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Interview mit Manfred Volk

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Als Manfred Volk 1979 sein erstes Wasserkraftwerk konstruierte, war er noch Student. Heute gehört seine Wasserkraft Volk AG zu den internationalen Playern der Branche und baut Kraftwerke für Kunden in mehr als 40 Ländern. Im Interview erzählt Manfred Volk seine Unternehmensphilosophie und verrät, welches Basiswissen Ingenieure in seinen Augen mitbringen müssen. Die Fragen stellte André Boße.

Ihr Unternehmen begann 1979 als kleine „Garagenfirma“ im Schwarzwald. Sie waren seinerzeit noch Student. Hatten Sie schon damals den Gründertraum, dass das Unternehmen so stark wachsen und zu einem internationalen Player werden wird?
Es war schon in den Siebzigerjahren klar, dass fossile Brennstoffe endlich sind und die Atomkraft ein enormes Risiko mit einem nicht absehbaren Entsorgungsproblem birgt. Von daher war die positive Zukunft der regenerativen Energien insgesamt – und der Wasserkraft speziell – vorgezeichnet. Dass unser Unternehmen derart erfolgreich werden würde, hat meine Erwartungen aber dennoch übertroffen.

Können Sie sich noch an den Moment erinnern, an dem Sie der „Faszination Wasserkraft“ erlegen sind?
Ja, in Simonswald, einer Kleinstadt im Südschwarzwald, gab es ein ganzes Stadtviertel, das sich mit Wasserkraft versorgt hat. Dass das funktionierte, gab mir letztlich den Impact.

Sie haben früher als Lehrer im Schuldienst gearbeitet. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, mit Ihrem Unternehmen nicht nur Gewinne zu erzielen, sondern den Menschen auch etwas beizubringen – in diesem Fall die Möglichkeiten der Energiequelle Wasser?
Selbstverständlich! Ich habe bereits in frühen Jahren des Unternehmens Wert darauf gelegt, dass wir jungen Menschen einen qualifizierten Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen. Entsprechend haben wir eine Ausbildungsquote von rund zehn Prozent. Was das Umweltbewusstsein betrifft, versuchen wir, durch Führungen und Öffentlichkeitsarbeit die Vorteile der Wasserkraft zu erklären.

Funktioniert das?
Bei den Bürgern gelingt uns das sehr gut, bei den Politikern wünsche ich mir mehr Offenheit – und vor allen Dingen weniger Reden, sondern mehr Taten.

Ihr Unternehmen steht für Innovation – doch Innovation benötigt kluge Köpfe. Wie gelingt es Ihnen, bei Ihren Mitarbeitern das innovative Denken in Gang zu setzen?
Wir haben flache Hierarchien, das hält den internen Meinungs- und Erfahrungsaustausch aufrecht. Eine Besonderheit bei uns ist, dass nahezu alle Mitarbeiter einen Auftrag von Beginn bis zur Auslieferung begleiten. Hierdurch schaffen wir eine hohe Identifikation mit dem Produkt. Die Mitarbeiter kennen die Schnittstellen und sind so in der Lage, immer einen Schritt weiter zu denken. Darüber hinaus analysieren wir laufend die Märkte und sind auch mit Universitäten in regem Kontakt.

Die Ingenieurbranche beklagt einen Mangel an Fachkräften. Fällt es auch Ihnen schwer, für Ihr Unternehmen junge qualifizierte Ingenieure zu finden?
Sicherlich ist es für mittelständische Unternehmen immer schwieriger, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Viele Uni-Absolventen streben in die großen Konzerne, weil dort die Einstiegsgehälter in der Regel höher sind. Dabei übersehen sie den Aspekt, dass mittelständische Unternehmen in der Regel einen breiteren und tieferen Einblick geben können als Großunternehmen mit einer Vielzahl von Abteilungen. Ich halte dies gerade zum Berufseinstieg für extrem wichtig. Wir nutzen diese Einarbeitungsphase zum Beispiel auch dazu, um unseren neuen Mitarbeitern die Firmenphilosophie zu vermitteln

Was sind denn die wichtigsten Einstiegsvoraussetzungen bei Wasserkraft Volk? Gibt es darunter notwendige Qualifikationen, die viele Hochschulabsolventen zunächst einmal gar nicht auf der Agenda haben?
Ein solides Grundwissen sowie ein großes praktisches Verständnis sind für uns wichtige Eigenschaften. Wir möchten weder Theoretiker noch die berühmten „Fachidioten“ einstellen. Uns sind Ingenieure wichtig, die konstruieren können und in der Lage sind, eine Montage – zum Beispiel in einem Schwellen- und Entwicklungsland – in einem kleinen Team erfolgreich durchzuführen. Dazu gehört, auch selbst Hand anzulegen. Die meisten Uni- Absolventen glauben, dass sie mit dem Diplom alles wissen, doch das Gegenteil ist der Fall. Es dauert mindestens eineinhalb bis zwei Jahre, bis bei uns die Ingenieure in der Lage sind, relativ selbstständig Projekte zu betreuen. Dass dies eine gewisse Zeit dauert, unterschätzen viele Neueinsteiger.

Sie sprachen gerade vom soliden Grundwissen als Voraussetzung. Beobachten Sie da bei jungen Ingenieuren Defizite?
Das Basiswissen geht heute durch einen zum Teil irrsinnigen Einsatz von Computern verloren. Daher ist es wichtig, dass ein Ingenieur Dinge abschätzen und prüfen kann – und dies geht mit den alten Handformeln wesentlich schneller und effektiver. Zudem sollte er Skizzen und Zeichnungen von Hand erstellen können. Dies ist für eine erste Auslegung nach wie vor die beste Methode. Leider wird diese Fähigkeit an der Universität heutzutage total vernachlässigt und meist sogar belächelt.

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Welche konkreten Vorteile erleben junge und topausgebildete Ingenieure, die ihre Karriere bei Ihrem Unternehmen beginnen – und nicht in einem großen Konzern?
Wir vermitteln systematisch ein tiefgreifendes Wissen und Know-how für die komplette Anlagentechnik. In den Konzernen beschäftigen sich die Mitarbeiter in der Regel mit einem kleinen Ausschnitt. Was in der nächsten Abteilung geschieht, kann man meist nur erahnen. Bei uns ist dies genau umgekehrt. Unsere Ingenieure lernen das Projekt bereits kennen, wenn wir die ersten Rohdaten erfahren, und sie begleiten es so lange, bis die Anlage schließlich ausgeliefert wird. Das ist eine Besonderheit, die unsere Mitarbeiter sehr schätzen.

Wie wichtig ist für Ihr Unternehmen die regionale Verankerung im Schwarzwald?
Für uns ist diese Verankerung sehr wichtig. Wir sind stolz darauf, Produkte „Made in Germany“ zu bauen und dies in einer der schönsten Regionen Deutschlands zu tun – eine Region übrigens, in der die Wasserkraft eine lange Tradition besitzt.

Wobei ja schon interessant ist, dass viele Unternehmen, die erfolgreich auf Erneuerbare Energien setzen, im Südwesten der Republik ansässig sind. Gibt es – neben der Schönheit der Landschaft – einen Grund für diese Konzentration?
Ich kann mir vorstellen, dass dies mit dem geplanten Bau des Kernkraftwerkes in Wyhl am Kaiserstuhl Mitte der Siebzigerjahre zusammenhängt. Damals hatte sich eine breite Bürgerbewegung gegen die Atomkraft formiert – und viele, die heute ein Unternehmen leiten, gehörten damals zu den Demonstranten. Das prägt bis heute. Hinzu kommt, dass wir vielleicht auch ein wenig sturer sind in unseren Plänen, Dinge gegen den politischen Mainstream durchzusetzen.

Ihr Unternehmen bekommt viele Aufträge aus dem Ausland, aus Ländern wie Chile oder Ost-Timor. Was bieten Sie Ihren internationalen Kunden, was andere Unternehmen aus der Branche nicht bieten?
Zwei Dinge: Qualität „Made in Germany“ sowie das Know-how für „Waterto-Wire“. Wir fertigen mit hoher Qualität und gewährleisten unseren Kunden damit einen störungsfreien und langlebigen Betrieb ihrer Anlage. Dies spricht sich herum. Darüber hinaus fertigen wir vier der fünf Turbinentypen. Das heißt, dass unsere Kunden eine technisch optimal ausgelegte Anlage für ihren Standort bekommen. Weltweit sind wir seit Ende letzten Jahres der einzige Lieferant, der Turbinen, Generatoren sowie Steuer- und Reglertechnik aus einem Haus liefern kann.

Angenommen, Sie haben die Möglichkeit, einen ganzen Tag lang mit jungen Ingenieurabsolventen zu verbringen, die kurz vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen. Was würden Sie mit der Gruppe unternehmen, um dem Nachwuchs Ihre Ingenieurphilosophie näherzubringen?
Ich würde mit ihnen von morgens bis abends hart arbeiten, denn harte Arbeit ist die Grundlage für den beruflichen Erfolg – und zwar sowohl in der Werkstatt als auch im Büro. Nach getaner Arbeit würde ich bei einem guten Glas Wein den Arbeitstag reflektieren und überlegen, wie das Gute besser zu machen ist.

Zum Unternehmen

Das Unternehmen Wasserkraft Volk (WKV) mit Sitz in Gutach im Schwarzwald zählt zu den weltweit führenden Herstellern von kleinen und mittleren Wasserkraftanlagen. Die Firmengeschichte begann 1979 in einer Scheune auf dem Gernhansenhof in Simonswald (Südschwarzwald), wo Manfred Volk noch als Naturwissenschaftsstudent mit dem Bau einer eigenen Wasserturbine begann, um seinen Hof in nachhaltiger Eigenleistung mit Elektrizität zu versorgen. Volk ging nach seinem Studium als Physik- und Chemielehrer in den Schuldienst, doch die Nachfrage nach den von ihm und seinem kleinen Team gebauten Turbinen stieg kontinuierlich. Als die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Firma 1985 mit dem Bau einer Wasserkraftanlage in Peru beauftragte, beendete Volk 1986 seine Beamtenlaufbahn und widmete sich endgültig seinem Unternehmen. Dafür gründete er zunächst eine GmbH, elf Jahre später wurde das Unternehmen 1997 schließlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Volk heute ist. Volk gab seinem Unternehmen mit heute mehr als 100 Mitarbeitern den Leitspruch: „Die Welt und ihre Ressourcen haben wir von unseren Kindern nur geliehen.“

In der mehr als 30-jährigen Unternehmenstätigkeit konstruierte Wasserkraft Volk (WKV) mehrere hundert kleine und mittelgroße Wasserkraftwerke, die in mehr als 40 Ländern in Europa, Süd- und Mittelamerika, Afrika sowie Asien Erneuerbare Energie erzeugen. Dabei übernimmt das Unternehmen die komplette Planung und Herstellung der Wasserkraftwerke und zählt zu den weltweit wenigen Spezialunternehmen, die über das Know-how verfügen, vier der fünf Turbinentypen (Pelton-, Turgo-, Francis- sowie Durchström-Turbine) produzieren zu können. Im Mai 2010 weihte WKV die sogenannte Energiefabrik ein, ein neues Produktionswerk für Spezialgeneratoren auf rund 4000 Quadratmetern.

Interview mit Angela Titzrath-Grimm

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Nach diversen Auslandsaufenthalten in Europa und Übersee – unter anderem als kaufmännische Leiterin eines Produktionswerkes – kam Angela Titzrath-Grimm vor zwei Jahren zurück nach Stuttgart, um „ihrem“ Unternehmen DaimlerChrysler auch nach 16 Jahren weiter treu zu bleiben. Im Interview mit S-taff sprach sie über Einstiegsmöglichkeiten bei DaimlerChrysler sowie Vielfalt und Frauen in der Automobilbranche.

