Schritt für Schritt zum Wirtschaftsprüfer

Das Berufsfeld des Wirtschaftsprüfers bietet attraktive Aufgaben und genießt hohes Ansehen. Wer in die Branche einsteigen will, kann auf verschiedenen Wegen zum Ziel gelangen. Wir geben eine Übersicht. Kerstin Neurohr

Schritt 1: Studium.

Es ist kein bestimmter Studiengang vorgeschrieben, umfassendes betriebswirtschaftliches Wissen ist allerdings erforderlich. Rund 85 Prozent aller heute praktizierenden Wirtschaftsprüfer besitzen einen wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss, und auch weiterhin haben BWL-Studierende die Nase vorn. Aber auch Volkswirtschaftler, Juristen oder ITler sind gefragt. Außerdem gibt es spezielle Masterstudiengänge nach § 8a WPO, die eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung mit hohem Praxisbezug bieten, derzeit an sieben Hochschulen in Deutschland.

Schritt 2: Berufspraxis.

Nach dem Studium gilt es, Praxisluft zu schnuppern: bei einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wer den Bachelor in der Tasche hat, benötigt vier Jahre Berufspraxis, bei einem abgeschlossenen Masterstudium verkürzt sich diese Zeit auf drei Jahre. Und es gilt nachzuweisen, dass man an Abschlussprüfungen teilgenommen und an der Abfassung der Prüfungsberichte mitgewirkt hat.

Schritt 3: Das Examen.

Zuerst stehen schriftliche Prüfungen an: In wirtschaftlichem Prüfungswesen, BWL/VWL, Steuerrecht und Wirtschaftsrecht. Dann folgt die mündliche Prüfung. Auf die zwei Steuerrechtsklausuren kann verzichtet werden. Wer das Steuerberaterexamen bestanden hat, muss weniger Klausuren schreiben.

Masterstudiengänge nach § 8a WPO

Frankfurt School of Finance & Management/Fachhochschule Mainz Master in Auditing (M.Sc.) Europäische Fernhochschule Hamburg Masterstudiengang Taxation, Accounting, Finance (M.Acc.) Leuphana Universität Lüneburg Master in Auditing (M.A.) Mannheim Business School gGmbHMannheim Master of Accounting & Taxation Fachhochschule Münster/Fachhochschule Osnabrück Masterstudiengang Auditing, Finance and Taxation ASBM Accounting School Bochum/Münster Standort Düsseldorf und Bochum/Münster Masterstudiengang Accounting and Auditing

Übersicht Studiengänge

Einen vollständigen Überblick geben Broschüren der Wirtschaftsprüferkammer, die jedes Semester neu aufgelegt werden. Sie können kostenlos heruntergeladen werden: www.wpk.de/nachwuchs/examen/hochschulen

Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren

Was ist eigentlich emotionale Intelligenz? Und warum ist sie so wichtig für den späteren Beruf? Das erklärt Irina Bosley in einem Gastbeitrag. Die Diplom-Ingenieur-Mathematikerin, Softwareentwicklerin und Autorin von Rätsel-, IQ- und EQ-Aufgaben hat einen Ratgeber zur emotionalen Intelligenz geschrieben.

Vereinfacht gesagt wird emotionale Intelligenz oder die Intelligenz der Gefühle als die Fähigkeit verstanden, die eigenen Emotionen zu erkennen, die Gefühle zu managen, sich selbst zu motivieren und sich in andere hineinzuversetzen. Den Begriff hat der amerikanische Psychologe Daniel Goleman in den 90er-Jahren populär gemacht. Mit der emotionalen Intelligenz beschreibt er Fähigkeiten und Kompetenzen wie Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Motivation, Empathie und soziale Fertigkeiten. Während die kognitive Intelligenz (IQ) zu circa 50 bis 80 Prozent durch unsere Gene bedingt ist, ist die Erblichkeit der emotionalen Intelligenz umstritten. Sie nimmt im Laufe des Lebens ständig zu, weil Menschen aus ihren Erfahrungen lernen und neue Kompetenzen erwerben. Emotionale Intelligenz wirkt sich positiv auf den privaten und beruflichen Bereich aus. Laut einer Umfrage einer internationalen Online-Stellenbörse ist für 71 Prozent der Arbeitgeber die emotionale Intelligenz wichtiger als ein hoher IQ. Emotional intelligente Menschen sind hochgeschätzt, weil sie dazu in der Lage sind, durchdachte Entscheidungen zu fällen, Konflikte konstruktiv zu lösen sowie mit Stresssituationen umzugehen. Sie können gut zuhören und akzeptieren Menschen so, wie sie sind. Dadurch sind sie meist sehr beliebt und pflegen tiefgehende Beziehungen und Freundschaften. Vor allem Führungskräfte sollten ihre emotionale Intelligenz trainieren. Aber prinzipiell kommt jeder im Job besser klar, wenn er seine eigenen Emotionen gut wahrnehmen kann. Denn Gefühle haben auch immer etwas mit einer Beziehung zu anderen Menschen zu tun. Wer seine eigenen Gefühle sensibilisiert, hat auch eine Chance, die Gefühle anderer Menschen zu bemerken. Inwieweit man seine Gefühle kontrolliert oder ihnen freien Lauf lässt, ist ein Lernprozess und ein Ausprobieren von Grenzen.

Für alle, die ihre emotionale Intelligenz trainieren möchten.

Cover Emotionale IntelligenzIrina Bosley, Erich Kasten: Emotionale Intelligenz. Ein Ratgeber mit Übungsaufgaben für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Springer Verlag 2018. 19,99 Euro Jetzt kaufen bei Amazon
Die Hochschule ist der perfekte Ort um verschiedene Menschen kennenzulernen. Viele Studenten ziehen in WGs, geben Partys, engagieren sich in Studenteninitiativen, finden sich zu Arbeitsgruppen zusammen, treffen sich beim Unisport – und kommen so in Kontakt mit ihren Kommilitonen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, sich mit den Themen zu beschäftigen, die andere Menschen bewegen, und viel über die menschliche Psyche zu lernen. So entdeckt man sich und andere. Weil Soft Skills bei Bewerbern immer gefragter sind und beruflicher Erfolg nicht allein auf Fachkompetenz basiert ist, spielt emotionale Intelligenz auch im Vorstellungsgespräch eine immer größere Rolle. Die Personaler testen oft den EQ der Bewerber mit gezielten Fragen nach langfristigen beruflichen Zielen, nach inspirierenden Persönlichkeiten, nach motivierenden Aktivitäten oder nach eigenen Stärken und Schwächen.

