Neue Anforderungen durch Industrie 4.0

Foto: Fotolia/ foxyburrow/ Andrei Merkulov
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Was kommt auf Ingenieure im Zuge der Digitalisierung zu? Welche neuen Fähigkeiten sind künftig gefragt? Von Dr. Franziska Schmid, Referentin für Bildungspolitik, VDMA Bildung

Der Maschinen- und Anlagenbau ist der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland. Er ist überwiegend mittelständisch geprägt und beschäftigt rund 1,3 Millionen Mitarbeiter, darunter gut 190.000 Ingenieure. Die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus genießen international einen hervorragenden Ruf und stellen in 16 von 31 Industriesparten den Weltmarktführer. Ein weiteres besonderes Merkmal des Maschinen- und Anlagenbaus ist sein fortwährender Wandel, was er auch im Zeitalter der Digitalisierung unter Beweis stellt.

Industrie 4.0, also die digitale Vernetzung der kompletten Produktion und die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit, wird den Maschinen- und Anlagenbau fundamental verändern. Mit Industrie 4.0 wird eine selbstorganisierte Steuerung des gesamten Produktionsnetzwerks vom Zulieferer über die eigentliche Produktion bis zur Auslieferung an den Kunden möglich. Es entsteht eine neue Stufe der Automatisierung sowie eine höhere Flexibilität in der Produktion. Eine weitere Ressourcenoptimierung, die Produktindividualisierung bis hin zu Losgröße 1 oder gar ganz neue Geschäftsmodelle werden möglich. So ist eine der Schlüsselinnovationen von Industrie 4.0 „Predictive Maintenance,“ also die vorausschauende Wartung von Maschinenkomponenten durch die kontinuierliche Messung und Auswertung von Daten.

Paradigmenwechsel

Zur Bewältigung der Herausforderungen durch Industrie 4.0 wird der Maschinen- und Anlagenbau – bereits heute größter Ingenieurarbeitgeber in Deutschland – in Zukunft einen noch stärkeren Bedarf an gut ausgebildeten Ingenieuren haben. Gleichzeitig werden sich die Anforderungen an deren Kompetenzen und Qualifikationen aufgrund der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung ändern.

Das technologische Zusammenrücken von physischer und virtueller Ebene bedeutet auch ein Zusammenwachsen von Kompetenzen. Der Maschinen- und Anlagenbau wird dadurch interdisziplinärer werden. Dies bedeutet nicht, dass jeder Maschinenbauingenieur zum Programmierer werden muss. Aber er sollte die Sprache der Informatik sprechen und verstehen und zukünftig in der Lage sein, seine Anforderungen an eine Steuerungssoftware oder ein Regelungsprogramm klar zu kommunizieren.

Industrie 4.0 bedeutet auch das systematische Erheben, Analysieren und Nutzen der im Unternehmen entstehenden Daten. Der Umgang mit diesen „Big Data“ wird eine zunehmend wichtigere Qualifikation werden. Es werden Ingenieure mit mathematischer und statistischer Expertise, mit Fähigkeiten in der Modellierung und Simulation sowie in methodischen Kompetenzen der Datenanalyse und -aufbereitung gefragt sein. Auch Aspekte wie Datenschutz und Datensicherheit werden an Bedeutung gewinnen.

Vernetzung von Software-Industrie und Maschinenbau

Die AMB, eine internationale Ausstellung für Metallbearbeitung in Stuttgart, zeigte in diesem Jahr in der Sonderschau Digital Way, wie die Vernetzung von Softwareindustrie und Maschinenbau vorangeschritten ist. Die Sonderschau widmet sich der zunehmenden Digitalisierung in der Produktion. Demnach wird Machine Learning langfristig ein Thema sein, ebenso wie Predictive Maintenance. Condition Monitoring und Big Data Analytics. Die zunehmende Digitalisierung stellt die Unternehmen nach eigener Aussage jedoch auch vor große Probleme: Personalengpässe in den Softwareentwicklungsabteilungen, der weiter steigende Personalbedarf sowie die Ausund Weiterbildung werden für immer mehr Unternehmen zur Herausforderung.

Durch Industrie 4.0 werden neue, überfachliche Qualifikationen und sogenannte Soft Skills immer wichtiger. Denn die Digitalisierung verlangt zunehmend nach Lösungen, die ein Unternehmen nicht mehr für sich alleine bewältigen kann. Die Vernetzung der Wertschöpfungskette benötigt mehr Prozess- und Überblickswissen. Kooperationskompetenz Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und interdisziplinäres Denken innerhalb des Unternehmens nehmen an Bedeutung zu.

Der technologische Fortschritt wird sich durch Industrie 4.0 weiter beschleunigen. Daher ist es zunehmend notwendig, Wissen schneller zu aktualisieren. Ein erster Studienabschluss kann nur der Beginn eines lebenslangen Lernens sowie der kontinuierlichen Aneignung von Fachwissen sein. Motivation, Selbstverantwortung, Wissbegierde, Learning on the job sowie Flexibilität und Veränderungsbereitschaft sind deshalb zentrale Schlüsselkompetenzen für die Industrie 4.0.

Die technologische Entwicklung bietet die Chance, zu einem Wachstumstreiber des Maschinen- und Anlagenbaus zu werden sowie den Produktionsstandort Deutschland weiter zu stärken. Dafür suchen die Unternehmen hochqualifizierte Mitarbeiter und bieten spannende Aufgaben in einem weiten Spektrum, gute Entwicklungsmöglichkeiten und oft flache Hierarchien.