Zur Person

Die Tatsache, dass sie sechs Sprachen spricht, hat Angela Titzrath-Grimm schon weit in der Welt herumgebracht: Nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften und der Romanischen Philologie an den Universitäten Bochum und Perugia (Italien) durchlief sie unterschiedlichste Stationen im DaimlerChrysler-Konzern. Sie arbeitete unter anderem als Assistentin der Geschäftsleitung, als Managing Director und als kaufmännische Werksleiterin und war neben verschiedenen Einsätzen in Deutschland auch international tätig: in Toronto, Rom, New York und Vitoria. Seit 2005 ist Angela Titzrath-Grimm Leiterin des Bereichs Executive Management Development bei DaimlerChrysler in Stuttgart. In dieser Funktion ist sie verantwortlich für die weltweite Führungskräfteentwicklung im Konzern.

Was waren die Gründe dafür, dass Sie sich für einen Beruf in der Männerdomäne Automobil entschieden haben?
Die Frage, ob diese Branche eine Männerdomäne ist, habe ich mir tatsächlich nie gestellt. Mich haben immer an erster Stelle die Aufgaben im Unternehmen gereizt. Schon mein Praktikum während des Studiums bei Mercedes-Benz in Italien hat mich fasziniert. Jedes Unternehmen definiert sich doch maßgeblich über die Menschen, die dort arbeiten. Und ich hatte bei Daimler bisher immer inspirierende Vorgesetzte und herausfordernde Aufgaben, die viel Spaß gemacht haben. Mich begeistern vor allem die Produkte unseres Unternehmens – und ob das Auto ein Mann oder eine Frau konstruiert hat, ist nicht wirklich entscheidend. Hier zählt das Ergebnis, die Qualität, Design und Leistungsfähigkeit.

Wie steht es denn allgemein in der Automobilbranche um Frauen in Managementpositionen?
Wenn wir uns auf dem gesamten Automobil- und Automobilzuliefermarkt umsehen, hat DaimlerChrysler hier sicherlich ein positives Signal gesetzt. Auch wenn wir mit unserem Frauenanteil im Top-Management-Bereich von momentan sechs Prozent noch nicht zufrieden sind. Deshalb ist uns das Thema Förderung von Frauen in Führungspositionen auch sehr wichtig.

Was genau tun Sie für die Förderung von Frauen?
Die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen auf dem Weg ins Top-Management werden durch die Instrumente der Führungskräfteentwicklung intensiv unterstützt. Dafür gibt es ganz viele Beispiele wie unsere Talentförderung im Programm CAReer oder auch spezielle Mentoring-Programme für Frauen, die Förderung von Frauen-Netzwerken, Kinderbetreuung für den Nachwuchs bis zu drei Jahren, flexible Arbeitszeitmodelle … Das alles gehört für uns zum Diversity Management.

Was heißt Diversity Management?
Diversity bedeutet ja zunächst einmal Vielfalt. Durch Diversity Management versuchen wir, die Zusammensetzung unserer Kunden in unserer Mitarbeiter- und Führungsstruktur widerzuspiegeln. Frauenförderung ist ein wichtiger Bereich des Diversity Managements. Zur Vielfalt gehören auch andere Aspekte, zum Beispiel Internationalität und Erfahrungswelten mit einzubeziehen. So integrieren wir beispielsweise Mitarbeiter aus anderen Unternehmen in unseren Konzern. Wir schätzen ihre Erfahrung, ihren Blick von außen. Auch interdisziplinär besetzte Teams, in denen Ingenieure mit Wirtschaftswissenschaftlern und Absolventen anderer Fachrichtungen zusammenarbeiten, gehören zur Vielfalt unseres Unternehmens.

Hat der derzeitige Ingenieurmangel auf dem deutschen Markt die Arbeitsweise oder Personalpolitik Ihres Konzerns beeinflusst?
Die Nachfrage nach qualifizierten Ingenieuren ist derzeit in allen Branchen sehr hoch. Im Großen und Ganzen haben wir aber keine Schwierigkeiten, unsere Stellen mit qualifizierten Nachwuchskräften zu besetzen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir als attraktiver Arbeitgeber gelten. Wenn es sich allerdings um Spezialkenntnisse wie zum Beispiel aus dem Bereich Hybrid handelt, gestaltet sich auch für uns die Suche sehr anspruchsvoll.

Was raten Sie Ingenieuren für ihren Berufseinstieg?
Ingenieuren in der Ausbildung lege ich immer wieder ans Herz, früh den Kontakt mit Unternehmen zu suchen. Denn dann können auch Spezialisierungen früher erfolgen, der Praxisbezug ist stärker. Das ist sehr wichtig. Wir sind bewusst bei vielen Events an Schulen und Hochschulen präsent und bieten den Schülern und Studenten Praktika an oder die Möglichkeit, bei uns Diplom- oder Doktorarbeiten zu schreiben.

Was ist Ihnen persönlich am wichtigsten bei den Absolventen?
Abgesehen von einem guten Studienabschluss, praktischen Erfahrungen und sozialer Kompetenz zählt für mich vor allem die Begeisterung für das Automobilbusiness. Man muss einfach Spaß an den Produkten haben, man muss darauf brennen, sie selber fahren und ausprobieren zu wollen. Für mich ist die Automobilwelt nach wie vor extrem faszinierend: Jeder, der einmal gesehen hat, wie das „erste Mal“ ein neues Fahrzeug vom Band läuft und wie viele gestandene Männer und Frauen dann feuchte Augenwinkel haben, weiß, was ich meine – das ist ein ganz emotionaler Moment. Mir ist auch wichtig, dass jemand Initiative ergreift und motiviert an seine Aufgabe herangeht. Diese Fähigkeit zu Freude und Begeisterung suchen wir bei den Studenten.

Woran mangelt es den meisten Ingenieurbewerbern?
Das Thema Auslandserfahrung haben Ingenieure noch nicht so häufig im Visier. Absolventen anderer Fachrichtungen bewegen sich meist leichter ins Ausland, um ihre in Deutschland erworbenen Fachkenntnisse zu erweitern.

Halten Sie einen MBA für Ingenieure für sinnvoll?
Es kommt darauf an, welchen „Zielbahnhof“ der jeweilige Kandidat hat. Es geht ja nicht um möglichst viel theoretische Ausbildung, sondern darum, seine beruflichen Ziele konkret zu verfolgen. Theoretische Ausbildung, praktische Erfahrungen, sich in einem internationalen Umfeld bewegen können – das sind die Grundvoraussetzungen. Ein MBA kann je nach Richtung, in die der Kandidat sich bewegen will, eine gute Ergänzung sein. Diese Art von Zusatzqualifikation würde ich jedoch, wenn möglich, immer mit dem künftigen Arbeitgeber abstimmen.

Zum Schluss ein Rat für die Praxis: Welche Tipps geben Sie Frauen, die wie Sie in eine Führungsposition kommen wollen?
Sie sollten stets sie selbst bleiben und zu sich selbst als Frau stehen. Das ist das Allerwichtigste. Letztendlich setzt sich Leistung durch.

Zum Unternehmen

DaimlerChrysler mit seinem Zentralfirmensitz in Stuttgart ist eines der international führenden Automobilunternehmen. Weltweit sind rund 360.000 Mitarbeiter für den Konzern tätig, der Konzernumsatz betrug 2006 über 150 Milliarden Euro. Zu den Marken von DaimlerChrysler gehören unter anderem Mercedes-Benz, Maybach, Smart, Freightliner, Sterling, Western Star, Setra und Mitsubishi Fuso. Die Fahrzeuge werden in 17 Ländern produziert und in mehr als 200 Ländern verkauft. 2006 wurden 3,9 Millionen Personenwagen und 842.000 Nutzfahrzeuge abgesetzt.

Interview mit Prof. Dr. Kerstin Thurow

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Ein Blick in die Hörsäle deutscher Hochschulen verrät es: Der Prototyp des deutschen Professors ist mindestens 50 Jahre alt und männlich. Nach jungen Professorinnen hält man dagegen lange Ausschau. Der karriereführer sprach mit Kerstin Thurow, einer der jüngsten Professorinnen Deutschlands. Von Anne Thesing

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. habil. Kerstin Thurow studierte von 1988 bis 1992 in Rostock Chemie. Anschließend promovierte sie sich in München in der Fachrichtung Metallorganische Chemie. 1999 habilitierte sie sich mit nur 29 Jahren in den Ingenieurwissenschaften. Heute arbeitet sie als Universitätsprofessorin für Laborautomation und Direktorin des „Institute of Automation“ an der Universität Rostock.

Frau Prof. Dr. Thurow, 1999 haben Sie sich mit nur 29 Jahren habilitiert. Haben Sie die Habilitation schon im ersten Semester Ihres Studiums geplant?
Nein, meine Planung vollzog sich in Etappen. Zunächst ging es mir darum, mein Studium zu bewältigen. Da mir das keine Probleme bereitete, habe ich mir auch die Promotion zugetraut. Danach habe ich mich für die Habilitation entschieden, um mir für die Zukunft alle Wege offen zu halten. Der frühe Zeitpunkt für eine Professur war allerdings nicht geplant. Ich hätte diesen Zeitpunkt damals eher bei Ende 30 als bei Ende 20 angesetzt.

1992 schlossen Sie nach nur vier Jahren Ihr Chemiestudium erfolgreich ab. Hatten Sie in der Kürze der Zeit nie das Gefühl, das „soziale Studentenleben“ zu verpassen?
Nein, ich hatte nie das Gefühl, etwas zu verpassen. Unter den Studenten gibt es zwei Positionen: Die einen wollen sehr schnell studieren, um möglichst früh im Berufsleben zu stehen. Die anderen legen mehr Wert darauf, die „schöne Studentenzeit“ in vollen Zügen zu genießen. Ich war ein Vertreter des ersten Standpunktes. Aber natürlich ist das soziale Studentenleben nicht spurlos an mir vorüber gezogen. Ich bin wie jeder andere auf Parties und in Kneipen gegangen.

Sind Sie der Meinung, dass die durchschnittlichen Studienzeiten in Deutschland zu lang sind?
Ja – auch wenn ich mich mit dieser Meinung bei einigen Studenten unbeliebt mache. Innerhalb der in Deutschland angesetzten Regelstudienzeiten lässt sich das Studium durchaus bewältigen. Allerdings müssen die Voraussetzungen, beispielsweise für studienbegleitende Praktika, vorhanden sein. An den Universitäten, die ich kennen gelernt habe, war das der Fall. Wenn die äußeren Umstände stimmen, bin ich ein überzeugter Vertreter des amerikanischen Modells. Das heißt: Studiengebühren. Ich bin der Meinung, dass finanzieller Druck die beste Möglichkeit ist, die Studienzeiten zu verkürzen. Über die Höhe und die Möglichkeit, sozial Schwache zu unterstützen, muss natürlich noch geredet werden.

Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrer jetzigen Arbeit als Universitätsprofessorin?
Die Verbindung von Lehre, Forschung und Praxis. Auf der einen Seite bilde ich junge Menschen so aus, dass sie einen guten Job finden können. Auf der anderen Seite arbeite ich eng mit der Industrie zusammen, die mir bestätigt, dass meine Arbeit sinnvoll und gefragt ist. Meine Forschung vollzieht sich nicht in einem abgeschotteten „Wissenschaftlerturm“, sondern wird in der Praxis gebraucht und dankbar aufgenommen. Reine Grundlagenforschung würde mir dagegen nicht gefallen.

