Warenkorb Kultur-, Buch- und Linktipps

0

„Wirf mich nicht weg“

Cover Wirf mich nicht wegLebensmittelverschwendung geht uns alle an, und wir alle können etwas dagegen tun! Vom Acker bis zum Teller geht etwa ein Drittel aller Lebensmittel verloren, rund die Hälfte davon wird in Privathaushalten weggeworfen. Mit diesem Buch wird gezeigt, wie jeder von uns zu Hause sowie entlang der gesamten Wertschöpfungskette wirksam Lebensmittelverschwendung verhindern, die Umwelt schützen und auch Geld sparen kann – mit mehr als 333 nachhaltigen Rezepte und Ideen. Wirf mich nicht weg. Smarticular 2020. ISBN: 978-3-946658-43-6. 16,95 Euro.

Food Report 2022

Cover FoodreportHanni Rützlers Food Report 2022 zeigt, welche Food-Trends durch die Corona-Pandemie befeuert wurden – und was Unternehmen jetzt tun müssen, um in Zukunft resilienter aufgestellt zu sein. Die österreichische Ernährungswissenschaftlerin und Foodtrendforscherin analysiert die systemrelevante Food-Branche mit gewohnter Finesse und Expertise. Sie beschäftigt sich mit dem Wandel des Konsumverhaltens hin zu mehr Nachhaltigkeit und Lokalität, beschreibt den Vormarsch von E-Food und zeigt auf, wieso die Post-Corona-Gastronomie gemüsereicher sein wird – wie immer veranschaulicht durch Best-Practice-Beispiele, Zahlen und Fakten.

Das Leben ist einfach …

Cover Das Leben ist einfachDer erfahrene Psychotherapeut Holger Kuntze erklärt in seinem neuen Buch, warum wir persönlichen Krisen nicht hilflos ausgeliefert sind – und warum sie manchmal geradezu sinnvoll sein können. Er gewährt uns mithilfe moderner Verhaltenstherapie sowie neuester Erkenntnisse der Neurowissenschaft und Evolutionsforschung einen Blick hinter die Kulissen unseres eigenen Fühlens und Denkens. Mit kleinen Notfallinterventionen und zwanzig Begriffspaaren, die das Leben leichter machen, öffnet er einen Zugang zu unseren inneren Freiräumen. Konkret und mit Beispielen aus seiner eigenen Praxis benennt er Ressourcen, die uns auf der Basis akzeptanzbasierter Strategien ermöglichen, die Zumutungen des Lebens anzuerkennen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Holger Kuntze: Das Leben ist einfach, wenn du verstehst, warum es so schwierig ist. Kösel 2021. 18 Euro.

Stimmtraining

Cover sei deine StimmeStarke Stimme – starker Auftritt: Unsere Stimme ist der Spiegel unserer Seele. Sie hat großen Einfluss darauf, wie unsere Umwelt uns wahrnimmt. Habe ich überhaupt eine Stimme? Was habe ich der Welt zu sagen? Wie verschaffe ich mir Gehör? Wer bin ich? Was sagt meine innere Stimme? Der Musikwissenschaftler, Theologe und Coach Gerrit Winter macht in seinen Trainings den Menschen ihre schlummernden Fähigkeiten bewusst und birgt lange vergessene Potenziale. Gerrit Winter: Sei eine Stimme, nicht nur Echo. ZS-Verlag 2021. 16.99 Euro

EHI Retail Institute

Das EHI ist ein wissenschaftliches Institut des Handels. Zu den rund 800 Mitgliedern des EHI zählen internationale Handelsunternehmen und deren Branchenverbände, Hersteller von Konsum- und Investitionsgütern und verschiedene Dienstleister. Es bietet ein regelmäßiges Veranstaltungsprogramm an: Messen, Kongresse, Workshops zu den verschiedensten Handels- und E-Commerce-Themen.

Global Forum for Food and Agriculture (GFFA)

Foto: adobe.stock/exclusive-design
Foto: adobe.stock/exclusive-design

Das GFFA ist eine internationale Konferenz zu zentralen Zukunftsfragen der globalen Land- und Ernährungspolitik. Sie findet jährlich parallel zur Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin statt. Das GFFA wird unter anderem veranstaltet vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Mit zahlreichen Veranstaltungen bietet das Forum einem internationalen Fachpublikum aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Gelegenheit, sich über Fragen und Herausforderungen der globalen Agrarpolitik und Ernährungssicherung auszutauschen und zu verständigen.

„Endlich Montag“

Heiko Link, der Spezialist für den Wochenanfang bietet mit seinem Podcast professionelle Karriereberatung für Jobsuchende. Er interviewt dazu Experten und hat seit 2016 bereits fast 100 Folgen produziert.

„Wie eine Auster das Zarenreich rettete“

Cover Wie eine Auster das Zarenreich retteteEs ist angerichtet! Feinschmecker und Musikmogul Dieter Weidenfeld sammelt die schönsten Anekdoten rund ums Essen: Wie kam Crêpe Suzette zu ihrem Namen? Wer ist der Erfinder des Sauerkrauts? Und was hat eine Schweinshaxe mit der Hinrichtung Ludwig XVI. zu tun? Abgeschmeckt wird die kleine, aber feine kulinarische Sammlung mit Rezepten von Sternekoch-Legende Heinz Winkler. Dieter Weidenfeld: Wie eine Auster das Zarenreich rettete. EFM 2020. ISBN: 978-3-7459-0167-2. 20 Euro.

Jens Klein Kaffee-Importeur

0

Jens Klein ist 35 Jahre alt und von Hause aus Journalist. Heute importiert er Kaffee, aber auch Kakao und Gewürze aus Nicaragua und vertreibt sie über eine Genossenschaft. Das Besondere ist, dass er und seine Mitstreiter*innen hohe ethische Maßstäbe haben: Sie zahlen den Bäuerinnen und Bauern vor Ort Preise, von denen ihre Familien leben können. Sie unterstützen selbstverwaltete Kooperativen. Und sie fördern Eigenverantwortlichkeit und eine hohe Produktqualität. Die Fragen stellte Christiane Martin

Wie bist du auf die Idee gekommen, mit Kaffee zu handeln?
Ich war 2013 für mehrere Monate in Lateinamerika unterwegs. Dort wollte ich ganz gezielt kleinbäuerliche Genossenschaften besuchen, um mir ein eigenes Bild davon zu machen, ob die Idee des fairen Handels nicht nur bei uns in Deutschland nett klingt, sondern auch vor Ort in den Ländern des Südens funktioniert. Ich erlebte dort engagierte Produzent*innen und hochmotivierte Kooperativen. Doch fast alle eint ein Problem: Die Nachfrage nach fair gehandelten Bio-Produkten ist noch nicht groß genug. Café Chavalo war geboren.

Wie sieht bei Euch die Kette von Anbau über Erzeugung und Lieferung bis zum Verkauf aus? Was ist dir dabei besonders wichtig?
Derzeit arbeiten wir mit zwei Produzentenvereinigungen in Nicaragua zusammen, der UCA Miraflor und der UCA Tierra Nueva. Beide sind inzwischen auch Mitglied unserer Genossenschaft in Deutschland. Unser Verhältnis geht also weit über eine reine Handelspartnerschaft hinaus. In der Regel bin ich einmal im Jahr vor Ort, um die Kooperativen zu besuchen und gemeinsam zu planen, wie es weitergeht. Die Kooperativen kümmern sich selbst um den Export ihres Kaffees und wir fungieren in Deutschland als Importeur. Es sind also keine anderen Händler zwischengeschaltet. Für den Transport arbeiten wir teilweise mit klassischen Reedereien zusammen, aber eigentlich versuchen wir, von Jahr zu Jahr mehr Kaffee per Frachtsegler zu transportieren. Das ist unser sogenannter Segelkaffee.

