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Hanfleder statt Tierleder

Mineralölfreie Hydraulikflüssigkeiten

Whisky im Tank

So manche Nachhaltigkeitsversprechen, die Hersteller geben, entpuppen sich als leere Worthülsen. „Greenwashing“ nennt es sich, wenn Unternehmen sich selber „grüner“ darstellen, als sie wirklich sind. IT-Ingenieur Dominik Sothmann, Gründer der Flip GmbH, beschreibt in einem Gastbeitrag, wie man Greenwashing erkennt und was man dagegen tun kann.
Fünf Arten von Greenwashing-Methoden – oder Kombinationen daraus – sind bekannt:Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten.Das Problem beim Greenwashing: Die Konsument*innen werden hinters Licht geführt und belogen. Es ist nahezu unmöglich, als Verbraucher*in selber festzustellen, ob man hereingelegt wird oder nicht. Das ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass es Millionen von Verbraucher*innen in Deutschland gibt, die bewusst mit ihrem Konsum zu mehr Nachhaltigkeit beitragen wollen. Wenn sie auf Greenwashing hereinfallen, bewirken sie genau das Gegenteil von dem, was sie beabsichtigen. Zudem leiden auch die wirklich nachhaltigen Unternehmen darunter, denn sie können sich bei der Außendarstellung ihrer Lösungen wenig von den Greenwashing- Unternehmen differenzieren. Greenwashing schadet also der Green Economy im Ganzen. Greenwashing ist in vielen Fällen eine absichtliche und bewusste Täuschung und damit nicht als Kavaliersdelikt zu werten. Es muss also auf verschiedenen Ebenen etwas passieren, um dagegen anzugehen. Die EU-Kommission will beispielsweise eine Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken ändern und Greenwashing auf eine sogenannte schwarze Liste setzen. Auf deren Basis könnten Verbraucher*innen grüne Werbelügen anzeigen.
Tipp des Greenwashing-Experten:
Was können angehende Ingenieur*innen tun, um Greenwashing beim eigenen Arbeitgeber zu erkennen? Grundsätzlich sollte man immer kritisch nachfragen und prüfen, ob Kernaussagen des Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit auch gelebt werden oder einfach nur Worthülsen sind, die modern klingen. Bei Letzterem sollte man stutzig werden und für sich persönlich abwägen, wie man damit umgeht.
Was machen eigentlich Medizintechniker*innen? Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft von der TU Berlin und bei der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik im Fachausschuss „Aus- und Weiterbildung – Biomedizinische Technik im Studium“ gibt einen Überblick über die Einsatzbereiche und Aufgaben.
Für die Medizintechnik gibt es keine technisch definierte Abgrenzung des Fachgebietes, denn jede Technologie, die einen Nutzen in der Medizin hat, kann zur Medizintechnik werden. In der Entwicklung medizintechnischer Geräte sind neben den Medizintechnikingenieur* innen Ingenieur*innen der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Automatisierungs-, Regelungs- und Verfahrenstechnik, aber auch Absolvent*innen aus Informatik und Naturwissenschaft wie Physik, Biologie, Chemie und natürlich Medizin beschäftigt. Sie setzen sich gemeinsam und interdisziplinär mit spannenden Problemen an der Grenze ihrer jeweiligen Fachgebiete auseinander. Eine besondere Herausforderung ist dabei die direkte Wechselwirkung technischer Geräte mit dem menschlichen Körper, der als lebendes System über eine eigene „Regelung“ verfügt und auf jeden Eingriff reagiert. Es müssen also beabsichtigte Effekte erreicht, aber auch unerwünschte Reaktionen auf technische Eingriffe vermieden werden. Das Fachgebiet der Medizintechnik ist ungeheuer breit. Es reicht von einfachen Medizinprodukten wie chirurgischen Scheren und Skalpellen über komplexe Instrumente für minimal invasive Operationen, Gelenkimplantate, Herzschrittmacher, Herzklappenprothesen, Blutdruckmessgeräte, Dialysemaschinen, Operationstische, Beatmungs- und Narkosegeräte, Orthesen, Rollstühle, Gliedmaßenprothesen und Laborgeräte zur Blutuntersuchung bis zu diagnostisch eingesetzten Großgeräten wie Computer- und Magnetresonanztomographen. Die Digitalisierung verändert die Medizintechnik zunehmend. Systeme werden vernetzt, Daten zusammengeführt, auch um Algorithmen der künstlichen Intelligenz anzuwenden.Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im VDE ergab, dass der Anteil der Ingenieur*innen in der Medizintechnikindustrie mit Abschlüssen in der (Bio-)Medizintechnik in Unternehmen bis 100 Mitarbeitende bei 39 Prozent beziehungsweise in größeren Unternehmen bei 21 Prozent auf Rang eins lag. Es werden eher Generalisten als Spezialisten gebraucht. Sie sind in der Industrie hauptsächlich in der Forschung und Entwicklung, im Qualitätsmanagement und anwendungsorientierten Produktmanagement tätig.Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik
Die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (VDE DGBMT) ist die größte wissenschaftlich-technische Fachgesellschaft der Medizintechnik in Deutschland. Sie wurde 1961 in Frankfurt am Main gegründet. Die DGBMT im VDE vernetzt Expert*innen aus allen Bereichen der Technikanwendungen in Biologie und Medizin. Mit rund 2000 Mitgliedern und 23 Fachgremien deckt sie das gesamte Themenspektrum der biomedizinischen Technik ab.