Wie nutzen Sie Ihre knapp bemessene Freizeit?
Ich bevorzuge „ruhige“ Beschäftigungen. Besonders gerne lasse ich mir bei Strandspaziergängen den Wind um die Nase wehen. Sehr gerne gehe ich auch ins Theater, höre Musik oder gehe schön essen. All diese Dinge sind für andere vielleicht selbstverständlich. Für mich werden sie nach einem langen Arbeitstag zu etwas Besonderem. Ich habe gelernt, bewusst zu genießen. Sicherlich kommt die Zeit für das Privatleben manchmal zu kurz. Aber die Arbeit macht Spaß, und das ist das Wichtigste. Und da ich im privaten Bereich unterstützt werde, funktioniert es sehr gut.

Der Altersunterschied zu Ihren Studenten ist sehr gering. Wie reagieren die Studenten auf eine so junge Professorin?
In der Anfangszeit hielten mich viele für eine neue Kommilitonin. Die Verwunderung war groß, wenn ich mich zu Beginn der Vorlesung nicht zu ihnen gesetzt habe, sondern nach vorne gegangen bin. Aber es gab keinerlei Autoritätsprobleme. Ich habe gezeigt, dass ich mein Fach beherrsche und das Wissen vermitteln kann – so konnte ich mich problemlos durchsetzen.

Der Altersunterschied zu den anderen Professoren ist dagegen verhältnismäßig groß – zudem sind die meisten männlich. Wie ist das Verhältnis zu Ihren Kollegen?
Ich habe großes Glück gehabt. An meinem Institut herrscht ein sehr angenehmes Arbeitsklima. Geschlecht und Alter spielen hier überhaupt keine Rolle. Natürlich wird bei jungen Leuten, die neue Ideen haben, zweimal hingesehen. Ab und an fällt auch der berühmte Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht, und es hat sich bewährt.“ Aber man lässt mich gewähren. Wenn ich mit neuen Vorschlägen Erfolg habe, sind auch meine Kollegen zufrieden und stolz.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: In den nächsten zehn Jahren wird fast die Hälfte der deutschen Professoren aus Altersgründen ausscheiden. Entsprechender Nachwuchs ist nicht in Sicht. Viele Wissenschaftler ziehen das Ausland oder die freie Wirtschaft vor. Wie können die Hochschulen als Arbeitgeber für Nachwuchswissenschaftler attraktiver werden?
Die Hochschulen müssen den jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, selbstständig zu arbeiten. Wer das Gefühl hat, trotz guter Ideen permanent gebremst zu werden, sucht sich ein anderes System, in dem er seine Ideen verwirklichen kann.
Ein weiterer Aspekt ist leider die Bezahlung. In Deutschland wird man nach dem Alter bezahlt. Junge Wissenschaftler bekommen wesentlich weniger Geld, selbst wenn sie Top-Fachkräfte sind. Leistung wird nicht belohnt. In Amerika kann man dagegen anhand der Drittmittel das eigene Gehalt aufstocken. Glücklicherweise gibt es mittlerweile Ansätze, auch das deutsche Gehaltssystem zu reformieren.

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, in die freie Wirtschaft zu wechseln?
Nein, denn ich beschränke mich nicht auf meine Professorentätigkeit. Ich habe ein privates Forschungsinstitut – das Institut für Mess- und Sensorsysteme – mit aufgebaut. Mittlerweile sind daraus zwei kleine Firmen hervorgegangen. Diese führe ich nebenbei weiter mit. Die Professorenstelle habe ich unter der Voraussetzung angenommen, diese beiden Tätigkeiten kombinieren zu können. Angebote aus der Industrie hatte ich auch, aber zurzeit reizt mich das nicht. Der einzige Grund, in die freie Wirtschaft zu gehen, wäre finanzieller Art – und dieser Grund ist für mich im Moment nicht maßgeblich.

Welchen Tipp geben Sie Studenten, die eine Universitätsprofessur anstreben, mit auf den Weg?
Sehr schnell studieren, zielstrebig sein, hartnäckig sein. Das Wichtigste ist die Schnelligkeit. Wenn Sie mit 25 Jahren Ihr Diplom in der Tasche haben und mit 27 oder 28 Jahren promoviert sind, stehen Ihnen in Deutschland sämtliche Türen offen. Darüber hinaus muss man hart gegen sich selbst sein. Jeder kennt Gedanken wie „Ach, heute geht es mir nicht gut“ oder „Heute kann ich eigentlich nicht“. Diese innere Barriere gilt es zu überwinden. Aber auch gegen äußere Widerstände sollte man gewappnet sein und hartnäckig an seinem Ziel festhalten. Sobald ich von außen irgendwelche Einwände oder Zweifel gespürt habe, hat mich das umso mehr motiviert. Ganz nach dem Motto „Jetzt erst recht!“

Interview mit Jürgen R. Thumann

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Jürgen R. Thumann ist seit seinem 20. Lebensjahr Unternehmer und lenkt noch heute die Geschicke der Heitkamp&Thumann-Gruppe. Als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie vertritt er die Interessen von über 100.000 Unternehmen. Im karriereführer spricht er über die Bedeutung des Mittelstands. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person

Jürgen R. Thumann wurde am 17. August 1941 in Schwelm/Westfalen geboren. 1960 schloss er die Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab. Er übernahm die Thumann Stahl-Service Center in Schwelm als persönlich haftender Gesellschafter und baute das Familienunternehmen aus. 1978 wurde die Heitkamp&Thumann-Gruppe in Düsseldorf gegründet. Thumann trat als persönlich haftender Gesellschafter der Holding ein. Heitkamp&Thumann ist eine Gruppe mittelständischer Unternehmen in der Metalle und Kunststoffe verarbeitenden Industrie mit etwa 2300 Mitarbeitern an 16 Standorten in Europa, Asien und Amerika. 1998 trat Thumann aus der Heitkamp&Thumann-Gruppe als persönlich haftender Gesellschafter aus und hat seitdem den Vorsitz im strategischen Lenkungsausschuss inne. Seit Januar 2005 ist er Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI).

Herr Thumann, was verstehen Sie unter Mittelstand?
Charakteristisch für den industriellen Mittelstand in Deutschland ist, dass Eigentum und Leitung in einer Hand liegen. Es besteht also eine enge Verbindung von wirtschaftlicher Existenz und Leitung des Unternehmens. Ihr langfristiges Engagement, ihre Verbundenheit mit ihren Mitarbeitern und ihre Verwurzelung im regionalen und gesellschaftlichen Umfeld machen mittelständische Unternehmer zu Botschaftern und Garanten der sozialen Marktwirtschaft. Mittelstand in Deutschland ist eben mehr als eine rein rechnerische Größe.

Welche Bedeutung haben mittelständische Unternehmen für die deutsche Industrie?
Die Bedeutung des industriellen Mittelstands wird in der Regel unterschätzt. Dabei sind 98 Prozent aller Industrieunternehmen in Deutschland Mittelständler. Diese Unternehmen produzieren etwa ein Drittel der Bruttowertschöpfung der gesamten Industrie. Nachhaltiges Denken und solides Wirtschaften haben in Bereichen des industriellen Mittelstands viele „Hidden Champions“ hervorgebracht, die auf den Weltmärkten eine führende Rolle spielen. Dies ist ein Markenzeichen des Industriestandorts Deutschland.

Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?
Der gesamte Mittelstand stellt etwa 70 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und rund 80 Prozent der Ausbildungsplätze zur Verfügung. Der Mittelstand ist darüber hinaus Jobmotor der deutschen Wirtschaft. Ein Beispiel: Zwischen 2003 und 2005 stieg die Beschäftigtenzahl bei den 500 größten deutschen Familienunternehmen weltweit um insgesamt 13 Prozent, in Deutschland allein um fast zehn Prozent. Die inländische Beschäftigung aller Unternehmen in Deutschland wuchs dagegen im gleichen Zeitraum nur um drei Prozent. Neue Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn zeigen zudem, dass der Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in den letzten beiden Jahren in allererster Linie auf den Mittelstand zurückzuführen ist. Rund 80 Prozent der neuen Jobs sind im Mittelstand entstanden.

Was ist das Besondere an mittelständischen Arbeitgebern?
Unternehmergeist, persönliche Verantwortung, Bindung an die Mitarbeiter und ein persönlicher Führungsstil kennzeichnen mittelständische Unternehmen und machen sie zum Vorbild auch für Großunternehmen. Viele versuchen, diese Stärken auf ihr Unternehmen zu übertragen und sich eine Corporate Identity zu geben. In der Diskussion über Corporate Social Responsibility sind Familienunternehmen Vorbild.

Inwieweit vertreten Sie als Präsident des BDI mittelständische Unternehmen?
98 Prozent der vom BDI vertretenen Unternehmen sind Mittelständler. Der industrielle Mittelstand bildet im Hinblick auf Beschäftigung und technischen Fortschritt das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“. Daraus erklärt sich auch das besondere Engagement des BDI für Themen wie Besteuerung von Personenunternehmen, Erbschaftssteuer, aber auch Bürokratieabbau und mittelstandsgerechte Forschungsförderung. Mit der im letzten Jahr eingeführten Forschungsprämie, für die sich der BDI stark gemacht hat, ist es gelungen, Wissenschaft und Unternehmen enger zu vernetzen. Im Zeichen von Internationalisierung und Globalisierung ist es wichtig, dass wir die Unternehmen in die wachsenden internationalen Märkte fachlich und politisch begleiten.

Sie stammen aus einer Unternehmerfamilie. Mit 19 Jahren bereits haben Sie die Thumann Stahl Service Center in Schwelm übernommen. Man kann Sie als Unternehmer durch und durch bezeichnen. Auch als Mittelständler?
Mittelstand ist für mich eine Frage der Geisteshaltung und der Eigentumsverhältnisse. So ist es auch in meinem Unternehmen. Dort habe ich zwar die Geschäftsführung in die Hände Jüngerer gelegt, bin aber als Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Heitkamp&Thumann-Gruppe noch immer in die wichtigen Entscheidungsprozesse des Unternehmens eingebunden.

Welche Arbeitskräfte suchen Sie als mittelständischer Arbeitgeber?
Wir suchen vor allem Mitarbeiter mit technischen Berufsausbildungen sowie Ingenieure.

Sehen Sie als BDI-Präsident und als Unternehmer einen Fachkräftemangel in Deutschland?
Im letzten Jahr konnten 48.000 Ingenieursstellen nicht besetzt werden. Unsere Volkswirtschaft verliert dadurch pro Jahr mindestens 3,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Das sind Alarmsignale, die wir ernst nehmen müssen.

Wie könnte das behoben werden? Und welche Rolle spielt dabei der Mittelstand?
Dem Fachkräftemangel in den technischen Berufen können wir nur dadurch begegnen, dass wir das Interesse für die sogenannten MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – wecken. Mit Blick auf die demografische Entwicklung und auf den aktuellen Engpass sollten wir auch hoch qualifizierte Menschen aus außereuropäischen Ländern gewinnen und nicht unüberwindbare Hürden errichten. Wir setzen bei Heitkamp&Thumann auf eine überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Unser aktuelles BDI-Mittelstandspanel hat übrigens gezeigt, dass der Mittelstand generell auf die Stärkung von Bildung und Ausbildung setzt, um auf den Fachkräftemangel zu reagieren. Die Öffnung der Arbeitsmärkte für ausländische Arbeitnehmer ist also nicht die wichtigste Option.

