Was fehlt noch zum Durchbruch der Elektromobilität? Haben auch andere alternative Antriebsformen Chancen? Und was bedeutet das für junge Ingenieure? Antworten gibt Florian Rothfuss, Experte für die Mobilität von morgen bei der Fraunhofer Gesellschaft. Das Interview führte André Boße.
Zur Person
Florian Rothfuss, Foto: Fraunhofer IAO
Florian Rothfuss, geboren am 2. März 1980, ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und leitet am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO das Geschäftsfeld „Mobilitäts-und Stadtsystemgestaltung“. Mit seinem Team aus Ingenieuren, Stadtplanern, Informatikern, Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen arbeitet er an Systemlösungen für die
Mobilität und die Städte der Zukunft.
Herr Rothfuss, noch immer hat die Elektromobilität den Durchbruch nicht geschafft. Was fehlt noch?
Bis vor kurzer Zeit haben die attraktiven Fahrzeugmodelle gefehlt. Es gab noch zu wenige Autos auf dem Markt, die mit Blick auf die Leistung, die Reichweite oder auch das Design mit herkömmlichen Fahrzeugen mithalten konnten. Das hat sich geändert, das Fahrzeugangebot ist nun da. Was dabei für die deutschen Hersteller spricht, ist, dass rund 60 Prozent der neu zugelassenen Elektroautos von heimischen Unternehmen kommen. Was jedoch weiterhin fehlt, ist eine flächendeckende Ladestruktur. Also nicht nur im urbanen Raum, sondern auch auf dem Land. Die Endkunden möchten ihr Elektroauto aber auch nutzen, wenn sie außerhalb von Städten unterwegs ist. Es muss daher auch außerhalb der Zentren eine Struktur geben, um flächendeckend und schnell aufzuladen.
Gibt es eine weitere technische Herausforderung, die Ingenieure noch lösen müssen?
Ein Thema ist die Prognose und auch der Verfall von Reichweite. Gerade in der kalten Jahreszeit, die Einbußen können dann bis zu 50 Prozent betragen, weil die Batterie generell durch die Kälte leidet und zudem der Nebenverbrauch zum Beispiel durch die Heizung deutlich ansteigt. Wer als Endkunde ein Auto mit einer versprochenen Reichweite von 150 Kilometern kauft, dann aber im Winter nur 75 Kilometer weit kommt, ist berechtigterweise enttäuscht. Neben den durch Batterie betriebenen Fahrzeugen entwickelt die Industrie auch weiterhin Brennstoffzellenautos, die in der Regel durch Wasserstoff angetrieben werden. Ist schon entschieden, wie der Wettbewerb der alternativen Antriebe ausgehen wird?
Es gibt aktuell eine kleine Renaissance der Brennstoffzellenfahrzeuge. Es bilden sich hier neue Allianzen aus Automobilherstellern und Gaslieferanten, erste serienverfügbare Fahrzeuge, zum Beispiel von Toyota, haben zuletzt für Aufsehen gesorgt. Welche alternative Antriebsform sich schließlich durchsetzen wird – das ist weiterhin für alle Akteure in der Branche sehr schwer einzuschätzen.
Wo liegen die Nachteile der Brennstoffzellentechnik?
Noch sind die Fahrzeuge zu teuer. Eine Infrastruktur, um die Autos mit Wasserstoff zu betanken, gibt es noch nicht, und auch die Energieeffizienz dieser Fahrzeuge ist noch deutlich ausbaufähig, denn bei der Umwandlung von chemisch gebundener Energie in Strom geht noch recht viel verloren.
Wie kann denn ein junger Ingenieur feststellen, welche Technik die Nase vorn hat?
Die Marktanteile sind ein wichtiger Indikator, und aktuell liegen Hybrid- und Batteriebetriebene Fahrzeuge vorne. Aber das ist eben noch nicht in Stein gemeißelt. Ein entscheidendes Jahr wird in meinen Augen 2020 sein: Wenn es bis dahin preislich attraktive Brennstoffzellenfahrzeuge gibt und eine Infrastruktur zur Betankung mit Wasserstoff aufgebaut ist, bekommt diese Technik ihre Chance. Ansonsten werden die mit Batterien angetriebenen Fahrzeuge in fünf Jahren schon so weit sein, dass die Brennstoffzellentechnik diesen Rückstand kaum noch aufholen kann.
Mit Blick auf den Ingenieurnachwuchs: Was macht den Einstieg in die Autoindustrie derzeit besonders spannend?
Die Branche befindet sich in einem echten Umbruch. Es geht nicht nur mehr darum, die Fahrzeuge zu optimieren und den letzten Prozentpunkt aus einem Getriebe herauszuholen. Die Ingenieure dürfen neu denken. Sie müssen es sogar. Und gerade die jungen Ingenieure haben sehr gute Chancen, relativ schnell aufzusteigen. Sie bekommen an den Unis und Hochschulen den neuesten Stand des Wissens vermittelt und kommen damit in die Unternehmen, wo sie auf ältere Ingenieure treffen, die zwar viele Erfahrungen mit Verbrennungsmotoren mitbringen, aber im Bereich der Elektromobilität weniger Know-how besitzen. Der Nachwuchs muss sich nun vielfach nicht mehr über Jahre hinweg hocharbeiten, sondern kann sich zügig als ein echter Experte in einem der neuen Bereiche etablieren.
Wer als Ingenieur in der Autoindustrie anfängt, steigt in eine Branche im Umbruch ein. Ob IT oder Elektrotechnik: Die Fahrzeuge entwickeln sich zu komplexen und vernetzten Systemen. Gefragt sind neugierige Entwickler, die auch Marketing und Ethik mitdenken und bei aller Leidenschaft fürs Auto Freude daran haben, ganz neue Mobilitätskonzepte zu entwerfen. Von André Boße
Ein gutes Auto vor 20 Jahren? Hatte fünf Gänge, acht Zylinder – und vermittelte ein gutes Fahrgefühl. Und morgen? Werden wir bei einem guten Auto von ganz anderen Dingen reden. Von elektrischen Antrieben. Von vernetzten IT-Komponenten an Bord, die miteinander kommunizieren und Kontakt zu anderen Autos aufnehmen. Und von Fahrerassistenzsystemen, die schon bald so ausgeklügelt sein werden, dass sie in der Lage sind, das Auto selbst zu steuern, ganz autonom, ohne Zutun des Fahrers. Das Auto wird zwar auch in Zukunft in erster Linie ein individuelles Fortbewegungsmittel bleiben. Es wird aber zugleich auch Teil eines digital vernetzten Mobilitätssystems sein.
Plädoyer für die grundlegenden Dinge
Was das für den Autoingenieur der Zukunft bedeutet? Die Frage geht an Dr. Ulrich Knödel, den leitenden Ingenieur bei Getrag, einem Unternehmen aus der Region Heilbronn, das die Autoindustrie seit vielen Jahren mit Getrieben beliefert. Man erwartet von ihm eine Antwort mit vielen neuen technischen Schlagworten, mit Begriffen aus der IT oder sogar der Kybernetik. Alles auch wichtig, sagt er. „Ich plädiere jedoch dafür, sich als Berufseinsteiger auf die Grundlagen zu konzentrieren: Elektrotechnik, Elektronik, Technische Mechanik, Strömungslehre, Thermodynamik.“ Zugegeben, diese Grundlagen seien auf dem Studienplan oftmals die unpopulären Disziplinen. „Aber sie setzen den Nachwuchsingenieur in die Lage, sich später auf unbekanntem Terrain zu bewegen und neue Themen selbst zu erarbeiten. Und darauf kommt es an.“
Die Rückbesinnung auf die grundlegenden Wissensgebiete der Ingenieurwissenschaften hat einen Grund: Durch die Elektrifizierung immer weiterer Teilbereiche ist das Auto zu einem so komplexen Produkt geworden, dass man die vielen technischen Zusammenhänge mit einem einzigen Studium gar nicht mehr abbilden kann. Wer als Ingenieur hier und dort ein wenig hineinschnuppert, erhält zwar eine Idee von der Vielfalt der Themen. Es bestehe, so Knödel, aber auch die Gefahr, dass man sich überall ein bisschen auskennt, aber nirgendwo so richtig. Auf Basis der Grundlagen tue man sich dagegen leichter, sich in die verschiedenen Bereiche einzuarbeiten, wenn es beim Job darauf ankommt. Und das ist die bessere Taktik.