Business-Smoothie

SCHLÜSSEL ZUM BERUFLICHEN GLÜCK

Cover Ich bin so freiWeiter, immer weiter dreht man sich im Joballtag. Auch Emilio Galli Zugaro und Jannike Stöhr ging das jahrelang so – dann haben sie ihren Job hingeschmissen. Obwohl er auf dem Höhepunkt seiner internationalen Karriere stand und sie sich ab Mitte 20 eine solide Zukunftsperspektive erarbeitet hatte. Er begann von vorne, sie probierte 30 Jobs in einem Jahr aus. Ihre Erkenntnis: Verschiedene Wege führen zu einem selbstbestimmten Handeln, einem Motivationsschub und einer besseren Performance – und somit zu einem ausgeglichenen Berufsleben mit einem Job, der glücklich macht. Emilio Galli Zugaro, Jannike Stöhr: Ich bin so frei. Raus aus dem Hamsterrad – rein in den richtigen Job. Ariston 2018. 17,00 Euro. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon

BEST OF: 99 AKTUELLE WIRTSCHAFTSBÜCHER

Rund 8.000 Wirtschaftsbücher erscheinen pro Jahr! Wer behält da bitteschön noch den Überblick? Die Bestsellerautoren und Managementvordenker Anja Förster und Pete Kreuz nehmen diese Challenge an – subjektiv, aber aus Überzeugung. Einfach in den Newsletter eintragen und auf dem Laufenden bleiben über die ausgewählten Neuerscheinungen zu Marketing, Management, Digitalisierung, Veränderung, Karriere oder Strategie. beste-wirtschaftsbuecher.com /// foerster-kreuz.com

MIT AGILITÄT UND MENSCHLICHKEIT DURCH DIE DIGITALE EVOLUTION

Cover New WorkStatt auf der Welle der angstmachenden Disruptivität zu reiten, verleiht Michael Hüblers New-Work-Konzept agilen Strategien ein menschliches Antlitz zum Wohle aller – der Organisation, Kunden, Führungskräfte und Mitarbeiter. Michael Hübler: New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil. Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen. Metropolitan 2018. 29,95 Euro

UNSER KINOTIPP: „DER KLANG DER STIMME“ AB NOVEMBER

Foto: mindjazz pictures
Foto: mindjazz pictures
„Man möchte am liebsten auch gleich in den Wald schreien gehen“, urteilt die Schweizer Presse Zentralplus. „Der Klang der Stimme“ von mindjazz picutres begleitet vier Menschen, die mit Leidenschaft die Grenzen der menschlichen Stimme ausloten. Sopranistin Regula Mühlemann etwa sucht den perfekten 360 Grad rundum Klang. Stimmtherapeutin Miriam Helle, Stimmforscher Matthias Echternach, Jazz Sänger Andreas Schaerer erforschen weitere Geheimsnisse der Stimme. http://derklangderstimme.de

MORAL DER MANAGER

Cover Business Ethics 3.0Der Ruf vieler Geschäftsführer leidet, weil sie moralische Entscheidungen und ethische Praxis missachten, stellt der ehemalige Top-Manager Prof. Dr. Erhard Meyer-Galow fest. In seinem Lehrbuch beschäftigt er sich mit Business-Ethik – einer Mischung aus Tiefenpsychologie, geistiger Weisheit, Meditation und Quantenphysik. Darin gibt der Autor Anstöße, wie erfolgreich und zukunftsfähig gewirtschaftet werden kann. Erhard Meyer-Galow: Business Ethics 3.0. The New Integral Ethics from the Perspective of a CEO. De Gruyter Oldenburg 2018. 29,95 Euro in englischer Sprache. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon

STARTEN – GRÜNDEN – WACHSEN

Logo DIE INITIALEDie Messe DIE INITIALE findet am 5. Oktober in Dortmund statt und richtet sich an Start-ups und Gründer mit Wachstumsambitionen. Sie vermittelt Informationen zu Themen wie Gründung, Finanzierung, Franchising, Übernahmen oder Unternehmensnachfolge. Darüber hinaus bietet sie Raum, das berufliche Netzwerk zu erweitern. An Messeständen und bei Fachvorträgen gibt es wertvolle Tipps, in Workshops können Besucher ihr Wissen vertiefen und praktisch anwenden. www.die-initiale.de

APP: WÖHE FÜR UNTERWEGS

Der „Wöhe“ ist nicht nur das führende Standardwerk zur Betriebswirtschaftslehre, sondern unterstützt Studierende auch mit diversen kostenlosen Apps. Wer mit Lernkarten oder beim Quiz sein Wissen auffrischen oder wichtige Formeln schnell zur Hand haben will, sollte sich auf dem Portal des Lehrbuchs umsehen. www.woehe-portal.de/app

#OTWTNW: DER PODCAST AM MONTAGMORGEN

Zwei Unternehmer aus Hamburg. Eine Reise nach New York. Unterwegs kam Michael Trautmann und Christoph Magnussen die Idee, ein Buch zu verfassen; darüber wie sie in Zukunft arbeiten wollen und dabei neue Tools und Methoden nutzen können. Enstanden ist darüber hinaus auch ihr Podcast „On the Way to NEW WORK“. Seit Mai 2017 kommt jeden Montagmorgen eine neue Folge auf Spotify, iTunes und Soundcloud raus. www.onthewaytonewwork.com

THE SCHOOL OF LIFE

Foto: Katharina Nobis / The School Of Life
Foto: Katharina Nobis / The School Of Life
Ein Ort, an dem man das lernen kann, was man in Universitäten nicht lernt: ein gutes und erfülltes Leben zu führen. Das ist die School of Life. Dafür bedient sie sich – frei von Ideologien und Dogmen – hilfreicher Ideen aus 3000 Jahren Kulturgeschichte: aus Philosophie, Psychologie, Psychoanalyse, Literatur und Kunst. Gegründet von Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton in London, nun auch in Berlin und elf anderen Städten rund um den Globus, fruchtet das Konzept aus Seminaren, YouTube-Videos, Büchern, einer App für Gleichgesinnte zum Kennenlernen und mehr. www.theschooloflife.com

Unser Redaktionstipp:

Cover TraumjobDer neue Ratgeber aus der Reihe! Alain de Botton: Traumjob. Von der Berufung zum Beruf. The School of Life/Süddeutsche Zeitung Edition 2018. 18 Euro Jetzt kaufen bei Amazon