Wie sehen Sie die Karrierechancen von Hochschulabsolventen in mittelständischen Unternehmen?
Die überschaubare Größe und die flachen Hierarchien in mittelständischen Unternehmen führen dazu, dass Hochschulabsolventen sehr schnell Verantwortung übernehmen müssen. Es herrscht häufig das Prinzip „learning by doing“. Hierzu gibt es viele gute Beispiele aus meinem Unternehmen. Es ist leider noch viel zu wenig bekannt, dass gerade auch der industrielle Mittelstand ein interessanter Arbeitgeber sein kann. Dies müssen die mittelständischen Unternehmen noch stärker kommunizieren und herausstellen.

Zum Unternehmen

Der BDI ist die Spitzenorganisation im Bereich der Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister in Deutschland. Als Interessenvertretung der Industrie trägt der BDI bei seinen Mitgliedern zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung bei. Der BDI unterstützt so die Unternehmen im intensiven Wettbewerb, den die Globalisierung mit sich bringt.

Mit seinen 38 Mitgliedsverbänden vertritt er die Interessen von mehr als 100.000 Unternehmen mit über acht Millionen Beschäftigten.

Als Verband von Verbänden sind im BDI entsprechend seiner Satzung „Wirtschaftsverbände und Arbeitsgemeinschaften der Industrie“ organisiert, „die Spitzenvertretung einer gesamten Industriegruppe für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind“. Der BDI hat die Rechtsform des eingetragenen Vereins.

Gerd Tenzer

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Gerd Tenzer ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG und seit Anfang 2003 auch stellvertretender Präsident des VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.. Er kennt die entscheidenden Momente, die für eine Karriere förderlich sind und setzt seine Erfahrungen bei der Nachwuchsförderung des VDE in die Tat um. von Gerd Tenzer

Zur Person

Dipl.-Ing. Gerd Tenzer (59) war nach dem Studium der Nachrichtentechnik an der Technischen Hochschule Aachen von 1968 bis 1970 im Forschungsinstitut der AEG-Telefunken in Ulm tätig. 1970 wechselte er zur Deutschen Bundespost und 1975 in das Bundesministerium für Post und Telekommunikation. Dort übernahm er 1980 die Leitung des Referats für Fernmeldepolitik. Seit 1990 gehört Tenzer dem Vorstand der Deutschen Telekom AG an und ist dort für die Bereiche Konzernsteuerung „Technik und Plattformen“, Breitbandkabel, das Innovationsmanagement, den Einkauf und den Umweltschutz verantwortlich. Am 16. Juli 2002 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Telekom ernannt.

Wenn ich auf die Anfänge meines beruflichen Werdegangs zurückblicke, denke ich an den Traumberuf meiner Kindheit. Er war damals nicht ganz untypisch für Jungen: Lokomotivführer. Natürlich haben sich meine Vorlieben in der Jugend verändert. Aber das Interesse an der Technik blieb. Ausschlaggebend für meine Studien- und Berufswahl wurde der Wunsch, Ingenieur zu werden. Mit meiner künftigen Berufswelt kam ich bereits während meines halbjährigen Praktikums vor Studienbeginn in Berührung. Dass ich auch in den Semesterferien „gejobbt“ habe und damit immer eine gewisse Praxisnähe halten konnte, war eine wichtige Erfahrung für meinen späteren Berufsweg.

Karrierestationen
Nach dem Studium begann ich dann zunächst in der Forschung von AEG-Telefunken. Aber nach kurzer Zeit merkte ich, dass diese Aufgabe nicht das war, was ich wirklich wollte. Deshalb wechselte ich schon nach zwei Jahren zur Deutschen Bundespost (DBP). Mein damaliges Karriereziel war die Leitung einer Niederlassung. Dass ich einmal in den Vorstand der Telekom AG berufen werden würde – daran war damals freilich noch nicht zu denken. Die „Dreiteilung“ der Deutschen Bundespost erwies sich dann aber als eine wichtige Station auf meinem Karriereweg. Ich konnte im Rahmen meiner Aufgaben als Referatsleiter für Fernmeldepolitik intensiv an der Neuordnung der DBP mitwirken und wurde mit Gründung der Deutschen Bundespost Telekom vom damaligen Postminister Schwarz-Schilling zum Vorstand berufen.

Mein beruflicher Werdegang zeigt unter anderem, dass mir nicht nur die Technik selbst, sondern auch der Kontext, das heißt die Rahmenbedingungen von Technik wichtig waren und sind. Und die wollte ich verbessern.

Ehrenamtliches Engagement
Insofern war auch mein ehrenamtliches Engagement beim VDE immer eine Selbstverständlichkeit für mich. Der VDE ist die Plattform für die Schlüsseltechnologien Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Er beeinflusst die bildungs- und technologiepolitischen Weichenstellungen in unserer Gesellschaft und Wirtschaft und stärkt die Technikakzeptanz in der Öffentlichkeit. Und nicht zuletzt: der VDE hilft bei der beruflichen Orientierung – eine wichtige Aufgabe. Denn ob man einen Berufsweg erfolgreich beschreitet, hängt aus meiner Sicht in starkem Maß auch davon ab, ob die Tätigkeit den eigenen Neigungen entspricht. Deshalb sollte man seine Vorlieben und die Anforderungen genau kennen lernen. Man braucht Informationen, Einsicht in die Praxis und auch Anerkennung für Geleistetes. Entsprechend vielfältig sind die VDE-Aktivitäten zur Nachwuchsförderung. Es gibt eine Reihe von Initiativen, Aktionen und Preisen, so zum Beispiel den VDE-Preis Mikroelektronik zu „Jugend forscht“ oder aktuell die Initiative „Invent a chip“. Außerdem fördert der Verband den Informationsaustausch zwischen interessierten Jugendlichen und Experten u.a. über das sog. VDE YoungNet oder über VDE-Botschafter an Schulen.

Karriereziele
Klarheit über seine Fähigkeiten, Interessen und Ziele sowie eine möglichst breite Entscheidungsbasis schaffen – das ist der Rat, den ich jungen Berufseinsteigern mit auf den Weg geben möchte. Es ist wichtig, dass man sich schon während seiner Ausbildung klar darüber wird, welche Schwerpunkte man in seinem späteren Berufsleben setzen will. Diese Standortbestimmung wird um so leichter, je häufiger man persönliche Erfahrungen in verschieden Arbeitsfeldern sammelt.

Planbar ist eine Karriere meiner Meinung nach aber nicht. Denn Karriere definiere ich als Erfüllung der persönlichen Berufsvorstellungen. „Karriere-Besessenheit“ ist für mich dagegen das Karriere-Unwort schlechthin. Die persönlichen Berufsvorstellungen sollten die Karriere leiten, nicht umgekehrt. Ob man dann tatsächlich seine Vorstellungen realisieren kann – das ist allerdings von vielen Faktoren abhängig. Es kommt darauf an, im richtigen Augenblick Verantwortung zu übernehmen und die neue Aufgabe dann zielgerichtet und erfolgreich anzugehen. Ganz im Sinne des Mottos: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem. – Was immer du tust, stelle es klug an und bedenke das Ende.

Nicholas R. Teller

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Die Führungsetagen deutscher Großbanken sind international besetzt. Auslandserfahrung ist mittlerweile obligatorisch. Wie sehen die Bildungs- und Karrierestationen auf dem Weg in das Topmanagement aus? Der karriereführer nahm Nicholas R. Teller, Regionalvorstand Nord der Commerzbank AG, unter die Lupe. von Antje Krause

Frankfurt, Commerzbank-Tower, 46. Etage. Die Aussicht ist beeindruckend und lädt zum Sinnieren ein. Wenn Zeit dafür bliebe. „Das Bild des Bankers, das noch in manchen Köpfen schwirrt“, so Nicholas Teller, „ist längst nicht mehr Realität. Das ‚Frühstücksdirektorium‘, das sich einst in getäfelten Hallen einfand, um in Ruhe die Post zu sichten, ist ausgestorben. Die Arbeit als Vorstandsmitglied ist heute vor allem eins: ein anspruchsvoller und zeitraubender Job, den Sie nur mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit erfolgreich bewältigen können.“ – Sprach’s und legt sein Jackett beiseite.

Von Ort zu Ort
Ein Blick in den Arbeitsalltag des zweifachen Familienvaters lässt erst gar keine Zweifel aufkommen. Nicholas Teller, der das Firmenkundengeschäft von Frankfurt ab gen Norden einschließlich Skandinavien steuert, ist viel unterwegs. „Mein Lebensmittelpunkt und Dienstsitz ist Hamburg. Dort arbeite ich aber nur ein bis zwei Tage pro Woche. Hauptsächlich besuche ich die Filialen in der Region und unterstütze sie bei der Bewältigung von Problemen. Zu meinen Aufgaben gehört allerdings in erster Linie, die Bank in den Unternehmen auf höherer Ebene zu repräsentieren und mindestens einmal wöchentlich habe ich Sitzungen in der Frankfurter Zentrale. Zwangsläufig muss ich viel pendeln. Da ich eine Familie habe, die ich gerne sehe, ist mir das lieber als Übernachtungen in fremden Hotelbetten. Ich möchte meine Kinder zumindest abends noch ins Bett bringen können und nehme dafür gerne in Kauf, morgens den 6 Uhr 20-Flieger in die Finanzwelt zu nehmen.“

Mit Überzeugungskraft zur Kreativität
Naheliegend also, dass klare Prioritäten und diszipliniertes Zeitmanagement notwendige Anti-Stress-Instrumente sind. Gut organisiert zu sein ist das eine, Erfolg auch wirklich zu wollen das andere. Ohne Überzeugungskraft geht nichts. „Sie müssen die Leute mitreißen“, so Nicholas Teller. „Teamspirit zu erzeugen und damit das Bewusstsein, gemeinsam etwas bewegen zu können und Spaß daran zu haben, ist von zentraler Bedeutung. Nur so lässt sich Kreativität freisetzen, um Problemlösungen zu finden. Dabei ist sicherlich auch entscheidend, dass ich in die Welt der Inlandsbank ein Stück Internationalität hineinbringe.“

Zu Hause auf internationalem Parkett
Internationalität ist in der Biografie des 42-jährigen Briten fest verankert. In London geboren, kommt er im frühen Kindesalter mit seiner Familie nach Deutschland, besucht in Düsseldorf zunächst die britische Volksschule, dann ein deutsches Gymnasium. Nach dem Abitur zieht es ihn zurück nach England. Er entscheidet sich für ein BWL-Studium in Birmingham. „Ich wollte in England studieren, weil mir das Studium in Deutschland viel zu lange dauert. Hier wird viel mehr Fachwissen im Detail vermittelt, während das Studium in England genereller angelegt ist. Der Hochschulabschluss hat dort eher den Stellenwert eines hervorragenden Leistungsnachweises. Arbeitsspezifisches Know-how erwirbt man anschließend on the job.“ Teller steigt mit einem Traineeprogramm in die Commerzbank ein – ein Jahr in der Londoner Filiale, ein Jahr in Deutschland. Auf internationalem Parkett geht es weiter. Nach eineinhalb Jahren steigt der Junior in London zum Senior Manager auf, wechselt dann 1994 als Geschäftsführer in die Filiale Prag.