Hi, ich bin Katrin. Am liebsten gehe ich vor der Arbeit eine Runde joggen, wenn ich nicht meine Tochter zur Kita bringe oder eine Yogastunde unterrichte. Ich habe in Aachen, Indien und Berlin Maschinenbau und Verfahrenstechnik studiert und plane seit meinem Jobeinstieg Ladeinfrastrukturen für Elektroautos. Heute bin ich bei einem Traumarbeitgeber, in einem coolen Team mit viel Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum. Später will ich auf einem Roadtrip durch Deutschland mit einem eigenen Elektroauto nur noch bei Ladegrün!-Ladestationen laden. Aufgezeichnet von Sabine Olschner
Während meines Bachelorstudiums Maschinenbau mit Vertiefung Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen hatte ich noch gar nichts mit Elektromobilität zu tun. Erst bei meiner Masterarbeit an der Technischen Universität Berlin über die dezentrale Stromversorgung in Japan kam ich mit dem Thema in Kontakt. Ich lernte die Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts in Berlin kennen, das zu Erneuerbaren Energien forscht. Das Institut suchte jemanden, der Elektromobilitätskonzepte für Kommunen erstellt, also habe ich mich nach dem Abschluss meines Masterstudiums dort beworben. Ich habe für Städte, Kommunen und Unternehmen Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge geplant. Nach ein paar Jahren gründeten wir aus dem Institut heraus die Spin-off Localiser RLI GmbH, die die Ladeinfrastrukturplanung automatisiert. Die Anfänge des Unternehmens liefen allerdings schleppend, sodass ich während meiner Elternzeit meinen Job verlor. Ich musste mich also nach einer Alternative umsehen und landete im Verkehrsministerium. Auch hier beschäftigte ich mich mit Ladeinfrastruktur, begleitete Förderprogramme und setzte neue auf. Auch wenn die Arbeit interessant war, fühlte ich mich im ministerialen Arbeitsumfeld nicht wohl und wollte wieder zurück zu mehr ingenieurtechnischen Inhalten. Ich lehnte die Verbeamtung ab und kündigte ohne neuen Arbeitsvertrag. Zum Glück, denn sonst wäre ich nicht bei Ladegrün! gelandet, einer Genossenschaft, die 2021 erste Mitarbeitende suchte. Ladegrün! wurde von den drei Ökostromanbietern Naturstrom, EWS Elektrizitätswerke Schönau und Green Planet Energy, ehemals Greenpeace Energy, gegründet. Ziel ist es, zertifizierten Ökostrom an Ladesäulen anzubieten – in Unternehmen, Parkhäusern, Wohnkomplexen und im öffentlichen Raum auf Parkflächen, in außerstädtischen Lade-Hubs oder direkt am Straßenrand als bedarfsgerechte Lösung für Städte und Kommunen. Mittlerweile sind wir rund 20 Mitarbeitende, und ich habe im September die Teamleitung für das Projektmanagement übernommen.Da wir alle remote arbeiten, treffen wir uns jeden Morgen 15 Minuten online, um uns gegenseitig abzuholen. Ansonsten bin ich als Projektmanagerin vor Ort oder digital im Austausch mit den Kund*innen und Dienstleistern zur Besprechung der notwendigen Schritte beim Ladestationsaufbau. Lange Zeit lag auch der Vertrieb und die Kundenberatung beim Projektmanagement, was nun vom Vertriebsteam übernommen