„Empowering und Enabling der Mitarbeiter*innen auf allen Leveln“

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Die Digitalisierung verändert alles: Angefangen bei den Wertschöpfungsketten, über die Produkte und Dienstleistungen bis hin zu unserer Auffassung von Arbeit – gerne zusammengefasst unter dem Begriff „New Work“. Im Interview mit dem karriereführer erklärt Pia Sielemann, Senior Recruiter bei der innogy Consulting GmbH, wie das Managementberatungsunternehmen auf die Veränderungen reagiert und seine Mitarbeiter*innen bei der Transformation begleitet.

Einhergehend mit der Digitalisierung verändern sich nicht nur Prozesse und Produkte der Unternehmen, auch die Arbeitswelt innerhalb der Unternehmen ist einer Transformation ausgesetzt. Wie machen sich Veränderungen der Arbeitswelt bei innogy Consulting bemerkbar?
Veränderung zu gestalten und diese als Chance zu betrachten, gehört zu den Kernaufgaben einer Strategieberatung. Unsere Ambition ist, als digitales Vorbild für unseren Kunden zu agieren. In unserem Alltag macht sich die Digitalisierung vor allem in der Arbeitsweise bemerkbar: Ausgestattet mit Handy und Laptop inklusive SIM-Karte können unsere Mitarbeiter*innen ortsungebunden arbeiten, durch Methoden wie SCRUM reduzieren wir Komplexität und steigern die Effizienz, wir nutzen Videokonferenzen, um uns mit Kunden und Kolleg*innen weltweit auszutauschen, und nutzen Chat Bots, um 24/7 für interessierte Kandidat*innen ansprechbar zu sein. Flexibler arbeiten heißt aber auch, den passenden Raum dafür zu bieten – ob im Zug, an einem freien Arbeitsplatz oder in einer Sofaecke zum Brainstormen. Was sich nicht verändert hat, ist das Vertrauen in unsere Mitarbeiter*innen, egal von welchem Ort aus genauso gut zu arbeiten wie im Büro.

Für Mitarbeiter*innen sind Veränderungen oftmals mit Unsicherheiten verbunden. Wie nehmen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen bei dem Kulturwandel mit, um ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben?
Eines unserer Kernteams bei innogy Consulting beschäftigt sich ausschließlich mit dem Thema Change. Sie beteiligen sich am internen Trainingsportfolio unter anderem mit Trainings zu Change, Resilienz und Coaching-Techniken. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass Kolleg*innen von diesen gecoachet oder Projektteams der innogy Consulting bei der Zusammenarbeit unterstützt werden. In Zeiten von Unsicherheit ist es wichtig, den Mitarbeiter*innen die richtige Plattform zu bieten, um Fragen zu stellen oder Informationen einzufordern. Wir informieren in unserer Organisation über einen wöchentlichen Newsletter zu allen wichtigen Themen, und die Geschäftsführung lädt in sich verändernden Zeiten zu Breakfast-Talks ein, in denen Fragen offen gestellt, diskutiert und beantwortet werden.

Ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor liegt heute in der Entwicklung innovativer Ideen durch agile Teams und mithilfe neuer Methoden – zum Beispiel Design Thinking. Oftmals setzen solch neuen Wege aber auch einen „neuen“ Führungsstil und die Übertragung von Verantwortung hinein in das Team voraus. Wie entstehen bei innogy Consulting Innovationen?
Wir sind der Auffassung, dass die Digitalisierung nach einem transformationalen Führungsstil verlangt. Für uns bedeutet das Empowering und Enabling der Mitarbeiter*innen auf allen Leveln. Bei innogy Consulting fördern wir den Mut, Innovationen Raum zu geben und zu testen. Gleichzeitig betrachten wir etwaige Fehler als Lernkurve und fördern dadurch, sich nicht entmutigen zu lassen. SCRUM als auch Design Thinking finden bei uns Anwendung genauso wie klassisches Projektmanagement – auf diesen Wegen kommen wir in der tagtäglichen Arbeit zu neuen Produkten, Prozessen und anderen Innovationen. Zudem trägt bei uns der Austausch außerhalb der innogy Consulting zur Innovationsförderung bei. Dazu gehören beispielsweise der Besuch von Vorträgen, Konferenzen oder Meet-ups. Die Innovationskraft auch in anderen Organisationen zu fördern, hat sich unser LRN LAB in Berlin zur Mission gemacht und trainiert intern als auch extern innovative Methoden zum Beispiel in Form eines„Agile Basecamps“.

Zusammenarbeit ist bei uns dabei keine Frage der Hierarchie: In unseren Teams treffen Absolventen auf Berufserfahrene – über Arbeitsbereiche und Ländergrenzen hinweg – aufeinander.

Teamarbeit wird bei Ihnen also eine besondere Bedeutung zugesprochen?
Der Grundgedanke der Kollaboration macht innogy Consulting aus und trägt maßgeblich zum Erfolg unserer Projekte bei. Zusammenarbeit ist bei uns dabei keine Frage der Hierarchie: In unseren Teams treffen Absolventen auf Berufserfahrene – über Arbeitsbereiche und Ländergrenzen hinweg – aufeinander. Unsere Führungskräfte motivieren ihre Teams in jeder Projektphase und unterstützen sie durch konstruktives Feedback. Dazu gehört es einerseits, gemeinsam Teamerfolge zu feiern, andererseits aber auch, Hindernisse der Zusammenarbeit offen adressieren zu können, um für jeden das optimale Arbeitsumfeld im Team schaffen zu können. Teamarbeit heißt bei innogy Consulting zudem, die Kolleginnen und Kollegen persönlich gut zu kennen, zu erkennen, wenn es jemandem nicht gut geht, um dann z.B. Hilfe anzubieten. Dazu gehört ein regelmäßiger Austausch beim Kaffee zwischendurch oder beim Feierabendgetränk.

Und wie steht es um das Ausprobieren von neuen Ideen in „freien“ Räumen – ganz nach dem Trial and Error-Prinzip?
Die einfachsten Lösungen sind oft nicht die erfolgreichsten. Kreativität und eine abwägende Risikobereitschaft zeichnen uns aus. Wir denken gerne um die Ecke und sind ständig auf der Suche nach dem besten Ergebnis. Dabei treiben uns unsere Begeisterung für Exzellenz sowie unsere vom Unternehmergeist geprägte Denkweise an. Gerade wenn es um Innovation geht, gehört eine gewisse Fehlertoleranz oder der Mut, als erstes etwas Neues zu tun, dazu. Bei innogy Consulting leben wir eine Kultur, die es ermöglicht, Fehler zu akzeptieren, zu analysieren und zu reflektieren. Mit den entsprechenden Learnings, dem ständigen Research zu neuen Methoden und Tools, Durchhaltevermögen und einer permanenten Ausrichtung an unseren Kunden leiten unsere Consultants innovative Lösungen anforderungsgerecht ab. Selbstverständlich ist ein „trial-and-error“-Ansatz nicht für jede Herausforderung oder für jeden Projektauftrag passend. Die entsprechende Flexibilität im Methodenportfolio zeichnet unseren Consulting-Ansatz aus.

Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln Sie unter anderem nach der 70:20:10-Methode. Was genau ist darunter zu verstehen?
Grundsätzlich versteht man unter der Methode, dass der klare Entwicklungsfokus zu 70 Prozent „on the job“ liegt. Zu 20 Prozent wird die Praxiserfahrung durch ein strukturiertes Feedback und Reflektion analysiert und für die Zukunft adaptiert. Nur ein kleiner Teil der Entwicklung, etwa 10 Prozent, erfolgt durch Seminarformate, um Wissenslücken zu füllen. Die Erfahrung und Anwendung der Theorie in der Praxis stehen für uns als Erfolgstreiber und bringen die meisten Learnings mit sich. Unsere Projektteams tauschen sich regelmäßig u.a. in einem „Start-stop-continue“-Format über die Projektentwicklung aus. Gleichzeitig führen die Projektleiter regelmäßig Feedbackgespräche mit jedem einzelnen Teammitglied, um während des Projekteinsatzes sowohl die fachliche als auch persönliche Entwicklung kontinuierlich zu begleiten. Theoretisches Fachwissen wird bei uns größtenteils in interaktiven Classroom-Trainings, kurzen Spotlight-Sessions und selbstentwickelten online-Flashcards vermittelt. Und natürlich direkt im Projektalltag angewendet. Je nach Level und insbesondere bei wachsender Führungsverantwortung kommen individuelle Personalentwicklungsformate wie bspw. Coachings hinzu.

Digitalisierung ist der Treiber

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Der Umsatz der Beratungsbranche stieg 2018 um 7,3 Prozent. Und auch 2019 wird von den Unternehmen ein weiterer Kurvenanstieg prognostiziert. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch Digitalisierungs- und IT-Themen. Von Christoph Berger

Die deutsche Beratungsbranche zählt zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftszweigen in Deutschland. So das Ergebnis der im Herbst 2018 durch Lünendonk und Hossenfelder veröffentlichten Studie „Managementberatung in Deutschland“. Vor allem dank der Digitalisierung. Denn demnach werden Dienstleistungen rund um die Entwicklung von Digitalstrategien, Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle, Digital-Marketing-Services, Customer Journey, User-Experience- Design und App-Entwicklung immer wichtiger für Beratungsunternehmen.