Anders denken
Neben dem „Businessbrain“ als unabdingbare Voraussetzung für eine Bankkarriere sind es vor allem aktive Sprachkenntnisse und die Auseinandersetzung mit anderen Denkweisen, die der Großbanker als wertvolle Erfahrungen mit Rückkopplungseffekt betrachtet: „Sprache hat mir ermöglicht, in ein internationales Financial Center vorzudringen und mir dort einen Hintergrund anzueignen, der auch für den Heimatmarkt unserer Banken enorm wichtig ist. Ich bringe eine Sichtweise mit, die hilft, den Horizont zu erweitern, anders vielleicht als dies bei jemandem der Fall ist, der Zeit seines Lebens ausschließlich in Deutschland gelebt und gearbeitet hat.“

Gelassenheit durch Freiräume
Dass Horizonterweiterung mehr ist als die Summe internationaler Marktkenntnisse, macht Teller unverblümt klar. „Wenn sich Ihr Interessensgebiet nur auf die Bank bezieht, werden Sie nicht nur unzufrieden, sondern auch als Ansprechpartner uninteressant. Es ist enorm wichtig, sich bei allen Verpflichtungen persönliche Freiräume zu schaffen.“ Zeitaufwändige Hobbys wie das Fliegen hat der Banker mit Pilotschein zwar vorerst auf Eis gelegt, nicht aber seine Leidenschaft für Literatur. „Lesen hält mich nicht nur à jour über Themen, die in meiner alten Welt UK und meiner neuen Welt Deutschland stattfinden. Es hilft mir auch, meinen Job so gelassen und humorvoll zu nehmen, wie es geht. Der Ernst der Sache ist für mich prinzipiell nie anzweifelbar, aber ohne Humor könnte ich den Job nicht machen.“

Interview mit Dr. Gerhard Strate

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Als Strafverteidiger ist Dr. Gerhard Strate über Hamburg hinaus als streitbarer Anwalt bekannter Mandanten prominent geworden. Mit dem karriereführer sprach er über seine Ansichten und Erfahrungen. von Martin Rath

Zur Person

Die Kanzlei „Strate und Ventzke“ besteht seit 1985, nachdem zuvor Gerhard Strate seit 1979 allein ein Anwaltsbüro betrieben hatte. Die Würde eines Doctor honoris causa wurde Gerhard Strate im November 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock verliehen.

Ich las, dass Sie die Nachricht von der Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall Monika Weimar in Südafrika erhielten. Haben Sie berufliche Kontakte zu Südafrika?
In Südafrika war ich aufgrund des Auslieferungsverlangens gegen einen Mandanten, der dort eine Heimstatt gefunden hatte. Natürlich kenne ich eine Reihe von Anwälten in Südafrika. Meine beruflichen Kontakte dauern noch an.

Bei Wirtschaftsanwälten wird eine internationale Ausrichtung oft vorausgesetzt, in den Stellenanzeigen der Law Firms heißt es immer wieder, dass bereits der Nachwuchs Erfahrungen im Ausland gesammelt haben soll. Gilt das auch für eine Tätigkeit im Strafrecht?
Ich gehöre zwar zu keiner Law Firm, aber in diesem Punkt haben sie wirklich Recht. Sich mit dem Strafrecht und dem Strafprozessrecht in anderen Ländern zu beschäftigen, vermittelt viele gute Ideen für die eigene Praxis hier zu Lande. Ich habe mich beispielsweise mit der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zu den Beweisverwertungsverboten beschäftigt und darüber zusammen mit meinem Kollegen Klaus Ulrich Ventzke einen Aufsatz veröffentlicht. Das hatte dann bemerkenswerterweise fünf Jahre später auch Auswirkungen auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Bis dahin galt eine Verletzung des Paragrafen 136 Strafprozessordnung, der unter anderem vorschreibt, dass dem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung eröffnet werden muss, jederzeit einen Anwalt konsultieren zu dürfen, als schlichte Verletzung einer Ordnungsvorschrift, die nicht revisibel ist.

Welche Station Ihres Bildungswegs ist für Ihre heutige Tätigkeit von besonderem Gewicht?
Von 1975 bis 1979 war ich für das Max- Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg tätig. Das hatte zwar nichts mit Strafrecht zu tun, war aber eine ausgezeichnete Schule wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens. Das ist wirklich ein tolles Institut – und es verfügt über die eindrucksvollste juristische Bibliothek, die ich jemals gesehen habe.

Der juristische Ausbildungsbetrieb ist als Massenstudium verschrien. Haben Sie dennoch markante Charaktere kennengelernt?
Besonders eindrucksvoll für mich war Karl August Bettermann, Zivilprozessualist und Staatsrechtler, Hochschullehrer in Hamburg. Politisch war er höchst konservativ, jedoch von großem Scharfsinn, und ein glänzender Formulierer.

Gibt es Juristen – tot oder lebendig –, die Sie bewundern?
Ja, Adolf Arndt, den „Kronjuristen“ der SPD in den 1950er- und 1960er-Jahren. Seine Kolumnen in der NJW unter der Überschrift „Umwelt und Recht“ sind auch heute noch lesenswert.

Unter welchen Umständen kann man einem Hochschulabsolventen empfehlen, sich auf das Strafrecht zu spezialisieren?
Ein hohes Maß an Leidensfähigkeit und Durchsetzungswille ist erforderlich. Die eine Eigenschaft braucht man, um das Unrecht, das die Mandanten begangen haben, aber auch das Unrecht, das ihnen die Justiz zufügt, ertragen zu können. Die andere, um sich gegen die Machtansprüche der Strafjustiz, die häufig wenig mit Rechtsanwendung zu tun haben, behaupten zu können.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Berufsanfänger ausschließlich mit strafrechtlichen Mandaten „ihre Brötchen“ verdienen?
Das geht. Wer ein Mandat gut abwickelt, erhält auch heute noch fünf andere. Empfehlenswert ist es, die Spezialisierung im Strafrecht anfangs noch mit einer anderen zu verbinden, beispielsweise mit dem Ausländerrecht.

Wie gut ist die Bevölkerung mit qualifizierten Strafverteidigern versorgt?
Es trifft natürlich zu, dass im Strafrecht wie auch in anderen Rechtsgebieten mehr Kollegen tätig sind als zu den Zeiten meines Berufsanfangs: Heute sind es drei Mal so viele. Aber ich glaube schon, dass es noch genug zu tun gibt, weil sich ja auch das Strafrecht sehr ausgeweitet hat. Heute wird jeder kleinste Verstoß gegen eine umweltrechtliche Norm mit einer Strafandrohung versehen. Früher hätte man das Problem verwaltungsrechtlich geordnet. Von Anwaltschwemme würde ich nie reden. Ich finde es ganz schlimm, dass eine unserer Standesorganisationen, der Deutsche Anwaltverein, es zur Zeit tut.

Stimmt das Film-Klischee vom überforderten Pflichtverteidiger?
Das trifft partiell zu, aber es hat immer Kollegen gegeben, die ihr Geld damit verdienen, dass sie Kassiber aus dem Knast herausschmuggeln und sich im Übrigen mit Pflichtverteidigungen über Wasser halten. Aber generell: Jeder Kollege, der jung anfängt, beginnt auch mit Pflichtverteidigungen. Das ist absolut nichts Anstößiges, wenn man sie gut macht, kommt man auch an gute Anschlussmandate.

Werden Pflichtverteidiger an die Hand genommen, ähnlich wie bei den „Selbsthilfegruppen“ der Schöffen?
Nicht dass ich wüsste. Es hat früher Listen gegeben – ich weiß nicht, ob das heute noch so gemacht wird –, in die man sich eintragen konnte, wenn man Mandate übernehmen wollte. Es gibt aber sicherlich Vorlieben oder Bekanntschaften aus der Studienzeit, in denen der eine inzwischen Amtsrichter, der andere Rechtsanwalt geworden ist. Dass man sich seiner erinnert, das ist völlig klar. Hier in Hamburg haben wir den anwaltlichen Notdienst, der stark von jungen Kollegen bedient wird – rund um die Uhr. Dadurch ist es vielen Anwälten möglich, sozusagen hautnah und in flagranti an neue Mandate zu kommen. Das wird hier in Hamburg von der Polizei sehr korrekt gehandhabt: Sie weist die Beschuldigten fast immer darauf hin, dass sie die Möglichkeit haben, einen Anwalt zu konsultieren und den anwaltlichen Notdienst anzurufen.

Sind Sie ausschließlich im Strafrecht tätig?
Ja, heutzutage greift das Strafrecht allerdings in viele andere Rechtsgebiete hinein, vor allem ins Gesellschafts-, Steuer- und Umweltrecht. Ein gediegenes Halbwissen in anderen Rechtsgebieten ist die notwendige Begleiterscheinung. Daneben ist auch das Verfassungsrecht ein wichtiges und wiederholtes Betätigungsfeld.

Hätten Sie es sich jemals vorstellen können, Staatsanwalt zu werden?
Nein. Nie. Eher schon Kriminalbeamter.

Wie forensisch ist die Tätigkeit eines Strafverteidigers in den Zeiten des Strafbefehls überhaupt noch?
Ein Strafverteidiger, der nicht forensisch, sondern nur beratend tätig ist, vermag den „worst case“ und dessen Bewältigung selten richtig einschätzen. Ich verkenne allerdings nicht, dass manche Kollegen sich gerne „präventiver“ Beratungstätigkeit rühmen. Wenn Sie nur das tun, dürfte ihre Urteilskraft allerdings schnell Schaden nehmen.

Was verstehen Sie unter „präventiver Beratungstätigkeit“?
Das ist so ein neumodischer Begriff, den ich kürzlich hörte. Gemeint sind Kollegen, die Wert darauf legen, dass sie auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert sind und das entsprechend auf ihre Visitenkarten drucken lassen. Das soll natürlich bedeuten: Verschone uns bitte mit irgendwelchen schwierigen Mord- und Totschlagsverfahren, denn bei Wirtschaftsstrafverfahren kann man einfach mehr verdienen. Diese Einstellung halte ich für gefährlich. Denn auch als Wirtschaftsstrafverteidiger ist man nur dann gut, wenn man das prozessuale Handwerk aus dem Effeff beherrscht – und das lernt man nur in einer ordentlichen Schwurgerichtsverhandlung.

Im Prozess gegen Alexander Falk gehen Sie öffentlich sehr offensiv mit Befangenheitsanträgen um. Sind die Tage vorbei, in denen das im Ruch der Standeswidrigkeit stand?
Die Strafjustiz ist in manchen Fällen so verrannt und ignorant, dass man ihr nicht immer vornehm begegnen kann. Kollegen, die der Konfrontation ausweichen, haben schon verloren, bevor das Urteil gesprochen ist.

Was war das kniffeligste juristische Problem, mit dem Sie zu tun hatten?
Die zweimalige und erfolgreiche Verfassungsbeschwerde für einen fränkischen Bauern, der seiner Bäuerin mit einem gefrorenen Stück Fleisch aus der Tiefkühltruhe auf den Hinterkopf geschlagen haben soll. Die starrsinnige Verweigerung eines Wiederaufnahmeverfahrens durch die Würzburger Justiz musste als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot präsentiert werden. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass auch in einem Wiederaufnahmeverfahren das Prinzip der Wahrheitsermittlung gilt. Das ist vorher noch nie so gesagt worden, obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Bis dahin war die Einstellung der Gerichte in Wiederaufnahmeverfahren, dass es im Zweifel gegen den Verurteilten geht.

Sie standen selbst einmal unter Anklage. Möchten Sie erzählen, worum es dabei ging?
Damals war ich Student. Es ging um den Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchte Gefangenenbefreiung. Das Verfahren wurde schließlich in der vierten Instanz eingestellt. Der Vorwurf trifft allerdings auch heute noch zu.