Warum hast du 2017 die Genossenschaft gegründet?
Anfangs war noch unklar, in welche Richtung sich Café Chavalo entwickeln würde. Daher habe ich die Firma zunächst als Einzelunternehmen gegründet. Es zeigte sich dann relativ schnell, dass mehr als eine Nebentätigkeit daraus werden könnte. Deswegen habe ich dann alle Weichen gestellt, um die Einzelfirma 2017 in eine Genossenschaft umzuwandeln. Das hatte vor allem ideologische Gründe: Das Modell der Genossenschaften ist für mich die überzeugendste Unternehmensform. Café Chavalo will dieses Modell im globalen Süden unterstützen. Dann ist es auch nur konsequent, hier in Deutschland auch genossenschaftlich zu arbeiten.

Es wirkt, als würdest Du mit diesem Projekt genau das tun, was Du tun möchtest. Wie findet man deiner Erfahrung nach seine Berufung?
Das klingt wahrscheinlich nach einer Plattitüde, aber ich bin davon überzeugt: Folge deinem Herzen und lass dich nicht stressen. Am Ende kräht kein Hahn danach, ob man mit 25 oder mit 35 beruflich angekommen ist. Mein Lebenslauf wirkt auf den ersten Blick nicht total geradlinig, aber ich habe von jedem Schlenker profitiert und würde eigentlich keine Erfahrung missen wollen. Gerade Praktika haben mir dabei geholfen, mich beruflich weiterzuentwickeln. Dabei fand ich für mich selbst den Mix aus größeren und kleineren Firmen sehr wertvoll. Das schafft ein gutes Gespür für die verschiedenen Realitäten in der Wirtschaftswelt.

E-Paper karriereführer handel/e-commerce 2021-2022 – Handel schaut aufs Ganze: Digitale und stationäre Handlungskonzepte vereinen

0


Ausgabe als PDF downloaden

karriereführer bauingenieure 2021-2022 – Ran ans Klima!

0

Cover karriereführer bauingenieure 2021-2022

Ran ans Klima!

Die Größe der Aufgabe, aus der Bauindustrie ein Segment zu machen, das das Klima schützt, statt es zu belasten, ist immens. In den Bereichen Sanierung und Energie sowie Ressourcen und Recycling gibt es Lösungsansätze, die jetzt angegangen werden müssen. Angetrieben von den Chancen der Digitalisierung und der Innovationskraft der jungen Generation an Bauingenieur*innen.

E-Paper karriereführer bauingenieure 2021-2022 – Ran ans Klima!

0


Ausgabe als PDF downloaden

Intro

0

Gespräch mit Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE
Berlin im November 2021

Herr Hübner, das alles in den Schatten stellende Thema der Zeit ist und bleibt der Klimawandel. Welchen Beitrag kann die Baubranche hier leisten, auf was kommt es jetzt an?
Die Baubranche bietet Lösungen sowohl für klimaschonendes Bauen als auch für bauliche Anpassungsmaßnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels an. Extreme Wetterereignisse werden zunehmen. Daher ist es wichtig, einerseits beim Neubau über den gesamten Lebenszyklus auf niedrige Emissionen zu achten und andererseits die energetische Sanierung des Bestands im industriellen Maßstab voranzubringen. Gebäude und Infrastruktur müssen zukünftig nicht nur höhere Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz erfüllen, sondern auch resilienter gegenüber Extremwetterereignissen sein. Klimaresilientes Planen und Bauen muss mehr in den Blick genommen werden. Bauingenieur*innen müssen neben der Umsetzung der ambitionierten Klimaziele auch intelligente, innovative und praktikable Lösungen für Gebäude und Infrastruktur implementieren. Hier besteht ein interessantes Tätigkeitsfeld. Das Knowhow der Bauindustrie und der Bauingenieur* innen ist der Schlüssel zur Lösung dieser großen Herausforderung.

Der Bau selbst befindet sich in der Transformation, die Digitalisierung hält mehr und mehr Einzug. Wie bewerten Sie die Entwicklung dieses Wandels in den letzten Jahren – auch im Hinblick auf den Berufseinstieg von Bauingenieur/- innen?
Die Digitalisierung verändert die gesamte Baubranche. Anspruch der BAUINDUSTRIE ist es, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. Digitales Bauen bedeutet nicht, bestimmte Arbeitsschritte einfach nur zu digitalisieren. In Zukunft wird im Rahmen des Building Information Modeling (BIM) die gesamte Wertschöpfungskette Bau durch eine enge digitale Vernetzung von Planen, Bauen und Betreiben geprägt sein. Ein grundlegendes Umdenken der Arbeitsweise ist hierfür Voraussetzung. Jetzt werden also vor allem Expert*innen gesucht, die in der Lage sind, mit modernen digitalen Werkzeugen und ihrem Know-how den Unternehmen bei der digitalen Transformation zu helfen. Es ist daher wichtig, die zukünftigen Ingenieur*innen bereits in der Ausbildung auf diese neue vernetzte Zusammenarbeit vorzubereiten. Digitale Kompetenzen müssen sowohl in der Ausbildung als auch später im Beruf immer wieder neu vermittelt werden. Wenn wir uns die Vorteile einer digitalen Arbeitswelt nutzbar machen, steigert dies nicht zuletzt auch die Attraktivität der Berufsbilder am Bau.

Derzeit ist vor allem von steigenden Baupreisen aufgrund steigernder Rohstoffpreise zu hören? Wirkt sich diese Situation auf die Einstiegsmöglichkeiten von Absolvent*innen aus?
Die Lieferengpässe wegen der Corona- Pandemie und die steigenden Rohstoffpreise stellen die Bauunternehmen vor große Herausforderungen im Hinblick auf die Kalkulation von Baukosten oder auch bei der Aufstellung und Einhaltung von Bauzeitenplänen. Einen Zusammenhang zu den Einstiegsmöglichkeiten von Absolvent*innen sehe ich hier aber nicht. Ganz im Gegenteil: Bei steigenden Materialkosten ist es für Bauunternehmen umso wichtiger, durch moderne Prozesse und Verfahren Einsparpotentiale zu nutzen. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Bauingenieur* innen.

Und zu einem aktuellen Anlass aus diesem Jahr: Welche Rolle nehmen Bauingenieur* innen beim Wiederaufbau der vom Hochwasser betroffenen Gebiete ein?
Die schockierenden Bilder der Überflutungen aus NRW und Rheinland-Pfalz haben uns alle tief getroffen. Viele unserer Bauunternehmen haben sofort mit Personal und Maschinen vor Ort Hilfe geleistet und tun dies noch. Entscheidend ist es nun, die Freiräume im Vergaberecht für eine schnelle Vergabe zu nutzen, damit konkrete Projekte zeitnah umgesetzt werden können. Wir müssen Bauwerke, Brücken, Straßen und kritische Infrastruktur, die den Fluten komplett zum Opfer gefallen sind, durch Ersatzbauten ersetzen, die künftig solchen Wetterereignissen standhalten. Gleiches gilt für die Überprüfung und ggf. Nachbesserung bestehender Bauwerke. Hierzu wird die Expertise der Bauingenieur*innen unverzichtbar sein.

Ran ans Klima!

