Auf dem Weg zur Mensch-Maschine-Intelligenz

Mittendrin in der digitalen Ära: Die Masse an Daten überfordert die Unternehmen, die Menschen verlangen hinsichtlich der künstlichen Intelligenz Ethik und Moral. Und es werden Fragen aufgeworfen: Was stellen wir mit künstlicher Intelligenz an? Und wie arbeiten wir mit ihr zusammen? Ein Blick auf die digitale Welt von heute, die sich jetzt dem stellen muss, was morgen kommt. Von André Boße

Dark Data – das klingt nach Informationen aus einer gefährlichen Schattenwelt, nach Unheil und Verbrechen. Doch haben diese dunklen Daten nichts mit dem Darknet zu tun: Als Dark Data bezeichnet man Daten, die Unternehmen helfen könnten, ihr Geschäft zu optimieren. Doch entweder wissen die Unternehmen nichts von deren Existenz, oder sie sind schlicht nicht in der Lage, diese Daten zu bergen, zu sichten, zu verarbeiten. Daher bleiben diese relevanten Informationen im Düsteren verborgen: Dark Data – eine verpasste Chance.

Dark Data: ungenutztes Potenzial

Der Daten-Dienstleister Splunk, ansässig im Silicon Valley bei San Francisco, hat Ende April die Ergebnisse einer Studie zum Thema Dark Data veröffentlicht. Die Autoren der Studie befragten dafür weltweit 1300 Verantwortliche in Unternehmen und kommen zu dem Schluss, dass den Führungskräften sehr wohl bewusst ist, dass die Nutzung aller vorhandenen Daten wertschöpfend ist. „Allerdings handelt es sich bei mehr als der Hälfte (55 Prozent) der gesamten Daten eines Unternehmens um Dark Data, von deren Existenz die Unternehmen entweder gar nichts wissen oder bei denen sie sich im Unklaren darüber sind, wie sie sie finden, aufbereiten, analysieren oder nutzen können.“

Die Unternehmen wissen, wie wichtig Daten sind. Sie wissen aber auch, dass sie längst nicht alle für ihre Organisation wichtigen Daten nutzen können.

76 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sich im Wettbewerb „das Unternehmen mit der höchsten Datennutzung durchsetzen wird“. Sprich: Daten entscheiden über den geschäftlichen Erfolg. Andererseits gaben 60 Prozent der Befragten an, dass mehr als die Hälfte der Unternehmensdaten Dark Data sind, laut einem Drittel der Befragten sind sogar mehr als 75 Prozent der Unternehmensdaten Dark Data. Das Ergebnis ist bemerkenswert, weil es zeigt: Die Unternehmen wissen, wie wichtig Daten sind. Sie wissen aber auch, dass sie längst nicht alle für ihre Organisation wichtigen Daten nutzen können. Warum diese Schere? Auch hier gibt die Studie Auskunft: Nach den Gründen gefragt, weshalb so viele Daten im Dunkeln bleiben, nannten die meisten Befragten die schiere Masse der Daten, gefolgt von den Aspekten, dass in den Unternehmen das Know-how und die Ressourcen fehlen, um die Daten zu verarbeiten.

Daten-Experten helfen Unternehmen

Tim Tully ist Chief Digital Officer (CTO) bei Splunk und bringt Verständnis für diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis auf: „Es ist schwer, mit Daten zu arbeiten, weil das Volumen mit alarmierender Geschwindigkeit anwächst und das Strukturieren und Organisieren sich daher schwierig gestaltet. Daher fühlen sich Unternehmen in dieser chaotischen Landschaft leicht hilflos.“ Aus dem Ergebnis der Studie ergebe sich seiner Meinung nach eine große Chance für Data-Talente: „Motivierte Führungskräfte und Fachleute können die Ergebnisse ihres Arbeitgebers durch die Aneignung neuer Kompetenzen auf ein neues Niveau heben“, sagt Tully.

Keine Führungskraft älteren Semesters darf erwarten, dass junge Menschen das nötige Data-Know-how von sich aus mitbringen, nur weil sie einer anderen Generation angehören.

Interessant ist dabei eine weitere Zahl aus der Studie: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie sie sich für zu alt halte, um selbst neue Datenkompetenz zu erwerben. Gefragt ist folglich also die junge Generation: Von ihr erhoffen sich die Unternehmen, dass sie genügend Kompetenz mitbringt, um die Daten vom Dunkeln ins Helle zu bringen – um sie also nutzbar zu machen, damit die Unternehmen im Wettbewerb bestehen. Da dieses Know-how im Bereich Daten hochspeziell ist, sollten junge Talente darauf pochen, sich das Wissen mit Hilfe von Fort- und Weiterbildungen, aber auch durch die Teilnahme an Workshops oder Konferenzen anzueignen: Keine Führungskraft älteren Semesters darf erwarten, dass junge Menschen das nötige Data-Know-how von sich aus mitbringen, nur weil sie einer anderen Generation angehören.

Yogeshwar für „reflektierten Fortschritt“

Doch das Geschäft mit Daten besitzt nicht nur eine ökonomische Dimension: Wer an Big Data und die Nutzung der Informationen denkt, darf die Verantwortung nicht außen vorlassen. Je mehr offensichtlich wird, wie viele Geschäftsmodelle sich aus Mengen an Daten ableiten lassen, desto lauter werden Stimmen, die fordern, auch aus ethischer Sicht über diese Neugestaltung der Geschäftswelt nachzudenken. Eine dieser kriti-schen Stimmen ist Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, von Hause aus ohne Zweifel ein Verfechter des Fortschritts und glühender Bewunderer von neuen Techniken, die helfen können, das Leben auf der Erde zu verbessern und die Welt mit Blick auf den Klimawandel vor weiteren Schäden zu schützen.

Trendstudie: Vier Thesen, wie KI die Welt verändert

Die Trendstudie des Zukunftsinstituts zur künstlichen Intelligenz nennt vier Thesen für einen von der KI angetriebenen Wandel. Erstens habe Europa die Chance, sich durch eine vernünftige KI-Ethik global von der Konkurrenz in den USA und China nachhaltig abzusetzen. Zweitens stehe KI für eine neue Business-Intelligenz, die verborgene Muster sichtbar macht und eine hyperpersonalisierte Kundenansprache ermöglicht. Drittens werde das Teamplay aus Mensch und Maschine die Unternehmenskulturen prägen und neu definieren. Viertens biete KI das Potenzial, eine bessere Gesellschaft zu gestalten, wobei die Unternehmen und ihre Mitarbeiter die Chance haben, selbst als nachhaltige Player aufzutreten.

www.zukunftsinstitut.de

Bei einer Gastvorlesung im Rahmen der SWR Mediendozentur an der Uni Tübingen Mitte Mai 2019 warnte er aber auch davor, eine ungebremste Weiterentwicklung der Themen Big Data und Künstliche Intelligenz sei in der Lage, die solidarische „Wir-Gesellschaft“ in Frage zu stellen: Schon heute, dozierte Yogeshwar, sei es erkennbar, dass Smartphones regelmäßig Daten über ihre Nutzer sammeln. Keiner wisse, wofür sie das genau tun. Aber natürlich habe man eine Ahnung. Was aber, wenn Internetkonzerne wie Google oder Amazon als „Großdatenbesitzer“ nun auf die Idee kommen, in das Geschäft mit dem Verkauf von Krankenversicherungspolicen einzusteigen? Daten über den Lebenswandel ihrer Kunden und Nutzer besitzen sie schließlich genug – mit der Folge, dass sie für die Fitten günstige Tarife anbieten könnten. Aber was wird dann aus den Hilfebedürftigen und chronisch Kranken, die vom solidarischen Prinzip gestützt werden?

Für Yogeshwar gefährden solche Szenarien die Demokratie, und immer dann, wenn eine solche Gefährdung erkennbar sei, müsse der Staat einschreiten und Regeln setzen. Einen „reflektierten Fortschritt“ nennt der Wissenschaftsjournalist sein Konzept: Neue Technik ja – aber nie blauäugig und ohne Blick auf mögliche Gefahren für die Gesellschaft.

Kommt der „Homo digitalis“?

Was die Gefahr betrifft, steht besonders ein digitales Thema im Fokus: die Künstliche Intelligenz. Die Zahl der Romane, die sich mit von einer KI verursachten Horrorszenarien beschäftigen, steigt und steigt, der Sachbuchmarkt zieht nach, häufig sind die Cover schwarz und die Botschaften beunruhigend. Toby Walsh, KI-Forscher an der Uni Sydney, hat sogar das Jahr errechnet, in dem es soweit sein werde, dass die künstliche Intelligenz uns Menschen ebenbürtig sein wird: 2062 werde es soweit sein, prognostiziert er. Dann beginne das Zeitalter, in dem wir als „verstehende Menschen“ (Homo sapiens) Schritt für Schritt den Raum freigeben, wie es vor uns schon die Neandertaler getan haben. „Unseren Platz wird der Homo digitalis einnehmen – die Weiterentwicklung der Familie Homo zu einer digitalen Form“, schreibt Walsh in seinem Buch. „Was wir tun und wie wir es tun, wird zunehmend und in einigen Fällen ausschließlich digital werden. Das menschliche Denken wird durch digitales Denken ersetzt werden. Und die menschliche Aktivität in der realen Welt wird durch digitale Aktivität in künstlichen und virtuellen Welten ersetzt werden. Das ist unsere künstlich intelligente Zukunft.“

Angebracht ist es, weder in einer Utopie noch einer Dystopie zu denken, sondern hier und jetzt den Wandel zu gestalten. Denn das ist und bleibt ein Fakt: Wir Menschen sind es, die diese Prozesse steuern.

Wie aber sieht die Gegenwart aus? Antworten gibt eine neue Trendstudie des Zukunftsinstituts, die sich unter dem Titel „Künstliche Intelligenz“ damit beschäftigt, wie sich diese Zukunftstechnologie schon heute produktiv nutzen lässt. Basis der Überlegungen der Autoren ist dabei die Annahme, die Künstliche Intelligenz sei derzeit der stärkste Treiber des Wandels: „Kognitive Maschinen schaffen eine neue Realität, in der wir zunehmend von Technologie beobachtet werden und mit ihr interagieren.“ Wobei die Ausmaße dieser Veränderung sowohl übersteigerte Erwartungen als auch Ängste nährten – was dazu führe, dass der Blick nicht klar auf die Themen gerichtet sei, die heute eigentlich auf der Agenda stehen müssten. Damit warnen die Autoren vom Zukunftsinstitut davor, sich heute zu sehr mit dem zu beschäftigen, was am Endpunkt der Transformation stehen könnte. Angebracht ist es, weder in einer Utopie noch einer Dystopie zu denken, sondern hier und jetzt den Wandel zu gestalten. Denn das ist und bleibt ein Fakt: Wir Menschen sind es, die diese Prozesse steuern.