Auch Services werden relevanter, die den Mitarbeitern des Kunden helfen, die digitale Transformation des Unternehmens erfolgreich zu gestalten. Die Stichworte hierzu sind beispielsweise Change Management und Behaviour Transformation. Da passt es, dass beispielsweise McKinsey beabsichtigt, in diesem Jahr in Deutschland und Österreich bis zu 500 neue Beraterinnen und Berater einzustellen. Vor allem Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzprofilen, darunter Experten in den Bereichen Analytics, künstliche Intelligenz oder neue Mobilität werden gesucht. Allerdings sind dies nicht die einzigen Technikbereiche, in denen Beratungsleistungen gefordert werden.

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) hat in seiner Branchenstudie „Facts & Figures zum Beratermarkt 2019“ festgestellt, dass im Jahr 2018 die Kunden der Consultants besonders Unterstützung bei Themenstellungen rund um IT-Datenschutz und Datensicherheit gehabt hätten. In diesem Bereich wurde eine um 16,2 Prozent gestiegene Nachfrage festgestellt. Hintergrund dafür sei zum einen die Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gewesen, aber auch die vermehrten Datenskandale, durch die das Bewusstsein für mehr Prävention gewachsen sei. „Beim Thema Cybersecurity hinken die meisten Unternehmen der Raffinesse der Cyberkriminellen hinterher. Das führt zu einem Vertrauensverlust in die digitale Wirtschaft“, sagt demnach auch Uwe Kissmann, Geschäftsführer von Accenture Security in Europa. Das Thema sei daher beim Vorstand anzusiedeln und Security ein integraler Bestandteil aller neuen Projekte werden.

Und wie sieht es mit der Digitalisierung der Unternehmensberatungen selbst aus? Hierzu wurde in der Lünendonk und Hossenfelder-Studie festgestellt, dass softwaregestützte Beratungsangebote immer wichtiger werden, wobei der Fokus auf analytischen Tools zur Datenauswertung liege. Technologie wird also vor allem unterstützend eingesetzt. Da passt dann auch die BDU-Erkenntnis, dass die Präsenzberatung beim Kunden wichtig bleibt. Für die Umsetzungsberatung gelte das sowieso, dort spiele der menschliche Faktor eine entscheidende Rolle, dies könne nur bedingt durch künstliche Intelligenz oder Maschinen ersetzt werden.

Der Sinn für die Zukunft

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Die Märkte im Speziellen und die Welt im Allgemeinen befinden sich in einem permanenten und vor allem gravierenden Wandel. Orientierung kann da die Suche nach der ursprünglichen Idee, dem Sinn eines Unternehmens, geben. Tim Kuhrcke berät dazu und arbeitet bei der auf Purpose spezialisierten Unternehmensberatung Brighthouse in Berlin. Aufgezeichnet von Christoph Berger

Zur Person:

Tim Kuhrcke, Studium: Medienwissenschaften mit Schwerpunkt Psychologie. Seit 2018 Managing Director der BCG-Tochtereinheit Brighthouse

Es gibt Dinge, die ziehen sich wie rote Fäden durch Tim Kuhrckes Leben. Da ist zum einen die Frage nach dem Wirken des Menschen: Warum macht er manche Dinge und andere nicht? Diese Fragen beschäftigen den studierten Medienwissenschaftler schon lange. Der zweite Faden ist die Auseinandersetzung mit Innovationen. Als Gründer beschäftigte er sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Medienunternehmen, bei MTV Networks in New York arbeitete er an einer strategischen Neuausrichtung, um den Konzern noch stärker auf die Generation Y zu fokussieren. Zudem war er in einer Innovationsagentur und bei BCG Digital Ventures tätig, der auf die Inkubation innovativer Geschäftsmodelle für Konzerne spezialisierten Einheit der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt, Ende 2018, wechselte er zu einer weiteren BCG-Tochter, der Spezial-Beratung Brighthouse. Dort vereint er die Fäden nun zu einem Strang, indem er sich mit seinen Mandanten auf Sinnsuche begibt, den Sinn des jeweiligen Unternehmens. Oder, wie es im Fachjargon heißt: Purpose-Beratung.

Er spürt beispielsweise dem einstigen Gründergeist nach, der vielleicht durch eine immer breiter werdende Produktpalette und über die Jahre verloren gegangen ist. Oder durch eine immer größere Diversifizierung über den Erdball hinweg. „Jetzt, im Zeitalter der Digitalisierung und der damit einhergehenden Komplexität, werden die Unternehmen erneut herausgefordert, darüber nachzudenken, wer sie überhaupt sind und wer sie sein wollen. Da hilft es, den Purpose wieder auszugraben“, sagt Kuhrcke. Denn eines hat er bei all seinen Stationen immer wieder erlebt: Wenn man sich mit Innovationen beschäftigt, steht zu Beginn die Frage: Warum? Wer da seine Wurzeln kennt, kann bessere Entscheidungen treffen, die erst einmal nicht auf Algorithmen basieren, sondern in der jeweiligen Geschichte des Unternehmens begründet sind.

Ein Historiker ist Kuhrcke deshalb nicht. Eher ein Psychologe, der sich mit Menschen und deren Visionen beschäftigt – den einstigen und heutigen. Diese gilt es ins gesamte Unternehmen zu tragen. „Aus Betroffenen werden Beteiligte und dem Unternehmen wird die Möglichkeit gegeben, sich gemeinsam zu formieren. Eine Art Bewegung, die zu dem wiederentdeckten Purpose stehen kann“, fasst er seine Hauptaufgabe zusammen. Kann die Frage nach dem „Warum“ beantwortet werden, ist es wesentlich einfacher, die gesamte Belegschaft bei einer Transformation mitzunehmen. Dies passt zu seiner Prognose: „Viele Unternehmen realisieren derzeit, dass sie enorm viel in Technologien investieren können. Doch Technologie skaliert, Menschen nicht. Die Menschen werden daher auch in Zukunft den Unterschied machen. Da kommt man schnell zu den Fragen: Wie organisiert man ein Unternehmen und wie lassen sich die Menschen darin begeistern und involvieren?“

Und welche Voraussetzungen werden für den Job benötigt? „Man muss einerseits den Blick für das große Ganze und die Fähigkeit haben, qualifiziert über gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Perspektiven reden zu können. Gleichzeitig muss man aber auch bereit sein, detailorientierte Arbeit zu leisten mit klassischen unternehmensberaterischen Fähigkeiten“, erklärt Kuhrcke.

„Das Unausgesprochene gilt es, in Sprache zu bringen“

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Teamarbeit ist gängige Praxis in den Unternehmen. Aus ihr sollen Resultate entspringen, die sowohl das Unternehmen als auch die einzelnen Mitarbeiter voranbringen. Dr. Gundula Ganter berät Organisationen hinsichtlich neuer Teamstrukturen und der Entwicklung von Teams. Im Interview erklärt sie, was sie tut und wie sich Teamarbeit im digitalen Zeitalter verändert. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Dr. Gundula Ganter studierte Psychologie in Leipzig und Aachen. Ihr Schwerpunkt schon damals: Arbeits- und Organisationspsychologie. Ihre berufliche Karriere startete sie nach ihrem Diplom-Abschluss in einer Unternehmensberatung mit dem Fokus auf Human Resources (HR). Nach Dissertation, Auslandsaufenthalt und unterschiedlichen HR-Funktionen in einem mittelständischen Unternehmen stieg sie 2016 in das Beratungsunternehmen ABIS ein. Dort ist sie geschäftsführende Gesellschafterin am Standort Stuttgart und Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung mit Schwerpunkt Führung, Unternehmenskultur, Vergütung und Veränderungsmanagement, Führungskräftetraining und Coaching. Außerdem übernimmt sie die Konfliktmoderation in (Management-)Teams. Weitere Infos:

www.abis-business.de

Frau Dr. Ganter, Sie sind Expertin für Teamentwicklung. Weshalb suchen Unternehmen Ihre Beratung?
Unternehmen kommen meistens dann auf uns zu, wenn agile Formen der Zusammenarbeit eingeführt werden sollen oder es in bestehenden Teams Konflikte gibt. Viele Unternehmen streben danach, schneller auf Kundenwünsche und Marktanforderungen zu reagieren und etablieren parallel zur Linienstruktur agile Teams. Das hat viel Potenzial in Bezug auf effizientes Arbeiten und Mitarbeiterbindung, birgt aber auch einige Risiken, wenn alt bewährte Handlungsmuster in Frage gestellt werden.

Wie gehen Sie dabei vor, welche Instrumente stehen Ihnen zur Analyse zur Verfügung?
Das wichtigste ist immer die gute Auftragsklärung zu Projektbeginn, die Beantwortung der Frage: Worum geht es? Bei der agilen Transformation arbeiten wir mit den Verantwortungsträgern und einem Projektteam in Workshops, um das Konzept zu erstellen und im zweiten Schritt die Mitarbeiter zu mobilisieren. Zur Konfliktklärung laden wir alle Beteiligten zu einem Teamentwicklungsworkshop ein. Wichtig dabei ist, dass keiner sein Gesicht verliert und alle das Gefühl haben, dass über Wichtiges gesprochen wird. Das Unausgesprochene gilt es, in Sprache zu bringen.