Der Ratschlag zeigt, wie sehr die neue Mobilität die Arbeit der Ingenieure in der Automobilindustrie verändert. „Die Anforderungen an unsere Ingenieurteams werden immer höher“, sagt Ulrich Knödel. Im Bereich des Antriebsstrangs gebe es heute eine Vielzahl von Disziplinen, die eine Rolle spielen. „So ist weiterhin die mechanische Konstruktion wichtig, da auch elektrische Antriebe Drehmomente auf die Achse verteilen – und dafür benötigen auch die Elektroautos Stahl und Eisen im Triebstrang. Hinzu kommen die Themen, die sich durch die Elektrifizierung vieler Komponenten im Auto ergeben, wobei diese heute vielfach auch noch miteinander kommunizieren und zusammenwirken.“ Generalisten, die alle technischen Bereiche eines Autos beherrschen, werden daher immer seltener. Und selbst der Weg zum Spezialisten ist schwierig, weil sich die Technik und ihre Ansprüche sehr schnell ändern und die Erkenntnisse immer neuer Disziplinen einfließen.
Das DRIVE-E-Programm
DRIVE-E wurde 2009 vom BMBF und der Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam initiiert. Das studentische Nachwuchsprogramm zum Thema Elektromobilität besteht aus dem DRIVE-E-Studienpreis und der DRIVE-E-Akademie. Mit dem Studienpreis zeichnen die Veranstalter hervorragende, innovative studentische Arbeiten zur Elektromobilität aus. Die jährlich stattfindende Akademie bietet die Möglichkeit, einen exklusiven Einblick in die Theorie und Praxis der Elektromobilität zu gewinnen. Seit 2012 wird DRIVE-E in Partnerschaft mit einer jährlich wechselnden Hochschule durchgeführt. Hochschulpartner 2015 ist die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Weitere Informationen
Werkstatt und Silicon Valley
So entsteht eine neue Welt der individuellen Mobilität, in der IT-Themen wichtiger sind als klassische Motortüfteleien. Wer heute als Ingenieur in die Autoindustrie einsteigt, verbindet im Idealfall die alte mit der neuen Welt. „Bei uns ist man richtig, wenn man mit großem Spaß in der heimischen Garage am Auto bastelt und zeitgleich von den Entwicklungen im Silicon Valley fasziniert ist“, sagt Ralf Hunecke, Leiter des Personalmanagements bei BMW. Im Silicon Valley entstehen schließlich die großen Innovationen der vernetzten und digitalen Technik. Was die Unternehmen dort besonders gut können, ist, die Bedürfnisse der Kunden treffsicher und schnell zu erkennen und in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Und darum, so Hunecke, gehe es heute auch in der Autoindustrie. „Das Thema Kundenorientierung hat im Zuge der neuen Mobilität noch mehr an Bedeutung gewonnen. Es geht nicht nur darum, was technisch möglich ist. Im Fokus steht, was die Kunden wollen.“
Ingenieure tüfteln also nicht länger abgeschottet an neuen Ideen und präsentieren sie dann einer staunenden Kundschaft. Sie müssen auch Themen wie Marketing oder Ethik mitdenken. „Den klassischen Ingenieur, der am liebsten alleine vor sich hintüftelt, gibt es zwar noch hier und da. Aber der Trend geht woanders hin“, so der BMW-Personalleiter. Gefragt seien heute Ingenieure, die Spaß daran haben, intensiv in Teams zu arbeiten. „Nicht nur in internen Teams, sondern auch in Netzwerken mit Forschern oder auch Mitarbeitern anderer Automobilunternehmen. Es geht in vielen Bereichen der neuen Mobilität darum, gemeinsam neue Lösungen zu finden. Dabei werden viele alte Grenzen überwunden.“
Arbeitgeberwechsel? Kein Problem
Das gilt auch für die Unternehmenskultur in den Konzernen. Der Idee des Ingenieurs, der sein Leben lang für einen Autobauer arbeitet, wohnt zwar eine Romantik inne. Wirklich zeitgemäß ist sie jedoch nicht mehr. „Wir müssen uns als Konzern daran gewöhnen, dass gute Leute nach einer gewissen Zeit eventuell weiterziehen, weil sie noch andere Erfahrungen sammeln möchten“, sagt Ralf Hunecke. Gerade in besonders innovativen Bereichen müsse man den talentierten Leuten die Möglichkeit geben, den Arbeitgeber zu wechseln, ohne dass dieser Schritt gleich als Hochverrat eingestuft wird. „In diesem Sinne benötigen wir neben Konzepten, die Mitarbeiter zu binden, auch eine gute Trennungskultur, denn dort, wo Innovationen entstehen sollen, ist es hilfreich, wenn mit neuen Leuten immer wieder auch neue Ideen ins Unternehmen kommen.“
Wie wichtig diese neuen Entwicklungen für die Mobilität der Zukunft sind, verdeutlicht Jürgen Schenk, Chief Engineer Electric Vehicles bei Daimler. „Innovationen sind heute mehr denn je der Schlüssel zum Erfolg“, sagt er. Um diese auf den Weg zu bringen, setzt der Konzern auf Teams, bei denen Diversity eine große Rolle spielt. „Wir legen Wert darauf, Fachkräfte unterschiedlicher Arbeitsgenerationen, Fachdisziplinen, Kulturen und Nationen zusammenzubringen.“ Bezeichnend ist, dass Daimler sich längst nicht mehr nur als Autohersteller sieht, sondern als Dienstleister. Das Ziel: die Innovationsführerschaft im Bereich urbaner Mobilitätskonzepte.
Es gehe daher bei Elektromobilität längst nicht mehr ausschließlich um das Produkt Auto selbst. „Das veränderte Nutzungsverhalten erfordert neue Systemansätze, Mobilitätskonzepte, intelligente Vernetzung und maßgeschneiderte Dienstleistungen“, sagt Schenk. Die Zukunft der Mobilität – sie wird smart, daran lässt der Daimler-E-Mobility-Manager keinen Zweifel. „Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien spielen in der Elektromobilität eine wichtige Rolle. Sie steuern alle wichtigen Funktionen im Fahrzeug und bilden die Grundlage für dessen Integration in zukünftige intelligente Energie- und Verkehrssysteme.“
Vom Wandel begeistern lassen
Bleibt noch die Frage, ob man die Ingenieure auf Dauer damit überfordert, wenn diese auf so vielen Ebenen denken und handeln müssen – zumal die Elektromobilität zwar überall als Technik der Zukunft gilt, der Durchbruch auf den deutschen Straßen aber noch aussteht. „Nachwuchskräfte, die an der Zukunft der Mobilität arbeiten wollen, sollten unbedingt eine Faszination für Neues mitbringen“, sagt Konstantin Drozhdin, Head of Corporate Employer Branding & Strategic Recruiting bei Continental, dem größten Zulieferer für die deutsche Autoindustrie. In der Autoindustrie hat man auch erkannt, dass es vor allem bei den Entwicklungsingenieuren und Führungskräften einen Ausgleich zur ständigen Lern- und Leistungsbereitschaft geben muss.
„Neben den vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten ist uns auch eine ausgeglichene Work-Life-Balance wichtig. Zudem unterstützen wir unsere Führungskräfte dabei, in ihrer Rolle zu wachsen und Realismus und Innovationen miteinander zu verknüpfen“, sagt Konstantin Drozhdin. Die Mobilität der Zukunft mitzugestalten, ist eine große Herausforderung. Die Unternehmen wissen das nicht nur. Sie wissen es auch wertzuschätzen.
Elektroauto: Gar nicht mehr so teuer
Die hohen Anschaffungspreise für Elektrofahrzeuge stellen bislang eine der größten Hürden für die Etablierung der E-Mobilität in Deutschland dar. Doch dieses Argument könnte bald hinfällig werden, wie eine Studie der Managementberatung Horváth & Partners zeigt: Waren Elektrofahrzeuge bis 2010 noch fast doppelt so teuer wie vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, beträgt der Preisaufschlag für Elektrofahrzeuge, die 2013 neu auf den Markt gekommen sind, im Durchschnitt nur noch knapp 45 Prozent. Würde sich der Trend fortsetzen, läge der Aufpreis für Elektrofahrzeuge bis 2020 deutlich unter zehn Prozent, schätzt das Beratungsunternehmen.
Horváth & Partners: Fakten-Check Mobilität 3.0
Unternehmensgeschichte
Als erster Ansprechpartner für den DB-Vorstand und die Geschäftsfeldleitungen entwickeln wir wegweisende Konzepte für die strategischen und operativen Herausforderungen der Bahn und setzen sie wirksam um. Mit 80 Consultants in 8 Practices beraten wir Vorstände und Geschäftsfeldleitungen aller DB-Ressorts. Unsere Projektvielfalt reicht von der Pilotierung des automatisierten Bahnbetriebs mit der Digitalen S-Bahn Hamburg, über die Entwicklung digitaler Kundenservices, bspw. dem Komfort Check-in, bis zur Umsetzung der Operativen Exzellenz in unseren ICE-Instandhaltungswerken. Als Inhouse-Beratung sind wir dichter dran am Kerngeschäft, an Entwicklungen und Trends der Mobilitäts- und Logistikbranche, allen Entscheidungsträgern und unseren Auftraggebern.