Keine Buzzwords mehr, sondern schauen: Was geht?

Wie Unternehmen genau dies gelingt, erklärt die Trendstudie anhand einer kritisch-konstruktiven Perspektive, die dem von Ranga Yogeshwar geforderten „reflektierten Fortschritt“ ähnelt: Der Schlüssel liege in einem neuen, aufgeklärten Bewusstsein sowie einer zukunftsmutigen Haltung für die praktische Anwendung. „Entscheidend ist eine doppelte Optik: auf der einen Seite ein weiter, ganzheitlich-systemischer Blick auf das Big Picture des digitalen Wandels, dem KI einen völlig neuen Schub verleiht. Auf der anderen Seite eine mikroskopische Nahsicht auf die konkreten Potenziale, praktischen Anwendungsmöglichkeiten und unternehmenskulturellen Konsequenzen, die der Einsatz von KI mit sich bringt.“ Erst so entstehe in Unternehmen ein realistisches Verständnis dafür, was KI tatsächlich ist und kann – und welche KI-basierten Geschäftsmodelle tatsächlich sinnvoll sind. Kurz gesagt: KI muss endlich konkret werden. Denn: „Auf Unternehmensebene bedeutet ein konstruktiver Einsatz von KI vor allem: Abschied vom ‚Buzzword Talk’ und Hinwendung zu der Frage, was KI in organisationalen Kontexten konkret leisten kann – von automatisierten Prozessen und erhöhter Effizienz bis zu verbesserten Prognosen und hyperpersonalisierten Produkten und Services.“ Unternehmen müssten sich nur zwei Fragen stellen: Welche Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz gibt es? Und was macht bei uns wo Sinn? Denn zwar sei KI kein Werkzeug im herkömmlichen Sinn, aber doch weiterhin ein „Tool“, also ein Mittel zum Zweck – und damit die mögliche Lösung für ein konkretes Problem.

Mensch-Maschine-Umwelt entsteht

Verliert ein Unternehmen zu viel Zeit bei bestimmten Prozessen, die automatisierbar sind? Hier kann die KI die Lösung sein. Liegt ein neues Geschäftsfeld auf der Hand, weil die Nachfrage zu erkennen ist – fehlt es aber noch an einer Idee, das nötige Wissen dafür zu generieren? Auch hier kann die KI helfen. Hat sich ein Unternehmen für das „Tool“ KI entscheiden, muss es sich direkt einer Folgefrage stellen: Wie sollen die Mitarbeiter mit der intelligenten Maschine zusammenarbeiten? „In den Fokus rückt dabei das Thema Human Computation“, heißt es in der Trendstudie des Zukunftsinstituts. Es stelle sich die Frage, wie ein kooperatives Miteinander von Mensch und Maschine aussieht. „KI wird die menschliche Intelligenz nicht ersetzen. Aber sie kann sie komplementär und kreativ erweitern, etwa im Rahmen nichtautonomer Systeme, in denen Maschinen unterstützen, aber der Mensch final entscheidet.“ Diese Neugestaltung von Arbeit hin zu diesen „Mensch-plus-Maschine- Umwelten“ ermögliche und erfordere auch ein „Upgrade der menschlichen Intelligenz und Empathie“, wie die Studienautoren schreiben.

Die Zukunft der Arbeit? Das bin ich!

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bietet auf ihrer Homepage eine Micro-Site, die sich mit der Zukunft der Arbeit im Zeitalter der digitalen Transformation beschäftigt. Grafiken geben einen Einblick in Branchen und Berufsfelder, die besonders von der Automatisierung betroffen sind. Unter dem Motto „I am the Future of Work“ erzählen junge Talente aus Europa, was sie sich vom Wandel erhoffen und was sie befürchten. Zudem stehen auf der Micro-Site Studien zur Verfügung, in denen die Zukunft der Arbeit in der digitalen Ära beleuchtet wird. www.oecd.org/berlin/themen/zukunft-der-arbeit

Wenn man so will, gibt es neben der emotionalen Intelligenz – die schon heute ein bedeutsamer Soft Skill ist – die Notwendigkeit einer Mensch-Maschine-Intelligenz: Die Mitarbeiter müssen in der Lage sei, Verständnis für die Intelligenz der neuen KI-Kollegen zu erlangen sowie zu jeder Zeit erkennen können: Was kann diese Intelligenz leisten – und was nicht? Und wie kann die Maschine mir zuarbeiten, damit ich auf Basis ihrer intelligenten Arbeit noch kreativer sein kann, weil bislang blockierende Arbeitsschritte wegfallen?

Mehr denn je: Aufs Verstehen kommt es an

Toby Walsh sieht die Ära des „Homo digitalis“ kommen, aber vielleicht ist es gar nicht so sinnvoll, das Digitale so direkt an den Menschen anzudocken. Vielleicht ist es klüger, gerade jetzt Homo sapiens zu bleiben, also ein „verstehender Mensch“, der sich reflektiert und mit ethischem Background die Chancen nutzt, die eine künstliche Intelligenz uns bietet. Dazu gehört es für Unternehmen auch, Grenzen anzuerkennen für das, was erlaubt ist und was nicht. KI und Big Data sind für die Wirtschaft kein Freifahrtschein, um sich in Zukunft alles zu erlauben, nur weil es möglich ist. Gesucht werden daher auch in den Unternehmen Talente, die Chancen und Risiken erkennen. Die verstehen, dass die digitale Transformation ab jetzt nicht mehr ohne Ethik auskommt. Und die erkennen, dass alle digitalen Tools auch weiterhin einen Aus-Schalter besitzen.

Buchtipp

Ian McEwan, „Maschinen wie ich“ Wer genug von den Sachbüchern zum Thema Künstliche Intelligenz hat und auch der Thriller-Apokalypse von Frank Schätzings KI-Buch „Die Tyrannei des Schmetterlings“ wenig abgewinnen kann, sollte Ian McEwan eine Chance geben: Der britische Erfolgsautor hat mit „Maschinen wie ich“ einen Roman geschrieben, der zeigt, wie sich unsere Welt der Beziehungen verändern wird, wenn eine dritte Instanz in unser Leben kommt. Die heißt in diesem Buch Adam, ist ein Android – und bringt das frischverliebte Pärchen Miranda und Charlie in ethisch-moralische Konfliktsituationen, die auf uns zukommen werden. Ian McEwan: „Maschinen wie ich“. Diogenes 2019, 25 Euro (Amazon-Werbelink)

Dr. Nico Rose im Interview

Der „Sinnput-Geber“ Dr. Nico Rose gilt in Deutschland als führender Experte für Positive Psychologie in Organisationen. Seine These: Wenn es Unternehmen nicht gut geht, kommt häufig die psychologische Komponente zu kurz: Führung gelingt nicht, es herrschen Misstrauen und Angst. Das ist besonders dann ein Problem, wenn Organisationen vor der Herausforderung stehen, sich neu zu gestalten. Im Interview erzählt Nico Rose, wie die digitale Transformation mit Hilfe Positiver Psychologie gewinnen kann – und warum dabei der Sinn eine große Rolle spielt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Nico Rose ist Diplom-Psychologe und promovierte an der EBS Business School in BWL. Zusätzlich hat er ein Master-Studium in angewandter Positiver Psychologie an der University of Pennsylvania abgeschlossen, wo er bei Martin Seligman lernte, Mitbegründer der Positiven Psychologie. Von 2011 bis 2018 arbeitete er im Stab des Personalvorstands der Bertelsmann-Gruppe, zuletzt als Vice President für das Employer Branding. Er spricht weltweit auf Firmenevents und Kongressen, für Unternehmen ist er im Bereich Team- und Organisationsentwicklung als Coach tätig. Seit April 2019 ist er Hochschullehrer für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management (ISM) in Dortmund. Er lebt mit seiner Familie in Hamm und ist leidenschaftlicher Fan von Heavy Metal-Musik.

Herr Dr. Rose, der Begriff der Transformation ist in aller Munde. Wie unterscheidet er sich eigentlich von Begriffen wie Reform oder Wandel?
Transformation klingt vermutlich ein bisschen cooler als die anderen Begriffe. Reform wird als Begriff vor allem im Politikbetrieb verwendet, da haben viele Menschen negative Assoziationen. Und Wandel? Klingt ein wenig altbacken. Grundsätzlich werden aber wohl ähnliche Phänomene beschrieben. Transformation impliziert vielleicht etwas mehr Konstanz – sprich: Wandel nicht im Sinne eines abgegrenzten Prozesses, sondern als kontinuierliche Aufgabe.

Mit Blick auf die digitale Transformation wird behauptet, diese Transformation sei unumgänglich, wer sie nicht mitmache, verliere den Anschluss. Das klingt alles sehr negativ, wäre es nicht besser, eine positive Sprache für diese Veränderungen zu finden?
Wir wissen aus der Forschung, dass Menschen sich gerne auf attraktive Ziele hinzubewegen. Die sogenannte digitale Transformation ist aber kein Ziel, sondern ein Prozess, ein Mittel zum Zweck. Wenn Unternehmenslenker merken, dass die Menschen bei der Transformation nicht mitziehen, dann liegt das meist daran, dass sie ständig über die „Reise“ sprechen, den Menschen aber nicht genug erläutern, was denn an der „Destination“ so attraktiv sein soll. Im Übrigen weiß man heute sehr gut, dass Schreckensszenarien nur bedingt als Motivation taugen. In den 70er und -80er-Jahren wurde noch die Ansicht vertreten, dass man als Change Manager eine „Burning Platform“ kreieren müsse, angelehnt an eine brennende Ölplattform, bei der die Menschen keine andere Wahl haben als zu springen – oder eben zu verbrennen. Heute weiß man es, zumindest in der Forschung, besser. Metaphorisch gesprochen: Die meisten Menschen verbrennen lieber, wenn sie keine wirklich attraktive Alternative wahrnehmen.

Die sogenannte digitale Transformation ist aber kein Ziel, sondern ein Prozess, ein Mittel zum Zweck.

Was genau bewirkt die digitale Transformation eigentlich in den Unternehmen?
Wenn ich auf diese Frage eine allgemeingültige und einfache Antwort hätte, wäre ich reich. Das muss jede Organisation für sich selbst herausfinden. Die meisten Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass viele Prozesse im Marketing heute nicht mehr analog, sondern digital verlaufen. Am Ende des Tages kann die Digitalisierung jedoch Einfluss auf jeden Unternehmensprozess haben, vom Sourcing über Produktion und Logistik bis hin zu Marketing, Vertrieb und CRM. Genauso kann Digitalisierung die administrativen Prozesse eines Unternehmens betreffen, also zum Beispiel HR und Controlling. Es ist klar, dass bei knappen Ressourcen nicht alle Prozesse gleich schnell und gleich gut transformiert werden können. Aber darin liegt für mich gerade die Kunst guter Unternehmensführung: Prioritäten setzen, um die wichtigsten Dinge zuerst und mit voller Energie zu gestalten.

