Engineering Diversity

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Diversity – also die Unterschiedlichkeit der Beschäftigten eines Unternehmens – spielt im Arbeitsleben eine immer größere Rolle. Wie schaut es bei den Ingenieur*innen mit dem Thema Vielfalt aus? Von Tina Schaafs, Projektleitung VDI EnablING, und Ingo Rauhut, Geschäftsführer Fachbeirat Beruf und Arbeitsmarkt, Verein Deutscher Ingenieure (VDI)

Organisationen und Ingenieur*innen agieren in einer Welt, in der die Vielfalt der Lebensentwürfe stetig zunimmt. Diversity steht hierbei für die Anerkennung sowie die Würdigung der Unterschiedlichkeit von Menschen in der Gesellschaft. Angesichts der Veränderungen durch die globalen Megatrends hilft Ingenieur*innen die Auseinandersetzung mit Diversität, um nötige Kompetenzen aufzubauen, Vielfalt als Wertschöpfungsressource nutzen zu können und die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu setzen. Welche globalen Megatrends beeinflussen die Zukunft der Arbeit in und von Organisationen? Das sind vor allem die Globalisierung, die Digitalisierung, der demografische Wandel und eine zunehmende Individualisierung. All dies wirkt sich darauf aus, wie, mit wem und für wen wir zusammenarbeiten. Daher wird es in Zukunft immer wichtiger, dass sich verschiedenste Menschen aus aller Welt mit unterschiedlichen Kompetenzen in kurzer Zeit aufeinander einstellen, um gemeinsam produktiv an technischen Lösungen zusammenzuarbeiten.

Vielfalt auf dem Ingenieurarbeitsmarkt

 

Redaktionstipp:

Charta der Vielfalt: www.charta-der-vielfalt.de

Die globalen Trends spiegeln sich auch auf dem deutschen Ingenieurarbeitsmarkt wider. Betrachten wir die Altersstruktur des Ingenieurarbeitsmarkts, so ist der größte Teil der Ingenieur*innen zwischen 35 und 49 Jahre alt. Der demografische Wandel zeigt sich im geringeren Anteil jüngerer Ingenieur*innen. Der Anteil weiblicher Ingenieure steigerte sich dabei seit 2011 von knapp 14 Prozent auf über 18 Prozent. Auch der Anteil erwerbstätiger Ingenieur*innen mit mindestens einer ausländischen Staatsangehörigkeit erhöhte sich kontinuierlich in den letzten Jahren und beläuft sich gegenwärtig auf knapp über 12 Prozent. Wenn man sich die einzelnen Bereiche anschaut, in denen Ingenieur*innen ausgebildet sind, fällt auf, dass insbesondere in der Informatik, Elektrotechnik oder dem Maschinenbau der Frauenanteil unterdurchschnittlich ist. Am höchsten ist der Frauenanteil dagegen im Bauingenieurwesen. Wir sehen also, dass auch in der Ingenieurswelt die Vielfalt zunimmt. Und das ist gut so. Die besten technischen Lösungen lassen sich nämlich besser erreichen, wenn man Vielfalt anerkennt und wertschätzt und diese produktiv zu nutzen versteht.

Chancengerechtigkeit in Lehre und Forschung

Der VDI, die RWTH Aachen und die Stiftung Mercator laden am 14. Mai 2019 in Aachen zur Tagung „Engineering Diversity – Vielfalt als Mehrwert gestalten“ ein. Lehrende und Forschende sowie Studierende und Absolvierende aus ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fakultäten sowie Funktionsträger der Hochschulen werden sich an diesem Tag über Vielfalt in der Ingenieurausbildung austauschen sowie von- und miteinander lernen. Es werden innovative Projekte, kreative Ideen sowie gewinnbringende Lehr- und Lernformate vorgestellt, die die Anzahl von Studienanfängern sowie die Erhöhung des Studienerfolgs von Studierenden diverser Herkunft und somit die Chancengerechtigkeit in Lehre und Forschung fördern sollen. Über die Ergebnisse der Tagung wird der VDI berichten.

Ein kleiner CO2-Fußabdruck lockt Mitarbeiter

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Der drohende Klimawandel zwingt viele Unternehmen dazu, ihre Energiepolitik zu überdenken und ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Das bringt nicht nur der Umwelt Vorteile, sondern auch den Unternehmen selber. Von Sabine Olschner

Strom, Wärme, Kühlung: Früher haben Unternehmen einfach ihren Energieverbrauch für die Produktion und für den Betrieb ihrer Geschäftsgebäude gemessen. Heute ist das Thema Energie komplexer geworden: Unternehmen analysieren die gesamte Wertschöpfungskette ihrer Produkte und überlegen, wie sie die Herstellung und auch den Gebrauch der Produkte effizienter gestalten können. Das fängt beim nachhaltigen Lieferanten an und geht bis zu neuen Geschäftsmodellen, beispielsweise „Mieten statt kaufen“, denn das kann die Auslastung von Produkten deutlich erhöhen und damit in Summe zu geringeren Emissionen führen. Klar ist: Jeder, so auch die Industrie, muss heute seinen Beitrag zur Decarbonisierung, also der Verringerung des CO2-Ausstoßes, leisten, damit der Klimawandel überhaupt noch gestoppt werden kann.

Stellschrauben dafür gibt es viele: Unternehmen entwickeln zum Beispiel Wege, Materialflüsse optimaler zu gestalten und damit Transportwege zu sparen. Auch die Verwendung alternativer Rohstoffe kann im Gesamtblick Energie sparen. „So können zum Beispiel statt neu produzierter wiederaufbereitete Materialien benutzt werden. Das wird aktuell stark im Zusammenhang mit dem Wandel zur sogenannten Circular Economy diskutiert“, erklärt Robert Prengel, Senior Manager im Bereich Sustainable Services bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Die Berater unterstützen Unternehmen bei einer Vielzahl von Fragen zum Thema CO2-Fußabdruck.

Ein weiteres Beispiel ist die smarte Entwicklung optimierter Transitionspfade für den bestehenden technischen Anlagenpark. „Vor allem bei jungen Mitarbeitern herrscht ein starkes Bewusstsein für Umweltschutz“, beobachtet Robert Prengel. „Sie wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und haben daher eine andere Erwartungshaltung an ihren Arbeitgeber, als es früher der Fall war.“ Bemühungen zur Verringerung von CO2-Emissionen in Wertschöpfungsketten stehen daher auch im Einklang mit den Zielen aktueller Personalstrategien und sollten auch nach außen hin sichtbar gemacht werden. „Natürlich müssen die Maßnahmen und die Berichterstattung darüber Hand und Fuß haben und nicht nur Lippenbekenntnisse sein“, betont der Berater. So kann nachhaltiges Denken und Handeln – vor allem für mittelständische Unternehmen, die mit den Großen um Nachwuchskräfte konkurrieren – auch ein Pluspunkt bei der Rekrutierung sein. „Das Thema Nachhaltigkeit wird derzeit vor allem von großen Unternehmen sichtbar vorangetrieben“, so die Erfahrung von Robert Prengel. „Viele mittelständische Unternehmen beschäftigen sich zwar mit Umweltthemen, berichten aber zu wenig darüber.“ Umso mehr stechen jene hervor, die den Umweltschutz als integrierten Teil der Unternehmenskultur kommunizieren.

 CO2-Rechner für Unternehmen und Privatpersonen

Die Firma Klimaktiv hat CO2-Rechner für Unternehmen und Privatpersonen entwickelt. Angehende Ingenieure, die sich für die Berechnung interessieren, können sich die Testversion des Unternehmensrechners anschauen:
https://klimaktiv.co2-pro.de

Der Rechner für Privatpersonen ist auf der Seite des Umweltbundesamtes zu finden:
http://uba.co2-rechner.de

Auf zu neuen Supertechnologien

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Seit einigen Jahren beginnen die Physiker zu realisieren, dass die Quantenphysik einen bedeutenden Vorrat an noch nicht ausgeschöpften technologischen Möglichkeiten besitzt. Wir stehen am Anfang einer weiteren atemberaubenden technologischen Entwicklung: einer zweiten Quantenrevolution, sagt Gastautor Lars Jaeger – Unternehmer, Wissenschaftler, Schriftsteller und Finanztheoretiker.