Duftmarketing – wenn man sich gut riechen kann

Robert Müller-Grünow hat BWL studiert und ist direkt nach dem Examen 1997 mit aerome gestartet, aus dem 2003 sein Unternehmen Scentcommunication hervorging. Sein Metier: Duft-Marketing. Seine Erkenntnis: Marken stärken ihr Image durch Wiedererkennung und eine emotionale Bindung an den Kunden – und das gelingt ganz sprichwörtlich, wenn „man sich gut riechen kann“. Die Fragen stellte Elisa Maifeld. Herr Müller-Grünow, wenn Sie an Ihr Studium an der WISO-Fakultät denken, welcher Geruch kommt Ihnen da in den Sinn? Sicher der Duft der älteren Hörsäle, mit wenig Sauerstoff. Und natürlich der E-Raum, eine Cafeteria im Erdgeschoss des Hauptgebäudes. Sie helfen Unternehmen und Marken, das eigene Profil mit einem einzigartigen Duft zu stärken. Wie können wir uns das vorstellen? Menschen nehmen immer mit allen Sinnen wahr und steuern entsprechend ihre Wahrnehmung, die Bewertung von Produkten, Räumen, Menschen. Duft ist der einzige nicht rational filterbare Sinnesreiz – er wirkt unmittelbar und extrem nachhaltig. Deshalb sehen wir Duft als Kommunikationsmedium, das gezielt eingesetzt werden kann. Wenn Marken ein Logo und eine eigene Markenpersönlichkeit haben, werden diese in der Regel unter dem Einfluss zufällig vorhandener Gerüche wahrgenommen. Wir verändern Duftprofile so, dass die Kommunikation über alle Sinnesreize einheitlich wirkt.
Versteht man Duft als gleichwertiges Kommunikationsmedium, muss dieser präzise steuerbar sein – so wie Bild und Ton.
Heißt konkret? Wir übersetzen Markenwerte und bestimmte Attribute vor dem Hintergrund der Einsatzszenarien: Wo wird der Duft in welchem Zusammenhang erlebt? Außerdem analysieren wir die Zielgruppen und nehmen Bezug auf ihre Assoziationen. Denn diese sind erlernt und bestimmt durch persönliche Erfahrungen und kulturellen Kontext – somit können sie sehr unterschiedlich sein. Die Telekom sollte also beispielsweise unter anderem „Magenta“ riechen, eine Großbank zum Beispiel „transparent“. Sie haben viele Großkunden – Finanzdienstleister, Kosmetikhersteller oder die Deutsche Bahn. Vor welche Herausforderungen stellen Sie so unterschiedliche Unternehmen? Versteht man Duft als gleichwertiges Kommunikationsmedium, muss dieser präzise steuerbar sein – so wie Bild und Ton. Das ist in den verschiedenen Szenarien jeweils nur mit bestimmten Technologien möglich. Dies betrifft die technische Seite. „Den richtigen Riecher haben“ – kann man das trainieren? Ja, das eigene Riechen kann man gut trainieren. Das geht ganz einfach indem man am besten „blind“ alltägliche Dinge erkennt und beschreibt – dabei muss man die gleichen Dinge so lange riechen, bis man immer richtig liegt.

Buchtipp

Cover Die geheime Macht der DuefteRobert Müller-Grünow mit Olaf Köhne, Peter Käfferlein: Die geheime Macht der Düfte. Warum wir unserem Geruchssinn mehr vertrauen sollten. Edel 2018. 17,95 Euro. Auch als E-Book erhältlich! Jetzt kaufen bei Amazon In seinem Buch „Die geheime Macht der Düfte“ erklärt er, warum wir unserem Geruchssinn mehr vertrauen sollten und wie Düfte Entscheidungen beeinflussen. Mehr unter: scentcommunication.com
Gibt es einen Duft für effektiveres Lernen und Arbeiten, etwa für Studierende? Es gibt Düfte, die direkt auf die Neurotransmitter wirken und die Konzentration fördern. Insbesondere Zitrusdüfte gehören dazu. Duft-Marketing ist kein klassisches Thema im Lehrplan der Uni. Wie hat sich also Ihre Geschäftsidee entwickelt? Das kam durch einen Zufall – ein Freund hat Rechte an einem Patent erworben, das die Idee von Duftkino beschrieb. Und mit dieser Idee sind wir gestartet und haben ein Unternehmen gegründet. Hat das BWL-Studium Sie auf die Unternehmensführung vorbereitet? Geschadet hat es sicherlich nicht, um Grundlagen zur Unternehmensführung kennenzulernen. Gerade die Breite der Fächer, von rechtlichen Grundlagen über Kosten-Leistungsrechnung, Marketing bis hin zu Steuern, hilft.

karriereführer recht 2.2018 – Rechtsberatung bleibt People Business

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Individualität, Empathie und Legal-Tech: Rechtsberatung bleibt People Business

Unser Zeitalter ist von Automatisierungen und Effiziensteigerungen gekennzeichnet. Die Digitalisierung macht dies möglich. Auch die Welt des Rechts hat sich dieser Herausforderung zu stellen. Und doch erfährt der Anwalt als Mensch in dieser digitalen Welt eine regelrechte Renaissance. Denn für die Königsdisziplin, die Wirtschaftsberatung, stellt sich immer mehr heraus, dass sie sich zwar duch Technik ergänzen, aber nicht ersetzen lässt: Sie ist People Business.

Think Human!

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In Kanzleien versprechen Legal Tech-Lösungen mehr Effektivität, zudem das Ende der mühsamen Routinearbeit. Ein Leitsatz sagt: Alles, was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert. Experten sagen: Mag stimmen – aber die persönliche Rechtsberatung zählt eben nicht dazu. Deshalb suchen die Kanzleien nach Nachwuchs, der beides hat: digitales Denken und die Empathie eines Beraters. Von André Boße

Legal Tech ist in vielen Kanzleien und Rechtsabteilungen keine Zukunftsmusik mehr, digitale Prozesse gehören an vielen Stellen zum Alltag. „Digitale Vertragsakten, intelligente Compliance- Management-Systeme und innovative Enterprise-Legal-Management- Lösungen sind praxiserprobte Hilfsmittel“, heißt es in der Studie „Legal Technology 2018“, die vom Software- Dienstleister Wolters Kluwer erstellt und herausgegeben wurde. Mit Blick auf die Rechtsabteilungen in Unternehmen machen die Autoren deutlich, welche Hoffnungen man dort auf Legal Tech-Lösungen setzt: „Die obersten Ziele, die mit der Einführung von Legal Technology in der Rechtsabteilung verfolgt werden, sind die Optimierung von Arbeitsabläufen (42,52 Prozent) und Kosten (23,95 Prozent)“, schreiben die Autoren Ralph Vonderstein und Marc Morawietz. Kurz: Es geht um Effizienz.

