Besser konzentrieren: Pflanzen am Arbeitsplatz
„Es gibt zu wenige Bauingenieure“
Ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Klaus Pöllath, Vizepräsident Technik des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie
Für Bauingenieure gibt es nahezu unendlich viele Betätigungsmöglichkeiten, zum Beispiel in der Verkehrsinfrastruktur, im Energiesektor, im Hochbau rund um das Gebäude. Wo sehen Sie heute die Schwerpunkte der Tätigkeit? Das Aufgabenspektrum von Bauingenieuren hat sich durch die Energiewende noch deutlich erweitert. Die Einsparung von Energie und Ressourcen ist heute der wichtigste Faktor beim Realisieren von Bauwerken. Nahezu alle Baumaterialien lassen sich recyclen. Wir bauen Passiv- und Plus-Energiehäuser und sanieren Altbauten energetisch. Hier gibt es einen großen interessanten Markt für Bauingenieure. Unser bautechnisches Know-how ist aber auch bei der Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien, insbesondere im Offshore-Bereich und beim Speichern von Energie, gefragt. Bauunternehmen übernehmen immer mehr Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks und bieten Dienstleistungen rund um das Bauwerk an, wie zum Beispiel Facility Management oder Industrieserviceleistungen. Diese Ingenieurleistung beginnt bereits in der Planungsphase, damit schon im Vorfeld Fehler vermieden werden können, die später zu Termin- und Kostenüberschreitungen führen würden. Auch aus dem demografischen Wandel in der Gesellschaft ergibt sich für den Bauingenieur ein neues Geschäftsfeld. Hier ist vor allem der Stadtumbau zu nennen. Wir müssen die Verkehrsnetze intelligent weiterentwickeln und auf die Bedürfnisse einer älter werdenden Bevölkerung abstimmen. Und wir müssen die Versorgungsleitungen in Regionen mit rückläufiger Bevölkerung entsprechend anpassen. In all diesen Bereichen ist das Spezialwissen der Bauingenieure höchst gefragt. Welches Know-how und welche Fähigkeiten müssen junge Bauingenieure vor diesem Hintergrund mitbringen? Für einen Bauingenieur ist es nach wie vor sehr wichtig, ein profundes bautechnisches Wissen zu erwerben. Aber auch Grundkenntnisse beispielsweise im Bau- und Planungsrecht, in der Betriebswirtschaft oder der Bewirtschaftung von Immobilien sollte er sich aneignen. Je mehr sich das Betätigungsfeld der Bauingenieure erweitert, desto mehr werden auch Kommunikationsfähigkeiten, Team- und Führungsfähigkeit erwartet. Denn moderne Bauprojekte sind sehr komplex, viele Menschen mit vielen verschiedenen Fertigkeiten und Fachkenntnissen sind daran beteiligt. Sie müssen „unter einen Hut gebracht“ und der anspruchsvolle Bauprozess muss effizient gestaltet werden. Knapp 500.000 Erstsemester gibt es aktuell in Deutschland. 106.000 Studenten davon haben sich für eine Ingenieurwissenschaft entschieden. Überall wird für ein MINT-Studium geworben. Profitiert denn die Bauwirtschaft auch vom steigenden Interesse an Naturwissenschaft und Technik? Ja, auch bei den Bauingenieuren verzeichnen wir seit 2008 einen deutlichen Anstieg der Studienanfängerzahlen. Derzeit studieren 16.300 Erstsemester Bauingenieurwesen. Wir benötigen noch wesentlich mehr. Es gibt zu wenige Bauingenieure. Zusätzlich werden in den kommenden Jahren viele aus Altersgründen ausscheiden. Bauingenieure haben zurzeit glänzende Berufsaussichten. Dafür lohnt es sich schon, sich in Mathematik und Physik durchzubeißen. Die Energiewende bringt viele neue, spannende Aufgabenbereiche mit sich, die einen abwechslungsreichen Arbeitsplatz versprechen. Und man kann als Bauingenieur die Früchte seiner Arbeit sehen, gemäß dem Bauindustrie-Slogan: „Schaffen, was bleibt“. Für Nachwuchskräfte, die jetzt ihre Karriere beginnen, spielt das Thema Work-Life- Balance eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Wie reagieren die Unternehmen der Bauindustrie auf diese Entwicklung? Wie positionieren sie sich, um zum „Arbeitgeber der Wahl“ zu werden? Die Work-Life-Balance stellt heute ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers dar und spielt deshalb für die Unternehmen eine große Rolle, wenn es darum geht, gute Fachkräfte zu binden. Damit die Arbeitnehmer Arbeit und Privatleben ins Gleichgewicht bringen können, bieten die Bauunternehmen zum Beispiel flexible Arbeitszeitkonzepte und Gleitzeitregelungen, sogar Sabbaticals an. Sie ermöglichen Familien Elternteilzeit oder kooperieren mit Kindergärten und -krippen in der Region. Es gibt ein Gesundheitsmanagement, zum Beispiel betrieblich geförderte Sportangebote, Kurse für Entspannungstechniken, Kooperationen mit Fitness-Studios und ausgewogene Ernährung in den Kantinen. Aber die Bauunternehmen könnten ihre Bemühungen durchaus noch verstärken. Es muss noch besser möglich werden, die Arbeit flexibel auf sich verändernde private Bedingungen anzupassen.Bedarf an Fachkräften ungebrochen
Der dritte Branchenbericht „Der Arbeitsmarkt im Bausektor“ ist erschienen. Dieser stellt die Entwicklung des Bauarbeitsmarktes in den vergangenen zehn Jahren dar und verdeutlicht erneut, dass der demografische Wandel in der Branche angekommen ist. Nachwuchskräfte sind allein aufgrund der Altersstruktur der Branche sehr gefragt. Von Vanessa Thieme, Abteilungsleiterin im Kompetenzzentrum für Berufsbildung und Personalentwicklung im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
Obwohl sich die Beschäftigtensituation seit 2005 stabilisiert hat und die Bauunternehmen seit 2009 ihr Personal kontinuierlich aufstocken, fehlt es nach wie vor an Fachkräften. Wie sich die Situation weiter entwickeln wird, ist natürlich ungewiss. Doch immerhin sind beim Bauingenieurnachwuchs vorerst positive Signale zu erkennen: So ist das Interesse der Schulabgänger an einem Studium weiter angestiegen. Es ist erfreulich, dass es 2011 erneut deutlich mehr Studienanfänger als noch im Jahr zuvor gab – ihre Anzahl ist von etwa 10.000 Anfängern auf zirka 13.000 gestiegen. Damit hat das Bauingenieurwesen im Vergleich zu allen anderen Studiengängen zwischen 2006 und 2011 die stärksten Zuwachsraten zu verzeichnen. Das kann als ein Indiz für die Attraktivität des Berufs und die damit verbundenen Zukunftschancen gewertet werden. Absolventen sind gefragt Auch die Absolventenzahlen sind mit 6000 Bauingenieuren 2011 erneut positiv ausgefallen. Dies ist eine wichtige Entwicklung vor dem Hintergrund, dass der Bedarf an Bauingenieuren im Jahr 2012 den höchsten Stand seit zehn Jahren zu verzeichnen hatte. Allerdings stehen diese Absolventen nicht alle unmittelbar dem Arbeitsmarkt und somit den Bauunternehmen zur Verfügung. Denn 42 Prozent schlossen ihr Studium zunächst mit einem Bachelorabschluss ab. Laut Absolventenbefragung plant ungefähr die Hälfte der Bachelorabsolventen einen direkten Anschluss des Masterstudiums. Sie werden also erst ein bis zwei Jahre später auf die suchenden Unternehmen treffen. Ein weiterer Indikator für den Bedarf an bestimmten Qualifikationsprofilen ist zudem die Vakanzzeit. Das ist die Zeit, die die Unternehmen momentan benötigen, um eine freie Stelle zu besetzen. Diese liegt mit 83 Tagen bei Bauingenieuren deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Wert. Auch dieser Wert verdeutlicht noch einmal den Mangel an qualifiziertem Personal und zeigt, wie schwierig es sich für Bauunternehmen gestaltet, Stellen mit Bauingenieuren zu besetzen.