Der Siegeszug der Quantenphysik begann in den ersten Monaten des 20. Jahrhunderts mit der Beobachtung, dass auf atomarer Ebene bestimmte Größen nicht jeden beliebigen Wert annehmen können. Sie sind in sogenannten Quanten (lateinisch „quantum“ = so viel) abgepackt. Kurz darauf erkannten die Physiker, dass Licht und Materie einmal als Welle, ein anderes Mal als Teilchen kommen. Doch wie kann ein räumlich lokalisiertes Teilchen gleichzeitig eine räumlich ausgedehnte Welle sein?

Die Physiker mussten lernen, dass Quantenobjekte mehrere Zustände gleichzeitig aufweisen können, beispielsweise zum gleichen Zeitpunkt an verschiedenen Orten sein. Außerdem lassen sich die Eigenschaften von Quantenobjekten nur mit Wahrscheinlichkeiten angeben: Messergebnisse sind vom Beobachter abhängig, und ihre Zustände zerfallen außerhalb jeglicher Zeit. Das merkwürdigste aller Quantenphänomene ist jedoch die Verschränkung räumlich getrennter Teilchen. Selbst wenn sie weit voneinander entfernt sind, können zwei Teilchen aneinander gekoppelt sein. Doch trotz all dieser Unwägbarkeiten sagt die heutige Quantentheorie den Ausgang von Experimenten und Naturgeschehnissen mit einer in der gesamten Wissenschaft unübertroffenen Exaktheit vorher.

Weil wir immer exakter berechnen können, was sich auf atomarer Ebene abspielt, beherrschen wir den Mikrokosmos immer besser. Längst sind Anwendungen der Quantenphysik Bestandteil unseres Lebens geworden: Elektronik, Digitaltechnologien, Laser, Mobiltelefon, Satelliten, Fernseher, Radio, Nukleartechnik, die moderne Chemie, medizinische Diagnostik – all diese Technologien gründen sich auf den Gesetzen der Quantentheorie. Nach verschiedenen Schätzungen beruht heute zwischen einem Viertel und der Hälfte des Bruttosozialprodukts der Industrienationen direkt oder mittelbar auf Erfindungen mit quantentheoretischer Grundlage. Doch die Quantenphysik hält noch weitere technologische Möglichkeiten bereit. Quantenphysiker sagen voraus, dass wir am Anfang einer weiteren technologischen Entwicklung stehen: einer zweiten Quantenrevolution.

Was macht diese zweite Quantenrevolution aus? Physikalisch gesehen beruht die erste Quantenrevolution des 20. Jahrhunderts auf der Kontrolle des Verhaltens großer Ensembles von Quantenteilchen: der Steuerung des Flusses vieler Elektronen, der gezielten Anregung einer großen Anzahl von Photonen und der Messung des Kernspins massenhafter Atome. Bei der zweiten Quantenrevolution geht es um etwas ganz Neues: die gezielte Präparation, Kontrolle, Manipulation und nachfolgende Auslese der Zustände einzelner Quantenteilchen und ihre Wechselwirkungen miteinander.

Die aufregendste Technologie der zweiten Quantenrevolution ist der Quantencomputer, der heutige Computer um ein Millionenfaches überbieten könnte, was Schnelligkeit und Recheneffizienz angeht. Ein Quantencomputer arbeitet anders als herkömmliche Computer. Diese verwenden als kleinstmögliche Informationseinheiten „Bits“, die entweder den Zustand 1 oder 0 haben, also nur zwei Werte annehmen können. Mit diesen separaten Bits können die Rechenschritte nur sequenziell, also Bit für Bit abgearbeitet werden. Quantencomputer unterliegen dagegen einer völlig anderen Informationstheorie: Das einfachste System in der Quantenmechanik ist das Quantenbit („Qubit“). Qubits können beide Zustände, 0 und 1, simultan annehmen, sowie alle Zwischenwerte (und noch mehr in der Sphäre der komplexen Zahlen). Denn Quantenzustände können in sogenannten Superpositionen existieren, also in Überlagerungen sich klassisch gegenseitig ausschließender Zustände.

Dazu kommt, dass sich verschiedene Quantenteilchen in verschränkte Zustände bringen lassen: Es ist, als ob die Qubits mit einer unsichtbaren Feder aneinandergekoppelt sind und somit allesamt direkt in Kontakt miteinander stehen. Jedes Quantenbit „weiß“, was die anderen gerade treiben. Anders als in herkömmlichen Computern erhöht sich damit die Rechenleitung eines Quantencomputers exponentiell mit der Anzahl der eingesetzten Qubits. Die Leistung eines Quantencomputers verdoppelt sich also nicht erst, wenn zu 100 Qubits weitere 100 Qubits hinzugeschaltet werden, sondern bereits, wenn nur ein einziges Qubit zu den 100 Qubits hinzugefügt wird. Kommen 10 dazu, vertausendfacht sich seine Leistung, bei 20 neuen Qubits ist der Quantencomputer bereits eine Million Mal so schnell, bei 50 neuen Qubits eine Million Milliarden Mal. Und bei 100 neuen Informationsträgern, wenn sich die Leistungsfähigkeit eines klassischen Computers gerade mal verdoppelt hat, lässt sich die Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers kaum mehr in Zahlen benennen.

Noch reichen die Bemühungen der Quantenphysiker nicht aus, um zuverlässig funktionsfähige Quantencomputer zu bauen. Doch haben Firmen wie IBM und Google in den letzten Monaten angekündigt, Quantenprozessoren gebaut zu haben, die aus ausreichend vielen Qubits bestehen, dass sie – zumindest für einige sehr spezielle Rechenprobleme – wohl die Rechenkapazität eines jeden heutigen (klassischen) Superrechners übertreffen werden. Google hatte bereits 2017 angekündigt, diese zum Ende desselben Jahres zu erreichen. Noch ist davon nichts bekannt geworden.

Cover QuantenrevolutionBuchtipp

Lars Jaeger: Die zweite Quanten revolution. Vom Spuk im Mikrokosmos zu neuen Supertechnologien. Springer 2018. 22,98 EuroJetzt kaufen bei Amazon

 

 

Ideen-Coaching: Kultur-, Buch- und Linktipps

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VIRTUAL REALITY FÜR DIE PRODUKTION

Foto: Fotolia/Uladzimir
Foto: Fotolia/Uladzimir

Der Automobilhersteller BMW nutzt Technologien der virtuellen Realität zur Planung der Produktion. Einige Monate vor dem Produktionsstart eines neuen BMW-Modells wurden Arbeitsplätze in einer virtuellen Welt ausgearbeitet. Die Planer für Gebäude, Anlagen, Logistik und Montage konnten zusammen mit Produktionsmitarbeitern den neuen Fertigungsbereich virtuell beurteilen und die neuen Abläufe in 3-D proben. Probeaufbauten, die den Arbeitsplatz in der Realität nachstellen, waren dadurch nicht mehr nötig. Komplexe Berechnungen zur Echtzeit-Darstellung aller Objekte in der Virtual-Reality-Brille und Simulationen übernimmt eine Software. Basis für diese Art der Planung sind digitalisierte Fabrikdaten, die in 3-D vorliegen. Seit mehreren Jahren erfasst BMW reale Strukturen ihrer Werke digital mit speziellen 3-D-Scannern und hochauflösenden Kameras auf wenige Millimeter genau. Damit steht ein dreidimensionales Abbild der Produktion in Form einer sogenannten Punktwolke zur Verfügung. Mehr Infos: www.bmwgroup.com