Funktioniert das, wenn sich Menschen unter Beobachtung äußern sollen?
Unsere Moderation läuft so, dass wir sehr sorgfältig alle Beteiligten in den Prozess einbeziehen. Wir nehmen jede Sichtweise ernst und ermöglichen, dass sich die Teammitglieder gegenseitig zuhören. Durch unsere Fragen erreichen wir, dass wertschätzend über Wichtiges gesprochen wird. Häufig wollen die Beteiligten einfach ernst genommen und verstanden werden. Sie sind meist sehr kooperativ und an guten Lösungen interessiert. Unsere Aufgabe ist es, den Prozess zu moderieren. Neutralität ist dabei ganz wichtig. Das spüren die Beteiligten.

Wie wichtig ist es überhaupt, dass Teams aus unterschiedlichen Charakteren bestehen?
Das ist extrem wichtig, weil nur so eine Vielfalt entsteht. Da gilt der Satz: Teams sind immer besser als die Leistung eines Einzelnen. Das funktioniert natürlich mit unterschiedlichen Charakteren und Erfahrungen am besten. Wir lieben die Mischung aus „alt“ und „jung“, aus verschiedenen Disziplinen und Nationalitäten.

Ist der Teamgedanke wie so viele andere Unternehmensstrukturen derzeit auch einem Veränderungsprozess unterworfen?
Ja. Der Trend geht zu stärker selbstorganisierten Teams – bei klassischen Linienteams und ganz bestimmt bei agilen und bereichsübergreifenden Teams. Hier gilt es, die Rollen und Verantwortlichkeiten in Teams zu definieren und Entscheidungsprozesse neu aufzusetzen. Das neue Führen heißt auch, mehr zu delegieren und in die Leistungsfähigkeit der Teammitglieder zu vertrauen. Dafür braucht es Leute, die bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Die Passung aus Rolle im Team, was bringe ich mit und wer möchte ich sein, die ist ganz wichtig.

Dazu bedarf es dann aber einer intensiven Vorbereitung, oder?
Genau, die Neuordnung von Teams muss strategisch geplant werden – schließlich wird das hierarchische Gefüge neu sortiert. Die Rollen einer Führungskraft werden auf verschiedene Schultern verteilt. Fach- und Methodenkompetenz sowie Entscheidungskompetenzen können in das Team verlagert werden. Unsere Erfahrung ist, dass hier vorab wichtige Weichen gestellt werden müssen. Festgelegt sein muss: Gibt es ein gemeinsames Ziel beziehungsweise einen Auftrag, wer hat welche Rolle, wer darf was entscheiden und wie wird kommuniziert. Dann kommt noch die Beziehungsebene dazu – wenn es da menschelt, im Guten wie im Kritischen, dann tritt das ganz schnell zutage.

Welche Skills braucht es da von Beraterseite, um die richtigen Analysen durchzuführen, Schlüsse zu ziehen und Methoden anzuwenden?
Bei uns funktioniert das nicht ohne eine systemische Ausbildung. Neben oder nach dem Studium kann das eine systemische Coaching-, eine systemische Berater- oder eine Organisationsentwicklungs-Ausbildung sein. Es gibt hierzu bereits gute Ansätze an den Hochschulen. Die Zusatzausbildungen ermöglichen aber erstens eine Vertiefung mit systemtheoretischen und neuen Konzepten zu Menschen, Teams und Organisationen. Zweitens erwerben die Teilnehmer eine hohe Methodenkompetenz beim Moderieren von Workshops. Das ist ein Stück weit learning by doing, aber auch Technik, die man in den Ausbildungen lernt.

Gute Gehälter für Berater

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Die Consulting-Branche wächst – unaufhörlich könnte man fast schon sagen. Nach wachsenden Personaleinstellungen in den vergangen Jahren, wird auch für 2019 erwartet, dass die großen Unternehmensberatungen mit über zehn Millionen Euro Umsatz sowohl berufserfahrene Consultants als auch Juniorberater einstellen. Und auch von den mittelständischen Marktteilnehmern wollen rund Dreiviertel neue Jobs für Seniorund Juniorberater schaffen. Das wirkt sich positiv auf die Gehälter aus. Von Christoph Berger

Für den im April 2019 veröffentlichten Stepstone Gehaltsreport 2019 sind die Autoren der Frage nachgegangen, was Fach- und Führungskräfte in der Consulting- Branche verdienen. Doch die Frage nach dem Verdienst lässt sich nicht ganz so einfach beantworten. Laut dem Gehaltsreport werden die Gehälter von Beratern durch vier Faktoren bestimmt.

Zum einen spielt die Berufserfahrung beim Gehalt eine entscheidende Rolle. So verdienen Berufseinsteiger beziehungsweise Junior Consultants in der Regel um die 47.700 Euro. Das Durchschnittsgehalt von Senior Consultants liegt dann mit 75.100 Euro schon fast 30.000 Euro darüber. Hat man diesen Status erreicht, können in der Regel etwa sechs Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Consultants, also diejenigen, die sich zwischen dem Junior- und Seniorstatus befinden, verdienen um die 60.600 Euro.

Ein Blick auf die Ausbildung der Berater verrät außerdem, dass zwei Drittel der Berater studiert haben – die meisten Consultants verfügen über einen akademischen Abschluss im Bereich Wirtschaftswissenschaften (42 Prozent), Ingenieurwissenschaften (21 Prozent) oder Naturwissenschaften (16 Prozent). Der zweite für das Gehalt relevante Faktor ist der Standort des Beratungsunternehmens. So verdient, wer beispielsweise in Frankfurt am Main (72.200 Euro) oder München (71.200 Euro) arbeitet, überdurchschnittlich gut. Auch Stuttgart mit 68.800 Euro, Düsseldorf mit 68.600 Euro und Köln mit 63.500 Euro Durchschnittsgehalt liegen noch in den Top 5.

Faktor 3 ist in der Beraterrolle zu sehen: Arbeitet man als Inhouse-Berater oder bei einer Management-Beratung, die nur für einen bestimmten Zeitraum beauftragt wird und dafür unvoreingenommen Klienten bewerten kann? Hierzu haben die Autoren des Reports festgestellt, dass die bei einer Unternehmensberatung angestellten Consultants im Schnitt 68.600 Euro verdienen und damit meist bessergestellt sind als ihre Kollegen aus der Inhouse-Beratung. Wobei es auch Ausnahmen gibt: So kommen Inhouse-Consultants in der Automobilbranche mit durchschnittlich 72.500 Euro brutto auf das höchste Gehalt unter den Beratern. Und auch die Telekommunikationsbranche bezahlt Inhouse-Berater mit 67.300 Euro überdurchschnittlich.

Bleibt schließlich noch Faktor 4. Und der ist von jedem einzelnen abhängig, da es um das Verhandlungsgeschick geht. Hier scheint Selbstbewusstsein gefragt, immerhin fragen 51 Prozent der Consultants ihren Arbeitgeber regelmäßig nach mehr Gehalt. Und dies mit Erfolg, denn immerhin rund zwei Drittel berichten von erfolgreichen Verhandlungen. Zur Vorbereitung tauschen sich fast drei von vier Beratern (72 %) vor der Gehaltsverhandlung mit Freunden und Kollegen über realistische Gehaltsvorstellungen aus.

Scanner-Blick: Kultur-, Buch- und Linktipps

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WIE LANG IST DIE EXTRAMEILE?

Cover ExtrameileCharlie Kant ist Unternehmensberaterin. Und sie hat das Zeug zum „High Performer“ – sie will an ihre Grenzen gehen, die Komfortzone verlassen und herausfinden, wie lang ihre persönliche Extrameile ist. Dabei merkt sie schnell, dass man die Spielregeln der Beratung beherrschen muss, um nicht als „Folienschrubber“ zu enden. Dieses Buch soll zum „Outside the box“-Denken anregen. Mit Humor und Selbstironie gewährt Charlie Kant Einblicke in das Seelenleben einer jungen Frau in der Unternehmensberatung.

Charlie Kant: Wie lang ist die Extrameile? Eine Unternehmensberaterin misst nach. Schwarzkopf & Schwarzkopf 2018, 14,99 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

HABITUS: SIND SIE BEREIT FÜR DEN SPRUNG NACH GANZ OBEN?

Cover HabitusIn diesem Buch widmet sich die Stil-, Sprach- und Benimmexpertin Doris Märtin den Dos and Don‘ts des sozialen Aufstiegs. In einem kurzweiligen Mix aus Stories, Interviews und soziologischer Forschung, entschlüsselt sie, wie die Elite tickt, welche Codes Zugehörigkeit signalisieren und wie jeder von uns die Lebenskunst der Leitmilieus erlernen kann. Ob große Karriere oder optimale Startbedingungen für die Familie: Der Habitus ist entscheidend! Und das Beste: Einmal gewonnen, bleibt er für immer.