Angeklickt
- Der Branchenbericht „Der Arbeitsmarkt im Bausektor“ ist unter www.bauindustrie.de/downloads zu finden.
- Informationen zum Beruf Bauingenieur gibt es unter www.werde-bauingenieur.de.
- Orientierungshilfen zu den Abschlüssen Bachelor und Master im Bauingenieurwesen sowie zu Studienstandards für das Fach Bauingenieurwesen sind unter www.asbau.org aufgeführt.
Gut, dass ich es versucht habe
Der Schweizer Toni Rüttimann baut seit 26 Jahren Hängebrücken für Menschen in den ärmsten Regionen dieser Welt. Und will nicht einmal Geld dafür. Aufgezeichnet von Stefan Trees
Wie alles anfing Zwei Wochen vor meinem Abitur bebte in Ecuador die Erde. Ich habe die Bilder der Zerstörung gesehen und wusste: Da will ich hin. Helfen. Etwas Sinnvolles tun. In der Nacht meiner Abiturfeier bin ich losgereist, erspartes und gespendetes Geld im Gepäck, insgesamt 9000 Schweizer Franken. Bis ins Erdbebengebiet am Vulkan Reventador habe ich mich durchgekämpft, dann war Schluss. Am reißenden Río Aguarico warteten viele Menschen, die dort nicht mehr über den Fluss kamen. Da wusste ich, was ich mit meinem Geld anfangen würde: eine Brücke bauen. Ich lernte den holländischen Ingenieur Hugo van Drunen kennen, und zusammen mit der Bevölkerung bauten wir in vier Monaten eine Hängebrücke über den Río Shushudué. Da habe ich erkannt, dass ich etwas beitragen kann. Zurück in der Schweiz habe ich mich an der ETH Zürich für ein Ingenieurstudium eingeschrieben. Doch nach sieben Wochen meldete ich mich wieder ab. Ich hatte mich entschieden, Brückenbauer der Armen zu werden – gemeinsam hatten mein Herz und mein Verstand meine Ängste um eine unsichere Zukunft besiegt. Studium, Freunde, Sport, die Lichter der Bahnhofstraße mit den Schaufenstern voll von Weihnachtsluxus – all das schaffte es nicht, den eindringlichen Ruf aus der Tiefe zum Schweigen zu bringen. Im Gegenteil: Sie verstärkten den Kontrast zu den Erinnerungen meiner sechs Monate im Erbebengebiet in Ecuador. Das ist nun fast 26 Jahre her. Warum ich das mache Erstens, weil ich das Leiden der Leute hinter den Flüssen sehe, und weiß, wie ich es lindern kann. Zweitens, weil ich zum Brückenbauer geboren wurde. Ich schaue zurück und erkenne den Weg. Drittens, und am wichtigsten: weil ich es wirklich tun will. Jeden Tag. Denn auch wenn man weiß, wie es geht, und auch wenn es Schicksal zu sein scheint – wenn man es nicht tun will, passiert gar nichts. Es ist für mich wichtig, mein Leben hinzugeben für andere. Jede Brücke ist eine Verantwortung, und wie immer wird sie einen Teil meines Lebens abverlangen. Für den Preis eines Stückchens meines Lebens kann ich Leben erleichtern für ganze Dörfer. Für 5000 bis 10.000 Menschen, manchmal mehr. Was für ein gutes Geschäft. Was es bislang gebracht hat Bis heute haben wir weltweit 640 Hängebrücken gebaut, in Ecuador, Honduras, Mexiko, Kambodscha, Laos, Myanmar, Indonesien und anderswo, im Dienste von 1,8 Millionen armen Bauern, mit geschenkten und wiederverwerteten Stahlröhren und Stahlseilen. Die Bevölkerung trägt einen ebenso großen Teil bei mit Sand, Kies, kostenloser Arbeit und oftmals mit dem Langstreckentransport der Brückensets vom nationalen Schweißlager in ihre Dörfer. Ich finde keine exakte Beschreibung, um zu definieren, was wir tun. Denn wir sind keine NGO, keine Firma, keine politische oder religiöse Gruppierung, wir haben weder ein Büro, ein Zuhause, eine Fahne noch einen Facebook-Account. Wir – das sind meine einheimischen Team-Kollegen und ich sowie ein weltweites unsichtbares Netz an Menschen guten Willens. Normalerweise arbeiten wir gleichzeitig an 20 bis 30 Brücken auf zwei Kontinenten. In jedem Land finde und trainiere ich drei bis vier Schweißer sowie einen praktisch begabten, hingebungsvollen und bescheidenen Kollegen, der über die Jahre hinweg an meiner Seite zum Brückenbauer wird. Es ist mir wichtig, einheimische Kollegen zu trainieren und mit ihnen zu arbeiten: Sie bleiben in ihrem Land, so wie die Brücken, und werden auch nach vielen Jahren noch bereit sein, den Bauern zu Hilfe zu eilen, falls deren Brücken eine Reparatur nötig haben. Die lokalen Behörden in Vietnam haben einmal die Brücken-Überquerungen der 58 Hängebrücken im Mekong-Delta gezählt: Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang haben 38.126 Personen die Brücken überquert: zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Motorrad oder im Rollstuhl. Mehr als die Hälfte sind Schüler, die anderen gehen zur Arbeit, zum Markt, in die Krankenhäuser oder in die Regierungsbüros. Das bedeutet, dass jedes Jahr 13,9 Millionen Menschen über diese Brücken in Vietnam gehen. Und dabei zählen wir noch nicht einmal die Überquerer der Nächte dazu. Ich habe noch keine reale Verkehrszählung der anderen Brücken in Kambodscha, Laos, Myanmar und Indonesien, auch nicht in Ecuador oder den anderen lateinamerikanischen Ländern. Dennoch: Mit der Referenz von Vietnam schätzen wir vorsichtig, dass jede Sekunde mindestens eine Person über eine unserer Brücken läuft. Heutzutage tun wir also jede Sekunde jemandem einen Gefallen. Jede Sekunde wird einem Menschen ein Leid erspart oder zumindest eine Mühsal. Der Gedanke bringt mich zum Staunen: Wie einfach wäre es gewesen, es nicht zu versuchen, nicht zu hoffen, nicht den ersten Schritt und dann all die folgenden zu tun. Gut, dass ich es versucht habe.Toni Rüttimann Aufgabe: Brückenbauer Ort: Weltweit Web: keine Adresse
Martina bohrt sich durch
Nach zwei Jahren ist es vollbracht. So schnell bohrte der Erddruckschild „Martina“ des südbadischen Unternehmens Herrenknecht zwei parallel laufende Röhren des Sparvo-Tunnels in Italien an der Autobahn A1 zwischen Bologna und Florenz. Von Christoph Berger