PLASTIK-RECYCLING MUSS VERBESSERT WERDEN

Foto: Fotolia/constantinos
Foto: Fotolia/constantinos

Die Menge an Plastikmüll wird sich bis zum Jahr 2030 um bis zu 80 Prozent erhöhen, so das Ergebnis einer Analyse der Beratungsgesellschaft McKinsey & Company. In Deutschland und Europa wird die Menge an Plastikmüll „nur“ um rund 7 Prozent auf 7,9 Millionen Tonnen wachsen, in Europa um rund 12 Prozent auf rund 40,9 Mio. Tonnen. Nur gut 16 Prozent des Plastikmülls weltweit werden für das Recycling gesammelt. Die restliche Menge wird verbrannt, landet auf Landdeponien oder unreguliert in der Umwelt auf Müllkippen oder in den Weltmeeren – mit teils verheerenden Konsequenzen für die Natur. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Recyclingquote kann weltweit von aktuell 16 Prozent auf bis zu 50 Prozent steigen. Als Treiber dieser Entwicklung sieht Mc Kinsey insbesondere die Chemieindustrie. Sie müsste neue Verfahren entwickeln, um aus dünnen Plastiktüten und -folien Öl und chemische Zwischenprodukte rückzugewinnen. Die Berater sehen vor allem Potenzial in der sogenannten Pyrolyse: einem Verfahren, mit dem aus diesem „Niederqualitätsmüll“ unter Sauertoffausschluss wieder Flüssigrohstoff gewonnen wird, der anschließend für neue Kunststoffproduktion oder für die Beimischung zu Treibstoffen zur Verfügung stehen könnte. Mehr Infos: www.mckinsey.de

SOUL MACHINES

Soul Machines ist ein High-Tech-Unternehmen von KI-Forschern, Neurowissenschaftlern, Psychologen, Künstlern und innovativen Denkern, die neue Vorstellungen darüber kreieren, wie sich Menschen mit Maschinen verbinden. Die dahintersteckende Vision ist, künstliche Intelligenz zu humanisieren, um die Menschheit zu verbessern. Weitere Infos unter: www.soulmachines.com

DIE RETTUNG DER ARBEIT

cover Die-Rettung-der-ArbeitWie werden wir in Zukunft arbeiten? Künstliche Intelligenzen und Roboter übernehmen schon jetzt immer mehr Aufgaben und sorgen für Existenzängste, die in die Hände von Populisten spielen. Dabei sollten wir die Zukunft der Arbeit nicht dem Markt überlassen – sie ist eine Frage der politischen Gestaltung, die gerade jetzt couragiert beantwortet werden kann. Arbeit hält Gesellschaften zusammen, sie ist etwas fundamental Menschliches. Lisa Herzog, Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Hochschule für Politik an der Technischen Universität München, zeigt, wie sie in digitalen Zeiten gerechter und demokratischer werden kann, als sie es je war – für alle, nicht nur für wenige Privilegierte. Ihr Buch gibt neue Antworten auf eine der großen Fragen unserer Zeit und gibt wichtige Impulse für eine bessere Politik. Lisa Herzog: Die Rettung der Arbeit. Hanser 2019, 22 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

HOLOGRAMME AM HANDY

Foto: Fotolia/Panuwat
Foto: Fotolia/Panuwat

Ein neues Samsung-Patent könnte ein Quantensprung der Display-Technologie werden. Das Elektronikunternehmen will in die Luft projizierte 3-D-Hologramme ohne sogenannte Fliegengitter-Effekte erzeugen, wie man sie vom Nintendo 3DS oder vom Red Hydrogen One kennt. Die technischen Fehler tauchten auf, weil die Displays mit einer Parallaxen-Barriere arbeiteten. Diese zwang den Betrachter zudem, aus einem bestimmten Winkel auf das Display schauen, um den Effekt wahrzunehmen. Samsung will nun laut seinem Patent frei über dem Display schwebende Hologramme ermöglichen. Das Display soll durch eine bestimmte Anordnung der Linsen zu einem Projektor werden. Bislang handelt es sich nur um ein Patent, Muster oder gar Serien gibt es noch nicht. Sollte das Unternehmen seine Idee aber tatsächlich in die Tat umsetzen, werden digitale Inhalte greifbarer – und zwar ohne VR- oder AR-Zubehör. Anwendungsmöglichkeiten gäbe es im Ingenieurwesen, in der Medizin, in der Bildung, im Design oder in der Unterhaltungsindustrie.

ARBEITSPLATZVERLUST DURCH E-AUTOS?

Foto: Fotolia/nikkytok
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Im Jahr 2035 werden aufgrund der Umstellung auf den Elektroantrieb bei Autos knapp 114.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sein. Dies ist ein Szenario aus dem Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von August 2018. Die Forscher haben die Wachstums- und Beschäftigungseffekte einer Elektrifizierung des Antriebsstrangs bei Personenkraftwagen in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse lassen zwar zunächst einen positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekt erwarten, langfristig werde man aber mit einem niedrigeren Beschäftigungsniveau rechnen müssen, ist im IAB-Bericht zu lesen. Zusätzliche Investitionen der Autobranche, die Bauinvestitionen in die Ladeinfrastruktur und die Neuausrüstung des Stromnetzes sorgen anfangs für positive Effekte. Langfristig dominiere aber der steigende Importbedarf an Elektroautos und Traktionsbatterien und führe zu Beschäftigungsrückgang. Wäre Deutschland in der Lage, den Markt stärker mit inländisch produzierten Autos und Traktionsbatteriezellen zu versorgen, könne ein positiver Beschäftigungseffekt realisierbar sein, so die Studie. Zur Studie: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2018/fb0818.pdf

Das letzte Wort hat: Dr. Udo Kullik

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Professionelle Videos selber aufnehmen – ein Traum für jeden Dozenten, der seinen Studenten weiterführende Informationen zur Verfügung stellen will. Das One Button Recording Studio macht‘s möglich. Das Interview führte Sabinae Olschner

Dr. Udo Kullik ist Leiter des Netzwerks Medien an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Er und seine Mitarbeiter haben das erste vollautomatisierte Filmstudio an einer Universität entwickelt: Im One Button Recording Studio (OBRS) können Dozenten auf Knopfdruck Vorträge, Lehr- und Erklärvideos aufnehmen.

Kameras zur Aufzeichung von Lehrveranstaltungen gibt es schon an vielen Universitäten. Was ist das Besondere am One Button Recording Studio (OBRS)?
Im OBRS ist kein Personal anwesend, also keine Kameraleute oder Cutter, die den Film bearbeiten. Wer sich in unserem Buchungssystem für eine Aufnahme angemeldet hat, erhält einen Schlüssel zum Raum. Im Eingangsbereich muss er sich an einem Tablet als Lehrkraft authentifizieren und ein paar einfache Fragen beantworten: Will er in seinem Vortrag zum Beispiel eine Präsentation einblenden? Wird es ein Interview mit einer anderen Person geben? Will er etwas auf dem Tisch vor sich vorführen? Insgesamt gibt es sechs verschiedene Szenarien. Die Auswahl dauert gerade mal eine Minute, dann hat das System alle Informationen, die es braucht, um im Studio die richtigen Mikrofone, Kameras und Lampen einzuschalten.

Wie kann man sich das Studio selbst vorstellen
Die Lehrenden stehen an einem Pult vor einem Green Screen, also einer grünen Wand, auf die später digital die Präsentation eingeblendet wird. Auf dem Pult steht ein weiteres Tablet, mit dem man die Aufnahme starten kann. Nach dem Start sieht der Dozent auf einem Kontrollmonitor über der Kamera, wie das Video aussehen wird. Nach Ende der Präsentation kann er sich das Video noch einmal auf dem Tablet anschauen und je nach Wunsch löschen oder speichern.

Warum haben Sie solch ein automatisiertes Studio entworfen?
Ich habe mich an amerikanischen Unis umgeschaut, was die Kollegen in den Medienzentren dort machen. Da habe ich das erste Mal Experimente mit OBRS in einer Werkstatt gesehen. Ich wollte noch einen Schritt weiter gehen und alles vollautomatisieren und für die Nutzer vereinfachen, sodass sie ohne jegliches Personal Videos erstellen können. Die Videos können sie dann ins Lernmanagementsystem hochladen oder auch auf ihre Webseiten stellen.