Doris Märtin: Habitus. Campus 2019, 22,95 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

ACHTERBAHN

Cover AchterbahnIn seinem Bestseller „Höllensturz“ hat Ian Kershaw meisterhaft die dramatische Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählt. In seinem neuen Buch „Achterbahn“ nimmt der renommierte Historiker nun die Jahre von 1950 bis heute in den Blick und spannt einen großen Bogen von der existentiellen Unsicherheit, die die Staaten Europas im Kalten Krieg durchlebten, bis zu den Herausforderungen, vor denen sie heute, in Zeiten ökonomischer und politischer Krisen stehen. Trotz einer bis heute andauernden Phase des Friedens, so Kershaw, sind die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für Europa eine Achterbahnfahrt – voller Aufs und Abs, voller Nervenkitzel und Ängste. Und mit ungewissem Ausgang.

Ian Kershaw: Achterbahn. DVA 2019, 38 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

TIPPS FÜR DIE DIENSTREISE

Cover Business Travel HacksÜber elf Millionen Deutsche sind regelmäßig geschäftlich auf Reisen. Unternehmensberater Christopher Schulze hat in seinem Buch „Business Travel Hacks“ 101 Business Travel Hacks gesammelt, Tipps für eine schnellere, bequemere und entspanntere Dienstreise.

Christopher Schulz: Business Travel Hacks. Independently published 2019, 9,90 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

SERENDIPITY: VON GENIALEN GEISTESBLITZEN UND DER MAGIE DES ZUFALLS

Cover Wer nicht sucht der findetMiriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche und Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, hat zusammen mit Daniel Rettig, Leiter des Ressorts Erfolg & Gründer bei der Wirtschaftswoche, 77 zufällige Entdeckungen recherchiert, die Geschichte schrieben. Das schöne englische Wort „Serendipity“ beschreibt den glücklichen Zufall, der einen entdecken lässt, wonach man gar nicht gesucht hat.

Miriam Meckel, Daniel Rettig: Serendipity. 77 zufällige Entdeckungen, die Geschichte schrieben. Klein & Aber 2018, 14 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

DIE BEZIEHUNG VON ARBEITGEBERN ZU ARBEITNEHMERN

Cover Private RegierungBereits die Industrielle Revolution hat den vormals positiven Zusammenhang zwischen freiem Markt und freiem Arbeiter aufgelöst, wie Elizabeth Anderson, Philosophin und Wissenschaftlerin an der Universität von Michigan, im ideengeschichtlichen Teil ihrer Untersuchung „Private Regierung – Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden)“ darlegt. Im nächsten Schritt bestimmt sie die gegenwärtige Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern neu: als eine von Regierungen und Regierten, wobei diese „Regierungen“ private sind und quasi autokratisch herrschen können. Das Nachsehen haben die Beherrschten, nämlich die Arbeitnehmer, wie Anderson anhand zahlreicher Beispiele belegt. In beeindruckender Gedankenführung und stilistisch brillant dekonstruiert sie einen Mythos des Marktdenkens.

Elizabeth Anderson: Private Regierung – Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden). Suhrkamp 2019, 28 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

FACTFULNESS

Cover Fact FulnessEs wird alles immer schlimmer, eine schreckliche Nachricht jagt die andere: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Es gibt immer mehr Kriege, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen. Viele Menschen tragen solche beängstigenden Bilder im Kopf. Doch sie liegen damit grundfalsch. Denn: Unser Gehirn verführt uns zu einer dramatisierenden Weltsicht, die mitnichten der Realität entspricht, wie der geniale Statistiker und Wissenschaftler Hans Rosling erklärt. Wer das Buch gelesen hat, wird ein sicheres, auf Fakten basierendes Gerüst besitzen, um die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, die zehn gängigsten Arten von aufgebauschten Geschichten erkennen, bessere Entscheidungen treffen können und wahre Factfulness erreichen – jene offene, neugierige und entspannte Geisteshaltung, in der Sie nur noch Ansichten teilen und Urteile fällen, die auf soliden Fakten basieren.

Hans Rosling, Anna Rosling Rönnlund, Ola Rosling: Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Ullstein 2018, 24 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

21 LEKTIONEN FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT

Cover HarariYuval Noah Harari ist der Weltstar unter den Historikern. In „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ erzählte er vom Aufstieg des Homo Sapiens zum Herrn der Welt . In „Homo Deus“ ging es um die Zukunft unserer Spezies. Nun, in „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“, schaut er auf das Hier und Jetzt und konfrontiert uns mit den drängenden Fragen unserer Zeit.

Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert. C.H. Beck 2019, 14,95 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

IDENTITÄT

Cover IdentitaetIn den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der demokratischen Staaten weltweit erschreckend schnell zurückgegangen. Erleben wir gerade das Ende der liberalen Demokratie? Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, Autor des Weltbestsellers „Das Ende der Geschichte“, sucht in seinem neuen Buch nach den Gründen, warum sich immer mehr Menschen antidemokratischen Strömungen zuwenden und den Liberalismus ablehnen. Er zeigt, warum die Politik der Stunde geprägt ist von Nationalismus und Wut, welche Rolle linke und rechte Parteien bei dieser Entwicklung spielen, und was wir tun können, um unsere gesellschaftliche Identität und damit die liberale Demokratie wieder zu beleben.

Francis Fukuyama: Identität – Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet. Hoffmann und Campe 2019, 22 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

Das letzte Wort hat: Volkmar Koch

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Geschäftsführer der Heart@Work GmbH und Autor des Buchs „Holistic Company“ Volkmar Koch vertritt die Ansicht, das Liebe im Kontext der digitalen Transformation der nächste Schritt zu einer ganzheitlichen Unternehmensführung ist, mit ihr die nächste disruptive Welle kommen wird. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Volkmar Koch ist Diplom-Kaufmann und Diplom-Informatiker (FH). Er ist seit über 20 Jahren als Führungskraft und Unternehmensberater tätig. Unter anderem war er Finanz- und Personalvorstand eines mittelständischen Unternehmens, Führungskraft in einem globalen Konzern und Partner einer internationalen Unternehmensberatung, spezialisiert auf die Themen der digitalen Transformation. Er ist Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten Unternehmen Heart@Work.
https://heart-at-work.com

Herr Koch, besucht man Ihre Unternehmenswebsite, wird man direkt mit der Frage konfrontiert: „Wie gelingt die digitale Transformation?“ Ich unterstelle nun mal, die ersten Assoziationen der meisten Menschen sind dabei technologischer Art. Doch darum geht es bei Ihnen nicht, oder?
Doch, natürlich auch. Wer die aktuellen technologischen Möglichkeiten nicht verstanden hat, wird auf dem Weg der digitalen Transformation nicht weit kommen. Aber das allein reicht nicht. Mittlerweile hat die technologische Veränderung einen Umfang und eine Geschwindigkeit erreicht, dem viele Unternehmen und Menschen nicht mehr gewachsen sind – vor allem nicht mit den Vorstellungen und Management-Konzepten des 20. Jahrhunderts.

Die Digitalisierung gelingt nur dann, wenn wir sie als einen umfassenden Paradigmenwandel verstehen. Sie erfordert, dass wir ein neues Weltbild unserem Handeln zugrunde legen, das auch der Technologie entspricht, auf der Digitalisierung aufgebaut ist: nämlich ein quantenphysikalisches, voller universeller Verbindungen und Wechselbeziehungen, statt eines mechanistischen, voll von objektbezogener Getrenntheit. Und gleichzeitig eine Rückbesinnung auf das, was uns als Menschen von Maschinen unterscheidet – vor allem die Fähigkeit zu fühlen, körperlich zu erleben, empathisch, bewusst, kreativ und, wenn sie sich dem öffnen können, beseelt zu sein. Das Erlernen und Verarbeiten von Wissen sowie algorithmisches Denken können Maschinen besser als wir, und das werden sie uns bald weitgehend abgenommen haben.

Die zentrale These Ihres Buchs „Holistic Company“ ist, dass die Liebe auch und gerade im wirtschaftlichen Kontext die wesentliche Grundlage für eine produktive Überwindung von Getrenntheit darstellt. Achtsamkeit, Respekt etc. schön und gut, aber geht „Liebe“ da nicht etwas weit?
Ich bin mir vollkommen klar darüber, dass „Liebe“ im Kontext von Unternehmen ein Fremdwort ist und zunächst für viele esoterisch klingt. Das hat aber viel mit unserem mangelnden Verständnis von Liebe zu tun. Versteht man die Liebe umfassend und entsprechend ihres wahren Wesens, wie auch Pierre Teilhard de Chardin, der sie als die einzige Kraft beschreibt, die „die Dinge eins machen kann, ohne sie zu zerstören“, kommt man der Sache schon näher: Nur der Liebe gelingt das Paradox, Einheit zu schaffen, Getrenntheit zu überwinden, ohne Individualität zu nehmen. Und genau darauf kommt es meiner Ansicht nach im 21. Jahrhundert an – die hochgradig vernetzte, verbundene und globale Einheit dennoch freier Individuen und Unternehmen. Achtsamkeit ist hierfür eine wesentliche Grundlage, aber nur der umfassenden Liebe gelingt es, Respekt und Wertschätzung allen Menschen und nicht nur einer ausgewählten Gruppe von Menschen gegenüber zu erbringen.