Anzahl der Standorte in Deutschland
Frankfurt am Main, Berlin
Mitarbeiterförderung
• 10 Schulungstage pro Jahr (für hochwertige interne und externe Trainings)
• regelmäßiges Feedback im Projektverlauf
• halbjährliche Entwicklungsgespräche
Tätigkeitsbereiche
• General Management (Neuausrichtung von Geschäften, PMI, Programm-Management)
• Digitalisierung (Digitalisierung der Kundenschnittstelle, Prozessdigitalisierung)
• Marketing & Sales (Marktstrategie, Pricing, Produkt-/ Innovationsmanagement)
• Operations (Instandhaltung, Betrieb und Disposition, Asset Management)
• Corporate Functions (Steuerung von Leistungsbeziehungen, Optimierung der Beschaffung, Make or buy)
• Mobilität (Produktentwicklung, Qualität & Kundenzufriedenheit)
• Logistik (Europ. Schienengüterverkehr, Globale Logistikdienstleistungen)
• Infrastruktur (Schieneninfrastruktur, Personenbahnhöfe, Energieversorgung)
Karriereaussichten
Sechs Karrierestufen und vielfältige Perspektiven in verantwortungsvollen Positionen im DB-Konzern.
Die Generation Z ist im Anmarsch, und sie denkt komplett anders als ihre Vorgängergeneration, die Y. Die Einsteiger von morgen trennen wieder scharf zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie machen es sich gemütlich in ihrer kleinen Welt und geben sich schnell zufrieden. Das Problem: Weder führen sie gerne, noch stellen sie sich den großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Saarbrücker BWL-Professor Christian Scholz hat als einer der ersten die kommende Generation Z und ihren Einfluss auf die Berufswelt analysiert. Sein Rat an die Führungskräfte, die bald auf diese jungen Menschen treffen: in Twitter-Häppchen erklären und die Ponyhof-Idylle stören. Das Interview führte André Boße
Zur Person
Christian Scholz (geboren am 18.10.1952 in Vöcklabruck/Oberösterreich) studierte in Regensburg und an der Harvard Business School und ist seit 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Er etablierte sich als Experte für Personalmanagement, schrieb in diesem Bereich Standarwerke und prägte für die moderne Arbeitswelt den Begriff des „Darwiportunismus“: Auf der einen Seite gilt der Darwinismus, nach dem Unternehmen die Besten wählen und die weniger Guten aussortieren, auf der anderen Seite handeln die Menschen opportunistisch, in dem sie ihre Chance suchen und sich anpassen.
Herr Scholz, wie unterscheidet sich die Generation Z von der Generation Y?
Vertreter der Generation Y haben beim Einstieg in den Job davon geträumt, Karriere zu machen. Sie haben geglaubt, dass sich Leistung lohnt, dass sich Loyalität auszahlt. Kurz: diese Generation war optimistisch. Sie hat Chancen gesehen, war motiviert, diese zu ergreifen, und hat dafür in Kauf genommen, dass sich die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben aufgelöst hat.
Nun kommt die Generation Z …
… ja, und diese hat sehr genau hingeschaut, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Sie hat erkannt, dass die Karrierechancen gar nicht so groß sind, wie man geglaubt hat. Dass die Karriere zudem mit Phänomenen wie Stress oder Burn-out einhergehen kann. Und dass Unternehmen abseits ihrer Formulierungen auf den Homepages und in Hochglanzbroschüren weiterhin ganz andere Dinge im Kopf haben, als sich tatsächlich um das Wohl ihrer Mitarbeiter zu kümmern.
Wie tritt denn die Generation Z im Vergleich zur Vorgängergeneration in den Unternehmen auf?
Emotional distanzierter. Auch für diese Generation ist der Arbeitsplatz im Unternehmen ein Teil des Lebens – allerdings ein klar abgegrenzter Teil. Es wird also wieder eindeutig zwischen Arbeitszeit und Privatleben getrennt.
Erledigen sich damit alle Konzepte der Work-Life-Balance?
Bei den Vertretern der Generation Z, ja. Nehmen wir die Modelle zur flexiblen Arbeitszeit: Vertreter der Generation Z halten davon wenig. Sie gestalten ihr Leben wieder streng nach der Uhr: Um 17 Uhr beginnt die Freizeit, dann wird der Hebel umgelegt. Die Generation Z begreift, dass die so genannten Angebote zur Work-Life-Balance in Wirklichkeit deutliche Aufforderungen waren, flexibel zu sein und rund um die Uhr für das Unternehmen mitzudenken. Sie hat erkannt, dass es sich hier eher um ein Work-Life-Blendwerk handelte – und nun zielt sie auf eine Work-Life-Trennung.
Für Personaler kommt diese kommende Generation zur Unzeit, schließlich fangen viele Unternehmen gerade erst an, ernst zu nehmende Konzepte zur Work-Life-Balance zu etablieren.
Schon vor 15 Jahren, als die ersten Vertreter der Generation Y losgelaufen sind, hätten Unternehmen hier aktiv werden müssen. Nicht erst heute. Jetzt werden Unternehmen zum erneuten Handeln gezwungen, denn die Denkmuster der Generation Z sind ansteckend. Die anderen Generationen beobachten das Verhalten der Z-Vertreter und fragen sich: Warum nehmen sich die jungen Kollegen feste Arbeitszeiten heraus – und ich nicht? Aus diesem Grund ist es für Unternehmen und ihre Führungskräfte so wichtig, sich auf das Denken der kommenden Generation rasch und differenziert einzustellen. Der Einfluss der Generation Z wird sehr schnell wachsen. Zumal diese jungen Menschen nicht mit einem flauen Gefühl im Bauch um fünf nach Hause gehen – sondern eben glücklich und zufrieden.
Das Buch
Generation Z, WILEY VCH WEINHEIM
„Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt“ ist eine spannend zu lesende Gesellschaftsanalyse, die beschreibt, wie sich die Arbeitswelt durch den Auftritt der neuen Generation Z ändern wird. Christian Scholz legt dar, dass diese kommende Generation nicht willkürlich oder aus Bequemlichkeit so denkt, sondern dass ihre Ansichten logisch zu erklären sind. In seinen Schlussfolgerungen plädiert der Autor für ein Miteinander der Generationen, wobei der Generation Y hier große Chancen hat: Sie ist eher in der Lage, zu differenzieren und zu motivieren.
„Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt“, ISBN-13: 978-3527508075
Man könnte beinahe sagen: unverschämt glücklich und zufrieden.
Aus Sicht der Vorgängergenerationen könnte man das sagen, ja. Auffällig ist, dass die Generation Z bescheidener, weniger materialistisch daherkommt. Ein kleines Auto reicht. Urlaub an der deutschen Küste ist auch okay. Ein Abend zuhause auf der Couch ist eine wunderbare Vorstellung. Eigentlich fehlt nur noch der Gartenzwerg. Vor allem aber: Die Generation Z ist mit sich selbst im reinen. Und hier unterscheidet sie sich vor allem von der Generation X: Diese tickte, was die Trennung von Arbeit und Privatleben betrifft ganz ähnlich wie die Z, war aber tendenziell unzufrieden.
Zufriedene junge Menschen, das klingt zunächst einmal gut. Oder?
Was gut ist: Ein Vertreter der Generation Z, der auf seine Pausenzeiten achtet und um fünf nach Hause geht, leistet teilweise mehr als manch ein Workaholic aus der Generation Y, der von Projekt zu Projekt hetzt, sich dabei verliert und dann im Burn-out landet. Es gibt aber auch ernstzunehmende Schwierigkeiten: So wollen die jungen Menschen der Generation Z nur ungern Führungsverantwortung übernehmen.
Warum ist das so?
Weil es Zeit und Nerven kostet. Es gefährdet die Zufriedenheit. Führung bedeutet, Ziele vorzugeben und andere Menschen zu begleiten, zu beurteilen, zu lenken, zu kritisieren. Und das passt nicht in die Harmonieseligkeit, nach der diese Generation strebt.
Woran machen Sie diesen Wunsch nach Harmonie fest?
Zum Beispiel daran, wie die Generation Z ihre Arbeitsplätze einrichtet. Die Generation Y hat das gesamte Unternehmen im Blick. Sie sucht nach Sinn in ihrer Tätigkeit, schaut auf das Verhalten und die Werte des Arbeitgebers. Das ist der Generation Z viel zu komplex. Der Arbeitsplatz ist hier ganz wörtlich das eigene Büro mit zwei, drei engen Kollegen, Zimmerpflanze und Teetasse auf dem Tisch, dazu Fotos vom Freund oder der Freundin. Eine kleine Pippi-Langstrumpf-Welt. Man kann auch sagen: spießig. Es fehlt noch der Ärmelschoner, dann wären wir bei Heinz Erhardt, also dem fleißigen Angestellten der Wirtschaftswunderzeit. Ideen wie flexible Arbeitsplätze und Großraumbüros gehen nicht nur an dieser Generation vorbei, sondern stoßen zwangsläufig auf Ablehnung.