Was halten Sie von Selbsterfahrungsexperimenten, bei denen sich Juristen zeitweilig freiwillig ins Gefängnis sperren lassen?
Ich finde das Unsinn.

Ein Juraprofessor aus Berlin behauptet, Strafvollzug gleiche dem Versuch, erwachsene Menschen ins Kindergartenalter zurückzuversetzen. Ihr Kommentar?
Er wird sich etwas dabei gedacht haben.

Sie waren in jungen Jahren Mitglied im „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“. Bei vielen – inzwischen – etablierten Politikern hat man den Eindruck, dass die alten Netzwerke aus den Zeiten linksradikaler Kleingruppen immer noch funktionieren. Pflegen Sie noch alte Verbindungen?
Nein. Ich wurde aus dieser Gruppierung ausgeschlossen wegen Rechtsopportunismus und „Versöhnlertum“. Danach bin ich eigene Wege gegangen.

Ulrich Wickert beantwortet auf der letzten Seite unseres Heftes die Frage, von welchem Juristen er sich vor dem Jüngsten Gericht verteidigen lassen würde: Heribert Faßbender, Alfred Biolek oder Gerhard Schröder. Was würden Sie ihm raten?
Gerhard Schröder.

Nachgefragt

Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Beruf weit ab von einer juristischen Tätigkeit, welcher wäre das?
Pilot.

Was wollten Sie am Start Ihres Berufslebens?
Stets gute Arbeit leisten.

Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ungeduld.

Welche Eigenschaften schätzen Sie?
Geduld.

Was ist Ihr größter Vorzug?
Einfälle.

Was dulden Sie auf keinen Fall?
Bigotterie.

Was entschuldigen Sie sofort?
Blechschäden.

Gibt es etwas, was Sie unter allen Umständen auf eine Reise mitnehmen würden?
Zahnbürste.

Wo möchten Sie leben – wenn nicht da, wo Sie jetzt schon sind?
New York.

Wo tanken Sie auf?
Beim Lauftraining.

Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Dasselbe wie jetzt.

Haben Sie ein Motto?
Carpe diem.

Interview mit Udo Steffens

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Prof. Dr. Udo Steffens sanierte in Afrika Missionsruinen und steht heute einer gemanagten Business School vor. Im karriereführer spricht er über Karriereplanung, Auslandsaufenthalte und darüber, dass Unternehmertum, Geldorientierung und Entwicklungsarbeit für ihn keine Widersprüche bedeuten. Die Fragen stellte Meike Nachtwey.

Zur Person

Geboren 1950. Ausbildung zum Industriekaufmann bei einer Schiffswerft in Emden (1968-1970). Dann Studium der Wirtschaftswissenschaften, der Wirtschaftspädagogik und der Politikwissenschaften in Dortmund, Münster und Darmstadt mit anschließender Promotion. Studienreferendar und Studienrat in Oldenburg (1981-1989). Außerdem Lehrbeauftragter der Fachhochschule Wilhelmshaven sowie Dozent und Berater der Bankakademie Frankfurt (1985-1989). Auslandstätigkeit in Togo und Kamerun im Rahmen der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit; Neuaufbau und Leitung eines Buchhandels-, Verlags- und Druckereiunternehmens in Togo; Beratungsaufträge für die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe in Kamerun (1989-1992). Eintritt in die Bankakademie als Leiter des Auslandsreferats (1992). Seit November 1996 Vorsitzender des Vorstands der Bankakademie e.V. und Präsident der HfB, die 2007 in die Frankfurt School of Finance & Management übergingen.

Ihr Berufsweg ist sehr geradlinig verlaufen: Von der kaufmännischen Ausbildung über ein Studium hin zum Vorstandsvorsitzenden. Wie gelingt eine solche Karriere?
Ich empfinde meine Karriere nicht als geradlinig oder zielorientiert. Mein Weg war immer von Energie und Dynamik geprägt, aber ich habe meine Karriere nicht geplant. Zu meiner Zeit, in den 1970ern, gab es eine andere Werteorientierung und man suchte nach beruflicher Erfüllung – nicht nach dem, was man heute „Karriere“ nennt.

Was raten Sie Hochschulabsolventen von heute in punkto Karriereplanung?
Grundsätzlich sollte jeder junge Mensch sich fragen: Wer bin ich? Was will ich? Er muss klar seine persönlichen Werte definieren und kennen. Und daraufhin seine Ziele stecken. Den Weg zu seinen Zielen sollte man in Etappen definieren anstatt für das ganze Leben. So kann man immer flexibel reagieren und den Weg immer neu ausrichten. Hochschulabsolventen sollten auf jeden Fall die Chancen, die Europa als Arbeitsraum bietet, nutzen und gestalten, gerade wenn sie in solch einer dynamischen Branche wie Finance arbeiten.

Welche Eigenschaften sollten Hochschulabsolventen heutzutage unbedingt mitbringen, um Karriere zu machen?
Auf jeden Fall eine gute Ausbildung und eine gute „Denkfähigkeit“, denn zurzeit wird durchaus nach „quer denkenden“ Menschen gesucht. Darüber hinaus sollte man sich in Netzwerken betätigt haben, beispielsweise an der Hochschule. Man sollte einschlägige Praktika gemacht haben, inklusive Auslandsaufenthalte. Und natürlich Sprachen können, soziale Kompetenz besitzen etc. – das sind Eigenschaften, die man von einem karriereorientierten Hochschulabsolventen per se erwartet. Und man sollte ein bisschen Ahnung von der Finance-Branche mitbringen. Dazu gehört, dass man weiß, in welchen komplexen Zusammenhängen sich die Branche in Deutschland und Europa zurzeit befindet.

Die Frankfurt School hat ein Auslandssemester in ihre Ausbildungsgänge integriert und Sie waren selbst länger im Ausland – was bringen Auslandsaufenthalte für die Karriere?
Sie erweitern den Horizont. Man lernt für sich, dass man auch in anderen Regionen, Ländern, Kulturen und Sprachfamilien leben und überleben kann und wird sich gleichzeitig seiner eigenen Nationalität bewusst. Nicht zuletzt erkennt man, dass es alles so furchtbar aufregend nicht ist, da man auch dort um sieben Uhr aufstehen und um acht Uhr ins Büro muss. Ein Auslandsaufenthalt ermöglicht einen anderen Blick auf die Welt und die Dinge, den man durch Kurzzeitaufenthalte so nicht erwerben kann. Von daher sind längere Auslandsaufenthalte ein biografisches Element, das sehr prägend ist und auch persönlich eine gewisse Internationalität gibt, die man auch nachher behält. Denn man ist in der Lage, sich in internationalen Communities zurechtzufinden. Das ist wichtig, wenn man Karriere machen will.

Was raten Sie Studenten, was sie bereits während des Studiums im Hinblick auf ihren Berufseinstieg beherzigen sollten?
Sie sollten sich mit den verschiedenen Kulturen verschiedener Branchen auseinandersetzen. Dazu sollten sie systematisch versuchen, Kontakt zu zwei oder drei Branchen aufzubauen, zum Beispiel zur Finance, Auto- und Beratungsindustrie. Um eine Idee zu bekommen von den unterschiedlichen Branchen-Kulturen und um herauszufinden, welche dieser Kulturen am besten zur eigenen Persönlichkeit passt und wo man sich am wohlsten fühlt. Wenn man keine dunkelblauen Anzüge mag, fühlt man sich einer Bank wahrscheinlich nicht sehr wohl, aber das ist dort die Kultur. Grundsätzlich muss man zwar Zugeständnisse an das Business machen, aber wenn es geht, so wenige wie möglich.

Wie war es, in einer Branche zu arbeiten, in der es vorrangig um Geld und dessen Vermehrung geht, und gleichzeitig in der Entwicklungszusammenarbeit tätig zu sein?
Unternehmertum, Geldorientierung und Entwicklung sind keine Widersprüche, sondern im Gegenteil. Die Entwicklungszusammenarbeit hat deshalb nur mäßige Ergebnisse, weil sie sich größtenteils an „Gutmenschen“ orientiert und nicht den ökonomischen Gesetzen Tribut zollt. Meiner Meinung nach muss sich Entwicklungszusammenarbeit deutlich kapitalistischer orientieren, als sie es in den letzten Jahren getan hat. Ich habe auch in der Entwicklungshilfe in Togo als Sanierer gearbeitet und „Missionsruinen“ saniert. Das war eine harte unternehmerische Tätigkeit. Meine Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit ist also kein Widerspruch zu dem, was ich heute tue. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit geht es im Wesentlichen um Geld. Daher schließt sich der Kreis, dass ich heute einer gemanagten Business School vorstehe, die sich auf Finance fokussiert.

Lehrt die Frankfurt School auch ethischen Umgang mit Geld oder ist sie rein ökonomisch ausgerichtet?
In allen Studiengängen haben wir auch Ethik-Kurse als curriculare Bestandteile. Im Bachelor-Studiengang haben wir den Studiengang „Management, Philosophy and Economics“, in dem wir uns insbesondere den Fragen des Fortgangs der Gesellschaft, vornehmlich unter ökonomischen Gesichtspunkten, widmen.

Wie bekommt man Beruf und Familie unter einen Hut, wenn man einen so arbeitsintensiven Job macht?
Meine Lebensgefährtin und ich haben ein Abkommen: Sie managt die Familie. Das ist die klassische Aufteilung. Aber das ist unser Weg, Familie und Beruf zusammenzubringen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, beruflich und privat glücklich zu werden.

Wie sieht der Arbeitsmarkt für Hochschulabsolventen in Zukunft aus?
Ich bin in der finanzorientierten Bildungs- und Beratungsbranche – das ist einer der dynamischsten und sich am stärksten verändernden Sektoren in Deutschland. Hier bildet sich bereits im Moment ein Markt heraus. Bildungs- und Wissensmanagement bietet eine sehr gute Perspektive, gerade auch für Hochschulabsolventen.

Zum Unternehmen

Hervorgegangen aus Bankakademie und HfB bietet die Frankfurt School of Finance & Management umfassende Bildungs- und Beratungsleistungen zu Finanz- und Managementthemen an. Dazu gehören Weiterbildungs- und Hochschulstudiengänge, offene Seminare und Trainings sowie maßgeschneiderte Bildungs- und Beratungsangebote für Unternehmen. In ihrer Forschung adressieren die Fakultätsmitglieder aktuelle Finanz- und Managementfragestellungen. Darüber hinaus managen Experten der Frankfurt School of Finance & Management Beratungs- und Trainingsprojekte zu Financefragestellungen in Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere zu Mikrofinanzthemen. Hierzu gehört auch die Beratung des Fondsmanagement des European Fund for Southeast Europe (EFSE). Die Frankfurt School of Finance & Management finanziert sich ausschließlich über Studiengebühren, Beratungshonorare sowie Stiftungsmittel. Informationen im Internet unter www.frankfurt-school.de

Interview mit Erwin Staudt

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Der Wechsel aus der Chefetage von IBM auf den Präsidentenstuhl des VfB Stuttgart war für ihn der Beginn eines neuen Lebens. Eine Fügung des Schicksals. Jetzt führt der Ur-Schwabe den Traditionsklub mit modernen Managementmethoden durch das knallharte Liga-Geschäft. Im Interview mit S-taff sprach der 60-jährige Diplom-Volkswirt über Weitblick, Teamgeist und Leistung. S-taff Ausgabe 1.2008

Zur Person Erwin Staudt

Erwin Staudt, Foto: Staudt

Geboren am 25. Februar 1948 in Leonberg. Studium der Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Stuttgart und Freiburg. Ab 1973 bei IBM Deutschland, zunächst als Vertriebsleiter, später unter anderem als Vertriebsleiter und Vice President Marketing in der europäischen Zentrale der IBM in Paris.

