung lange prägte, war der eindeutige Fokus auf den Tumor: Warum entsteht er, was treibt sein Wachstum an, wie kann es sein, dass die Zellen nicht mehr sehen, was links und rechts passiert, sondern nur noch wachsen wollen? An einem gewissen Punkt musste die Medizin allerdings festhalten: Wir kommen hier nicht weiter. Nicht nur gewinnen wir kaum noch neue Erkenntnisse, die Patienten profitieren auch nicht substanziell genug. Also begann die Medizin damit, verstärkt nach links und rechts zu schauen – und die Immunologie zu entdecken, als einen Bereich, der zuvor stets ein wenig als esoterisch angehaucht und irrelevant galt.

Warum?
Weil er zu wenig technisch und messbar zu sein schien. Das änderte sich durch neue Labortechniken, neue Erkenntnisse, klinische Umsetzungen sowie Studien, die zeigten: Wir können hier etwas bewegen – und zwar in einer Dimension, wie wir es mit der Chemotherapie eben nicht mehr konnten.

Jetzt lasst uns als Experten doch nicht weiter jeder für sich über einen Patienten reden, sondern alle gemeinsam mit diesem Patienten!

Man spricht in der Wirtschaft vom „Ende des Silodenkens“, Abteilungen in den Unternehmen arbeitet nicht mehr abgeschottet, sondern zusammen – und organisieren diese Kooperationen immer wieder neu. Ist dieser Trend auch in der modernen Medizin erkennbar?
Absolut, und zwar sowohl in der Forschung als auch in den Kliniken. Es trat eine neue Generation von Medizinerinnen und Medizinern auf, die sagte: Jetzt lasst uns als Experten doch nicht weiter jeder für sich über einen Patienten reden, sondern alle gemeinsam mit diesem Patienten! Klar, es ist anstrengend, dieses Silo aufzubrechen, neue Gedanken anzustoßen, Maßnahmen zu verhandeln, statt sie festzulegen. Denn es ist fraglos komfortabel, in meiner eigenen Blase zu sitzen und das, wofür ich mich entscheide, als das einzige Wahre und Schöne zu bezeichnen. Da muss ich wenig Energie aufwenden. Anders ist es, wenn ich meine Ansätze hinterfrage, wenn ich beginne, sie mit den Ideen anderer zu ergänzen. Diese Auseinandersetzungen kosten Zeit und Kraft, und sie bringen mich manchmal eben auch zu der Erkenntnis, dass mein Ansatz kritisch hinterfragt wird. Das ist heraufordernd. Aber dieses Vorgehen lohnt sich, weil sich die Therapieerfolge dadurch massiv verbessern lassen.

Sind die Klinkkulturen vorbereitet auf diese neue Art der Arbeit?
Hier ändert sich was, auch wieder geprägt von einer neuen Generation. Vor zwei Jahrzehnten stand das sehr hierarchische Denken noch viel stärker im Vordergrund, heute finden wir verstärkt Strukturen, die den Austausch fördern. Mit dem großen Vorteil, dass simple Ja-Nein-Entscheidungen, wie es sie früher gab, heute von differenzierteren Entscheidungen ersetzt werden. Zum Wohle des einzelnen Patienten. Wobei wir feststellen, dass dieser Wandel der Gedankenwelt auch den Medizinerinnen und Medizinern zugutekommt. Denn letztlich waren es ja diese Hierarchien, war es das Feststecken in den Silos, was zur beruflichen Frustration geführt hat.