Legal Tech optimiert

Aber auch in der Königsdisziplin der anwaltlichen Arbeit, nämlich der Rechtsberatung, geraten digitale Lösungen mehr und mehr in den Fokus. „Roboter oder auf künstlicher Intelligenz basierende IT-Lösungen werden Anwälte in absehbarer Zukunft nicht ersetzen. Aber sie werden gerade in der Beratung mehr als nur Routineaufgaben für sie erledigen können“, schreiben die Autoren. Dazu nennen sie drei Beispiele:

Legal Tech in Rechtsabteilungen

Über 70 Prozent der Rechtsabteilungen in deutschen Unternehmen halten die Einführung von Legal Technology für unverzichtbar, doch nur drei Prozent arbeiten bereits strategisch an und mit entsprechenden Lösungen. Das ergab die repräsentative Studie „Legal Technology 2018“, die Wolters Kluwer Deutschland und Corporate Legal Insights (CLI) durchgeführt haben. Die größte Herausforderung wird in funktionsfähigen und sicheren Datenschnittstellen gesehen. Jeder fünfte Befragte erwartet, dass neue Arbeitsabläufe und ein höherer Weiterbildungsaufwand der Juristen im Hinblick auf IT-Themen erforderlich werden. Weitere Infos unter: www.wolterskluwer.de
Eine Distributed Ledger Technologie (DLT), die in Form der Blockchain der Kryptowährung Bitcoin zugrunde liegt, „könnte aufwendige Verifizierungen und Authentifizierungen im Vertrags- und Immobilienrecht überflüssig machen.“ Sogenannte Chatbots beantworteten schon heute einfache Fragestellungen in klar umrissenen juristischen Bereichen. „In Zukunft könnten sie Anwälte und Mandanten auch bei komplexeren Fragen unterstützen.“ Zudem befinden sich laut der beiden Studienautoren „eine Reihe von Projekten in der Erprobung, die künstliche Intelligenz mit juristischem Wissen verknüpfen.“ Von einigen wenigen Kanzleien würden diese bereits heute gezielt eingesetzt. Blockchain? Chatbots? Das klingt selbst für recht IT-affine Juristen mit Blick auf den Anwaltsberuf dann doch noch eher nach Zukunft. Wie soll es da erst den Mandanten gehen, die häufig mit komplexen und individuellen Problemen in die Kanzleien kommen und sich von ihrem anwaltlichen Berater erhoffen, dass er die Komplexität reduziert – und nicht noch eine komplizierte Ebene mit digitalen Fachbegriffen obendrauf packt? Beraten heißt: Bewerten und überzeugen Nicht verwunderlich, dass es bereits jetzt eine erste kleinere Bewegung gibt, die Legal Tech eine Art Renaissance der persönlichen anwaltlichen Beratung entgegensetzt. Klar, smarte IT-Lösungen und intensives Mandantengespräch schließen sich nicht aus. Jedoch legen die Kanzleien in ihrer Ansprache zu den Mandanten, aber auch im Recruiting junger Nachwuchskräfte Wert darauf, dass das individuelle und menschliche Element der Beratung an erster Stelle steht. „Beratung heißt immer auch: Bewerten und überzeugen“, sagt Dr. Joachim Gores, Partner der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein in Essen. Der Jurist arbeitet als Rechtsanwalt und Notar vor allem in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A. Und seit vielen Jahren ist er mit einem Team für das Recruiting der Kanzlei verantwortlich. Seiner Einschätzung nach gehe es im Wirtschaftsrecht um mehr als um die technische Informationsverarbeitung und die Bewältigung großer Datenmengen. „Legal Tech beruht auf Algorithmen und darauf, was Menschen vorher anhand logischer Muster hinterlegt haben. Die Einschätzung und Bewertung eines erfahrenen Beraters kann man damit nicht ersetzen, sondern nur unterstützen und ergänzen.“

Blockchain: viele Fragen offen

Als Blockchain bezeichnet man eine Art digitales Kassenbuch, mit der jede Transaktion zwischen Parteien transparent erfasst und mit jedem Detail gespeichert wird. Offen und unvergesslich: Die Technik eignet sich in der Theorie damit für einen weltweiten, schnellen und unkomplizierten Austausch von Werten. Auch „Smart Contracts“ sind ein Thema, also Verträge, die keinen Notar mehr benötigen. Die Unternehmensberatung KPMG hat nun aber festgestellt, dass diese Technik juristisch auf wackeligen Beinen steht: „Derzeit sind fast alle juristischen Fragen im Hinblick auf die regulatorische Einordnung offen“, heißt es in einem Infopapier. „So könnte beispielsweise eine Erlaubnispflicht bestehen, wenn der Handel mit Finanzinstrumenten oder das Erbringen von Zahlungsdiensten auf Grundlage der Blockchain-Technologie erfolgt. Auch die Frage der Haftung muss geklärt werden.“ kpmg-law.de
Joachim Gores glaubt auch nicht, dass die Mandanten einer Wirtschaftskanzlei alleine diesen Algorithmen genügend Vertrauen entgegenbringen, um daraufhin Handlungen abzuleiten. „Dass ein Unternehmer seine Entscheidung letztlich aufgrund des ‚Austauschs’ mit einem technischen System fällt, ist kaum vorstellbar.“ Der Wirtschaftsanwalt ist überzeugt: „Um Handlungsalternativen darzustellen, Chancen und Risiken abzuwägen und Reaktionen auf das eigene unternehmerische Handeln einzuschätzen, ist die persönliche Kommunikation unabdingbar.“

Legal Tech-Labore in Kanzleien

Das ist auch der Grund, warum in vielen Kanzleien Legal Tech-Anwendungen zunächst nur intern eine Rolle spielen – also, um Arbeitsprozesse in den Sozietäten neu zu organisieren. Das ist auch bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Pinsent Masons der Fall. Dr. Florian von Baum ist dort seit 2012 Partner, seit 2016 leitet er das Büro München und hat sich auf die Beratung von Unternehmen im Bereich IT/Software, Telekommunikation, Automotive sowie Biotech/Life Sciences spezialisiert. Das sind Mandanten aus hochtechnologischen Branchen. Aktuell bestimmen seinen Arbeitsalltag „noch mehr unsere internen Legal-Tech-Anwendungen, dies aber in zunehmendem Maße“. In der Zukunft werde es seiner Meinung aber schon auch darum gehen, entsprechende Legal Tech-Produkte für Mandanten zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. „Wir stellen uns dabei die Frage, wie weit wir solche Dinge intern entwickeln – in Großbritannien haben wir dafür ein Entwicklungszentrum – oder ob wir auf Kooperation mit Dritten setzen.“ Es ist also möglich, dass innerhalb der Kanzleien in naher Zukunft Labore entstehen, in denen IT-Experten und Juristen gemeinsam an Legal Tech- Lösungen für Mandanten arbeiten. Aber gerade dann sei es wichtig, dass das Thema Legal Tech nicht zu isoliert betrachtet werde: Ausrichten müsse sich die Strategie an den „Kategorien ‚People, Process & Technology’“, sagt Florian von Baum. Zu beachten ist die Reihenfolge: Vorne stehen die Menschen, erst dann folgen der Prozess und die Technologie. „Wenn man es positiv sehen will, werden die externen – wie übrigens auch die unternehmensinternen – Rechtsberater von vielen, oftmals lästigen und zeitaufwendigen Arbeiten entlastet“, sagt Florian von Baum. „Und das bedeutet, dass sich der Anwalt wieder mehr um die eigentlich wichtige strategische und persönliche Beratung kümmern kann.“

