E-Paper karriereführer ingenieure 2.2021 – Machen & managen: Ingenieurberuf vor dem Wandel

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karriereführer ingenieure 2.2021 – Machen & managen: Ingenieurberuf vor dem Wandel

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Cover karrierefuehrer ingenieure 2-2021

Machen & managen: Ingenieurberuf vor dem Wandel

Gute Ideen für die Rettung des Klimas gibt es viele. Nun gilt es, in die Umsetzung zu kommen. Das Berufsbild von Ingenieur*innen muss sich wandeln: Sie sind zukünftig nicht mehr nur Macher*innen, sondern auch Manager*innen, die das Lösen der Probleme in den Fokus nehmen und daraus Innovationen, Geschäftsmodelle und nachhaltige Unternehmensstrategien ableiten. Eine wichtige Komponente auf dem Weg zur CO2-Neutralität ist der Antrieb mit Wasserstoff. Daniel Teichmann erklärt im Interview, wie sich mit seiner LOHC-Technologie Wasserstoff so einfach handhaben lässt wie flüssiger Kraftstoff. Auch die Digitalisierung gilt als Hoffnungsträger, um den globalen Energiebedarf zu verringern. Ein weiteres großes Problem der Welt ist die zunehmende Menge an Müll. Ein Kölner Start-up geht derzeit in Äthiopien mit einer Recyclingfabrik für Plastikflaschen an den Start. Und das Rhein-Ruhr-Gebiet will zum Circular Valley für die Kreislaufwirtschaft werden. Vielversprechende Ansätze, die sich vielerorts auftun.

Ingenieurberuf: Machen und managen

Der Ingenieurberuf steht vor einem bahnbrechenden Wandel. Selbstbewusst und mit hoher Kompetenz stellen sich Ingenieur*innen der Aufgabe, Innovationen voranzutreiben und das Wirtschaftssystem nachhaltiger zu machen. Die Kraft dafür finden sie in der Tiefe ihres Wissens und in ihren Denkstrukturen. Denn wenn technische Kompetenz zu einem führt, dann zu dem Talent, zu jeder Zeit die Lösung im Blick zu haben. Ein Essay von André Boße

An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg sollen die Studierenden im Studiengang Maschinenbau und Produktion ihre Kenntnisse künftig direkt auf die Straße bringen. „Digital Engineering & Mobility“ heißt eine neue Studienrichtung, das Ziel formuliert die Hochschule in einer Pressemeldung wie folgt: „Innovative Lösungen für reale Aufgabenstellungen zu erarbeiten“. Das klingt zunächst einmal nicht revolutionär, schließlich ließe sich das Job-Profil von Ingenieur*innen genau so beschreiben. Neu jedoch ist, dass bereits Bachelorstudierende sehr konkret dazu angeleitet werden, Produkte im Zukunftsfeld der digitalen Mobilität zu entwickeln. „Mit der neuen Studienrichtung bilden wir Ingenieur*innen aus, die mobile und digitalisierte Produkte verstehen und gestalten wollen – samt den zugehörigen Prozessen und Systemen“, wird Tankred Müller, Professor für Elektrotechnik an der HAW, in der Pressemitteilung zitiert. Sein Kollege Dr. Hans-Joachim Schelberg, Professor für Produktentwicklung, ergänzt: „Im Studium stehen für uns drei Aspekte im Vordergrund: Praxisbezug, Kreativität und Innovationsfreude.“

Wissen in die Anwendung bringen

Richtig gelesen: Die Theorie hat Professor Schelberg nicht mit in die Aufzählung genommen. Zwar gebe es selbstverständlich auch weiterhin klassische Lehrangebote, darüber hinaus aber nehmen die Studierenden an interdisziplinären Projekten teil und bekommen professionelle Werkzeuge für die Projektplanung an die Hand. „Um die digitale Zukunft des Maschinenbaus zu gestalten, sind fundierte Kenntnisse in Robotik und künstlicher Intelligenz ebenso erforderlich wie das nötige Know-how im Bereich der Entwicklung und Anwendung“, heißt es in der Meldung der HAW. Diese Kompetenzen sollen in der neuen Studienrichtung vermittelt werden – und zwar mit Blick auf sehr konkrete Anwendungsfälle: „Man denke nur an elektrische Fahrzeuge für den Transport von Menschen und Waren, die speziell auf den Einsatz in Städten zugeschnitten sind – emissionsarm und über digitale Servicesysteme flexibel verfügbar“, nennt Tankred Müller ein Szenario. Auch „schwarmfähige mobile Service-Roboter, die künftig unsere Grünflächen pflegen“ oder „Roboter, die technische Systeme autonom warten“ schweben den Verantwortlichen des neuen Studiengangs vor. Keine Frage: Hier blickt der Maschinenbau in die Zukunft – und zeigen die Ingenieurwissenschaften,, worauf es heute und in den kommenden Jahren ankommen wird: Gesucht sind Macher*innen, die mit ihrem fachlichen und interdisziplinären Know-how die technische Zukunft mitgestalten. Als Ingenieur*innen, Projektmanager* innen, Unternehmer*innen.

Lange galt das Thema Nachhaltigkeit in erster Linie als Kostentreiber, mit dem sich höchstens Imagegewinne erzielen ließen. Doch das ändert sich gerade.

Dass für Ingenieur*innen die Zeit für Gründungen, in Top-Positionen oder als CEOs gekommen ist, daran glaubt Henning Groß, Ingenieur mit Schwerpunkt Technische Informatik und Managing Director des Technik-Consulting-Unternehmens Zeile Sieben. Nach beruflichen Erfahrungen in technischen Unternehmen wie VW sowie in einem Medienkonzern, wo er Digitalisierungsprozesse verantwortete, arbeiten er und seine Agentur zusammen mit den Kunden daran, neue Strukturen zu schaffen und somit Prozesse in den Bereichen Digitale Transformation, New Leadership oder New Work umzusetzen. Was er dabei beobachtet: Themen, die noch vor wenigen Jahren ein „nice to have“ waren, sind heute „Schlüssel-Enabler für unternehmerischen Erfolg“. Das zeige sich insbesondere im Bereich Nachhaltigkeit: Lange galt das Thema in erster Linie als Kostentreiber, mit dem sich höchstens Imagegewinne erzielen ließen. „Es schien“, sagt Henning Groß, „aufgrund seiner idealistischen Ideen sogar im Widerspruch zu kapitalistischen Werten zu stehen, also zum Streben nach Gewinn.“ Doch das ändere sich gerade. Groß: „Unternehmen verstehen, dass es ökologisch, aber auch ökonomisch nicht nachhaltig ist, immer mehr oberflächliche Produkte zu launchen, die niemals in die Tiefe gehen und deren Wertschöpfung begrenzt ist.“

Ingenieur*innen besser im Management?

Für diese Tiefe sowie für eine nachhaltige Wertschöpfung können Ingenieur*innen sorgen. „Wir erleben aktuell eine Renaissance von erfolgreichen Unternehmen, die von Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern gegründet und geführt werden“, sagt Henning Groß. Über Jahrzehnte habe das abgenommen: „Obwohl die Firmenhistorie vieler großer Unternehmen zurückgeht auf Menschen, die erfinderisch und begeistert Probleme gelöst und die Lösung in Produkte überführt haben, haben wir lange angenommen, ein BWL-Studium sei eine bessere Qualifikation für eine Firmengründung als die Begeisterung für ein Thema, für Probleme und deren Lösung.“ Dabei sei dies doch die Grundlage, die offensichtlich zum Erfolg führe. „Ich bin daher überzeugt, dass wir mehr Ingenieure in der ersten Reihe sehen werden, dass die Business-Profis dabei als Enabler der Unternehmensführung fungieren – und dass diese Struktur zu mehr Nachhaltigkeit beitragen wird.“