Die Größe der Aufgabe, aus der Bauindustrie ein Segment zu machen, das das Klima schützt, statt es zu belasten, ist immens. Aber wie heißt es so schön in der Kinderserie „Bob, der Baumeister“? „Können wir das schaffen?“ – „Yo, wir schaffen das!“ In den Bereichen Sanierung und Energie sowie Ressourcen und Recycling gibt es Lösungsansätze, die jetzt angegangen werden müssen. Angetrieben von den Chancen der Digitalisierung und der Innovationskraft der jungen Generation an Bauingenieur*innen. Ein Essay von André Boße

In Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf war im Verlauf des Jahres 2021 eine Ausstellungsreihe mit dem Namen „Einfach Grün. Greening The City“ zu sehen. Gezeigt wurden konkrete Beispiele von Projekten, die für ein besseres Klima in den Zentren stehen: „Mehr Grün in unseren Städten könnte das urbane Klima erheblich verbessern, Hitzebildung reduzieren, mehr Wasser absorbieren, den Feinstaub mindern und sogar den Lärmpegel senken“, fassen die Ausstellungsmacher* innen die Wirksamkeit der Maßnahmen auf der Homepage zur Ausstellung zusammen. Die entscheidende Frage, die sich hier stellt: „Wo gibt es noch Platz für Grün in unseren Innenstädten?“ Hausfassaden, Dächer, Balkone und steinerne Hinterhöfe zählten zu den letzten Grünreserven verdichteter und versiegelter Städte. In Deutschland, aber auch global, würden diese Flächen jedoch bislang viel zu wenig genutzt. Zwar gebe es weltweit realisierte Grüngebäude von Düsseldorf (KÖ-Bogen II) über Mailand (Bosco Verticale) bis Vietnam (Urban Farming Office) – Lösungen auf einem „High-Tech-Level“ also. Es existierten aber auch Mittel und Methoden für Low-Level-Lösungen – und auch diese erzeugten zusammengenommen eine große Wirkung.

Vorzeigeprojekte zur Norm machen

Aufgeführt sind einige von ihnen unter dem Appell „Call for Projects!“ auf der Online-Plattform einfach-gruen.jetzt. Zu den bislang prämierten Projekten zählen eine begrünte Dachterrasse in Wien, die als Treffpunkt und Obdach von Menschen mit Suchterkrankungen dient, oder ein Berliner Hinterhof, der betoniert und damit versiegelt war, nun aber als Garten Platz für Pflanzen und Tiere bietet. Es handelt sich also um Räume nach der Devise „Klimaschutz plus“: Nicht nur verbessern diese Maßnahmen das Klima in der Stadt, auch schützen sie zum Beispiel die Artenvielfalt oder sorgen für geschützte und natürliche Räume für Menschen. Fakt ist: Maßnahmen dieser Art dürfen schon in naher Zukunft keine Vorzeigeprojekte mehr sein. Sie müssen zur Normalität werden. Nicht nur das Klima kennt Kipppunkte: Der Klimaschutz hat einen solchen bereits erreicht.

ge3TEX

Im Rahmen des Forschungsprojektes ge3TEX hat ein interdisziplinäres Team kreislauffähige Verbundmaterialien aus Textilien und Schäumen gleicher Werkstoffgruppen sowie die entsprechenden Herstellungsprozesse zum Ausschäumen von 3D-Textilien zu sortenreinen Bauteilen für die Gebäudehülle entwickelt. „Das Ziel war es, mit einem Minimum an Baustoffen ein Maximum an Funktionalität und Raumqualität zu schaffen“, heißt es bei der Projektvorstellung auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Im Fokus des Projektes stand die Entwicklung von Bauteilen für den Wand- und insbesondere für den Dachbereich. Diese sollten sowohl sehr gute Recyclingoptionen aufgrund der jeweils homogenen Werkstoffklassen aufweisen als auch Synergieeffekte zwischen dem Schaum und den Textilien im Hinblick auf Lastabtragung, Dämmung, Wetter- und Brandschutz nutzen.

Ab sofort heißt die Devise in vielen Wirtschaftszweigen und insbesondere in der Bauindustrie: Das muss jetzt angegangen werden. Ausschlaggebend dafür ist der „Green Deal“ der Europäischen Kommission, der alle ökonomischen Sektoren auffordert, dafür zu sorgen, dass die CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Wobei die EU-Kommission diese Aufgabe ausdrücklich nicht als Restriktion beschreibt, sondern als ein Deal für den Kampf gegen den Klimawandel, der den Akteuren in der Wirtschaft große Chancen bietet. Weil durch das, was angegangen werden muss, neue Märkte für saubere klimafreundliche Technologien, Dienstleistungen und Produkte entstehen. Für die Bauwirtschaft ergeben sich hier zwei thematische Teilbereiche: Sanierung und Energie sowie Ressourcen und Recycling.

Was zu tun ist: Sanierung und Energie

Vor welchen Aufgaben die Bauindustrie im Bereich der Sanierung steht, zeigt der Szenarien-Report des Think-Tanks „Ariadne“, eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie über notwendige Maßnahmen für genügend viel Klimaschutz. „Um den Gebäudesektor auf Kurs zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt der Modellvergleich die Notwendigkeit eines konsequenten Energieträgerwechsels und einer Steigerung von Sanierungsrate und Sanierungstiefe auf“, wird Christoph Kost, Ko-Leiter des Ariadne-Arbeitspakets Wärmewende am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, in der Pressemitteilung zur Studienveröffentlichung zitiert. Bis 2030 müssten zum Beispiel fünf Millionen Wärmepumpen installiert werden; etwa 1,6 Millionen Gebäude müssten neu an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Wenn Kinder Dinge bauen, ob in der Sandkiste, mit Lego im Spielzimmer oder draußen im Wald, dann gibt es kein Material, das nicht zu gebrauchen wäre. Und wenn sie etwas umbauen, widmen Kinder ihre „Baustoffe“ kurzerhand um.

Um die notwendigen Effekte für den Klimaschutz im Bereich der Sanierungen zu erreichen, gebe es zwei Hebel, wie das Fraunhofer Institut Solare Energiesysteme ISE, das Öko Institut und das Hamburg Institut in einer gemeinsamen Pressemitteilung schreiben. Ansatz eins: „Man maximiert Effizienzmaßnahmen, um den Endenergiebedarf so weit zu senken wie möglich“, heißt es in der Pressemeldung zur einer Roadmap, die diese drei Einrichtungen entwickelt haben, um Orientierung zu geben, wie die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen sind. Jedoch sorgten bei diesem Effizienz-Ansatz unter anderem technische oder denkmal schutz bedingte Dämmrestriktionen dafür, dass sich der Endenergiebedarf nur um maximal 60 Prozent reduzieren lasse. Der zweite Ansatz des Forschungsteams setzt weniger aufs Dämmen, sondern auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Hierfür sind deutlich größere Mengen Erneuerbarer Energien für die Wärmebereitstellung nötig“, werden die Forscher*innen zitiert.