Mit Blick auf die Fortschritte in der Onkologie: Welche Rolle spielen IT-Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz und Big Data?
Vor fünf bis zehn Jahren war es die Regel, dass die Patienten zu uns kamen und sagten: Macht bitte, was mir hilft! Heute kommen Patienten nicht selten mit einer Festplatte im Gepäck, auf der Unmengen Daten und Messwerte über den Tumor liegen. Wobei der Anspruch lautet: Hier sind meine Daten, nun macht da bitte etwas ganz Nützliches daraus. Wir stehen als Mediziner vor der Aufgabe, diese Daten zu integrieren und einen Nutzen daraus zu ziehen. Das ist manchmal sehr sportlich oder sogar unmöglich. Womit wir bei den digitalen Systemen sind: Sie sind es, die uns dabei unterstützen, diese Daten in eine sinnvolle Anwendung zu bringen. Dabei wird sich in Zukunft zeigen, welche Rolle die Künstliche Intelligenz und Machine Learning spielen werden: Wird sie ein zentraler Helfer sein – oder nur ein Werkzeug unter vielen? Da ist der Ausgang weiterhin offen. Was dagegen klar ist: Junge Medizinerinnen und Mediziner mit Interesse an digitalen Themen müssen sich keine Zukunftssorgen machen. Das Thema wird bleiben und den Klinikalltag prägen.

Ändert also diese Vielzahl an Entwicklungen das Berufsbild einer Ärztin und eines Arztes?
Ich glaube schon, ja. Hinter einer Berufsbezeichnung wie Onkologe stecken schon heute viele verschiedene mögliche Schwerpunkte. Diese Differenzierung wird sich fortsetzen. Die Medizin war immer schon sehr vielfältig, der klassische Herzchirurg hat schon immer ganz andere Dinge gemacht als der Onkologe oder Labormediziner. Doch ist der Grad dieser Differenzierung in den vergangenen zehn Jahren noch einmal explodiert. Das Spektrum erweitert sich enorm. Der Medizinberuf verästelt sich mit der Physik und der Informatik, mit der Ethik und der Kommunikation. Wobei dieser Prozess kein Ende finden, sondern sich immer weiter fortsetzen wird.

mRNA in der Immuntherapie

Im menschlichen Erbgut gibt es Signalmoleküle, die als kurzlebige Botenstoffe fungieren. Zunächst erschienen diese Messenger- RNA wegen ihrer Kurzlebigkeit wenig attraktiv zu sein. Als es im Labor gelang, sie etwas langlebiger und vor allem steuerbar zu machen, reifte die Überlegung, diese Botenstoffe als Medikament einzusetzen. Zumal die kurze Halbwertzeit auch ein Vorteil darstellt: Die Moleküle geben die Chance, sehr präzise Informationen an das Immunsystem bzw. den Körper zu vermitteln, ohne dass dabei langfristige Folgen entstehen. Vermitteln die bekannten Corona-mRNA-Impfstoffe einen Teil des Bauplans des Virus, so geben die Botenstoffe in der Onkologie Informationen über die zu bekämpfenden Tumorzellen weiter. Wobei die Kurzlebigkeit der Moleküle der Medizin die Chance gibt, die Art der Botschaft immer wieder kleinteilig, individuell und maßgeschneidert anzupassen. Die Erfolge klinischer Studien geben Grund zur Hoffnung, dass der mRNA-Ansatz die Krebstherapie einen großen Schritt nach vorne bringen wird. Im Zentrum der aktuellen Forschung steht dabei das „Feintuning“, das verhindert, dass das Immunsystem falsch oder überreagiert.

Medizin, die schmeckt – Kultur-, Buch- und Linktipps

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Das Leben ist einfach…

Cover das Leben ist einfachDer erfahrene Psychotherapeut Holger Kuntze erklärt in seinem neuen Buch, warum wir persönlichen Krisen nicht hilflos ausgeliefert sind – und warum sie manchmal geradezu sinnvoll sein können. Er gewährt uns mithilfe moderner Verhaltenstherapie sowie neuester Erkenntnisse der Neurowissenschaft und Evolutionsforschung einen Blick hinter die Kulissen unseres eigenen Fühlens und Denkens. Mit kleinen Notfallinterventionen und zwanzig Begriffspaaren, die das Leben leichter machen, öffnet er einen Zugang zu unseren inneren Freiräumen. Konkret und mit Beispielen aus seiner eigenen Praxis benennt er Ressourcen, die uns auf der Basis akzeptanzbasierter Strategien ermöglichen, die Zumutungen des Lebens anzuerkennen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Holger Kuntze: Das Leben ist einfach, wenn du verstehst, warum es so schwierig ist. Kösel 2021. 18 Euro.