Wer kann das OBRS nutzen?
Das Studio ist für Lehrkräfte aller Fachbereiche offen. Wir hatten schon vor dem Start zahlreiche Anfragen. Derzeit nutzen Angehörige der WiSo-Fakultät das Studio am häufigsten, aber auch viele andere Fachbereiche zeigen Interesse an dem Studio. Seine Anonymität nimmt vielen die Scheu vor der Kamera und setzt die Hemmschwelle herab. Das Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität zu Köln will nun auch Workshops für Dozenten anbieten, wie sie sich am besten vor der Kamera bewegen und sich noch besser darstellen können. Mittlerweile zeigen auch andere Hochschulen Interesse und informieren sich bei uns über technische Details. Selbst Organisationen, wie etwa das Deutsche Rote Kreuz, überlegen, künftig solche Videos für ihre Weiterbildung zu nutzen.

Weitere Infos zum OBRS:
www.hf.uni-koeln.de/40040

karriereführer frauen in führungspositionen 2019.2020 – Aus Mut wird Wut

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Aus Mut wird Wut

Die Debatte über mehr Frauen in Führung läuft und läuft – doch ihre Wirkung bleibt gering. Selbst Ansätze wie mehr Homeoffice sorgen nicht für Wandel, sondern festigen die alten Strukturen. Es ist an der Zeit, den Ton zu ändern: Die Zeichen stehen darauf, den Ärger über den Status quo zu nutzen, und den Gegnern des Wandels etwas entgegenzusetzen – kreativ, aufklärerisch und mit klarer Kante.

Aus Mut wird Wut

Die Debatte über mehr Frauen in Führung läuft und läuft – doch ihre Wirkung bleibt gering. Selbst Ansätze wie mehr Homeoffice sorgen nicht für Wandel, sondern festigen die alten Strukturen. Es ist an der Zeit, den Ton zu ändern: Die Zeichen stehen darauf, den Ärger über den Status quo zu nutzen, und den Gegnern des Wandels etwas entgegenzusetzen – kreativ, aufklärerisch und mit klarer Kante. Von André Boße

Frauen müssen mutiger werden – dann klappt es früher oder später auch mit dem Aufstieg in die Führungspositionen. Sehr häufig wurde dieses Credo in diversen Interviews zum Thema genannt. Mutig zu sein, das klingt ja auch nach einem guten Plan. Aber funktioniert er?

Wo führen Frauen?

Bei steigender Unternehmensgröße nimmt der durchschnittliche Anteil von Frauen in Spitzenpositionen kontinuierlich ab und steigt dann bei den Großunternehmen wieder an, so das Ergebnis der Crifbürgel-Studie. Während in kleinen Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern mehr als jede vierte Führungskraft eine Frau ist (26,1 Prozent), sinkt die Chefinnenquote bei 101-bis- 500-Mitarbeiter-Unternehmen auf 12,1 Prozent. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern steigt die Frauenquote wieder an (13,4 Prozent), und bei Großunternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 16,8 Prozent.

Wie sieht es in den Branchen aus?

Der Informationsdienstleister Crifbürgel hat auch untersucht, in welchen Branchen Frauen häufiger oder weniger häufig Führungspositionen einnehmen. Bei dieser Analyse liefert das Gesundheitswesen mit einer Frauenquote von 38,0 Prozent den höchsten Wert. Aber auch im Handel (26,9 Prozent) und im Verlagswesen (24,0 Prozent) nehmen Frauen überdurchschnittlich häufig Führungspositionen ein. Wenige Frauen in Führungspositionen sind indes im Maschinenbau (9,3 Prozent), im Baugewerbe (9,7 Prozent), in der Energieversorgung (11,2 Prozent) sowie der Schifffahrt (11,9 Prozent) vertreten. Vollständige Studie: www.crifbuergel.de Aktuelles – Studien – 15.11.2018: Führungspositionen in Deutschland

Hier ein paar Fakten, die eher mutlos als mutig machen. Der Informationsdienstleister Crifbürgel hat Anfang 2019 die Ergebnisse einer groß angelegten Studie über Führungskräfte in Unternehmen veröffentlicht. Die Statistiker haben dafür rund 3,15 Millionen Positionen von Führungskräften aus knapp 1,3 Millionen Unternehmen in Deutschland betrachtet und hinsichtlich Alter, Geschlecht und Regionen analysiert. Bei den Führungspositionen handelt es sich um Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder und -vorsitzende sowie um Vorstandsmitglieder und -vorsitzende.

Debatte intensiv, Folgen minimal

Das Ergebnis ist ernüchternd. Zwar werde die Debatte um Frauen in Führungspositionen in Deutschland seit Jahren geführt, „zuletzt immer intensiver“, wie die Autoren der Studie feststellen. „In der Folge ist dagegen relativ wenig passiert. Die Zahl der Frauen an der Spitze nimmt kaum zu.“ So liegt der Anteil an Frauen in Führungspositionen in den untersuchten Betrieben derzeit bei 22,6 Prozent – und damit nur um 0,1 Prozentpunkte höher als vor 24 Monaten. Da helfe es auch wenig, wenn die Politik eingreift und Forderungen stellt: „Obwohl die Politik seit Jahren eine höhere Frauenquote in deutschen Aufsichtsräten fordert, beträgt der Frauenanteil aktuell 17,1 Prozent“, heißt es in der Studie.

Interessant ist ein Blick auf geografische Unterschiede: Die ostdeutschen Bundesländer nehmen eine Vorreiterrolle ein. Brandenburg liegt mit einer Frauenquote in Führungspositionen von 28,3 Prozent bundesweit an der Spitze, aber auch in Sachsen (27,1 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (26,8 Prozent) liegt die Frauenquote in Spitzenpositionen deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Auf den letzten drei Plätzen: NRW (20,7 Prozent), Bayern (19,6 Prozent) und Baden-Württemberg (18,8 Prozent).

Homeoffice: Frauen in Doppelbelastung

Und noch eine Studie, die eher mutlos macht: Für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans- Böckler-Stiftung hat Dr. Yvonne Lott, Expertin für Gender und Arbeitszeit, auf Grundlage einer Studie einen Report verfasst, in dem sie der Frage nachgeht, wie sich verstärkte Homeoffice- Zeiten auf das Arbeitsverhalten von Männern und Frauen auswirken. Prinzipiell sei Homeoffice eine Chance, Frauen zu fördern – schließlich sei es ein zentraler Lösungsansatz für das Problem, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. „Selbstbestimmte Arbeitszeiten und Homeoffice können Beschäftigten mehr Autonomie und somit die Möglichkeit geben, ihre Erwerbsarbeit an ihr Familienleben anzupassen“, schreibt Dr. Yvonne Lott. Doch wie nutzen Frauen und Männer diese Autonomie? Die Studie zeigt, dass die Freiheit nicht zur Entlastung führt. Im Gegenteil: „Während die Väter sehr viel mehr Zeit in den Job stecken, machen Mütter etwas mehr Überstunden, vor allem nehmen sie sich aber deutlich mehr Zeit für die Kinderbetreuung.“ Kurz: Die Männer arbeiten mehr. Die Frauen auch – und belasten sich zusätzlich noch mit den familiären Pflichten.

Homeoffice fördert Faulheit? Von wegen!

Die WSI-Studie widerlegt das Argument, flexible oder sogar frei gestaltbare Arbeitszeiten im Homeoffice sorgten dafür, dass die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter sinkt. Das Gegenteil ist der Fall: Männer und Frauen arbeiten mehr, bei den Frauen kommt dazu, dass die Zeit für die Familie ebenfalls steigt. Zusätzliche Erholungszeit, also etwa für mehr Schlaf, individuell gestaltete Freizeit oder Sport, haben Beschäftigte mit Kindern im Haushalt durch flexible Arbeitszeiten generell nicht. Studienautorin Dr. Yvonne Lott sagt: „Einen Freizeitgewinn mit flexiblen Arbeitsarrangements gibt es weder für Mütter noch für Väter.“ Vollständige Studie: www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_47_2019.pdf