Diese kleine, beinahe spießige Welt in den großen Unternehmen, die sich mit den komplexen Themen dieser Zeit beschäftigen müssen – kann das gut gehen?
Hier liegt das große Problem. Die Unternehmen sind in einer globalisierten Welt tätig. Es stehen die großen Themen Umweltschutz, Klimawandel und soziale Gerechtigkeit an, und es fällt so schwer wie nie zuvor, die jungen Menschen dazu zu bewegen, gesellschaftlich oder politisch zu denken. Mehr noch, sie bekommen die gravierenden Änderungen in der Arbeits- und Bildungswelt, die auch sie negativ betreffen, häufig gar nicht mit. Wenn ich auf meine Uni in Saarbrücken schaue: Früher konnte ich in Vorlesungen die Themen aufgreifen, die am Abend zuvor in einem der politischen TV-Magazine gezeigt wurden. Heute geht das alleine schon deshalb nicht mehr, weil diese Sendungen nicht geschaut werden. Ich müsste schon über Kochshows reden, um die jungen Menschen abzuholen.
Waren die anderen Generationen in dieser Hinsicht wirklich anders?
Aus meiner Sicht waren sie definitiv anders, aber natürlich nicht besser. In der Generation der Baby-Boomer wurde an der Universität für gesellschaftspolitische Ziele gestreikt. Es war aber auch die Zeit von Vietnam und es wurden zum ersten Mal wirkliche Unterschiede zwischen Arm und Reich deutlich, was dann im Wertemuster der Generation X deutlich wurde. Die Generation Y erlebte die Bologna-Reform, und der typische Vertreter dieser Generation jubelte damals: Ein einfacheres und an den Zielen der Unternehmen ausgerichtetes Studium – schon nach drei Jahren fertig und dann mit dem Bachelor genauso viel Gehalt wie mit einem Diplom: eine super Sache. Die Generation Z sieht, dass das alles nicht so geworden ist. Sie akzeptiert das neue System, zieht aber ihre Konsequenzen: Wenn gute Noten wichtig sind, dann ist halt alles abseits des Zauberwortes „klausurrelevant“ automatisch für mich irrelevant.
Was stelle ich als junge Führungskraft mit dieser kommenden Generation an? Wie begeistere ich sie, auch einmal mehr zu tun, als nötig?
Ich bin kein Ponyhof-Verfechter, glaube also nicht, dass es sinnvoll ist, eindimensional auf die Bedürfnisse der Generation Z einzugehen. Diese soll und darf zwar durchaus ihre Wünsche artikulieren. Eine junge Führungskraft der Generation Y darf das aber auch. Sie darf also sagen: „An dieser Stelle spiele ich nicht mit.“ Die Generation Z ist schlau genug, dann Kompromisse einzugehen, denn das ist die beste Art, um die Harmonie aufrecht zu erhalten. Wichtig für Führungskräfte wird es in Zukunft sein, richtig einzuschätzen, welche Denkmuster die Mitglieder im Team haben. Ich muss erkennen können: Wer denkt wie Y, wer denkt wie Z. Was kann ich von dem einen verlangen, was von dem anderen. Hier haben junge Führungskräfte der Generation Y einen Vorteil, denn für ältere Führungskräfte ist diese Differenzierung häufig schwerer als für junge. Gerade Baby-Boomer neigen dazu, alle jungen Menschen in eine Schublade zu legen, anstatt zwischen den jungen Generationen zu unterscheiden.
Wie gelingt diese Unterscheidung? Schließlich steht die Generationenzugehörigkeit nicht auf dem Hemdkragen.
Das ist richtig. Aber wenn ich den Leuten genau zuhöre und weiß, worauf ich achten muss, bekomme ich schnell Hinweise auf das Denkmuster. Man kann ja mal fragen: Was ist dir gerade wichtig? Der Y-Typ sagt dann vielleicht, er erweitere gerade seinen beruflichen Horizont durch eine Fortbildung, die ihn auch persönlich weiterbringen soll. Der Z-Typ hingegen erzählt von seinem Tanzkurs oder seinem Urban-Gardening-Projekt.
Noch einmal: Wie reagiere ich darauf?
Ich muss verhandeln: „Die festen Arbeitszeiten, die du dir wünschst, sind okay – aber nur unter bestimmten Bedingungen.“ Vor allem muss ich sehr viel kleinteilig erklären. Einer der meist gehörten Sprüche lautet: „Das hat mir aber keiner gesagt.“ Sie glauben gar nicht, wie oft ich diesen Satz auch von Studenten höre und mit großen Augen angeschaut werde. (lacht)
Wie ändert sich dadurch die Feedback-Kultur?
Einem Z-Typ darf ich nicht ins Gesicht sagen, dass er etwas falsch gemacht hat. Das würde ihn völlig durcheinander bringen. Die Generation Z ist schon durch Facebook gewöhnt, dass es ein „Like“ gibt – aber kein „Not-Like“. Einen Vertreter der Generation Z entwickele ich stattdessen weiter, indem ich die nächste Aufgabe noch präziser erkläre und in kleinen Schritten vorgehe. Man könnte sagen: durch „Twitter“-Schritte. Vertreter der Generation Y dagegen wollen Karriere machen und wollen aus eigenen Stücken besser werden. Daher verlangen sie ausdrücklich nach der langfristigen Perspektive und nach einem ehrlichen Feedback. Führungskräfte müssen also beide Arten des Feedbacks beherrschen. Das ist kein Hexenwerk, aber auch das Unternehmen als ganzes muss in seiner Personalarbeit bereit sein, derartige Differenzierungen vorzunehmen. Daran scheitert es häufig, weil es unbequem ist, Unterschiede zu machen. Dann ist es einfacher zu sagen: „Irgendwie sind doch alle Generationen gleich.“
Bleibt die Frage: Was kommt nach der Generation Z?
Die meisten glauben an eine Art Generation Alpha, die wieder anders ticken wird. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Generation Z das letzte noch fehlende Puzzleteil der Generationenmatrix ist. Sie wird mit ihren Impulsen die anderen Generationen verändern – so, wie auch schon die Generation Y als die ersten Digital Natives die Älteren verändert hat. Die Grenzen zwischen den Generationen werden verwischen, sodass wir bald keine altersspezifischen Milieus mehr haben, sondern Gruppen, die von Denkmustern geprägt werden. Das traditionelle Generationenkonzept löst sich damit auf: Es gibt dann den 15 Jahre alten Baby-Boomer und den 60-jährigen Mitarbeiter Typ Z.
Generationen-Glossar
Generationen sind Schubladen, die dabei helfen, Eigenarten von Altersgenossen zu analysieren. Selbstverständlich überlappen sich die Generationen, auch trägt kein Mensch einen Stempel auf der Stirn. Dennoch: Wer als Führungskraft typische Denkmuster erkennen möchte, sollte die verschiedenen Generationen kennen – von denen die Generation Z die jüngste ist.
Baby-Boomer
Geboren zwischen 1955 und 1969, den in Deutschland geburtenstarken Jahrgängen. Die Generation der Baby-Boomer war in mancher Hinsicht idealistisch und wollte eine bessere Welt, sie agierte aber zunehmend opportunistisch und nutzte ihre Karrierechancen. Vertreter dieser Generation besetzen heute häufig noch das Top-Management; die ersten verabschieden sich in absehbarer Zeit in den Ruhestand.
Generation X
Geboren Ende der 1960er bis Mitte der 1970er-Jahre. Anders als ihre Vorgängergeneration machte sie sich keine Illusionen über die Gesellschaft oder die eigene Zukunft. Visionen und Utopien spielten keine Rolle, es gab auch kaum eigene Aufstiegserwartungen.
Generation Y
Geboren Ende der 1970er- bis Mitte der 1990er-Jahre. Die Generation besinnt sich auf Begriffe wie Sinn und Werte, strebt auch in der Arbeitswelt die persönliche Weiterentwicklung und Selbstentfaltung an. Geprägt wird sie durch die Chancen und Gefahren der Globalisierung und Digitalisierung.
Generation Z
Geboren ab Ende der 1990er-Jahre. Die jüngste Generation erkennt, dass der Plan der Generation Y nicht aufgegangen ist. Sie trennt daher wieder klar zwischen Arbeits- und Privatleben, legt Wert auf Harmonie und bastelt am Lebensglück in er eigenen kleinen Welt.
Wirtschaftsrecht – Mit Recht zum Unternehmenserfolg
Gefragt. Aus der modernen Wirtschaft sind Juristen als rechtliche Berater nicht mehr wegzudenken. Sie gestalten Regeln, schützen vor Haftung, entschärfen Risiken und denken strategisch. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Wirtschaftsrechtlern – wobei der Nachwuchs auf eine Branche mit steigenden Qualitätsansprüchen trifft.