Neuer Podcast „FAMILIE UND CORONA“

Foto: AdobeStock/Fotomek
Foto: AdobeStock/Fotomek

Wissenschaftler*innen der Hochschule für Gesundheit haben einen Podcast zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Familien ins Leben gerufen. Der Wissenschaftspodcast mit dem Titel „Familien und Corona“ erscheint seit dem 16. April 2021 ein- bis zweimal im Monat.

Stimmtraining

Cover Sei eine StimmeStarke Stimme – starker Auftritt: Unsere Stimme ist der Spiegel unserer Seele. Sie hat großen Einfluss darauf, wie unsere Umwelt uns wahrnimmt. Habe ich überhaupt eine Stimme? Was habe ich der Welt zu sagen? Wie verschaffe ich mir Gehör? Wer bin ich? Was sagt meine innere Stimme? Der Musikwissenschaftler, Theologe und Coach Gerrit Winter macht in seinen Trainings den Menschen ihre schlummernden Fähigkeiten bewusst und birgt lange vergessene Potenziale. Gerrit Winter: Sei eine Stimme, nicht nur Echo. ZS-Verlag 2021. 16.99 Euro.

„Unendliche Weiten, faszinierende Welten“

Der Wissenschaftspodcast der Humboldt-Universität (HU) bringt die Hörerinnen und Hörer in Kontakt mit den Forschenden der HU.

„Fenster ins Gehirn“

Cover Fenster ins GehirnZu wissen, was im Kopf des Gegenübers vor sich geht, ist seit jeher eine tiefe Sehnsucht des Menschen. Tatsächlich kann die Forschung bereits Gedanken aus der Hirnaktivität auslesen. Der Neurowissenschaftler und Psychologe John-Dylan Haynes hat es geschafft, verborgene Absichten in den Hirnen seiner Probanden zu entschlüsseln. Aus seiner Forschung ergeben sich provokante Fragen: Sind unsere Gedanken wirklich so frei und sicher wie wir glauben? Oder wird man irgendwann per Gehirnscan unsere Wünsche und Gefühle oder gar unsere PINs auslesen können? Kann die Werbung unsere Hirnprozesse gezielt beeinflussen? Haben wir überhaupt einen freien Willen oder sind unsere Entscheidungen durch unser Gehirn vorherbestimmt? John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt zeigen, was heute schon möglich ist, und worauf wir uns in den kommenden Jahren einstellen sollten. John-Dylan Haynes und Matthias Eckoldt: Fenster ins Gehirn. Ullstein 2021. ISBN 978-3-550-20003-8. 24 Euro.

Gesundsheits-App „AUDIO RESONANCE THERAPY“

Foto: AUDIO RESONANCE THERAPY
Foto: AUDIO RESONANCE THERAPY

Mehr als 3300 Nutzer*innen verwenden die Meditations- und Gesundheits-App „Audio Resonance Therapy“ (A.R.T.), um Stress zu bewältigen und ihre Resilienz zu stärken. Die Kombination von stimulierenden, eigens komponierten Klangsequenzen und wirkungsvollen Meditationstechniken zur therapeutischen Unterstützung und Prävention kann dabei helfen, Erschöpfung, Angstzustände, Burnout, Schlafstörungen und gar Depressionen zu lindern. Entwickelt wurde die A.R.T. von der Medizinerin und Buchautorin Dr. med. Roya Schwarz und dem Komponisten Dirk Reichardt. Die App ist in allen bekannten Online-Stores erhältlich.