Und es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Die Digitalisierung, die uns zunehmend im äußeren verbindet, birgt ohne eine gleichermaßen wachsende innere Verbindung – als wesentlicher Aspekt der Liebe – die große Gefahr, uns immer weiter von uns selbst und voneinander als Menschen zu entfremden. Denken Sie nur an die Gruppen von Teenagern oder Managern, die in Grüppchen stehend, jeder für sich mit ihrem Handy beschäftigt sind. Oder an die Realitätsflucht von Menschen, die zunehmend ihre Zeit in Chats, beim Internet-Shopping und in virtuellen Welten von Online-Spielen verbringen. Diese immer größere Ablenkung im Außen, befeuert durch neue digitale Medien und uns manipulierende Big Data-basierte Algorithmen, trennt uns zunehmend von uns selbst, unserem inneren und körperlichen Erleben und echten zwischenmenschlichen Beziehungen. Zu wirklicher Freiheit und Erfüllung sowie zu einem angemessenen und bewussten Umgang mit den neuen technologischen Möglichkeiten können wir durch eine Reise zu uns selbst und unser Inneres finden.

Nehmen wir mal Amazon als Beispiel, ein Konzern, der immer wieder für seinen exzellenten Kundenbezug als Best Practice herangezogen wird, Mitarbeiter andererseits aber eher zu vernachlässigen scheint: Ist Ihre Idee der Holistic Company, in der der Mensch als Kunde, Mitarbeiter, Investor und Dritter gleichgewichtig an erster Stelle des Handelns steht, mit einem solchen System wettbewerbsfähig?
Ich war schon immer der Meinung, dass andere Unternehmen viel von Amazon in Bezug auf Kundenorientierung sowie der Digitalisierung von Geschäftsmodellen lernen können. Neu hingegen ist meine ganz grundlegende Einsicht, dass Disruption ganz grundlegend immer dort ansetzen kann und wird, wo aus einseitigen Motiven gehandelt wird, wie bei einer zu einseitigen Fokussierung auf die Gewinnmaximierung. Ein solches Handeln findet offensichtlich nicht zu ganzheitlichen und nachhaltigen Lösungen – und wo etwas noch nicht „ganz“ ist, kann und wird es über kurz oder lang besser und erfolgreicher gemacht werden. Und an genau dieser Stelle besteht die Möglichkeit oder auch Gefahr der Disruption durch Andere, wenn man dies nicht selbst erkennt.

Oft wird dies von Unternehmen zu spät erkannt und erst dann offensichtlich, wenn äußere Veränderungen stattfinden – beispielsweise durch Technologiesprünge und/oder einen kollektiven Einstellungs- und Bewusstseinswandel. Genau ein solcher Wertewandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung ist derzeit gerade in den jüngeren Generationen zu verzeichnen – und dieser kann angesichts der ebenfalls zunehmenden Transparenz und sozialen Vernetzung durch die Digitalisierung auch großen etablierten Playern im Sinne der Disruption gefährlich werden. Insofern: Kurzfristig mag es für Unternehmen attraktiv scheinen, mehr Gewinn auf Kosten anderer oder auch „kostenloser“ natürlicher Ressourcen zu machen. Aber langfristig wird eine Holistic Company, die aus dem Prinzip der Ganzheit und zum Nutzen aller agiert und so Sinn und Gewinn nachhaltig miteinander verbindet, nach meiner Überzeugung erfolgreicher und wettbewerbsfähiger sein – auch wirtschaftlich.

Immer häufiger werden Entscheidungen anhand von Datenauswertungen getroffen, mit KI entscheidet Technik sogar eigenständig. Wie lässt sich diese Tendenz mit ihrer auf den Menschen konzentrierten Überzeugung vereinbaren?
Die Technik ist ein Segen. Aber nur, wenn wir die Herren der Technik sind und sie zu unserem Wohl und Nutzen einsetzen. Die Technik ermöglicht uns heute einen Wohlstand und Möglichkeiten, von denen wir noch vor 100 Jahren nicht geträumt gewagt hätten. Werden wir aber zu Sklaven der Technik, verlieren wir uns selbst, werden zu willenlosen und manipulierbaren Konsumenten, funktionieren unfrei und erfüllen die Erwartungen anderer. Der Historiker Yuval Noah Harari hat warnend darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit Zivilisationen oft dann verschwanden, wenn deren technologischer Wandel schneller war, als deren Bewusstseinswandel. In dem Maße also, wie sich unsere technologischen Möglichkeiten angesichts von neuen Technologien wie Big Data und KI erweitern, sind wir als Menschen aufgefordert, uns weiter zu entwickeln und mit diesen immer bewusster und verantwortungsvoller umzugehen.

Betrachtet man die momentanen gesellschaftlichen Entwicklungen, stellt sich die Frage: Ist die Menschheit für einen solch menschlichen und nachhaltigen Ansatz überhaupt bereit?
Ja – ich glaube schon. Wenn man unter anderem auf das gerade stattfindende Wiederaufleben von Nationalismen schaut, könnte man meinen, dass dies nicht so ist. Andererseits beobachte ich in den letzten wenigen Jahren auch eine unglaubliche Zunahme von Menschen, die sich mit Themen der Nachhaltigkeit sowie der Achtsamkeit und Bewusstseinsentwicklung privat und auch im beruflichen Kontext auseinandersetzen. Viele, auch DAX Unternehmen in Deutschland, haben das Thema der „Mindfulness“ auf die ein oder andere Weise für sich entdeckt – bis vor wenigen Jahren noch undenkbar. Google ist wahrscheinlich eines der fortschrittlichsten Unternehmen im Thema der Digitalisierung und gleichzeitig auch der Achtsamkeit. Ich halte diese gleichzeitige Entwicklung – wie schon soeben ausgeführt – keineswegs für eine zufällige Koinzidenz. Die Zeit ist reif für einen grundlegenden inneren Paradigmenwechsel aufgrund des unübersehbaren äußeren Paradigmenwechsels – insbesondere durch die Digitalisierung und den technologischen Wandel.

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Und verfolgt man die Berichterstattung, so kann man den Eindruck bekommen, dass die Unternehmen regelrecht Getriebene sind, auf den digitalen Zug aufzuspringen und in Technik zu investieren. Was sagen Sie Kunden, die mit einem solchen Druck zu Ihnen kommen?
Ich erlebe häufig, dass das „Digitalisieren“ zu einer Art Selbstzweck geworden ist und die Frage nach dem wirtschaftlichen und inhaltlichen „Warum?“ vor lauter Sorge, den Anschluss zu verpassen, zunehmend aus den Augen gerät. Ich glaube, dass es notwendig ist, sich als Entscheider mit dem Thema der Digitalisierung umfassend und in der Tiefe auseinanderzusetzen, aber ohne aktionistisch zu handeln und blind sogenannte „Best Practices“ von anderen Unternehmen zu übernehmen. Ich empfehle daher Kunden, sich dem Thema der Digitalisierung zunächst aus möglichst vielen Perspektiven zu nähern, um es umfassend und in seiner vollen Tragweite für sich zu verstehen und erst dann grundlegende und gezielte Veränderung vorzunehmen – auch in Bezug auf die eigenen Einstellungen und Überzeugungen.

Und auf was kommt es in dieser sich rasant verändernden und komplexen Welt auf Seiten der Berater an?
In den disruptiven Zeiten der Digitalisierung und angesichts einer komplex-dynamischen Umwelt sind weder aufwändige Analysen der Vergangenheit, noch eine umfangreiche Vorausplanung der Zukunft wirklich hilfreich – die Veränderungen sind einfach zu schnell. Die Stärkung von Resilienz sowie der Handlungs- und Veränderungsfähigkeit von Kunden im Hier & Jetzt sind daher zunehmend wichtiger, als die Ausarbeitung detailreicher Konzept- und Strategiepapiere. Hierfür sind gerade im Hinblick auf Präsenz, Zuhören, Kreativität, Intuition, Empathie, Bewusstheit und sich wirklich auf Kunden als Menschen einzulassen, umfassendere Kompetenzen von Beratern gefragt, als noch in der Vergangenheit – ohne natürlich, dass die Fähigkeit zur Strukturierung von Problemlösungsprozessen und zur Analyse obsolet würden. Eine wesentliche Grundlage hierfür ist – Achtung! – die Fähigkeit zur (Selbst-)Liebe, die meiner Ansicht nach auch eine entscheidende Eigenschaft dafür ist, eine wirklich authentische und erfolgreiche Führungskraft in einer „Holistic Company“ zu sein.

SLK-Kliniken Heilbronn GmbH

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karriereführer ingenieure 1.2019 – Nur noch kurz die Welt retten

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Nur noch kurz die Welt retten

Unter dem Begriff Integrated Industry entstehen neue Anlagen, in denen interdisziplinäres Know-how sowie digitale Themen wie Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) ganz neue Möglichkeiten schaffen. Das fängt an bei Pilotprojekten, bei denen Ingenieure mit Biologen kooperieren – und führt zu Ideen, das Ökosystem der Erde anhand einer technischen Plattform zu managen.