Ganz konkret, wer leitet die digitale Transformation in den Unternehmen im Idealfall an?
Auch hier gibt es keine allgemeingültige Antwort. In meiner Welt ist es die Aufgabe der Geschäftsleitung, den Mitarbeitern zu vermitteln, was der Sinn der Transformation ist. Platt gesagt: Warum sollte es die Kunden und die Welt an sich überhaupt kümmern, ob unser Unternehmen in zehn oder zwanzig Jahren noch existiert? „Damit unsere Aktionäre Geld verdienen!“ ist zwar eine relevante Antwort – aber auch eine, die den meisten Menschen unterhalb der Geschäftsführung herzlich egal sein dürfte. Darüber hinaus glaube ich aus persönlicher Erfahrung eher an dezentrale Entscheidungsprozesse. Das spricht tendenziell gegen den berühmt-berüchtigten Chief Digital Officer. Wandel funktioniert meines Erachtens am besten, wenn es gemeinsame übergreifende Ziele gibt – und gleichzeitig lokal entschieden wird, wie der beste Weg aussieht, um diese Ziele zu erreichen.

Für mich liegt gerade die Kunst guter Unternehmensführung darin: Prioritäten setzen, um die wichtigsten Dinge zuerst und mit voller Energie zu gestalten.

Sie sind ein Experte für Positive Psychologie in Organisationen. Was versteht man darunter?
Um zu verstehen, womit sich die Positive Psychologie als wissenschaftliche Disziplin beschäftigt, hilft das Akronym PERMA: Hinter dem P verbirgt sich die Frage nach der Entstehung und dem Nutzen von positiven Emotionen wie Freude, Dankbarkeit oder Zufriedenheit. Das E steht für Engagement, also die Frage, unter welchen Umständen Menschen motiviert und leistungsbereit sind, auch über den Effekt extrinsischer Belohnung hinaus. Das R steht für Relationships, es geht also um den Aspekt, unter welchen Bedingungen Beziehungen gelingen, sei es im privaten oder im beruflichen Kontext. Das M steht für Meaning, hier werden die Bedingungen von Sinnerleben erforscht, im Leben allgemein, aber wiederum auch zum Beispiel im Bereich der Arbeit. Das A schließlich steht für Achievement, also die Frage, was Menschen dabei hilft, ihre Ziele zu erreichen – es geht aber beispielweise auch um die Frage, was überhaupt gute, stimmige Ziele sind.

Wie hilft Positive Psychologie bei Transformationen?
Sie liefert ganz verschiedene Ansätze und Denkweisen, mit denen man Transformationsprozesse flüssiger und menschlicher gestalten kann. Das P daran erinnern, dass Angst kein guter „Treibstoff“ ist – zumindest, wenn es darum geht, Neuland zu explorieren. Unter dem E könnte man die Selbstbestimmungstheorie der Motivation zu Rate ziehen. Dann würde klar, dass von oben verordneter Wandel so gut wie immer zum Scheitern verurteilt ist. Menschen möchten sich als Autor ihrer eigenen Geschichte wahrnehmen, das geht nur über Partizipation. Für den Buchstaben R könnte man sich zum Beispiel den Aspekt der relationalen Energie anschauen, hier geht es um die Frage, wie Motivation durch menschlichen Kontakt gestärkt oder auch vermindert werden kann. Im Zeichen des M könnte man darauf blicken, welche Handlungen und Haltungen von Führungskräften dafür sorgen, dass Mitarbeiter ihre Arbeit – inklusive der Transformation – als sinnvoll empfinden. Kleiner Tipp: Digitales Wasser predigen und Wein trinken, hilft nicht weiter, kommt aber in der Praxis allzu oft vor. Unter dem A schließlich könnte man berücksichtigen, wie man Menschen dazu verhilft, gute Entscheidungen zu treffen und Transformationsprozessen positiv zu begegnen.

Wie werden denn die Unternehmen am Ende der digitalen Transformation aussehen?
Am Ende der digitalen Transformation stehen wir mit großer Wahrscheinlichkeit vor einer anderen neuen Art der Transformation, die uns heute noch nicht bewusst ist. Aber ich bin Optimist. Wenn es uns als Gesellschaft gelingt, die Stärken von Robotern und künstlicher Intelligenz klug einzusetzen, dann können wir damit viele Personen von „unmenschlicher“ Arbeit befreien – also Aufgaben, die eigentlich zu gefährlich, zu gleichförmig oder zu unterkomplex sind, als dass sie sinnvoll von Menschen ausgefüllt werden sollten. Wenn Einsen und Nullen uns solche Jobs abnehmen, dann bleiben für die Menschen jene Aufgaben, die wahre Kreativität erfordern und nicht bloß Imitation; echtes Verstehen benötigen und nicht bloß das Erkennen von Mustern; authentisches Mitgefühl verlangen, nicht bloß Beziehungsmanagement. In so einer Welt möchte ich gerne arbeiten.

„Arbeit besser machen“

In seinem neuen Buch erläutert Nico Rose Theorie und Anwendung der Positiven Psychologie in Organisationen. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter und Kollegen unterstützen können, die Arbeit im Unternehmen positiv zu erleben und zu bewerten. Rose beschreibt dabei nicht nur den Rahmen der Positiven Psychologie, sondern bietet auch zahlreiche Werkzeuge und berichtet von seinen eigenen Erfahrungen als Führungskraft in einem großen Unternehmen. Nico Rose: Arbeit besser machen. 2019, Haufe Verlag, 39,95 Euro.(Amazon-Werbelink)

Digitaler Bau

Der Bau boomt. Und er verändert sich. Treiber für diese Veränderungen sind vor allem digitale Technologien. Von Christoph Berger

Das Bauwesen ist an sich schon eine Meisterin der Transformation. Die Bauindustrie baut, gestaltet und verändert damit Städte und Landschaften – ja, unsere gesamte Umgebung wird von ihr beeinflusst und ist einem ständigen Wandel unterworfen. Doch nun transformiert sich die Baubranche selbst. Es ist klar, dass sich Branchen weiterentwickeln, doch durch die Digitalisierung hat der Transformationsprozess nochmals einen ganz neuen Schub erhalten. Wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen auch, halten auch im Bauwesen digitale Technologien Einzug, die einerseits Prozesse verändern und zu Effizienzsteigerungen führen, andererseits aber auch Auswirkungen auf die Unternehmenskulturen und das Miteinander haben.

Wirft man beispielsweise einen Blick in das Programm des diesjährigen Tags der Bauindustrie, wird schnell klar, wohin die Reise für das Bauwesen geht: Mit „[R]Evolution Bau 2030“ ist die Veranstaltung betitelt. Auf der Agenda stehen beispielsweise die Talk-Runden „Bauen 2030 – Prozesse und Kultur“ und „Digitalisierung im Bau – Maschine und Mensch“. Auch der Präsentation von Start-ups wird Raum geboten.

UniversalTypes – Bauprodukte und -materialien per Mausklick

buildingSMART International (bSI) und ProMaterial starten eine Initiative zur Weiterentwicklung der neuen Sprache „UniversalTypes“. UniversalTypes unterstützen den Verkauf von Bauprodukten und -materialien in Echtzeit und erleichtern so Online-Vertriebsprozesse zwischen Herstellern, Händlern und Käufern. http://bsdd.buildingsmart.org

Einer der Hauptreiber der Digitalisierung ist dabei die Methode Building Information Modeling, kurz BIM. Dabei geht es um die Erstellung eines digitalen Zwillings des jeweiligen Bauwerks in gleich mehreren Dimensionen. Neben dem 3-D-Modell können in der digitalisierten Version auch der Faktoren Zeit, Kosten sowie Lebenszyklusaspekte erfasst werden. Somit werden sämtliche Prozesse eines Bauvorhabens über Planung, Bau und Betrieb virtuell abgebildet, was bei den immer komplexer werdenden Bauvorhaben zu Transparenz, Zeit- und Kostensicherheit führt.

Angetrieben und unterstützt wird die Entwicklung vom Bund, Ende 2015 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“ veröffentlicht, wonach bis Ende 2020 alle neu zu planenden Projekte im Zuständigkeitsbereich des BMVI nach einem konkret definierten Leistungsniveau mit der BIM-Methode geplant und gebaut werden sollen. Unternehmen, die sich um solche Aufträge bewerben, können also überhaupt nicht anders, als BIM anzuwenden. Wobei sich BIM, wie inzwischen erkannt, nicht nur für Großprojekte eignet. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass sich die Erstellung eines digitalen Zwillings auch für kleinere Projekte eignet.

BIM ist aber längst nicht die einzige digitale Entwicklung, die in der Baubranche von sich reden macht. So erhielt beispielsweise die Technische Universität München für ein zusammen mit Partnern entwickeltes Fahrerleitsystem 4.0 den bauma Innovationspreis 2019 in der Kategorie Forschung/Wissenschaft. Mit diesem System werden Baumaschinenführer mit Holografien bei ihren Baustellentätigkeiten unterstützt. Virtuelle 3-D-Modelle und Daten aus verschiedenen Quellen überlagern dabei reale Objekte und die Umgebung. Die Bediener der Baumaschinen erhalten alle relevanten Informationen in ihrem Sichtfeld. Das ermöglicht mehr Übersicht und erleichtert Umsetzungen von Veränderungen im Bauprozess. Überhaupt kommt der Baustellenorganisation im Digitalisierungszeitalter eine ganz entscheidende Rolle zu.

BIM-Einsatz bei der HafenCity

In Hamburgs HafenCity entsteht mit der Entwicklung des südlichen Überseequartiers ein Bauprojekt mit gigantischen Ausmaßen. Für die reibungslose Umsetzung sind die Unibail-Rodamco-Westfield und Arcadis verantwortlich. Bei solch einem komplexen Bauvorhaben ist klar: BIM kommt zum Einsatz.
www.arcadis.com/de/germany

Ein weiteres Beispiel: Das Bauunternehmen Wolff und Müller gab im März 2019 bekannt, eine digitale Lösung zu nutzen, um die gesamte Prozesskette des Transportbetons zu überwachen und zu dokumentieren. Die Lösung vernetzt alle Prozesse beginnend mit der Disposition und Herstellung des Transportbetons über den Transport zur Baustelle und die Übergabe bis zum Einbau in das Bauteil. So können alle Arbeitsschritte am Computer oder mobil per Tablet geplant, gesteuert und dokumentiert werden. Sämtliche Daten würden zentral verwaltet, alle Beteiligten seien auf dem gleichen Stand, was zu einer optimalen Betonqualität führe – entsprechend den jeweiligen Normen und Besonderheiten des Bauwerks, wie es vonseiten des Stuttgarter Unternehmens heißt.