Gleich zweimal konnte in den vergangenen zwei Jahren gefeiert werden. Erstmals Ende Juli letzten Jahres: Damals erblickte der Herrenknecht- Erddruckschild „Martina“ zum ersten Mal nach zwölf Monaten wieder das Licht der Erde. Bis zu 22 Meter pro Tag hatte sich der Schild mit dem Weltrekord- Durchmesser von 15,55 Metern bis dahin unter Tage voranbewegt und dabei jeweils 4215 Kubikmeter Erdreich abgetragen. Massen, die auch für das Baustellenmanagement eine enorme Herausforderung waren. Aber schon damals erklärte Alfonso Toto, Vorstand und Geschäftsführer der Toto Costruzioni Generali, dem führenden Partner des für den Ausbau beauftragten Joint Ventures: „Mit der größten TBM (Tunnelbohrmaschine) der Welt haben wir uns an Rekorde gewöhnt, zwei davon sind ihre Größe und ihre Vortriebsgeschwindigkeit.“ Nachdem die erste Röhre geschafft war, wurde „Martina“ samt dem Nachläufer um 180 Grad gedreht. Und von da an kam sie noch schneller voran. In nur acht Monaten bohrte sie sich zurück. So viel Zeit wurde für die zweite, parallel laufende Röhre benötigt, die sich in einem Abstand von 20 Metern zur ersten befindet. Auf dem Rückweg kam sie bis zu 24 Meter pro Tag voran. Der finale Durchbruch bei dem italienischen Großprojekt gelang am 29. Juli dieses Jahres. Der Sparvo-Tunnel gehört zum Ausbau des vielbefahrenen Teilabschnitts „Variante di Valico“ der Autostrada A1 zwischen Bologna und Florenz und wird eine neue Ausweichstrecke darstellen. Ziel dieser Alternativroute ist es, die Reisezeit für bis zu 90.000 Fahrzeuge täglich erheblich zu reduzieren. Bauherr ist das italienische Bauunternehmen Toto Costruzioni Generali mit Sitz in Chieti; Lizenznehmer und Auftraggeber ist die Autostrade per l’Italia. Der Tunnel selbst ist 2413 Meter lang und besteht aus zwei Röhren. Jede bietet Platz für zwei Fahrbahnen und jeweils einen Standstreifen. Der Vortrieb des Tunnels galt nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch aufgrund der geologischen Bedingungen als anspruchsvollster Teil des Gesamtprojektes. Die Geologie in der Tunneltrasse besteht vorwiegend aus Ton, Tonstein, Sandstein und Kalkstein. Zudem gibt es dort Grubengas in teilweise hohem Ausmaß. Um die notwendige Sicherheit sowie Schnelligkeit beim Bau erreichen zu können, hatte sich Toto für den Einsatz von maschineller Tunnelvortriebstechnik entschieden und 2010 eine Tunnelbohrmaschine bei Herrenknecht in Auftrag gegeben. Mit Hilfe des 4300 Tonnen schweren – so viel wiegen zehn Boing 747 zusammen – und 130 Meter langen Herrenknecht-Erddruckschilds, das mit 12.000 Kilowatt Antriebsleistung ausgestattet ist, wurden die Röhren schließlich fertiggestellt.
Filmtipp
In einem Video des italienischen Bauunternehmens Toto Costruzioni Generali wird anschaulich die Arbeit mit der Herrenknecht-Tunnelbohrmaschine beschrieben – auch, wie die Maschine von Deutschland nach Italien kam: www.youtube.com/watch?v=C0EmG9wUYIY
„Viel Potenzial nach oben“
Wann immer von Megatrends die Rede ist, fällt auch der Begriff Demografie. Unsere Gesellschaft altert. Und zwar rasant. Die Bertelsmann-Stiftung hat festgestellt: Während im Jahr 2006 noch jeder zweite Bundesbürger jünger als 42 Jahre alt war, wird die Hälfte der Bevölkerung im Jahr 2025 älter als 47 Jahre sein – in den ostdeutschen Bundesländern sogar älter als 53 Jahre. Doch geht unsere Gesellschaft diesen Wandel mit? Ist diese Entwicklung in unseren Bauten ablesbar? Nein, meint Heike Böhmer. Die Leiterin des Instituts für Bauforschung in Hannover beschreibt ihre Sicht auf die Demografie und die damit zusammenhängende Barrierefreiheit und erklärt, was Bauingenieure damit zu tun haben. Die Fragen stellte Christoph Berger
Diplom-Ingenieurin Heike Böhmer leitet das Institut für Bauforschung in Hannover. Die Bauingenieurin forscht dort mit ihren Kollegen zu den Themen Energieeinsparung, Barrierefreiheit, Qualitätssicherung, Zukunftsentwicklung, Verkehrssicherungspflichten in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Umweltverträglichkeit und Kostendämpfung. Darüber hinaus berät das Institut Unternehmen in diesen Bereichen. Außerdem wird der zertifizierte Fachplanerlehrgang „Barrierefreies Bauen“ gemäß DIN 18040 angeboten. Weitere Informationen unter: www.bauforschung.de
Barrierefreiheit
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt Informationen zum Thema Barrierefreiheit unter der Internetadresse www.einfach-teilhaben.de zur Verfügung. Eine Auflistung mit Auszügen aus der Musterbauordnung und einzelnen Paragraphen zu barrierefreiem Bauen aus den Landesbauordnungen der Bundesländer und eine Liste der Technischen Baubestimmungen zu barrierefreiem Bauen finden sich hier: nullbarriere.de/bauordnungen.htmDIN 18040
Die für das barrierefreie Bauen wesentliche Norm ist die DIN 18040 „Barrierefreies Planen und Bauen – Planungsgrundlagen“. Laut Heike Böhmer ist die Norm „sehr zielorientiert“. Sie setzt viele Kompetenzen voraus und beschreibt weniger, wie etwas ganz genau zu bauen ist. Bauingenieure brauchen ihrer Meinung nach deshalb umfassende Kompetenzen, um Sachverhalte zu verstehen, einzuschätzen und umzusetzen. www.din18040.de[/quote_center]Arbeiten am lebenden Organismus
Auf Bayerns größter Baustelle stehen die Räder nie still. Nicht die der Baumaschinen, und schon gar nicht die der durchschnittlich 58.000 Fahrzeuge, die täglich den Baustellenbereich der Autobahn A8 zwischen Günzburg und Augsburg durchqueren. Das Besondere dieser Baustelle bleibt dem Autofahrer jedoch verborgen: Der Ausbau dieses Autobahn-Teilstücks wird nicht alleine von der öffentlichen Hand finanziert, sondern gemeinsam mit privaten Investoren in Public Private Partnership. Von Stefan Trees