„Unsichtbarer Tod“

Cover Unsichtbarer TodAm Anfang war der Lockdown: Menschen wurden sesshaft, Tiere gesellten sich zu ihnen. Das war praktisch. Aber tödlich. Weil sich unsere Vorfahren das Sterben nicht erklären konnten, suchten sie Antworten bei den Göttern. So entstanden religiöse Hygiene- und Nahrungsvorschriften. Man fand heraus, welchen Wert saubere Straßen, frisches Wasser, gut belüftbare Wohnungen besaßen, man entdeckte die Keime und das Penicillin. Dirk Bockmühl, Professor für Hygiene und Mikrobiologie, nimmt uns mit auf einen faszinierenden Streifzug durch die Geschichte der Zivilisation, der Religionen, der Architektur, der Medizin und der Wissenschaften. Er erzählt eine Geschichte ohne Ende, ein wesentliches Kapitel schreiben wir alle gerade selbst … Dirk Bockmühl: Der unsichtbare Tod. Dtv 2021. ISBN 978-3-423-28304-5. 24 Euro.

telegramm – Neues aus der Welt der Medizinforschung

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Neues Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie

Foto: Fotolia/warmworldSchon 2012 wurde mithilfe des hessischen LOEWE-Programms (Landesoffensive für ökonomische und wissenschaftliche Exzellenz) am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME eine Fraunhofer-Projektgruppe für Translationale Medizin und Pharmakologie TMP eingerichtet, um das Portfolio der Fraunhofer-Gesellschaft auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung und -entwicklung zu erweitern. Basierend auf ihrer hohen Expertise auf den Gebieten Wirkstoffsuchforschung, pharmazeutische Technologie, hochdifferenzierte und indikationsspezifische pharmakologische Modelle bis hin zur klinischen Forschung hat sich die einstige Fraunhofer- Projektgruppe TMP in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Immunerkrankungen international sichtbar etabliert. Aufgrund dieser positiven Entwicklung wurde der Institutsteil TMP des Fraunhofer IME zum 1. Januar 2021 in ein eigenständiges Institut mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und Standorten in Hamburg und Göttingen überführt. www.fraunhofer.de

Blick ins Gehirn: Sonderforschungsbereich geht in die Verlängerung

Foto: Fotolia/sester1848Das Säugetiergehirn ist außerordentlich komplex – schätzungsweise besteht es aus rund 100 Milliarden Nervenzellen. Jede dieser Zellen ist über Synapsen mit Zehntausenden anderen Gehirnzellen verknüpft. Wie arbeiten die Elemente eines solchen komplexen Netzwerks zusammen, um Verhalten zu erzeugen? Wie verändern sich die Netzwerke durch Erkrankungen? Diesen und weiteren Fragen gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit acht Jahren im Sonderforschungsbereich (SFB) 1089 „Synaptische Mikronetzwerke in Gesundheit und Krankheit“ der Universität Bonn nach. Mit großem Erfolg: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den interdisziplinären Verbund über weitere vier Jahre. Die beantragte Fördersumme beträgt rund 11,1 Millionen Euro. Partner sind das Forschungszentrum caesar in der Max-Planck- Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn. www.uni-bonn.de