Auch wenn sie schon im ersten Semester vom Jura-Studium geschockt war, hielt Inger-Maria Mahlke, geboren 1977 in Hamburg, bis zum Ersten Staatsexamen durch. Anschließend aber tat sie das, was sie tun wollte, seit sie fünf Jahre alt war: schreiben. Und das bis heute sehr erfolgreich, sie heimste mehrere Preise ein. Ihr neuer Roman „Wie ihr wollt“ erschien im März dieses Jahres. Das Interview führte Meike Nachtwey
Um Romane und fiktive Texte schreiben zu können, braucht man Fantasie. Braucht man die auch, um Jura zu studieren?
Eigentlich nicht. Jura ist sehr faktisch, und man muss sich immer genau an den Wortlaut halten. Sich selbst etwas auszudenken, ist in diesem Bereich nicht zielführend.
Warum haben Sie Jura studiert?
Ich habe aus dem gleichen Grund Jura studiert, aus dem wahrscheinlich viele dieses Fach gewählt haben: Ich wusste nicht genau, was ich studieren wollte. BWL kam für mich gar nicht infrage, und von Jura haben alle gesagt, dass man nachher ganz viele verschiedene interessante berufliche Wege damit einschlagen kann. Ich habe aber dann nach dem Ersten Staatsexamen doch aufgehört, bin also keine Volljuristin.
Warum haben Sie nicht weitergemacht?
Ich war schon im ersten Semester so geschockt von dem Studium, dass ich erst einmal nicht weitermachen wollte. In der AG Staatsrecht hatte der Dozent eine Anleitung zur Falllösung herausgegeben. Es sei nicht notwendig, eigene Argumente zu entwickeln, stand darin, es ginge bei der Fallbearbeitung nur darum zu zeigen, dass man die Argumente anderer anwenden könne. Nicht selber denken war die Botschaft, oder nur im bereits abgesteckten Rahmen. Ich wollte aber auch nicht noch ein anderes Studium beginnen, und habe mir dann überlegt, dass ich dieses Studium auf jeden Fall zu Ende bringe, damit ich zumindest ein abgeschlossenes Studium in der Tasche habe. Und so habe ich das Studium möglichst schnell durchgezogen, auch wenn mir klar war, dass ich niemals im juristischen Bereich arbeiten will.
Sie haben trotzdem noch an Projekten des Instituts für Kriminologie der FU Berlin mitgearbeitet – wieso?
Ich habe Kriminologie als Wahlfach gewählt, weil es das unjuristischste war, das ich finden konnte. Und es war mit Abstand das für mich Interessanteste, was ich in diesem Studium gemacht habe. Dieses Fach setzt sich mit soziologischen, psychologischen und kriminologischen Aspekten der Kriminologie auseinander, und das fand ich sehr spannend.
Was hat Ihnen an der Arbeit am Institut besonders gefallen?
Ich konnte mich intensiv auf interessante Themen einlassen, durfte auch mal ungewöhnlich denken und andere als die üblichen Quellen hinzuziehen, etwa philosophische Texte. Zudem besteht die Arbeit auch darin, sehr konkret über menschliches Handeln nachzudenken, was bewertungsfrei verläuft – im Gegensatz zum juristischen Denken, wo es um die permanente Bewertung menschlichen Handelns geht.
Wie kamen Sie dann zur Schriftstellerei?
Das wollte ich schon, seit ich fünf Jahre alt war. Da wusste ich nur noch nicht, wie man das macht. Es war mir auch lange unbekannt, dass man Schriftstellerei in Leipzig studieren kann. Und so habe ich einfach geschrieben. Bis ich schlussendlich das Selbstbild hatte: Ich kann schreiben und ich bin jetzt Schriftstellerin.
Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Romane?
Jeden Tag vor die Tür gehen, Menschen sehen und über sie nachdenken. Außerdem braucht man eine gewisse Neugier. Ich habe als Kind meine Mutter fast wahnsinnig gemacht, weil ich immer nach dem „Warum“ gefragt habe. Und das „Warum“ ist bis heute meine Motivation zum Schreiben, es ist ein Versuch, das Leben, die Menschen und die Welt zu verstehen.
Beeinflusst Ihre Kenntnis der Rechtswissenschaften Ihre heutige Tätigkeit?
Wenn im Roman etwas vorkommt, das rechtlich relevant ist – zum Beispiel gab es im letzten Roman ein Insolvenzverfahren –, dann gebe ich mir Mühe, dass alles rechtlich richtig geschrieben ist. Außerdem wurde mir schon häufig gesagt, dass mein Umgang mit Sprache sehr präzise ist. Das ist in den Rechtswissenschaften ja auch so. Hier ist jeder Begriff genau definiert, und man muss sich präzise ausdrücken. Diese Präzision habe ich mir aus dem Juristischen ins Literarische hinübergerettet.
Sie haben einige Preise und Stipendien als Schriftstellerin gewonnen. Über welchen haben Sie sich am meisten gefreut?
Über den ersten Preis, den „Open Mike“ (deutschsprachiger Nachwuchswettbewerb für Prosa und Lyrik, Anm. d. Red.), habe ich mich besonders gefreut, weil er so überraschend kam.
Welcher Fall würde Sie doch noch dazu bringen, als Anwältin arbeiten zu wollen?
Es gibt viele Fälle, gerade im strafrechtlichen Bereich, die mich interessiert haben, da kann ich gar keinen konkreten herauspicken.
Welches Gesetz würden Sie ändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten? Und warum?
Das Asylgesetz. Ich würde es grundrechtskonform ausgestalten, denn das ist es meiner Meinung nach nicht.
Wie gehen Sie mit den Urteilen um, die Rezensenten über Ihre Bücher fällen?
Ich habe bisher ja ziemlich viel Glück gehabt, was das angeht, von daher kann ich damit gut umgehen. Diejenigen, die negativ waren, treffen einen ja nur, wenn man weiß, dass sie eigentlich stimmen.
Haben Sie einen Tipp für junge Juristinnen und Juristen, die an ihrer Studienwahl zweifeln?
Das Studium so schnell wie möglich abschließen und anschließend machen, was ihnen wirklich am Herzen liegt. Oder das Studium hinschmeißen und machen, was ihnen am Herzen liegt.
Buchtipp
Inger-Maria Mahlke: Wie Ihr wollt.
Berlin Verlag 2015.
ISBN 978-3827012135.
19,99 Euro
Der erste Prozess ist etwas ganz Besonderes – endlich geht es von der trockenen Theorie in die spannende Praxis. Doch woran muss man vorher alles denken? Was muss für die mündliche Verhandlung vorbereitet werden? Dr. Lisa B. Reiser berät Mandanten zu gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Streitigkeiten, speziell in den Bereichen Anlagenbau und Infrastruktur. Sie hat ihren ersten Prozess gewonnen. Von Dr. Lisa B. Reiser
Zur Person
Dr. Lisa B. Reiser, Foto: Baker & McKenzie
Dr. Lisa B. Reiser ist Associate der Dispute Resolution-Gruppe bei Baker & McKenzie in Frankfurt
Hand aufs Herz: Ein Student erfährt nicht viel darüber, wie ein Prozess abläuft. Rechtsstreitigkeiten gleichen einer Kurzgeschichte („A verkauft B eine Waschmaschine. Die Waschmaschine ist undicht und verursacht einen Wasserschaden in C‘s Keller. B verklagt daraufhin A …“). Diese Kurzgeschichte muss anschließend im Gutachtenstil aufgearbeitet werden. Wer beim Rechtsstreit gewinnt, ist bis zum Ende offen und für den Studenten unerheblich.
Den ersten echten Prozessen begegnet der Referendar. Meine erste Erinnerung waren die „Gürteltiere“ in der Zivilstation – dicke, angestaubte Aktenordner, die nur noch mit einem Gurt zusammengehalten werden. Inhaltlich war „mein“ erstes Gürteltier nicht besonders spannend: Es ging um Schadensersatz nach einer misslungenen Zahnarztbehandlung. Das Verfahren lief zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Monate. Den Ausgang des Prozesses habe ich als Referendarin nicht mehr miterlebt. Wie spannend und intensiv ein Prozess tatsächlich sein kann, erfuhr ich erst in meinem ersten Jahr als Anwältin bei Baker & McKenzie. Dort begann ich 2011 als Associate im Bereich Litigation/ Arbitration. Dass ich gerade in diesem Bereich startete, hat eine Vorgeschichte. Nachdem ich als Studentin am Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot teilgenommen hatte, war ich von der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit begeistert. Im Vis Moot werden Schiedsverfahren im Bereich des UN-Kaufrechts simuliert. An dem Wettbewerb nehmen jährlich mehr als 290 studentische Teams aus 67 Ländern teil. Zum großen Finale treffen sich alle Teams in Wien und Hongkong zu den mündlichen Verhandlungsrunden. Solche Prozesse mit internationalem Bezug wollte ich auch im wahren Leben führen.