Consulting Tech & Legal Tech

Die Nachfrage nach einer strategischen und digitalen Beratung für Kanzleien und auch Rechtsabteilungen in Unternehmen steigt, schließlich müssen die Akteure einen Weg finden, wie digitale Lösungen in das People’s Business eingefügt werden können. Der Buchautor Matthias Buchholz glaubt, dass dadurch ganz neue Job-Profile für externe und interne Berater entstehen. Zusammengefasst hat er sie in seinem E-Book: „Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter“, in dem er sehr konkret zwölf Consulting 4.0-Geschäftsmodelle benennt, insbesondere auch mit Fokus auf die digitale Transformation in Kanzleien. Matthias Buchholz: Consulting Tech & Legal Tech – Geld verdienen als Experte im digitalen Zeitalter. Epubli 2017, 7,99 Euro.Jetzt kaufen bei Amazon
Betrachten müsse man aber auch, dass das hergebrachte Geschäftsmodell von Kanzleien, nämlich auf Basis von „Zeiteinheiten“ abzurechnen, nicht mehr funktionieren wird, wenn Algorithmen Teile dieser Jobs erledigen. Der Jurist glaubt daher, dass sich die Struktur der Angebote der Kanzleien ändern wird. „Wir werden neben der eigentlichen Beratung vielmehr in Produktkategorien denken müssen. Das verlangt vom Anwalt neben dem rechtlichen und technischen Know-how noch mehr betriebswirtschaftliche Expertise“.

Job zwischen IT-Expertise und People Business

Für den juristischen Nachwuchs in den Kanzleien ergibt sich dadurch eine besondere Konstellation: Zum einen zählen sie zu den Hoffnungsträgern, um Legal Tech weiter voranzubringen, oft in sehr enger Kooperation mit IT-Experten – und dann eben auch noch mit der ökonomischen Dimension im Hinterkopf. Auf der anderen Seite müssen sie der Strategie gerecht werden, nach der anwaltliche Beratung ein „People Business“ bleibt. Ein schwieriger Spagat! Was die digitale Kompetenz betrifft, beobachtet Florian von Baum durchaus einen Wissensvorsprung der jüngeren Generation, der sich schon alleine aus den Erfahrungen in der Lebenswelt ergibt. Er selbst, zugelassener Rechtsanwalt seit 1996, nennt sich im Gegensatz zu den „Digtal Natives“ einen „Digital Immigrant“: „Daher kostet mich die Übung, ‚up to date’ zu bleiben ein bisschen mehr Anstrengung.“ Weshalb das IT-Recht gerade für die neue Generation von Anwälten ein so spannendes Thema sei. „Und was ich jedem nur empfehlen kann: regelmäßig ins Silicon Valley fahren und dort ein Netzwerk aufbauen.“ Aber wie führt man den technikbegeisterten Nachwuchs an die persönliche Beratung heran, ohne, dass er dabei die Motivation verliert, digitale Ideen immer auf dem Schirm zu haben? Joachim Gores von Kümmerlein setzt vor allem auf eines: Praxiserfahrung. „Wir lassen unsere jungen Anwältinnen und Anwälte im Mandat unmittelbar erleben, welche Facetten zu einer wirtschaftsrechtlichen Beratung gehören“, sagt der fürs Recruiting verantwortliche Partner. Wer zum Beispiel vom Anfang bis zum Ende in einem M&A-Projekt mitgearbeitet habe, könne nach kurzer Zeit einschätzen, welchen Teil der Arbeit vielleicht von Legal Tech erledigt werden könnte – und welcher eben nicht. „Zum anderen engagieren wir erfahrene Kommunikationsprofis für interne Schulungen, die zusammen mit den jungen Kollegen persönliche Fähigkeiten ansprechen, die für den Beraterberuf unabdingbar sind.“ Und wo genau können künstliche Intelligenz und Big Data nun helfen? „Legal Tech wird bei der Bearbeitung von Massenverfahren und standardisierungsfähigen Vorgängen viel leisten können“, sagt Joachim Gores. Auch bei der Bereitstellung von intelligenten Vertragsmustern sehe er einiges Potential, zudem „bei der Unterstützung operativer Einheiten, wenn Aufgaben mit juristischem Bezug ohne Einschaltung der Rechtsabteilung gelöst werden sollen“.

Anwaltsberuf: Zu komplex für die KI

Legal Tech: neue Geschäftsmodelle

Bestimmte Rechtsbereiche bieten sich geradezu an, sehr stark auf Legal Tech-Lösungen zu setzen. Zum Beispiel die Frage nach den Rechten von Flugpassagieren bei verspäteten oder ausgefallenen Flüge. Hier gibt es bereits eine Menge Anbieter, die ganz neue Ansätze verwirklichen: zum Beispiel den, dass der Kunde nur im Erfolgsfall zahlt. Die Digitale Anwaltschaft, eine Arbeitsgruppe des Deutschen Anwaltvereins, bietet auf ihrer Homepage einen Überblick über bereits existierende autorisierte Rechtsberatungen. Es zeigt sich: die Vielfalt ist schon heute groß – neben Verbraucherrechten gibt es auch Angebote bei Scheidungen und Unfällen, Problemen mit dem Vermieter und der Verkehrskontrolle.
Sicher sei aber auch: Die rechtlichen Herausforderungen, mit denen man gerade in einer Wirtschaftskanzlei tagtäglich konfrontiert werde, seien viel zu komplex und individuell, dass sie komplett von digitaler Automation übernommen werden könnten. „Daher wird die persönliche rechtliche Beratung trotz aller technischen Neuentwicklungen auf allen Gebieten an Bedeutung gewinnen“, schätzt Gores. „Vor allem, wenn es nicht nur darum geht, Risiken aufzudecken, sondern darum, kreative Lösungen zu entwickeln.“ Denn das ist ja gerade die große Kompetenz eines Juristen, der sich als individueller Rechtsberater versteht: Standardlösungen erarbeiten, das können viele. Für den Mandanten genau die richtige Lösung zu finden und dabei auch Facetten im Blick zu haben, die sogar den Legal Tech-Algorithmen entgehen und in den riesigen Datensätzen überhaupt nicht auftauchen, weil sie etwas mit Empathie zu tun haben, das ist und bleibt die Königsdisziplin des Juristen. Wobei es smart ist, sich dabei von der digitalen Technik helfen zu lassen.