Hohe Bereitschaft zur Spende von Gesundheitsdaten

Foto: Fotolia/Mykola-lovemaskIn der Covid-19-Pandemie sind viele Menschen bereit, ihre Gesundheitsdaten der Forschung zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wichtiges Ergebnis einer Studie des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. Die Forschenden haben die persönliche Einstellung der Nutzerinnen und Nutzer zur Corona-Datenspende-App des Robert-Koch-Instituts untersucht und daraus Empfehlungen für die Entwicklung von Technologien abgeleitet, die bei zukünftigen Krisen zum Einsatz kommen sollen. Entgegen bisheriger Erfahrungen mit anderen Projekten aus der Gesundheitsforschung geben die App-Nutzer auch dann ihre Daten für die Forschung frei, wenn sie keinen direkten Nutzen für sich selbst sehen. Offenbar genügt in diesem Fall der Anreiz, einen Beitrag zur Bewältigung eines großen gesellschaftlichen Problems zu leisten. Während den meisten Nutzerinnen und Nutzern das Ziel der App – die frühzeitige Erkennung von Corona-Hotspots – bewusst war, konnten sie den persönlichen Wert ihrer Datenspende nicht nachvollziehen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass für die Nutzerinnen und Nutzer das Gemeinwohl die vorherrschende Motivation war. www.uni-bremen.de/tzi/

Das letzte Wort hat: Dota Kehr – Liedermacherin, Musikproduzentin und studierte Medizinerin

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Dota, eigentlich Dorothea Kehr, ist nicht nur eine deutsche Liedermacherin und Musikproduzentin, sondern auch studierte Medizinerin. Bekannt wurde die Berlinerin mit ihrer Musik als Kleingeldprinzessin, heute schreibt und singt sie die Lieder der Band DOTA. Gerade ist das neue Album „Wir rufen dich Galaktika“ erschienen. Die Fragen stellte Christiane Martin.

DOTA, Foto: Annika Weinthal
DOTA, Foto: Annika Weinthal

Sie haben Medizin studiert, verdienen Ihr Geld aber mit Musik. Wird das für immer so bleiben?
Ich gehe davon aus. Zwar habe ich mit viel Interesse und Begeisterung Medizin studiert und wenn der Tag 48 Stunden hätte, würde ich vielleicht versuchen, beiden Berufen parallel nachzugehen, aber da die Zeit begrenzt ist, entscheide ich mich für die Musik. Ohne zu singen, könnte ich nicht leben.

Was hat Sie dazu bewogen Medizin zu studieren? Was fasziniert Sie an diesem Fach?
Zunächst war es – schon in der Schulzeit – eine Neigung zu naturwissenschaftlichen Fächern, dann die Faszination für Physiologie und der Drang zu verstehen, wie der Organismus in allen Details funktioniert. Ich hätte mir damals auch eine Betätigung in der medizinischen Grundlagenforschung vorstellen können. Später im Studium hat mich die ganze kommunikative Ebene ebenso begeistert – und ich glaube, dass sie mir auch liegt. Und im PJ habe ich die Chirurgie entdeckt. Ich glaube, wenn ich in der Medizin geblieben wäre, hätte ich mich für ein Fach mit chirurgischem Anteil entschieden. Gynäkologie oder Urologie vielleicht.

Gibt es Parallelen im Leben einer Ärztin und einer Sängerin?
Eigentlich wenige. In der Medizin gibt es an vielen Stellen Protokolle, denen zu folgen ist, im diagnostischen Vorgehen, in der Behandlung etc. In der Musik habe ich überhaupt keine Vorgaben. Kein Treppengeländer sozusagen. Ich taste mich mit jedem neuen Lied in unbekanntes Gebiet vor. Eine gewisse Disziplin ist für jeden Beruf notwendig. In dem freien Beruf von Künstlern ganz besonders. Ich muss mir jeden Tag die notwendigen Erledigungen und zu erreichenden Ziele selber vorgeben.

Was bedeutet für Sie Erfolg?
Auf der Bühne zu stehen und in strahlende Gesichter zu blicken. Das Radio einzuschalten und zufällig ein Lied von mir zu erwischen. Zu hören, wie Leute meine Lieder nachsingen – ein ganz besonders schmeichelhaftes Erlebnis war, dass ein Lied von mir Eingang gefunden hat, in die Liederbücher der Pfadfinder und landauf, landab nachgesungen wird.

DOTA „Wir rufen dich Galaktika“

DOTA „Wir rufen dich Galaktika“
Kleingeldprinzessin Records 2021