Nur noch kurz die Welt retten

Unter dem Begriff Integrated Industry entstehen neue Anlagen, in denen interdisziplinäres Know-how sowie digitale Themen wie Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) ganz neue Möglichkeiten schaffen. Das fängt an bei Pilotprojekten, bei denen Ingenieure mit Biologen kooperieren – und führt zu Ideen, das Ökosystem der Erde anhand einer technischen Plattform zu managen. von André Boße

In Aachen befinden sich drei Institute der Fraunhofer- Gesellschaft: das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME. Die drei Fachbereiche behandeln viele eigene Themen, doch die Möglichkeiten der Industrie 4.0 legen den Instituten nahe, dass es sinnvoll ist, gemeinsam an neuen Lösungen zu arbeiten. Und genau das passiert: „Vernetzte, adaptive Produktion“ ist der Name eines Leistungszentrums, in dem die Forscher und Ingenieure Produktionsanlagen und -systeme entwickeln, in denen sich das Know-how aller drei Institute widerspiegelt.

Klimawandel stoppen, Erde retten

Klimaschutz ist in aller Munde. Kaum ein Tag vergeht, an dem in den Medien nicht über drohende Szenarien berichtet wird. Viele Politiker geben sich allerdings unbeeindruckt: Deutschland gibt sich als Vorbild in Sachen Klimaschutz, unterläuft aber die eigenen Beschlüsse. Der US-Präsident Donald Trump steigt aus dem Klima abkommen aus. Zahlreiche Länder der Dritten Welt wiederholen die Fehler der Industriestaaten: Sie opfern Wälder und Naturräume einem unbedachten Fortschrittsglauben. Joachim Käppner, Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung, ist jedoch überzeugt: Noch ist es nicht zu spät zur Rettung der Natur und unserer Lebensgrundlagen – wenn wir alle sofort umdenken und unser Handeln verändern. Sein Buch will den Weg dahin zeigen.

Joachim Käppner: Die letzte Chance für unsere Erde. Verlag Süddeutsche Zeitung 2018. 9,90 Euro Jetzt kaufen bei Amazon

Die Forscher – darunter auch Ingenieure – entwickeln hier Lösungsansätze, damit der Wandel zur Industrie 4.0 tatsächlich gelingen kann. Zusammen mit Forschern der RWTH Aachen und Partnern aus der Industrie arbeitet das Fraunhofer- Leistungszentrum an neuen Produktionssystemen und Wertschöpfungsketten. Ob die Theorie auch wirklich funktioniert, wird anhand von konkreten Fertigungen validiert. Das Aachener Projekt läuft seit Ende 2016 und startete mit einem stattlichen Budget in Höhe von 6,4 Millionen Euro.

Aufgabe des Leistungszentrums sei es, in einem Zeitraum von drei Jahren eine offene Forschungsplattform und Testumgebung für die Industrie zu entwerfen, in der neue Konzepte einer digitalisierten Produktion erforscht und praxisnah erprobt werden können, heißt es in der Broschüre zum Projekt. Leistungsstarke Partner aus dem Umfeld von IT-Systemanbietern, Anlagenherstellern und produzierenden Unternehmen hätten bereits ihre Mitarbeit für die weitere Zusammenarbeit zugesagt – was zeigt, dass dieses Leistungszentrum die Grenzen zwischen Ingenieurwesen und IT einreißt. Und genau dieses offene Denken ist gefragt: Je weiter die Realisierung der Ideen und Methoden der Industrie 4.0 voranschreitet, desto enger verzahnen sich die beiden Bereiche. Wobei wichtig ist, dass die Kollaborationen auf Augenhöhe passieren: Weder müssen Ingenieure plötzlich komplett wie IT-Spezialisten ticken, noch dürfen sie verlangen, dass die Digitalexperten ein Grundlagenstudium für Maschinen- und Anlagenbau abschließen.

Da alle Daten aus der Produktion von den Sensoren aufgezeichnet und individuell für jedes Produkt gespeichert werden, entsteht von jedem Produkt ein ‚digitaler Zwilling‘.

Der Gewinn entsteht gerade dadurch, dass beide Gruppen ihre Expertise und ihre Denkweisen einbringen. Was jedoch nötig ist, ist eine Offenheit für den jeweils anderen Bereich und seine Themen und Möglichkeiten. So dürfen die Ingenieure KI- und Cloud-Methoden nicht ablehnen, nur weil sie auf den ersten Blick keine Anwendungsmöglichkeiten erkennen. Auf der anderen Seite stehen sie vor der Aufgabe, den IT-Leuten klarzumachen, dass digitale Lösungen in der Industrie eben nicht nur in virtuellen Räumen benötigt werden, sondern mit tatsächlichen Maschinen zu tun haben, die tatsächliche Dinge tun. (Mehr zu diesem Thema im Top-Interview mit Prof. Dr. Martin Ruskowski)

Digitalisierung in der Produktion

Zurück nach Aachen ins multidisziplinäre Leistungszentrum: Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten finden dort in mehreren „Pilotlinien“ statt: In einer geht es um die Fertigung von Bauteilen für Turbinen für die Luftfahrt und die Energiegewinnung, eine andere setzt auf Pflanzen zur Gewinnung von Medikamenten, und weitere befassen sich mit der Produktion von Batteriemodulen für Elektroautos und mit dem Werkzeugbau. „Allen gemeinsam ist, dass wir damit die Digitalisierung und Vernetzung in die reale Fertigungsumgebung bringen“, sagt Professor Dr. Thomas Bergs, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT und Lehrstuhlinhaber am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. „Wir statten die Anlagen mit zahlreichen Sensoren aus, die permanent Messdaten aus den Maschinen an eine zentrale Datenbank senden – und zwar kabellos, zum Beispiel über den kommenden Mobilfunkstandard 5G.“

Geoengineering: Eingriff in die Natur

Je weniger Erfolg die Menschen haben, den Klimawandel abzumildern, desto intensiver wird über die Möglichkeit technischer Eingriffe diskutiert, die das Klima beeinflussen. Die Experten vom Max-Planck-Institut für Meteorologie unterscheiden zwei Methoden: „Carbon dioxide removal techniques“ (CDR) soll CO2 aus der Atmosphäre entfernen; solares Strahlungsmanagement (SRM) reflektiert solare Strahlung zurück in den Weltraum, womit der Erwärmung durch die Treibhausgase entgegengewirkt werden soll. Experten warnen, dass diese Eingriffe weitreichende und nicht absehbare andere Folgen haben können, weshalb erste Experimente nur am Computer vorgenommen werden. Quelle: www.mpimet.mpg.de/mitarbeiter/ulrike-niemeier/geoengineering/

Bei der Herstellung der Turbinenbauteile für Flugzeugantriebe komme es zum Beispiel auf Präzision und Sicherheit an. In der Produktion werden die Schaufeln heute vielfach mit Werkzeugmaschinen aus einem massiven Titanblock gefräst. Dabei können Schwingungen entstehen, die bei der Bearbeitung zu Ungenauigkeiten führen. In der Pilotanlage, heißt es in einer Mitteilung des Fraunhofer IPT, wurden deshalb Senso ren installiert, um die Schwingungen von Hundertstel Millimetern innerhalb weniger Millisekunden präzise aufzunehmen.

Bei der Pilotanlage, in der unter kontrollierten Bedingungen Pflanzen gesät, aufgezogen und biochemisch verändert werden, sodass sie Medikamente produzieren, überwachen andere Sensoren wiederum das Pflanzenwachstum. Ziel dabei sei es, Qualitäten und Größen der Pflanzen durch Bildanalysealgorithmen und Big-Data-Verfahren bewerten zu können, um optimale Bedingungen für die Produktion der Wirkstoffe in den Pflanzen zu schaffen. Die enormen Datenmengen, die in den verschiedenen Produktionsprozessen entstehen, sollen, zum Teil über das 5G-Netz, in eine gesicherte Cloud mit dem Namen „Virtual Fort Knox“ fließen. „Erst die drahtlose Datenübertragung mit 5G in die Cloud schafft die Voraussetzungen, um durch schnelle Anpassung der Maschine solche Schwingungen zu verhindern, noch bevor sie auftreten“, so Bergs. Und noch eine Besonderheit bietet das Leistungszentrum: Da alle Daten aus der Produktion von den Sensoren aufgezeichnet und individuell für jedes Produkt gespeichert werden, entsteht von jedem Produkt ein „digitaler Zwilling“ – also eine virtuelle Version des echten Produkts, die jedoch die gesamte Produktionshistorie enthält. „Mithilfe des digitalen Zwillings einer Produktionsstufe können wir die Zeit quasi zurückdrehen und genau feststellen, wann und an welcher Stelle ein Fehler passiert ist“, sagt Mario Pothen, Projektleiter beim Fraunhofer IPT. Treten also Schäden auf, könne man im Prozess „zurückblättern“ und den Daten entnehmen, wo der Fehler entstanden ist, um den Prozess zu optimieren.