wird. Wird ein Projekt umgesetzt, kaufen wir die Hardware ein und koordinieren die Dienstleister. Als Projektmanagerin bin ich häufig, zusammen mit den Elektrofachkräften und Tiefbauunternehmen, auf Baustellen zu finden. Zu den größten Herausforderungen meines Jobs gehören auf alle Fälle lange Lieferzeiten bei der Hardware und lange Wartezeiten bei Genehmigungsprozessen oder Fördermittelvergaben. Außerdem macht uns die Knappheit der Fachkräfte für die Baustellen zu schaffen. Das Maschinenbaustudium vermittelte mir für den Arbeitsbereich Elektromobilität rückblickend die Grundlagen im technischen Verständnis, analytischen und prozessorientierten Denken sowie im Bereich der Elektrotechnik. Ich habe ein paar Weiterbildungen gemacht und das meiste durch Learning-by-doing bei der Projektarbeit gelernt. Für das Verständnis unserer Branche hilft es auf jeden Fall, selber Elektroauto zu fahren und Ladestationen in der Praxis auszutesten. Über verschiedene Online-Angebote (siehe links) kann man gut den Markt beobachten und ein Gefühl dafür bekommen, was gerade wichtig ist. Wer ebenfalls im Bereich Elektromobilität arbeiten will, sollte grundsätzlich Interesse an dem Thema haben. Wie an meinem Lebenslauf zu sehen ist, muss man nicht unbedingt Elektrotechnik studiert haben. Auch meine Kolleg*innen haben die unterschiedlichsten Studienhintergründe. Mich hat die Motivation, etwas zu verändern, zur Elektromobilität geführt. Ich kann an neuen Entwicklungen mitarbeiten und schätze die Vielfalt, die das Thema mit sich bringt. Der Markt ist enorm dynamisch, und ich finde es spannend zu sehen, wie sich die Ladeinfrastrukturlandschaft entwickelt. Es macht Spaß, aus ingenieurtechnischer und umweltfreundlicher Sicht sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Denn auch das gehört zum spannenden Thema der Elektromobilität: Elektrisch fahren ist erst dann richtig nachhaltig, wenn der geladene Strom aus erneuerbaren Energien stammt.Neues aus der Elektromobilität
Katrin Bartels Tipps für alle, die sich für Elektromobilität interessieren: Der E-Mobility -Podcast CleanElectric. Es geht dort um strombetriebene Fahrund Flugzeuge, Ladeinfrastrukturen und -technologien – aktuelle wie zukünftige. Der tägliche Newsletter von electrive.net, dem Branchendienst für Elektromobilität in Europa und darüber hinaus.
Fahrzeuge, die autark mit Solarenergie fahren: Vision oder bereits Wirklichkeit? Marc Andre Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Modultechnologie für fahrzeugintegrierte Photovoltaik am Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme ISE, berichtet über den Stand der Dinge. Die Fragen stellte Sabine Olschner
Die drei Ingenieurabsolventen Florian Senoner, Jonas Jäger und Theodor Golditchuk (von links) haben nach ihrem Hochschulabschluss und einigen Jahren in der Unternehmensberatung buycycle gegründet, einen Online-Marktplatz für gebrauchte Mountainbikes, Rennräder und Gravel Bikes. Sabine Olschner sprach mit Theodor Golditchuk über die Gründungsphase des Münchener Unternehmens.
Wie kamt Ihr auf die Idee, Euch selbstständig zu machen? Wir drei kennen uns über das Rennradfahren und haben für unser Hobby neue Rennräder gesucht. Auf den Kleinanzeigenportalen gab es zwar eine Menge gute Angebote, aber es blieben viele Fragen offen: Was muss man beim Online-Kauf von gebrauchten Rennrädern beachten? Wie erkenne ich aus der Ferne, ob das Rad in Ordnung ist? Wie kommt das gewünschte Rennrad aus einem anderen Bundesland zu mir? Wir haben gemerkt: Das Potenzial des Gebraucht-Fahrrad-Marktes ist riesig, aber die Abwicklung für teure Räder funktioniert einfach nicht richtig. Die Situation war zudem günstig: Neue Rennräder sind bei den Händlern seit Corona-Zeiten kaum noch zu bekommen, daher boomt der Handel mit Gebrauchträdern. Das war der letzte Schubs, den wir gebraucht haben, um durchzustarten. Vor einem Jahr haben wir also einen Marktplatz für gebrauchte, Rennräder, Gravel Bikes – also geländegängige Fahrräder – und Mountainbikes gegründet. Wir bringen Käufer und Verkäufer zusammen, kümmern uns um die Versandabwicklung, den Geldfluss und eventuelle Rückabwicklungen. Außerdem bieten wir optional einen Werkstatt-Check für die Räder an, und wir bereiten alte Räder auf und verkaufen diese selber. Wie hat Euch das Ingenieurstudium und die Arbeit bei der Unternehmensberatung beim Sprung in die Selbstständigkeit geholfen? Wir haben gelernt, wie man strukturiert und effizient Probleme angeht. Und das auch bei Themen, in denen man noch keine langjährige Expertise hat. Wie lief die Startfinanzierung für Euer Unternehmen? Wir hatten für den Anfang etwas eigenes Startkapital angespart. Außerdem haben wir einen Förderkredit der KfW-Bank mit besonders günstigen Konditionen für Unternehmensgründer in Anspruch genommen. Allerdings haben wir den Anspruch, der führende Marktplatz für gebrauchte Fahrräder in Europa zu werden. Daher wollen wir noch schneller wachsen und mehr professionelle Services anbieten. Also haben wir externe Investoren an Bord geholt, mit denen wir uns auch fachlich austauschen können. Wo habt Ihr Euch als Ingenieure die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse angeeignet? Ich habe im Master den Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen gelegt. Und bei der Arbeit in der Unternehmensberatung haben wir alle auch viel kaufmännisches Wissen erlernt. Alles andere geschieht durch Learning-by-doing im eigenen Unternehmen. Im Internet gibt es unendlich viele Informationsquellen, darüber haben wir uns vieles selber beigebracht. Außerdem haben wir uns von Anfang an einen Mentorenkreis aufgebaut, mit dem wir uns austauschen. Zu unseren Mentoren zählen unter anderem E-Commerce- und Finanzierungsexperten. An der Universität München haben wir zudem an einem Start-up-Accelerator teilgenommen, bei dem man Mentoren als Ansprechpartner hat, Kurse besucht und einen Coworking-Space nutzen kann. Das Angebot für angehende Gründer ist in München grundsätzlich sehr gut. Was ist Euer Tipp für Ingenieurstudierende, die ebenfalls gründen wollen? Der wichtigste Schritt: Man muss sich trauen. Vor allem, wenn man schon ein festes Einkommen und damit eine gewisse Sicherheit hat, ist es oft nicht so leicht, das aufzugeben. Ich sage mir: Egal, ob buycycle erfolgreich wird oder nicht – das erste Jahr war für mich so lehrreich, dass ich es auf keinen Fall missen möchte. Mein zweiter Tipp: Wenn man eine gute Idee für ein eigenes Unternehmen hat, sollte man nicht zu stark an dieser ersten Idee festhalten, sondern offen dafür sein, sie auch anzupassen und weiterzuentwickeln.Endlich kommt die Digitalisierung auch im Gesundheitswesen an – allerdings langsam. Immer noch wird sie hier skeptisch betrachtet, doch die Vorteile werden deutlicher und beschleunigen den Trend. Patient*innen, Mediziner*innen und die Kostenstruktur des gesamten Systems können durch digitale Infrastrukturen nur gewinnen. Gefragt ist nun die junge Ärzt*innen-Generation, die mit ihrem digitalen Mindset die Vorteile der neuen Techniken mit der notwendigen Sorgfalt bei Diagnosen und Datenschutz verbindet. Wie genau die Herausforderungen dabei aussehen und wie angehende Mediziner*innen darauf reagieren sollten, zeigt ihnen die vorliegende Ausgabe des „karriereführer ärzte“.
Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens schreitet voran – wenn auch recht träge. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand – für Patient*innen, Mediziner*innen und die Kostenstruktur des gesamten Systems. Gefragt ist nun die junge Ärzt*innen-Generation, die mit ihrem digitalen Mindset die Vorteile der neuen Techniken mit der notwendigen Sorgfalt bei Diagnosen und Datenschutz verbindet. Ein Essay von André Boße
Verschiedene Entwicklungen haben in den vergangenen Jahren die Digitalisierung im Arbeitsbereich von Ärzt*innen vorangetrieben. Eine davon war gewollt: 2019 verabschiedete der Bundestag das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das im Dezember 2019 in Kraft trat und unter anderem dafür sorgte, dass nun Gesundheitsapps verschrieben werden können und die Kosten von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden. Das politische Ziel des Gesetzes: die Innovationskraft des Gesundheitssystems zu fördern. Dies passierte darüber hinaus als Folge eines Weltereignisses, das nicht geplant war. 2020 brach das Coronavirus aus, von heute auf morgen wurden im gesundheitlichen Bereich digitale Services notwendig. Video-Sprechstunden, digitales Termin-Management, Entwicklung neuer Apps – was jahrelang nur schleppend voran ging, legte von Covid-19 angetrieben ein neues Tempo vor. „Das Auftreten des Corona-Virus und die damit verbundenen erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Leben und des direkten Kontaktes haben auch im Gesundheitssektor vielfältige Rückstände bei der Digitalisierung aufgezeigt und in einigen Bereichen als Katalysator für eine massive Aufrüstung und Weiterentwicklung beim Einsatz von Informationstechnologie und digitalen Übertragungsformen gedient“, heißt es dazu in der Einführung der Studie „Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2021/22“ der Stiftung Gesundheit.Wo liegen die Gründe für diese Zurückhaltung? Das Ergebnis der Studie legt nahe, dass hier auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen: Laut Befragung stimmen 60,3 der Befragten der Aussage zu, dass Apps sich nur durchsetzen würden, wenn Ärzt*innen für ihren Einsatz auch angemessen bezahlt würden. Bei den potenziellen Risiken, die letztlich für Hemmnisse bei der Umsetzung verantwortlich sind, liegen laut Studie datenschutzrechtliche Bedanken mit 70,6 Prozent deutlich an erster Stelle, es folgen Zweifel an der Wirksamkeit der Apps (47,4 Prozent) und an der Motivation der Patient*innen, diese zu nutzen (45,6 Prozent). Häufig genannt wurden auch die mangelnden Möglichkeiten, als Behandelnder diese Apps zu testen.eRezept: Stufenweiser Roll-out
Seit dem 1.9.2022 testet die Kassenärztliche Vereinigung in der Region Westfalen-Lippe das eRezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel. „Der Rollout wird dabei eng begleitet, um Probleme schnell identifizieren und lösen zu können“, heißt es auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Verläuft der Test erfolgreich, folgen zunächst sechs weitere Regionen. Danach wird das eRezept flächendeckend in allen Regionen der Kassenärztlichen Vereinigung umgesetzt. Seit Beginn des Rollouts mussten sich alle Apotheken in Deutschland bereithalten, elektronische Rezepte anzunehmen und zu verarbeiten.
Wir haben in Deutschland beim Thema eHealth im letzten Jahr einige Fortschritte gemacht, sind aber noch lange nicht am Ziel.Neben den DiGa haben die Gesetzgeber auch der elektronischen Patientenakte (ePA), die seit Anfang 2021 alle gesetzlich Versicherten erhalten können, sowie dem eRezept, das seit September 2022 stufenweise realisiert wird, den Weg bereitet. „Wir haben in Deutschland beim Thema eHealth im letzten Jahr einige Fortschritte gemacht, sind aber noch lange nicht am Ziel“, wird McKinsey-Partnerin Laura Richter, Co-Autorin des eHealth-Monitors, in einer Zusammenfassung der Studie auf der Homepage der Unternehmensberatung zitiert. „Die größten Herausforderungen sind der flächendeckende Datenaustausch von Leistungserbringern insbesondere über ambulant-stationäre Grenzen hinweg sowie die Skalierung von ePA und eRezept in Richtung Patienten durch eine umfassende Informationskampagne.“ Wie wichtig diese ist, belegen die Zahlen der Studie: So zeige sich jeder zweite Patient digitalen Gesundheitsangeboten gegenüber aufgeschlossen, „doch es fehlt den Befragten eigenen Angaben zufolge an Information und Aufklärung über die digitalen Angebote“, heißt es in der Zusammenfassung.
Telemedizin: Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Im deutschen Bericht der europaweiten Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte zeigt sich, dass beim Thema Telemedizin noch Luft nach oben ist. Für die Studie wurde medizinisches Personal befragt, inwiefern in den Praxen, Kliniken und Einrichtungen Technologien zur Betreuung von Patient*innen via Telefon und Videochat genutzt würden. Nur 30 Prozent der Befragten gaben an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Teilnehmende, nämlich 64 Prozent. Zum Vergleich: In Ländern wie Dänemark und den Niederlanden nutzen bereits um die 60 Prozent der Befragten diese Technologien erfolgreich zum Dialog mit den Patient*innen.
Künstliche Intelligenz und Virtual Reality
Der Umsetzungsgrad der Technologien KI und VR ist im Gesundheitsbereich bislang nur vereinzelt zu finden. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von medizinischem Personal im Rahmen der Deloitte-Studie „Closing the digital gap – Shaping the future of European healthcare“. Im deutschen Gesundheitswesen gaben 7 Prozent der Teilnehmenden an, KI-Systeme zu nutzen. Bei Virtual-Reality-Anwendungen liegt die Zahl mit 4 Prozent noch niedriger. „Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten“, heißt es in der Studienzusammenfassung von Deloitte.
Jens Kleinefeld ist Facharzt für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin. Nach vielen Jahren in der Notfallmedizin fokussiert er sich seit 2010 auf Einsätze im Sportbereich: Für Verbände macht er die Dopingkontrollen – auch bei der WM in Katar wird er im Einsatz sein. Und bei Großveranstaltungen ist er als Medical Officer im Notfall für den Rettungseinsatz verantwortlich. Zu einem solchen kam es bei der Fußball- EM 2021: Der dänische Spieler Christian Eriksen kollabierte nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand, Jens Kleinefeld rettete ihm das Leben, vor den Augen von Millionen Zuschauern. Die Fragen stellte André Boße.
Herr Kleinefeld, wie sind Sie als Mediziner in den Bereich des Sports gekommen? Ich war selbst im Schwimmsport aktiv und habe eines Tages die Anfrage bekommen, ob ich beim Deutschen Schwimmverband bei den Dopingkontrollen mitarbeiten wolle. Das habe ich gemacht, später auch für den Kanuverband. Anfang der 1990er-Jahre sprach mich dann der Deutsche Fußball-Bund an, ob ich mir diese Arbeit auch im deutschen Profifußball vorstellen könne. Es gab damals noch nicht viele Mediziner beim DFB, das Doping-Kontrollsystem stand noch am Anfang, sodass ich dank meiner Erfahrungen recht schnell zum Leading-DCO wurde, also zum führenden Doping-Kontrolleur beim DFB. Über ein Engagement bei der UEFA hat mich dann nach der WM in Deutschland 2006 die FIFA angeheuert, seitdem führe ich die Doping-Kontrollen auch bei internationalen Länderspielen im Auftrag des Weltverbands durch, mittlerweile als freier Dienstleister der Nationalen Anti-Doping- Agentur NADA. Als Sie diese Karriere starteten, kam das Thema Doping gerade frisch auf die Agenda. Das stimmt, in den Fokus rückte es insbesondere nach der Wiedervereinigung, als die früher getrennten deutschen Teams aus Ost und West erstmals gemeinsam auftraten und die Doping-Vergangenheit in der DDR in aller Munde war. Gerade im Schwimmsport war das eine interessante Zeit. Hat man Sie damals als Störenfried betrachtet? Man muss halt schauen, wie man auftritt. Wenn man den Athleten vermittelt, dass man die Sportart sauber halten will und die Dopingkontrollen zu deren medizinischem Schutz durchführt, reagieren die allermeisten mit Akzeptanz. Ich stelle mir vor, dass es in der ersten Zeit noch recht einfach war, Dopingsünder zu überführen. Ist es mittlerweile wie bei der Geschichte vom Hase und dem Igel: Immer, wenn sie einen Weg gefunden haben, Substanzen zu identifzieren, sind die Doper schon einen Schritt weiter? Solche Verschleierungstaktiken gab es immer schon. Unsere Aufgabe ist es, immer bessere Nachweismethoden zu entwickeln, wobei gerade das Labor an der Sporthochschule Köln führend war, zum Beispiel beim Nachweis von EPO, das das Wachstum von roten Blutkörperchen steigert, im Radsport. Generell glaube ich, dass wir in den Laboren den Dopingsündern mehr auf den Fersen sind, als es früher der Fall war. Wobei sich die Kontrollen an sich nicht geändert haben, es werden auch weiterhin Urinproben genommen, und natürlich muss man aufpassen, dass bei diesem Prozess nicht betrogen wird. Es ist also detektivischer Spürsinn gefragt. Genau, man muss genau hingucken, muss beobachten – und hat durchaus das Recht, bestimmte Athleten, bei denen es Auffälligkeiten gibt, auch dann zu kontrollieren, wenn sie nicht dafür ausgelost wurden. Welche Skills sind darüber hinaus für diesen Job wichtig? Man sollte schon an Sport interessiert sein, zudem sollte man sich in den Sportarten, bei denen man im Einsatz ist, auskennen, weil es immer Besonderheiten gibt. Es kommt darauf an, den besten Zeitpunkt für die Kontrollen zu erwischen, denn wir wollen sie ja mit unserer Arbeit nicht aus dem Rhythmus bringen. Manche meinen, Doping sei kein Betrug, wenn alle dopen. Stimmt das? Nein. Doping ist Betrug. Mehr noch: Doping hat weitreichende Folgen, die weit darüber hinaus gehen, dass ein Athlet dadurch leistungsstärker wird. Das ist ein Thema, das bis in den Kinderund Jugendschutz geht. Junge Menschen beginnen früh damit, sich für den Leistungssport bereit zu machen. Wann also gibt man diesen Mädchen und Jungen zum ersten Mal verbotene leistungssteigernde Substanzen? Mittel, die ja auch deshalb verboten sind, weil sie schädigende Auswirkungen auf den Organismus haben. Man kann Doping daher nicht legalisieren. Im Schwimmsport war es der Fall, dass 14, 15 Jahre alte Mädchen Mittel bekommen hatten, ohne selbst zu wissen, was sie da leichtgläubig nehmen. Die Athletinnen und auch ihre Eltern dachten, es handele sich um Vitamine, dabei waren es anabole Steroide, die gerade in der Pubertät fatale Nebenwirkungen haben können. Nun sind Sie neben Ihrer Tätigkeit als Dopingkontrolleur auch als Notfallmediziner beim Fußball tätig, und da kam es im Sommer 2021 zu einem dieser „Weißt du noch, wo du warst, als …?“-Momenten: Drittes Spiel der Europameisterschaft, Dänemark gegen Finnland, in Minute 43 bricht der dänische Spieler Christian Eriksen ohne Fremdeinwirkung zusammen: Herzstillstand. Sie waren der Arzt, der ihm mit Thoraxkompressionen sowie einer Defibrillation das Leben gerettet hat. Rein medizinisch kein besonderer Einsatz, oder? Genau, das war für einen erfahrenen Notfallmediziner wie mich Rettungsroutine.Zur Person
Jens Kleinefeld (geboren 1963 in Düsseldorf) ist Facharzt für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin. Bis 2010 war er ärztlicher Leiter im Rettungsdienst der Stadt Solingen, Ausbilder und Prüfer an der staatlichen Rettungsassistentenschule sowie leitender Notarzt der Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er als Doping Control Officer (DCO) und Medical Officer für verschiedenste nationale und internationale Sportverbände aktiv. Als DCO verfügt er über den weltweit höchsten Erfahrungsschatz bei Dopingkontrollen im Fußballsport und wurde 2014 für diese Tätigkeit geehrt. Als Medical Officer war er an der Organisation der Medizinischen Versorgung diverser internationaler sportlicher Großveranstaltungen beteiligt. Als Mitglied der Anti Doping Expert Group eines großen internationalen Sportverbandes arbeitet er an der Weiterentwicklung und Verbesserung der Dopingkontrollsysteme.
Eine der Eigenschaften eines Rettungsarztes muss sein: Je kritischer eine Situation ist desto ruhiger muss man sein. Denn die eigene Nervosität würde sich übertragen, was nicht passieren darf.Nur, dass in diesem Fall fast 40 000 Menschen im Stadion dabei waren und Millionen vor dem Fernseher. Das muss man unbedingt ausklammern. Eine der Eigenschaften eines Rettungsarztes muss sein: Je kritischer eine Situation ist desto ruhiger muss man sein. Denn die eigene Nervosität würde sich übertragen, was nicht passieren darf. In diesem Fall war ich der Leader einer Reanimation, und natürlich muss man wie in allen Führungspositionen kühlen Kopf bewahren, klare Anweisungen geben und sich nicht von den äußeren Umständen beeinflussen lassen. Mir ist dieses Ausblenden im Fall Eriksen gut gelungen, ich war auf den Notfall fokussiert, hatte die Zuschauer im Stadion oder vor den Bildschirmen nicht auf dem Schirm, sondern habe einfach das getan, was ich kann, was ich gelernt habe. Dafür gibt es kein Coaching, das ist einfach Berufserfahrung. Und die Rettung hat funktioniert. Ja, aber das hat mich nicht überrascht, weil ich schon auf dem Weg zum ihm wusste, dass die Geschichte gut ausgehen wird, dass er überlebt. Was wir hier hatten, war ein beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand als Folge eines Rhythmusereignisses. Beobachtet heißt, dass ich quasi direkt bei ihm war, nachdem es passierte. Die Überlebenschancen sind in diesem Fall recht hoch, und natürlich war es ein schönes Ereignis, als er aufwachte … … und sinngemäß sagte: „Ich bin doch erst 29 Jahre alt.“ Er wusste also, was ihm da passiert war. Ja, und diese reflektierte Aussage zeigte mir direkt, dass er keine Hirnschäden davongetragen hatte, was wunderbar war. Denn darum geht es bei der Reanimation ja auch: neurologische Schäden zu vermeiden.
Es ist wichtig, die Menschen weiter aufzuklären, dass bereits eine recht simple Herzdruckmassage die Überlebenschancen deutlich erhöht – und dass man dabei gar nicht viel verkehrt machen kann.Nun passieren die meisten Herz-Kreislauf- Stillstände nicht in Gegenwart eines Arztes. Das stimmt, bei Notfällen, die ohne ärztliche Beobachtung passieren, vergehen mehre Minuten – wobei in dieser Zeit nur in seltenen Fällen jemand mit den ersten Maßnahmen zur Reanimation beginnt. Viele Leute haben Angst, etwas falsch zu machen. Wobei es der größte Fehler ist, überhaupt nichts zu machen. Daher ist es wichtig, die Menschen weiter aufzuklären, dass bereits eine recht simple Herzdruckmassage die Überlebenschancen deutlich erhöht – und dass man dabei gar nicht viel verkehrt machen kann. Genauso wichtig ist es, möglichst bei allen größeren Sportveranstaltungen Defibrillatoren sowie Leute, die diese Geräte auch bedienen können, zu haben. Plädieren Sie für eine Aufklärung darüber, was im Notfall zu tun ist? Absolut, wobei wir erkennen, dass gerade nach einem Ereignis wie dem Zusammenbruch von Eriksen das Interesse seitens der Sportvereine steigt: Immer mehr Clubs, auch aus dem Amateurbereich, kommen zu uns, um sich schulen zu lassen, mittlerweile sind diese Schulungen sogar verpflichtend. Oft muss halt was passieren, bevor es zum Umdenken kommt. Das war bei mir nicht anders, ich habe mich für die Tätigkeit als Medical Officer beim Fußball zu interessieren begonnen, nachdem Mitte der 2000er-Jahre die zwei jungen Spieler Marc-Vivien Foé und Miklós Fehér einen plötzlichen Herztod erlitten, weil man ihnen auf dem Platz nicht schnell und effektiv genug helfen konnte. Mir war klar: Diese Todesfälle sind vermeidbar, also tun wir alles dafür.
Zum Unternehmen
Jens Kleinefeld ist einer von zwei Geschäftsführern der Agentur Sports Medical Services (sms), einem Dienstleister im Dopingkontrollwesen für Sportverbände und Nationale Antidoping Agenturen. Auch engagiert sich das Unternehmen in der Dopingprävention, um bei Trainern und Athleten das Wissen zu vermitteln, dass Doping nicht nur Betrug ist, sondern dem eigenen Organismus schadet. Ein drittes Geschäftsfeld ist das Notfalltraining bei Sportereignissen. Geschult werden Ärzte, Physiotherapeuten und Trainer von Leistungssportlern, um vor Ort schnell und effektiv Notfälle zu erkennen und zu behandeln sowie den Beteiligten die Angst vor Notfallsituationen zu nehmen.