Bauwerksplanung und Bau, da bleibt schließlich noch der Betrieb. Hier zeigt das Lünendonk-Whitepaper „Digitalisierung: Fokus künstliche Intelligenz im Facility Management“ einige konkrete Anwendungen auf. Im Kern geht es darum, mithilfe der Sensorik Daten aus Gebäuden zu ziehen – etwa über die Präsenz von Menschen in Räumen, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Kohlendioxid, diese Daten miteinander zu vernetzen und eine künstliche Intelligenz daraus Erkenntnisse ziehen und Entscheidungen treffen zu lassen. Mithilfe der Sensoren sei außerdem eine vorausschauende Wartung der Gebäudetechnik möglich, schreiben die Studienautoren. Trotz des zunehmenden und konkreten Einsatzes digitaler Technologien in der Bau- und Immobilienbranche, befinden sich viele Projekte noch in der Test- und Pilotphase.

Und dass längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, zeigt ein Blick auf den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ausgerufenen Wettbewerb „Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme“. Um eine Förderung haben sich dabei auch drei Konsortien aus der Bauwirtschaft beworben: „KI meets BIM – Künstliche Intelligenz im Bauwesen“, „Planning Cloud“ sowie „SDaC – Smart Design and Construction“. Bei erstgenanntem geht es zum Beispiel um die Fragestellung, wie künstliche Intelligenz helfen kann, Bauwerke schneller und günstiger fertigzustellen. Erforscht werden soll dabei unter anderem, wie Muster, Regeln und Optimierungen aus vorhandenen Projekten in der Entwurfsphase verwendet werden können, um Architekturentwürfe automatisch zu erstellen. Oder in der Ablaufplanung: Wie kann künstliche Intelligenz helfen, eine möglichst effiziente und somit kurze und günstige Bauausführung auf der Baustelle zu planen? Ebenso werden mögliche KI-Einsatzszenarien für die Steuerung der Abläufe auf der Baustelle und die Nutzungsphase von fertigen Gebäuden untersucht. In anderen Projekten wird der Einsatz von Robotern auf Baustellen oder 3-D-Drucktechnologien untersucht. Es tut sich also sehr viel, in sämtlichen Sparten: Der Bau wird digital.

BIM bei DEGES

Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) präsentiert auf ihrer Website ihre BIM-Pilotprojekte:
https://bit.ly/2XCh7KY

Der Einsatz von Baurobotern

In Kooperation mit Fastbrick Robotics Limited arbeitet die Wienerberger Gruppe an einer innovativen Lösung zur Zukunft des Bauens. Fastbrick Robotics Limited hat sich auf die Entwicklung von Baurobotern für Ziegelmauerwerk spezialisiert.„Dazu entwickeln und erproben wir derzeit Ziegel, die speziell für den Bauroboter Hadrian X von Fastbrick optimiert sind“, sagt Jürgen Habenbacher, Sprecher der Geschäftsführung der Wienerberger Deutschland GmbH.

Der nächste Schritt

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Was kommt nach der Digitalisierung mit ihren Nullen und Einsen? Quantentechnologien gelten als neue Schlüsseltechnologie, um Herausforderungen zu bewältigen, für die die klassischen Technologien bislang nicht ausreichen. Dazu gehören unter anderem technisch abhörsichere Datenkommunikation, ultrapräzise Messgeräte und Bildgebung oder wesentlich leistungsfähigere Computer. Von Christoph Berger

Am 17. Mai 2019 formulierte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek das Ziel, dass Deutschland und Europa der vertrauenswürdigste Datenraum der Welt werden sollen. Geschehen soll dies durch den Einsatz der Quantenkommunikation. Den Grundstein für die sichere Kommunikation soll die Initiative QuNET legen – ein Gemeinschaftsprojekt der Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit der Max-Planck-Gesellschaft und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Von diesem Verbund soll ein Pilotnetz zur Quantenkommunikation in Deutschland entwickelt und aufgebaut werden.

Doch um was geht es bei der Quantenkommunikation eigentlich? Bestehende Kommunikationsnetzwerke werden durch eine Quantenschlüsselverteilung (QKD) auch langfristig sicher. Die Quantenverschlüsselung macht sich die Eigenschaft von vielen Quantenteilchen zunutze, dass sie nicht unbemerkt vermessen oder perfekt kopiert werden können. Eine Quantenquelle erzeugt Lichtpulse, die zwischen zwei Orten ausgetauscht werden. Aus den Ergebnissen einer quantenmechanischen Messung würde eine Manipulation oder ein Abhören der Lichtpulse sofort erkannt werden. Darauf aufbauend lassen sich zwei Schlüssel erzeugen, die nur dem Sender und Empfänger bekannt sind und die für eine Verschlüsselung genutzt werden können. Dieses Verfahren ist auch gegen alle zukünftigen Angriffe durch einen Quantencomputer sicher. Um größere Distanzen zu überwinden, können Quantenquellen beispielsweise verschränkte Photonenpaare von einem Satelliten mit interkontinentaler Reichweite an ihre Bestimmungsorte verteilen.

Das BMBF hat eine Informationsseite zu Quantentechnologien ins Internet gestellt:
www.bmbf.de/de/quantentechnologien-7012.html

Das Leitprojekt „QUILT“ der Fraunhofer-Gesellschaft: Quantum Methods for Advanced Imaging Solutions:
www.fraunhofer.de/de/forschung/fraunhofer-initiativen/fraunhofer-leitprojekte/quilt.html

Doch bisher sind solche Verbindungen nur über beschränkte Distanzen von bis zu 100 Kilometern und nur von einem Punkt zum anderen möglich. In Zukunft soll aber auch eine sichere Verbindung über große Distanzen realisiert werden. Um dies in der Praxis zu erproben, sind Teststrecken erforderlich. Daher werden bereits jetzt die Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen mit eingebunden, die Infrastruktur wie Glasfaserstrecken und Labors für Wissenschaft und Technologieunternehmen bereitstellen.

Diese Vorteile beziehungsweise Eigenschaften der Quantenkommunikation will sich die Initiative QuNET bei der Arbeit zum Pilotnetz zunutze machen. Immerhin sei die Absicherung von Informations- und Kommunikationssystemen gegen IT-Angriffe eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft die Fortschritte und Chancen der Digitalisierung nutzen könnten, erklärte Ministerin Karliczek. Und nicht zuletzt gehöre die Forschung in der Quantentechnologie in Deutschland zur internationalen Spitze. Es gelte daher mit weiteren Maßnahmen den Grundstein für eine Quantenindustrie und Quanten-IT in Deutschland zu legen

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ AUS UNGEWOHNTEN PERSPEKTIVEN

Prof. Dr. Ulrich Furbach, Leiter der Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz an der Universität in Koblenz, und die Geisteswissenschaftlerin Ulrike Barthelmeß gehen in ihrem jüngst erschienenen Buch „Künstliche Intelligenz aus ungewohnten Perspektiven – Ein Rundgang mit Bergson, Proust und Nabokov“ den Fragen nach: Können Maschinen nicht nur intelligent sein, sondern zudem über ein Bewusstsein oder Emotionen verfügen und Personen beeinflussen? Sie erläutern anschaulich einzelne Techniken oder Methoden der KI und bringen diese mit Ansätzen aus Philosophie, Kunst, Psychologie und Neurobiologie in Zusammenhang. Dabei spielen Themen wie logisches Schließen, Wissen und Erinnern ebenso eine Rolle wie maschinelles Lernen und künstliche neuronale Netze. Im Vordergrund steht die Frage, was Gedächtnis sowie Denken ausmacht und welche Rolle unsere Emotionen spielen, wenn wir uns als Menschen im Leben, in der Welt bewegen. Ulrike Barthelmeß, Ulrich Furbach: Künstliche Intelligenz aus ungewohnten Perspektiven. Springer 2019, 29,99 Euro (Amazon-Werbelink)

MINDSHIFT

In 20 Jahren werden 50 Prozent aller Jobs von Robotern erledigt, so eine aufrüttelnde Oxford-Studie. In Zukunft werden daher genau die Fähigkeiten gefragt sein, die in der heutigen Arbeitswelt oft zu kurz kommen: Kreativität, Intuition und Empathie. Karriereexpertin Svenja Hofert sagt: Dafür braucht es einen Mindshift – eine Neubelegung der Tasten in unserem Kopf. Ihr neues Buch stiftet zum Querdenken, Umdenken, Neudenken an. Gehirnyoga gewissermaßen. Jeder der 22 Mindshifts zielt auf einen Aspekt, der in der Zukunft des Lernens, Arbeitens und Lebens wichtig ist. Es geht um neue Blickwinkel, um Veränderung, um Erweiterung der eigenen Möglichkeiten. Svenja Hofert: Mindshift. Campus 2019, 19,95 Euro (Amazon-Werbelink)

AILA GEHT ALS ROBOTIK-BOTSCHAFTERIN NACH BERLIN

DFKI GmbH, Foto: Dennis Mronga
DFKI GmbH, Foto: Dennis Mronga

Als Bremer Botschafterin für Robotik reist AILA, der humanoide Roboter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), in diesem Sommer nach Berlin. Dort wird sie ab September 2019 für die kommenden Jahre den Besucherinnen und Besuchern des neuen Zukunftsmuseums „Futurium“ Einblicke in die faszinierende Welt der Robotik gewähren. Weitere Infos unter: https://futurium.de

DIAMANTEN AUS DEM 3-D-DRUCKER?

Das schwedische Unternehmen Sandvik Additive Manufacturing hat laut Eigenaussage das erste 3-D-gedruckte Diamantverbundmaterial entwickelt. Obwohl dieser Diamant nicht funkele, sei er perfekt für eine Vielzahl von industriellen Anwendungen. Mit dem neuen Verfahren könne dieses superharte Material nun in hochkomplexen Formen in 3-D gedruckt werden und so die Art und Weise revolutionieren, wie die Industrie das härteste natürliche Material der Welt verwendet.