Was zu tun ist: Ressourcen und Recycling

Wenn Kinder Dinge bauen, ob in der Sandkiste, mit Lego im Spielzimmer oder draußen im Wald, dann gibt es kein Material, das nicht zu gebrauchen wäre. Und wenn sie etwas umbauen, widmen Kinder ihre „Baustoffe“ kurzerhand um. Im Kleinen funktioniert hier also eine Kreislaufwirtschaft, wie sie auch in der „großen“ Bauindustrie an Bedeutung gewinnt. Jedoch geht es einigen Branchenbeobachter*innen nicht schnell genug. „In kaum einer Branche ist der Energieund Rohstoffkonsum so hoch wie in der Bauindustrie, was zu einer enormen Belastung der Umwelt führt: Rund 40 Prozent der CO2-Emissionen und nahezu ein Drittel aller Abfälle in der EU entstehen durch das Baugewerbe“, schreibt Kai-Stefan Schober, Senior Partner im Bereich Bauwirtschaft, Energie und Infrastruktur im Büro von Roland Berger in München, in einem Fachbeitrag auf der Homepage der Unternehmensberatung. „Nur 40 Prozent des Bauschutts von Gebäuden wird aufbereitet oder wiederverwertet“, so Schober. „Die meisten Recyclingmaterialien werden zudem nicht für den Neubau von Gebäuden, sondern lediglich als Füllmaterial im Straßenbau eingesetzt.“

Ariadne-Szenarienreport

Um Deutschland in weniger als 25 Jahren klimaneutral zu machen, muss die nächste Bundesregierung sehr schnell sehr viel auf den Weg bringen. Das zeigt der Ariadne-Szenarienreport, der Transformationspfade zur Klimaneutralität 2045 erstmals im Modellvergleich ausbuchstabiert. Deutlich wird in dem Report auch, dass vor allem die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele für Gebäude und Verkehr im Modellvergleich trotz einer deutlichen Beschleunigung des Tempos der Emissionsminderungen in vielen Szenarien nicht eingehalten werden. „Um den Gebäudesektor auf Kurs zur Klimaneutralität zu bringen, zeigt der Modellvergleich die Notwendigkeit eines konsequenten Energieträgerwechsels und einer Steigerung von Sanierungsrate und Sanierungstiefe auf“, erläutert Christoph Kost, Ko-Leiter des Ariadne-Arbeitspakets „Wärmewende“ am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Bis 2030 müsste die jährliche Sanierungsrate auf 1,5-2 Prozent steigen. Fünf Millionen Wärmepumpen müssten installiert sein und etwa 1,6 Millionen Gebäude neu an das Fernwärmenetz angeschlossen sein. Er ergänzt: „Auch wenn bei einer Sanierungsrate von über 1,5 Prozent bis 2045 noch ein Viertel des Gebäudebestands unsaniert bleibt, muss trotzdem die Wärmebereitstellung CO2-neutral stattfinden, um die Klimaziele zu erreichen.“

Weitere Infos unter: www.pik-potsdam.de

Baubegeisterten Kindern wäre dieser Umgang mit Ressourcen kaum zu erklären. Eine deutliche Verbesserung der ökologischen Situation könne durch den Übergang von einer „linearen zu einer zirkulären Wirtschaftsweise“ erzielt werden, ist sich Schober sicher. Wobei dieses Umdenken nicht nur dem Umwelt- und Klimaschutz helfe, sondern auch soziale und wirtschaftliche Vorteile biete. So lebt es sich einerseits gesünder in Gebäuden, die mit Hilfe umweltfreundlicher Baumaterialien errichtet worden sind. Andererseits steigere die Nutzung dieser Ressourcen die Produktivität. „Durch die Einführung innovativer Geschäftsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette erwarten wir bis 2025 einen zusätzlichen Umsatz auf dem globalen Markt von mehr als 600 Milliarden Euro bei einer jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent“, stellt der Unternehmensberater in seinem Beitrag in Aussicht. Wie sich diese Kreislaufwirtschaft aufstellt? Schober schreibt: „Schon in der Planungsphase lässt sich durch fortschrittliche Software und umweltorientierte Ingenieur- und Beratungsleistungen das Design optimieren.“

Digitale Lösungen unterstützen beim Neudenken

Darauf aufbauend könnte ein schnell wachsendes Portfolio an umweltfreundlichen und recycelten Materialien mit neuen Hi-Tech-Bauverfahren wie dem 3D-Druck sowie der industriellen Vorfertigung kombiniert werden. Digitale Lösungen helfen, so der Roland Berger-Bau-Experte, auch während des Betriebs, Energieeffizienz und Raumnutzung drastisch zu verbessern sowie eine intelligente, vorausschauende Wartung zu ermöglichen, was wiederum für eine Verlängerung der Gebäudelebenszeit sorge. Am Ende des Lebenszyklus schließlich bietet „materialspezifisches Up cycling von Bauschutt eine gute Möglichkeit, wertvolle Rohstoffe auch für den Neubau wieder zu verwenden“.

Keine Frage, Klima- und Umweltschutz rechnen sich. Und zwar auf vielen Ebenen. Zwar steht die Bauindustrie mit Blick auf die vielen notwenigen Veränderungen vor einer Jahrhundertaufgabe, die von allen Beteiligten Mut und Entschlossenheit verlangt. Doch lohnt sich eine Sichtweise, die auf die Chancen schaut, statt die (nicht zu leugnenden) Probleme zu sehr in den Fokus zu stellen. Hier liegt ein großes Potenzial bei jungen Bauingenieur*innen: Sie gehen die Suche nach Lösungen vielfach mit einem digitalen Setting und einem klaren Blick für die Zukunft an. Eine Aussage wie: „Das haben wir so noch nie gemacht“ besitzt für die neue Generation keine bremsende Wirkung, sondern motiviert dazu, den Wandel an vielen Stellen zu ermöglichen und umzusetzen. Und zwar schnell und zugleich mit langem Atem. Damit die Städte grüner werden, Gebäude nachhaltig und klimafreundlich betrieben werden und die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche zur sinnvollen Selbstverständlichkeit wird.

Circular Valley: Innovationshub für Kreislaufwirtschaft

Das Silicon Valley liegt in Kalifornien, das Circular Valley im Großraum Rhein-Ruhr von Bonn bis Münster. Unter dem Leitgedanken „Grow the Economy – Protect the Environment“ sollen im Rahmen dieses Innovationshubs von Start-ups Wirtschaftswachstum und Umweltschutz in der Zukunft in Balance gebracht werden. Gearbeitet werde an einer Zukunft, die schädliche Umwelteinträge minimiert oder sogar komplett reduziert. Bereits zum Start im Jahr 2020 haben sich über 50 Unternehmen und Institutionen zusammengeschlossen. Seitdem wächst der Pool an Unternehmen – wobei sich weiterhin Startups für die Teilnahme am Projekt Circular Valley bewerben können: Die Start-ups können dabei von den besonderen Umfeldbedingungen des Circular Valley profitieren – „der Nähe zu über 300 Weltmarktführern, führenden Unternehmen der Recycling-Wirtschaft und dem dichtesten Universitäts- und Forschungsnetz zur Kreislaufwirtschaft weltweit“, wie es in einer Pressemeldung des Circular Valley heißt. Weitere Infos unter: https://circular-valley.org

 

Urban Mining: Gebäude als Materialressource

Das Fachbuch „Atlas Reycling“ widmet sich mit Blick auf die Baubranche der Frage, wie das immense Rohstoffvorkommen im Gebäudestand „aktiv“ gehalten werden kann. Ansätze seien hier der intelligente Einsatz von Ressourcen, die Recyclingfähigkeit von Konstruktionen sowie ein kreislauffähiges Bauen. „Dies erfordert einen Wertewandel und ein grundsätzliches Umdenken in Planung und Ausführung“, so die Autorinnen. Die große Herausforderung für Ingeneur*innen bestehe darin, „nicht nur durch ästhetische, ökonomische und soziokulturelle Qualitäten zu überzeugen, sondern in gleichem Maße dauerhaft umweltverträgliche Gebäude zu realisieren.“ Mit dem „Recycling Atlas“ wollen die Autorinnen das nötige Fachwissen für den damit verbundenen Paradigmenwechsel in der Baubranche liefern. Annette Hillebrandt, Petra Riegler-Floors, Anja Rosen, Johanna-Katharina Seggewies: Atlas Recycling: Gebäude als Materialressource. Detail 2021, 99,90 Euro

Beton und Zement und das Klima

Beton und Zement zählen zu den erfolgreichsten Baumaterialien überhaupt. Doch gleichzeitig zählen die Industrien zu den emissionsstärksten Wirtschaftszweigen. Dies will die Branche ändern, zumal ihre Produkte zukünftig verstärkt nachgefragt werden dürften. Von Christoph Berger