Von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH. Seit Juni 2003 erster hauptamtlicher Präsident des VfB Stuttgart. Privat: verheiratet, drei Kinder.

Schon als Bub waren Sie glühender Fan des VfB Stuttgart. Heute sind Sie dessen erster hauptamtlicher Präsident. Ist damit ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?
So kann man das nicht sagen. Geträumt habe ich davon als Kind wohl nicht. Aber außer beim VfB hätte ich keine derartige Aufgabe angenommen.

Also eine Herzensangelegenheit?
So ist es.

Sie waren in der Jugend selbst Linksaußen des TSV Eltingen. Wollten Sie nicht auch Fußball-Profi werden?
Ich habe in den Jugendmannschaften bei TSV gespielt, aber als es dann ernst wurde für die erste Mannschaft, wollte mich keiner. Ich hatte dazu leider nicht genug Talent.

Dafür haben Sie Ihr Talent dann an anderen Stellen eingebracht: Bei IBM haben Sie in führenden Positionen gearbeitet. Jetzt führen Sie mit dem VfB einen traditionsreichen Fußballclub. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Die Gemeinsamkeit ist die, dass es überall um Umsatz, Wachstum, Innovationen geht, vor allem aber um das Miteinander von Menschen. Der große Unterschied ist die Öffentlichkeit, die beim Fußball sehr groß ist, und dass nach jedem Spiel abgerechnet wird. Das erzeugt einen ganz spezifischen Druck. Es ist beim Fußball charakteristisch, dass man so gut wie jeden Tag auf den Sportseiten Stoff liefern muss. Und das ist in der Wirtschaft nicht so stark ausgeprägt. Im Fußball ist das sehr direkt. Da ist man praktisch präsent im Tagesgeschäft der Sportjournalisten.

Was hat Sie 2003 bewogen, aus der Wirtschaft „auszusteigen“, um hauptamtlich einem Fußballclub vorzustehen?
Das war mehr oder weniger Zufall. Bei mir hat sich eine berufliche Weichenstellung angekündigt. Und just in diesem Moment kam der Anruf des VfB-Aufsichtsratsvorsitzenden. Das war für mich der Start in ein neues berufliches Leben.

Ein glücklicher Zufall?
Auf jeden Fall. Wenn der Anruf zwei Jahre früher oder später gekommen wäre, hätte ich Nein gesagt. In der Tat eine Fügung des Schicksals.

„Deutschland muss IT-Weltmacht werden – und das pronto!“, haben Sie 2002 anlässlich einer Buchvorstellung gefordert. Wie gut ist das Bundesland Baden-Württemberg im IT-Bereich und in der IT-Branche aufgestellt?
Das Land hat sich schon in die Richtung entwickelt, wie wir das 2002 prognostiziert haben. Lothar Späth und ich haben damals gefordert, dass zunächst einmal die Bildung herangeführt werden muss an das IT-Zeitalter und dass die Menschen insgesamt eine Revolution wie zum Beispiel das Internet in das alltägliche Leben aufnehmen müssen. All das ist passiert. Deshalb bin ich sehr glücklich mit der Entwicklung in Baden-Württemberg.

Unsere jungen Leserinnen und Leser stehen am Beginn ihrer Karriere. Geben Sie ihnen bitte drei Tipps für den beruflichen Aufstieg.
Also, gehen wir mal davon aus, dass jeder das Maximale an Ausbildung mitbringt. Dann kommt es darauf an, das Wissen mit einer ausgewogenen Persönlichkeit zu verbinden. Und um letztlich erfolgreich zu sein – davon bin ich überzeugt –, sind drei wesentliche Dinge absolutes Muss: Fleiß, Begeisterungs- und Kommunikationsfähigkeit.

Sehen Sie Parallelen zwischen Fußball und dem Berufsalltag im Wirtschaftsleben?
Natürlich. Was im Fußball ebenso wichtig ist wie im Berufsleben: Man muss viele Menschen zu einem Team zusammenbringen. Jeder muss bereit sein, sich einer gemeinsamen Zielsetzung unterzuordnen, seinen Beitrag zu leisten, ohne Eifersüchteleien oder Wichtigtuereien. Das sind sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft die elementaren Voraussetzungen.

Was zählt mehr: Teamgeist oder individuelle Fähigkeiten?
Beides ist wichtig. Man muss verstehen, seine individuellen Fähigkeiten in ein Team einzubringen. Darauf kommt es an.

Wie erklären Sie sich bei Fußballern die so unterschiedlichen Leistungen in den verschiedenen Spielen? Wie kann man – auch in anderen Berufen – auf ein konstantes Leistungsniveau hinarbeiten?
Wichtig ist vor allem, dass man sich über die gemeinsamen Ziele im Klaren ist. Jeder muss bereit sein, alles zu geben, um diese Ziele zu erreichen. Wichtig ist auch, dass man mit Herz bei der Sache ist. Dann entsteht das an Leidenschaftlichkeit, was das Publikum letztlich hinter eine Mannschaft bringt. Das gilt für den Sport und das Wirtschaftsleben gleichermaßen: begeistert sein, sich zerreißen für die Zielerreichung seiner Mannschaft oder seines Unternehmens. Das Wir-Gefühl ist ebenso wichtig.

Bundesländer und Regionen stehen in einem wirtschaftlichen Wettbewerb, zum Beispiel wenn es um hoch qualifizierte Arbeitsplätze geht. Nennen Sie uns drei Vorzüge, in Baden-Württemberg zu leben und zu arbeiten.
Wir haben das Glück, mit Baden-Württemberg über eine der stärksten Wirtschaftsregionen der Welt zu verfügen. Das garantiert Spitzenjobs bei Spitzenunternehmen. Viele von denen sind Weltmarktführer. Das garantiert ebenso hohe Einkommen und niedrige Arbeitslosenzahlen. Das ist die ökonomische Seite. Für Baden-Württemberg sprechen natürlich auch vorzügliche Freizeitmöglichkeiten, zum Beispiel der Schwarzwald, der Bodensee oder die Nähe zum Elsass. Hier gibt es aber auch eine hervorragende kulturelle Infrastruktur mit einer Spitzenoper und einem tollen Schauspiel, einem Weltklasse-Ballett und den besten Museen, die man sich vorstellen kann, und nicht zuletzt den VfB als wichtigen Kulturfaktor.

Sie sind in Leonberg geboren und leben auch heute noch dort. Was bedeutet das „Ländle“ für Sie?
Das ist meine Heimat, zu der ich mich immer bekannt habe und bekenne, wo immer ich war oder bin: egal ob in Paris, New York oder Berlin. Hier in Baden-Württemberg habe ich meine Erdung. Ich bin sehr stolz darauf, mit den Menschen dieser Region und in diesem Bundesland leben zu dürfen.

Weitblick braucht also einen festen Standpunkt?
Genau. Wer in der Zukunft erfolgreich sein will, braucht festen Boden unter den Füßen.

Wagen Sie einen Ausblick für die Fußball-Fans unter unseren Lesern: Wo steht der VfB Stuttgart in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass es uns gelingt, nachhaltig Erfolg zu haben und uns unter den Top 5 in Deutschland zu etablieren. Das würde bedeuten, dass wir immer auch einen Blick auf das internationale Geschäft hätten. Das wäre schon wichtig für den VfB, für unser Selbstverständnis.

Und das Bundesland Baden- Württemberg?
Absolut da, wo es heute schon steht und auch in den nächsten Jahren bleiben wird: an der Spitze.

VfB Stuttgart

Der VfB Stuttgart hat seine Wurzeln in Bad Cannstatt. Im April 1912 schlossen sich die beiden Clubs Vereinigung FV Stuttgart 1893 und der Kronenclub Cannstatt zum VfB Stuttgart 1893 zusammen. Es folgt eine wechselvolle, von vielen Erfolgen geprägte Geschichte: 1926 erstmals württembergisch-badischer Meister, fünfmal Deutscher Meister, dreimal Deutscher Pokalsieger, einmal Deutscher Superpokalsieger.

Zweimal stand der Club im Endspiel eines europäischen Wettbewerbs. Mit einem Umsatz von knapp 78 Millionen Euro im Jahre 2006 ist der VfB Stuttgart ein wichtiger Wirtschaftspartner der Region und wird im Jahr 2007 erstmals die 100-Millionen- Euro-Umsatzmarke überschreiten.

Dr. Reinhard K. Sprenger

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Reinhard K. Sprenger has written extensively on the topic of management, including the themes of motivation, trust and personal responsibility. His latest book, “Gut Aufgestellt” (“Well Positioned”), is a comparison between football and management. In karriereführer, he discusses international teams, the European Football Championship and what managers can learn from football. Sabine Olschner posed the questions. From karriereführer europa 2008.2009

About Dr. Reinhard K. Sprenger

Dr. Reinhard K. Sprenger, Foto: Sprenger

Dr. Reinhard K. Sprenger, born in 1953, lives in Zurich, Switzerland, and Santa Fe, New Mexico. He is one of Germany’s best-known management consultants. He has published numerous books about management. Sprenger studied philosophy, psychology, economics, history and sports at the Ruhr University Bochum, receiving his PhD in 1985 from the Free University Berlin. The management author was a scientific advisor for the Ministry of Culture in the state of North Rhine-Westphalia and director of “personnel development and training” at 3M in Germany before becoming a freelance lecturer, trainer and advisor for personnel development. His clients include nearly all major DAX firms. Reinhard K. Sprenger is married and the father of three children. He has been a fan of the football club Red-White Essen since his youth.

Europe is moving closer and closer together. Does this increasing internationalisation make work more difficult for management?
Much of what we understand about globalisation is challenging. One could also say that it’s overwhelming us. In any case, we aren’t anthropologically well prepared to work with people who are and remain culturally foreign. In addition to differences in gender, age and education, there are also differences in nationality and race.

What are the implications for managing international teams?
For management, it means that you can no longer consider yourself the benchmark. We tend to manage others the way we ourselves would like to be managed. That approach was always ignorant, but it is now encountering greater resistance. We therefore have to pay diversity more respect. “One size fits all” is not appropriate for the complexity of international teams.

What should managers of EU-wide teams be aware of?
First of all, they should arrange for frequent get-togethers. Virtual relationships don’t work and don’t allow trust to develop. In other words, there is no way around intense amounts of travelling. Secondly, you have to actively ask participants who are English native speakers to calibrate their language to the comprehension and communication levels of non-native English speakers. Otherwise, they quickly wind up with a silent majority.

Do international teams perform better?
It depends on what the team is expected to deliver. If it’s really about planning for an international audience, then this complexity should also be reflected in the team. For all things relevant to national markets, that are on a deeper level or require serious thought, one’s own mother tongue is the only proven means of communication. Otherwise, the subtleties are lost.

Are there national differences within the EU that managers should be aware of when managing their employees?
Managers have to free themselves from the plague of political correctness. In other words, they have to recognise that national animosities have always existed and always will, and one is well advised to be aware of them. For example, it’s not prudent to have Belgians and Dutch work too closely together. And the French are one thing above all: different.