„Mütter, die im Homeoffice arbeiten, kommen in der Woche auf drei Stunden mehr Betreuungszeit für die Kinder als Mütter, die nicht von zu Hause arbeiten können; zugleich machen sie eine zusätzliche Überstunde im Job“, schreibt die Expertin in ihrem Report. Bei Vätern sehe es anders aus: „Sie machen im Homeoffice mehr Überstunden – wöchentlich zwei mehr als Väter ohne Heimarbeit –, nehmen sich aber nicht mehr Zeit für die Kinder.“ Das Fazit von Dr. Yvonne Lott: „Damit hilft flexibles Arbeiten zwar bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, es kann zugleich aber auch die klassische Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern festigen oder sogar verstärken.“ Grundsätzlich führten flexible Modelle bei beiden Geschlechtern im Schnitt zu längeren Arbeitszeiten im Job. „Bei Männern ist dieser Effekt aber deutlicher ausgeprägt als bei Frauen. Wobei Letztere gleichzeitig mehr Zeit für die Kinder aufwenden und so häufig doppelt belastet sind.“

Zähne knirschen statt Wut rauslassen

Immer wieder haben Frauen flexible Arbeitszeiten gefordert, um damit ihre Optionen zu verbessern und Karrierechancen zu erhöhen. Und nun zeigt sich, dass dieses Instrument bei Frauen zu einer Doppelbelastung führt, während Männer es nutzen, um noch mehr zu arbeiten. Nein, Mut macht das nicht. Es ist eher so, dass solche Studien Wut erzeugen. Wobei hier schon das nächste Problem wartet: In einer Studie hat die amerikanische Sozialforscherin Jessica Salerno herausgefunden, dass bei Gerichtsverhandlungen wütende männliche Anwälte ihre Effektivität steigern, während diese bei wütenden weiblichen Anwälten sinkt. Der Grund: Dem Gender-Stereotyp nach sind Männer wütend, wenn die äußeren Umstände sie zur Weißglut bringen – und Frauen dann, wenn das innere Gleichgewicht nicht stimmt.

Das ist natürlich Unfug, genau wie das Klischee, nach dem Männer mehr Wut in sich tragen als Frauen. Die Wut ist da. Nur leben Frauen sie nicht so häufig aus, sondern nehmen das, was sie erleben, zähneknirschend hin. Und das lässt sich belegen: Bruxismus nennen Zahnmediziner das unbewusste aufeinanderpressen der Zähne im Schlaf, wodurch sich Abschleifspuren ergeben, die den Schutz der Zähne verringern. Gegen diese Folgen helfen Kieferschienen, und die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) hat in einer Studie festgestellt, dass doppelt so viele Frauen diese Schienen erhalten. Als Grund vermutet SBK-Expertin Kathrin Pflügel, dass psychische Belastungen oder emotionale Herausforderungen zu diesem kontinuierlichen Anstieg führen: „Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass Patienten immer häufiger Stresssituationen ausgesetzt sind, die sie im Schlaf verarbeiten.“

Was hilft: Inspiration und Aufklärung

Was also tun, raus mit der Wut? Zumindest besser, als den Ärger in sich reinzufressen. Ideal wird es, wenn Frauen ihren Ärger über das nur zögerliche Vorankommen und ihren Unmut über Gegenwind aus der Männerriege in kreative oder aufklärerische Projekte ummünzen. Kreativ ist zum Beispiel die Plattform „Sisters of Europe“, ins Leben gerufen von den zwei Autorinnen Prune Antoine und Elina Makri. Die Französin und die Griechin beginnen ihr Projekt mit Porträts von 17 Frauen, die andere Frauen inspirieren sollen. Die in dieser Reihe vorgestellten „Sisters of Europe“ sind in der Regel keine Prominente, sondern Heldinnen des Alltags, denen es gelungen ist, trotz widriger Umstände und im gesellschaftlichen Gegenwind Haltung zu zeigen und den Unterschied zu machen.

Fortgesetzt wird das Projekt dann mit Diskussionsveranstaltungen in europäischen Großstädten, in denen jeweils die Themen angegangen werden, die vor Ort eine große Bedeutung haben. So gab es bereits eine Debatte in Berlin, wo es um das Thema „Gender-Pay-Gap“ ging, also die ungerechte Bezahlung von Frauen und Männern, die gleiche Arbeit leisten. Unterstützt wurde das Projekt dort von den Initiatorinnen des Portals „Was verdient die Frau?“, das Themen wie den Pay-Gap oder Sexismus am Arbeitsplatz behandelt und unterstützt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Stichwort Sexismus: Wann fängt dieser an, wie weit geht er – und wo liegt der Unterschied zur Misogynie, also der Geringschätzigkeit von Männern gegenüber Frauen? Die Philosophin Kate Manne hat mit „Down Girl“ ein Buch geschrieben, das die Logik der Misogynie erklärt und diesen Begriff vom Sexismus differenziert. Mannes These: Je stärker die Vorherrschaft des Patriarchats in Frage gestellt und angegriffen wird, desto vehementer wehren sich diejenigen Männer, die von diesem profitieren. Dabei haben sie eine Logik entwickelt, die Kate Manne wie folgt beschreibt: Männer teilen die Frauen ein, in die aus ihrer Sicht „schlechten“ Frauen, die die männliche Vorherrschaft angreifen, sowie in die „guten“, die den Männern die aus ihrer Sicht natürlich zustehende Anerkennung und Fürsorge zukommen lassen. „Die ‚guten’ Frauen werden geduldet, wohingegen die ‚schlechten’ kontrolliert, unterworfen und zum Schweigen gebracht werden müssen. Das ist die Struktur der Misogynie.“

Die patriarchalen Strukturen basieren nicht auf einer natürlichen oder rationalen Logik.

Wer Kate Mannes Buch liest, ist anschließend in der Lage, das, was tagtäglich in der Politik und Wirtschaft, aber auch in den kleinen und großen Unternehmen passiert, genauer zu durchleuchten und zu hinterfragen. Klar wird dabei vor allem eines: Die patriarchalen Strukturen basieren nicht auf einer natürlichen oder rationalen Logik. Sie sind nichts anderes als ein ungerechter Status quo. Wer sie verteidigt, hat entweder nichts verstanden oder will nur seine Pfründe retten. Es spricht wenig dagegen, diesen Männern nicht nur mutig, sondern auch mit einer gewissen Wut im Bauch gegenüberzutreten. So, wie es die Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez in den USA tut: Die 29 Jahre alte Kongressabgeordnete der Demokraten scheut sich nicht, offensiv Stellung zu beziehen. „Sie ist besonders effektiv darin, die frauenfeindlichen und lächerlichen Versuche, sie zu diskreditieren, offen zu benennen. Sie zeigt, dass man mit einer klaren Haltung und einem genauen Gespür für den Gegner sehr weit kommen kann“, sagt Kate Manne über Ocasio-Cortez in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung.

KI: Männer leichter ersetzbar als Frauen

Haltung und ein gutes Gespür für den Gegner: Diese Methoden sind es, die zum Erfolg führen. Und sowieso: Die Zukunft spricht für die Frauen. Der Informatiker Jürgen Schmidhuber, Direktor des schweizerischen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz IDSIA und eines KI-Labs an der TU München, erforscht die Auswirkungen von Methoden mit Künstlicher Intelligenz auf die Arbeit. Immer wieder wird die Gefahr heraufbeschworen, die Maschinen seien eines Tages in der Lage, immer größere Anteile der menschlichen Arbeit zu übernehmen. Schmidtbauers These: Die Frauen dürfen sich entspannen, weil ihre Arbeit wesentlich schwerer durch Künstliche Intelligenz zu ersetzen sei. In einem Interview für den Deutschlandfunk erklärt der Informatiker seine Prognose: „Das liegt daran, weil die meisten Männer eigentlich nur eine Sache wirklich gut können – sie haben oft Tunnelbegabungen. Die Frauen hingegen können ganz viele verschiedene Sachen – und sie können auch vieles gleichzeitig tun.“ So seien Computer seit vielen Jahren in der Lage, den besten menschlichen Schachspieler zu besiegen. Doch können diese Rechner wirklich nur das: Schachspielen. Bei der Kombination, diverse Dinge parallel zu tun, scheitern sie. Multitasking ist ihre Sache nicht. Und wie man immer wieder hört, geht es da einigen Verteidigern des Patriachats nicht anders.