„Die Produktion von Zement mit klimaneutralem Brennstoffgemisch unter Einsatz von Wasserstofftechnologie“ oder „Der Bau des weltweit ersten klimaneutralen Zementwerks“: Wenn der Baustoffkonzern HeidelbergCement derartige Nachrichten veröffentlicht, dann ist das weit mehr als ein Trend. Das Unternehmen zählt im Bereich von Zement, Zuschlagstoffen und Transportbeton zu den führenden Lieferanten weltweit. Und da laut dem Weltklimarat jährlich drei Milliarden Tonnen CO2 allein auf die Produktion von Zement zurückzuführen sind, hat die Reaktion eines Branchenriesen darauf natürlich direkte Auswirkungen. Zumal für die fortschreitende Urbanisierung zunehmend mehr Baumaterialien wie beispielsweise Zement und Beton benötigt werden. Laut des der Organisation „Scientist Rebellion“ zugespielten Teils III des kommenden Berichts des Weltklimarats werden 2050 um die 90 Milliarden Tonnen Beton, Zement und andere Baumaterialien benötigt. Das entspreche mehr als einer Verdopplung zu 2010. Die Autoren des Berichts nennen ein stärkeres Recycling der Materialien, das Vermeiden von unnötigem Bauschutt sowie die Nutzung von Holz für den Häuserbau als Maßnahmen des Entgegensteuerns.

Doch auch bei der Produktion von den Baustoffen Zement und Beton muss angesetzt werden. So steckt hinter der Meldung „Die Produktion von Zement mit klimaneutralem Brennstoffgemisch unter Einsatz von Wasserstofftechnologie“ die Tastsache, dass in einem Ofen im britischen Zementwerk Ribblesdale der HeidelbergCement-Tochtergesellschaft Hanson UK im Rahmen eines Versuchs erstmals 100 Prozent klimaneutrale Brennstoffe einschließlich Wasserstoff für die Zementherstellung im industriellen Maßstab verwendet wurden. Dabei wurde der Anteil der klimaneutralen Brennstoffe im Hauptbrenner des Zementofens schrittweise bis zur vollständigen Netto-Null-Mischung erhöht. Diese besteht aus Wasserstoff, der per Tankwagen angeliefert wird, sowie aus Biomassebestandteilen und Glyzerin, die als Nebenprodukte anderer Industrien anfallen, heißt es in der dazu gehörigen Mitteilung. Wurde der Versuch noch mit grauem Wasserstoff durchgeführt – grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen, so soll dieser zukünftig durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Bei diesem kommen regenerative Energien zum Einsatz. Durch die Nutzung dieser Brennstoffe in der gesamten Produktionsanlage könnten allein in Ribblesdale jährlich fast 180.000 Tonnen CO2 im Vergleich zu fossilen Brennstoffen wie Kohle vermieden werden, so das Unternehmen.

Grüner Wasserstoff und biobasierte Brennstoffe

Und was den Bau des weltweit ersten klimaneutralen Zementwerks betrifft, so soll das Zementwerk in Slite auf der schwedischen Insel Gotland zum weltweit ersten klimaneutralen Zementwerk ausgebaut werden. Jährlich sollen dort bis zu 1,8 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden werden können. Laut Konzernangaben entspreche das den gesamten Emissionen des Werks. Zusätzlich werde der Einsatz biobasierter Brennstoffe für die Zementproduktion in Slite erhöht. Ebenfalls an der Dekarbonisierung der Zementindustrie wird im Leuchtturm- Projekt „Concrete Chemicals“ gearbeitet. Das Ziel der Projektpartner aus Industrie und Forschung ist es, eine klimaverträglichere Zementproduktion durch die Umwandlung von CO2 in grünes Methanol zu erreichen.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird die Zementindustrie ihre CO2-Emissionen in einem nie dagewesenen Ausmaß senken müssen …. Dazu müssten allerdings Auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Nach der Bewilligung von Mitteln aus dem Förderprogramm „Dekarbonisierung der Industrie“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) wird derzeit eine Demonstrationsanlage im industriellen Maßstab direkt auf dem Gelände des Cemex-Zementwerks bei Rüdersdorf, einem der größten Zementproduktions- Standorte in Deutschland, errichtet. Ziel ist es, dass mit der geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2025 an die 5000 Tonnen grüne Kohlenwasserstoffe pro Jahr in der Anlage produziert werden. Als Ausgangsstoffe werden das vor Ort aus dem Zementwerk abgeschiedene CO2 sowie grüner Wasserstoff, produziert von einem Sunfire-Elektrolyseur, genutzt. In einem weiteren Schritt können die erzeugten grünen Kohlenwasserstoffe in synthetische Kraftstoffe und erneuerbare chemische Produkte umgewandelt werden. Alternativ ziehen die Projektpartner außerdem eine Methanol-Synthese-Route in Betracht, bei der grünes Methanol aus erneuerbarem Synthesegas produziert werden kann. Betrieben wird die Anlage von Concrete Chemicals in Rüdersdorf ausschließlich mit erneuerbarem Strom.

Auch die Ressourcenschonung im Blick

Tipps

Das Projekt „Concrete Chemicals
Die VDZ-Umweltdaten 2020

Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird die Zementindustrie ihre CO2-Emissionen in einem nie dagewesenen Ausmaß senken müssen, heißt es vonseiten des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ). Dazu müssten allerdings auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden: der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze sowie die Schaffung einer funktionsfähigen CO2-Infrastruktur. Neben der Treibhausgasminderung müsse aber auch die Ressourcenschonung verstärkt in den Fokus genommen werden, sagt VDZ-Präsident Christian Knell: „Klimaschutz und der verantwortungsvolle Umgang mit Rohstoffen gehen hier Hand in Hand.“ Um hierbei weiter voranzukommen, erforsche der VDZ gemeinsam mit der Industrie weitere Möglichkeiten der Ressourcenschonung, etwa durch den Einsatz von Feinanteilen aus recycliertem Beton-/Ziegelabbruch als Zementhauptbestandteil oder durch Recycling des Zementsteins. Man wolle Minderungspotenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufzeigen, heißt es. Allerdings fügt Knell auch an: „Trotz aller Anstrengungen werden wir aber keine Ressourcenneutralität erreichen. Wir brauchen weiterhin natürliche Ressourcen, wenn auch in deutlich geringerem Maße. Eine sichere Versorgung mit Primärrohstoffen bleibt somit auch weiterhin unerlässlich.“

Mit Carbon-Beton lässt sich der CO2-Ausstoß um etwa 70 Prozent reduzieren

Weniger CO2-Emissionen mit Holzbauten

0

Holz kommt immer häufiger im Hoch- und Ingenieurbau zum Einsatz. Dass beim Bauen vermehrt auf eine nachhaltige und ressourcenschonende Bauweise geachtet wird, ist ein Grund dafür. Doch die Holzbauweise eignet sich darüber hinaus auch für die städtische Nachverdichtung. Doch prinzipiell sollte laut Nachhaltigkeitsexpert*innen das Material nicht vor die Bauaufgabe gestellt werden. Von Christoph Berger

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Heinze Marktforschung vermitteln eine eindeutige Richtung: Die Holzbauquote, also die Anzahl der genehmigten Gebäude, die überwiegend mit Holz gebaut wurden, ist bei den Ein- und Zweifamilienhäusern 2020 auf 23,1 Prozent (Vorjahr 21,3 Prozent) gestiegen. Bei den Mehrfamilienhäusern lag die Quote 2020 erstmals bei 4,5 Prozent (2019: 3,7 Prozent) und bei den Nichtwohngebäuden ist sie von 19,5 Prozent (2019) auf 20,9 Prozent im Jahr 2020 geklettert. Das hat laut Holzbau Deutschland – Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes klare Gründe: Der Holzbau könne einen wichtigen Beitrag leisten, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, er verringere die CO2-Emissionen, indem er der Atmosphäre CO2 entziehe, den Sauerstoff wieder abgebe und den Kohlenstoff langfristig speichere. Der nachwachende Rohstoff Holz sei zudem regional in ausreichender Menge verfügbar. Das sorge beim Bauen für kurze Transportwege.