Sechzig Jahre hat die Autobahn A8 auf dem Buckel. Und wer unlängst noch von Stuttgart nach München wollte, zuckelte streckenweise auf zwei Fahrstreifen über große Steigungen und unübersichtliche Kuppen der bayerischen Landeshauptstadt entgegen. Ohne Standstreifen und mit Spitzenbelastungen von bis zu 90.000 Fahrzeugen am Tag waren Staus und Behinderungen an der Tagesordnung. Vor zweieinhalb Jahren hatte daher ein Konsortium, bestehend aus Töchtern des deutschen Hochtief-Konzerns und der österreichischen Strabag, vom Bund nach erfolgreichem Bieterverfahren den Auftrag erhalten, den etwa 58 Kilometer langen Abschnitt der A8 zwischen Ulm und Augsburg neu zu planen, zu finanzieren, auszubauen sowie dreißig Jahre lang zu betreiben und zu erhalten. Das Investitionsvolumen dieses Public Private Partnership-Projekts liegt bei etwa 410 Millionen Euro. Die A8 ist eines von fünf Projekten der sogenannten Ausbau-Modelle, die das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bundesweit ausgeschrieben hat. Die Investitionen der privaten Partner werden refinanziert, indem sie während der Betriebszeit einen Teil der auf dem Autobahn-Abschnitt erhobenen Lkw-Maut erhalten. Hinzu kommt eine staatliche Anschubfinanzierung in Höhe von 75 Millionen Euro.Zur Person
Dipl.-Ing. Carsten Wolf studierte Bauingenieurwesen an der Universität der Bundeswehr in München. Zunächst sammelte er Erfahrung als Bau- und Projektleiter im Gleisbau, später arbeitete er erst als Projekt-, dann als Bereichsleiter beim Spezialisten für Großprojekte Heilit+Woerner. Als deren ehemaliger Niederlassungsleiter in München ist er seit der Angebotsphase mit dem Bauprojekt der A8 vertraut. Vor einem Jahr setzte er seine Karriere auf dem vakant gewordenen Posten des technischen Projektleiters fort.
Public Private Partnership für Ausbau-Modelle
Im Zuge der Arbeiten wird ein 41 Kilometer langes Teilstück der A8 bei laufendem Verkehr von vier auf sechs Spuren ausgebaut. Die übrigen 17 Kilometer der Gesamtstrecke sind bereits heute sechsspurig. Insgesamt entstehen zirka 1,2 Millionen Quadratmeter an neuer Straßenfläche. Hierzu werden 4,2 Millionen Kubikmeter Erde bewegt und 380.000 Kubikmeter Beton für die Fahrbahndecke verbaut. Darüber hinaus entstehen 79 Brückenbauwerke und Lärmschutzanlagen mit einer Gesamtlänge von achteinhalb Kilometern, Park- und Rastplätze sowie Anschlussstellen. Mit der Bauausführung wurde eine Bauarbeitsgemeinschaft betraut, an der Heilit+Woerner Bau mit 35 Prozent und Züblin mit 15 Prozent – beides Unternehmen der Strabag-Gruppe – sowie Hochtief Solutions mit 50 Prozent beteiligt sind.
Karriere auf der Großbaustelle kein „business as usual“
„Technisch betrachtet ist unser Bauvorhaben nicht schwierig, wir bauen beispielsweise keine riesigen Talbrücken oder dergleichen. Aber die schiere Menge im Verbund mit den Faktoren Witterung und Zeit – diese drei Punkte muss man in Einklang bringen“, beschreibt Wolf seine tägliche Herausforderung. Nicht immer spielt das Wetter mit: Starke Regenfälle zu Beginn des Jahres hatten Teile der Autobahn überschwemmt und bereits erstellte Arbeiten teilweise zerstört. Für solche Zwischenfälle eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Termine zu bekommen, gelingt nicht immer. „Dieses Spannungsfeld macht es schwierig, aber auch interessant“, findet Wolf. Dass alle Arbeiten bei laufendem Verkehr inklusive des bei Brücken querenden Verkehrs geschehen, gleicht dem Arbeiten an einem lebenden Organismus und sei „kein business as usual“, findet Carsten Wolf. Um die Verkehrsströme auf der A8 so wenig wie möglich zu behindern, wurden die ersten 40 Kilometer Richtungsfahrbahn komplett neben die bestehende Autobahn gebaut, also nicht auf der bestehenden Trasse mit entsprechenden Ein- und Ausfädelungen auf die Gegenfahrbahn. Mittlerweile ist der Verkehr auf die neue Fahrbahn umgelegt, nun wird auf der bestehenden Autobahn in drei Abschnitten mit je acht Kilometern weitergebaut. Danach werden die noch offenen Lücken geschlossen. Die frei werdenden Flächen ehemaliger Autobahn werden besät, bepflanzt und bewaldet. Der Bau läuft nach Plan, die Hälfte der Autobahn ist Ende September 2013 termingerecht fertiggestellt worden. Ein weiteres Jahr werden die Ingenieure für die restlichen rund 20 Kilometer Autobahn benötigen. Ende September 2015 soll dann alles fertig sein – und die Autobahn aus Großvaters Zeiten der Vergangenheit angehören.Public Private Partnership (PPP)
Betreiber des 58 Kilometer langen Abschnitts der Autobahn A8 zwischen Ulm und Augsburg ist die eigens gegründete Pansuevia GmbH & Co. KG. Ihre Gesellschafter sind zu jeweils 50 Prozent Hochtief PPP Solutions und Strabag Infrastrukturprojekt. Als Vergütung erhält Pansuevia für die Dauer der Konzession von dreißig Jahren einen Anteil der anfallenden Lkw-Maut auf der Strecke sowie eine staatliche Anschubfinanzierung. Das Betreibermodell sieht hierbei eine Einheitsmaut je Lkw vor – anders als beim ebenfalls privat betriebenen Abschnitt der A8 Augsburg-München, wo die tatsächlich anfallende Lkw-Maut Grundlage für die anteilige Berechnung ist. Mit dieser neuen Struktur soll erreicht werden, dass der Betreiber nur mehr das reine Verkehrsmengenrisiko und nicht mehr, wie beim Betreibermodell Augsburg-München, auch noch zusätzlich das Risiko der Verteilung der Lkw auf die verschiedenen Schadstoff- und Achsklassen trägt.