AUSSTELLUNG AUF DER MS WISSENSCHAFT – DEM SCHWIMMENDEN SCIENCE CENTER

Foto: Ilja Hendel/WiD
Foto: Ilja Hendel/WiD

Künstliche Intelligenz (KI) – Was ist das eigentlich genau? Wie lernen Menschen und wie lernen Maschinen? Wo bringt KI Vorteile und welche Risiken gibt es? Mitmach-Exponate direkt aus der Forschung geben Weitere Infos unter: in der Ausstellung auf der MS Wissenschaft 2019 Einblicke in die Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenzen. Dabei laden zahlreiche unterschiedliche Exponate aus Wissenschaft und Forschung zum Entdecken, Ausprobieren und Mitmachen ein. Die MS Wissenschaft startete ihre Tour am 16. Mai 2019 in Berlin und besucht bis Anfang Oktober 27 Städte in Deutschland, anschließend reist sie weiter nach Österreich. https://ms-wissenschaft.de

DIE ORBIT-ORGANISATION

Alle reden von der Digitalisierung und wie schwer man sich hierzulande damit tut. Doch über den wahren Grund für das Zaudern beim Aufbruch ins Neuland redet man nicht: Zahllose Unternehmen bleiben einem Organisationsmodell verhaftet, das aus dem tiefsten letzten Jahrhundert stammt. Tatsächlich geht es ja gar nicht um die Digitalisierung per se, sondern um die bahnbrechend neuen Geschäftsideen, die durch sie machbar werden. Und dazu braucht es eine passende organisationale Struktur. Ein Company Redesign ist unumgänglich, um mit unserer Hochgeschwindigkeitszukunft Schritt halten zu können. Hier setzt das von Anne M. Schüller und Alex T. Steffen entwickelte Orbit-Modell an. Es propagiert den Übergang von einer aus der Zeit gefallenen pyramidalen zu einer zukunftsweisenden zirkulären Unternehmensorganisation – in neun Schritten. Anne M. Schüller und Alex T. Steffen: Die Orbit-Organisation. Gabal 2019, 34,90 Euro (Amazon-Werbelink)

EIN DIGITALER UND INTERAKTIVER GESCHICHTSATLAS

Wissenschaftler der Universität Trier haben Mitte Mai 2019 den „Digital Atlas of European Historiography“, den ersten digitalen Atlas zur Geschichte der modernen Geschichtswissenschaft von 1800 bis 2005 in Europa, präsentiert und ins Netz gestellt. Dieser Atlas stellt Besucher*innen eine einzigartige Fülle an Informationen zur Entwicklung der Geschichtswissenschaft in allen Ländern Europas bereit. Er ist ein nützliches Instrument für die schnelle Suche nach Informationen zu Personen (wer war eigentlich um 1900 an der berühmten Berliner Universität oder in Oxford?), Organisationen und Sachverhalten der europäischen Geschichtswissenschaften. Er steht jedem offen und kann insbesondere auch von Hobby-Historikern, Studierenden und Forschern weltweit genutzt werden. Er ist aber auch ein Werkzeug für weitergehende Forschungen zur Geschichte des Faches in einzelnen Ländern, an einzelnen Orten über längere Zeiträume und bietet immer die Möglichkeit, vergleichend andere europäische Länder bzw. ganz Europa in den Blick zu nehmen. Weitere Infos unter: https://daeh.uni-trier.de

DIGITALE GEFOLGSCHAFT

Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter oder Amazon sind die neuen sozialen Magneten – Clanbildner einer sich anbahnenden globalen digitalen Stammesgesellschaft. Während die herkömmlichen sozialen Bindungskräfte von Familien, Institutionen, Parteien, Verbänden und Staaten zunehmend schwinden, entstehen um digitale Plattformen wimmelnde Kollektive, die sich wie Schwärme oder Horden ausnehmen. Ihre Benutzer sind „Follower“, digitale Gefolgschaft hält die neuen Clans zusammen. Christoph Türcke, Professor em. für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, zeigt in einer brisanten Analyse, wohin die Dynamik der Digitalisierung führt. Christoph Türcke: Digitale Gefolgschaft. C.H. Beck 2019, 16,95 Euro (Amazon-Werbelink)

Digitaler Wandel und Klimaschutz

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Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Und vieles ließe sich durch den Einsatz digitaler Technologien verbessern. Doch es gibt auch noch eine andere Sicht: Der digitale Wandel kann den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima auch beschleunigen. Von Christoph Berger

Das Thema „Digitalisierung und Klimawandel“ ist äußerst komplex. „Wir müssen im Kampf gegen den Klimawandel noch stärker als bisher digitale Innovationen nutzen“, sagte beispielsweise Bitkom-Präsident Achim Berg zum Beginn der entscheidenden Verhandlungsphase des UN-Klimagipfels im polnischen Kattowitz, der von Anfang bis Mitte Dezember 2018 stattfand. Intelligente Stromnetze, die die Nutzung von regenerativen Energien wie Solar- und Windkraft fördern, eine intelligente digitale Heizungssteuerung, die dafür sorgt, in Privatwohnungen den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren oder eine intelligente digitale Verkehrssteuerung, durch die Staus vermieden werden und der CO2-Ausstoß reduziert wird, sind dabei nur einige Möglichkeiten, positiv auf die Klimaentwicklung einzuwirken. Berg fordert: „Die Digitalisierung gehört in den Mittelpunkt der Energiewende.“

Schon 2017 kam der Verband zu der Prognose, dass ITK-Lösungen zwischen 2014 und 2030 das Potenzial hätten, die CO2-Emissionen um 288 Millionen Tonnen zu verringern. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) verfasste Gutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“, das Mitte April 2019 an Vertreterinnen der Bundesregierung übergeben wurde. Doch erst einmal heißt es darin unter anderem: Nur wenn der digitale Wandel und die Transformation zur Nachhaltigkeit synchronisiert werden, kann es gelingen, Klima- und Erdsystemschutz sowie soziale Fortschritte menschlicher Entwicklung voranzubringen – ohne aktive politische Gestaltung wird der digitale Wandel den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima weiter beschleunigen.

Unsere gemeinsame digitale Zukunft Das WBGU-Gutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ gibt es kostenfrei zum Download: www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/unsere-gemeinsame-digitale-zukunft

Um dieses Negativszenario zu vermeiden, so eine WBGU-Empfehlung, sollte die Digitalisierung kurzfristig mit den im Jahr 2015 vereinbarten globalen Nachhaltigkeitszielen sowie den Zielen des Pariser Klimaabkommens in Einklang gebracht werden. So sollten die neuen Technologien unter anderem gezielt und umfassend dazu genutzt werden, Energie und (Umwelt-)Informationen zu verschaffen und zugleich Umweltzerstörung zu verhindern. Genauso wie vonseiten des Branchenverbands Bitkom werden auch hier intelligente Energienetze und die Nutzung digitaler Technologien für die Kreislaufwirtschaft als Beispiele genannt. Außerdem könnte das Fahrzeugaufkommen in Städten durch geteilte Mobilität, die den Besitz eines PKW überflüssig machen, gesenkt werden. Da sich der WBGU in seinem Gutachten mit sämtlichen Nachhaltigkeitsaspekten im Kontext der Digitalisierung beschäftigt hat, wird prinzipiell die Forderung gestellt: Alle digitalen Veränderungen sollten auf das Gemeinwohl und die Steigerung der Lebensqualität der Menschen hin ausgerichtet werden.

Wirtschaftsphilosoph Anders Indset

Wirtschaftsphilosoph Anders Indset plädiert für ein neues „Betriebssystem“ für den Kapitalismus. Die Philosophie wird bei der Implementierung eine wesentliche Rolle einnehmen. Denn es wird immer mehr darum gehen, alles zu hinterfragen. Die Fragen stellte Christoph Berger

Herr Indset, warum muss Wirtschaft neu gedacht werden?
Weil die „Old Economy“ tot ist und die „New Economy“ ebenso. Das Versprechen der 1990er-Jahre, es könne Ferraris und Yachten für alle geben, hat sich doch mittlerweile selbst entlarvt. Turbo-Kapitalismus und Hyper-Konsum führen zu einer Zerstörung unserer Lebensgrundlage. Zudem folgt auf die rapide Entwicklung der exponentiellen Technologien ein „Winner-Takes-It-All“-Szenario. Wir brauchen eine stabile Wirtschaft, um gesellschaftliche Stabilität zu bewahren. Also brauchen wir ein neues „Betriebssystem“, wir müssen neue Wege finden. Es folgt die „Q Economy“, oder eben die Quantenwirtschaft.

Wie kann es zu diesem neuen Denken kommen, sind wir nicht alle zu sehr von den Systemen geprägt, in denen wir seit Jahrzehnten leben?
Wir sind von den Systemen sehr geprägt, das ist richtig. Wir reagieren nur noch, wenn die Krise eintrifft, so war es immer. Wir können uns allerdings nicht mehr erlauben, nur noch zu reagieren, also müssen wir den Weg zu unseren Gefühlen und das Gespür und vor allem das Verständnis dessen was wir machen, auf anderen Wegen bekommen. Die junge Generation bringt eine gesunde Naivität mit und ist nicht vorbelastet, verfügt auch über ein höheres Bewusstsein über unsere bevorstehenden Herausforderungen. Die ältere Generation setzt auf die Fortschritte der Technologie und auf Innovationen. Dies ist aber nur ein Teil des benötigten Wandels. Wir brauchen auch eine neue Sichtweise auf die Dinge – und das erfordert, nachzudenken. Zeit fürs Nachdenken sowie Neugierde und echtes Interesse führen uns langsam hin zu einer Art Bewusstseinsevolution. So können auch die Führungskräfte und Politiker aus den alten Systemen ausbrechen.

Sie sagen, dass der Kapitalismus an sich kein schlechtes Modell ist, sind gleichzeitig aber auch davon überzeugt, dass wir auf ein neues Level im Kapitalismus steigen müssen. Können Sie dieses neue Level beschreiben, wie sieht Ihr weiterentwickelter Kapitalismus aus?
Wir brauchen einen Humanistischen Kapitalismus, denn wir stehen vor existenziellen Herausforderungen. Zum einen muss alles unendlich gedacht werden. Unendliche Nutz- und Wiederverwendbarkeit ist heute ein Muss. Wir brauchen eine perfekte Kreislaufwirtschaft, eine singuläre Unendlichkeit. Denn die Menschen werden sich von „Verbrauchern“ zu „Gebrauchern“ entwickeln. Wir benötigen außerdem neue Formen der Zusammenarbeit. Kooperenz – also Kollaboration und Konkurrenz (gesunde Rivalität) – ersetzt das Gewinnen und Verlieren (endliches Denken). Ferner brauchen wir komplett neue Modelle wie etwa eine Kapitalisierung auf Vital-Energie. Die Frage ist: Wie kann es uns gelingen, wirtschaftliche Modelle basierend auf Verstand, Mitgefühl und Liebe zu entwickeln? Es geht darum, einen Kapitalismus aufzubauen, der nicht nur auf die untere Stufe der „Maslowschen Bedürfnispyramide“ ausgelegt ist und Wohlstand nicht nur auf unseren Kontostand reduziert.

Wie kann die Digitalisierung auf diesem Weg dorthin unterstützen?
Alleine kann sie das nicht, denn sie hat ja keine eigene Agenda. Wir müssen uns Klarheit darüber verschaffen, was wir überhaupt unter dem Begriff „Digitalisierung“ verstehen.
Meinen wir eine Umwandlung von analogen Werten in Binäres, also 0 und 1 – was ja per se nichts bewirkt, sondern nur durch Automatisierung oder Technologie zum Leben gebracht wird – oder sprechen wir etwa von einer Umwandlung von Atomarem (Physischem) in Virtuelles? Egal wie wir es definieren, in beiden Fällen gibt es keine Grenzen. Alles ist also vorstellbar und zumindest in der Theorie möglich. Wir müssen uns fragen, welche Zukunft für uns erstrebenswert ist. Wenn wir uns darüber klar werden, kann uns Technologie dabei helfen, viele Bereiche im Leben zu vereinfachen und womöglich unser Leben besser, gerechter und mit einer besseren Verteilung der Ressourcen zu gestalten.