Die Holzbauweise eigne sich außerdem für die städtische Nachverdichtung in Form von Aufstockungen und Lückenschließungen – sie sei schnell, flexibel und präzise. Zudem seien Holzbauteile leicht und würden so Aufstockungen auch bei geringen statischen Reserven des Gebäudebestandes ermöglichen.

Positionspapier Holzbau der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

 

Das Team „Building Culture Innovation“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat einen Digitalen Zwilling des Baden-Württemberg-Hauses auf der Expo 2020 entwickelt. Dabei handelt es sich um eine 3D Echtzeitanwendung, die es ermöglicht, eine virtuelle Tour durch das BW-Haus zu erleben. 

Wie angesagt Holzbauten sind, zeigen aktuelle Beispiele. So wurde zum Beispiel am 1. Oktober 2021 der Neu- und Erweiterungsbau der Universität Witten/ Herdecke, ein Holz-Hybridbau eingeweiht. Ehrengast Ursula von der Leyen, amtierende Präsidentin der EU-Kommission, sagte: „Wir wollen den Europäischen Grünen Deal den Menschen näherbringen. Und hier in diesem neuen Gebäude der UW/H kann man spüren, wie es gehen kann. Dieser Bau ist ebenso nachhaltig wie funktional und schön.“ Auf der Weltausstellung in Dubai wurde zwei Tage später das Baden-Württemberg Haus eröffnet, ebenfalls ein Holz-Hybridbauwerk. Und bereits im Dezember 2020 wurde in Freiburg das Holzbau-Projekt „BUGGI 52“ aufgestellt, erste FSC-zertifizierte Gebäude in Deutschland. Ab dem ersten Obergeschoss besteht das Gebäude vollständig aus Holz – auch beim Aufzugsschacht, im Treppenhaus und an der Außenfassade.

Doch nicht immer ist der Holzbau die optimale Lösung. „Dass diese Potenziale zu einem ganzheitlich nachhaltigen Ergebnis führen, hängt jedoch von der Planung und einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema der Materialität ab“, sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. Dazu gehöre auch, die Materialwahl nicht vor die Bauaufgabe zu stellen oder per se auf einen Baustoff zu setzen. Um die Zukunftsaufgaben zu lösen, müssten wir uns faktenorientiert mit allen Kriterien einer nachhaltigen Architektur auseinandersetzen, fordert die Nachhaltigkeitsexpertin. Falle die Wahl auf Holz, sei es beispielsweise wichtig im Sinne der Circular Economy vom Ende her zu planen. Sie erklärt: „Wenn wir Holz-Komposite verbauen, die am Ende zu Abfällen werden oder ein Holzhaus planen, das schon nach wenigen Jahren wieder abgerissen und thermisch verwertet wird, ist von der CO2-senkenden Wirkung nicht mehr viel übrig.“ Vielmehr müsse der Baustoff mit dem darin gespeicherten Kohlenstoff so lange wie möglich in der Gebäudenutzung gehalten werden.

CO2-Emissionen sichtbar machen

Die Nachfrage nach Green Buildings steigt immer weiter an. Einher geht diese Entwicklung mit der im März 2021 in Kraft getretenen Offenlegungsverordnung der Europäischen Union. Mit dieser sollen Immobilieninvestoren zu Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit verpflichtet werden. Doch dazu müssen erst einmal die CO2-Bilanz und andere Nachhaltigkeitsfaktoren ermittelt werden. Dies kann mit einer Carbon Due Diligence geschehen. Von Christoph Berger

Eine große Stellschraube beim Erreichen der Klimaziele ist der Immobiliensektor und damit der Wohnungsbau: Immerhin ist der Bau und Betrieb von Gebäuden für rund 36 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Europa verantwortlich. So fordert beispielsweise die Europäische Union mit dem „Sustainable Finance Action Plan“, dass bei Investitionsentscheidungen unter anderem CO2-Bilanzen und die Erfassung von Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen sind, mit der Offenlegungsverordnung sollen die Chancen und Risiken eines Investments in Bezug auf die Nachhaltigkeit transparent gemacht werden. Das gleiche Ziel verfolgen die EU-Taxonomie-Verordnung sowie die Benchmark-Verordnung. Alle die Maßnahmen haben ökologisch nachhaltige Investments und Projekte im Fokus. Die deutsche Bundesregierung hat die Energieeffizienzstrategie für Gebäude mit dem Ziel definiert, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Darüber hinaus wurden das Brennstoffemissionsgesetz (BEHG) sowie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet.

Bei Neubauten wird außerdem der sogenannte CO2-Rucksack mit einberechnet: In diesem Rucksack steckt der CO2-Ausstoß, der bei der Herstellung der Baumaterialien angefallen ist.

Diese Verordnungen und Regularien haben jedoch nach Aussage von Karsten Peleikis, Bereichsleiter Lifecycle Management beim Planungs- und Beratungsunternehmen Arcadis, einen Haken: Es gibt kaum staatliche Vorgaben für das CO2-neutrale Bauen. Trotzdem zahle sich dieses nicht nur aufgrund unterschiedlichster Fördermöglichkeiten aus, auch der Wert und die Zukunftssicherheit eines Gebäudes steige mit seiner Energieeffizienz. Es zähle nicht mehr nur die Bausubtanz und die Objektlage, sondern eben auch die Klimabilanz.

So hat auch die Deutsche Hypo in ihrer Studie „Green Buildings: Nachhaltige Investments in Gewerbeimmobilien“ festgestellt, dass vor dem Hintergrund des Klimawandels die Klimaverträglichkeit eines Gebäudes eine immer größer werdende Rolle spielt. Wichtig sei es dabei, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu berücksichtigen – von der Planung, über den Bau bis zum Lebensende. Auch die Auswirkungen des jeweiligen Zyklus für Umwelt und Gesundheit sollten in die Definition einer grünen Immobilie einfließen. Grenzwerte und Zertifikate, wie zum Beispiel Energieausweise oder Nachhaltigkeitszertifikate, böten dabei erste Anhaltspunkte für eine Einordnung von Immobilien. Aber auch der Objektzustand, die Lage und die Wirkung auf Menschen und Umwelt würden entscheidende Faktoren darstellen.

All diese Nachhaltigkeitskriterien werden durch eine Carbon Due Diligence sichtbar. Arcadis hat dafür beispielsweise ein Tool entwickelt, mit dem sich der Energieverbrauch und der CO2-Fußabdruck einer Immobilie ermitteln lassen – inklusive dem Aufzeigen noch möglicher Potenziale zur Bilanzverbesserung. Anwendbar ist dieses Verfahren auf Bestandsgebäude sowie im Rahmen der Projektentwicklung. Peleikis sagt dazu: „Neue oder bereits geplante Effizienzmaßnahmen werden in die Bewertung einbezogen. Bei Neubauten wird außerdem der sogenannte CO2-Rucksack mit einberechnet: In diesem Rucksack steckt der CO2-Ausstoß, der bei der Herstellung der Baumaterialien angefallen ist.“ Mit dem Due- Diligence-Ansatzes könnten schließlich auch die Energie- und CO2-Bilanz sowie der zukünftige CO2-Pfad für ein ganzes Unternehmen oder ein Immobilienportfolio erstellt werden, so der Nachhaltigkeitsexperte.