Buchtipp:

cover-die-logistik-der-misogynieMit „Down Girl – Die Logik der Misogynie“ hat die Philosophin Kate Manne eine kluge und vieldiskutierte Analyse vorgelegt, mit der sie zeigt, wie Misogynie in der Politik und im öffentlichen Leben verankert ist. Die Autorin ist Assistant Professor of Philosophy an der Cornell University, außerdem schreibt sie unter anderem für die New York Times und The Huffington Post. Das Magazin Times Higher Education und die Washington Post wählten „Down Girl“ zu einem der besten Bücher des Jahres 2017. Nun ist das Werk in deutscher Sprache erschienen. Kate Manne: Down Girl – Die Logik der Misogynie. Suhrkamp 2019. 32 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

Siemens-Personalvorstand Janina Kugel im Interview

Als Arbeitsdirektorin, Chief Human Ressources Officer und Mitglied des Vorstands von Siemens zählt Janina Kugel zu den Frauen mit der größten Personalverantwortung in Deutschland. Im Interview erzählt die 49 Jahre alte VWL-Absolventin, ob auch sie auf gläserne Decken und alte Vorurteile traf und was ihr Konzern tut, um Diversität in allen Bereichen zu garantieren. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Janina Kugel, 49 Jahre, studierte Volkswirtschaft an der Universität Mainz und an der Università degli Studi di Verona, Italien. Ihren beruflichen Werdegang begann sie 1997 als Management Consultant bei Accenture. 2001 kam sie als Vice President Business Transformation & Knowledge Management zu Siemens. Dort war sie in verschiedenen Führungspositionen tätig, bevor sie 2012 kurz als Personalchefin zu Osram ging. 2013 kehrte sie zu Siemens zurück, wo sie zunächst die Personalstrategie- und Führungskräfteentwicklung leitete, 2014 zusätzlich als Chief Diversity Officer tätig war und 2015 zum Mitglied des Vorstands berufen wurde.

Frau Kugel, als Arbeitsdirektorin tragen Sie die Verantwortung für rund 380.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Siemens. In welchen Momenten werden Sie sich dieser Verantwortung besonders bewusst?
Die Verantwortung ist allgegenwärtig, es geht schließlich um Menschen. Und besonders heute, wo die Digitalisierung immer schneller die Arbeitswelt verändert und viele Menschen verunsichert, ist Verantwortungsbewusstsein wichtig. Verantwortung müssen einerseits wir als Unternehmen gegenüber unseren Mitarbeitern übernehmen, andererseits muss aber auch jeder selbst Verantwortung für sich übernehmen, indem er bereit ist, ständig Neues zu lernen. „Lebenslanges Lernen“ ist keine Floskel – es ist in der heutigen Arbeitswelt zwingend erforderlich!

Wann wird diese Verantwortung unter Umständen zu einer Belastung?
Verantwortung übernehmen bedeutet, Entscheidungen zu treffen. Da muss ich das Wohl der gesamten Belegschaft im Blick behalten. Das bedeutet manchmal auch, dass eine Entscheidung für einige Mitarbeiter schmerzhaft ist, weil sie beispielsweise ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Digitalisierung wird neue Arbeitsplätze schaffen, aber sie wird auch dazu führen, dass manche Arbeitsplätze nicht mehr benötigt werden. Wenn ich das den betroffenen Mitarbeitern von Angesicht zu Angesicht sagen muss, dann geht das auch an mir nicht spurlos vorüber.

Nur wenn wir ein Umdenken in der Gesellschaft erreichen, werden wir mehr Diversität erreichen.

Wir tun aber viel, um für den gegenwärtig stattfindenden Strukturwandel gewappnet zu sein. Siemens gibt jährlich mehr als 500 Millionen Euro für Aus- und Weiterbildung aus. In den nächsten vier Jahren kommen noch einmal bis zu 100 Millionen Euro für Qualifizierungsmaßnahmen den Strukturwandel betreffend hinzu.

Was ist Ihr ganz persönlicher Ansatz, um Karrieren von Frauen in einem Konzern wie Siemens nachhaltig zu unterstützen?
Unser Engagement, Frauen auf allen Ebenen des Unternehmens zu fördern, endet nicht mit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Deshalb fördern wir weiterhin verschiedene Initiativen, Programme und Maßnahmen, um einen Kulturwandel in Geschlechtergleichheit, Vielfalt und Integration auszulösen. Beispielsweise gibt es bei Siemens weltweit mehr als 45 Netzwerke für Frauen. Allein im „Grow2Glow“-Netzwerk coachen mehr als 140 Führungskräfte ihre Kolleginnen. Mit Initiativen wie „Job Shadowing“ oder „Unconscious-Bias- Trainings“ wollen wir den Nutzen, den Diversity jedem von uns und dem Unternehmen bringt, verdeutlichen – besonders unseren Führungskräften. Denn dort muss Diversity vorgelebt werden. Neben all dem möchte ich aber auch an die Frauen selbst appellieren: Frauen müssen mutiger und selbstbewusster im Arbeitsalltag sein!

Sind Sie jemals an die ominöse gläserne Decke gestoßen?
Natürlich, die gläserne Decke ist ja leider immer noch allgegenwärtig. Schauen Sie sich die Besetzung von Führungspositionen an. Was Diversität betrifft, liegt Deutschland im internationalen Vergleich ziemlich weit hinten. Letztlich muss zwar jeder oder jede selbst durch Leistung überzeugen und hat damit ein Stück weit selbst die Karriere in der Hand. Dazu braucht es Wissen, Überzeugungskraft und Beharrlichkeit. Aber die Chancen sind nicht für alle gleich, insbesondere in Deutschland zeigt sich, dass die Herkunft und auch der Bildungsabschluss der Eltern für das eigene Fortkommen eine erhebliche Rolle spielen. Nur wenn wir ein Umdenken in der Gesellschaft erreichen, werden wir mehr Diversität erreichen. „Diversity“ beflügelt Innovationen und macht uns erfolgreicher! Und das gilt nicht nur für Gender-Diversity.

Wie blicken Sie generell auf die Wege von Frauen in großen Unternehmen? Tut sich was? Oder wird zwar viel geredet, bleiben die Folgen aber hinter Ihren Erwartungen zurück?
Auf Unternehmensseite gibt es heute viele gute Initiativen zur Frauenförderung – nicht nur bei Siemens. Wir dürfen aber nicht lockerlassen, sonst rutschen wir wieder in alte Denkmuster und Frauenbilder ab. Und die sind noch stark vertreten.

„Diversity“ beflügelt Innovationen und macht uns erfolgreicher! Und das gilt nicht nur für Gender-Diversity.

Welche meinen Sie konkret?
Ich finde es befremdlich, wenn ich lese, dass manche es nicht für im Interesse ihres Unternehmens halten, wenn Frauen zum Beispiel im Vorstand vertreten sind. Oder wenn manche immer noch glauben, dass nur Männer Führungskräfte sein können. Solche Beispiele zeigen, dass wir in der Gesellschaft noch einen weiten Weg vor uns haben – auch wenn wir schon viel erreicht haben.

Unter „Unconscious Bias“ versteht man unbewusste Vorurteile und Annahmen einer Person gegenüber. So leiden Frauen gerade in technischen Konzernen häufig darunter, dass man sie schon im Vorfeld unterschätzt. Wie gelingt es Ihnen, diese Voreingenommenheit auszuschließen oder zumindest ihre Wirkung bei Personalentscheidungen abzumildern?
Zunächst einmal sind unbewusste Denkmuster – oder auf Englisch „Unconscious Bias“ – nicht per se schlecht, sie können uns in manchen Situationen auch vor Gefahren schützen. Aber es gibt auch Denkmuster, die nicht einfach aus den Köpfen vieler Menschen herauszubekommen sind. Prominente Beispiele dafür sind bestimmte Frauen- oder Männerbilder. So hat eine Studie der Harvard University ergeben, dass mehr als 70 Prozent aller Menschen Karriere eher mit Männern, Familie dagegen eher mit Frauen verbinden. Das führt dazu, dass es Frauen schwerer haben, in Führungspositionen zu gelangen. Wir verzichten damit auf einen wertvollen Pool an Fachkräften. Das ist besonders gravierend in Zeiten des Fachkräftemangels.