Und wie bewerten Sie die Rolle der Philosophie als Begleiterin auf diesem Weg?
Die philosophische Kontemplation halte ich für wesentlich. Wir müssen lehren zu lernen und lernen zu lehren. Nur wenn wir zu neuem Wissen oder plausiblen Erklärungen gelangen, wird es organisiertes Menschenleben über die nächsten Generationen hinaus noch geben. Ich bin davon überzeugt, dass es in weniger als zehn Jahren auch einen CPO (Chief Philosophy Officer) im Unternehmen geben wird. Was wir heute brauchen sind Menschen, die im Unternehmen in der Lage sind, alles zu hinterfragen. Wer Dinge aus einer anderen Perspektive beleuchtet, kann durch Kollaboration, Dialoge und Ko-Kreationen und mit philosophischer Methodik zum Fortschritt gelangen. Für mich ist die Philosophie etwas Praktisches – also etwas, das wir tun.

Bleibt der Mensch: Was ist und wird seine Aufgabe sein?
In Sachen Bewusstsein haben wir viele Theorien, jedoch keine, die uns annähernd eine Antwort darauf liefert, warum wir subjektive Erlebnisse haben. Heißt: Warum es sich nach irgendetwas anfühlt, wie es ist, etwas zu sein. Wir verstehen mehr und mehr über unseren Körper und wie unser Gehirn und Neuronen reagieren, wissen aber auch aus Neurowissenschaften und der Psychoanalyse, dass es nicht das eine „ICH“ gibt. Der Mensch ist mehr als die dualistische Sichtweise von Körper und Geist und wir sind nicht eine Algorithme der Informationsbearbeitung, welche wir irgendwann „knacken“ werden. Wir stehen vor einer Intelligenz-Explosion, doch vielleicht ist Intelligenz nicht genug? Wenn wir Intelligenz über das Bewusstsein hinaus kreieren und nicht wissen, was Bewusstsein ist, könnte das womöglich fatale Folgen haben.
Die Aufgaben für die Menschen in der Zukunft definieren wir also selbst. Wir können jetzt „zukünften“. Würden wir unbewusst eine digitale Superintelligenz gestalten, würden wir uns selbst überflüssig machen (Homo Obsoletus) oder wir würden unsere Lebensgrundlage zerstören. Wir müssen uns also fragen, welche Zukunft für uns erstrebenswert ist. Was wollen wir? Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir zunächst ein größeres Verständnis von uns selbst. Und wir brauchen dafür Querdenker aller Disziplinen.

Ihr Buch trägt den Titel „Quantenwirtschaft“. Wollen Sie damit ausdrücken, dass alles mit allem zusammenhängt und in Wellen abläuft?
Wir leben in einer Quantenrealität, auch wenn das viele in der wahrgenommenen physischen Wirklichkeit nicht so erkennen. Die Wirtschaft ist in ihrem Kern der Quantenphysik ähnlicher als die linearen Modelle, Hierarchien und Strukturen, auf denen wir alles aufbauen. Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel und eher chaotisch und merkwürdig. Die Welt besteht aus Wellen und Partikeln und kann das eine oder das andere sein. Wir leben in einer Parallelgesellschaft, einer Gleichzeitigkeitsgesellschaft – und erleben Niedergang und Blüte.

Anders Indset ist einer der weltweit führenden Wirtschaftsphilosophen und ein vertrauter Sparringspartner für internationale CEOs und politische Führungskräfte. Thinkers50, das führende Ranking der globalen Wirtschaftsdenker, das von vielen als „Oscar der Managementdenker“ angesehen wird, hat Anders auf dem „Radar 2018“ als einen von 30 Global Thinkern anerkannt, „der die Zukunft der Unternehmensführung nachhaltig gestalten wird“. www.wirtschaftsphilosoph.com

Anders Indset: Quantenwirtschaft. Econ 2019, 22 Euro (Amazon-Werbelink)

DACHSER SE

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Branche
Logistik

Produkte oder Dienstleistungen
Als einer der führenden Logistikdienstleister Europas bietet DACHSER mit Hauptsitz in Kempten, Deutschland, eine umfassende Transportlogistik, Warehousing und kundenindividuelle Services innerhalb von zwei Business Fields: DACHSER Air & Sea Logistics und DACHSER Road Logistics. Letzteres teilt sich in die beiden Business Lines DACHSER European Logistics und DACHSER Food Logistics auf. Übergreifende Kontraktlogistik-Services sowie branchenspezifische Lösungen ergänzen das Angebot. Ein flächendeckendes europäisches sowie interkontinentales Transportnetzwerk und komplett integrierte Informationssysteme sorgen weltweit für intelligente Logistiklösungen.

Standorte
376 weltweit, davon 72 in Deutschland

Anzahl der MitarbeiterInnen
31.756, davon 17.302 in Deutschland

Einsatzmöglichkeiten
Informationstechnik
Logistik/Spedition
Controlling

Einstiegsprogramme
Trainee-Programm, Direkteinstieg

Mögliche Einstiegstermine
Jederzeit

Auswahlverfahren
Interview

Angebote für Studierende
Praktika und Werkstudententätigkeiten sind möglich, Bachelorarbeiten werden betreut

Ansprechpartner/in
Verena Linder

Anschrift
Thomas-Dachser-Str. 2
87439 Kempten

Fon
0831/59160

E-Mail
karriere@dachser.com

Internet
dachser-career.com
www.dachser.de

Universitätsstudium an der TUM School of Management in Heilbronn

Die Technische Universität München (TUM) ist mit ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, der TUM School of Management, mit einem eigenen Lehr- und Forschungsstandort in Heilbronn vertreten. Schwerpunkte sind das Management des digitalen Wandels und das Management von Familienunternehmen. Eine weitere Besonderheit der Studiengänge ist die enge Verzahnung von Management und Technologie. Die englischsprachigen Studiengänge an der TUM School of Management in Heilbronn bereiten die Studierenden optimal auf von Schlüsselpositionen in technologiegetriebenen Unternehmen vor:

Bachelor in Management & Data Science
Ein Programm, das Management und digitale Technologien kombiniert, um den Herausforderungen der digitalen Transformation zu begegnen.

Master in Management
Weiterführendes Studium zum Erwerb von Managementkompetenzen für Absolventinnen und Absolventen eines ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Bachelorstudiums.

Master in Management & Digital Transformation
Weiterführendes Studium, das fundierte Managementkenntnisse mit Kompetenzen im Bereich der digitalen Technologien verbindet.

Erfahre alles, was du über die Studiengänge wissen möchtest in einer digitalen Infosession! Termine findest du auf chn.tum.de/events

Exzellenz in Lehre und Forschung

Die Technische Universität München (TUM) gilt in der Betriebswirtschaftslehre als führende Forschungsuniversität Deutschlands. Die herausragende Ausbildungsqualität der TUM School of Management zeigt sich in den drei international anerkannten Akkreditierungssiegeln AACSB, EQUIS und AMBA. Für die sogenannte Triple Crown Akkreditierung müssen Business Schools zahlreiche Kriterien erfüllen, darunter fallen die hohe Qualifikation des Lehrpersonals, Internationalität der Lehre, vitaler Austausch mit der Wirtschaft sowie dezidiertes Engagement in Ethik und Nachhaltigkeit.

Logo-TUM-CHN

Ansprechpartner
Tanya Göttinger

Anschrift
Bildungscampus 2 und 9
74076 Heilbronn

Fon
07131 26418-603

E-Mail
admission_heilbronn@mgt.tum.de

Internet

chn.tum.de
chn.tum.de/bmds
chn.tum.de/mim
chn.tum.de/mmdt

karriereführer consulting 2019.2020 – Freiheit all inclusive

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Cover karrierefuehrer consulting 2019-2020_1110

Freiheit all inclusive

Effizient im Kerngeschäft, vorne dran bei Neuerungen: Unternehmen müssen heute beides können. Der Fachbegriff dafür lautet: organisationale Ambidextrie. Damit dies gelingt, darf die Idee von Arbeit nicht mehr starr sein, müssen Experimente und Rebellion erlaubt sein. Home-Office als Recht, Selbstbestimmung und Ortsunabhängigkeit als Ziel – das ist der Weg. Die Revolution hat begonnen. Berater unterstützen die Unternehmen bei der Umsetzung, doch auch ihre Arbeit ändert sich in Zeiten von New Work.

Freiheit all inclusive

Effizient im Kerngeschäft, vorne dran bei Neuerungen: Unternehmen müssen heute beides können. Der Fachbegriff dafür lautet: organisationale Ambidextrie. Damit dies gelingt, darf die Idee von Arbeit nicht mehr starr sein, müssen Experimente und Rebellion erlaubt sein. Home-Office als Recht, Selbstbestimmung und Ortsunabhängigkeit als Ziel – das ist der Weg. Die Revolution hat begonnen. Berater unterstützen die Unternehmen bei der Umsetzung, doch auch ihre Arbeit ändert sich in Zeiten von New Work. Ein Essay von André Boße

Die Revolution hat Karriere gemacht. Kaum ein Wort wird in der Werbung häufiger benutzt, es geht hier längst nicht mehr um Politik, die Palette reicht von der Schmink-Revolution im Drogeriemarkt bis hin zur Garten-Revolution. Auch in der Berufswelt hagelt es Revolutionen. Die bekannteste ist die 4. Industrielle Revolution, kurz: Industrie 4.0. Oder auch: Digitale Revolution. Knapp auf den Punkt gebracht bezeichnet sie die Folgen der vierten Welle der digitalen Transformation für die Wirtschaft und die Unternehmen. Künstliche Intelligenz, Big Data, miteinander kommunizierende Maschinen – alle diese Entwicklungen führen dazu, dass sich in den Unternehmen Abläufe ändern.