Das Projekt des Zaren
Im Zentrum von Russlands Sankt Petersburg gibt es seit über 300 Jahren ein Areal, zu dem die Bevölkerung bis vor einiger Zeit keinen Zugang hatte: die Insel Neu-Holland. Doch jetzt wird das einstige militärische Sperrgebiet unter Erhaltung der historischen Bausubstanz unter der Leitung von Drees und Sommer umgebaut. Es soll das neue kulturelle Stadtzentrum von Russlands zweitgrößter Metropole werden. Von Christoph Berger
Sie ist die Wiege der russischen Schifffahrt, diese etwa acht Hektar große Insel in Form eines gleichseitigen Dreiecks inmitten von Sankt Petersburgs Stadtzentrum. Nachdem Zar Peter I. in Holland im 18. Jahrhundert bei einem Werftmeister eine Zimmermannslehre abgeschlossen und sich mit der Konstruktion von Schiffen beschäftigt hatte, plante er, Schiffe von da ab nach holländischem Vorbild in Russland zu bauen, mitten in Sankt Petersburg. So bekam die Insel ihren Namen: Neu-Holland. Allerdings wurden auf dem Eiland nicht nur Schiffe gebaut: Zeitweise waren dort auch ein Kriegshafen, ein Gefängnis und Krankenhaus angesiedelt, einige Jahre war es Standort des einflussreichsten Radiosenders der damaligen Zeit. Zuletzt lag das Areal über 20 Jahre brach. Doch mit dem Ende eines Investorenwettbewerbs Ende 2010 begannen die Neuplanungen. Der russische Geschäftsmann Roman Abramovich leitete mit seiner Londoner Stiftung „Iris Foundation“ und der Projektgesellschaft „New Holland Development“ die Neuentwicklung ein. „Wir schaffen die Grundlage für die Neunutzung“, sagt Steffen Sendler, Partner bei Drees und Sommer, Geschäftsführer des Standortes in Moskau und seit 2011 mit dem Projekt betraut. Das Unternehmen mit Zentrale in Stuttgart begleitet das Vorhaben seit 2011 als Vertreter des Bauherren und als Berater für die bauliche und ingenieurtechnische Entwicklung der Liegenschaft. „Aus technischer Sicht gehören dazu die Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, das Nachsichern der Fundamente sowie der Neubau von Brücken und Hausdächern. Darüber hinaus vertreten wir den Bauherrn in sämtlichen Belangen und leiten das Projektmanagement.“ Das ist eine enorme Koordinationsaufgabe, da unterschiedlichste Gesprächspartner miteinander vernetzt werden müssen. Da ist zum Beispiel das Thema Denkmalschutz: „Es handelt sich um historische Bausubstanz mit wichtiger Bedeutung für die Geschichte Russlands. Gleichzeitig werden hier neueste technische Lösungen, funktionale Entscheidungen und Energieinnovationen auf alte Gemäuer treffen“, erklärt Sendler. Zusammengenommen haben die Gebäude eine Fläche von 50.000 Quadratmetern. Es gibt nur eine beschränkte Kanalisation, eingeschränkte Elektrizität, an wenigen Orten Wasser, keine Fernwärme und keine Heizung. Doch die außergewöhnliche Architektur der Bogengewölbe und Warenlager hat Neu-Holland den Ruf als eine der romantischsten und geheimnisvollsten Ecken Sankt Petersburgs verliehen. Daher sollen Hotels, ein Museum, ein Parkhaus, Geschäfte und ein Konzerthaus in die vorhandene Bausubstanz integriert werden. Steffen Sendler sagt: „So entstehen beispielsweise ganz andere Stromverbräuche. Und es wird Frischwasser benötigt.“ Das Parkhaus wird unterirdisch geplant. Die benötigte Energie wird aus einem neu zu bauenden Energiekomplex kommen, einer Kraft-Wärme- Station. Um den Frischwasserverbrauch zu reduzieren, sollen Grauwasseranlagen für die Nutzung des Regenwassers installiert werden. Zum Einsatz kommen auch neue Fassadentechnologien, die in den Häusern mit den zum Teil eineinhalb Meter dicken Mauern für ein angenehmes Klima sorgen sollen. „Immerhin sind die Holzpfeilgründungen in gutem Zustand“, sagt Sendler. Die gesamte Stadt ist auf sumpfigem Land erbaut worden, Häuser und Straßen werden durch die Gründungen gestützt.