Bei Siemens möchten wir unsere Mitarbeiter sensibilisieren, damit sie unbewusste Denkmuster erkennen und mit gezieltem Training überwinden können. So haben wir beispielsweise eine Online-Schulung entwickelt, die auf allen Hierarchieebenen – im Management, von Angestellten und in der Personalabteilung – genutzt werden kann. Vor drei Jahren haben wir zudem eine globale Unconscious-Bias-Expertengruppe ins Leben gerufen – als Ratgeber, um die lokale Realisierung von Projekten zu unterstützen. Denn wenn sich jeder von uns über seine „bias“ bewusst wird, dann besteht die Chance, aktiv dagegen zu steuern und damit auch die alten Denkmuster aufzubrechen.

Was geben Sie persönlich jungen Frauen mit auf den Weg, die jetzt vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen?
Egal ob junge Frau oder junger Mann – ich gebe beiden denselben Rat mit auf den Weg: Seid bereit, euer ganzes Leben lang zu lernen und eure Qualifikationen ständig anzupassen. Es reicht heutzutage nicht mehr aus, nur mit einer Ausbildung das ganze Berufsleben zu bestreiten – dafür ändert sich die Welt, in der wir leben und arbeiten, viel zu schnell.

Zum Unternehmen

Siemens ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit rund 380.000 Beschäftigten. Der Schwerpunkt des Geschäfts liegt auf den Gebieten Stromerzeugung und -verteilung, intelligente Infrastruktur bei Gebäuden und dezentralen Energiesystemen sowie Automatisierung und Digitalisierung in der Prozess- und Fertigungsindustrie. Durch das eigenständig geführte Unternehmen Siemens Mobility gestaltet das Unternehmen außerdem den Weltmarkt für Personen- und Güterverkehr. Über die Mehrheitsbeteiligungen an den börsennotierten Sparten „Healthineers“ und „Gamesa Renewable Energy“ gehört das Unternehmen zudem zu den führenden Anbietern von Medizintechnik und digitalen Gesundheitsservices sowie umweltfreundlichen Lösungen für die On- und Offshore-Windkrafterzeugung.

„Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt für Frauen, um in die Techwelt einzusteigen.“

Dr. Anna Lukasson-Herzig hat gemeinsam mit ihrem Bruder Markus eine innovative Tech- Idee entwickelt: eine visuelle Suchmaschine. 2015 gründeten die Geschwister in Berlin das Start-up nyris. Ihr Produkt kommt gut an – von der Industrie bis hin zum E-Commerce nutzen Großunternehmen wie Daimler, Porsche oder Metro ihre Technik. Mittlerweile ist ein Büro in Düsseldorf dazugekommen und das Team besteht aus 24 Mitarbeitern. Im Interview spricht Anna Lukasson-Herzig darüber, was es bedeutet, sich in der Tech- Branche zu etablieren und verrät ihr Mantra für eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Die Fragen stellte Elisa Maifeld

Frau Dr. Lukasson-Herzig, Sie haben Ingenieurwesen studiert und waren mehr als zehn Jahre in der Unternehmensberatung tätig. Dann haben Sie nyris gegründet – wie kam es dazu?
Meine erste Tätigkeit war in der Stahlindustrie, wo ich ein Prozesskontroll- System zur Optimierung der Geometrie von Stahlbrammen entwickelte. Schon damals begann ich, mit KI-basierten Methoden zur visuellen Messdatenanalyse und Prozesskontrolle zu arbeiten und promovierte in diesem Bereich. Als ich 2014 Boston Consulting nach knapp zehn Jahren verließ, entwickelte ich mit meinem Bruder eine Alternative zur normalen Suchfunktion im Internet. 2015 gründeten wir dann nyris.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie als Gründerin?
Vor vielen verschiedenen. (lacht) Ideen und Motivation allein reichen nicht aus. Es müssen zahlreiche bürokratische Hürden genommen werden, und anders als in den großen Unternehmen, wo mein Bruder und ich früher gearbeitet haben, mussten wir bei nyris alles selbst organisieren. Doch schnell konnten wir wichtige Mentoren und Sponsoren gewinnen, die uns in vielen Bereichen beraten und unterstützt haben, so wie die Flixbus-Gründer und besonders unser Investor Klaus Schneider.

In der Tech-Branche streben Sie ständig nach antreibenden Veränderungen im Business: Wo finden Sie Input?
Oftmals sorgt die pure Wissenschaft für neue Anreize und Inspirationen – in unserer Branche sind es häufig die Europäer und Kanadier, die die Nase vorn haben. Mit unseren Partnern wie Microsoft, Google oder SAP diskutieren wir die neusten Entwicklungen, teilweise haben wir Zugriff zu noch nicht für die Allgemeinheit verfügbaren Beta-Entwicklungen. Aber auch die Geschichten anderer Gründer finde ich spannend und lehrreich. Beispielhafte Netzwerke sind etwa der neue KI-Bundesverband sowie der Verband Deutscher Start-ups. Außerdem lerne ich viel von unseren Kunden, sie kennen das Business seit Jahrzehnten und bauen ihre Stellung und Reputation immer noch aus. Das schafft man nur mit einer konstanten Weiterentwicklung. Immer wieder bin ich überrascht, welch starke Unternehmen wir in der tiefsten Provinz in Europa beheimaten.

nyris – das steckt in der visuellen Suchmaschine:

nyris entwickelt eine hochmoderne Bilderkennungs-Engine, die auf neuesten KI- Frameworks basiert. Sie stellt ihre Technologie als SaaS (Software as a Service) für Handel und Industrie zur Verfügung. Das Konzept von nyris ermöglicht es, schnellste und genaueste Ergebnisse für 1D (Codes), 2D (Print2Web) und 3D (reale Produkte) zu liefern. In weniger als einer Sekunde werden bis zu 500 Millionen Produkt- oder Objektbilder durchsucht, um das Gleiche oder Ähnliches zu finden. nyris hat sich im B2BGeschäft positioniert.

Welche Anreize bietet die Tech- Branche besonders für Frauen?
Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt für Frauen, um in die Techwelt einzusteigen: Bewusstsein und Präsenz sind ebenso vorhanden wie die Erkenntnis, dass Diversität in der Techwelt enorm wichtig ist. Doch nur Wenige wissen: Die ersten Programmierer waren weiblich. Gerade Frauen bringen viele besonders wichtige Eigenschaften für die Techwelt mit, etwa Organisationstalent. In der Tech-Branche ist es extrem wichtig viele Bälle in der Luft zu halten ohne die Nerven und die Geduld zu verlieren. Frauen verändern diese Welt gerade signifikant, und das macht echt Spaß.

Während der Firmengründung waren sie in Elternzeit mit ihrem zweiten Kind. Wie verbinden Sie Beruf und Familie?
Als Gründerin genieße ich unglaubliche Freiheiten, aber auch Zwänge – diese Widersprüche versuche ich optimal auszuleben. Alles, was nicht unbedingt von mir persönlich gemacht werden muss, delegiere ich. So schaufele ich mir Zeit frei, die ich je nach Bedarf in Zeit mit meiner Familie oder nyris einteilen kann.

Haben Sie einen Tipp, wie sich junge Absolventinnen gut für den Einstieg in ein Tech-Unternehmen rüsten können?
Junge Absolventinnen sollten an sich glauben und ihrem Instinkt folgen. Frauen haben genauso wie Männer ihren Platz in der Tech-Industrie und sie können viel bewirken. Gerade dieser Bereich bringt viele Chancen, birgt aber auch Gefahren. Sicher ist nur: Frauen sind aktiv und haben Einfluss.