Integrated Industry

Das Leistungszentrum „Vernetzte, adaptive Produktion“ zeigt zweierlei: Erstens kommen jetzt als Piloten Anlagen in die Praxis, die das Versprechen der Industrie 4.0 einhalten, weil sie die industrielle Produktion tatsächlich intelligenter machen. Zweitens entstehen diese Entwicklungen in Teams und mit thematischen Zusammenhängen, die alle üblichen Rahmen sprengen. Die „Integraded Industry“ wird Wirklichkeit, weil sich Techniken vernetzen, synchronisieren und in der Produktion eingesetzt werden. Beim Frä sen riesiger Turbinen zum Beispiel kommt es auf minimale Schwingungen an. Die eingesetzten Sensoren ähneln denen, die auch das Wachstum von Pflanzen überwachen. Auch Cloud, Datenübertragungswege und Analysetools ähneln sich: Durch die angewandte Industrie 4.0 rücken die Ingenieure verschiedener Fachbereiche enger zusammen und arbeiten daher mit Experten aus ganz anderen Bereichen zusammen – insbesondere mit IT-Spezialisten. Das Beispiel des „digitalen Zwillings“ ist ein perfektes Sinnbild für diese Synergien: Dieses virtuelle Produkt ist kein Selbstzweck – sinnvoll ist es nur dann, wenn es dabei hilft, das tatsächliche Produkt zu optimieren. Reale und digitale Anlagen werden also in Bezug gesetzt. Wobei diese Bezüge im besten Fall von einer Instanz mitorganisiert wird, die im Kern dieser Entwicklungen steht: der künstlichen Intelligenz.

Während die autonom handelnde künstliche Intelligenz kritisch hinterfragt wird, bietet die ‚Augmented Intelligence‘ Ingenieuren eine Reihe von Chancen.

Von automatisiert bis autonom

Das Spektrum möglicher Einsätze der künstlichen Intelligenz zeigt aktuell vier Möglichkeiten, die die Unternehmensberatung PwC in der Studie „Fourth Industrial Revolution for the Earth“ wie folgt zusammengefasst hat: Die „Automated Intelligence“ übernimmt sich wiederholende Tätigkeiten, die dennoch eine Form von Intelligenz benötigen. Dazu zählt zum Beispiel ein Roboter, der lernt, in einer Fabrik die Abfälle zu sortieren. „Assisted Intelligence“ ist ein System, das riesige Datenmengen nach Auffälligkeiten durchforstet – und zwar viel schneller, als ein Mensch es je könnte. Systeme mit „Augmented Ingelligence“ gehen einen Schritt weiter, weil sie in der Lage sind, nach einer Datenvorgabe von Menschen in einer „augmented“ (auf Deutsch: „erweiterten“) Realität Szenarien von morgen zu entwerfen, und uns dabei helfen, einen Eindruck von der ungewissen Zukunft zu erhalten. „Autonomous Intelligence“ schließlich ist ein System, das ohne menschliches Dazutun Entscheidungen trifft und vollzieht.

Mission Weltenrettung

Während diese autonom handelnde KI kritisch hinterfragt wird, bietet die „Augmented Intelligence“ Ingenieuren eine Reihe von Chancen. Der „digitale Zwilling“ eines technischen Gegenstands aus der Produktion ist eine davon, jedoch denken einige Ingenieure schon viel weiter. Bräuchte man nicht eigentlich einen „digitalen Zwilling“ unserer Erde? Im genannten PwC-Report entwerfen die Autoren die Vision einer virtuellen Version unserer Welt, mit der sich in Echtzeit alle Ökosysteme beobachten, modellieren und managen lassen. Auf dieser Plattform würde eine riesige Menge Daten verarbeitet werden, man müsste sie transparent gestalten und in der Anwendung einfach halten. Und: Ihr zugrunde liegen müsste eine Kollaboration von Unternehmen, IT-Experten, Ingenieuren, Regierungen und Organisationen. Kurz: Das Ziel ist eine „Integrated Weltenrettung“.

Industrie 4.0: Unternehmen erhöhen Investitionen

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young von Anfang 2019 verstärken deutsche Unternehmen ihre Anstrengungen zur Vernetzung der Produktion und Digitalisierung ihres Geschäftsmodells deutlich: So wollen acht von zehn Unternehmen im kommenden Jahr mehr in Industrie 4.0 investieren. Dazu zählen beispielsweise Investitionen in die Vernetzung von Maschinen, in digitale Abbilder oder ins Cloud Computing. Die größten Hindernisse bei der Einführung : 62 Prozent der Unternehmen können die nötigen Investitionen nicht stemmen, 54 Prozent haben zu wenig qualifiziertes Personal.

Ingenieure hätten hier die Aufgabe, zusammen mit KI-Spezialisten Probleme zu erkennen und Lösungen zu entwickeln. „Wenn wir künstliche Intelligenz richtig einbinden, können wir damit eine Revolution in puncto Nachhaltigkeit erreichen. Künstliche Intelligenz wird der Motor der Vierten Industriellen Revolution sein“, sagt Hendrik Fink, Partner und Leiter Sustainability Services bei PwC. Dabei sei es wichtig, dass die Risiken dieser KI-gestützten Kooperationen bedacht werden. Dazu zählen laut des Reports nicht nur wirtschaftliche Risi ken, sondern insbesondere auch Sicherheits- und Kontrollrisiken, beispielsweise die Frage, wie sich die Systeme vor unerlaubten Zugriffen schützen lassen. Auch ethische und soziale Fragestellungen seien mit der KI verbunden. Fink: „Alle Stakeholder sollten eng zusammenarbeiten, um für Sicherheit und Transparenz zu sorgen. Nur wenn sie Vertrauen in der Gesellschaft schaffen, kann KI gewinnbringend zur Rettung unseres Planeten eingesetzt werden“, so Fink.

Vom Artenschutz bis zur sicheren Infrastruktur

Der Report des Beratungsunternehmens zeigt sechs Handlungsfelder, deren Unterpunkte belegen, wie groß die Rolle der Ingenieure sein wird, wenn es um nicht weniger geht als darum, die Zukunft des Menschen auf dieser Erde zu sichern. An erster Stelle steht der Klimawandel, der abgemildert werden muss – von Bedeutung sind hier Bereiche wie Erneuerbare Energien, neue Mobilitätslösungen, nachhaltige Produktionsmethoden sowie smarte Städte und Häuser. Beim zweiten Thema „Biologische Vielfalt und Artenschutz“ sind Ingenieure gefragt, um Verschmutzungen zu kontrollieren und eine „Grüne Ökonomie“ zu etablieren. „Gesunde Meere“ lenkt den Blick auf die Ozeane, wo die Bekämpfung und Verhütung von Verschmutzung, insbesondere durch Plastik, eine große Rolle spielt. Beim Thema „Gewässerschutz“ geht um neue Techniken, um die wachsende Weltbevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Gefragt sind hier auch Vorsorgestrategien mit Blick auf Dürren, die uns bevorstehen werden. Das Thema „Luftreinhaltung“ nennt neue Filter- und Frühwarnsysteme sowie die Entwicklung sauberer Kraftstoffe als Kernaufgaben. Beim sechsten Thema „Unwetter- und Katastrophenvorsorge“ geht es unter anderem darum, eine widerstandsfähige Infrastruktur gegen Stürme und Fluten zu entwickeln.

Von kleinsten Sensoren für die Analyse von Schwingungen bis zur Konstruktion großer Dämme – die Herausforderungen, auf die Ingenieure in den kommenden Jahren treffen werden, sind an Vielfalt kaum zu überbieten. Dementsprechend offen müssen Einsteiger sein. Sie müssen sich bewusst werden, dass das Feinjustieren von kleinen Schrauben große Auswirkungen haben kann. Und dass sie bei diesen Prozessen von KI-Systemen begleitet werden, die mal automatisiert helfen, mal neue Szenarien entwerfen – aber auch im Zusammenspiel mit Informatikern so programmiert werden, dass sie Aufgaben autonom übernehmen, ohne dass dadurch ein Risiko des Kontrollverlusts entsteht.