Legal Tech-Entwickler und Wirtschaftsjurist Andreas Ziegenhagen

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Die Großkanzlei Dentons hat mit Nextlaw Labs ein virtuelles Labor entwickelt, in dem Juristen und IT-Spezialisten Legal Tech-Lösungen erarbeiten. Andreas Ziegenhagen, Leiter der deutschen Büros Dentons Europe LLP erzählt, wie dort die Prozesse funktionieren, an welchen Systemen man arbeitet und warum in der Folge die emotionale Intelligenz der Anwälte von immer größerer Bedeutung ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Ziegenhagen ist bei Dentons Managing Partner Deutschland und European Head der Praxisgruppe Restrukturierung. Er ist spezialisiert auf die rechtliche und steuerliche Beratung bei Unternehmenstransaktionen, Restrukturierung und Insolvenzrecht, Unternehmenssteuerrecht und Gesellschafts-, Bank- und Bilanzrecht. Zudem gehört er zu den wenigen deutschen Rechtsanwälten, die gleichzeitig Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind. Seit Januar 2006 ist er Partner bei Dentons in Berlin und zudem Geschäftsführer der Dentons GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft. Er begann seine Karriere bei Haarmann Hemmelrath, wurde 2001 zum Partner ernannt und 2004 Leiter der Praxisgruppe Insolvenz und Sanierung. Zudem ist er Mitglied im Global Board und European Board von Dentons.
Herr Ziegenhagen, können Sie kurz einen Überblick über die Dinge geben, die in den Nextlaw Labs entwickelt werden? Nextlaw Labs versteht sich als eine Plattform, die innovative technische Lösungen für Probleme entwickelt, die Anwälten in ihrer täglichen Praxis immer wieder begegnen. Am Anfang geht es darum, diese Herausforderungen im Austausch mit Anwälten und Mandanten zu identifizieren. Anschließend versuchen wir, den Weg zu einer technischen Innovation vom Anfang bis zum Ende in umsetzbare Abschnitte zu gliedern. Geht es darum, Lösungen zu vereinheitlichen? Nein, denn für verschiedene und komplexe Probleme gibt es keine einheitlichen Lösungen, weshalb für uns bei der Lösungsfindung immer die enge Zusammenarbeit mit Mandanten und Anwälten entscheidend ist. Wir gehen dabei so vor, wie es beispielsweise auch ein Designer hinsichtlich Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit tun würde. Wir sind immer mit einem konkreten Anwendungsfall beschäftigt, der von unseren Mandanten und Anwälten nachgefragt wird. Warum haben Sie diese technischen Entwicklungen zunächst in die Nextlaw Labs ausgegliedert? Innovation ist immer auf schnelle Feedback-Prozesse angewiesen. In einer klassischen Kanzleiumgebung ist das nur schwer umzusetzen. Wir haben für das Testen neuer Software ein sogenanntes Sandbox-Konzept entwickelt, mit dem auch noch nicht ausgereifte Programme in einer Testphase gefahrlos ausprobiert, geprüft und weiterentwickelt werden können, ohne, dass sie Auswirkungen auf unsere normale IT-Struktur haben. Wie kann man sich diese „Labs“ vorstellen, sitzen da Juristen und IT-Experten gemeinsam in echten oder virtuellen Räumen, findet man tatsächlich eine Art „Labor-Situation“ vor? Nextlaw Labs ist ein virtuelles Labor, es gibt also in diesem Sinne keine physischen Laborräume, in denen die Entwicklung stattfindet. Stattdessen können wir über mehrere Zeitzonen hinweg mit digitalen Kommunika- tionstools arbeiten und Entwickler und Nutzer auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Produkt aus unseren „Labors“ ist „Qualmet“: Ein Dentons- Mandant, ein amerikanisches Fortune 500-Unternehmen, hatte uns auf ein zentrales Problem für die Rechtsabteilungen in Unternehmen aufmerksam gemacht: Vielen Inhouse- Rechtsabteilungen fehlt ein Standard, um objektiv die Qualität der von externen Beratern erbrachten Rechtsdienstleistungen zu messen. Der Mandant wandte sich an Nextlaw Labs, um ein Tech-Unternehmen aufzubauen, das ein solches System entwickeln kann. Nextlaw Labs hat dann das Know-how an der Schnittstelle von Recht und Technologie zur Verfügung gestellt und Qualmet entwickelt. Dabei haben die Anwälte von Dentons eine zentrale Rolle gespielt. Heute ist Qualmet mit mehreren Beta-Versionen in verschiedenen Inhouse-Rechtsabteilungen im Einsatz.
Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können.
In welchen weiteren Bereichen können neue Techniken zum Einsatz kommen? Unser Ziel ist es, unsere Anwälte dahingehend zu schulen, sich bei ihren größten Herausforderungen innovativer Mittel zu bedienen. Auf diesem Weg können unsere Anwälte einerseits ihren Mandanten einen Mehrwert bieten und zugleich die Zufriedenheit mit den eigenen Arbeitsbedingungen steigern. Wir sehen Technologie als eine Lösung für insbesondere die repetitive und kleinteilige Arbeit, mit der gerade junge Anwälte häufig konfrontiert sind. Anwälte sollten sich so gut wie möglich auf geistig anspruchsvolle Arbeit sowie strategische und kreative Herausforderungen konzentrieren können. Erst die emotionale Intelligenz im Umgang mit Mandanten macht einen guten Anwalt zu einem sehr guten Anwalt. Was dagegen nie durch Technik ersetzt werden kann, ist die vertrauensvolle Mandantenbeziehung. Technologie kann diese lediglich effizienter gestalten. Sie sprachen schon von Beta-Versionen, die im Einsatz sind. In der IT-Branche werden diese zu Testzwecken veröffentlicht, Feedbackschlaufen und Verbesserungen sind impliziert. Ist so etwas im Rechtsbereich möglich, schließlich kann jede Fehlleistung für den Mandanten sehr unangenehme Folgen haben. Der Einsatz von Beta-Versionen ist ein hervorragendes Instrument, um die Lösung eines Problems auf der Grundlage von Feedback weiter zu verfeinern. Noch vorhandene Fehler sind in diesem Sinne hilfreich für die Optimierung. Entscheidend ist, dass unternehmenskritische Risiken identifiziert und ausgeschlossen wurden, bevor eine Beta-Version zum Einsatz kommt. Darüber hinaus besteht das Ziel eines Beta-Release darin, nicht identifizierte Risiken weiter auszuschließen. Dies geschieht idealerweise in einem risikofreien Test-Umfeld und in enger Abstimmung mit dem Mandanten sowie den wichtigsten Akteuren des Unternehmens.
Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger.
Mit Blick auf die Absolventen, die nun Ihre Karriere beginnen: Wie können sich junge Juristen heute auf Legal Tech-Innovationen vorbereiten? Wir sind überzeugt, dass Legal Tech mit seinen heutigen und zukünftigen Möglichkeiten eine bisher beispiellose Chance bietet, insbesondere für Nachwuchsjuristen und Berufsanfänger. Repetitive Tätigkeiten können sinnvoll an technische Programme delegiert werden. Das schafft mehr Raum für die besonders interessanten Aspekte des Anwaltsberufs. Die Fertigkeiten, die für die Ausbildung und den Erfolg eines Nachwuchsjuristen unerlässlich bleiben, sind daher insbesondere Fähigkeit zum kreativen Problemlösen, zum kritischen Denken sowie zum souveränen Umgang mit Sprache. Auch ein solides Hintergrundwissen über gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, Akteure und Themen bleibt unerlässlich für gute Juristen. All das kann in naher Zukunft – glücklicherweise möchte man sagen – nicht durch künstliche Intelligenz oder eine andere Technologie ersetzt werden. Glauben Sie daran, dass in großen Kanzleien früher oder später ganz neue Job-Profile an der Schnittstelle zwischen Recht und IT entstehen? Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Ein neues Berufsprofil, das in Großkanzleien bereits deutlich Gestalt annimmt, ist das des Legal Engineer. Im Entwicklungsprozess bei Nextlaw Labs sehen wir, dass technisch versierte Juristen oder Software-Spezialisten mit juristischer Zusatzausbildung immer wichtiger werden. Sie überbrücken die Lücke zwischen juristischer Expertise und Technik und erhöhen mit ihrem doppelten Know-how die Chance, dass sich eine neue Technologie im Rechtsmarkt etablieren kann. Wir sehen auch eine interessante Dynamik im Bereich von Technologie-Startups, wo sich Gründer mit einem juristischen Abschluss zu Geschäftsleuten mit einer Mischung aus technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Fähigkeiten entwickeln. Fachleute mit multidisziplinären Fähigkeiten überblicken zusätzlich zu ihrer fachlichen Spezialisierung die größeren Zusammenhänge im Markt und merken gerade dadurch, wo technische Innovationen jenseits von modischen Schlagwörtern überhaupt nachgefragt werden.