Neudenkerin Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker im Interview

Im Zuge der Flutkatastrophe zählte Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker von der Uni Siegen zu den gefragtesten Expert*innen. Ihre Ansätze für eine neue Baukultur kombinieren die Anpassung an den Klimawandel mit Maßnahmen im Kampf gegen die Krise. Dabei setzt sie auf ein Bauen, dass flexibler und ganzheitlicher denkt. Nur so entstehen Quartiere, die Nachhaltigkeit und Resilienz kombinieren. Ihr Appell an die junge Generation der Bauingenieur*innen: Zeigt euch, mischt euch ein! Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker wurde 1973 in Larache, Marokko geboren. Sie studierte in ihrem Geburtsland zwei Semester Chemie und Physik. Anfang der 90er-Jahre kam sie nach Deutschland, wo sie praktische Erfahrungen in der Bauindustrie sammelte. 2001 schloss sie ihr Studium als Diplom-Ingenieurin an der TU Darmstadt ab. 2013 erhielt die zweifache Mutter einen Ruf an die Universität Siegen, wo sie im Department Architektur als Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik forscht und lehrt. Von 2016 bis 2020 war sie Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen; seit 2017 ist sie Teil des Expertenkreises Zukunft Bau des BMBU, später des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz. Sie ist Mitglied im internationalen Club of Rome.

Frau Prof. Dr. Messari-Becker, Sie fordern auf Bundesebene die Wiedereinführung eines Bauministeriums, warum?
Das Bauressort führt seit mehr als 22 Jahren ein Nomadenleben. Die gebaute Umwelt ist aber der Lebensraum von 83 Millionen Menschen in Deutschland. Nichts vereint uns mehr als die Gemeinsamkeit von Wohn-, Arbeits- und Lebensräumen inmitten unseres Alltags. Es ist daher wichtig, Bauen, Wohnen, Stadt- und Raumentwicklung als ganzheitliche politische Gestaltungsund Handlungsfelder zu verstehen. Die Lebensraumplanung ist schlicht viel zu wichtig, um sie alle vier Jahre in den jeweiligen Regierungskoalitionen als Marginalie herumzureichen. Zudem werden die Herausforderungen nicht kleiner oder weniger, ganz im Gegenteil: Digitalisierung, Wohnraum, Flächenmanagement, klimaneutrale Wärme in Gebäuden, Mobilitätswende, Klimaanpassung, um nur einige zu nennen. Um den nötigen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht bloß als Stückwert loser Ideen, sondern vernetzter zu planen, zu begleiten und sozialgerecht zu schaffen, braucht es eine bundepolitische Organisation, die bestimmte Kompetenzen bündeln kann.

Bauen bewegt auch viel Kapital.
Genau, die Immobilienwirtschaft steht für mehr als 619 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung (2020). Das ist 20 Prozent der Gesamtwertschöpfung und viel höher als der Bundeshaushalt mit seinen 362 Milliarden Euro (ebenfalls 2020). Bauen und die gebaute Umwelt sind also maßgeblich für Klimaschutz, unsere Lebensqualität und unsere Wirtschaft.

Welche Entwicklungen im Baubereich bewerten Sie besonders kritisch?
Wir verfehlen de facto fast alle baubezogenen Ziele, von der Schaffung des dringend benötigten bezahlbaren Wohnraums über die Reduktion des enormen Flächen- und Ressourcenverbrauchs und die Reduktion der CO2- Emissionen bis hin zum Abbau der dramatischen Kluft zwischen Städten und dem ländlichen Raum.

Wie könnte man mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen?
Indem man unter anderem eine kluge innerstädtische Nachverdichtung baurechtlich vereinfacht, eine sozialverträgliche kommunale Bodenpolitik etabliert sowie die Spekulation im Grundstücksmarkt entschieden bekämpft, um damit kommunales Bauen zu stärken. Auch eine Wohnraumbelegung, die sich der jeweiligen Lebenssituation anpasst, kann helfen, Wohnfläche freizulegen, etwa wenn Eltern, nachdem Kinder ausgezogen sind, nicht mehr so viel Wohnfläche haben möchten. Teilbare Wohnungen mit entsprechenden Grundrissen und Zuschnitten lassen diese Flexibilität zu.

Um den nötigen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht bloß als Stückwert loser Ideen, sondern vernetzter zu planen, zu begleiten und sozialgerecht zu schaffen, braucht es eine bundepolitische Organisation, die bestimmte Kompetenzen bündeln kann.

Die Baubranche ist für rund ein Drittel des Energieverbrauchs und CO2-Ausstoßes verantwortlich, hinzu kommen Sonderabfälle. Wo sollte man ansetzen, um das Bauen schnell und wirksam nachhaltiger zu machen?
Man wird Prioritäten setzen müssen. Da nicht der Neubau, sondern der Bestand die CO2-Emissionen der Gebäude dominiert, muss das Sanieren an Bedeutung zunehmen. Da Erneuungs- und Sanierungszyklen von Gebäuden zu lang sind, muss neben Maßnahmen wie Gebäudedämmung auch die klimaneutrale Wärmeversorgung adressiert werden, etwa aus Geothermie, Fernwärme oder Wasserstoff. Mit Blick auf Bauabfälle müssen wir Ressourcen möglichst sparsam einsetzen und im Kreislauf halten. Recycling und Rückbarkeit müssen also zum Standard werden. Dabei könnte uns ein Ressourcenausweis für Gebäude helfen, wie ich ihn 2019 der Bundesregierung vorgeschlagen habe. Ein solcher soll alle Material- und Energieaufwände, auch die der Herstellung erfassen, um „graue Energie“ sichtbar zu machen und Anreize für innovative Ideen zu geben. Materialien, die als Sonderabfall enden, müssen langsam, aber sicher aus dem Markt genommen und ersetzt werden, egal, ob es Rotoren-Blätter von Windkraftanlagen, Batterien von E-Autos oder Baustoffe betrifft.

Sie plädieren für einen „Masterplan Lebensraum 2050“, der neben dem Bau auch Aspekte wie den demografischen Wandel, Mobilität, Urbanisierung und Klimaschutz berücksichtigt. Wie kann es gelingen, diese verschiedenen Entwicklungen und Herausforderungen zu einem Plan zusammenzubringen?
Indem räumliche und städtebauliche Synergien genutzt werden, beispielsweise auf der Ebene der Quartiere. Konkret lassen sich hier kurze Wege durch Nutzungsmischung – etwa Wohnen und Arbeiten – und kompakte Quartiersstrukturen generieren. Es geht darum, Flächen oder Mobilitätsangebote gemeinsam zu nutzen, auch energetische Sanierungen und die Energiegewinnung können gemeinsam realisiert werden. Generationengerechtes und barrierefreies Bauen ist dabei eine Selbstverständlichkeit. Mit einem Masterplan „Lebensraum 2050“ können darüber hinaus unterschiedliche Problemlagen in Städten und auf dem Land adressiert werden. Ziel ist es, die vielen Nachhaltigkeitsziele mit der Lebensrealität der Menschen vor Ort zusammenzubringen und zusammenzudenken.

Zum Lehr- und Forschungsgebiet

Das Team Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen forscht intensiv an Themen wie Klimaschutz und Klimaanpassung in Gebäuden und in der Stadtentwicklung, ökologisches Wohnen und Bauen, Mobilitätswende, Kreislaufwirtschaft oder Quartiersansätze. Der Leitgedanke des Lehrgebiets ist laut Homepage: „Nur in der Auseinandersetzung mit der Architektur entstehen technische Lösungen, die Funktionalität und Komfort sicherstellen, gleichzeitig ressourcenschonend und zukunftssicher sind und darüber hinaus baukulturell prägend sind. Das gilt gleichermaßen für Gebäude, Gebäudecluster und Städte.“ Sehr gefragt war die Expertise von Prof. Messari-Becker und ihrem Team nach der Flutkatastrophe im Sommer.