Buchtipp

cover-2062Bis zum Jahr 2062 haben wir Maschinen entwickelt, die so intelligent sind wie wir. Das prognostiziert Toby Walsh, einer der weltweit führenden KI-Wissenschaftler, und bietet mit seinem neuesten Buch viel Diskussionsstoff: Wohin führt uns dieser Wandel? Doch Walsh möchte auch Antworten liefern und zeigt auf, welche Entscheidungen wir heute treffen müssen, damit das Leben auch in Zukunft ein positives für uns Menschen bleibt. Toby Walsh: 2062. Das Jahr, in dem die künstliche Intelligenz uns ebenbürtig sein wird. riva 2019. 22 Euro. Jetzt kaufen bei Amazon

Pionierinnen

Sie kämpften in einer männlich dominierten Gesellschaft für ihre Überzeugungen, setzten sich an die Spitze der technischen und künstlerischen Innovation und prägten den Verlauf der Geschichte mit ihren Ideen. In unserer Pionierinnen-Reihe stellen wir Frauen vor, die mit ihrem Mut und ihrem Durchsetzungsvermögen den Weg zur Gleichberechtigung geebnet haben. Von Elisa Maifeld

Aenne Burda (1909 – 2005) – Wirtschaftswunderfrau mit Stil

Burda Moden prägte eine ganze Generation an Frauen – denn das Magazin zum Selbernähen traf zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders den Nerv der Zeit. An der Spitze des herausgebenden Verlagshaues stand knapp 45 Jahre lang Aenne Burda. Nachdem der Verlag unter der Verantwortung ihres Ehemannes Franz Burda von dessen Geliebter – damals noch unter anderem Namen – wenig erfolgreich geführt wurde, übernahm Aenne Burda die Modezeitschrift und arbeitete sich in der schillernden Jetset-Modewelt hoch. Ab Januar 1950 brachte sie das Magazin unter dem Namen Burda Moden mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren auf Erfolgskurs und sorgte dafür, dass es in den Folgejahren zum weltweit auflagenstärksten Modemagazin heranwuchs. Ihre bahnbrechende Idee: Die Frauen ihrer Generation konnten nähen, waren tatkräftig und hungrig nach Mode. Doch für viele Damen war modische Kleidung schlichtweg zu teuer. Der perfekte Zeitpunkt also, um Bögen für Schnittmuster zu liefern. So konnte sich jede Frau ihre Mode selbst schneidern – und das kurze Zeit nach den Modenschauen in den Metropolen wie Paris und London. Ihren größten beruflichen Erfolg feierte sie wohl im Jahr 1987 als sie den „Eisernen Vorhang“ durchbrach und bis nach Moskau expandierte. Eine Dokumentation über ihr Leben und Wirken ist noch bis Dezember in der ARD-Mediathek online abrufbar: www.daserste.de/unterhaltung/film/aenne-burda-die-wirtschaftswunderfrau

Gertrud Grunow (1870 – 1944) – Meisterin am Bauhaus in Weimar

Buchtipp:

Cover-Frauen-am-BauhausPatrick Rössler, Elizabeth Otto: Frauen am Bauhaus. Wegweisende Künstlerinnen der Moderne. Knesebeck 2018. 35 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon

2019 feiert das Bauhaus sein 100-jähriges Jubiläum. Die Künstler der Anfangsjahre – darunter Walter Gropius, Paul Klee und Wassily Kandinsky – verschafften sich schnell Aufmerksamkeit und Gehör. Bis heute beinahe unbekannt ist jedoch die Lehrende Gertrud Grunow – zu Unrecht. Denn ihr Verdienst in Weimar von 1919- 24 ist unbestritten: Grunow, selbst Sängerin und Komponistin, entwickelte eine eigene Musikpädagogik und war der Auffassung „Klang und Farbe lösen im Menschen Bewegungen aus.“ Sie vermittelte ihren Studierenden eine gleichberechtigte, harmonische Nutzung aller Sinne und nahm so Einfluss auf die frühe Ausrichtung des Bauhauses. Zum Jubiläumsjahr präsentiert die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) eine Online-Plattform und eine Open-Access-Publikation, die über Leben, Wirken und Theorie der Pionierin am Bauhaus informiert. Dafür haben die Wissenschaftler bisher unveröffentlichtes Archivmaterial aufbereitet.
www.gertrud-grunow.de und www.bauhauskooperation.de

Katharine Graham (1917 – 2001) – Mrs. Washington Post

Buchtipp

Katharine Graham: Die Verlegerin. Wie die Chefin der ‚Washington Post‘ Amerika veränderte. Rowohlt 2018. 18 Euro. Jetzt kaufen bei Amazon
Auch als E-Book erhältlich!

Tragische Lebensverläufe können auch ein Antrieb sein, um mutigen Schrittes vorwärts zu marschieren. Genau das beweist die Lebensgeschichte von Katharine Graham: Mit 46 Jahren wurde die Journalistin zur Verlegerin der Washington Post, einer der weltweit wichtigsten Tageszeitungen. Das Unternehmen gehörte ursprünglich ihrem Vater, später ihrem Ehemann. Nach dessen Suizid lehnte sie alle Angebote zum Verkauf des Verlags ab – ihr Weg: Sie übernahm den Chefposten des Gatten und setzte sich in der männerdominierten Welt des Journalismus durch. Bis heute prägen ihre mutigen Entscheidungen die Zeitung: Im Jahr 1971 ließ sie die streng geheimen „Pentagon-Papiere“ über den Vietnam-Krieg veröffentlichen. Von einer drohenden Strafe wegen Landesverrats ließ sie sich nicht abschrecken und entschied: „Wir drucken!“. Ein Jahr später deckte die Zeitung die „Watergate-Affäre“ auf und zwang damit den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon im Jahr 1974 zum Rücktritt. In aller Bescheidenheit modernisierte sie das Unternehmen innerhalb von 20 Jahren vom Familienbetrieb zum modernen Medienhaus – dabei erarbeitete Graham sich großen Einfluss weit über die USA hinaus.

Zaha Hadid (1950 – 2016) – Stararchitekten mit Vorliebe für schräge Wände

Ihr Baustil ist unverwechselbar und rund um den Globus zu bestaunen: Zaha Hadid baute Gebäude, die in Bewegung zu sein scheinen. Dabei kam sie ohne senkrechte Wände und rechte Winkel aus. 2004 erhielt die irakische Stararchitektin mit englischem Pass als erste Frau den weltweit wichtigsten Preis für Architektur – den „Pritzker-Preis“. Ihre Bauten stehen für sich. Dazu gehören Museen wie das Phaeno Museum (Wolfsburg), Reinhold-Messner-Museum (Plan de Corones, Südtirol), Riverside Museum (Glasgow), Kulturgebäude wie das Opernhaus in Guangzhou (China), Heydar Aliyev Project in Baku (Aserbaidschan) oder funktionale Werke wie die BMW-Fabrik (Leipzig) oder das Schwimmzentrum im Olympiapark (London). Ihr Erstlingswerk steht in Deutschland: Hadid plante das Feuerwehrhaus des Möbelunternehmens Vitra in Weil am Rhein. Mit 65 Jahren verstarb die Frau, die nie ein Wohnhaus für sich selbst baute, unerwartet an einem Herzinfarkt.

Ruth Bader Ginsburg (*1933) – feministische Verfassungsrichterin

Ruth Bader Ginsburg ist Juristin und seit 60 Jahren Vorreiterin für die Gleichberechtigung. Mit 86 Jahren ist sie die älteste Richterin am US-amerikanischen Supreme Court. Seit ihren Studienjahren in Harvard weiß sie genau, was Diskriminierung bedeutet: In den 1960er Jahren ist sie eine von neun Frauen unter 500 Männern und muss wie ihre Weggefährtinnen die Schikanen des Dekans erdulden – doch sich unterkriegen zu lassen ist nicht ihr Stil. Seit Anbeginn ihrer juristischen Laufbahn kämpft sie vor Gericht für mehr Emanzipation, oftmals siegte sie. Erfolge erzielte sie dabei für Männer und Frauen gleichermaßen – denn damit Emanzipation gelingt, sind Männer ebenso wichtig wie Frauen. So erstritt sie beispielsweise Wohngeld für einen weiblichen Leutnant in der Air Force oder staatliche Finanzhilfen für einen jungen Vater, dessen Frau nach der Geburt des Kindes verstorben war. Eine Neuheit in den USA, denn solch eine Unterstützung war bis dato nur Witwen vorbehalten. Aktuell erholt sich Ginsburg von einem Krebsleiden und trotzt US-Präsident Donald Trump, der liebend gerne einem hart-rechten Juristen am Verfassungsgericht ihren Posten geben würde.

Filmtipp:

RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit, USA 2018 Regie: Betsy West, Julie Cohen.