Filmtipp
Neu-Holland wird nach einem Entwurf der „Work Architecture Company“ (Work AC) aus New York, USA, umgesetzt. Das Architekturbüro präsentiert seine Vorstellungen von der Insel in einem kurzen Video: http://vimeo.com/27318391Neu-Holland im Internet
- die Webseite: www.newhollandsp.ru/en
- bei Twitter: http://twitter.com/NewHollandSP
- bei Facebook: www.facebook.com/NewHollandSP
- bei Youtube: www.youtube.com/NewHollandSP
Abenteuer zwischen Freiheit und Verantwortung
Die Möglichkeiten, im Ausland zu arbeiten, werden immer vielfältiger. Auch deutsche Bauingenieure bewerben sich längst weltweit. Oder arbeiten für deutsche Unternehmen an internationalen Projekten mit. Dabei machen sie spannende Erfahrungen. Von Fabian Hesse, bauingenieure24.de
Afrika, China, Osteuropa – deutsche Bauingenieure finden sich mit ihren Projekten überall auf der Welt wieder. Neben ungewöhnlichen Baustoffen und Bauweisen macht vor allem der Umgang mit fremden Menschen und Kulturen die Arbeit im Ausland interessant. Bauingenieur Martin Friedrich hat diese Erfahrung in Nigeria für Julius Berger International machen können. Und verbindet damit nur Gutes. Über die Bedingungen vor Ort sagt er: „In den firmeneigenen Camps gibt es Krankenhäuser, Supermärkte sowie diverse Sportangebote, alles nach europäischen Standards.“ Die Arbeit bleibt bei allem Service aber natürlich Hauptbestandteil des Aufenthalts. „Sechs Tage die Woche ist man zehn Stunden täglich aktiv.“ Doch Friedrichs Fazit fällt positiv aus: „Ich kann es jedem nur empfehlen. Man arbeitet im Ausland freier und mit mehr Verantwortung. Das motiviert enorm.“ Genau wie Privatfirmen operieren auch viele Hilfsorganisationen im Ausland. Die Alltagswirklichkeit ist für sie oft aber eine ganz andere. „Für einen Ingenieur bei uns gilt in allen Bereichen eine Ressourcenknappheit“, erklärt Roland Zech von den Ärzten ohne Grenzen. Ein Gebäude aus Holz und Ziegelsteinen zu errichten, sei bei der ehrenamtlichen Arbeit wahrscheinlicher, als solide Betonbauten zu konstruieren. Und wie private Bauunternehmen setzen auch humanitäre Organisationen im Ausland auf selbstständige Fachkräfte. Tobias Homann aus Berlin kann dies bestätigen. Er arbeitete als technischer Logistiker für die Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. „Vor Ort gibt es zwar immer einen Ansprechpartner. Oft müssen Entscheidungen aber allein getroffen werden. Die Devise lautet: Machen!“ Entscheidend sei schließlich das Ergebnis. „Bei uns richtet sich alles nach der Funktionalität eines Bauwerks“, sagt Roland Zech. „Ein Krankenhaus muss gut durchlüftet und hell sein. Design spielt eine untergeordnete Rolle.“ Wenig Material ist das eine, unausgebildetes Personal das andere. Zech berichtet, dass man als Bauleiter oft Tagelöhner zu führen habe: „Da geht nicht immer alles glatt.“ Eine gute Menschenkenntnis sei daher nötig, um zum Erfolg zu kommen. Wichtig sind nicht zuletzt fundierte Sprachkenntnisse. „Mit Französisch hat man in Afrika gute Chancen“, so Zech. „Die Sprache wird auf dem halben Kontinent gesprochen.“ Tobias Homann beschreibt seinen Auslandseinsatz als eine Kombination aus Abenteuer und „Etwas Gutes tun“. „Es gab jeden Tag neue Überraschungen“, meint der 34-Jährige. Er berichtet, dass Mitarbeiter beispielsweise hin und wieder unpünktlich kamen. Das ist allerdings aufgrund der Umstände nicht verwunderlich, manche hätten einen Fußmarsch von zwei Stunden zwischen ihrem zu Hause und der Baustelle gehabt. „Das sind Tatsachen, für die man Verständnis haben muss“, weiß er seitdem. Ein großes Verständnis für fremde Länder und Leute kam auch Richard Krauss in seinem bewegten Berufsleben zugute. Über 30 Jahre lang war der Diplomingenieur unter anderem in Afrika, Saudi- Arabien, der Karibik, in Bulgarien und der Türkei tätig. Unvorhergesehene Probleme gab es viele, so Krauss: „Während der Arbeiten für ein chinesisches Autobahnprojekt wurde die Fertigstellung für das Bauwerk vorgezogen. Da hat man uns einfach ein halbes Jahr Bauzeit genommen.“ Mit solchen Dingen sei in manchen Ländern zu rechnen. Die bunte kulturelle Vielfalt verlange ebenfalls Rücksicht: „Man muss zum Beispiel akzeptieren, dass in muslimischen Ländern Schweinefleisch tabu ist.“ Seit 1988 unterhält das Familienunternehmen Gauff Engineering Geschäftsbeziehungen nach Afrika. Die Schwerpunkte liegen vor allem auf der Infrastruktur. „Uns geht es um die Mobilität und Grundversorgung der Menschen“, so Andreas Raftis, Leiter Kommunikation bei dem Unternehmen aus Nürnberg. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit ausgezeichnet: „Die afrikanischen Märkte boomen mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten.“ Raftis nannte folgende Kernkompetenzen für Mitarbeiter in seinem Unternehmen: „Wir fordern ein generalistisches Denken und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.“ Nicht zuletzt zähle eine „große Portion Abenteuerlust“ zu den Grundvoraussetzungen. Richard Krauss relativiert die letzte Aussage: „Viel Zeit für Abenteuer hatte ich nicht. In den meisten Ländern wird samstags gearbeitet.“ Interessant bleibt für ihn das Anforderungsniveau: „Man kann im Ausland die ganze Bandbreite der Ingenieurkunst anwenden.“ Die Größe der Projekte und des Budgets motivierten ihn immer wieder neu: „Die Maßstäbe sind einfach ganz andere als bei uns.“ Und am Ende ist die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, oft eine für das Leben.Hallo Internationalität!