Nextlaw Labs

Nextlaw Labs ist eine Plattform, die mit Fokus auf Investition, Entwicklung und Einsatz neuer Technologien den Rechtsmarkt verändern möchte. Sie ist eine autonome Tochtergesellschaft der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons mit physischen und virtuellen Standorten in Technologiezentren auf der ganzen Welt. Durch ergänzende und strategische Partnerschaften mit führenden Technologieunternehmen, Start-ups und etablierten Rechtsanbietern investiert NextLaw Labs in vielversprechende Unternehmen und entwickelt eine Technologiereihe mit dem Ziel, den Mandantenservice zu verbessern und die Lösungen für Mandanten zu erweitern.

Fraud Manager: Betrug bekämpfen

Fraud Manager spielen eine immer wichtiger werdende Rolle bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität – sowohl in großen Firmen wie auch bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Von Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert, Polizeipräsident a. D., Dr. Buchert & Partner, Frankfurt am Main

Bei Fraud Management geht es primär um die Abwehr und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, von der in den letzten Jahren – glaubt man namhaften Studien – rund die Hälfte aller großen und mehr als ein Drittel aller Unternehmen in Deutschland betroffen waren. Der englische Begriff Fraud wird hier nicht nur für die verschiedenen Formen von Betrug, sondern als Oberbegriff für eine Vielzahl wirtschaftskrimineller Handlungen sowie für alle Facetten von Unternehmenskriminalität gebraucht: zum Beispiel Untreue, Geldwäsche, Bilanzfälschung, Korruption oder Datenmissbrauch. m Prinzip geht es um die Bündelung verschiedener Maßnahmen, die darauf abzielen, dolose Handlungen zu vermeiden, aufzudecken und aufzuarbeiten. Also alle vorsätzlichen und grob fahrlässigen Schädigungen eines Unternehmens. Aufgabe eines (Anti-)Fraud-Managers ist es, ein Sicherheits- und Überwachungskonzept aufzubauen oder weiterzuentwickeln und in diesem Rahmen Verdachtsmomenten nachzugehen und sie aufzuklären. Das wird oft in Form oder im Rahmen von Compliance-Management-Systemen (CMS) erfolgen und Bestandteil eines internen Kontrollsystems (IKS) sein. Fraud Management ist also durch die drei Säulen der Prävention, der Aufdeckung und der Aufarbeitung gekennzeichnet. Dabei sollte die Vorbeugung eigentlich die wichtigste Rolle spielen, was aber keineswegs immer der Fall ist. Je nach Struktur eines Unternehmens sind solche Funktionen in der Rechtsoder Compliance-Abteilung, der Revision oder zum Beispiel bei Finanzdienstleistern in gesonderten Organisationseinheiten zusammen mit Geldwäschebekämpfung angesiedelt. Volkswagen hat für die Ermittlungen seit einiger Zeit ein eigenes Investigation Office gegründet. Große Firmen haben in ihren Revisionsabteilungen Einheiten für interne Ermittlungen gebildet.

MBA-Studiengang und Zertifikatskurs

An der School of Governance, Risk & Compliance (School GRC) wird der MBA in der Vertiefung Wirtschaftskriminalität & Compliance angeboten (www.school-grc.de/studium/master-of-business-administration.html) und einen Zertifikatsstudiengang zum „Certified Fraud Manager (CFM)“ bietet die Frankfurt School of Finance and Management an (www.frankfurt-school.de/home/executive-education/governance-audit/zertifikatsstudiengang-certified-fraud-manager.html).
Familienunternehmen scheuen sich oder zögern oft ein Fraud Management zu etablieren und setzen vor allem auf eine Vertrauenskultur. Die Erfahrungen weisen aber in die Richtung, neben dem Vertrauen, das man in die Mitarbeiter setzt, auch angemessene Kontrollsysteme einzurichten. Juristen haben gute Berufschancen im Fraud Management, ebenso Absolventen der Wirtschaftswissenschaften. Zusätzliche Ausbildungen oder Erfahrungen in den Bereichen Interne Revision, Finanz- und Rechnungswesen oder Controlling sind vorteilhaft. Einen speziellen Studiengang gibt es nicht, wohl aber MBA-Programme mit entsprechenden Schwerpunkten. Als Arbeitgeber kommen vor allem große Unternehmen und der gesamte Mittelstand in Betracht. Aber auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften suchen Manager für das Fraud Management, das sie ihren Kunden anbieten.