Work Smart Initiative

In der Schweiz hat sich eine unternehmensübergreifende Initiative gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, flexible Arbeitsformen aktiv zu fördern. Zu den Aspekten von Smart Work – entwickelt von großen Unternehmen des Landes – zählen unter anderem die Förderung des Vertrauens des Unternehmens in die Mitarbeiter, die eigenverantwortliche Gestaltung der flexiblen Arbeitsorte sowie die Beachtung der unterschiedlichen Biorhythmen verschiedener Mitarbeiter.
work-smart-initiative.ch/de

Damit ändert sich die Arbeit: Es gibt Job- Grundsätze, die viele Jahre lang sehr wichtig waren, heute aber keine große Rolle mehr spielen. Ständige Präsenzpflicht im Büro? Überhaupt ein Arbeitsplatz im Büro? Es geht auch ohne. Aber wie kann das funktionieren? Wie kann es Unternehmen und jungen Mitarbeitern gelingen, sich an die Revolution anzudocken? Welche Strategie ist die richtige, um vom Umsturz zu profitieren, statt zu den Verlierern zu gehören? Welche Typen von Beratern werden gesucht, in dieser revolutionären Phase: Business-Rebellen, die mutig voranschreiten, oder vorsichtige Geister, die auch mal auf die Bremse treten, als Mahner auftreten und das eigentliche Kerngeschäft im Auge behalten? Kurz gesagt: Gefragt sind beide Typen.

Organisationale Ambidextrie: Unternehmen mit zwei starken Seiten

Die Personalberatung Hays hat in einer Studie festgestellt, dass viele Fachbereiche in Unternehmen vor einer Zerreißprobe stehen: „Sie sind auf der einen Seite gefordert, das Kerngeschäft weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite gilt es, neue Themen voranzutreiben“, heißt es in der Studie „Zwischen Effizienz und Agilität“.

Im Grunde benötigen die Unternehmen zwei starke Hände: die eine treibt Innovationen voran, die andere betreut sicher, solide und fokussiert das Kerngeschäft.

Im Grunde benötigen die Unternehmen zwei starke Hände: die eine treibt Innovationen voran, die andere betreut sicher, solide und fokussiert das Kerngeschäft. Man fühlt sich an das Idealbild eines modernen Fußballers erinnert, der es – wie Sportkommentatoren gerne sagen – „links wie rechts kann“, also keinen schwachen Fuß mehr hat, sondern zwei starke. Wechseln wir von den Füßen auf die Hände, heißt der Fachbegriff dafür Ambidextrie, übersetzt: Beidhändigkeit. In der Wirtschaft spricht man von einer „organisationalen Ambidextrie“, was bedeutet, dass Unternehmen den oben beschriebenen Spagat hinbekommen, dass sie also gleichzeitig flexibel-innovativ und fokussiert-effizient sind. „Ohne eine solche Beidhändigkeit werden Unternehmen im digitalen Zeitalter nicht dauerhaft bestehen“, schreiben die Autoren der Hays-Studie. „Stand heute gibt es nur wenige etablierte Unternehmen, die bereits erfolgreich in hybriden Strukturen arbeiten.“

Im Grunde werde damit laut Studie das Sprichwort vom „alten Wein in neuen Schläuchen“ umgedreht: „Die neuen digitalen und innovativen Themen prägen schon den Geschäftsalltag, aber die Unternehmen verharren noch in alten Organisationsstrukturen“ – wobei diese mit wachsender Bedeutung der neuen Themen immer mehr an ihre Grenzen stoßen. „Zwei Drittel der Unternehmen bevorzugen es, die neuen Themen aus der bestehenden Organisation heraus zu entwickeln – mit Mitarbeitern, die sowohl in der Linie als auch in innovativen Projekten aktiv sind“, hat die Studie anhand einer Befragung von Führungskräften herausgefunden.

Studie Home-Office

Derzeit – so das Ergebnis einer Studie des Digitalbranchenverbands Bitkom – bieten 39 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern die Freiheit, auch abseits der Büros zu arbeiten. Zum Vergleich: 2016 waren es nur 30 Prozent, 2014 sogar nur 20 Prozent. Laut der Studie gehen 46 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass der Anteil ihrer Mitarbeiter, die von Zuhause aus arbeiten, in den kommenden fünf Jahren weiter steigen wird. Unternehmen, die Home-Office ablehnen, geben dafür als häufigste Gründe an, dass Home Office nicht für alle Mitarbeiter möglich sei und niemand ungleich behandelt werden dürfe (65 Prozent) sowie, dass ohne direkten Austausch mit Kollegen die Produktivität sinke (58 Prozent).

www.bitkom.org

Kein Wunder, dass es dabei an vielen Stellen zu knirschen beginnt: 88 Prozent der Führungskräfte berichteten von Konflikten bei der Priorisierung von Linien- und Projektaufgaben, 80 Prozent der Führungskräfte beklagten Spannungen wegen unklarer Verantwortlichkeiten, mehr als drei Viertel hielten das Management der organisatorischen Schnittstellen für enorm aufwendig.

Muster brechen, Experimente wagen

Konflikte sind offensichtlich, auch der Bedarf an Beratung – und dennoch tut sich in den Unternehmen wenig. Zu wenig, warnen die Studienautoren, denn: „Der technische Wandel wird sich weiter beschleunigen und die Komplexität zunehmen. Ein Bruch mit den herkömmlichen Mustern scheint vor diesem Hintergrund unausweichlich.“ Ihr abschließender Appell lautet: „Mehr experimentieren, mit herkömmlichen Mustern brechen und neue Formen der Zusammenarbeit austesten – aber alles ohne Garantie, dass der Wandel auch gelingt.“ Dazu passt ein Zitat von Stefan Kaduk und Dirk Osmetz, die zusammen die Initiative „Musterbrecher“ gegründet haben: „Zwar funktioniert nicht alles, was ausprobiert wird. Aber alles, was funktioniert, wurde irgendwann mal ausprobiert.“

Nun kennt man Experimente aus der Naturwissenschaft, dort gehören sie zum täglichen Geschäft der Forscher. Doch was haben Experimente in Unternehmen verloren? Sind sie dort nicht viel zu riskant? Geprägt wird die deutsche Ehrfurcht vor Experimenten von einem uralten Spruch des Altkanzlers Konrad Adenauer: „Keine Experimente“, beschwor dieser Ende der 1950er-Jahre. Das ist sehr lange her, hatte zudem mit der Unternehmenskultur wenig zu tun. Dennoch: „Der Wahlslogan Adenauers scheint auch als Richtschnur für die Entwicklung von Organisationen herzuhalten“, sagen die „Musterbrecher“ Kaduk und Osmetz. Ein Projekt jage das andere, eine Initiative löse die vorhergehende ab – doch bestehe der Anspruch, dass dabei alles sauber durchgeplant sein müsse: vom Ziel über den Mitteleinsatz bis hin zu den Meilensteinen. „Jegliche Überraschungen sollen ausgeschlossen werden. Natürlich funktioniert das nicht, insbesondere das Managen der Unternehmenskultur scheitert nach der typischen Projektlogik.“ Daher seien Experimente die intelligenteren Projekte, weil sie „ergebnisoffen sind und tatsächliche Veränderung ermöglichen“.

Home-Office: kein Defizit, sondern gutes Recht

Nur: Wir könnten auch darüber nachdenken, ob Menschen nicht in der Lage sind, ihren Stärken gemäß eigene Wege zu finden und eigene Beziehungen zur Tätigkeit aufzubauen. Finden wir doch den Mut, Stellenbeschreibungen als Tool, nicht als Gradmesser für Defizite einzusetzen!

Ein Begriff, den die beiden „Musterbrecher“ dagegen äußerst kritisch betrachten, ist der der „Job Description“. Klar, schreiben Kaduk und Osmetz in ihrem „Musterbrecher“-Glossar, „jede oder jeder möchte wissen, was auf sie oder ihn zukommt.“ Personalbedarfsplanung sei bis zu einem gewissen Grad sinnvoll, weil Qualifikationen besser zugeordnet werden können. „Nur: Wir könnten auch darüber nachdenken, ob Menschen nicht in der Lage sind, ihren Stärken gemäß eigene Wege zu finden und eigene Beziehungen zur Tätigkeit aufzubauen. Finden wir doch den Mut, Stellenbeschreibungen als Tool, nicht als Gradmesser für Defizite einzusetzen!“

Ein Thema, das in dieser Hinsicht erkennbar im Wandel ist, ist die Arbeit von Zuhause, auch für Unternehmensberater. Home-Office – da schwang bis vor einigen Jahren durchaus etwas Defizitäres mit, als sei die Arbeit von Zuhause aus weniger Wert, als sei es schon ganz richtig, dass man den Arbeitgeber zunächst um Erlaubnis fragen müsse, denn: Wer ins Unternehmen komme, der leiste auch mehr. Als wäre die körperliche Anwesenheit schon eine Leistung an sich. Im Zeitalter von digitalen Arbeitsplattformen ist diese Feststellung obsolet geworden. Klar, es gibt weiterhin Meetings, die besser funktionieren, wenn alle Teilnehmenden vor Ort sind. Es gibt aber auch viele andere Tage, an denen es besser ist, zu Hause tätig zu sein.

Dass man um Arbeit im Home-Office nicht mehr betteln muss, sondern sich das Recht nehmen darf – daran arbeitet offensichtlich das Arbeitsministerium. Verschiedene Medien berichteten Anfang des Jahres von der politischen Initiative für einen Gesetzesvorstoß, nach dem ein Unternehmen, das einem Antrag nach Home-Office nicht zustimmt, sehr genau begründen müsse, warum die Heimarbeit in diesem Fall nicht möglich sei. Bisher können die Arbeitgeber dies noch ohne Begründung ablehnen. Die Revolution, von der wir oben sprachen, wird sehr konkret, wenn Björn Böhning, Staatssekretär des Arbeitsministeriums, dem „Spiegel“ sagt: „Die Digitalisierung verändert die Herrschaftsbeziehungen, und wir müssen sicherstellen, dass die Menschen von den Veränderungen profitieren.“

DNX: Festival der digitalen Nomaden

Digitale Nomaden verstehen sich als zweierlei: als Einzelkämpfer, aber auch als Teile einer Community und Bewegung. Am 8. und 9. Juni 2019 findet in Berlin das DNXFestival statt, ein Treffen der DNXies, wie sich die digitalen Nomaden hier nennen. Neben Keynotes und Workshops steht das gegenseitige Kennenlernen und Networking im Mittelpunkt.

www.dnxfestival.de

Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, fordert, New Work endlich per Gesetz zu verankern: „Der selbstbestimmten Arbeitszeitgestaltung stehen gesetzliche Hürden wie der starre Acht-Stunden- Arbeitstag und die elfstündige Mindestruhezeit entgegen“, sagt er. Wer spätabends noch mal die Dienstmails checke und am nächsten Morgen wieder am Arbeitsplatz sei, verstoße gegen die Gesetze, das Arbeitsrecht sei in diesen Punkten daher nicht mehr zeitgemäß und setze Arbeitnehmer massenhaft ins Unrecht. „Es ist höchste Zeit, diese aus der Zeit gefallenen Regeln zu ändern.“

Digitale Nomaden: Trend für Freiheitspioniere

Die Gruppe, die bei der Selbstbestimmung der Arbeit am weitesten geht, besteht aus den digitalen Nomaden, ihrer Arbeitsphilosophie liegt eine komplette Ortsunabhängigkeit zugrunde. Ihr Ansatz: Demjenigen, der mich bezahlt, kann es egal sein, von wo aus ich meine Arbeit erledige – Hauptsache, das Ergebnis stimmt. Wer im Netz nach dem Stichwort „Digitale Nomaden“ sucht, erhält als Ergebnis illusorische Bilder von schönen jungen Menschen, die mit Laptops in einer Hängematte an einem weißen Strand sitzen, viele von ihnen bezeichnen sich selbst als Berater. Dazu gibt es im Netz Dutzende Seiten mit „Learnings“, also Kurz-Anleitungen für Nomade-werden. Schnell zeigt sich: Das digitale Nomadentum ist ein Trend für gestresste Digital-Natives aus den Städten, der sich anhand von Blogs oder Podcasts gut verkaufen lässt.