Sarah McNeill hatte immer den Wunsch, viel unterwegs zu sein – alleine schon, um die Komfortzone zu verlassen und so immer wieder aufs Neue gefordert zu sein. Bei einem deutschen Projektdienstleister lebt sie nun diesen Wunsch. Von Christoph Berger

International
– Erste Informationen zu jedem Land finden sich auf der Internetseite des Auswärtigen Amts. Dort gibt es auch Gesundheitstipps zu allen Regionen sowie eine Auflistung aller deutschen Vertretungen: www.auswaertiges-amt.de – Auch die Bundesagentur für Arbeit informiert auf ihrer Internetseite zu Arbeitsmöglichkeiten im Ausland sowie über das Dienstleistungsangebot des internationalen Netzwerkes der Bundesagentur für Arbeit, zu europäischen Projekten und zur Arbeitsaufnahme im Ausland: www.arbeitsagentur.de – Auf der Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit aufgeführt: www.bmz.de/de/ministerium/beruf/berufswunsch/arbeitsmoeglichkeiten_ausland – Auf dem Lexas Information Network gibt es eine Auflistung der Währungen mitsamt eines Währungsrechners: www.laenderdaten.de/wirtschaft/waehrungen.aspx
Aufgestiegen zum Bauleiter
Für Andreas Jorsch war es der perfekte Start: Als er 2008 sein Praktikum bei BAM Deutschland begann, kam er direkt zur Baustelle der O2-World in Berlin. Von Christoph Berger
Die multifunktionale und 60.000 Quadratmeter große Veranstaltungshalle zählt heute laut dem Branchenmagazin „Pollstar“ im internationalen Vergleich zu den 20 erfolgreichsten Arenen. Sie belegte in der Auswertung „Top 100 Arena Venues“ für das erste Halbjahr dieses Jahres Platz 17. Der Auftrag für BAM lautete: Planung und Neubau. Andreas Jorsch hatte dort die Chance, den Bauleiter bei seiner Arbeit zu begleiten, und bekam so einen ersten Vorgeschmack und Einblick in das, was er selbst einmal tun würde: für den reibungslosen Ablauf auf der Baustelle zu sorgen. „Kaffee kochen und kopieren musste ich nie“, sagt er. Er durfte gleich zu Anfang richtig mitarbeiten und bekam erste Aufgaben übertragen. Diese erledigte er zuverlässig und mit Leidenschaft. „An einem solchen Gebäude“, sagt er „baut man schließlich nur einmal in seinem Leben mit.“ Erfolgreicher Einstieg Der Kontakt zum Unternehmen war hergestellt. Und Andreas Jorsch hielt ihn. Auch seine Diplomarbeit schrieb er in Zusammenarbeit mit BAM: Das Thema war Lösungsverfahren für Klinkerfassaden. Ganz konkret ging es um die Fassade des Hackeschen Quartiers in Berlin. Zu Beginn testete er in der Theorie verschiedene Ausführungsvarianten auf ihre Qualität hin und erarbeitete auf der Grundlage der gewonnen Daten einen passenden Lösungsansatz. Damit hatte er nicht nur sein Diplom in der Tasche, sondern gleichzeitig auch seinen Arbeitgeber gefunden. BAM war überzeugt von den Fähigkeiten des jungen Absolventen und stellte ihn als Bauleiter ein. Bei seinem ersten Projekt ging es um die Umsetzung seiner Diplomarbeit in die Praxis: Er verantwortete den Bereich Klinkerfassade auf der Baustelle. Er sprach die Details mit den Fassadenbauern ab, einigte sich mit den Architekten auf ein Farbkonzept , entwickelte Verfahren für die Anbringung, überwachte die Ausführungen, betreute ausführende Firmen, vereinbarte Termine, nahm Arbeiten ab, und begutachtete mit dem Bauherren oder dessen Vertretern die Baustelle. Bei dem Hackeschen Quartier handelt es sich im Wesentlichen um eine fugenlose Stahlbetonskelettkonstruktion mit vorgehängten Fassaden aus unterschiedlichen Materialien und Ästhetiken. Im Gesamtensemble sind straßenseitig elementare Betonfertigteile, hinterlüftete Metall-Glas-Paneele, Keramikelemente, Klinker-Sonderformsteine und WDVS (Wärmedämmverbundsystem) mit Natursteinsockeln angebracht. So wurde sowohl für optische Abwechslung gesorgt als auch auf ein gut durchdachtes und nachhaltig funktionierendes Gebäude geachtet. Andreas Jorsch hatte eine lange Liste an organisatorischen Aufgaben zu bewältigen. Geholfen hat ihm dabei außer dem im Studium erworbenen Wissen ein gewisser praktischer Sinn: „Manchmal reicht schon ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand“, sagt er. „Dazu kommen natürlich Gründlichkeit in der Arbeitsweise, Verantwortungsbewusstsein sowie Entscheidungsfreude.“ Und da jedes Projekt einzigartig ist, gibt es niemals eine Patentlösung. Immer wieder muss entsprechend den bestehenden Voraussetzungen entschieden werden. Insgesamt arbeitete Andreas Jorsch an dem Projekt fast zwei Jahre mit, bis Ende 2012. Zusatzwissen erwerben Nach den letzten erfolgreichen Projekten in Berlin verließ Andreas Jorsch erst einmal für einige Monate die Welt der Baustellen: „Ich wurde in das Young-Professional-Programm von BAM Deutschland aufgenommen, in dem es vor allem darum geht, die unternehmensinternen Prozesse noch besser kennenzulernen und sein Netzwerk auszubauen.“ Die Teilnehmer dürfen sich selbst Bereiche aussuchen, in die sie gerne tiefer Einblicke bekommen möchten. Andreas Jorsch wählte die Abteilungen Arbeitsvorbereitung Haustechnik, Kalkulation und den kaufmännischen Bereich für Baustellen. In den beiden erstgenannten Bereichen hatte er bis dahin kaum Erfahrung sammeln können. Durch die Mitarbeit in der kaufmännischen Begleitung von Baustellen erhoffte er sich eine Stärkung seiner Kompetenz im Umgang mit Subunternehmern, speziell was die Verhandlungsführung betrifft. Und er nahm in der Zeit an verschiedenen Seminaren teil: Rhetorik und Präsentation, Mitarbeiterführung und Zeitmanagement waren nur einige der Themen. Ab in die Hafenstadt Momentan pendelt Andreas Jorsch zwischen seinem Wohnort Berlin und seiner aktuellen Baustelle in Hamburg hin und her. „Wenn ich mich diszipliniere, leiden meine Hobbys auch darunter nicht“, weiß er inzwischen. „Gerade vor anstehenden Projektenden wird es sportlich.“ Um ein solches Projekt geht es auch in der Hansestadt: Am Albertinen-Krankenhaus im Hamburger Stadtteil Schnelsen realisiert BAM Deutschland den schlüsselfertigen Neubau eines hochmodernen medizinischen Funktionstraktes mit Hightech- OP und Intensivbereichen, einer integrierten Frauen- und Geburtsklinik, einem Diagnostikzentrum sowie einer Notfallaufnahme mit Aufnahmezentrum. Dort unterstützt Andreas Jorsch in der Abschlussphase die Bauleitung. Er ist mitverantwortlich für die Gewerke Türen und Trockenbau. „Es dreht sich vor allem um das Thema Brandschutz und weitere baubegleitende Maßnahmen“, erzählt er. Das sind sehr führungsintensive Aufgaben. Inzwischen konnte er schon viel Erfahrung sammeln, sodass er nicht nur souveräner mit schwierigen Situationen umgeht, sondern sein Wissen auch an nachkommende Bauleiter weitergeben kann. „Bei uns gibt es immer einen Mix an erfahrenen und jungen Bauingenieuren. So ist immer ausreichend Unterstützung da“, weiß er aus eigener Erfahrung. Das Besondere bei BAM ist: „Verantwortung bekommt man sofort.“ Genau darin lag für ihn von Beginn an der Reiz seiner Arbeit. Gefallen hat ihn auch die Aufnahme durch die Projektteams: „Kommuniziert wurde direkt auf Augenhöhe. Das war auch mit den Nachunternehmern der Fall.“ Natürlich übernimmt jeder Einzelne Verantwortung, doch schließlich ist Bau immer auch Teamarbeit. „Man muss die Baustelle gemeinsam mit allen Beteiligten organisieren, nur so kommt man erfolgreich zu einem Abschluss.“Zur Person