Bei Baker & McKenzie kam in meinem ersten Monat als Anwältin ein Kollege in mein Büro und stellte eine Packung Kopfschmerztabletten vor mich auf den Schreibtisch mit den Worten: „Damit beschäftigen wir uns in den nächsten Monaten.“ Mein erster Gedanke war, er wolle auf die bevorstehenden langen Arbeitszeiten anspielen. Tatsächlich deuteten die Kopfschmerztabletten aber auf meinen ersten großen Prozess hin: Wir vertraten ein deutsches Pharmaunternehmen in einem Schiedsverfahren gegen einen taiwanesischen Vertragspartner. Das deutsche Pharmaunternehmen hatte einen langjährigen Lizenzvertrag mit dem taiwanesischen Unternehmen geschlossen und seinem Vertragspartner Einblicke in die Herstellung der Kopfschmerztabletten gewährt. Nach einigen Jahren guter und erfolgreicher Zusammenarbeit entschlossen sich die Taiwanesen, die Kopfschmerztabletten künftig selbst herzustellen und zu vermarkten. Sie kündigten den Vertrag mit unserer Mandantin außerordentlich fristlos. Unsere Mandantin war entsetzt: Der taiwanesische Vertragspartner hatte sich die Erfahrungen der vergangenen Jahre zunutze gemacht und wollte nun „in Eigenregie“ an den Markt gehen, ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Dem wollte unsere Mandantin nicht tatenlos zusehen.
Der Vertrag zwischen dem deutschen und dem taiwanesischen Pharmaunternehmen unterlag deutschem Recht. Er enthielt zudem eine Schiedsklausel nach den Regeln der International Chamber of Commerce (ICC). Wir mussten also Schiedsklage gegen das taiwanesische Unternehmen erheben. Unsere Klage sollte unter anderem auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB gerichtet sein – hier bewegte ich mich also auf bekanntem Terrain. Wir wollten damit argumentieren, dass die „neuen“ taiwanesischen Tabletten schlichte Kopien des deutschen Qualitätsprodukts waren. Das erforderte ein Grundverständnis der Zusammensetzung des Produkts. Von der Wirkungsweise und Zusammensetzung von Kopfschmerztabletten hatte ich im Jurastudium jedoch nichts gelernt. Meine Arbeit an der Schiedsklage begann also mit einer umfassenden Recherche und Gesprächen mit den Pharmazeuten unseres Mandanten. So entstand Schritt für Schritt unsere Klageschrift.
Nach mehreren Monaten hatten wir Klage, Klageerwiderung, Replik und Duplik mit den Anwälten der Gegenseite ausgetauscht. Nun mussten wir uns auf die mündliche Verhandlung vorbereiten. Da die rechtlichen Argumente bereits bekannt waren, ging es hauptsächlich darum, unsere Strategie auszuarbeiten: Welche Argumente möchten wir vor dem Schiedsgericht hervorheben? Wollen wir das unlautere Verhalten der Taiwanesen betonen oder lieber im Detail erläutern, dass die chemische Zusammensetzung der deutschen und taiwanesischen Kopfschmerztabletten nahezu identisch ist? Welche Zeugen der Gegenseite möchten wir im Kreuzverhör zum tatsächlichen Geschehensablauf vernehmen? Zudem mussten wir Reisevorbereitungen treffen. Denn die Parteien hatten im Vertrag Taipeh als Schiedsort vereinbart. Es ging also mit Sack und Pack nach Taiwan.
Nach über anderthalb Jahren Prozessdauer erhielten wir die Entscheidung des Schiedsgerichts: Unsere Mandantin bekam nur einen Teil des geltend gemachten Schadens ersetzt. Denn das Schiedsgericht war der Ansicht, der taiwanesische Vertragspartner hätte den Vertrag mit dem deutschen Pharmaunternehmen ohnehin zum Ende des Jahres ordentlich kündigen dürfen. War unsere Klage damit gescheitert? Nein, denn unsere Mandantin hatte nicht tatenlos zugesehen, sondern ihr Recht verteidigt. Sie hatte den Ausgang des Prozesses damit als Erfolg verbucht. Und auch für mich war mein erster Prozess ein Erfolg, weil ich zum ersten Mal ein Schiedsverfahren von Anfang bis Ende betreuen durfte. In jedem Fall wird mir der Prozess in Erinnerung bleiben. Denn wann immer mir nun eine Packung Kopfschmerztabletten in die Hände fällt, denke ich an Taiwan.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört in Deutschland zu den Grundrechten. Aber wo ist die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, wenn ich im Internet etwas über meinen Arbeitgeber äußere? Darüber müssen die Gerichte von Fall zu Fall entscheiden. Von Sebastian Belzner
Zur Person
Sebastian Belzner, LL.M. (University of Sydney), ist Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt in München. Er berät nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des deutschen und europäischen Arbeitsrechts.
YouTube, Facebook, Twitter – Begriffe, die in aller Munde und in unserer medialen Gesellschaft mittlerweile unumgänglich geworden sind. Allein der Bekanntheitsgrad sozialer Netzwerke und Medien zeigt, wie tief diese Plattformen mittlerweile in unserem Alltag, unserer Gesellschaft und damit auch in der Unternehmenswelt verankert sind. Da war es nur eine Frage der Zeit, wann das Thema „Social Media“ die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung beschäftigen wird.
Jüngst hatte sich erstmalig das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Thematik einer außerordentlichen Kündigung wegen geschäftsschädigender Äußerungen eines Arbeitnehmers auf YouTube und Facebook zu beschäftigen. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl in einer von der Gewerkschaft produzierten Videofilmaufzeichnung eine Erklärung abgegeben. Er sagte, es gebe in dem Betrieb „Probleme“, an Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen, man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 Prozent ausgerüstet“, dass es ein Problem sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 Prozent erfüllt“ werde. Die Videoaufzeichnung wurde ins Internet gestellt und war bei YouTube und auf dem Account des Arbeitnehmers bei Facebook zu sehen. Aufgrund der öffentlich gemachten Äußerungen kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Das BAG entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Die verbreiteten Erklärungen des Arbeitnehmers seien erkennbar darauf gerichtet gewesen zu verdeutlichen, weshalb er die Bildung eines Betriebsrates als sinnvoll ansah. Hingegen habe er nicht behaupten wollen, die Arbeitgeberin beschäftige überwiegend ungelernte Arbeitskräfte, so das BAG. Weiter führte es aus, dass ein Arbeitnehmer auch im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten dürfe. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten hingegen sei erlaubt. Nach Auffassung des BAG müssen Arbeitgeber regelmäßig auch überspitzte und polemische Äußerungen von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl hinnehmen, da das Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch auf betrieblicher Ebene seine volle Wirkung entfaltet.
Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben wird durch die Nutzung von Social Media immer häufiger verwischt. Klar ist, dass Arbeitnehmer das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern und zu verbreiten und der Arbeitgeber grundsätzlich kein Recht hat, private Äußerungen im Web 2.0 zu untersagen oder zu sanktionieren. Eine Grenze ist aber sicher dann überschritten, wenn außerdienstliches Verhalten das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Denn Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber arbeitsvertragliche Rücksichtnahme- und Treuepflichten. Privates Verhalten darf daher nicht zu einem (Image-)Schaden des Arbeitgebers führen.
In den letzten Jahren mussten sich Arbeitsgerichte vermehrt mit Kündigungen von Arbeitnehmern wegen Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen in sozialen Netzwerken auseinandersetzen. Das Landesarbeitsgericht Hamm musste 2012 einen Fall entscheiden, in dem ein Auszubildender auf seiner Facebook-Seite seinen Arbeitgeber als „Menschenschinder“ und „Ausbeuter“ titulierte und seine Tätigkeit als „dämliche Scheiße“ bezeichnete. Das Gericht qualifizierte die Äußerungen als massive ehrverletzende Äußerungen und sah die außerordentliche Kündigung als wirksam an. Hierbei war es nach richtiger Auffassung des Gerichts irrelevant, dass die Äußerungen nicht in verbaler Form getätigt wurden, da die Lesbarkeit im Netz für den Arbeitgeber selbst, aber auch für Dritte die gleiche Wertigkeit habe wie eine entsprechende verbale Äußerung.
Derartige Abgrenzungsfälle zwischen privater Meinungsäußerungsfreiheit und beruflichen Rücksichtnahmepflichten werden die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung wohl auch in Zukunft wegen des vermehrten Einzugs von Social Media in die Arbeitsbeziehungen beschäftigen. Fest steht, dass hier der jeweilige Einzelfall zu beurteilen ist und das dargestellte Urteil des BAG sicher nicht das Ende der Fahnenstange darstellt.