Cover-Kollege-ITBuchtipp: „Kollege KI“

Der Einsatz von KI-Methoden in der Produktion macht sich bezahlt, wenn er glückt. Die Autoren Stefan Gröner und Stephanie Heinecke befürchten jedoch, dass viele Unternehmen noch immer in einer Art „Schockstarre“ stecken, weil sie nicht wissen, was wirklich auf sie zukommt, sollte die künstliche Intelligenz Einzug erhalten. Ihr Buch „Kollege KI: Künstliche Intelligenz verstehen und sinnvoll im Unternehmen einsetzen“ ist als Einführung gedacht, um Chancen aufzuzeigen und Risiken zu erklären. Es eignet sich auch für Einsteiger in den Ingenieurberuf, die wissen wollen, welche KI-Szenarien in den Unternehmen möglich sind. Stefan Gröner und Stephanie Heinecke: Kollege KI. Künstliche Intelligenz verstehen und sinnvoll im Unternehmen einsetzen. Redline Verlag 2019. 19,99 Euro Jetzt kaufen bei Amazon

Der KI-Ingenieur Prof. Dr. Martin Ruskowski im Interview

Ist die künstliche Intelligenz (KI) ein mysteriöses System, das dem Ingenieur die Kontrolle nimmt? Oder ein Helferlein wie bei Daniel Düsentrieb, das dem Menschen Fleißarbeit abnimmt? Professor Dr. Martin Ruskowski, Maschinenbauprofessor an der TU Kaiserslautern und Bereichsleiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, hat eine klare Meinung: Ohne den Menschen ist die KI nichts. Daher tragen die Ingenieure auch weiterhin die Verantwortung – und stehen vor der Aufgabe, zusammen mit IT-Experten Maschinen zu entwickeln, die menschenähnliche Strategien anwenden. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Professor Dr. Martin Ruskowski studierte Elektrotechnik an der Leibniz-Universität Hannover und promovierte dort im Maschinenbau. In seiner Doktorarbeit befasste er sich mit der Dynamik von Werkzeugmaschinen und dem Einsatz von aktiven Magnetführungen zur Unterdrückung von Schwingungen. Nach mehreren Führungspositionen in der Industrie war er ab 2015 als Vice President beim Technikkonzern Kuka tätig und verantwortete in der Kuka Industries Group den globalen Bereich Research & Development. 2017 trat er am Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Steuerungen (WSKL) der TU Kaiserslautern die Professur im Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik an. Er leitet zudem den Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Herr Prof. Ruskowski, die einen sagen, die künstliche Intelligenz werde uns Arbeitsplätze wegnehmen, die anderen halten dagegen und sagen: Sie bringt neue Jobs. Wieder andere glauben, die KI sei in der Lage, das, was wir unter Arbeit verstehen, komplett auf den Kopf stellen. Welches Lager hat recht?
Keines. Denn die KI alleine tut erst einmal gar nichts. Weder nimmt sie Arbeitsplätze weg, noch schafft sie welche. Und sie verändert die Arbeit auch nicht. Was dagegen richtig ist: Menschen nutzen die Möglichkeiten der KI, um Arbeitsplätze zu verändern. Was mich an der öffentlichen Diskussion stört, ist, dass so getan wird, als geschehe das alles außerhalb unserer Reichweite, als existiere mit der KI eine fremde Macht, die unser Leben umkrempeln wird. Diese Idee stimmt so wenig wie das Bild einer Armee von Robotern, die uns die Jobs wegnimmt.

Science-Fiction.
Genau. Die Realität ist doch: Wir Menschen bauen Roboter in Produktionsanlagen ein, um relevante Probleme zu lösen. Was auch heißt: Wir sind am Hebel, wir sind verantwortlich für das, was wir tun.

Wie definieren Sie KI?
Als ein Teilgebiet der Informatik, in dem Maschinen Probleme lösen, indem sie menschenähnliche Strategien anwenden. Anders gesagt: Wenn Sie das Gefühl haben, die Kiste habe mitgedacht.

Wobei wir der Kiste die Intelligenz erst beibringen müssen.
Genau, das ist der entscheidende Punkt. Es geht also um zwei Fragen: wie man die Intelligenz programmiert und wie man sie dann einsetzt. Wobei auch klar sein muss, dass es nicht die eine künstliche Intelligenz gibt, KI ist ein riesengroßer Blumenstrauß an Methoden der Informatik.

Wir sind am Hebel, wir sind verantwortlich für das, was wir tun.

Jetzt treffen in der Industrie diese Methoden der Informatik auf den Anlagen- und Maschinenbau. Sind beide Seiten bereit dafür?
Historisch betrachtet nicht, aber sie bereiten sich langsam darauf vor. Das Problem ist, dass der Anlagenbau – auch der mit Software bestückte – in der Denke vieler Unternehmen immer noch eine Elektrokonstruktion ist. Das bedeutet, die Maschinen werden von gelernten Elektrikern oder Elektroingenieuren so programmiert, als handle es sich um elektrische Anlagen, nicht um digitale. Kurz: Gedacht wird traditionell in Schaltern und Kabeln. Selbst moderne Industrieroboter werden in den Unternehmen häufig sehr simpel programmiert, mit uralten Makrosprachen, teilweise aus den 70er-Jahren. Die Informatik hingegen kennt alle diese wunderbaren neuen Methoden, ist es aber nicht gewohnt, dass auf die Programmierungen mechanische Bewegungen in Echtzeit folgen. Wenn sich ein von Softwareprozessen gesteuerter Roboter bewegt, dann bewegt er sich nicht in einer Simulation, sondern eben in der Realität. Und wenn ihm dann etwas in die Quere kommt, dann benötigen wir eine Programmierung, die sofort das Richtige einleitet, um den Crash zu verhindern. Legt der Computer dann erst einmal eine Gedenkminute ein, ist es zu spät.

Ein Mensch würde vielleicht gedankenschnell reagieren.
Genau, aus der Erfahrung der Millionen Jahre Evolution. Vielleicht wäre er auch zu langsam, aber er wüsste zumindest, was zu tun ist, weil er die Intelligenz dafür mitbringt. Die Aufgabe des Zusammenspiels aus Informatikern und Ingenieuren ist es also, die Maschinen dazu zu bringen, dass auch sie möglichst gedankenschnell handeln. Das ist aber eine schwierige Aufgabe, denn keine KI kommt von alleine auf die Idee, dass etwas Unvorhergesehenes passieren könnte. Denn die Maschine weiß ja gar nicht, dass es etwas Unvorhergesehenes geben kann. Sie kennt nur ihren eigenen Bildungsraum – über das, was sich jenseits ihrer Box abspielt, ist sie nicht informiert. Ihr alle Eventualitäten beizubringen, ist eine intensive Angelegenheit.

Weder nimmt sie Arbeitsplätze weg, noch schafft sie welche. Und sie verändert die Arbeit auch nicht.

Wäre es nicht einfacher, der Mensch hilft der Maschine – und die beiden bilden ein Team?
Ja, im Idealfall delegieren wir Fleißarbeiten an die Maschine, die diese erstens besser ausführt und uns damit zweitens die Zeit gibt, uns um andere Dinge zu kümmern. Um hochwertige und kreative Arbeiten, bei denen wir unsere menschliche Intelligenz ins Spiel bringen können.

Wie das Helferlein bei Daniel Düsentrieb.
Ganz genau, ein sehr gutes Symbol dafür, wie KI uns helfen kann, wobei uns bewusst bleiben muss: Wir sind es, die die Kontrolle haben. Den Gedanken, dass wir die Kontrolle abgeben könnten, sollten wir gar nicht erst verfolgen. Wobei der Mensch dazu neigt, ganz gerne Verantwortung abzugeben, zum Beispiel an ein technisches System, um sich dann dahinter zu verstecken. Damit kommen wir aber nicht durch, weil wir es sind, die diese Maschinen programmiert haben und ihnen durch Lernverfahren Dinge beigebracht haben. Kurz gesagt: Die Verantwortung bleibt bei uns. Wir Ingenieure müssen aufpassen, dass es nicht zu dem Punkt kommt, an dem wir einem System eine Entscheidung überlassen, die wir selbst nicht mehr verantworten können. Oder verantworten wollen. Sagt mir ein Kollege, er könne nicht mehr abschätzen, wie die KI eine Maschine steuert, dann sage ich ihm: Dieses System ist für die Praxis nicht mehr geeignet. Da muss es eine klare Grenze geben.

Wie kann es denn gelingen, dass Experten aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften und Informatik ein besseres Verständnis füreinander erhalten?
Miteinander reden – und dabei feststellen, dass die jeweils andere Seite unterschiedlich auf ein Problem schaut. Diese Begegnungen sind wichtig, weil wir dringend die Synergien benötigen, die entstehen, wenn man beide Disziplinen zusammenbringt. In vielen Prozessen erfolgt das viel zu spät, dann werden im Anlagenbau noch Dinge mechanisch konstruiert, die man viel einfacher mit Hilfe von Software lösen könnte. Durch die Synergien entsteht das, was wir Smart System Engineering nennen: Man setzt sich frühzeitig zusammen und analysiert gemeinsam das Problem.

Zum Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) wurde 1988 gegründet und hat Standorte in Kaiserslautern, Saarbrücken und Bremen, ein Projektbüro in Berlin und Außenstellen in Osnabrück und St. Wendel. Es ist auf dem Gebiet innovativer Softwaretechnologien auf Basis von Methoden der Künstlichen Intelligenz die führende wirtschaftsnahe Forschungseinrichtung Deutschlands. Seine Projekte behandeln das gesamte Spektrum von der anwendungsorientierten Grundlagenforschung bis zur markt- und kundenorientierten Entwicklung von Produktfunktionen. Aktuell forschen rund 560 Mitarbeiter aus etwa 60 Nationen an innovativen Software-Lösungen. Das DFKI dient als Karrieresprungbrett für junge Wissenschaftler in Führungspositionen in der Industrie oder in die Selbstständigkeit durch Ausgründung von Unternehmen.