Andreas Jorsch Studium: Bauingenieurwesen an der Hochschule Zittau/Görlitz eingestiegen 2008: als Praktikant aufgestiegen 2010: zum Bauleiter bei BAM Deutschland
Weiter durch Lernen
Für Bauingenieure gibt es nach einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss zahlreiche Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Das Angebot ist inhaltlich breit gefächert. Der karriereführer bauingenieure stellt vier Angebote vor. Von Christoph Berger
Der Titel des Studiengangs „Wirtschaftswissenschaften“ mag im ersten Moment etwas irreführend sein und den Anschein erwecken, nicht unbedingt die Bauingenieure als Zielgruppe zu haben. Doch genau die hat das von der TU Bergakademie Freiberg in Kooperation mit dem Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen angebotene Aufbaustudienangebot auch im Fokus: Zielgruppe sind Ingenieure, Architekten, Naturwissenschaftler und Mathematiker. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Hochschulabschluss in einem der genannten Fachbereiche an einer Universität oder einer gleichgestellten Hochschule beziehungsweise die Examensnote „Gut“ an einer Fachhochschule. Das Studium ist modular aufgebaut: Pflichtmodule sind Finanzbuchführung, Kosten- und Leistungsrechnung, Investition und Finanzierung sowie die Grundlagen des Privatrechts. Oligatorisch sind zudem Wahlpflichtmodule aus den Bereichen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Zudem steht über spezielle Wahlpflichtmodule ein zusätzliches Angebot zur Verfügung – entweder für eine generalistische Ausbildung oder aber für eine gezielte Schwerpunktsetzung. Bauingenieure könnten hier beispielsweise die Module „Grundlagen Bau- und Infrastrukturmanagement“, „Entwicklung und Finanzierung von Großprojekten“ oder „Öffentliches Bau- und Planungsrecht“ interessieren. Nach drei Jahren berufsbegleitendem Studium oder einem Präsenzstudium in Freiberg und mit bestandener Diplomarbeit wird den Bauingenieuren schließlich der Grad „Diplom-Wirtschaftsingenieur/-in“ verliehen. Die Weiterbildungen im berufsbegleitenden Zweig finden an zehn Wochenenden im Jahr, jeweils freitags und samstags, in Frankfurt am Main statt, ebenso wie die Prüfungen. Einen etwas anderen Schwerpunkt setzt das Kooperationsangebot der Bauhaus Akademie Schloss Ettersburg, der Bauhaus Weiterbildungsakademie Weimar und der Bauhaus-Universität Weimar. Gemeinsam haben die drei Partner ein weiterbildendes Studium entwickelt, das eine ergänzende Ausbildung von Ingenieuren auf dem Spezialgebiet „Brückenbau“ bietet. Das Studium ist berufsbegleitend auf sechs Monate angelegt. In acht Präsenzphasen, die ebenfalls freitags und samstags stattfinden, bekommen die Studierenden Einblicke und Kenntnisse zu den neuesten Entwicklungen in der Disziplin auf nationaler und internationaler Ebene vermittelt. Das thematische Spektrum reicht von Finanzierungsmöglichkeiten über Planungsgrundlagen wie Modellbildung und Analyse oder speziellen Ausführungsproblemen und -lösungen bis hin zu rechtlichen Fragen der Abrechnung und des Nachtragsmanagements. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein abgeschlossenes Hoch- oder Fachhochschulstudium in einer natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtung. Gezielt angesprochen werden Bauingenieure ohne spezielle Kenntnisse im Brückenbau beziehungsweise solche, die im konstruktiven Ingenieurbau tätig sind und ihre Kenntnisse im Brückenbau erweitern möchten. Die Teilnahme an dem Studiengang kostet 3690 Euro, vergeben wird der Titel „Fachingenieur/in für Brückenbau“. Zwischen ganz unterschiedlichen Vertiefungen können Studierende des Aufbaustudiengangs „Bauingenieurwesen“ an der TU Dresden wählen. Zur Auswahl stehen: Konstruktiver Ingenieurbau, Baubetriebswesen, Stadtbauwesen und Verkehr, Wasser und Umwelt, Computational Engineering sowie Gebäude Energie Management. Alle sind mit einem reichhaltigen Modulangebot hinterlegt. Die TU Dresden richtet sich mit dem Studiengang an Absolventen eines Bachelorstudiengangs mit mindestens 180 Leistungspunkten beziehungsweise an Absolventen eines Fachhochschulstudiums mit mindestens acht Semestern Regelstudienzeit – jeweils im Fach Bauingenieurwesen. Das Lehrangebot ist auf drei Semester verteilt. Im vierten Semester wird die Diplomarbeit angefertigt. Abgeschlossen wird mit dem akademischen Grad Diplom-Ingenieur/-in. Aufbauend auf den Schwerpunkten Konstruktiver Ingenieurbau und Infrastruktur, Wasser und Mobilität bietet der Fachbereich Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Kaiserslautern ab dem Wintersemester 2014/2015 zwei Masterstudiengänge an. Der viersemestrige Masterstudiengang „Bauingenieurwesen – Infrastruktur, Wasser und Mobilität“ enthält im Pflichtteil als Kernfächer vertiefende Studienangebote aus den Fachgebieten Wasserbau und Wasserwirtschaft, Siedlungswasserwirtschaft, Verkehr und Mobilität sowie Baubetrieb und Bauwirtschaft. Der ebenfalls auf vier Semester angelegte Masterstudiengang „Bauingenieurwesen – Konstruktiver Ingenieurbau“ sieht ein Fachstudium mit verbindlichen Fachstudienmodulen und einem Fachpraktikum vor, ein Vertiefungsstudium mit wählbaren Vertiefungsmodulen, ein ergänzendes Wahlpflichtstudium sowie Projektarbeiten und die Masterarbeit. Studierende wählen im Vertiefungsstudium drei Fächer aus: Zur Auswahl stehen Stahlbau, Massivbau, Statik sowie Bodenmechanik und Grundbau. Das vierte Vertiefungsfach besteht aus der Kombination zweier Fächer aus dem Angebot Werkstoffe, Bauphysik, Brandschutz und Baubetrieb. Bei erfolgreichem Abschluss wird in beiden Studiengängen der akademische Grad „Master of Science (M.Sc.)“ vergeben.Links zu den beschriebenen Aufbaustudiengängen
Die Ausgabe des karriereführer bauingnieure steht online zur Verfügung: www.karrierefuehrer.de/bauingenieure
- Bauhaus Weiterbildungsakademie Weimar e.V.: www.wba-weimar.de
- Technische Universität Bergakademie Freiberg: www.aufbaustudium-wirtschaftsingenieur.de
- Technische Universität Dresden: https://tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/studium
- Technische Universität Kaiserslautern: https://www.bauing.uni-kl.de/