Glauben Sie, dass die Pandemie die Stadtbilder nachhaltig verändern wird, vor allem mit Blick auf nicht mehr benötigte Bürotürme, die nun für Wohnungen oder auch Schulen genutzt werden können?
Durch die Dauer der Corona bedingten Einschränkungen hat sich einiges vorerst verfestigt. Es ist also durchaus möglich, dass es nicht mehr darum gehen wird, Läden, Parkhäuser, Bürotürme, Einkaufszentren einfach wieder zu eröffnen, sondern neue Nutzungen für sie zu finden oder zumindest dem neuen Bedarf anzupassen.

Sie fordern eine „neue Baukultur“. Wie unterscheidet sich diese von jetzigen?
Es geht darum, Nachhaltigkeitsziele unmittelbar mit der gebauten Umwelt zu verbinden, sie dort sichtbar und erlebbar zu machen – und zwar mit den Menschen und ihrer Lebensrealität im Mittelpunkt. Wir brauchen eine Baukultur, die die Energiewende baulich und räumlich interpretiert, die anders mit Ressourcen umgeht und in der auch eine „Umbau“-Kultur Platz hat. Eine Baukultur also, die den Gebäudebestand nicht als Hindernis sieht, in der ein „Leerstand“ nicht automatisch abgerissen wird, sondern als Leergut und Rohstofflager der Zukunft verstanden wird.

Was bedeutet das konkret?
Es geht darum, unsere gebaute Umwelt auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten, sie resilienter zu machen. Das bedeutet unter anderem ein kluges Wasser- und Flächenmanagement, die Nutzung neuer Materialien am Gebäude und im Außenraum, mehr Grün und Wasser als Planungselement, eine Infrastruktur mit resilienten Eigenschaften. Nehmen Sie das Beispiel Fläche: Wenn wir Neubaugebiete im Außenbereich ohne funktionierende Infrastruktur, also zum Beispiel ohne ÖPNV-Anbindung, Einkaufsläden oder Kitas bauen, dann setzen sich Menschen in ihre Autos, um zur Arbeit zu fahren oder Anderes zu erledigen. Das erhöht Verkehrsaufkommen und schafft neue Umweltprobleme. Wir müssen daher das Bauen immer mit Infrastruktur verbinden. Und wenn wir heute eine Kita bauen, dann muss diese später ohne großen Aufwand zu einem Pflegeheim werden können. Wobei wir alle Rohstoffe, Bauprodukte und Bauteile immer wieder neu nutzen und hochwertig recyceln müssen. All dies muss zu einer Öko-Routine werden.

Die Bauwelt muss eine zentrale Rolle spielen, und sie muss sich dafür in die öffentliche und fachpolitische Debatte einmischen und Lösungen anbieten.

Welche Rollen spielen Bauingenieur*innen bei der Entwicklung einer solchen neuen Baukultur?
Ohne Architektur keine Baukultur, und ohne Ingenieurwesen keine Zivilisation. Die Bauwelt muss eine zentrale Rolle spielen, und sie muss sich dafür in die öffentliche und fachpolitische Debatte einmischen und Lösungen anbieten. Die Politik setzt in Fragen des Klimaschutzes beispielsweise zu sehr auf Ökonomen und Klimaforscher. Für praxistaugliche Lösungen braucht es aber Ingenieurwesen und innovative Lösungen.

Erkennen Sie, dass die junge Generation der Bauingenieur*innen dieses neue Denken, verbunden mit einer anderen Haltung, mitbringt?
Ich denke, die junge Generation der Studierenden und Absolvent*Innen blickt heute anders auf die Implikationen des Planens und Bauens. Sie denkt stärker in Lebenszyklen, denkt an Umwelteffekte und Nachhaltigkeitskriterien. Die Aufgabe, Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in allen Fachrichtungen der Ausbildung zu etablieren, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Darüber hinaus müssten Nachhaltigkeitskriterien eine maßgebliche Rolle in der Vergabe von Projekten spielen. Ausschließlich nach dem Angebotspreis zu vergeben, behindert eine nachhaltige Entwicklung.

500 Meter über das Filstal

0

Im Juli 2021 war es so weit: Der Brückenschlag über das Filstal war erfolgt. Damit wurde die letzte Lücke der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke Wendlingen–Ulm geschlossen. Von Christoph Berger

Die Filstalbrücke überspannt auf einer Länge von knapp 500 Metern das Filstal. Mit 85 Metern ist sie die dritthöchste Eisenbahnbrücke in Deutschland. Sie besteht aus zwei parallelen, eingleisigen Brückenteilen und verbindet zwei Eisenbahntunnel: den Boßler- und den Steinbühltunnel. Ausgeführt wurde das Bauwerk als semi-integrale Spannbetonbrücke mit y-förmig ausgebildeten Stützen. Im Bereich der Filsaue beträgt die Stützweite rund 150 Meter, wie es vonseiten des Unternehmens Max Bögl heißt, das den Auftrag zum Bau der Brücke im Jahr 2013 erhalten hatte.

DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla sagte im Rahmen des Brückenschlags: „Die Filstalbrücke ist ein filigranes Meisterwerk der Baukunst. Sie bildet das Herzstück unserer Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, durch die Millionen Reisende in Zukunft von schnelleren und komfortableren Bahnverbindungen profitieren werden. Johann Bögl fügte an: „Eine Brücke verbindet Menschen. Hier im Filstal ist es ein wahrer Brückenschlag, der in einer Herausforderung für Ingenieure und Baumenschen die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm zusammenwachsen lässt und somit das große Ziel dieser Generationenaufgabe wahr werden lässt.“ Anfang 2022 sollen die ersten Testfahrten auf der Strecke starten, im Dezember 2022 soll die Strecke dann in den Betrieb übergehen. Die Brücke zählt auch zu einem der Pilotprojekte des Bundes „BIM im Tiefbau – Brücke“. Auf der Plattform Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen heißt es auf der dazugehörigen Projektseite, dass aufgrund der Komplexität des Brü ckenbauwerks bereits in der Planungsphase ein 3D-Modell der Brückengeometrie erstellt wurde. Die BIM-Methodik wurde im Projekt anschließend in den Leistungsphasen 8 und 9 nach HOAI eingesetzt.

Mit BIM wurden zudem folgende Ziele verbunden – in der Projektbeschreibung heißt es:„Projektrisiken, insbesondere Termin- und Kostenrisiken, sollen gemindert werden. In den Bereichen Bauüberwachung, Bauabrechnung, Termin- und Kostensteuerung, Berichtswesen und Besprechungswesen sowie in der Dokumentation sollen die Prozesse analysiert und die Effizienz gesteigert werden. Die Entwicklung und Veränderung von Rollenbildern, die Organisation und die Zusammenstellung von Projektteams, die Zusammenarbeit von Auftraggebern und Auftragnehmern und der Einsatz von Hard- und Software sollen analysiert und Erfahrungen gesammelt werden. Die Kommunikation und die Vernetzung der Projektbeteiligten sollen verbessert werden.“ Das Fazit dazu fiel durchweg positiv aus.

Wie bereits erwähnt, ist die Filstalbrücke mit 85 Metern Höhe die dritthöchste Eisenbahnbrücke in Deutschland und die höchste Bahnbrücke in BadenWürttemberg. Überboten wird sie nur von der 1897 in Betrieb genommenen und 107 Meter hohen Müngstener Brücke in Solingen sowie der 1986 fertiggestellten und 95 Metern hohen Rombachtalbrücke auf der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg.