Recht fürs Klima

0

Den CO₂-Ausstoß zu senken, ist die Zukunftsaufgabe unserer Zeit. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft befinden sich in einer weitreichenden Transformation. Die Großkanzleien verstehen sich als Beraterinnen in diesem Prozess. Das stimmt, diese Leistung ist gefragt. Was aber auch stimmt: Als Unternehmen stehen die Kanzleien auch selbst auf dem Prüfstand. Nehmen sie den Klimaschutz nicht ernst, drohen Mandanten und Talente verloren zu gehen. Wohin es gehen kann, zeigt sich in den USA, wo Jura-Student*innen-Bewegungen Kanzleien boykottieren. Ein Essay von André Boße

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – ein Wort, das es in dieser Form eigentlich nur im Deutschen geben kann. Im angloamerikanischen Raum bezeichnet man Deutsch gerne als „Lego-Sprache“, weil man die Worte so stapelt wie Kinder die bunten Klemmsteine. Eine weitere Eigenart der deutschen Sprache sind die Abkürzungen, und auch in dieser Hinsicht hat das genannte Gesetz etwas zu bieten: LkSG. Verabschiedet wurde es vom Bundestag im Juni 2021, nachzulesen ist es auf der Internetpräsenz des Deutschen Bundestages. Ab dem Jahr 2023 betrifft das Gesetz Unternehmen mit mindestens 3000, ab 2024 Arbeitgeber mit mindestens 1000 Beschäftigten. Es verpflichtet die betreffenden Unternehmen dazu, entlang ihrer Lieferkette menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten. Sprich, das Gesetz verlangt von Unternehmen ab einer bestimmten Größe, sorgfältig zu prüfen, von wem sie Waren und Dienstleistungen erhalten – und wie diese Lieferanten bei Themen wie Menschenrechte sowie Umwelt- und Klimaschutz aufgestellt sind.

Weg in eine Green Economy

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist einer von mehreren Bausteinen, mit denen die Politik das Ziel verfolgt, in allen Bereichen der Wirtschaft Sensibilität für diese Themen zu schaffen. Dazu zählen auch Elemente wie die CSR-Berichtspflicht, die CO2-Steuer oder die EU-Taxonomie als ein finanzpolitisches Instrument, das Anleger*innen Transparenz darüber bietet, ob und wie ein Unternehmen die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. Unternehmen stehen also unter einem regulatorischen Druck, es mit dem Klimaschutz ernst zu nehmen.

Der Weg hin zu einer klimaneutralen Kanzlei ist daher kein nettes „can have“ für Imagebroschüren mehr, sondern ein „must have“ für den Erfolg auf einem juristischen Markt, in dem sich die Anforderungen und Ansprüche der Mandanten verändern.

Es sei „höchste Zeit für Unternehmen, das Thema proaktiv anzugehen und ihre globalen Wertschöpfungsketten auf den Prüfstand zu stellen und für mehr Transparenz zu sorgen“, heißt es in einem Beitrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zu den Folgen des LkSG. Gefragt seien nun intelligente Tool-Lösungen in einem integrierten Nachhaltigkeits- Ökosystem, um dadurch menschen- und umweltrechtliche Risiken nachhaltig und effektiv zu reduzieren. „Wer sich intensiv mit seiner Lieferkette und den Aktivitäten der Geschäfts- und Vertragspartner beschäftigt und transparent darüber informiert, kann nicht nur bei Kunden und Partnern punkten, sondern sich auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, wird Robert Kammerer, PwC-Partner, als Experte im Fachbeitrag zitiert.

Kanzleien: beraten und selbst transformieren

An dieser Stelle kommen die Kanzleien ins Spiel. Zum einen sind sie als Rechtsconsultants gefragt, sprich als ein zentrales Tool, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden. Nehmen die Regulierungen zu und bildet sich ein Dickicht an neuen Verordnungen, entsteht bei den Mandanten Beratungsbedarf. Und zwar nicht nur, um Fehler zu vermeiden, sondern auch, um die Regulierungen so zu erfüllen, dass die Unternehmen mit Hilfe ihrer Nachhaltigkeitsberichte oder Zertifizierungen an die Öffentlichkeit gehen können. Jedoch nehmen die Kanzleien noch eine zweite Rolle ein. Durch die Rechtsberatung sind die Jurist*innen ja auch selbst Dienstleister*innen der Unternehmen. Weshalb auch die grüne Bilanz ihrer eigenen Arbeit in den Kanzleien als Teil der Lieferkette auf dem Prüfstand steht.

In drei Schritten zum Zertifikat

Die Zertifizierungen des Deutschen Instituts für Qualitätsstandards und -prüfung (DIQP) in Sachen Klimaneutralität richten sich gezielt auch an mittelständische Kanzleien, die sich auf den Weg zu mehr Klimaschutz machen wollen. In einem ersten Schritt wird der Status Quo der CO2-Emissionen erfasst. Die Zertifizierungsgesellschaft prüft diese Angaben dann, erarbeitet Maßnahmen, mit denen vermeidbare Emissionen möglichst gegen Null gedrückt werden. „Anschließend findet die Kompensation der nicht vermeidbaren Emissionen nach dem Gold- Standard statt“, heißt es auf der Homepage der DIQP.

Eine Kanzlei, die im Auftrag eines Unternehmens die Einhaltung der Klimaschutzregularien prüft, selbst jedoch keine Ambitionen zeigt, die eigenen CO2-Emissionen zu senken, verliert an Relevanz – und wird, mehr noch, für den Mandanten sogar zu einer Belastung, weil die negative Klimabilanz der anwaltlichen Beratung zur Verletzung der Sorgfaltspflicht beitragen kann. Eine Kanzlei, die im grünen Rechtsmarkt erfolgreich sein will, muss daher zwei Aspekte bedienen. Sie muss einerseits eine exzellente juristische Beratung mit Blick auf die Regulierungen anbieten und andererseits belegen, auch selbst den Klimaschutz ernst zu nehmen und Maßnahmen einzuleiten, die dafür sorgen, dass vermeidbare Emissionen vermieden und nicht-vermeidbare Emissionen kompensiert werden. Der Weg hin zu einer klimaneutralen Kanzlei ist daher kein nettes „can have“ für Imagebroschüren mehr, sondern ein „must have“ für den Erfolg auf einem juristischen Markt, in dem sich die Anforderungen und Ansprüche der Mandanten verändern.

Jurist*innen in der Klimabewegung

Dass es auf dem Rechtsmarkt einen Trend hin zur klimaneutralen Kanzlei gibt, zeigen auch die Angebote branchenübergreifender Nachhaltigkeits-Consulting-Dienstleister wie Con- Climate oder UmweltDialog, die sich mit Workshops zur Klimaneutralität gezielt an Kanzleien richten. Klar ist aber auch: Klimaschutz im Recht ist kein reines Marktthema. Parallel zur ökonomischen Dimension organisieren sich juristische Bewegungen, in denen Jurist*innen das Thema Klimaschutz explizit auch abseits des Marktes als zentrales Ziel ihrer Arbeit betrachten. So gründete sich im vergangenen Jahr der Verein Lawyers for Future, in dem sich derzeit rund 200 Anwält*innen „solidarisch mit den Aktivist*innen von Fridays for Future erklären“, wie es auf der Homepage heißt. So fordere Fridays for Future zurecht, es dürfe nicht die alleinige Aufgabe der Jugend sein, Verantwortung für die Priorisierung des Klimaschutzes zu übernehmen – „mit Lawyers for Future wollen wir als Jurist*Innen diese Verantwortung annehmen“, formuliert es der Verein.

Peter Kremer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Berliner Kanzlei Kremer Werner, zählt zu den Mitbegründern und unterstützt den Verein als Mitglied des Beirats. In einem Interview für die Rechtsanwaltskammer Berlin erklärt er seine Beweggründe: „Unter den Jurist*innen gibt es viele, die den Klimaschutz ernst nehmen. Die anderen würde ich gerne mit davon überzeugen, dass das Thema nicht verhandelbar ist.“ In seinen Augen werde die anwaltliche Unabhängigkeit manchmal missverstanden. „Gerade in Bezug auf die Lawyers for Future bedeutet anwaltliche Unabhängigkeit nicht, dass sich Anwält*innen nicht für Anliegen des Umweltund Klimaschutzes einsetzen dürfen.“ Auf der Homepage verdeutlichen die Lawyers For Future in einer Präambel, dass der Klimawandel Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens habe und damit auch das Rechtssystem grundlegend verändern werde. „Dies zeigt sich bereits heute an der steigenden Zahl gerichtlicher Verfahren, die mit dem Klimawandel in Verbindung stehen. Ausdrücklich sehen wir die Gerichte als einen von vielen geeigneten Orten, an dem die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel stattfinden muss“, heißt es in der Selbsterklärung. Der Appell der Lawyers for Future: Das Recht dürfe nicht weiter dabei helfen, den „Status Quo für umwelt- und klimaschädliche Tätigkeiten aufrechtzuerhalten“.

„Law Firm Climate Change Scorecard“

In ihren Studien bewertet die juristisch-akademische Klimaschutzbewegung Law Students for Climate Accountability die Arbeit der Top-100 amerikanischen Großkanzleien („Vault 100“) mit Blick auf Klimaund Nachhaltigkeitsthemen. Dabei erhalten Mandate und Engagements für klimaschädliche Industrien negative Bewertungen, wenn sie nicht darauf abzielen, den großen CO2-Abdruck zu verkleinern (das wäre ja gut für den Klimaschutz), sondern Strukturen festigen, die dem Klimaschutz entgegenstehen. Im Fokus stehen auch Mandate oder Geschäfte, die zum Beispiel indigenen Bevölkerungsgruppen schaden. Blickt man auf die aktuelle Scorecard, liegen lediglich drei Großkanzleien im grünen „A“-Bereich und neun im „B“-Bereich. Die meisten Kanzleien, nämlich 36, stuft die Bewegung im tiefroten „F“-Bereich ein. Im Fazit urteilen die Autor*innen im Executive Summary: „88 der 100 Top-Kanzleien verrichteten eine Arbeit, deren Resultat den Klimawandel noch befeuert hat.“

Nun kann man diese von den Lawyers for Future normativ beschriebene Rolle des Rechts kritisch betrachten und fragen: Sollte das Recht tatsächlich Partei für die Transformation in Richtung einer klimaneutralen Gesellschaft ergreifen? Unabhängig von der nicht unkomplizierten Antwort auf diese Frage zeichnet sich eine Tatsache ab: Kanzleien, die sich nicht im Sinne des Klimaschutzes positionieren, verschärfen damit ihr Recruiting-Problem. Generell geht der Anteil der jungen Jurist*innen, die Karriere in einer Großkanzlei machen wollen, zurück. Begründet dadurch, dass immer mehr junge Menschen eher nach Purpose und stressfreier Work-Life-Balance als nach schnellem Aufstieg und üppigen Einstiegsgehältern suchen.

Junge Generation arbeitet mit Boykotten

Wie problematisch es sein kann, sich in dieser Personal-Situation in Sachen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit schlecht aufzustellen, zeigt eine Entwicklung in den USA. Dort hat sich die Gruppe der Law Students for Climate Accountability gegründet, die mit der „Law Firm Climate Change Scorecard“ ein Ranking veröffentlicht, in dem die 100 größten Kanzleien eine Bewertung zwischen den „Climate Scores“ A bis F erhalten, vergleichbar mit der Energieeffizienz- Zertifizierung von Küchengeräten. Die verantwortlichen Autor*innen des Rankings verfolgen mit ihrer Arbeit zwei Ziele:

Erstens soll die Liste als Kompass für den juristischen Nachwuchs funktionieren, der sich bei ihrer Suche nach einer Kanzlei vor allem an der Leistungsbilanz beim Klimaschutz orientiert. Zweitens sollen die Kanzleien durch die Rankingergebnisse getriggert werden, ihre Ambitionen in Sachen Klimaschutz zu erhöhen. Interessant ist, dass die Law Students for Climate Accountability in besonderen Fällen harte Kante zeigen: Wird offenkundig, dass Kanzleien mit ihrer Arbeit für bestimmte Mandanten in einem besonders großen Maße und mit steigender Tendenz Strukturen oder Geschäfte verfestigen, die dem Klima oder der sozialen Gerechtigkeit Schaden zufügen, gehen die Aktivist*innen so weit, zum Boykott aufzurufen. Und zwar nicht still und leise, sondern in Form von „Breaking“-News auf der Homepage, verbunden mit einem Link zu einem Hintergrundartikel, der die Entscheidung anhand von Fakten begründet.

ClientEarth: Die wichtigste Mandantin ist die Erde

Seit 2018 leitet der Volljurist Hermann Ott das Deutschlandbüo der Bewegung ClientEarth in Deutschland; sein Team versteht sich als Anwält*in für die Welt als bedeutendster Mandantin überhaupt. „Unsere Erde in einem Zustand zu erhalten, der sie für zukünftige Generationen von Menschen und allen anderen Lebewesen zu einem idealen Habitat macht, war schon immer meine Mission“, schreibt Ott auf der ClientEarth-Homepage zu seiner Arbeit. „Juristische Umweltmaßnahmen haben sich als die schärfste Waffe im Streben nach einer nachhaltigen Zukunft erwiesen, und ich hoffe, dass wir Deutschland, das größte Land der EU, dabei unterstützen können, wieder eine Führungsrolle im Umwelt- und Klimaschutz zu übernehmen.“

Nun gibt es in den USA selbstverständlich auch weiterhin das Recht, sich als Kanzlei seine Mandanten und als Absolvent*in seinen künftigen Arbeitgeber frei zu wählen. Dennoch zeigen solche Aktionen Wirkung: Über die Boykotts der Law Students for Climate Accountability berichten die relevanten juristischen Fachmagazine, die jeweiligen Hashtags gehen im Internet viral. Für erfolgreiches Recruiting neuer Talente ist eine solche Kampagne Gift. Wie auch immer man diese Maßnahmen bewertet: Sie zeigen, dass im Jahr 2022 die Großkanzleien keine Akteure mehr sind, die aus einer neutralen Außenposition heraus die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz begleiten. Sie stehen, wie alle anderen Unternehmen auch, mittendrin, sowohl im Wandel als auch im Fokus. Es gibt keine Alternative, als sich diesen hohen Anforderungen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu stellen. Ihr Trumpf dabei: der Nachwuchs. Schließlich denkt die junge Generation den Sinn des anwaltlichen Tuns in großen Teilen automatisch mit.

Buchtipp:

cover klimaschutzrechtDas Klimaschutzrecht ist elementar für den Bestand der gesamten menschlichen Zivilisation und bildet ein komplexes Mehrebenenrecht. Vor diesem Hintergrund erfasst das Buch „Grundzüge des Klimaschutzrechts“ die wichtigsten Einzelfragen zum brisanten und zukunftsrelevanten Rechtsgebiet – in einem umfassenden Bild, das alle rechtlichen Ebenen berücksichtigt und diese zueinander in Bezug setzt. Betrachtet wird dabei die internationale, europäische und nationale Ebene. Zudem finden wegen ihres konkreten Einflusses auf den Klimaschutz und ihrer nachhaltigen Auswirkungen auf Gesellschaft und Recht noch zwei weitere Topthemen mit globaler Tragweite besondere Beachtung: die Digitalisierung und die Corona-Krise. Prof. Dr. jur. Walter Frenz: Grundzüge des Klimaschutzrechts. Erich Schmidt Verlag 2021, 39 Euro.

Legal Designerin Alisha Andert im Interview

Alisha Andert ist Juristin und Co-Gründerin und Inhaberin der Innovationsberatung This Is Legal Design. Sie ist spezialisiert auf Legal Design, eine interdisziplinäre Arbeitsweise, die Recht und Design vereint. Ziel ist es, den Herausforderungen der Digitalisierung kompetent zu begegnen und die juristische Methodik zu modernisieren. 2021 wurde Alisha Andert mit dem Digital Female Leader Award ausgezeichnet. Im Interview mit André Boße erzählt die 31-jährige, warum in ihrer Agentur so viele Frauen arbeiten und welche Erfahrungen sie selbst bei der Arbeit in großen Kanzleien gemacht hat.

Zur Person

Alisha Andert, Jahrgang 1990, studierte von 2010 bis 2016 Jura an der Uni Potsdam sowie an der Uni Amsterdam. Nach dem Referendariat in Berlin startete sie 2019 ihre Karriere als Head of Legal Innovation beim Flugentschädigungs-Anbieter Flightright, von 2019 bis 2021 war sie als Head of Legal Innovation in der Kanzlei Chevalier tätig. Sie ist Co-Gründerin und Partnerin der 2018 gegründeten Innovationsberatung This Is Legal Design. Als Volljuristin und am Hasso-Plattner-Institut ausgebildete Design Thinkerin liegt ihr Fokus auf der Entwicklung nutzerzentrierter Produkte und Dienstleistungen für den Rechtsbereich. Seit 2020 ist sie Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Verbandes Deutschland, im vergangenen Jahr erhielt sie den Digital Female Leader Award 2021.

Frau Andert, was beim Blick auf das Team, das Sie auf der Homepage Ihrer Legal Design Services-Agentur vorstellen, auffällt: aufgeführt sind acht Juristinnen, nur ein Jurist. Ist das ein Statement?
Wäre es ein Statement, dann würde es voraussetzen, dass wir das so geplant hätten, um eine Message zu setzen. So war es aber nicht. Unser Team hat sich organisch so zusammengesetzt – wobei es aber auch nicht zufällig so gekommen ist, dass sich unter den Initiativbewerbungen sehr viele Frauen befinden.

Woran liegt das?
Wir sind als ein von Frauen geführtes Unternehmen des Rechtsmarkts ein Beleg für die These „why representation matters“: Co-Gründerin Lina Krawietz und ich zeigen uns nach außen sichtbar. Junge Frauen fühlen sich davon angesprochen, weil sie annehmen dürfen, bei uns einen Ort zu finden, an dem sie sich wohlfühlen können. Aus dieser Situation ergibt sich für uns eine Art umgekehrtes Diversity-Problem: Wir wissen natürlich, dass vielfältig besetzte Teams besser performen, weshalb wir uns über männliche Bewerbungen freuen.

Ein Luxusproblem, oder?
Absolut, zumal wir auf eine Branche treffen, die so männerdominiert ist, dass wir als reines Frauenteam bei Kundenaufträgen in der Regel gerade mal in der Lage sind, das Geschlechterverhältnis auszugleichen.

Es gibt einen großen Hunger nach Wandel.

Abseits Ihrer Repräsentanz: Welche Themen bieten Sie Jurist*innen, die für die junge Generation interessant sind?
Wir gelten als eine Art Disrupter, indem wir Kanzleien und Rechtsabteilungen dabei unterstützen, Prozesse, Services und Produkte anders, digitaler und nutzerfreundlicher zu gestalten – und es eben nicht weiter so zu machen, wie es immer schon gemacht worden ist. Wir spüren, wie die junge Generation es genießt, mit diesem Fokus zu arbeiten. Es gibt einen großen Hunger nach Wandel. Wir haben alle in unserem Jurastudium gelitten – ein Studium, das weiterhin ohne jegliche Anbindung an andere Disziplinen stattfindet. Was für einen Bereich wie das Recht, der mitten im Leben der Menschen steht, überhaupt keinen Sinn ergibt.

Sie haben selbst in einer großen Kanzlei gearbeitet, welche Erfahrungen haben sie dort gemacht?
Auch hier: Einen großen Wunsch nach Veränderung. Angestoßen von der Digitalisierung des Rechtsmarktes, also Legal Tech. Es ist schon auffällig, dass dieses Thema insbesondere von der jungen Generation vorangetrieben wird. Das zeigt sich schon daran, dass es an den Universitäten die Studierenden sind, die eine Vielzahl von Legal Tech-Initiativen ins Leben rufen, weil sie sich sagen: „Wir leben in einer digitalen Welt, wir leben einen digitalen Lifestyle – und kommen dann in Strukturen bei Kanzleien, Rechtsabteilungen oder Rechtschutzversicherungen, wo dieses digitale Jahrhundert immer noch nicht begonnen hat.“ Die junge Generation der Jurist*innen hat große Lust, das zu ändern.

Erzeugt dieser Wunsch nach Wandel einen Druck, der die oberen hierarchischen Ebenen erreicht?
Es ist einerseits nicht einfach, von unten Dinge in Bewegung zu setzen. Andererseits ist es nicht überall so, dass es auf den höheren Ebenen generell an Interesse fehlt, Dinge zu verändern. Es gibt sehr viel Partner*innen, die sehr innovativ denken. Grundsätzlich ist es aber schon so, dass diejenigen, die heute einsteigen, mit ihren Bedürfnissen einen Druck aufbauen, den die Kanzleien auch spüren. Wobei dieser Druck vor allem beim Recruiting entsteht. Fast alle Kanzleien verzeichnen ein Nachwuchsproblem, das diverse Gründe hat. Zum einen ist die Generation Y, zu der ich ja auch zähle, zahlenmäßig eine eher kleine Generation, die rein quantitativ die Weggänge der großen Generation der Babyboomer gar nicht auffangen kann. Verschärfend kommt hinzu, dass die großen Kanzleien für die Generation der jungen Jurist*innen nicht mehr so attraktiv sind, wie sie es einmal waren.

Mehr noch als die Generation Y sucht die Generation Z nach einer Arbeit, die sich mit ihren Lebensentwürfen deckt. Dazu gehört es, Beruf und Freizeit sowie später die Familie in Einklang zu bringen.

Woran liegt’s?
Es liegt zum Beispiel an alternativen Arbeitgebern, die als sicherer und durchaus auch als weniger stressig gelten, dazu zählen zum Beispiel die Rechtsabteilungen in Unternehmen oder Verbänden. Was einigen – nicht allen – Kanzleien als einzige Antwort auf dieses Nachwuchsproblem einfällt, sind absurd hohe Gehälter bereits für Einsteiger*innen. Das Problem ist nur, dass die Generation, die aktuell gefragt ist, anders auf die Arbeit blickt. Mehr noch als die Generation Y sucht die Generation Z nach einer Arbeit, die sich mit ihren Lebensentwürfen deckt. Dazu gehört es, Beruf und Freizeit sowie später die Familie in Einklang zu bringen. Auch Purpose ist ein großes Thema: Die junge Generation verlangt nach einer Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit, gerade mit Blick auf Aspekte wie Klimaschutz oder Gerechtigkeit. Es ist offenkundig, dass es insbesondere der Nachwuchs ist, der das Thema Purpose in den großen Kanzleien einführt. Die Arbeitgeber merken dadurch: Geld allein macht uns nicht attraktiv genug, wir müssen einiges darüber hinaus bieten.

Was bedeutet dieses Denken für die Geschäftsmodelle des Rechtsmarkts?
Weiterhin üblich ist die Honorierung rechtlicher Leistungen nach Stundensätzen. Das wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren wohl so bleiben, was vor allem daran liegt, dass dieses traditionelle Billable-Modell weiterhin sehr gut funktioniert. Der wirtschaftliche Druck auf die Kanzleien ist also längst nicht so hoch wie der Druck, Nachwuchs zu recruiten.

Wobei das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Absolut, weshalb ich davon ausgehe, dass sich Schritt für Schritt andere Bezahl-Konzepte durchsetzen werden, wiederum auch angetrieben vom Purpose-Gedanken: Viele junge Menschen legen Wert darauf, danach bezahlt zu werden, wie viel Nutzen sie für den Kunden oder die Kanzlei erbringen. Dieser Nutzen liegt nicht allein darin, wie viele Stunden man auf einem Mandat abgerechnet hat. Es passt nicht zum Selbstbild der Generationen Y und Z, nur danach bewertet zu werden, wobei die Generation Z ein noch mal höheres Anspruchsdenken mit Blick auf ihren Arbeitgeber hat. Wohlgemerkt nicht, was das Geld betrifft. Sondern was die Ausgestaltung und die Sinnhaftigkeit der Arbeit betrifft.

Viele junge Menschen legen Wert darauf, danach bezahlt zu werden, wie viel Nutzen sie für den Kunden oder die Kanzlei erbringen. Dieser Nutzen liegt nicht allein darin, wie viele Stunden man auf einem Mandat abgerechnet hat.

Sie sprachen eben über die Eigenarten des Jura-Studiums, in dessen Verlauf man wenig bis gar keinen Kontakt zu anderen Disziplinen erhält. Warum muss sich das dringend ändern?
Weil ich eine Rechtsdienstleistung in der digitalen Gesellschaft als Produkt betrachte, das sich auf einem Markt zu behaupten hat. Nehme ich das ernst, geht überhaupt kein Weg daran vorbei, neben den juristischen Aspekten auch über Marketing, Kommunikation oder IT nachzudenken. Nur so wird es mir gelingen, meine juristische Expertise in ein verständliches und für alle potenziell Interessierten zugängliches Produkt zu transformieren. Das betrifft zum Beispiel die Sprache: Als Nutzerin einer rechtlichen Dienstleistung möchte ich nicht den juristischen Jargon miteinkaufen, im Gegenteil, damit möchte ich bitte nichts zu tun haben.

Bedeutet dieser bessere Zugang auch, dass sich mehr Menschen juristische Services einholen können, als dies bislang der Fall ist?
Absolut. Bislang ist der Gang zum Anwalt vor allem eine Sache von Menschen, die es sich entweder leisten können oder die sich in einer juristischen Notlage befinden. Das Recht ist aber nicht nur für solche Fälle da, weshalb ich es gut finde, wenn es mit Hilfe von Legal Tech-Innovationen möglich ist, sich auch um kleinere Belange zu kümmern, die sonst unter den Tisch fallen würden. Zum Beispiel, wie im Fall Flightright, um die Rechte, die ich als Flugpassagierin habe.

Demokratisiert sich dadurch das Recht?
Ich glaube, so kann man das sagen, ja. Zumindest überwindet man das bislang rational begründete Desinteresse von Verbraucher*innen. Gedanken wie „das wird doch sowieso nichts“ oder „wer weiß, wie viel mich das am Ende kostet“ verlieren an Bedeutung. Und das kommt einer Gesellschaft zugute, in der die allermeisten Menschen rechtliche Ansprüche besitzen, die sie bislang nie geltend gemacht haben.

Zum Unternehmen

Alisha Andert definiert „Design Thinking“ als Ansatz, alle Lösungen aus der Perspektive der Nutzenden zu denken. Kern der Arbeit der von ihr mitgegründeten Agentur ist es, den Rechtsmarkt bei dieser Neuausrichtung auf Kund*innen (die sprachlich die Mandant*innen ersetzen) zu unterstützen. Zu den Services zählen das Produkt- und Kommunikationsdesign für Rechtsdienstleistungen sowie Trainings und Workshops für Kanzleien oder Rechtsabteilungen. Das Team der Agentur mit Sitz in Berlin besteht aus acht Juristinnen und einem Juristen, dem Co-Gründer Joaquín Santuber.

www.thisislegaldesign.com

Ein dritter Karriereweg: Project Lawyering

Neben den klassischen Berufseinstiegsoptionen bietet sich Anwält*innen zunehmend eine weitere Alternative: die Arbeit als Projekt-Anwält*in. Zeitlich auf das jeweilige Projekt begrenzt und zu klar definierten Konditionen wird diese Arbeitsform von Agenturen organisiert – Mandantenakquisition inklusive. Von Christoph Berger

Schaut man sich an, welche Kennzeichen mit New Work verbunden werden, so werden in sämtlichen Aufzählungen unter anderem immer wieder neue und flexible Arbeitsstrukturen sowie zeitliche, räumliche und organisatorische Flexibilität genannt. Ebenso werden Selbstständigkeit und Freelancertum mit der Transformation der Arbeitswelt in Verbindung gebracht. Fragt man Absolvent*innen, was sie sich von ihrem Job erhoffen, so sind dies laut der aktuellen Zenjob Gen-Z-Studie für 50 Prozent feste Arbeitszeiten. Für die andere Hälfte ist es Flexibilität. Hier ist die Generation also in sich gespalten. Eindeutig ist die Antwort hingegen auf die Frage nach Autonomie hinsichtlich der Zeiteinteilung: 83 Prozent wünschen sich diese. Flexibilität, selbstbestimmtes Arbeiten und eine ausgewogene Work- Life-Balance sind in jedem Fall Jobcharakteristika, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung für die Absolvent* innen und Berufseinsteiger*innen gewonnen haben.

Und es sind Attribute, die neue Akteure in der Rechtsbranche mit ihren Konzepten versprechen. Dabei handelt es sich nicht um eine neue Kanzlei-Form, sondern vielmehr um Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Projektjurist*innen spezialisiert haben. Sie vermitteln Anwält*innen auf Zeit, das heißt Projektjuristen, immer wieder auch Lawyers on Demand oder Legal Interim Manager genannt. Eine solche Agentur beziehungsweise solch ein Professional Service Provider ist zum Beispiel Vario Legal. „Wir verstehen uns als Partner für Mandanten und Rechtsanwälte“, erklärt Susanne Mühlbauer, Account Managerin des Unternehmens. Ziel sei es, dass sowohl die Anwälte als auch die Mandanten zufrieden seien. Die eigene Rolle beschreibt Mühlbauer folgendermaßen: „Als Partner der Anwälte unterstützen wir sie dabei, spannende Mandate zu akquirieren, in dem wir passende Projekte für sie identifizieren und den Kontakt zum Mandanten haben. Darüber hinaus unterstützen wir sie dabei, sich optimal zu präsentieren und ihr Profil zu schärfen.“

Dazu gehöre nicht nur die Begleitung während der Projekte, sondern auch in den Zwischenphasen: „Wir helfen beispielsweise beim Vertragsabschluss, bei inhaltlichen Fragen und stehen immer gerne mit Rat und Tat oder einem offenen Ohr zur Seite.“ Koordinierung des Vertragsabschlusses deshalb, da die von Vario vermittelten Anwält*innen eine Mandats- und eine Vergütungsvereinbarung direkt mit den Mandaten abschließen und auch direkt von diesen bezahlt werden.

Abwechslungsreiche Projekte

Und in welchen Projekten werden die „Jurist*innen auf Abruf“ eingesetzt? Susanne Mühlbauer erklärt: „Typische Einsatzszenarien sind etwa die personelle Überbrückung von Elternzeiten oder Vakanzen.“ Auch Unterstützung bei Sonderprojekten, zum Beispiel bei Transaktionen oder bei umfangreichen Rechtsstreitigkeiten, würden von Mandantenseite angefragt. „Wir arbeiten mit einem handverlesenen Pool hochqualifizierter Anwälte aus den verschiedensten Fachbereichen“, erklärt Mühlbauer. Um in diesen Pool aufgenommen zu werden, wird nicht nur großer Wert auf die rechtliche Expertise der Anwälte*innen gelegt, sondern genauso auf deren Soft Skills: zum Beispiel ein offenes Mindset, Kollegialität, Zuverlässigkeit und gute kommunikative Fähigkeiten. Voraussetzung ist außerdem, dass die Anwälte mit Projektstart eigenständig und kompetent beraten können. Mühlbauer empfiehlt daher, drei Jahre Berufserfahrung mitzubringen, idealerweise mit Inhouse- oder Großkanzleierfahrung.

Ein Muss sind zwei erfolgreich abgeschlossene Examina sowie verhandlungssichere Deutsch- und Englischkenntnisse aufgrund der internationalen Mandantschaft. Project Lawyering ist im anglo-amerikanischen Rechtskreis als dritter Karriereweg bereits etabliert. In Deutschland ist das Konzept im Kommen und stetig wachsend. „Doch auch hierzulande gibt es immer mehr Kollegen, die sich für eine Tätigkeit als Interim- Anwalt entscheiden“, weiß Mühlbauer. Wobei die Gründe dafür vielfältig sind. „Viele Projektanwälte, die häufig zuvor mehrere Jahre in Rechtsabteilungen oder Kanzleien tätig waren, finden die Möglichkeit attraktiv, spannende und abwechslungsreiche Mandatstätigkeit mit persönlicher Unabhängigkeit und Flexibilität zu verbinden, etwa weil sie aufgrund ihrer familiären Situation auf ein flexibleres Tätigkeitsmodell angewiesen sind.“

Eine Einschätzung, die Julius Mörder von Centurion Plus teilt. „Da wir immer auf Projektbasis zusammenarbeiten, bestehen keinerlei Verpflichtungen ein „Mandat“ anzunehmen, sollten die Anwälte gerade Kapazitätsengpässe haben. Zudem ergeben sich häufig Folgemandate, bei denen Centurion Plus nicht zwangsläufig eingebunden sein muss“, erklärt der Anwalt. Auch er hebt den Agenturcharakter hervor, indem er betont, dass Centurion Plus keinerlei Rechtsdienstleistungen in Deutschland anbiete, sondern „Lawyers-on-Demand“ an Unternehmen, Gründer und Privatpersonen vermitteln würde. Vor allem solche, die auf Unternehmensgründungen und Einwanderungsfragen spezialisiert seien. Und, was wohl der Projektarbeit geschuldet ist: „Wichtiger als Noten sind für uns Zuverlässigkeit und englische Sprachkenntnisse, da unsere Kunden überwiegend aus dem Ausland kommen.“ Centurion übernimmt alle administrativen Aufgaben und ist für den reibungslosen Ablauf des Projekts verantwortlich. „Für die Anwälte hat das den Vorteil, dass wir die Akquise übernehmen“, sagt Mörder.

Keine Konkurrenz, sondern ergänzende Funktion

In einem Fachbeitrag schreibt der Legal Interim Manager Dr. Alexander Deicke, dass Legal Interim Manager nicht zwingend in Konkurrenz zu Unternehmensjuristen oder Syndikusanwälten stehen, da ihnen oft eine ergänzende Funktion zukomme – bei Legal-Interim-Einsätzen gehe es im Gegensatz zu externer Beratung vielmehr um die konkrete Umsetzung im Unternehmen beziehungsweise beim Mandanten. Und: „Dabei ist der Markt für zeitlich befristete Einsätze aus meiner Sicht ganz klar ein Wachstumsmarkt. Nirgends sonst sind Skaleneffekte in diesem Umfang möglich. Wenn dann noch über eine Digitalisierung hinsichtlich der Vermittlung nachgedacht wird, wie zum Beispiel durch eine Matching-Plattform, hätten wir ein disruptives Geschäftsmodell.“

Für junge Jurist*innen bedeutet die Arbeit als Projektjurist*in, an interessante Mandate zu kommen bei gleichzeitiger Erhaltung der eigenen Flexibilität. Zudem kann die Arbeitsform eine Möglichkeit bieten, sich finanziell bei der eigenen Kanzleigründung abzusichern und „Leerphasen“ zu überbrücken. Oder, wie Susanne Mühlbauer von Vario Legal bereits gesagt hat: Die Verbindung spannender und abwechslungsreicher Mandatstätigkeit mit persönlicher Unabhängigkeit und Flexibilität. Also: New Law.

Podcast-Tipp:

Wie verändert die Digitalisierung die Rechtsbranche? Wird Künstliche Intelligenz Anwälte arbeitslos machen? Welche Geschäftsmodelle werden sich durchsetzen? Welche Fähigkeiten sind in der Zukunft gefragt? Diesen Fragen widmet sich der Podcast recode.law:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Algorithmen als juristische Berater

Künstliche Intelligenz kommt in der Rechtsberatung immer häufiger zum Einsatz. Beschleunigte Abläufe und eine höhere Kundenzufriedenheit sind zwei Vorteile, die mit der Technologie verbunden werden. Aber auch mehr Transparenz und bessere Entscheidungen können mit ihr erzielt werden. Von Christoph Berger

Seit Ende Januar bietet die Rechtsschutzversicherung Axa-Arag Ratsuchenden einen neuen Service an. Diese können auf einer vom Start-up Court- Correct entwickelten digitalen Plattform schnell, einfach und kostenlos eine Rechtsauskunft erhalten. Und zwar egal, ob es sich um Familien-, Miet-, Wohnoder Arbeitsrecht handelt. Alle Rechtsgebiete werden abgedeckt. Dazu beschreiben die Nutzer*innen auf der Plattform ihren Fall. Juristinnen und Juristen schätzen daraufhin die rechtliche Ausgangslage ein und geben Auskunft zur Problemlösung. Und dies innerhalb von 48 Stunden – schriftlich oder telefonisch.

Damit diese zugesagte Schnelligkeit funktionieren kann, werden die Jurist*innen von künstlicher Intelligenz und automatisierten Prozessen unterstützt. „Mit diesem neuen Angebot möchten wir den Zugang zum Recht erleichtern, Hemmschwellen senken und die Vorteile von neuen Technologien effizient nutzen“, erklärt Jürg Schneider, CEO der Axa-Arag. Bis Mai 2022 läuft die Plattform noch als Pilotprojekt. In dieser Phase sollen Kundenfeedbacks aufgenommen werden, die dann in die Weiterentwicklung einfließen. Prinzipiell verfolgt der Konzern die Vision, vermehrt künstliche Intelligenz einzusetzen. Somit ließen sich die Beantwortung von Rechtsfragen signifikant beschleunigen, der Service für Kund*innen werde besser. Auch Zusatzservices können hinzugebucht werden. Für die ist allerdings ein Fixpreis zu zahlen. Dazu gehört zum Beispiel die Übernahme der Verhandlung mit der Gegenseite.

Nicht „Consumer“, sondern Richterinnen und Richter hatte das Projekt „Smart Sentencing“ am Legal Tech Hub Cologne zur Zielgruppe. Dort befasste sich die Hub-Task Force „Gerechte Strafzumessung“ mit der Entwicklung einer Legal Tech-Anwendung im Bereich der richterlichen Strafzumessung – ebenfalls mit Einsatz künstlicher Intelligenz. Hintergrund des Projekts war und ist es, dass verhängte Strafmaße bei ähnlichen Fällen erheblich voneinander abweichen können. Eine standardisierte Erfassung von Strafzumessungsgründen kann da bestehende Unterschiede in der richterlichen Strafzumessungspraxis transparent machen.

Nach der Entwicklung eines erfolgreichen Prototyps wird das Projekt nun am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung an der Universität zu Köln in einem größeren Umfang und mittels maschinellen Lernens weitergeführt. Als Ergänzung: In den USA unterstützen sogenannte „Risk Assessment Algorithms“ Richter*innen bei ihren Entscheidungen; eine KI ermittelt dabei die Rückfälligkeit von Straftäter*innen. Dass derartige Technikunterstützung sowohl in Kanzleien als auch in der öffentlichen Verwaltung zunehmen wird, darauf deuten die steigenden Budgets für Rechtstechnologie hin. Laut dem Marktforschungs- und Analyseunternehmen Gartner lagen diese 2020 bei vier Prozent ihrer internen Budgets. Bis 2025 sollen sie auf zwölf Prozent steigen.

Der Kölner Anwaltverein veröffentlichte auf Youtube einen Veranstaltungsmitschnitt vom 29. Juni 2021 unter dem Titel „Digitale Justiz – wie geht das!? – Gerechte Strafe dank Smart Sentencing?“:

Ambidextrie in Kanzleien

Die 11. Herbsttagung des Bucerius Center on the Legal Profession stand unter dem Thema „Ready for the Future?!“. Dazu gehört auch, dass Kanzleien und Rechtsabteilungen sich nicht ausschließlich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, sondern ebenso einen Fokus auf zukünftige Geschäftsfelder legen sollten. Doch wie können diese beiden Ansprüche gleichzeitig erfüllt werden? Mit Ambidextrie. Von Christoph Berger

Ambidextrie bedeutet in seinem Ursprung „Beidhändigkeit“. Also die Fähigkeit, die linke und rechte Hand gleich gut benutzen zu können. Übertragen auf Organisationen beinhaltet er laut den Wissenschaftlern Michael Tushman und Charles A. O‘Reilly die Fähigkeit, sich sowohl um das Tagesgeschäft und die schrittweise Einführung von Innovationen zu kümmern – also die schrittweise Verbesserung von bestehenden Produkten, Dienstleistungen, Prozessen oder Geschäftsmodellen, als auch ganz neue und disruptive Entwicklungen voranzutreiben. Wichtig sind Exploitation und Exploration. Allerdings ist dies keine ganz so leicht umsetzbare Methode, da Unternehmen es einerseits schaffen müssen, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen so zu nutzen, dass sie die aktuellen Bedürfnisse decken, andererseits braucht es sie auch für den Raum zum Entwickeln neuer Ideen. Ohne Kompromisse ist beides zusammen selten umsetzbar.

Doch „Organisationale Ambidextrie“ wird zum Überlebensfaktor, heißt es in einer vom auf Change-Prozesse spezialisierten Unternehmen Mutaree veröffentlichten Studie. Demnach ist Innovation genauso wichtig wie die einst dominierende Effizienz. Diese Entwicklung spreche für den Trend zu einer ausbalancierteren Verteilung von Zeit und Ressourcen und stelle einen wichtigen Schritt für die Entwicklung erfolgreicher, ambidextrer Organisationsformen in den Unternehmen dar. „Führungskräfte und Mitarbeiter sollten im Spannungsfeld dieser äußerst anspruchsvollen Herausforderung eine gesunde Balance finden.

Damit aus dieser Anforderung kein Gesundheitsrisiko wird, müssen menschliche Bedürfnisse ins Zentrum rücken und Beachtung finden. Dabei ist die personale Seite wichtiger als jemals zuvor“, erklärt Claudia Schmidt, Geschäftsführerin von Mutaree. O‘Reilly, Professor an der Stanford Graduate School of Business, stellte den Ansatz der Ambidextrie im November 2021 im Rahmen der 11. Herbsttagung des Bucerius Center on the Legal Profession vor. Anhand weiterer Expert*innen- Vorträge wurde daraufhin deutlich, dass innovative Projekte vom Kerngeschäft strukturell zu trennen, jedoch auf strategischer Ebene der Führung zu integrieren sind.

Zudem brauche es für die Erhaltung der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen drei Schritte: Erstens müssten potenzielle Geschäftsmodelle anhand geeigneter Methoden, zum Beispiel Design Thinking, identifiziert werden. Diese Modelle sind daraufhin im Hinblick auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen. Möglich sei dies beispielsweise mit Business Model Canvas, einem Framework für die Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen. Und drittens gelte es, aus all dem die erfolgversprechendsten Geschäftsmodelle herauszufiltern. Dabei sollte der Kundennutzen, also die Sicht der Mandant* innen im Mittelpunkt stehen.

Buchtipp

cover ambidextrieChristoph Frey, Gudrun L. Töpfer: Ambidextrie in Organisationen. Schäffer-Poeschel 2021, 34,95 Euro

Der Reiz des Sichtbaren

0

Lamia Faqirzada-Özal, 32 Jahre
Studium: Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam mit dem Schwerpunkt Gesellschaftsrecht
1. Staatsexmanen in Potsdam
Referendariat: Kammergericht Berlin
2. Staatsexamen 2018 in Berlin
Berufsstart bei Leinemann Partner Rechtsanwälte in Berlin Anfang 2019
Seit Februar 2021 bei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare

Aufgezeichnet von Christoph Berger

Nach dem Studium und dem zweiten Staatsexamen schaute sich Lamia Faqirzada- Özal mehrere Kanzleien genau an. „Mein Studienschwerpunkt lag zwar im Gesellschaftsrecht, aber beim Berufseinstieg kommt es für mich nicht nur auf fachliche Faktoren an“, sagt sie. Sehr wichtig waren ihr auch der Kanzleicharakter und das Kollegium. So fiel ihre Wahl schließlich auf eine Baurechts- Boutique, eine mittelständische Sozietät in Berlin mit weiteren fünf Standorten in Deutschland mit der Spezialisierung auf Immobilien- und Baurecht. „Das Immobilienrecht hat tatsächlich mehrere Schnittstellen mit dem Gesellschaftsrecht. Beispielsweise beim Transaktionsgeschäft oder bei Grundstücksrechtsverhältnissen von Gesellschaften selbst“, erklärt sie. Zwei Jahre blieb sie dort, den Berufsstart bezeichnet sie als sehr gut.

Lamia Faqirzada-Özal, Foto: Christine Sommerfeldt
Lamia Faqirzada-Özal, Foto: Christine Sommerfeldt

Der Liebe wegen orientierte sie sich dann aber neu, machte sich in Nordrhein- Westfalen auf die Suche nach einer passenden Kanzlei. Und kam so zur Wirtschaftskanzlei Kümmerlein in Essen. „Nun bin ich in einer Full-Service-Kanzlei, aber weiterhin mit Schwerpunkt im Bau- und Immobilienrecht tätig“, sagt sie. Und merkt, wie befruchtend es für sie ist, auch Einblicke in alle anderen Rechtsbereiche des Wirtschaftsrechts zu haben. „Wir arbeiten hier fachübergreifend in Teams und lernen so über die Schnittstellen die anderen Bereiche kennen“, zählt sie einige Vorteile auf. In einer Full-Service-orientierten Kanzlei könnten Mandantinnen und Mandanten viel umfassender beraten werden. Die interdisziplinäre Teamarbeit wirke sich außerdem sehr gut auf den kollegialen Zusammenhalt aus, erweitere den fachlichen und persönlichen Horizont.

Kanzleiklima ist ihr wichtig

In größeren Kanzleistrukturen fragt man sich im Vorfeld, wie das Arbeitsklima und das persönliche Miteinander harmoniert. In mehreren Auswahlgesprächen, in denen Lamia Faqirzada-Özal die Partnerinnen und Partner kennenlernte, denen sie heute zuarbeitet, konnte sie dies für sich prüfen. „Ich konnte damals all meine Fragen stellen. Und bekam ein sehr gutes Gespür dafür, wie das Miteinander werden kann“, beschreibt sie die Bewerbungssituation. Mit dem Einstieg erhielt sie Mentoren zur Seite gestellt: jemanden aus dem Personalbereich, der sie in der persönlichen Entwicklung begleitet, sowie einen Mentor aus dem Fachbereich, der sie in der fachlichen Entwicklung betreut. Dabei handelt es sich immer um Partnerinnen und Partner. Und was sind Lamia Faqirzada-Özals Aufgaben?

Zu den Mandanten in ihrem Bereich zählen Immobilieninvestoren, Projektentwickler, die Grundstücke erwerben, um darauf ihre Bauprojekte umzusetzen und diese dann zum Beispiel zu vermieten oder wieder zu verkaufen. Aber auch Konzerne mit eigenen Immobilien gehören zur Mandantschaft, die beispielsweise Beratung in Fragen des Mietrechts suchen oder aber ihr Immobilien-Portfolio erweitern beziehungsweise reduzieren wollen. Es geht also viel um Immobilien- und Gesellschaftsrecht, insbesondere um Vertragsgestaltung. „Bei Unternehmensakquisitionen prüfe ich außerdem das zu übernehmende Unternehmen hinsichtlich der bei ihm liegenden Immobilien, erstelle dazu etwa Due- Diligence-Berichte, die in die Risikokalkulationen des Mandanten einfließen, die später in der Gestaltung der Kaufverträge oder Gesellschafterverträge zu berücksichtigen sind“, erklärt sie.

Skills und das gewisse Gespür

„Bevor ich mit dem Job begonnen habe, hätte ich mir nicht ausmalen können, was es bedeutet, Berichte zu Kampfmitteldurchsuchungen zu prüfen und Bodenverunreinigungen auswerten zu lassen“, sagt sie weiter. Ein fachliches Interesse an dem Thema sei daher unabdingbar, um den Job erfolgreich zu gestalten. Ebenso komme es auf ein technisches Verständnis an, da oftmals viele technische Daten auszuwerten und einzuordnen seien. Lamia Faqirzada- Özal zählt weiterhin ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten als Skill- Voraussetzung auf, um mit den unterschiedlichsten Stakeholdern kommunizieren zu können. Zu denen gehören auch Behörden, wie jene, die zum Beispiel mit den Themen Denkmalschutz, Altlasten oder Baugenehmigungen zu tun haben. „Und im Time-Management, gerade bei M&A-Transaktionen, müssen wir im Team funktionieren. Da gibt es oft sehr strenge Zeitpläne“, erklärt sie. Genauig- und Gewissenhaftigkeit sind da ein Muss. Bringt man dann noch ein Gespür dafür mit, dass in gewissen Situationen etwas nicht stimmen kann, weil benötigte und angefragte Informationen beispielsweise zurückgehalten werden, ist dies sehr hilfreich.

Ich entwerfe nicht nur ein Papier, sondern sehe, dass mit meiner Arbeit tatsächlich etwas passiert, dass Bauten entstehen oder verschwinden.

Aufgrund dieser Komplexität und der Vielfalt an benötigtem fachlichem Know-how, überlegt Lamia Faqirzada-Özal, einen berufsbegleitenden Masterstudiengang zu belegen, um sich in der fachlichen Thematik noch besser ausbilden zu lassen. Der Reiz bei all den Projekten liegt für Lamia Faqirzada-Özal im Konkreten: „Ich entwerfe nicht nur ein Papier, sondern sehe, dass mit meiner Arbeit tatsächlich etwas passiert, dass Bauten entstehen oder verschwinden.“ Zudem habe fast jeder Mensch bestimmt mal etwas mit Immobilien zu tun, Bauwerke prägen unser Leben, unsere Straßen und Städte. „Da einen Beitrag zu leisten, macht wirklich Spaß“, sagt sie.

Zurückblickend auf ihren Berufsstart empfiehlt Lamia Faqirzada-Özal Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern, so viele Gespräche wie möglich zu führen. „Man sollte für sich herausfinden, wie viel man arbeiten möchte – hinsichtlich der Arbeitsform und des Arbeitspensums unterscheiden sich die Kanzleien enorm. Und auch der soziale Aspekt sollte immer im Blick behalten werden: Welche Möglichkeiten der sozialen Interaktion gibt es in der Kanzlei, passen die Menschen, die ich kennengelernt habe, zu mir“, rät sie. In ihrem Freundeskreis hat sie zudem beobachtet, dass sich Freunde in der Probezeit auch immer mal gegen eine Kanzlei entschieden haben. Und sich damit schlecht gefühlt haben. Doch Lamia Faqirzada-Özal bewertet derartige Entscheidungen anders: „Die Probezeit ist nicht dafür da, etwas bestehen zu müssen. Die Zeit ist auch eine Probe für sich selbst, ob man bleiben möchte oder nicht.“ Wichtig sei, dass man die Kanzlei bzw. einen Arbeitgeber finde, bei dem man sich wohl fühlt und gerne zur Arbeit geht. So wie Lamia FaqirzadaÖzal, die diese Kanzlei für sich gefunden hat.

Aufgestiegen zur Head of ESG & Sustainability

0

Im Januar 2022 berief die Wirtschaftskanzlei GvW Graf von Westphalen Dr. Annika Bleier zur Head of ESG & Sustainability. Damit koordiniert die 34-jährige Anwältin nun alle Kanzleiaktivitäten zu den Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Von Christoph Berger

Danach gefragt, welchen Tipp Dr. Annika Bleier jungen Juristinnen und Juristen mit auf den Weg ins Berufsleben geben möchte, fällt die Antwort klar aus: „Steht für Eure Ideen ein und gestaltet die Dinge aktiv mit! Wenn man sich für ein Thema begeistern kann, sollte man mutig sein und es anstoßen. Das bringt einen selbst und die Kanzleien voran.“ Dass diese Einstellung einen beruflich und persönlich weiterbringt, dafür ist Annika Bleier selbst ein perfektes Beispiel.

Dr. Annika Bleier, Foto: Christina Koerte
Dr. Annika Bleier, Foto: Christina Koerte

Die 34-Jährige hat den „Kombinationsstudiengang Unternehmensjurist/ in“ an der Universität Mannheim mit einem Bachelor abgeschlossen und danach ihr Staatsexamen abgelegt. Nebenbei hatte sie bereits am Lehrstuhl gearbeitet und auch ihre Dissertation im Anschluss an das Staatsexamen in Mannheim geschrieben. Im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes. Für das Referendariat zog sie dann nach Hamburg. In dieser Zeit wollte sie sich auch darüber klar werden, was ihre nächsten beruflichen Schritte werden sollen. „Schon während des Studiums war ich für einige Zeit beim Auswärtigen Amt in Genf, während des Referendariats dann bei der Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York. Ich war und bin sehr begeistert vom Völkerrecht und vom Internationalen Menschenrechtsschutz. Genauso von internationalen Organisationen – dort zu arbeiten war immer eine Option für mich“, sagt sie.

Doch in der Anwaltsstation bei der Kanzlei Graf von Westphalen (GvW) wurde ihr dann angeboten, dort als Anwältin zu arbeiten. „Diese Chance wollte ich auf jeden Fall wahrnehmen“, beschreibt sie die damalige Situation. „So habe ich hier angefangen. Es macht so viel Spaß, gerade wenn man eigene Themen findet. Und schwups, geht die Zeit um.“ Ihre Begeisterung hat sie dabei als Anwältin für Verfassungsrecht und Menschrechtsschutz weiterverfolgt. Und sie stieß von Beginn an Pro Bono-Projekte an, koordinierte diese bald. Genauso wie das CSR-Team. Dieses Engagement und die dabei immer weiter aufgebaute Expertise führte schließlich zu ihrer neuen Funktion: Seit Januar 2022 ist Annika Bleier Head of ESG & Sustainability. „Über die in den letzten Jahren koordinierten Projekte habe ich viele Strukturen aufgebaut, die ich nun in die neue Stelle mitnehmen und weiter ausbauen kann“, sagt sie. ESG steht übrigens für Environmental Social Governance. Übersetzt: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

Internes und externes Beraten

Blickt Annika Bleier auf ihr neues Aufgabenfeld, so sieht sie zwei Dimensionen bei dem Thema: eine interne und eine externe. „Zum einen müssen wir ein guter Partner für die Unternehmen und Öffentliche Hand sein. Intern müssen wir uns aber auch selbst als Kanzlei nachhaltig aufstellen, alles andere wäre unglaubwürdig“, erklärt sie. Herausfordernd sei in beiden Fällen, dass sich die Entwicklung – mit der Spitze Klimabeschluss, aber etwa auch mit der EU-Taxonomie oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – in ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten vollzieht. Und: „Sehr viel ist Soft Law, sodass es oft keinen regulativen, also legislativen, Rahmen gibt. Das Rechtsgebiet ist hochkomplex, weil sich nicht verbindliche Soft Law-Instrumente mit verbindlichen Rechtsakten vermischen“, sagt sie. Vieles in dem Bereich seien Empfehlungen oder es werde mit anreizschaffenden Ratings gearbeitet, die nichts mit rechtlicher Verbindlichkeit zu tun hätten. Nun müsse beobachtet werden, was in einen regulativen Rahmen überführt werde und was nicht. „Wir beraten unsere Mandantinnen und Mandanten dahingehend, was für jeden von ihnen das derzeit Richtige ist. Die Unternehmen sträuben sich nicht, da mitzugehen, ganz im Gegenteil; wollen aber auch nicht in Haftung für Unterlassenes genommen werden.“

Ökologie, Soziales und Ökonomie in Einklang zu bringen, ist nicht nur für unsere Mandantinnen und Mandanten höchst relevant, sondern es beschäftigt uns auch als Unternehmen intensiv.

Einerseits braucht es für die Stelle daher sehr gute Kenntnisse im Recht. Doch gerade im Wirken nach Innen werden noch weitere Skills benötigt – vor allem auf der Kommunikationsebene. „Es geht sehr viel um einen Austausch mit den Partnerinnen und Partnern, mit Kolleginnen und Kollegen – auch im nichtjuristischen Bereich. Ich glaube, gerade Letzteres ist es, was die neue Stelle verstärkt mit sich bringt“, denkt Annika Bleier. Festgestellt hat sie bereits, dass es Bereiche gibt, in denen sich Maßnahmen leicht durchsetzen lassen, und andere, in denen es schwieriger wird. Leicht sei zum Beispiel der Wechsel des Stromanbieters hin zu Ökostrom gewesen. „Das hat mit jedem einzelnen recht wenig zu tun: Ich drücke auf den Lichtschalter und das Licht geht an“, sagt sie.

Komplizierter sei es mit Verhaltensänderungen, die Menschen persönlich betreffen. Als Beispiel nennt sie die Mobilität: Wie bewegen wir uns zu unseren Mandantinnen und Mandanten und zwischen unseren Standorten? Wird der Zug gewählt, mit dem es manchmal etwas länger dauert als mit dem Flugzeug? Oder welches Fortbewegungsmittel wird für die Fahrt zum Büro benutzt, der Verbrenner oder das Jobrad? Da sei Eigenverantwortung gefragt, die mit einem Kulturwandel einhergehe. „Da kommt es auf Kommunikation, Verständnis, Austausch und Sichtweisen an. Es muss ein Gemeinschaftsprojekt sein. Und dazu gehört es, alle mitzunehmen.“ Genauso gehöre zum Thema Nachhaltigkeit aber auch, sich über die Personalfluktuation in Großkanzleien Gedanken zu machen, die das Gegenteil von nachhaltig ist. „Da muss man sich zumindest die Frage stellen: Woran liegt es? Wie viel wird in Weiterbildung und Faktoren wie Vielfalt investiert; wie kann ein Bewusstsein für diese Themen geschaffen werden?“, ergänzt sie.

Annika Bleier hat festgestellt, dass die Schaffung der Stelle sehr gut angenommen wurde. Sie habe gemerkt, dass das Thema den Associates und Partnern sehr wichtig sei. Nun könne es mit Nachdruck vorangetrieben werden. „Das Thema ist „heiß“ und gesellschaftlich viel zu wichtig, als dass man es unbeachtet lassen oder nur als „nice-to-have“ ansehen könnte“, so ihre Einschätzung. Diese steht im Einklang mit einer Mitteilung zu ihrer Ernennung. „Wir möchten das Thema ESG bei GvW zu einer Priorität machen“, werden Christof Kleinmann und Dr. Robert Theissen, beide Managing Partner der Kanzlei, darin zitiert. „Ökologie, Soziales und Ökonomie in Einklang zu bringen, ist nicht nur für unsere Mandantinnen und Mandanten höchst relevant, sondern es beschäftigt uns auch als Unternehmen intensiv. Es freut uns daher sehr, dass wir diese wichtige Schnittstellenfunktion hervorragend mit Frau Dr. Bleier aus den eigenen Reihen besetzen können.“

Die „Häutungen“ des Lebens

Dr. Albert Kitzler zählt heute zu den erfolgreichsten Philosophie-Beratern Deutschlands. Doch auf dem Weg dorthin durchlebte er immer wieder „Häutungen“ – wie er die Berufswechsel in seinem Leben nennt – und in denen er jeweils sehr erfolgreich war: Vom Anwalt zum Filmproduzenten und vom Filmproduzenten zum Philosophen. Aufgezeichnet von Christoph Berger

Der Jurist

Dr. Albert Kitzler, Foto: www.gerhardkassner.de
Dr. Albert Kitzler, Foto: www.gerhardkassner.de

Schon als Schüler wollte ich Philosophie studieren, das war meine erste und stärkste Leidenschaft. Aber ein guter Freund sagte, dass ich meinen Lebensunterhalt damit nicht verdienen könne. Da ich aus sehr bescheidenen Verhältnissen komme, war es für mich ein Kriterium, ein gutes Einkommen zu haben. So kam ich nach Durchsicht des Studienplaners auf Jura. Und es hat gepasst. Allerdings war die Sehnsucht nach der Philosophie so groß, dass ich mich nach zwei Semestern auch dafür einschrieb und ein Doppelstudium absolvierte. So konnte ich beiden Seiten nachgehen, wobei auch Jura in mir Wesentliches angesprochen hat. Zudem hatte ich Begabung dafür. Wenn man Talent für etwas hat, dann macht einem das Lernen auch Spaß, da man mit seinem Innern dabei ist. Durch die parallel laufenden Studiengänge hatte ich gleichzeitig eine gute Distanz zum jeweils anderen: Als Philosoph konnte ich mit einem gewissen Lächeln auf die Juristen schauen, blieb aber als ein solcher auch bodenständig und hielt einen gesunden Abstand zur theoretischen Philosophie, die manchmal abgehoben und realitätsfern ist. Das fand ich sehr bereichernd und beglückend. Die Verbindung zwischen beiden Fächern vollzog ich dann in einer rechtsphilosophischen Dissertation.

Nach meinen Studienabschlüssen hatte ich das Angebot, an der Philosophischen Fakultät zu bleiben. Ich sehnte mich jedoch nach einer anderen Art von Philosophie. Mich interessierten Fragen wie „Wie lebe ich ein gutes Leben?“, „Wie soll ich mein Leben einrichten?“ oder „Wie werde ich glücklich?“. Diese Fragen fand ich in der antiken Philosophie bei Sokrates, Platon, Konfuzius, Buddha und anderen behandelt. Im universitären Raum wurden und werden sie jedoch, wenn überhaupt, nur stiefmütterlich behandelt. Deshalb habe ich das Angebot abgelehnt und wurde Anwalt. Im ersten Bewerbungsgespräch als Anwalt passierte mir dann genau das Gegenteil: Wir philosophierten anderthalb Stunden über Platon. Da habe ich natürlich direkt zugesagt. Es besteht bis heute eine sehr freundschaftliche Beziehung zu dieser Kanzlei. Ich hätte dort alt und glücklich werden können. Vier Jahre habe ich dort gearbeitet und alle Rechtsgebiete behandelt – von Straf- und Zivilrecht über Scheidungen bis zum Öffentlichen Recht.

Der Filmproduzent

Heute gebe ich an meine Schülerinnen und Schüler weiter, dass man immer auf der Suche nach sich selbst sein, dass man in seine Seele schauen und nichts unausgelebt lassen sollte, was einem wesentlich ist. Auf dieser Suche war ich schon damals in meiner ersten Anwalts zeit. Trotz eines hervorragenden Umfelds dort spürte ich eine Unerfülltheit. Denn neben der Philosophie hatte ich noch eine weitere Leidenschaft: die Filmkunst. Ich liebte Klassiker der Filmkunst, liebte Film als Kunst, hatte viele Filme gesehen und auch viele Bücher darüber gelesen. Ich dachte, dass ich als Regisseur auch solche Filme machen könnte. Zumindest wollte ich es ausprobieren. Darum bewarb ich mich an der Filmschule in Berlin, wusste aber, dass die Chancen für eine Aufnahme gering sind. Im Falle einer Absage beschloss ich daher, sozusagen als Trostpflaster, eine Weltreise zu machen. Ich erhielt eine Absage und reiste dann ein Jahr lang durch Südamerika, legte über 44.000 Kilometer zurück, war in sieben Ländern, habe Portugiesisch und Spanisch gelernt. Das war eines der besten Jahre meines Lebens. Am Ende dieser „Selbstfindungsreise“ kam ich zu der Erkenntnis: Du darfst nicht aufgeben, ein Filmemacher zu werden, ohne es ausprobiert zu haben.

Linktipp

Der Philosophie-Podcast „Der Pudel und der Kern

Unmittelbar nach meiner Rückkehr ging ich den Plan an. Zur finanziellen Absicherung arbeitete ich nebenher als Anwalt auf Stundenbasis in einer großen Berliner Kanzlei. Durch glückliche Umstände kam ich in meiner zweiten Karriere als Filmemacher sehr schnell ins Geschäft. Allerdings setzte man mich auf den Produzentenstuhl, obwohl ich doch Regisseur werden wollte. Als Anwalt mit wirtschaftlichen und juristischen Zusammenhängen vertraut, hatte ich dafür die passenden Qualifikationen. Zudem hatte ich ein Talent fürs Filmemachen. Nach zwei bis drei Jahren hatte ich mich so etabliert, dass ich in einem Jahr parallel fünf Spielfilme produzierte. Keine Blockbuster, sondern Arthouse Movies. Es wurden keine finanziellen Erfolge, aber ideelle: Wir gewannen viele Preise auf Filmfestivals bis hin zu einem Oscar für den Kurzfilm „Schwarzfahrer“ von Pepe Danquart 1994. Doch erneut kamen Zweifel in mir auf. Als Filmproduzent hat man sehr viel mit Geld zu tun: Geld besorgen, Geld ausgeben, Erlöse eintreiben und verhandeln. Wenn man kein Geldmensch oder Geschäftsmann ist, fällt einem das auf Dauer schwer. So ging es mir. Nach zwölf Jahren Arbeit als Filmproduzent hatte ich das Gefühl, eine Banknote zu werden. Sokrates sagte: „Du wirst zu dem, was du tust.“ Das führte zu einem Entfremdungsgefühl. Ich tat nicht das, wofür ich am meisten brannte. Gleichzeitig wuchs in mir wieder die Sehnsucht nach der Philosophie, die mich in all der Zeit nie verlassen hatte.

Der Philosoph

Der Gedanke kam auf, nach all der Lebenserfahrung die Philosophie zu meinem Beruf zu machen. Ich stellte fest, dass viele der wertvollen Gedanken aus der Antike zum „guten Leben“ heute in Vergessenheit geraten waren. Dabei war ich überzeugt davon, dass sie vielen Menschen helfen könnten, würde man die überlieferten Weisheiten und Philosophien ins Heute übersetzen. Von 2000 bis etwa 2010 studierte ich intensiv die klassischen antiken Philosophien aus Indien, China und Griechenland, die vor allem praktische Philosophien waren. Das konnte ich mir nur leisten, weil ich als erfolgreicher Jurist und Filmproduzent zwei gefragte Expertisen hatte und von renommierten Kanzleien auf Stundenbasis engagiert wurde.

2014 erschien mein erstes Buch, „Wie lebe ich ein gutes Leben? Philosophie für Praktiker“. Bereits 2010 hatte ich „Mass und Mitte – Schule für antike Lebensweisheit“ gegründet. „Mitte“ wurde von Aristoteles als das tugendhafte Leben beschrieben. Man kann den Begriff aber auch als die eigene Mitte verstehen, die gelebt werden will und in der man sein Glück findet. Das richtige Maß in allem zu finden, ist andererseits einer der wichtigsten Schlüssel zu einem glücklichen Leben. Es geht in der Schule also einerseits um die Vermittlung von Wissen „Was muss ich wissen, um ein gutes Leben zu führen?“, andererseits aber auch – und daran scheitern viele – um die Umsetzung dieses Wissens im Alltag. Dabei ist die zentrale Frage bei allen Entscheidungen: Macht mich das, was ich tue, nachhaltig zufrieden? Um dies gut beantworten zu können, sollte sich jeder achtsam auf den Weg zu sich selbst machen. So war und ist es auch bei mir. Jeder Wechsel, jede Häutung hat mich näher in meine Mitte gebracht. Ich lebe jetzt genau das und so, wie es meiner tiefsten Sehnsucht entspricht.

Aktuelles Buch

Cover Nur die RuheNur die Ruhe! Einfach gut leben mit Philosophie, Droemer 2021, 18 Euro

Mehr Vielfalt!

0

Diversität geht einher mit Wertschätzung und Offenheit. Und erzeugt Zufriedenheit. Mitarbeiter werden in einem diversen Umfeld loyaler gegenüber ihrem Arbeitgeber. Und auch leistungsfähiger. Nicht zuletzt lassen sich Probleme mit diversen Teams besser lösen. Doch wie steht es um die Vielfalt in der Rechtsbranche? Von Christoph Berger

Das Rechtsmagazin der auf Fachinformationen, Software und Services spezialisierten Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Legal Tribune Online (LTO), veröffentlichte im September 2021 die Ergebnisse ihrer Umfrage „Alles außer Geld“. Mehr als 2000 Associates aus über 100 Kanzleien waren zu den Themen Karriereperspektiven, Work-Life-Balance, Innovationskraft und Zusammenhalt bei ihrem Arbeitgeber befragt worden. Auch das Thema Diversity und Chancengleichheit spielte darin eine Rolle. Wie wird dies in den Kanzleien umgesetzt und gelebt? Wobei die Studienautoren darauf hinweisen, dass alle Umfrageergebnisse auf der subjektiven Bewertung der Teilnehmenden basieren. Trotzdem dürften sie ein allgemeines Stimmungsbild beziehungsweise Rückschlüsse auf den Umgang der Kanzleien mit den einzelnen Themen zulassen.

Der Blick auf die Rangliste im Bereich Chancengleichheit und Diversity listet die deutsch-französische Anwaltskanzlei Qivive an erster Stelle. Es folgen KPMG Law und Pusch Wahlig. Dabei zeigt schon der Blick auf das Qivive-Team, dass die Zusammensetzung hier für die Branche recht untypisch ist: Anfang Februar stehen acht Männern 37 Frauen „gegenüber“. Bei KMPG-Law werden laut Internetseite Netzwerke und Kulturinitiativen sowie zielgruppenspezifische Seminare oder Mentoring- Programme angeboten, um das individuelle Engagement aller Mitarbeiter*innen zu unterstützen. Im Ergebnisbericht der LTO-Umfrage heben die Autoren bei Pusch Wahlig die Transparenz über die Gestaltung eines Level-Playing-Fields hervor. Dazu würden regelmäßige Know-how-lunches sowie Onlinekurse beitragen. Auch wenn es in dem Segment die Vorbild-Kanzleien mit sehr guten und guten Bewertungen gibt, bei einer bis zehn reichenden Skala bewerten die Befragten die Kanzleien im Durchschnitt mit 6,82. Damit gibt es in vielen Kanzleien noch Luft bei der Ausgestaltung hinsichtlich der Diversität.

Dass die Möglichkeiten hinsichtlich der Vielfalt in Kanzleien noch nicht ausgeschöpft sind, war auch Ergebnis einer empirischen Studie zum Thema „Diversity im Rechtsmarkt“. Durchgeführt wurde sie vom Deutschen AnwaltSpiegel und Anna Engers, einer der führenden Diversity-Berater*innen für Unternehmen und Anwaltskanzleien in Deutschland, sowie der Kanzlei Lindenpartners und der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg-Schweinfurt. Heraus kam dabei unter anderem, dass Quoten in den meisten Kanzleien bislang keine Rolle spielen. Gleiches gilt für anonymisierte Bewerbungsverfahren. Beides wären allerdings Maßnahmen, um mehr Vielfalt in der Kanzleiwelt zu erreichen. Zudem betonen die Autoren, dass die Frage nach dem Frauenanteil nur ein Teilaspekt im Themenkomplex Diversity ist. Prinzipiell gelte es, ein diverses Mindset zu verinnerlichen. Veranstaltungen, Gespräche und Coachings könnten helfen, die Menschen für das Thema Diversity zu sensibilisieren. Genauso wie das Erweitern von Netzwerken.

Assessment-Center erfolgreich bestehen

0

Wer eine Einladung zum Assessment- Center, Auswahltag oder Orientierungscenter erhalten hat, zählt zum engsten Kreis der ernstzunehmenden Bewerber. Das typische Assessment- Center dauert einen halben bis einen Tag und besteht aus diversen Einzel- und Gruppenaufgaben, die unter Zeitdruck zu lösen sind. Hier die wichtigsten Fakten und die besten Tipps zu den häufigsten Aufgaben:

Zur Person

Johannes Stärk ist Assessment-Center-Coach und Bestseller-Autor. Für den karriereführer recht beschreibt er, was Bewerber*innen erwartet, wenn sie ein Assessment-Center absolvieren, und wie sie es bestehen.

Postkorb

Die wichtigsten Fakten: Sie erhalten umfangreiche Unterlagen, die den Posteingang Ihres Verantwortungsbereichs darstellen. Ihre Aufgabe besteht darin, Termine zu koordinieren, Abläufe zu organisieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die besten Tipps: Verschaffen Sie sich einen groben Überblick über alle Unterlagen und arbeiten Sie die Vorgänge nach Priorität ab. Seien Sie darauf gefasst, dass sich am Ende des Bearbeitungsstapels Mitteilungen von hoher Tragweite verstecken, wie zum Beispiel die Krankmeldung eines Mitarbeiters, die Einfluss auf andere Vorgänge hat.

Gruppendiskussion

Die wichtigsten Fakten: Bei der typischen Gruppendiskussion müssen Sie gemeinsam mit anderen Teilnehmern einen vorgegebenen Auftrag bearbeiten. So kann es beispielsweise darum gehen, ein Konzept zu entwickeln oder sich auf einen Verbesserungsvorschlag zu einigen. Die besten Tipps: Stellen Sie zu Beginn sicher, dass alle das gleiche Verständnis vom Arbeitsauftrag haben. Seien Sie präsent und beteiligen Sie sich kontinuierlich. Engagieren Sie sich für Ihre eigene Position, aber zeigen Sie sich auch kompromissbereit, damit ein gemeinsames Ziel erreichbar ist.

Fallstudie/Case-Study

Die wichtigsten Fakten: Sie erhalten umfangreiche Ausgangsinformationen und müssen zu einer strategischen Fragestellung eine Lösung erarbeiten. Die besten Tipps: Präsentieren Sie nicht nur einen Lösungsvorschlag, sondern zeigen Sie auch nachvollziehbar Ihren Lösungsweg auf, denn die einzig richtige Musterlösung gibt es oft nicht.

Link-Tipp

Kostenfreier Online-Kurs „Das Gratis-Assessment-Center-Training

Rollenspiel

Die wichtigsten Fakten: Ein Rollenspiel ist die Simulation eines Vier-Augen-Gesprächs. Abhängig von der zu besetzenden Position handelt es sich dabei um ein Mitarbeiter-, ein Kunden- oder ein Kollegengespräch. Die besten Tipps: Gehen Sie mit dem persönlichen Anspruch ins Gespräch, die Motive, Bedürfnisse und Ziele Ihres Gesprächspartners exakt verstehen zu wollen. Dazu ist es erforderlich, die richtigen Fragen zu stellen und aktiv zuzuhören. In diesem Vorgehen liegt der Schlüssel zum Erfolg. Achten Sie dabei auf ausgewogene Redeanteile.

Präsentation

Die wichtigsten Fakten: Diese Aufgabe kann Ihnen im Assessment-Center mehrfach begegnen, zum Beispiel in Form einer Selbst-, Fach- und Ergebnispräsentation. Manchmal werden Präsentationsaufträge im Vorfeld als „Hausaufgabe“ erteilt. Die besten Tipps: Entwickeln Sie bereits vorab ein Konzept für Ihre Selbstpräsentation, denn kommt diese Aufgabe unvermittelt im Assessment-Center, gelingt es in der Kürze der Zeit nur den Wenigsten, eine überzeugende Selbstpräsentation zu erstellen. Machen Sie sich im Vorfeld mit Flipchart-Präsentationen vertraut, da Flipchart in vielen Assessment-Centern das Standard-Medium für Ad-hoc-Präsentationen ist.

Buchtipp

Cover Assessment-CenterJohannes Stärk: Assessment-Center erfolgreich bestehen. GABAL Verlag 2021, 25. Aufl. ISBN: 978-3-86936-184-0. 29,90 Euro.

 

 

Schrift-Sätze

0

Strukturwandel des Öffentlichen Rechts

Cover Strukturwandel des Öffentlichen RechtsViele Beobachter kritisieren die Entwicklung, die das öffentliche Recht in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs genommen hat, als eine entfremdende Verrechtlichung. In seinem neuen Buch plädiert Armin von Bogdandy, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, für eine andere Lesart dieses Prozesses, nämlich als Strukturwandel zu einer europäischen demokratischen Gesellschaft. Dieses Narrativ erlaubt eine Neubewertung wichtiger Ereignisse, Urteile, Begriffe sowie aktueller Herausforderungen. Bogdandy zeigt überdies, wie der aus dem Globalen Süden stammende Ansatz des transformativen Konstitutionalismus einen Weg bietet, sowohl autoritären als auch hegemonialen Tendenzen in der europäischen Gesellschaft zu begegnen und ihre demokratische Verfasstheit zu stärken. Armin von Bogdandy: Strukturwandel des öffentlichen Rechts. Suhrkamp Taschenbuch 2022, 26 Euro.

Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich

Cover Vor dem Gesetz sind nicht alle gleichDas Versprechen lautet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Aber sie sind laut Ronen Steinke, promovierter Jurist sowie Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung, nicht gleich. Das Recht hierzulande begünstigt jene, die begütert sind; es benachteiligt die, die wenig oder nichts haben. Verfahren wegen Wirtschaftsdelikten in Millionenhöhe enden mit minimalen Strafen oder werden eingestellt. Prozesse gegen Menschen, die ein Brot stehlen oder wiederholt schwarzfahren, enden hart und immer härter. In einer beunruhigenden Reportage deckt Steinke systematische Ungerechtigkeit im Strafsystem auf. Er besucht Haftanstalten, recherchiert bei Staatsanwält*innen, Richter*innen, Anwält*innen und Verurteilten. Und er stellt dringende Forderungen, was sich ändern muss. Ronen Steinke: Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Piper 2022, 20 Euro.

Strafrechtskino

Cover StrafrechtskinoWer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, sich bei Kino- und Fernsehfilmen unwillkürlich zu fragen, wie der Plot juristisch – insbesonders strafrechtlich – zu werten wäre. Der Autor geht zehn bekannten Kino- und Fernsehfilmen (straf)juristisch auf den Grund und macht das Lösen strafrechtlicher Fälle auf diese Weise zu einem cineastischen Vergnügen. Die (Übungs-)Fälle dieses Buches (ursprünglich einmal drei Anfängerklausuren, drei Fortgeschrittenenklausuren, drei Examensklausuren, eine Hausarbeit) sind allesamt Fiktion, d.h. ihnen liegen (anders als den meisten „Strafrechts-Klassikern“) keine realen Fälle zugrunde, vielmehr sind sie allesamt ausschließlich Film und Fernsehen entnommen. Zumeist sind sie, wie schon am Titel erkennbar, US-amerikanischen Ursprungs (Hollywood). Die Lösung folgt aber stets dem deutschen Recht. Christian Fahl: Strafrechtskino. C.H.Beck 2021, 14,90 Euro.

Inside Strafverteidigung

Cover Inside Strafverteidigung„Wie kann man nur Verbrecher retten?“ Burkhard Benecken und Hans Reinhardt stellen das Image des Strafverteidigers als „Advokat des Bösen“ auf den Prüfstand: Was davon trifft zu, was entspricht nicht der Realität? Die beiden Anwälte zählen zu den bekanntesten Strafverteidigern Deutschlands und wissen, wovon sie sprechen. In diesem spannenden Sachbuch geben sie Einblick in ihren Berufsalltag. Wer sind ihre Mandanten? Haben sie wirklich alle „Dreck am Stecken“? Oder gilt die Unschuldsvermutung? In bester True-Crime-Manier teilen sie ihre Erlebnisse mit berühmten Verbrechern und berichten von wahren Kriminalfällen. Burkhard Benecken, Hans Reinhardt: Inside Strafverteidigung. Benevento 2021, 22 Euro.

Meditation und Verhandlungsführung

Cover Meditation und VerhandlungsfuehrungDieses Buch ist laut dem Verlag das Standardwerk für wertschöpfendes (Win-Win)-Verhandeln im deutschsprachigen Raum. Ist Win-Win-Verhandeln ökonomisch sinnvoll oder naive Sozialromantik? Um diese Frage tobt ein regelrechter „Glaubenskrieg“, vor dessen Hintergrund die Autoren – beide erfahrene Verhandlungsberater und Wirtschaftsmediatoren – in jahrelanger Forschungs- und Praxisarbeit die besten Techniken sowie fundierte wissenschaftliche Belege für wertschöpfendes Verhandeln zusammengetragen haben. Zugleich gilt das Werk als führendes Lehrbuch für mediatives Verhandeln, das auch erfahrenen MediatorInnen immer wieder neue Impulse für eine noch bessere Verhandlungsführung gibt. Berücksichtigt werden dabei modernste Techniken wie Framing-Strategie, Grammatik der Wertschöpfung und Umgang mit „Irrationalität“. Dr. Siegfried Rosner, Dipl.-Jur. Andreas Winheller: Mediation und Verhandlungsführung. Nomos 2022, 39 Euro.

Zeitenwende?

Cover ZeitenwendeStehen die Europäische Union und die westliche Welt vor einer Zeitenwende? Ist die Vision einer „immer engeren Union der Völker Europas“ noch überzeugend? Welche Antworten kann die Union auf die Pandemie, den Klimawandel, den Brexit, die sicherheitspolitischen und digitalen Herausforderungen oder den sich verschärfenden internationalen Wettbewerb finden und wie kann sie die Konflikte über den europäischen Rechtsstaat, die gemeinsamen Schulden und die Zukunft des Euro bewältigen? Welche Rolle kann und sollte die EU in einer sich verändernden Welt spielen? Welche Regeln und Werte sollten die europäische Politik leiten? Diesen Fragen widmen sich im vorliegenden Band 18 Autoren – Praktiker und Wissenschaftler – aus acht Ländern und fünf Fachdisziplinen. Daniel S. Hamilton, Gregor Kirchhof und Andreas Rödder (alle Hrsg.): Zeitenwende. Mohr Siebek, 2022, 59 Euro.

Das Legal Design Buch

Cover Legal Design-BuchDas „Legal Design“-Buch ist laut Wolters Kluwer Deutschland in seiner Art das Erste, das Design und Recht praxisnah vereint und die Vorteile dieser interdisziplinären Arbeitsweise aufzeigt. Es erläutert, was Legal Design ist, wofür es wichtig ist und wie man es in der Praxis anwenden kann. Das Thema Design als Beruf wird intensiv behandelt und auf juristische Fragestellungen übertragen. Mit Hilfe von Legal Design soll für Rechtsanwender die Arbeit vereinfacht werden. Hierbei steht jedoch nicht nur die juristische Denkweise im Fokus. Vielmehr handelt es sich um eine nutzerzentrierte Herangehensweise, die Recht zugänglicher, einfacher und damit nützlicher macht. Dreh- und Angelpunkt sind dabei stets die Rechtsanwender, deren spezielle Bedürfnisse im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen. Mit der Methode Legal Design sollen die Herausforderungen der Digitalisierung in der Rechtsbranche überwunden und die juristische Methodik modernisiert werden. Astrid Kohlmeier, Meera Klemola: Das Legal Design Buch. Wolters Kluwer Deutschland 2021, 69 Euro.

Digitalisierung und Innovation in Kanzleien

Cover Digitalisierung und Innovation in KanzleienDie Arbeit in Wirtschaftskanzleien wird immer digitaler. Rechtsanwälte wie Mandanten schätzen die Erleichterungen durch neue Plattformen, Legal-Tech-Tools und künstliche Intelligenz, die die Arbeit in großen wie in kleinen Projekten unterstützen. Die Pandemie gab den Digitalisierungsprojekten in Kanzleien einen weiteren Schub. Alle Mitarbeiter der meisten Wirtschaftskanzleien arbeiten nun zeitund ortsunabhängig. Neben der notwendigen Hard- und Software sorgen neue Systeme und Workflows für die reibungsfreie Arbeit. An der Schnittstelle zum Mandanten können eine Vielzahl von technischen Lösungen die Zusammenarbeit erleichtern und Legal-Tech-Tools im Projekt oder zur Geschäftsanbahnung eingesetzt werden. Digitalisierung geht Hand in Hand mit Innovation. Sie erfordert von einer Kanzlei ein Um- und Neudenken von tradierten Abläufen und die Weiterentwicklung der Kanzleikultur. Die Arbeit in interdisziplinären Teams und der Mut zu Veränderungen müssen entwickelt und ausprobiert werden. Das vorliegende Buch zeigt wichtige Aspekte von Digitalisierung und Innovation unterschiedlicher Wirtschaftskanzleien und belegt deren Innovationskraft auf dem Weg zur Kanzlei von morgen. Claudia Schieblon (Hrsg.): Digitalisierung und Innovation in Kanzleien. Springer Gabler 2022, 39,99 Euro.

Das letzte Wort hat Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen, Rechtsanwalt und Lyriker

0

Veröffentlichungen hat Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen viele. Er ist zum Beispiel Mitglied des Herausgeberkreises der Zeitschrift „Recht auf Arbeit“. Zudem ist er Verfasser zahlreicher Fachpublikationen. Ende 2021 wurde wieder ein Werk von ihm veröffentlicht. Diesmal allerdings kein Text zu rechtlichen und rechtspolitischen Themen, sondern ein Lyrikband. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Prof. Dr. Heinz-Josef Willemsen, Foto: Dr. Eva Maria von Ohlen
Prof. Dr. Heinz-Josef Willemsen, Foto: Dr. Eva Maria von Ohlen

Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen, geboren 1953, ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Düsseldorf und Honorarprofessor an der Ruhruniversität Bochum. Zudem hielt er Vorträge an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zum deutschen und europäischen Arbeitsrecht. Und er war von 2011 bis 2019 Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltvereins. Bis 2020 beriet er Mandanten für eine internationale Großkanzlei zu hochsensiblen arbeitsrechtlichen Sachverhalten, häufig im Zusammenhang mit Umstrukturierungen, Verschmelzungen und Betriebsübertragungen. Und auch heute noch nimmt er als Einzelanwalt Mandate an. Am 11. März 2022 wurde Heinz Josef Willemsen mit dem Ehrenzeichen der Deutschen Anwaltschaft ausgezeichnet.

Herr Professor Dr. Willemsen, wie kamen Sie als Jurist zur Lyrik, und was fasziniert Sie an der Kunstgattung?
Mein Interesse an der Lyrik ist durch persönliche Lebenserfahrungen entstanden, denen ich in Versform Ausdruck verleihen wollte – zunächst rein privat und ohne irgendwelche Ambitionen, sie zu veröffentlichen. Gereizt und fasziniert hat mich dabei von Anfang an die enorme sprachliche und gedankliche Freiheit, die der Dichter im Unterschied zum juristischen Autor hat.

Welche Schnittmengen gibt es zwischen der juristischen Sprache und der Dichtkunst?
Die Gemeinsamkeiten sind größer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Beides mal geht es darum, mit den Mitteln der Sprache etwas zu bewirken – allerdings auf ganz unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Zielen.

Wie wichtig und relevant ist das sprachliche Ausdrucksvermögen für Juristinnen und Juristen?
Es gehört meines Erachtens zu den Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere, gleich welcher Art, als Jurist oder Juristin. Darum habe ich die Hörerinnen und Hörer meiner Vorlesungen immer motiviert, sich möglichst frühzeitig um ihre rhetorischen Fähigkeiten zu bemühen, wo immer sich die Gelegenheit dazu ergibt, unter anderem durch aktive Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Diskussionsforen. Wer Jurist oder Juristin werden möchte, sollte die Freude an der mündlichen und schriftlichen Gestaltung von Texten mitbringen, weil unter anderem davon der spätere berufliche Erfolg entscheidend abhängt.

Verfolgen Sie ein Ziel mit Ihren Gedichten, wollen Sie Ihren Leserinnen und Lesern etwas mit auf den Weg geben?
Ich würde das bejahen, auch wenn diese Intention keineswegs von Anfang an die Triebfeder für meinen Ausflug in die Welt der Lyrik gewesen ist. Man merkt aber beim Dichten schon, dass man durch prägnant und sprachlich originell formulierte Verse nicht nur bei sich, sondern auch bei anderen etwas in Bewegung setzen kann, nämlich das Nachdenken über Dinge, die uns im Innersten bewegen. Wichtig ist allerdings, dass man die Leser einerseits „an die Hand nimmt“, sie aber andererseits nicht zu belehren oder gar zu bevormunden versucht.

Ihr Gedichtbuch trägt den Titel „Was wirklich zählt“. Was ist es, was tatsächlich zählt?
Bei aller Bedeutsamkeit der beruflichen Entwicklung sind es letztlich doch die persönlichen Beziehungen und Gefühle, die unser Leben maßgeblich prägen und es überhaupt erst lebenswert machen. Ich halte es mit der Aussage der Bibel, wonach die Liebe „die Größte unter allen“ ist. Sie spielt daher auch in meinem Gedichtbuch eine wesentliche Rolle.

 

Buchtipp

Cover was wirklich zähltDas Gedichtbuch.
Heinz Josef Willemsen: Was wirklich zählt. Longinus 2021, 16 Euro