Was Ingenieur*innen mit Blick auf die großen Herausforderungen dieser Zeit auszeichnet? „Wir sind es gewohnt, das wichtigste und kritischste Problem zu priorisieren, zu isolieren und: zu lösen“, sagt Henning Groß. Das klinge trivial, beinhalte aber die Fähigkeit, „alles andere auszublenden, sich wirklich in ein Problem zu vertiefen, immer wieder zu scheitern – dabei aber nicht den unbedingten Glauben daran zu verlieren, dass es am Ende doch eine Lösung gibt“. Was Ingenieur*innen auch beherrschten: Die Kunst, Probleme zur Seite zu legen – um sie später wieder aufzunehmen. Das, sagt Henning Groß, helfe ihm, dem Ingenieur, beim Management seiner Agentur: „Ich bearbeite an einem Tag bis zu 80 verschiedene Themen. Das sind eine Menge Kontextwechsel, das erfordert eine hohe Taktung. Wie priorisiere ich ein Thema, wie viel Zeit investiere ich, wann muss ich es abschließen, und an welcher Stelle delegiere ich es weiter – die Antworten auf solche Fragen sind in meiner vom Ingenieurdenken geprägten Gehirnarchitektur modelliert. Und ich bin überzeugt: Das macht mich zu einem deutlich besseren Manager.“

Neue Zielsysteme für die Wirtschaft

Welche Kompetenzen müssen technische Fachkräfte auf- und ausbauen, um in Wirtschaft oder Forschung ihre Stärken einzubringen? Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat aktuell unter dem Titel „Automation 2030: Zukunft gestalten – Szenarien und Empfehlungen“ eine Publikation veröffentlicht, die sehr konkret die zentralen Fähigkeiten beschreibt – nicht mit Blick auf individuelle Karrieren, sondern auf die gesellschaftliche Wirksamkeit. Wobei beides gerade für die junge Generation Hand in Hand geht. Grundlage der Handlungsempfehlungen für Ingenieur*innen ist dabei laut VDI die Feststellung, dass „Erfolge und Verdienste der Vergangenheit immer weniger ein Garant für den Erfolg von morgen“ seien, wie es in der Studie heißt. Der Appell der Autor*innen an die Ingenieurgeneration: „Wir müssen neue Zielsysteme für die Wirtschaft erarbeiten.“ Diese seien nötig, denn: „Wirtschaftliche Systeme dauerhaft nach den Prinzipien der minimalen Kosten und des maximalen kurzfristigen Profits auszurichten, erweist sich gerade in diesen Zeiten als wertfreie und nicht nachhaltige Handlungsmaxime.“

Gefragt sind technische Macher*innen und Manager*innen, die das Lösen der Probleme in den Fokus nehmen – und daraus Innovationen, Geschäftsmodelle und nachhaltige Unternehmensstrategien ableiten.

Der VDI macht klar: Die Ingenieur*innen sind gefordert, die Wirtschaft zu wandeln. Gelingen soll dies auf Grundlage von sechs Kompetenzen (siehe Kasten oben), die – verbunden mit Handlungsempfehlungen – „in Summe den gewünschten Zustand einer stabilen und gleichzeitig innovativen und agilen Wirtschaft Deutschlands erreichen“. Was der VDI mit diesem Positionspapier fordert: Ingenieur*innen, die neu denken, die sich einbringen, die dabei auf ihre Fähigkeiten als Treiber einer neuen Wirtschaft setzen und bereit sind, sich in der Lehre und Förderung weiterzuentwickeln. Studierende, Absolvent*innen und Nachwuchskräfte sollten sich daher auf ein ganz neues Arbeitsumfeld vorbereiten: Gefragt sind technische Macher*innen und Manager*innen, die das Lösen der Probleme in den Fokus nehmen – und daraus Innovationen, Geschäftsmodelle und nachhaltige Unternehmensstrategien ableiten. Der Anspruch an diese neue Ingenieurgeneration ist hoch. Ihr Selbstbewusstsein sollte es auch sein: Gesellschaft und Wirtschaft benötigen in diesen komplexen Zeiten genau das, was Ingenieur*innen können.

Klimaschutz macht Kunden froh

Einen Zusammenhang zwischen technischen Maßnahmen zum Klimaschutz und Kundenzufriedenheit stellt eine Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte her. Für den „Climate Check Pulse Survey“ wurden Anfang 2021 insgesamt 750 Führungskräfte in 13 Ländern befragt, darunter 50 in Deutschland. Dabei macht das Top-Managment mehrheitlich die Aussage, dass sich durch Bemühungen der Unternehmen um den Klimaschutz die Kundenzufriedenheit verbessert hat, heißt es in einer Pressemitteilung zur Studie. Auch Profitabilität und Umsatzwachstum entwickelten sich als Folge der Nachhaltigkeitsbemühungen positiv: Fast die Hälfte der Unternehmen habe dank dieser Initiativen eine Verbesserung der Finanzkennzahlen festgestellt, in Deutschland lag der Anteil bei 60 Prozent. „Unsere Studie zeigt, dass Unternehmen mit effizienten Nachhaltigkeitsinitiativen nicht nur ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und den Erwartungen ihrer Kunden gerecht werden, sondern auch einen langfristigen, finanziell messbaren Mehrwert schaffen“, wird Volker Krug, CEO Deloitte Deutschland, zitiert.

Klimaneutrales Deutschland: Fünf Jahre früher

Eine Studie der drei Klimaschutzorganisationen Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende kommt zu dem Schluss, dass Deutschland seine für 2050 gesteckten Klimaziele fünf Jahre früher erreichen könnte, um somit bis 2045 treibhausgasneutral zu werden. Das Gutachten mit dem Titel „Klimaneutrales Deutschland 2045“ zeige laut einer Pressemeldung, dass ein um fünf Jahre vorgezogenes Zieljahr knapp eine Milliarde Tonnen CO2-Emissionen einsparen würde. Voraussetzung: Klimaschutztechnologien wie Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Elektrifizierung und Wasserstoff müssten noch schneller hochgefahren werden. „Die globalen Leitmärkte in Nord-Amerika, Europa und Asien orientieren sich jetzt alle am Leitbild der Klimaneutralität. Wenn die deutsche Industrie der Technologielieferant für die Welt in Sachen Klimaneutralität sein will, muss sie der Entwicklung in anderen Ländern immer ein Stück voraus sein“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

Automation 2030: Sechs wichtige Kompetenzen

1 Emotionale Kompetenz: „Veränderungen sind nötig. Seien wir offen für neue Entwicklungen in Gesellschaft und Wirtschaft. (…) Nutzen wir unser Wissen und seien wir stolz darauf, schneller und besser zu sein.“

2 Technologische Kompetenz: „Nutzen wir alle zugänglichen Informationen und Technologien konsequent. (…) Offenheit von Anfang an erlaubt lebenslange Flexibilität.“

3 Geschäftsmodell-Kompetenz: „Nutzen wir unseren Wissensvorsprung aktiv. Entwickeln und realisieren wir innovative Geschäftsmodelle, die sich im Lebenszyklus weiterentwickeln und Daten produktiv nutzen.“

4 Forschungs- und Entwicklungskompetenz: „Entwickeln wir die vier Enabler ‚Modularität‘, ‚Konnektivität‘, ‚digitaler Zwilling‘ und ‚Autonomie‘ zielgerichtet und gestalten sie.“

5 Organisatorische Kompetenz: Schaffen wir ein innovatives Umfeld und messen wir unsere Organisationen daran, dass sie zügiges Handeln ermöglichen, risikobehaftete Entscheidungen zulassen und angemessene Freiräume einrichten.“

6 Personelle Kompetenz: „Entwickeln wir Spitzen-Führungskräfte – durch (…) attraktive Studiengänge, ständige Weiterbildungsanstrengungen sowie eine systematische Förderung und Forderung. Toptechnologie erreichen wir nur mit gut ausgebildeten Fachkräften.“

Quelle: VDI: „Automation 2030 – Zukunft gestalten: Szenarien und Empfehlungen“, April 2021

Der Wasserstoff-Pionier Daniel Teichmann im Interview

Zusammen mit seinen Doktorvätern von der Universität Erlangen hat Dr. Daniel Teichmann die LOHC-Technologie mitentwickelt, mit der sich Wasserstoff als Energieträger so einfach handhaben lässt wie flüssiger Kraftstoff. Als Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Hydrogenious LOHC Technologies führte der promovierte Wirtschaftsingenieur die Innovation in den Markt ein. Im Interview erzählt er, worauf es ankommt, wenn aus einer technischen Idee eine erfolgreiche Firma werden soll – und warum unternehmerische denkende Ingenieur*innen heute mehr denn je gefragt sind. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Daniel Teichmann studierte von 2004 bis 2009 Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg. Während seiner Promotion entwickelte er zusammen mit seinen Doktorvätern eine Technologie zum Transport und der Lagerung von Wasserstoff. 2013 gründeten sie als Team die Hydrogenious Technologies GmbH, Daniel Teichmann leitet das Unternehmen seitdem als Geschäftsführer. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Wasserstoff- und Automobilindustrie und sammelte unternehmerische Erfahrung bei BMW, McKinsey und Leoni. Zudem ist er Erstautor zahlreicher grundlegender Publikationen über die LOHC-Technologie sowie Urheber umfangreicher technologiespezifischer Patente.

Herr Dr. Teichmann, wie funktioniert das Speichern von Wasserstoff mit dem LOHC-Prinzip?
Im Fokus des Konzepts steht der flüssige Wasserstoffträger, auf Englisch Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC. Das ist ein Öl, in unserem Fall ein Thermalöl. Mit unserer Technologie gelingt es, den gasförmigen Wasserstoff durch einen chemischen Prozess an dieses Öl zu binden – also einzuspeichern. Ebenso ermöglicht unsere Technologie auch die Freisetzung des Wasserstoffs aus dem Öl, je nachdem, wo der Wasserstoff benötigt wird. Die Technologie sorgt dafür, Wasserstoff kosteneffizient zu transportieren – und zwar in der bestehenden Infrastruktur für flüssige Kraftstoffe.

Sie sind einer der Pioniere dieser Innovation. Wie verlief der Weg dorthin?
Alles begann mit meiner Doktorandenstelle im Bereich Wasserstoffspeicherung bei BMW. Ich konnte Prof. Wolfgang Arlt, den Direktor des damals neu gegründeten „Energiecampus Nürnberg“, sowie Prof. Peter Wasserscheid, Chemiker und Leibniz-Preisträger, als Doktorväter gewinnen. So entstand eine fruchtbare Kooperation zwischen BMW und der Universität Erlangen. Zum Ende meiner Promotion war mir sehr klar, dass die Energiewende sowie die Transformation hin zu einer erneuerbaren Energiewirtschaft kommen werden – und ich somit an einer vielversprechenden Zukunftstechnologie forsche. Aufgrund unternehmerischer Vorerfahrungen habe ich zudem mehr und mehr den Wunsch verspürt, mich selbst als Unternehmer zu betätigen. Dadurch kam es zum Entschluss, Hydrogenious zu gründen.

Ab wann waren Sie sich sicher: Was wir hier entwickeln, ist nicht nur eine gute Idee – sondern besitzt ein riesiges Potenzial?
Als Gründer glaubt man in der Regel vom Start weg an „seine“ Technologie und Geschäftsidee, sonst würde man das Risiko und die viele Arbeit vermutlich nicht auf sich nehmen. Ohne Zweifel war die erste erfolgreiche Einwerbung einer Finanzierung ein Meilenstein, rund eineinhalb Jahre nach der Gründung. Danach konnten wir die ersten fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen und uns räumlich besser ausstatten. Letztlich ist es aber so, dass wir uns immer wieder neu beweisen müssen – aktuell sogar mehr als je zuvor.

Warum?
Die Transformation der Energiewirtschaft führt dazu, dass sich sehr viele etablierte Großkonzerne aus dem fossilen Zeitalter neu aufstellen – mit viel mehr Ressourcen als wir. Wir befinden uns heute also in einem ständigen Wettbewerb darum, wer welche Potenziale heben kann. Umso wichtiger sind die Meilensteine, die uns über die Zeit immer wieder darin bestärkt haben, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Dazu gehören zum Beispiel die Fördermittel der Bundes- und Landesregierungen, aber auch die Auszeichnung mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft oder die ersten Verkäufe von Anlagen in die USA und nach Finnland.

Was waren die größten Hürden, um aus der Idee auf dem Papier ein Unternehmen zu machen, das mit dieser Innovation in führender Position am Markt besteht?
Die Ausgangslage für ein junges Startup im Energieumfeld ist zunächst einmal aussichtsreich, da viel Interesse an neuen Lösungen besteht. Andererseits ist der Weg von der Idee zur echten Firma schon herausfordernd. Eine innovative Technologie zur Marktreife zu bringen und in konkrete Anlagenlösungen zu skalieren, in einem Markt, der sich selbst in einer vollständigen Transformations- und Neuentstehungsphase befindet – das ist schon eine Herausforderung. Wie so häufig ist der Anfang sicher am schwierigsten: Aus welchen Quellen kann man das Vorhaben finanzieren, wie findet man überhaupt Investoren? Auch in der Folge bleibt die Finanzierung der Firma eine stete Herausforderung für die Gründer. Alles in allem kann ich eine Unternehmensgründung aber jedem ans Herz legen, der unternehmerisch denkt und handelt. Es ist eine einmalige Erfahrung, seine eigene Firma Stück für Stück wachsen und sich entwickeln zu sehen. Und Erfahrungen, die man in dem Prozess sammelt, sind gigantisch und auch außerhalb des Start-ups wertvoll und begehrt.

Welche weiteren Skills waren in der Gründungsphase wichtig?
Die Gründungsphase ist nicht mit einer Handelsregistereintragung beendet, darüber muss man sich im Klaren sein. Letztlich dauert sie mehre Jahre an, in denen man als One-Man-Show oder als kleines Team auftritt. Daher gehört unbedingt kaufmännisches Know-how dazu, in einer Bandbreite von Finanzen bis Marketing. Schließlich musste ein Geschäftskonzept her, unsere Idee mussten wir immer wieder vor Investoren und anderen präsentieren. Hier hilft ein technischer Hintergrund natürlich. Insofern muss man als Gründer eigentlich eine Menge von fast allem machen – und genau darin liegt für mich ein Teil des Reizes dieses Karriereweges. Wobei sicherlich hilft, dass ich Wirtschaftsingenieurwesen studiert und mich schon immer sowohl für technisch-naturwissenschaftliche Aspekte als auch für wirtschaftliche Fragestellungen interessiert habe

Die Folgekosten des Klimawandels sind bisher nicht adäquat eingepreist. Sobald dies der Fall ist, sind erneuerbare Energien und Wasserstoff absolut wettbewerbsfähig.

Ihr Ziel ist es, zu einem der zentralen Player einer globalen Wasserstoff- Infrastruktur zu werden. Wird Ihnen bei dieser großen Ambition manchmal ein wenig mulmig?
Meine Ambition und Motivation sind es, mit Hilfe von Wasserstoff die Energiewende möglich zu machen und den Ausstoß von CO2 im Bereich Mobilität und Industrieverbrauch langfristig auf Null zu reduzieren. Unserer LOHC-Technologie kann ein wichtiges Puzzleteil im zukünftigen erneuerbaren Energiesystem werden. Somit befinden wir uns auf einer Mission, die es wert ist, täglich für sie zu kämpfen und sich durch nichts einschüchtern zu lassen. Zu Beginn unserer Firmengründung war es nicht immer einfach, weil Wasserstoff noch nicht wirklich Teil der Diskussion war und wir daher häufig in fragende Gesichter geblickt haben. Mittlerweile aber gibt es ein sehr positives Umfeld in diesem Bereich.

Sie sagen, regenerativ hergestellter Wasserstoff sei das „Erdöl der Zukunft“. Was muss alles noch passieren, damit diese Prognose tatsächlich eintrifft?
Die deutsche Nationale Wasserstoffstrategie gibt die richtige Richtung vor. Aber die Vorhaben müssen in Gesetze gegossen werden, Regularien sind anzupassen. Zudem ist eine europaübergreifende Vorgehensweise wichtig. Das größte Problem sehen wir in den derzeit noch höheren Kosten grüner Technologien gegenüber den fossilen. Deswegen braucht es einen adäquat hohen CO2-Preis, um dadurch die Kostennachteile von Wasserstoff gegenüber fossilen Energien abzubauen. Zumal diese ja teilweise auf willkürlichen Subventionen oder der fehlenden Berücksichtigung gesellschaftlicher Kosten beruhen. Alles in allem sind die Folgekosten des Klimawandels bisher nicht adäquat eingepreist. Sobald dies der Fall ist, sind erneuerbare Energien und Wasserstoff absolut wettbewerbsfähig.

Der Zweck Ihres Unternehmens ist klar: Es geht darum, eine Infrastruktur für saubere Energie aufzubauen. Wenn Sie mit jungen Ingenieur*innen sprechen: Wie wichtig ist der jungen Generation diese Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit?
Diese Sinnstiftung ist von elementarer Bedeutung. Was großartig ist, weil die Energiewende nur zu schaffen ist, wenn möglichst viele junge Ingenieur* innen hier beruflich wirken wollen. Wir brauchen das Know-how und die Leidenschaft solcher top-qualifizierten Macher und Macherinnen.

Zum Unternehmen

Basierend auf der Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC)-Technologie mit Benzyltoluol als Trägermedium ermöglicht Hydrogenious eine flexible Wasserstoffversorgung von Verbrauchern in Industrie und Mobilität, die anderen nicht-leitungsgebundenen Wasserstofftransporttechnologien überlegen ist – vor allem, weil sie konventionelle Infrastruktur für Flüssigbrennstoffe nutzt. Das in Erlangen ansässige Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten wurde mit dem „Innovationspreis der deutschen Wirtschaft“ ausgezeichnet, ist seit 2018 unter den „Global Cleantech 100“ platziert und zählte beim „Deutschen Gründerpreis“ 2021 zu den drei Finalisten.

Nachhaltigkeit in Äthiopien und in Deutschland

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Der Polymer-Chemiker Dr. Kalie Cheng (35) und der Kunststofftechniker Abiye Dagew (42) haben 2018 das Start-up Plastic2Beans gegründet. Ihre Ziele: in Äthiopien die erste PET-Recyclingfabrik des Landes aufzubauen und in Deutschland das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen. Wie es dazu kam, berichtet Kalie Cheng. Das Interview führte Sabine Olschner

Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Start-up?
Abiye Dagew und ich haben uns kennengelernt, als ich in Elternzeit war und er sich für seinen Sohn die Schwimmflügel meiner Tochter ausgeliehen hat. Ich hatte großes Interesse daran, mein Wissen aus der Polymer-Chemie nachhaltig einzusetzen – was in der Kunststoffbranche etwas schwierig ist, denn sie ist nicht unbedingt dafür bekannt, besonders nachhaltig zu sein. Abiye, der damals bei einem Maschinenbauunternehmen arbeitete, erzählte mir von den Chancen in Äthiopien, aber auch von den Problemen des Landes mit dem Recycling angesichts der wachsenden Kunststoffindustrie. Rund sechs Milliarden PET-Flaschen werden pro Jahr in Äthiopien verkauft, aber es gibt keine Möglichkeit, den Kunststoff wiederzuverwerten. Gebrauchte Plastikflaschen werden in Äthiopien nur geschreddert, gewaschen, exportiert und im Ausland wieder aufgearbeitet. Die Wertschöpfung findet also im Ausland statt, und Äthiopien muss teuer neues PET einkaufen, um daraus vor Ort wieder Flaschen herzustellen. Das wollen wir ändern. Also überlegten wir uns, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, und gründeten das Start-up Plastic2Beans.

Woran arbeiten Sie konkret?
Wir haben mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und dem Bundesministerium für Wirtschaft, Entwicklung und Zusammenarbeit Studien über den Recycling-Sektor in Äthiopien erstellt. Nun treiben wir gemeinsam ein konkretes Projekt voran: das PET-Recycling im Land. Wir bringen das Know-how für diese Technologie mit, schreiben den Business Case und erstellen den Finanzplan. Damit überzeugen wir Investoren aus Äthiopien und aus Deutschland, dieses Projekt umzusetzen. Wir suchen Fördergelder und internationale Funding-Projekte sowie Maschinenhersteller, die für das Projekt infrage kommen. Dazu stehen wir im Austausch mit dem Umweltministerium der äthiopischen Regierung, die das Projekt stark unterstützt. Es ist schon ein seltsames Gefühl, dass wir als kleines sechsköpfiges Start-up aus Deutschland in Gespräche zur Gestaltung der neuen Gesetzgebungen für PET-Recycling in Äthiopien mit einbezogen werden.

Dr. Kalie Cheng (rechts) und Abiye Dagew (3. von rechts) mit ihrem Plastic2Beans-Team, Foto: Plastic2Beans
Dr. Kalie Cheng (rechts) und Abiye Dagew (3. von rechts) mit ihrem Plastic2Beans-Team, Foto: Plastic2Beans

Was sind die größten Herausforderungen in dem Projekt?
Äthiopische Unternehmen haben zu wenig US-Dollar als Fremdwährung. Aufgrund des Devisenmangels können wir also nicht einfach den Technologietransfer durchführen, weil wir von den Unternehmen vor Ort nicht dafür bezahlt werden können – zumindest nicht in US-Dollar. Daher bieten wir unsere Leistungen gegen Bezahlung in der Landeswährung Birr an. Von diesen Birr kaufen wir im Land fair gehandelten Bio-Kaffee direkt von den Kleinbauern. Wir zahlen das Zwei- bis Dreifache des Börsenpreises und erhalten dadurch eine extrem gute Qualität, den sogenannten Specialty Coffee. Diesen verkaufen wir an deutsche Unternehmen für ihre Kaffeeküchen. Unter unseren Kunden befinden sich namhafte Organisationen und Unternehmen wie Aktion Mensch, Spies Packaging, Wildling und das Gründungszentrum der Uni Köln.

Haben Sie noch weitere Absatzmärkte für Ihren Kaffee?
Wir sind eines der ersten Unternehmen, das Kaffeebohnen in Mehrwegflaschen anbietet. Mit dieser Besonderheit gehen wir gerade in den Lebensmitteleinzelhandel hinein. Außerdem haben wir in Köln das Café Impact eröffnet. Wir haben schnell gemerkt, dass wir eine Anlaufstelle brauchen, an der die Menschen unseren Kaffee erleben können. Denn Specialty Kaffee kostet etwa das Doppelte eines normalen Kaffees. Dieser Preis lässt sich schwer vermitteln, wenn man diesen besonderen Kaffee nicht vorher probiert hat.

Nachhaltigkeit ist Ihnen dabei auch in Deutschland ein wichtiges Anliegen?
Ja, in Deutschland wollen wir die Bevölkerung über einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen aufklären. Dazu gehen wir unter anderem in Schulen und erklären den Kindern, welche möglichen gesundheitlichen Probleme es beim Kunststoff geben kann und welche Klimaprobleme entstehen können. Wir zeigen Möglichkeiten auf, was Konsumenten und Konsumentinnen tun können, um die Plastikschwemme zu verringern. Dazu geben wir auch Workshops zum Thema Zero Waste. In unserem Café nutzen wir zum Beispiel die Hafermilch-Verpackungen, um daraus Teller oder To-go-Boxen für Essen zu machen.

Bei so vielen unterschiedlichen Ideen und Projekten: Wie stellen Sie sicher, dass Sie sich nicht verzetteln?
Wir machen Sprints. Dabei konzentrieren wir uns für ein paar Wochen nur auf ein Thema. Das heißt: nicht alles gleichzeitig abarbeiten, sondern nacheinander. Aber auch wir kommen manchmal ins Rotieren …

Nachhaltigkeit ist ja ein Thema, das viele junge Leute bewegt. Wenn sich jemand wie Sie mit einer sozialen Idee selbstständig machen möchte: Was wären Ihre Tipps?
Wir haben uns direkt zu Beginn ans Gateway Exzellenz Start-up Center der Universität zu Köln gewendet. Die haben uns beraten, welche Fördermittel für uns infrage kommen. Bei uns haben leider nicht die klassischen Förderungen gegriffen, weil wir keine technische oder digitalen Innovationen entwickelt haben. Wir haben ja eine soziale Innovation, die es den äthiopischen Unternehmen ermöglicht, Technologien anzuwenden. Hier sind andere Fördertöpfe zuständig. Außerdem haben wir uns bei Inkubatoren-Programmen angemeldet. Social Impact ist zum Beispiel eine sehr gute Anlaufstelle für Social Start-ups. Hier kann man sich austauschen und die eigenen Ideen voranzubringen. Und wenn die Idee gut ist, man sein Herzblut in das Projekt hineingibt und dazu auch noch die richtigen Leute hat, dann funktioniert so etwas auch.

Kaffee für den guten Zweck

Den Fairtrade-Kaffee, den Plastic2Beans aus Äthiopien importiert, können Kaffeeliebhaber im Kölner Impact Café probieren.
Impact Café
Luxemburger Straße 190
50937 Köln

www.facebook.com/impactcafecgn

Biokunststoff aus Holzreststoffen

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Biogene Reststoffe für Wirtschaft und Industrie verwertbar zu machen – das ist das vorrangige Forschungsziel des Instituts für angewandte Biopolymerforschung (ibp) an der Hochschule Hof. Nun könnte den Forscherinnen und Forschern ein interessanter Durchbruch gelungen sein. Von Sabine Olschner

Mit Hilfe von Elektronenbestrahlung konnten die Forschenden aus Hof bisher weitestgehend ungenutzte Reststoffe aus der Papierindustrie so behandeln, dass diese als Biokunststoffe zur Weiterverarbeitung eingesetzt werden können. Die so gewonnenen Werkstoffe sind weiterhin vollständig biologisch abbaubar und könnten schon heute für allerlei Produkte verwendet werden. Aber es gibt noch ein ungelöstes Problem: Lignin. Das Biopolymer kommt in der Natur unter anderem in Bäumen vor, wo es für die Verholzung der Zellen und die Zugfestigkeit des Holzes verantwortlich ist.

Bei der Produktion von Papier wird Lignin als Reststoff allerdings ausgeschieden, da es andernfalls zum Vergilben der Papierblätter führen würde. Das so gewonnene Kraftlignin macht 85 Prozent der weltweiten Ligninproduktion aus. Es wird derzeit aber nur zu etwa fünf Prozent genutzt, zum Beispiel als Beimischung in Zement, Tiernahrung oder in Granulaten, die zu spritzgegossenen Bauteilen weiterverarbeitet werden. 95 Prozent dagegen dienen allenfalls zur Energiegewinnung. Das möchten die Forschenden in Hof ändern. Das Problem dabei ist: Kraftlignin war als natürliches Biopolymer bislang für die Industrie schlicht nicht verwendbar, da es sich im Urzustand nicht schmelzen und damit auch nicht formen oder verarbeiten lässt.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Struktur von Lignin so zu verändern, dass man es formen und verarbeiten kann. Eine chemische Behandlung kam dabei für die Forschenden nicht in Frage, da das Endprodukt immer biologisch abbaubar bleiben sollte. Darum haben sie sich für das Experimentieren mit einer Elektronenbestrahlung entschieden. Das Team absolvierte etliche Testreihen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Als Folge der Bestrahlung bilden sich an dieser Oberfläche freie Radikale, die sich bei der Compoundierung mit einem anderen Biokunststoff verbinden und die chemische Struktur in der gewünschten Form verändern.

Allerdings, so räumen die Forschenden der Hochschule Hof ein, sind damit noch nicht alle Probleme bei der Nutzbarmachung des Reststoffes Lignin beseitigt.

Durch dieses Ergebnis wurde es den Forschenden auch möglich, einen thermisch stabilen Lignincompound, also eine neue Verbindung des Biokunststoffes zu entwickeln. Dieser kann nun durch eine formgebende Düse gepresst und somit gestaltet werden. Das entsprechende Verfahren nennt sich Extrusion, mit dem zum Beispiel Schlauchfolien hergestellt werden können. Nach der Extrusion verfügen die Produkte zudem über sehr gute mechanische Eigenschaften wie hohe Zugfestigkeit und eine hohe Bruchdehnung, was die Einsatzmöglichkeiten des Produktes erweitert.

Allerdings, so räumen die Forschenden der Hochschule Hof ein, sind damit noch nicht alle Probleme bei der Nutzbarmachung des Reststoffes Lignin beseitigt: Lignin hat – auch in der bearbeiteten Form – einen leichten Geruch nach Verbranntem an sich. Daher ist es derzeit noch nicht für alle Produkte geeignet ist, insbesondere nicht für solche, die nah am Menschen sind. Hier muss also noch weiter geforscht werden.

Vier Megatrends, ein Studiengang

Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung, Demografie – unter diesen vier Schwerpunkten diskutieren Industrie und Forschung den Klimawandel und seine Folgeerscheinungen. Die Hochschule München vereint die Lehre zu den vier Megatrends im neuen berufsbegleitenden Masterstudiengang „4D – Moderne Energiesysteme und Mobilität“. Von Sabine Olschner

Der Klimawandel und seine Folgeerscheinungen, etwa die Zunahme von extremen Wettereignissen und die damit einhergehenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme, verlangen eine schnelle und nachhaltige Reaktion – auch von der Wissenschaft. Im Zuge der Energiewende benötigen viele Branchen dazu gebündelte fachliche Kompetenz. „Wir müssen unseren Umgang mit Energie ändern“, erläutert Prof. Dr. Andreas Rau, der den neuen 4D-Master an der Hochschule München (HM) gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Niessner und dem Weiterbildungszentrum entwickelt hat. „Wir müssen weg von den fossilen Ressourcen hin zu den Regenerativen. Dieses Thema ist global relevant und betrifft eine Vielzahl von Bereichen. Das bedeutet, dass auf dem Arbeitsmarkt eine große Nachfrage nach diesbezüglichem Wissen entstehen wird.“

Zukunftsweisend und interdisziplinär

Die Studierenden des berufsbegleitenden Masterstudiengangs „4D – Moderne Energiesysteme und Mobilität“, der im Sommersemester 2022 startet, werden interdisziplinär auf die Zukunft der Energieversorgung vorbereitet. Absolventinnen und Absolventen können die erlernten Studieninhalte sofort in einen fachübergreifenden Kontext einbinden und praktisch anwenden: „Beispielsweise lehren wir den Umgang mit Wasserstoff, Elektromobilität sowie Energiewandlung im mobilen Bereich für Personen- und Güterverkehr auf der Straße und der Schiene“, erklärt Studiengangsleiter Rau. In einem weiteren Schwerpunkt geht es um die Energiewandlung im stationären Bereich. Hier stellen sich die Studierenden der Frage, wie wir von Großkraftwerken zur dezentralen und idealerweise autonomen Energieversorgung gelangen.

„Vereinfacht gesagt, soll nach dem Studium klar sein, wie man vom Sonnenstrahl zu einem drehenden Rad und einer funktionierenden Steckdose kommt“, fasst Rau zusammen. Ergänzt werden die ingenieurwissenschaftlichen Themen durch Kompetenzen im Bereich Patentrecht, Politik und Ethik. Die Studierenden können Synergien der Teildisziplinen nutzen und setzen diese effektiv für innovative Lösungen ein. Dadurch werden sie für eine Tätigkeit in den Branchen Energietechnik, Bahntechnik, Nutzfahrzeug- und Automobilindustrie sowie für Ingenieurdienstleistungsunternehmen ausgebildet.

Zusätzlich zu den Einsatzgebieten im Mobilitätsbereich sind die Absolvent*innen gut vorbereitet auf ein berufliches Umfeld zum Beispiel in der Kraftwerkstechnik, der Wind- und Sonnenenergie oder der Speichertechnik.