Doch es gibt digitale Nomaden, die seit Jahren den Weg aufzeigen, dass sich Freiheit und Business tatsächlich verbinden lassen. Sie sind damit die Pioniere eines Trends, der sich nicht umkehren lässt und die Arbeitswelt umwälzt: New Work steht für mehr Freiheiten. Diese sind wichtig, damit die Unternehmen genügend Agilität in ihrer Organisation erreichen. Daher sollten Einsteiger – auch in Beratungsgesellschaften – nicht mehr um die Freiheit betteln müssen: In Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, sind die Freiheiten von New Work „all inclusive“.

Buchtipp

Cover Die Rettung der ArbeitWie werden wir in Zukunft arbeiten?

Künstliche Intelligenzen und Roboter übernehmen schon jetzt immer mehr Aufgaben und sorgen für Existenzängste, die in die Hände von Populisten spielen. Dabei sollten wir die Zukunft der Arbeit nicht dem Markt überlassen – sie ist eine Frage der politischen Gestaltung, die gerade jetzt couragiert beantwortet werden kann. Arbeit hält Gesellschaften zusammen, sie ist etwas fundamental Menschliches. Lisa Herzog, Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Hochschule für Politik an der Technischen Universität München, zeigt, wie sie in digitalen Zeiten gerechter und demokratischer werden kann, als sie es je war – für alle, nicht nur für wenige Privilegierte. Ihr Buch gibt neue Antworten auf eine der großen Fragen unserer Zeit und gibt wichtige Impulse für eine bessere Politik.

Lisa Herzog: Die Rettung der Arbeit. Hanser 2019, 22 EuroJetzt kaufen bei Amazon

 

 

Ebner Stolz: Dr. Jens Petersen im Interview

Als Partner beim Consultingunternehmen Ebner Stolz Management Consultants setzt Dr. Jens Petersen auf eine Beratung, die digitale Möglichkeiten nutzt, ohne das psychologisch-individuelle Element zu vernachlässigen. Denn trotz Big Data und KI bleibt für ihn die Betriebswirtschaftslehre eine Sozialwissenschaft.

Zur Person

Dr. Jens Petersen begann seine Laufbahn als Unternehmensberater 1995 bei Roland Berger in München. Von 2003 bis 2010 war er erstmals Partner und Mitglied einer Geschäftsleitung bei RölfsPartner in Düsseldorf, bevor er 2010 als Partner bei Ebner Stolz Management Consultants in Köln einstieg. Dort ist Jens Petersen in Branchen wie Gesundheit, Groß- und Einzelhandel sowie Agrar- und Ernährungsindustrie tätig, seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Restrukturierung/Sanierung, Corporate Development und Strategie. Zu seinen persönlichen Leidenschaften zählen Literatur, klassische Musik und Sport.

Herr Dr. Petersen, Ihr Beratungsunternehmen bietet seit Herbst vergangenen Jahres die Web-App „Ebner Stolz To Go“ an. Lässt sich Beratung automatisieren?
Das glaube ich nicht, nein. Bei der App geht es eher darum, Informationen, die es bereits gibt, jemandem nutzenorientiert zur Verfügung zu stellen. Aber an dieser Stelle beginnt noch nicht die eigentliche Beratung, denn diese ist immer etwas sehr Individuelles, meistens auch etwas sehr Persönliches. Und das lässt sich über ein solches Tool praktisch nicht organisieren.

Wo können denn Lösungen mit künstlicher Intelligenz helfen?
Bei Analysen. Beratung umfasst in einem frühen Schritt ja erst einmal, dass man das Problem versteht. Hier sind Analysen gefragt, und dabei spielen Techniken wie KI oder auch Data Mining eine wichtige Rolle. Aber dabei handelt es sich wirklich nur um einen kleinen Ausschnitt dessen, was Beratung auszeichnet. Um es konkret zu machen: Wenn Sie sich in einem Handelsunternehmen die Analysedaten des Käuferverhaltens anschauen, wann kauft wer wo was, dann helfen digitale Daten dabei, Öffnungszeiten, Angebote oder die personelle Besetzung zu optimieren.

Sie können aus Daten systematische Fehler, aber auch systematische Chancen erkennen.

Sprich: Das Problem wird erkannt, mögliche Lösungen ergeben sich.
Genau, hier sind digitale Tools beteiligt. Sie können aus Daten systematische Fehler, aber auch systematische Chancen erkennen. Geht es nun aber in die tatsächliche Umsetzungsphase, dann wird die Beratung individuell und persönlich. Denn die Schlüsse, die man aus der Analyse zieht, die zieht man nicht alleine und die zieht schon gar nicht eine KI, sondern das geschieht im Team, sprich: zusammen mit dem Kunden. Wobei dann Data Mining und KI weiter eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, die Wirkung der Veränderungen zu verfolgen – oder zu tracken, wie man neudeutsch sagt. Haben Sie zum Beispiel ein Unternehmen mit vielen Buchungsprozessen und haben sie Veränderungen umgesetzt, dann lässt sich mit Hilfe der digitalen Daten sehr genau sagen, welche Auswirkungen diese Schritte haben. Sprich: Ist es besser geworden – oder eben nicht?

Wie ändert sich Beratung dadurch? Handelt man freier, weil Transparenz herrscht? Oder ängstlicher, weil es möglich wird, jede nicht gelungene Umsetzung offenzulegen?
Sagen wir es so, Beratung wird chancenorientierter, weil die Daten die Fehleranalyse deutlich erleichtern. Wir erhalten dadurch viel schneller und offener Hinweise über das, was wir besser machen können – und das ist allemal besser, als lange im Dunkeln zu tappen. Nehmen Sie das Thema Pricing: Ohne digitale Analysetools war lange unklar, welche konkreten Auswirkungen höhere oder niedrigere Preise haben. Heute lässt sich das Kundenverhalten quasi in Echtzeit analysieren, die Auswirkung sehen Sie in den Superoder Elektromärkten, wo es digitale Preisschilder gibt, deren Anzeige sich ständig ändert. Für mich sind diese digitalen Anzeigen ein Symbol dafür, dass uns die Digitalisierung dabei hilft, schneller und flexibler reagieren zu können – durchaus auch unter dem Leitgedanken „Trial & Error“. Ja, Beratung ist sprechende Medizin und hat viel mit Psychologie und Kategorien wie Vertrauen zu tun. Das ist die eine Seite der Medaille. Jedoch hat gute Beratung immer auch einen Bezug zu Daten und Fakten. Und hier helfen uns die digitalen Datentools.

Ihr Werkzeugkasten ist also besser ausgerüstet denn je.
Bei bestimmten Themen ist das so, ja. Voraussetzung dafür ist natürlich immer ein Mindestmaß an Daten über Abläufe, Buchungen und Kunden.

Wird sich die Beratung auch mit Blick auf die Job-Profile aufteilen, einmal in psychologisch-individuelles Consulting sowie einmal mit Schwerpunkt technisch-analytischer Beratung?
Das wird weiterhin zusammengehen, denn Sie können eine Beratung, die motivieren soll, ja nicht unabhängig von Fakten angehen. Sagen zum Beispiel Führungskräfte in einem Unternehmen, sie sähen sich nicht in der Lage, die vom Chef-Management ausgegebenen Wachstumsziele zu erfüllen, dann schlägt das negativ auf die Stimmung im Unternehmen – wobei die Grundlage dafür die Zahlen sind, die den Führungskräften Recht geben, weil sie besagen: Die Ziele sind nicht realistisch. Die beiden Aspekte hängen also zusammen, wobei wir früher die Situation hatten, dass manche Schlussfolgerungen beinahe faktenfrei waren, weil jemand ausschließlich aus der Erfahrung heraus argumentiert hatte. Nach dem Motto: Wenn wir den Preis so und so setzen, dann wird dieses und jenes passieren…

Nun zählt die Betriebswirtschaft zu den Sozialwissenschaften, woran sich ablesen lässt, dass es eben nie nur um Zahlen geht, sondern immer auch um einen allumfassenden und gesellschaftlichen Aspekt.

… das war nämlich schon immer so.
Genau. Und dann musste man versuchen, diese Erfahrung mit Messungen zu bestätigen oder zu widerlegen, was nicht besonders effizient war. Heute ist das anders. Wobei die neuen Möglichkeiten der Datenanalyse auch nicht dazu führen dürfen, dass man glaubt, Zahlen würden einem alles sagen. Dann tritt das psychologische Moment zu sehr in den Hintergrund, und die Beratung verliert eine ihrer Stärken, nämlich das individuell-persönliche Element. Die Chance wiederum ist, dass ich sehr viel genauer arbeiten kann, dass beim Prinzip „Trial & Error“ deutlich weniger Streuverluste auftreten, weil ich sehr schnell gegensteuern kann.

Wenn Beratung heute bedeutet, die beiden Seiten der Medaillen immer im Blick zu haben – steigt dadurch der Anspruch an den Consultant?
Was wir leisten, ist eine betriebswirtschaftliche Beratung. Nun zählt die Betriebswirtschaft zu den Sozialwissenschaften, woran sich ablesen lässt, dass es eben nie nur um Zahlen geht, sondern immer auch um einen allumfassenden und gesellschaftlichen Aspekt. Hier geht es um Themen wie Motivation oder Führung – und diese psychologischen Bereiche sind eben auch ein Teil der Betriebswirtschaftslehre. Es ist ein möglicher Ansatz, ein Unternehmen über seine Jahresbilanz zu verstehen. Dieser Weg ist völlig okay. Ich muss mir nur klarmachen, dass ich damit die Chance, links und rechts von den Daten und Fakten auch andere Dinge zu erkennen, nicht wahrnehme.

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Ebner Stolz zählt zu den größten unabhängigen mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in Deutschland. Tätig ist das Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung und Unternehmensberatung. Angeboten wird dieses Spektrum von den rund 1.600 Mitarbeitern in einem multidisziplinären Ansatz in allen deutschen Großstädten und Wirtschaftszentren. Als Marktführer im Mittelstand betreut das Unternehmen überwiegend mittelständische Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen aller Branchen und Größenordnungen.