Zum Nachlesen
Urteil zu einer außerordentlichen Kündigung wegen geschäftsschädigender Äußerungen eines Arbeitnehmers auf YouTube und Facebook:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.07.2014 – 2 AZR 505/13
Urteil zu Kündigungen von Arbeitnehmern wegen Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen in sozialen Netzwerken:
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10.10.2012 – 3 Sa 644/12
Teilzeit, Sabbatical, Home Office, Kinderbetreuungsservice – die Frage nach der Work-Life-Balance ist ein wichtiges Thema bei Gleiss Lutz und wird hier nicht nur mit flexiblen Arbeitszeitmodellen beantwortet. Von Dr. Alexander Schwarz
Es ist uns ein Anliegen, für unsere Mitarbeiter individuelle, praktische Lösungen zu finden, die ihnen eine flexible Anpassung ihrer Arbeitszeiten an ihr Privatleben und ihr Lebenskonzept ermöglichen. Daher bieten wir unseren Associates, Assoziierten Partnern und Counseln verschiedene Flex-Time-Modelle an, Teilzeitpartnerschaften, einen Kinderbetreuungsservice, Sabbaticals sowie die Möglichkeit, teils von zu Hause aus zu arbeiten, im sogenannten Home Office.
Counsel Dr. Birgit Colbus ist auf Kartellrecht spezialisiert und arbeitet seit der Geburt ihrer Töchter in Teilzeit. „Ich verbringe etwa sechs Stunden am Tag im Büro und bin die restliche Zeit über Blackberry und Notebook erreichbar. Manchmal arbeite ich auch im Home Office, zum Beispiel wenn ein Kind krank ist oder wenn es besser in die Familienorganisation passt. Im Großen und Ganzen klappt alles prima, doch man braucht gute Nerven, Flexibilität und Spontaneität im Alltag. Auch mein Team im Kartellrecht unterstützt mich sehr und hilft, wenn es brennt. Das Schöne am Flex-Time-Modell ist, dass ich beides haben kann: einen anspruchsvollen Beruf und Zeit für meine Kinder.“
Seit Anfang 2014 bieten wir auch Associates und Assoziierten Partnern die Möglichkeit eines einmonatigen, voll bezahlten Sabbaticals: Auf dem Weg zur Partnerschaft können alle juristischen Mitarbeiter diese Auszeit insgesamt zweimal, jeweils ab dem dritten und sechsten Jahr der Kanzleizugehörigkeit, beanspruchen. Denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefern täglich vollen Einsatz in der Mandatsarbeit. Wir schätzen ihre herausragenden Leistungen und ihre Flexibilität. Mit der Möglichkeit einer Auszeit wollen wir dem Rechnung tragen. Ein Sabbatical schafft den Freiraum, den Horizont zu erweitern und Dinge zu tun, zu denen man im Arbeitsleben normalerweise nicht kommt. Wer im Rahmen einer längeren Auszeit den Kopf frei bekommt, geht mit mehr Energie, kreativen Ideen und einem anderen Blick an die Dinge heran.
So war es einem unserer Associates aus dem Bereich Gesellschaftsrecht/M&A wichtig, dass er sich im ersten Lebensjahr seiner Tochter Zeit für die Familie nehmen konnte, um diesen Lebensabschnitt intensiv zu begleiten. „Ich habe mit den Partnern in meinem Team frühzeitig besprochen, welche Möglichkeiten es gibt, um diesen Wunsch zu realisieren. Mein Team hat sehr verständnisvoll und flexibel reagiert; die Partner haben es mir freigestellt, wie ich meine Auszeit nehme. Das einmonatige Sabbatical im Anschluss an die Elternzeit hat sich als die beste Lösung herausgestellt. Ich freue mich sehr, demnächst mit meiner Familie eine Reise an die Ostküste der USA zu unternehmen.“
Filmtipp der Redaktion
Selbstbestimmung, Demokratisierung, Potenzialentfaltung – das sind die Trends der neuen Arbeitswelt. Der Film „Augenhöhe“ zeigt Unternehmen, in denen die neue Arbeitswelt bereits gelebt wird, und die Menschen, die diese gestalten.
augenhoehe-film.de
Auf dem Weg zum Partner einer Kanzlei müssen junge Juristen nach dem Ersten Staatsexamen zunächst mehrere Stationen im Referendariat durchlaufen, um anschließend das Zweite Staatsexamen absolvieren zu können. Außerdem sind das sichere Beherrschen von Formalien und der Umgang mit „exotischen Themen“ essenzielle Bestandteile des Examens. Auch anwaltliche Aufgaben gehören fest zum Examensrepertoire. Von Marcel Goroll, LL.M., Associate im Frankfurter Büro der Kanzlei Ashurst LLP im Bereich Corporate
Als großen Vorteil haben es viele Referendarkollegen und ich empfunden, dass bereits beim Eintritt ins Referendariat klar ist, wann es „ernst“ wird mit dem Examen. Ich kann nur empfehlen, frühzeitig, am besten bereits nach einigen Monaten, mit der Examensvorbereitung beim Repetitor zu beginnen und dabei auf regelmäßige, wöchentliche Kurse zu setzen. Dies zwingt zur kontinuierlichen Nacharbeit. Mein Tipp: Schon bei der Wahl der Kanzlei für die Anwaltsstation fragen, ob die ausgewählte Kanzlei mit einem Repetitorium kooperiert und Kurse finanziell unterstützt. Solche Angebote und kanzleiinternen Workshops für Referendare, zum Beispiel zum Abfassen von anwaltlichen Mandantenschreiben, sollte man unbedingt nutzen.
Neben den klassischen Urteilsklausuren und Bescheiden im Öffentlichen Recht wird durch das verlangte Verfassen von Mandantenschreiben und Anwaltsschriftsätzen das Zweite Examen immer stärker auf die anwaltliche Beratungspraxis ausgerichtet. Vier meiner acht Examensklausuren waren anwaltliche Beratungsklausuren. Dies gilt auch im Öffentlichen Recht: Statt eines Bescheides wurde in meinem Examen ein Gutachten mit Handlungsempfehlungen zum Antrag des Bürgers im einstweiligen Rechtsschutz gefordert. Viele Bundesländer haben zudem erst kürzlich den Entwurf von Verträgen als Klausurtyp eingefügt. Daher empfiehlt es sich, im Rahmen der Anwaltsstation Vertragsgestaltungen in der Praxis zu üben. Im Stress der Examenssituation helfen bekannte, „gut sitzende“ Formulierungen über manche Unsicherheit hinweg und sparen enorm Zeit. Daher gilt es leider, Formalien zu büffeln: Das Beherrschen der Urteilsformalia, des Aufbaus von Bescheiden und Anwaltsschriftsätzen geben einem gerade bei hohem Adrenalinspiegel ein Gerüst und Sicherheit, insbesondere bei „exotischen“ Sachverhalten.
Exotische Themen in unbekannten Gesetzen, gerne mit europarechtlichem Bezug, sind keine Seltenheit. Der Verkauf eines mangelhaften Hauses durch einen Franzosen führte in meinem Examen zur Prüfung einer europäischen Verordnung zur Gerichtszuständigkeit, gepaart mit der inhaltlichen Prüfung einer Richtlinie. Hier kann die vorherige Tätigkeit in einer Großkanzlei durchaus als Übung angesehen werden, da man dort wie im Examen oft sehr komplexe Themen in der Kommentarliteratur zügig recherchieren und lösen muss. Ashurst ist stets daran gelegen, überzeugende Referendare für eine spätere Tätigkeit zu gewinnen. So hatte auch ich das Glück, schon zum Ende meiner Station ein festes Angebot für meinen heutigen Job zu bekommen. Die Sicherheit zu wissen, was nach der mündlichen Prüfung folgt, hat mir geholfen, auch die Ausnahmesituation des mündlichen Examens ein wenig gelassener zu sehen. Engagement in den Stationen kann sich also in der richtigen Kanzlei und mit etwas Glück sowohl für den beruflichen Lebensweg als auch im Examen positiv auswirken.
Weitere Berichte zu Referendariatsstationen finden Sie bei uns im Webchannel
Ist eine Recherche mit versteckter Kamera erlaubt? Wann darf ich mit gravierenden Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen? Darf ich Informationen aus der Privatsphäre veröffentlichen? Antworten auf diese Fragen liefert das Presserecht, ein vielseitiges Rechtsgebiet für Juristen mit sprachlichem Feingefühl und einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden. Von Dr. Katrin Neukamm, Juristin, Westdeutscher Rundfunk Köln
Die Wirklichkeit, in der wir leben, ist in großen Teilen medial vermittelt. Der weitaus größte Teil unseres Wissens beruht nicht auf eigener Anschauung und Erkenntnis, sondern auf vermittelten Informationen und Erfahrungen. Ob wir die Arbeit von Politikern verstehen und schätzen, ob und wie wir etwas verändern wollen, hängt auch davon ab, was uns die Medien zeigen. Die Medien sind zudem eine mächtige Kontrollinstanz. Durch intensive Recherche und Veröffentlichung von Texten, Tönen und Bildern informieren sie darüber, was in der Gesellschaft passiert und die Menschen interessiert. Es sollte schon allein deshalb zutreffend sein, was in den Medien geschrieben, gesagt und gezeigt wird. Auch Journalisten sind bei ihrer Arbeit an Recht und Gesetz gebunden. Selbst wenn sie Skandale von hohem gesellschaftlichen Interesse aufdecken, gilt für sie kein Sonderrecht.