Mobilität: „Die Zukunft ist eigentlich schon da“

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Mobilität bedeutet weit mehr als die Weiterentwicklung von Elektroautos. Sabine Olschner sprach mit Dr. Nari Kahle, Autorin des Buchs „Mobilität in Bewegung“, über die vielen Facetten der Mobilität und der Rolle, die Ingenieurinnen und Ingenieure dabei spielen.

Zur Person

Dr. Nari Kahle, 35, arbeitet als Head of Strategic Programs bei Cariad SE, dem Software- und Technologieunternehmen im Volkswagen Konzern. Zuvor war sie bei dem Automobilkonzern in unterschiedlichen Stationen tätig, unter anderem als Leiterin für soziale Nachhaltigkeit und als Referentin des Konzernbetriebsrats. Sie studierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität in Bonn, an der Korea University in Seoul und der Harvard University in den USA die Fächer Medienwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre sowie Rechtswissenschaften. Anschließend promovierte sie an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar sowie an der Cambridge University in England über soziale Innovationen sowie deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Effekte. In ihrem aktuellen Buch „Mobilität in Bewegung“ befasst sie sich mit sozialen Innovationen, Beispielen aus der Praxis und mit Vordenker*innen rund um das Thema Mobilität.

Was finden Sie so spannend am Thema Mobilität?
Mobilität hat für uns auch schon in den vergangenen Jahren eine große Rolle gespielt, aber es hat sich lange Zeit nicht viel verändert. Nun passieren auf einmal unfassbar viele Dinge: Wir erleben den Wandel hin zu Elektromobilität. Wir sehen viele neue Player im Mobilitätsumfeld, was früher undenkbar war, weil das Thema wenigen größeren Unternehmen oder staatlichen Betrieben vorbehalten war. Und nun wirbeln Start-ups das Althergebrachte durcheinander. Das alles macht das Thema gerade sehr spannend, weil das Ausmaß davon, wie sich Mobilität verändern wird, noch nicht klar ist. In der Wirtschaft und in der Gesellschaft, vor allem in der jungen Generation, findet gerade ein Umdenken statt: Das Thema Nachhaltigkeit wird immer stärker in der Mobilität verankert.

Ist aus Ihrer Sicht die E-Mobilität das Allheilmittel, um den Klimawandel abzuwenden?
Nein, ganz bestimmt nicht. Wir müssen alle gemeinsam, Gesellschaft und Wirtschaft, dafür sorgen, dass wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren und das Thema Kreislaufwirtschaft immer stärker bedenken. Elektromobilität ist dafür ein wichtiger Baustein. Aber es reicht nicht aus, wenn alle nun ein Elektrofahrzeug fahren. Dieses muss auch nachhaltig geladen werden, und die Produktion muss weniger CO2 verbrauchen als ein klassisches Verbrennerauto. Das ist derzeit noch nicht der Fall. Auch bringt es nichts, wenn jetzt alle direkt ihr Auto austauschen, obwohl das alte eigentlich noch gut ist. Bestehende Fahrzeuge sollten so lange wie möglich genutzt werden.

Wo ist das größte Problem bei der Produktion und der Entsorgung der Altbatterien von Elektrofahrzeugen?
Bei der Entsorgung muss stärker auf eine hohe Recyclingquote geachtet werden. Die seltenen Rohstoffe, die man für die Batterien benötigt, wie Lithium, Nickel oder Kobalt, sollten immer weiterverwendet werden, so dass ein wirklich nachhaltiger Kreislauf entsteht, von der Produktion über die Nutzung bis zum Ende des Autos. Ein weiteres Problem besteht in der Beschaffung der Rohstoffe: Diese haben wir nicht im eigenen Land, sondern sie kommen aus anderen Teilen der Erde, etwa aus Argentinien, Chile, Bolivien oder dem Kongo, wo die Arbeitsbedingungen nicht immer die besten sind. Wir in den Industrieländern müssen uns daher überlegen: Auf wessen Kosten versuchen wir, unsere Klimabilanz zu verbessern, und nehmen dafür nicht nachhaltige Arbeitsbedingungen in anderen Ländern in Kauf? Dabei helfen soll unter anderem das neue Lieferkettengesetz, das Unternehmen in Deutschland in den nächsten Jahren stärker zur Wahrung von Umweltstandards und insbesondere auch Menschenrechten verpflichtet.

Welche technischen Innovationen sind denkbar, um das Auto nachhaltiger zu machen?
Für Ingenieure und Ingenieurinnen ist das gesamte Feld der Mobilität derzeit hochspannend. Sie können relevante Innovationen entwickeln, um etwa die Recyclingquote zu verbessern, Alternativen für kritische Rohstoffe zu finden und – Stichwort Kreislaufwirtschaft – das Auto über sein Ende hinaus sinnvoll zu nutzen. Eine Batterie, die fürs Auto nicht mehr brauchbar ist, hat oftmals noch genügend Energie für andere Zwecke, etwa für Produktionshallen oder eine autarke Stromversorgung für Privathaushalte. Hier gibt es schon erste Ideen von Start-ups, aber der Fantasie ist hier sicherlich keine Grenze gesetzt.

Auch das Thema Autonomes Fahren sprechen Sie in Ihrem Buch an. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass wir in ein paar Jahren gar nicht mehr selber fahren, sondern uns nur noch fahren lassen?
Ich glaube, da muss man gar nicht mehr spekulieren: In Deutschland gibt es schon Orte, an denen man experimentiert, wie autonomes Fahren funktioniert. Dies passiert auch in ländlichen Gebieten, die verkehrstechnisch nicht so komplex sind wie Großstädte. Die Frage ist also gar nicht, ob autonomes Fahren kommt, denn die Zukunft ist eigentlich schon da. Aber natürlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis jeder in ein autonom fahrendes Fahrzeug steigen kann, das ihn von A nach B fährt. In der Gesetzgebung dafür passiert gerade sehr viel. Das Thema Autonomes Fahren ist auch für Ingenieur*innen im Zusammenspiel mit Softwarentwickler* innen sehr interessant. Können sie die autonom fahrenden Autos sicher, angenehm, vernetzt, unterhaltend und so intelligent machen, dass wir ein völlig neues Fahr- und Lebensgefühl im Auto vorfinden werden?

Cover Mobilität in Bewegung

Nari Kahle: Mobilität in Bewegung.

Wie soziale Innovationen unsere mobile Zukunft revolutionieren. Gabal Verlag 2021. 25 Euro

Welche Rolle werden Ingenieurinnen und Ingenieure für die Mobilität der Zukunft spielen?
Früher meinte man mit Mobilität das Auto, die Bahn und vielleicht noch das Flugzeug. Heute spricht man bei dem Thema auch über E-Scooter, Flugtaxis und Drohnen, die Menschen in der Luft befördern können. Andere arbeiten an dem Traum vom Hyperloop, der Leute mittels Druckluft befördert. Auch die digitale Mobilität gehört zum Thema. In Corona-Zeiten haben wir gelernt, dass wir viele Termine und Meetings auch digital abhalten können. Werden auf einer Konferenz in Zukunft vielleicht häufiger Avatare sprechen, ohne dass die Person vor Ort sein muss? Ich glaube, wir haben die Mobilität überhaupt noch nicht zu Ende gedacht. In Zukunft wird es nicht mehr eine Lösung für alle geben, sondern individuelle Mobilitätsangebote für viele Gelegenheiten, passend zu den Anforderungen, Vorlieben und Bedürfnissen des Einzelnen. Ingenieurinnen und Ingenieure sind in der Lage, ein spannendes neues Kapitel der Mobilität zu schreiben.

Ein Baustein zur Emissionsfreiheit

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Project Engineer Victor Baumeister arbeitet an der emissionslosen Mobilität. Jeden Tag. Der Wirtschaftsingenieur berichtet über sein Studium und den Berufsstart beim Automobilzulieferer ElringKlinger.