Europarechtler

Das Europarecht ist in aller Munde. Beinahe täglich hören wir von wegweisenden EuGH-Urteilen, neuen Richtlinien aus Brüssel, Beschlüssen und Vorschlägen der EU-Kommission, Kompetenzkonflikten zwischen den Gerichtsbarkeiten. Wer schaut da noch durch? Und kann es „den“ Europarechtler überhaupt noch geben? Von Dr. Ulrich Karpenstein, Partner bei Redeker Sellner Dahs, Berlin/Brüssel

Gewiss kann es den allwissenden „Europa-Anwalt“ ebenso wenig geben, wie einen Anwalt für das gesamte deutsche Recht. Der Normenbestand des europäischen Sekundärrechts ist dafür längst zu groß geworden. Deshalb und dafür gibt es in der Anwalt- und Beamtenschaft Spezialisten, die sich in den europarechtlich geprägten Sachmaterien auskennen, sie begleiten und auf den Einzelfall anwenden – vom Kartell- und Beihilfenrecht, Umwelt-, Zoll- und Außenwirtschaftsrecht, bis hin zum europäischen Asyl- und Gesellschaftsrecht. Und doch gibt es auch „die“ Europarechtler, die mit wissenschaftlicher Durchdringung das gesamte Spektrum des europäischen Primär- und Sekundärrechts, namentlich in politisch relevanten Fällen, abdecken. Nur wenige Kanzleien bieten dieses Spektrum an – umso vielfältiger und spannender sind die Verfahren, um die es dann geht: Entsprechen die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Stabilitätsmechanismus dem deutschen und dem europäischen Verfassungsrecht? Lässt sich die Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbaren? Wie weit reichen nach den EU-Verträgen die Kompetenzen der EU-Kommission und des EuGH zur Sanktionierung der Mitgliedstaaten? Haben die Mitgliedstaaten eine Beurteilungsprärogative zum Schutz ihrer nationalen Interessen, etwa in der Umwelt-, der Verteidigungs- oder der Gesundheitspolitik? Und unter welchen Voraussetzungen haftet Deutschland für die Nichtumsetzung von Unionsrecht?
Interessierte Berufsanfänger tun gut daran, sich Kanzleien oder Behörden, die dieses Spektrum anbieten, schon im Referendariat anzusehen.
Alle diese und unzählige weitere Fragen treten in den unterschiedlichsten Konstellationen auf, werden von Mandanten mit divergierenden Interessen – von den mitgliedstaatlichen Regierungen über Unternehmen und Verbände bis hin zu europäischen Institutionen – aufgeworfen und müssen meist vor Gerichten ausgefochten werden, die unterschiedlicher nicht sein können: Den Unionsgerichten (EuG und EuGH), die für ihre europarechtsfreundliche Entscheidungspraxis bekannt sind und deutschen Zivil- und Fachgerichten, von denen viele das Unionsrecht und den EuGH noch immer scheuen. Interessierte Berufsanfänger tun gut daran, sich Kanzleien oder Behörden, die dieses Spektrum anbieten, schon im Referendariat anzusehen. Erwartet werden – neben politischem Fingerspitzengefühl – herausragende rechtswissenschaftliche Fähigkeiten, Engagement sowie eine Formulierungsgabe, die den anspruchsvollen Erwartungen der Mandanten – ihrerseits meist erfahrene Juristen aus Rechtsabteilungen – in jeder Hinsicht gerecht wird. Ihnen sei versprochen: Der Aufwand lohnt!

Social Media-Recht

Beratung im Social Media-Recht benötigen sowohl Agenturen und Unternehmen als auch Privatpersonen. Anwälte müssen sich in vielen Bereichen auskennen und sich ständig weiterbilden, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dafür werden sie mit einem abwechslungsreichen, spannenden Berufsfeld belohnt. Von Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner bei der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke

Heutzutage gibt es kaum noch ein Unternehmen, das sich die sozialen Netzwerke nicht zunutze macht. Marketing- und PR-Strategien setzen bewusst auf die meist kostenfreien sozialen Plattformen, auf denen sich Millionen interessierter Nutzer tummeln. Neben den „älteren“ Netzwerken wie Facebook, Google+, XING, LinkedIn oder Twitter ist in der jüngsten Zeit die Plattform Instagram der Renner. Doch die Nutzung von Social Media birgt auch einige rechtliche Risiken. Von der Impressumspflicht und der Datenschutzerklärung über das rechtskonforme Direkt- oder Influencer-Marketing bis hin zu arbeitsrechtlichen Aspekten, Problemen aus dem Haftungsrecht oder dem Urheberrecht gibt es viele rechtliche Fallstricke.
Häufig geht es hier um die Abwehr von „Hate Speech“ im Netz, also um die Abwehr anderer Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Oder darum, die Verbreitung von Bildern der Person im Netz zu verhindern.
Ein Social Media-Anwalt bietet zunächst Hilfestellung, wenn es darum geht, die Probleme im Vorfeld aufzuspüren. So müssen Marketingaktionen stets sowohl auf ihre Gesetzeskonformität als auch auf ihre Kompatibilität mit den AGB des sozialen Netzwerks geprüft werden. Beratungsbedarf im Urheberrecht entsteht zum Beispiel bei der Einstellung von Inhalten wie Bildern, Texten oder Musik. Daneben steht der Anwalt aber natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite, wenn es doch einmal zu einer Abmahnung gekommen sein sollte und man dagegen vorgehen möchte. Auch berät er seine Mandanten, wenn sie einem „Shitstorm“, einer ungerechtfertigten negativen Bewertung oder einer anderen Unternehmenspersönlichkeitsrechtsverletzung ausgesetzt sind. Aber auch im privaten Bereich kommt es zu rechtlichen Problemen: Häufig geht es hier um die Abwehr von „Hate Speech“ im Netz, also um die Abwehr anderer Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Oder darum, die Verbreitung von Bildern der Person im Netz zu verhindern.

Vielseitig interessierte Anwälte an Puls der Zeit

Gerade weil der Bereich Social Media so groß ist, sind es die Aufgaben eines Social Media-Anwalts entsprechend auch. Daher benötigt man besondere Expertise in verschiedensten Rechtsgebieten wie zum Beispiel dem Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Medienrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht und Datenschutzrecht. Es lohnt sich insbesondere ein Fachanwaltslehrgang im Medienrecht. Hauptvoraussetzung für den Beruf ist eine gewisse Begeisterung für die sozialen Medien. Hinzu kommt die Bereitschaft, sich in diesem schnelllebigen Rechtsbereich konstant weiterzubilden. Denn in diesem Bereich gibt es ständig Neuerungen in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Auch die Plattformen selbst ändern ständig ihre Nutzungsbedingungen und entwickeln ihre Dienste fortlaufend weiter. Dafür wird man mit einem abwechslungsreichen und spannenden Berufsfeld belohnt.