„Aber das ist doch wichtig zu wissen!“, ist keine Rechtfertigung dafür, in Geschäftsräume einzudringen oder heimlich ein Gespräch aufzuzeichnen. Rechtliche Fragen stellen sich nicht nur bei der Recherche, sondern auch bei der Veröffentlichung von Informationen in den klassischen Medien beziehungsweise im Internet. Wann und unter welchen Voraussetzungen darf ich über einen Verdacht berichten? Wann darf ich eine Person namentlich benennen? In welcher Form ist es erlaubt, auch verletzende Kritik zu äußern? Und dürfen auch Fotos ohne Einwilligung veröffentlicht werden? Auf alle diese Fragen brauchen Journalisten Antworten, um zu erkennen, ob sie rechtmäßig handeln – oder ihr Verhalten vielleicht sogar strafbar ist. Die rechtliche Einschätzung beruht fast immer auf einer Abwägung im Einzelfall – einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Personen oder Unternehmen, über die berichtet wird. Das Programmrecht ist ein Rechtsgebiet, bei dem Juristen den in der Grundrechte-Vorlesung gelernten Grundsatz der praktischen Konkordanz in der täglichen Arbeit mit Leben füllen können. Und das Programmrecht ist nicht alles.
Auch die Beratung von Journalisten über die Reichweite von Auskunftsansprüchen, über die Teilnahme an Veranstaltungen und die Frage, inwieweit sie im Strafverfahren besonders geschützt sind, sind weitere Themen, die zum Presserecht zählen. Rechtsgrundlagen sind neben dem Grundgesetz unterschiedliche Bundesund Landesgesetze sowie eine sich ständig fortentwickelnde, umfangreiche Rechtsprechung. Das Presserecht ist ein faszinierendes Rechtsgebiet für junge Juristen, die Interesse gleichermaßen am Öffentlichen Recht und am Zivilrecht haben, die an der Detailarbeit am Sachverhalt Gefallen finden und die eine hohe Affinität zur Sprache aufweisen. Der Presserechtler muss auch unter Zeitdruck agieren können – der Redaktionsschluss beziehungsweise der geplante Sendetermin eines Beitrags geben häufig eine Frist für die rechtliche Prüfung vor.
Fehlbehandlungen im Krankenhaus sind heute keine Seltenheit. Doch trotz des neuen Patientenrechtegesetzes ist es nicht einfach, als Geschädigter zu seinem Recht zu kommen. Oft ist anwaltliche Hilfe vonnöten, am besten von einem Anwalt, der sich auf Patientenrecht spezialisiert hat. Ein Gastbeitrag von Dr. Burkhard Kirchhoff, Patientenanwalt, Weilburg/Lahn
Eine Frau, die ihren geliebten Ehemann verliert, weil eine Blutvergiftung mit unterdosierten Antibiotika unzureichend behandelt wird. Ein Kind, das nach Entfernung eines eingewachsenen Zehennagels eine schwere Infektion durch multiresistente Erreger mit kapitalen Folgeschäden erleidet. Menschen, die nach orthopädischen Fehlbehandlungen im Rollstuhl sitzen und für ihr Leben gezeichnet sind. Solche oder ähnliche Fälle kennt sicherlich fast jeder – aus dem Bekannten- oder Familienkreis, der Presse, den Medien. Aber wie verhält man sich als Betroffener, wohin kann man sich wenden? Welche Rechte und Möglichkeiten bestehen? Was unternehme ich, wenn ich aus der Klinik oder der Arztpraxis „kränker“ herausgehe, als ich eingeliefert wurde? Oder wenn sogar ein Angehöriger in der Klinik, zum Beispiel nach einem vermeintlichen Routineeingriff, verstorben ist? Wie stehen die Chancen, gegen eine große Klinik vorzugehen?
Jeder Patient hat Anspruch auf eine ordnungsgemäße Aufklärung über Risiken und Nutzen einer medizinischen Behandlung und auf Durchführung der Behandlung gemäß den geltenden medizinischen Standards. Das bedeutet, die Diagnostik und Therapie muss auf dem betreffenden Fachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen und in der Praxis zur Behandlung der gesundheitlichen Störung anerkannt sein. Der behandelnde Arzt muss nach seinen medizinischen Kenntnissen und Fähigkeiten die für das Krankheitsbild diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auswählen und diese sorgfältig durchführen. Geschieht dies nicht und ist hierdurch ein kausaler Schaden entstanden, begründet dies eine Haftung des Arztes beziehungsweise der Klinik.
Um den Nachweis eines Behandlungsfehlers zu führen, können sich Betroffene verschiedener Mittel und Wege bedienen und an zahlreichen Anlaufstellen Hilfe erhalten, seien es die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen, Schlichtungsstellen der Ärztekammern, Patientenverbände oder bei – im optimalen Fall spezialisiert tätigen – Rechtsanwälten. Aber nicht alle Stellen führen für den schwer geschädigten Patienten zum Ziel, nämlich zur Aufklärung des Vorwurfs des Aufklärungs- oder Behandlungsfehlers und zu Gerechtigkeit und einer Entschädigung.
Der betroffene Patient, der den Verdacht hat, Opfer eines „Kunstfehlers“ geworden zu sein, hat ein Recht, Einsicht in seine Patientenakte zu nehmen, und er kann auch verlangen, dass ihm (gegen Erstattung der Kopierkosten) eine vollständige Kopie ausgehändigt wird. Seit der Einführung des § 630 g BGB ist dieses Recht sogar gesetzlich normiert. Die Einsichtnahme in die Patientenakte an sich führt den Betroffenen in seiner Suche nach Aufklärung und Entschädigung allerdings noch nicht weiter, ebenso wenig die Tatsache, dass in den übrigen Vorschriften des am 26.02.2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetzes (§§ 630 a-630 h BGB) weitere Rechte des Patienten gesetzlich verankert wurden. Aufklärung über den Vorwurf eines Behandlungsfehlers bieten medizinische Sachverständigengutachten. Solche können kostenlos über die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen und über Schlichtungsstellen eingeholt werden. Nachteil ist allerdings, dass selbst bei umfassend positiver Begutachtung keine Klinik und kein Arzt verpflichtet ist, die Inhalte des Gutachtens zu akzeptieren, einen Fehler einzugestehen oder eine Entschädigung zu leisten.
Wer sich entscheidet, einen spezialisierten Patientenanwalt zu beauftragen, die außergerichtliche Korrespondenz über diesen zu führen und – bei ablehnender Haltung des Arztes oder der Klinik – eine Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage einzureichen, erhält über das Gericht ein Sachverständigengutachten und damit Aufklärung und eine Entschädigung – sofern das Gutachten das Abweichen der Behandlung vom medizinischen Standard und einen kausalen Schaden bestätigt. Wer die zur Prozessführung notwendigen Mittel nicht zur Verfügung hat oder nicht rechtsschutzversichert ist, kann diesen Weg über Prozesskostenhilfe gehen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Prozesses sind stets im Einzelfall zu prüfen. Allgemeingültige Aussagen sind hier nicht möglich, denn dazu sind die Sachverhalte zu unterschiedlich und häufig zu komplex. In einigen Fällen führen positive Sachverständigengutachten zum Ziel, in anderen kommt dem Patienten die im Arzthaftungsrecht bestehende erleichterte Darlegungs- und Beweislast zugute oder sogar eine Beweislastumkehr, bei Auftreten eines Fehler im voll beherrschbaren Bereich des Arztes oder des Klinikums.
Wenn Sachverständige im Einzelfall ihr Fachwissen überschätzen, steht uns als Patientenanwälte notfalls das prozessuale Mittel der Ablehnung zur Verfügung, in Extremfällen kann ein Gutachter gemäß § 839 a BGB sogar selbst haften.
Im Rahmen der Vertretung geschädigter Patienten steht im Mittelpunkt, dass man sich stets an spezialisierte Anlaufstellen wenden, den konkreten Einzelfall überprüfen und die sinnhaften Wege, Möglichkeiten und Risiken – insbesondere bei Fehlen einer Rechtsschutzversicherung – aufzeigen lassen sollte. Die Neueinführung des Patientenrechtegesetzes und die im Jahr 2011 erfolgte Novellierung des am 01.01.2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes mit den entsprechenden Hygieneverordnungen der Länder sind positive und wichtige Ansätze. Solange aber keine lückenlose und ausnahmslos effektive Kontrolle der Umsetzung der inzwischen in Deutschland strengen Hygienevorschriften im Alltag einzelner Krankenhäuser erfolgt, werden betroffene Patienten nach einer Krankenhausinfektion, einer erlittenen Blutvergiftung oder auch infolge eines allgemeinen Kunstfehlers weiter auf spezialisierte, anwaltliche Hilfe angewiesen bleiben.