In der Brennstoffzelle entsteht aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrische Energie. Sie gilt als vielversprechende Lösung für eine nachhaltige, komplett emissionsfreie Mobilität. Dass ich in diesem Bereich einmal tätig sein werde, war nicht unbedingt der Plan, als ich mich für ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Maschinenbau an der TU Ilmenau bewarb. Auch als ich mich dafür entschied, an derselben Universität mein Wissen durch ein Masterstudium im selben Bereich, allerdings mit der Vertiefung Richtung Supply Chain Management und Produktionstechnik, zu vertiefen, wusste ich nicht, wohin es mich einmal verschlagen wird. Die Entscheidung für diese Studienrichtungen war vielmehr ein generalistischer Ansatz. Ich wollte mich zu dieser Zeit noch nicht komplett festlegen. Ich wollte aber unbedingt Einblicke in die technische, aber auch in die Projektseite bekommen. Die Beimischung einiger BWL-Inhalte war ein super Paket, von dem ich heute profitiere.

Noch während der Erstellung meiner Masterarbeit bewarb ich mich auf das Traineeprogramm bei ElringKlinger, einem klassischen Automobilzulieferer an dessen Hauptsitz in Dettingen an der Erms bei Stuttgart. Es klang für mich besonders reizvoll, verschiedene Bereiche im Unternehmen zu durchlaufen und auch international eingesetzt zu werden. Die Bewerbung klappte, und so begann das Programm im Jahr 2018 im Bereich Abschirmtechnik, wo Lösungen für Abgaskrümmer, Turbolader, Kofferraum, Reserverad oder Unterboden entstehen. Die dortigen Produkte tragen zu Kraftstoffersparnis, Emissionsreduzierung und Geräuschminderung bei. Nach Beendigung des Programms stand für mich fest, dass ich in diesem Bereich gerne bleiben möchte – doch dann kam Corona und ein Vorgesetztenwechsel in meinem Bereich, was alles über den Haufen warf.

Gleichzeitig wurde ich jedoch auf eine spannende interne Stellenanzeige im Bereich Brennstoffzelle aufmerksam, was sich im Nachhinein als absoluter Volltreffer entpuppte. Für mich stand damals fest, dass ein Wechsel innerhalb des Konzerns nur dann infrage käme, wenn ich in die „neuen Geschäftsfelder“ um Batterie- und Brennstoffzellentechnologie wechseln könnte. Das klappte, wenngleich mein Studium wenig bis gar keine fachlichen Berührungspunkte mit diesem Bereich aufwies. Methodisch war ich jedoch bestens vorbereitet, denn in meinem Studium ging es schwerpunktmäßig um Methodenverständnis sowie Projektmanagement – und das half mir. Durch die erstklassige Einarbeitung durch Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen war schnell auch fachliches Grundverständnis da, das ich nach und nach vertiefte.

Niemand in der Fahrzeugindustrie weiß, was in Zukunft kommt und welche Technologie sich letztlich für welche Anwendung durchsetzt.

Die Arbeit rund um die Brennstoffzelle ist etwas Besonderes. Zwar ist Elring- Klinger schon über 20 Jahre in diesem Bereich tätig, aber das Geschäft nimmt seit einiger Zeit ein enormes Tempo auf. Das Potenzial der Technologie ist riesig. Daran mitzuarbeiten, schädliche Emissionen zu eliminieren, macht enorm Spaß, motiviert ungemein und ist absolut sinnstiftend.

Mein Arbeitsalltag ist nie gleich. Konkret geht es um die Steuerung, Organisation und Kommunikation zwischen verschiedenen Bereichen, in erster Linie der Entwicklung und dem Industrial Engineering. Die größte Herausforderung liegt dabei in einer gewissen Unbekannten. Niemand in der Fahrzeugindustrie weiß, was in Zukunft kommt und welche Technologie sich letztlich für welche Anwendung durchsetzt.

Wir dagegen wissen genau, was wir dem Markt anbieten möchten, und loten Tag für Tag Wege und Möglichkeiten aus, wie wir Prozesse effizienter gestalten und Produkte kostengünstiger fertigen können. Unser Ziel ist dabei klar definiert. Wir wollen Ende 2022 ein neues serienreifes Produkt haben. Das ist ambitioniert und ganz anders als im klassischen Automotive-Business, wo sich der Markt deutlich langsamer entwickelt. Das Tempo ist enorm – aber das macht es spannend und unglaublich abwechslungsreich. Und genau das ist das Einzigartige an Projektarbeit. Wenn eine Herausforderung gemeistert ist, folgt sofort die nächste. Das Besondere bei uns ist die enorme Gestaltungsfreiheit, die jeder bekommt. Wer eine gute Idee hat, wird gehört und kann diese umsetzen – damit wir alle schnellstmöglich emissionsfrei unterwegs sind.

Wasserstoff spielt fundamentale Rolle für die Energiewende

Die RAG-Stiftung und der Startup-Verband haben eine Studie zu den Potenzialen der Wasserstoffwirtschaft vorgelegt. Die zentralen Ergebnisse:

  • Wasserstoff spielt für die Energiewende in den kommenden Jahrzehnten eine fundamentale Rolle – die Steigerung der jährlich weltweiten neuen Elektrolysekapazitäten um das 24-fache zwischen 2014 und 2019 deutet bereits auf das enorme Marktvolumen des Sektors hin.
  • Die Wasserstoff-Forschung gewinnt zunehmend an Fahrt, was unter anderem der deutliche Anstieg an Patenten im Bereich Elektrolyse belegt. Gleichzeitig drohen Deutschland und Europa den Anschluss zu verlieren, da es an Geschwindigkeit beim Transfer in die Praxis fehlt.
  • Die hohe Attraktivität des Wasserstoff-Sektors schlägt sich auch in wachsenden Investitionssummen nieder. Die Investitionen in europäische Startups sind zwischen 2015 und 2020 von 6 auf 69 Millionen Euro angestiegen. In den USA finden bereits Investments in dreistelligem Millionenbereich statt.
  • Das Ruhrgebiet ist ein führendes Wasserstoff-Start-up-Cluster. NRW und Bayern vereinen über die Hälfte dieser Unternehmen auf sich – dabei stechen das Ruhrgebiet und der Raum München als Cluster mit jeweils 18 Prozent deutlich hervor.

Ideen-Coaching: Kultur-, Buch- und Linktipps

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Ideenwettbewerb in Mecklenburg-Vorpommern

Der vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Ideenwettbewerb „inspired – Der Ideenwettbewerb. In MV.“ unterstützt jedes Jahr innovative Ideen und Unternehmensgründungen in Mecklenburg-Vorpommern. In dem mehrstufig aufgebauten Wettbewerb, von der Hochschule bis auf Landesebene, werden keine ausgereiften Businesspläne erwartet, sondern eine knappe, präzise Darstellung der Geschäftsidee und der Teilnehmenden, die an dieser Idee weiterarbeiten wollen. Die eingereichte Idee wird im Laufe des Wettbewerbs verfeinert und weiterentwickelt. Eine Teilnahme ist sowohl einzeln als auch im Team möglich. Dabei genügt es, wenn ein Teammitglied aus Mecklenburg-Vorpommern kommt. Ein Branchenfokus existiert in diesem Wettbewerb nicht.

Aerodynamik im Mittelpunkt

Das Haus der Technik (HDT) in München lädt am 23. und 24. November 2021 zur zweitägigen Tagung „Fahrzeug-Aerodynamik“ ein. Fachleute aus der Automobil- und Zulieferindustrie sowie aus Hochschulen und Forschungsinstituten referieren und diskutieren über den neuesten Entwicklungsstand zur Verringerung des Luftwiderstandes. Insbesondere die Elektromobilität und CO2-Gesetzgebung sind mit neuen Herausforderrungen für den Luftwiderstand verknüpft. Themen der Tagung sind unter anderem die Reduzierung des Luftwiderstands von SUV durch aktive Strömungsbeeinflussung, die Aerodynamik des neuen Porsche 911 Turbo, die Aerodynamik-Entwicklung bei der neuen MAN-Truck-Generation und beim neuen Volkswagen Golf und veränderte Anforderungen an die Aerodynamik von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen.

Auf der Schwelle zu einer neuen KI

Von vielen noch unbemerkt ist die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) ins Stocken geraten: Es gibt bis heute keine vollautonom fahrenden Serienautos, keine vollautonomen Kraftwerke und keine KI-Fabriken. Auch würde niemand sein Leben einem Roboterchirurgen anvertrauen. Ist Big Data eine Sackgasse? KI-Experte Professor Ralf Otte ist der Ansicht, wir stehen an der Schwelle zu einer neuen KI: weg von der Software hin zu einer dem Gehirn nachempfundenen Hardware. Damit öffnen wir laut Otte aber auch die Tür zu einer noch gefährlicheren Verschmelzung von Mensch und Maschine. Überschreiten wir die Grenze zum Maschinenbewusstsein aber nicht, wird Europa als Industriegemeinschaft keine Rolle mehr spielen. Der KI-Experte zeigt, was auf uns zukommen könnte und dass die Entwicklung der Maschinen eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung sein sollte. Ralf Otte: Maschinenbewusstsein. Die neue Stufe der KI – wie weit wollen wir gehen? Campus Verlag 2021. 27,95 Euro

Von der Sonne angetrieben

Die amerikanische Firma Aptera hat ein dreirädriges Auto für zwei Personen entwickelt, das niemals an der Steckdose aufgeladen werden muss. Seinen Strom erhält der Wagen von den Solarflügeln auf seiner Oberfläche. Durch seine Bauart hat es einen sehr geringen Luftwiderstandswert und verbraucht entsprechend wenig Energie. Die tägliche Reichweite aus den eigenen Solarzellen beträgt rund 140 Kilometer, mit dem stärksten Batteriepaket wird eine Reichweite von 1600 Kilometern erreicht. Das autarke Solarmobil kann bereits vorbestellt werden – je nach Option kostet es zwischen 25.900 und über 46.000 US-Dollar.

Wie Ingenieurskompetenz bei Starkregen helfen kann

Angesichts zunehmender Starkregenfälle im Wechsel mit immer längeren Hitzeperioden fordert die Bundesingenieurkammer, zügig neue Wege bei der Planung von Städten und Gemeinden einzuschlagen. Die fortschreitende Siedlungsverdichtung verschärft die Lage, und die Kanalisation als primäre Entwässerungslösung wird zukünftig nicht mehr ausreichen. Regnen nach längerer Trockenheit in kurzer Zeit gewaltige Wassermengen herab, können diese oft von der Kanalisation nicht mehr aufgefangen werden. Die Folgen: überschwemmte Straßen, überflutete Keller und vollgelaufene Tiefgaragen. Auch Ackerflächen oder Wiesen können diese Wassermassen oftmals nicht mehr aufnehmen. Stadt-, Verkehrs- und Entwässerungsplanung müssen laut der Bundesingenieurkammer deutlicher Hand in Hand gehen. Straßen sollten beispielsweise so geplant und gebaut werden, dass das Wasser schadlos ablaufen kann. Für Regenwasser von Dachflächen muss immer auch eine örtliche Versickerung mit überlegt werden. Fragen, mit denen sich auch Ingenieure künftig beschäftigen müssen.

Weniger Plastikmüll

Seit dem 3. Juli 2021 sind viele Einwegprodukte aus Plastik in der EU verboten. Um die wachsenden Müllberge in den Griff zu bekommen, reicht dieser Schritt jedoch noch lange nicht aus. Wie vielschichtig das Problem ist und wie Plastiksparen im Großen wie im Kleinen gelingen kann, zeigen verschiedene Bücher aus dem Oekom Verlag über die Reduzierung von Plastikmüll.

Baukastensystem für Roboter

Ein Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) hat ein System entwickelt, mit dem es passgenau, Baustein für Baustein, Miniaturroboter herstellen kann. Wie bei einem Lego-System können die Wissenschaftler*innen einzelne Komponenten beliebig kombinieren. Die Bausteine oder Voxel – man könnte sie auch als 3D-Pixel bezeichnen – bestehen aus unterschiedlichen Materialien: Einige können die Konstruktion halten, andere sind magnetische Komponenten, die die Steuerung der weichen Maschinen ermöglichen. Die neue Bauplattform ermöglicht viele neue Designs und ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Forschungsgebiet der Soft-Robotik.

Das letzte Wort hat: Valerian Seither, Gründer des E-Roller-Sharing emmy

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Valerian Seither (35) studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und gründete 2015 mit zwei Kommilitonen das Start-up emmy. Ihre Geschäftsidee: Sharing von Elektro-Rollern. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 130 Mitarbeitende und hat rund 3000 E-Roller in Berlin, München und Hamburg auf den Straßen. Damit sind sie Marktführer in Deutschland. Das Interview führte Sabine Olschner

Valerian Seither, Foto: emmy
Valerian Seither, Foto: emmy

Wie kamen Sie auf Ihre Geschäftsidee?
Wir saßen mit Studienkollegen am Ende unseres Masterstudiums zusammen und haben uns über Roller unterhalten. Obwohl keiner von uns je auf einem Roller gesessen hatte, waren wir uns einig, dass es doch super praktisch wäre, wenn man diese als flexibles Bewegungsmittel für Strecken in der Stadt mieten könnte. So hatten wir die Idee zum Roller-Sharing – analog zum Car-Sharing, das es ja bereits gab. Wir wollten auf jeden Fall Roller mit austauschbaren Akkus und keine klassischen Vespas mit Verbrennermotoren. Letztere gab es schon in Deutschland, aber sie konnten sich nicht halten. Unseres war das zukunftsträchtigere Modell.

Wie ging es nach der ersten Idee weiter?
Wir haben parallel zu unserer Masterarbeit an einem Businessplan gearbeitet, um herauszufinden, ob das Ganze als nachhaltiges Unternehmen funktionieren kann. Anschließend haben wir uns für das EU-finanzierte Programm Climate-KIC Accelerator beworben, das Start-ups im Cleantech-Bereich unterstützt. Wir hatten mit unserer Bewerbung Erfolg und erhielten Zugriff auf Mentoren, Büroräume und etwas Grundkapital.

Welche Herausforderungen gab es, besonders am Anfang der Gründung?
Wir kamen ja frisch aus der Uni und hatten noch keine Ahnung, was man alles machen muss, um eine Firma zu gründen. Daher sind wir auf viele Veranstaltungen für Gründer gegangen, um uns mit erfahreneren Leuten auszutauschen und von ihnen zu lernen. Uns war es wichtig, schnell unsere Idee nach draußen zu tragen, um von anderen zu erfahren, ob wir vielleicht Stolpersteine übersehen haben. Wir haben uns dagegen entschieden, alles erst vorzubereiten und dann mit einer Überraschung ans Licht zu gehen. Wir hatten keine Angst, dass uns unsere Idee geklaut wird, sondern wollten schnell Rückmeldungen von vielen Leuten bekommen und unsere Idee dann rasch weiterentwickeln und umsetzen.

emmy Schwalbe, Foto: emmy
emmy Schwalbe, Foto: emmy

Was sollten Unternehmer beherzigen, wenn es dann wirklich losgeht?
Wir haben anfangs immer versucht, Dinge so günstig wie möglich umzusetzen, um die Euros zusammenzuhalten. Wenn man dann in den Markt geht, kann es aber besser sein, mal etwas mehr auszugeben, um weiterzukommen. Wir haben am Anfang den Fehler gemacht nicht schnell genug Leute einzustellen. So blieb zu viel Arbeit bei uns hängen. Als wir dies bemerkten, haben wir uns schnell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Das hieß dann aber auch, sich anders zu organisieren, als wir es vorher in unserem kleinen, eingespielten Team gemacht hatten. Darüber hinaus bin ich froh, dass wir schnell in den Markt gegangen sind und Fehler, die dabei entstanden sind, im laufenden Geschäft behoben haben. Viele warten nämlich zu lange darauf, bis alles vermeintlich korrekt ist, und verpassen dann den Einstieg.

E-Paper karriereführer ärzte 2021-2022 – Digitale Trendwende: Weichenstellung im Gesundheitswesen

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