2008 is also the year of the European Football Championship. What can managers learn from football strategists like Klinsmann, Hitzfeld et al.?
The role of managers in the modern organisation has come closer to that of football trainers: they are coordinators that steer the talents and energies of a non-uniformly paid and varyingly talented multicultural workforce. That’s why the best football is no longer being played in the national teams, but rather when two top European teams with players from five continents take to the field. In football, as in a company, the trick is to bring out the unique qualities of the individual, but so that they serve the whole. Football is a wonderful example of why either-or is too simplistic. The sport shows us that simultaneously “creating unity” and “accepting diversity” is not a contradiction. We need both. Football also shows us that forcing players to conform impedes successful cooperation. If freedom is too restricted, then desire – and later ability – slowly dies.

How can managers as well as football trainers motivate their team to continuously perform at their peak?
The old saying “Effort equals success, poor effort equals failure” no longer holds true today. In football, as in the economy, creativity and smart teamwork count, not blood, sweat and tears. That’s not to say that motivation should be neglected. But it’s just one condition for success – and by no means the most important. “Working hard” is not as effective as “working smart”. In modern football, motivation is therefore of course required and demanded from the player. Motivation is an individual thing; you have it or you don’t. Anyone who has to motivate his players has the wrong players.

Team performance or individual performance – which is more important for success in football and the economy?
Business – it’s like team sports, it’s like football. It’s the experience of relying on others, being able to solve problems only jointly, weathering good times and bad times together. It will always remain a mystery as to how exactly team performance feeds off individual effort. However, it’s equally clear that in the long run, with the exception of some extraordinary games, the team effort determines victory and loss. The individual might determine the outcome of a tackle, the goalkeeper might even decide the outcome of a game, but the team wins the championship.

How do you account for the fact that footballers give such varying performances in different games? How can one strive for a consistent performance level?
The French philosopher Jean-Paul Sartre already came to the profound realisation that “in football, everything is complicated by the presence of the other team”. The same goes for the economy: everything is complicated by the presence of the competition. Success can’t always be achieved in the same way. Instead, one has to occasionally recognise the ebb and flow of performance. You shouldn’t merely criticise yourself for not having been well prepared and for not having tried everything. You serve yourself best when you always give your best.

What should managers especially look out for with respect to the coming European Football Championship?
How quickly the ball is passed back and forth and how quickly the team can switch from defence to offence – that will decide the European Championship. And that’s impossible without trust. If the individual player has enough selfconfidence not to have to hang on to the ball for a long time in order to move it along with precision. And if the teammate starts for the clear before the pass. In other words, trust makes the ball fast. That’s why trust is ultimately going to determine the competition.

Your personal guess: who’s going to win this year’s European Football Championship?
Italy has the most globalised league and the quality of open leagues is higher. That’s why Italy is my favourite. But football repeatedly shows us: even the strongest team can be beaten at a given moment. How? Don’t overestimate the opponent and put your heart into it. With this approach, one can win more than just a few games.

Interview mit Dr. Bernd Sprenger

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Je weiter man nach oben kommt, umso höher ist das Risiko, in einen Höhenrausch zu geraten. Sabine Olschner sprach mit Burn-out-Experte Dr. Bernd Sprenger.

Wie viele Manager befinden sich Ihrer Meinung nach in einem „Höhenrausch“?
Es wäre unseriös, hier eine Zahl zu nennen. Ich glaube jedoch, dass man in einer bestimmten Karriereentwicklungsphase anfällig ist für solch einen „Höhenrausch“. Für junge Menschen, die energiegeladen, begabt und tatkräftig sind, sind die Aufgaben, die ihnen angeboten werden, oft eine große Versuchung. Dabei kann es immer wieder zu solchen rauschhaften Episoden kommen. Wenn sie auf Dauer dem Rausch verfallen, ist es wie bei jedem anderen Rausch auch: Die Nachteile werden immer größer.

Wie viel können oder sollten sich Manager denn zumuten?
Ein guter Manager weiß, was er gut kann und was er nicht gut kann. Wenn er jedoch zu viele Dinge machen muss, die er von seiner Person und seinen Vorlieben her nicht wirklich gut machen kann, die ihm schwerfallen, dann wird es schwierig. Das bedeutet: Manager sollten ihre Stärken und Schwächen gut kennen und sich dann möglichst einen Weg suchen, auf dem sie ihre Stärken ausspielen können. Genau das vergessen jedoch viele junge Leute, wenn sie ihre Karriere planen. Sie haben keine Vorstellungen davon, wie es dort oben aussieht, und wundern sich dann über die Realität und wie schwierig es ist, seine Rolle als Top-Manager auszufüllen. Wenn Manager es also nicht schaffen, einen Karriereweg passend zu ihrer Person zu wählen und damit die Spannung, die dabei entsteht, zu groß wird, können sie krank werden.

Woran merkt man, dass man seine persönliche Grenze erreicht hat?
An ganz simplen Dingen: Hunger, Durst, Müdigkeit, ein fehlendes Gefühl von Befriedigung. Es gibt viele Menschen, die diese einfachen Körpersignale permanent ignorieren. Wenn solche Körpersignale auftauchen, sollte man unbedingt auf sie hören. Wer sie immer wieder übergeht oder – noch schlimmer – mit Drogen oder Medikamenten „zupflastert“, für den wird es gefährlich. Nicht ohne Grund liegen Burn-out und Suchtentwicklung oft nah beieinander.

Warum sind einige Menschen stressresistenter als andere?
Das liegt daran, dass jeder Organismus etwas anderes als Stress empfindet. Manche finden zum Beispiel die Vorstellung, einen Vortrag halten zu müssen, ganz schrecklich, andere blühen dabei erst richtig auf. Wer zu häufig Tätigkeiten verrichtet, die bei ihm persönlich Stress verursachen, wird anfälliger für Krankheiten.

Ist diese Reaktion auf bestimmte Dinge naturgegeben, oder kann man Stressresistenz trainieren?
Naturgegeben ist die physiologische Antwort des Organismus auf Stressoren. So friert zum Beispiel der eine schneller als der andere. Doch wie man mit der Reaktion umgeht, kann man trainieren – und zwar auch seelisch. Man kann lernen, Stressoren zu erkennen und so mit ihnen umzugehen, dass sie unschädlich werden. Auch physisch braucht man für die Hochspannungsjobs eine vernünftige Konstitution. Wer sehr anfällig für Krankheiten ist, wird sich in einem anspruchsvollen Job schwerer tun als ein physisch und psychisch robuster Mensch.

Was ist Ihr Rat an künftige Top-Manager?
Neben der Befriedigung der oben beschriebenen Grundbedürfnisse sollten sie schauen, ob sie die richtige Person für den Job sind. Manche haben mit viel Energie eine bestimmte Aufgabe angestrebt, obwohl sie gar nicht auf diese Position passen – oder die Position nicht zu ihnen passt. Das merkt man leider oft erst, wenn man schon mittendrin steckt.

Interview mit Dr. Burkhard Schwenker

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Unternehmenslenker haben Weitblick – und das nicht nur symbolisch. Die Büros der Chefs liegen meist in den oberen Etagen von hohen Häusern. Auch das von Dr. Burkhard Schwenker. Der Sprecher der Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants residiert im 14. Stock des Columbus Hauses in der aufstrebenden Hamburger Hafencity. Von hier aus reicht sein Blick bis zum Horizont, hinter dem es bekanntlich immer weitergeht. Michael Kalthoff-Mahnke sprach mit dem CEO über Verantwortung, Führung und Trojanische Pferde.

Zur Person

Dr. Burkhard Schwenker, Jahrgang 1958, ist seit 2003 Vorsitzender der weltweiten Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants. Nach BWL- und Mathematik-Studium, einer ersten beruflichen Station bei den PWA Papierwerken Waldhof-Aschaffenburg und Promotion kam er 1989 zu Roland Berger Strategy Consultants. Hier leitete er Projekte für internationale Energie- und Dienstleistungsunternehmen sowie große öffentliche Institutionen. 1992 wurde Schwenker zum Partner ernannt, 1994 übernahm er die Leitung des Kompetenzzentrums Corporate Development. Der CEO hält regelmäßig Vorlesungen und arbeitet in den Gremien mehrerer Business Schools und Universitäten mit.

Gesellschaftspolitisch engagiert sich Burkhard Schwenker in den Kuratorien des WWF World Wide Fund For Nature, der Stiftung Deutsche Sporthilfe, des Deutschen Leichtathletik-Verbands für die Weltmeisterschaft 2009, der Stiftung zur Förderung der Semperoper Dresden, der Stiftung „Lebendige Stadt“ (Hamburg), des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, der Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e.V. und der Beruf & Familie gGmbH, einer Initiative der gemeinnützigen Hertie Stiftung; er ist außerdem Mitglied der „Atlantik Brücke e.V.“. Burkhard Schwenker ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Hamburg.

Herr Dr. Schwenker, waren Sie während Ihrer Schulzeit Klassensprecher?
Nein.

Oder Mannschaftskapitän?
Auch das nicht. Warum fragen Sie?

Nun, vielleicht wäre das ein Hinweis darauf, dass Ihnen Verantwortlichkeit und Führen im Blut liegen.
(lacht) Da sind Sie bei mir leider auf dem Holzweg. Tatsächlich habe ich mir damals weder gewünscht noch vorstellen können, Karriere zu machen.

Dafür sind Sie aber auf der Karriereleiter ganz schön hockgekraxelt.
Stimmt. Ich habe Betriebswirtschaftslehre und Mathematik studiert und danach bei den Papierwerken Waldhof-Aschaffenburg gearbeitet. Nach der Promotion kam ich 1989 zu Roland Berger.

War der Aufstieg bis an die Spitze des Unternehmens beschwerlich?
Die Aufgaben waren sicher nicht einfach, manchmal war es aufreibend. Aber beschwerlich? Nein. Ich bin fest davon überzeugt, dass man mit den Aufgaben, die man übernimmt und möglichst gut erfüllt, ganz von selbst wächst und aufsteigt. Und wenn diese Aufgaben auch noch Spaß machen, eine ständige Herausforderung sind, dann kommt einem der Weg auch nicht besonders mühselig vor.

In 15 Jahren vom Einstieg bei Roland Berger bis zum obersten Chef – eine Bilderbuchkarriere, die dennoch in der Beraterbranche, in der der Aufstieg häufig erst über Unternehmenswechsel möglich wird, eher ungewöhnlich ist.
Nun, Ausnahmen bestätigen eben die Regel.

Ist bleiben besser als gehen?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Bei Roland Berger stehen Leistungsorientierung und Teamfähigkeit im Mittelpunkt. Und offensichtlich habe ich meine Sache gut gemacht. Aber ich hatte auch das Glück, von Beginn meines Berufslebens an den richtigen Personen zu begegnen. In meinem Fall zwei Managern, die mich gefördert und gefordert haben. Sie hatten den Mut, mir jungem Menschen verantwortungsvolle Aufgaben zu übertragen, an denen ich mich beweisen konnte. Solche Förderung ist ein entscheidender Vorteil.

Geben Sie unseren Lesern Tipps für eine erfolgreiche Karriereplanung.
Das Wichtigste zuerst: Eine Karriere kann man nicht planen. Karrieren werden befördert, weil jemand gut ist in seinem Job und mit Freude und Engagement seine Arbeit erledigt. Natürlich muss man die Chance haben, die richtigen Aufgaben zu bekommen. Und schließlich ist auch etwas Glück dabei, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und die bestmöglichen Mentoren an seiner Seite zu haben. Und: In den ersten Berufsjahren möglichst viel Praxis kennenlernen, unterschiedliche Erfahrungen sammeln, sich Möglichkeiten und Situationen schaffen, die Einblicke in verschiedene Berufs- und Lebensbereiche ermöglichen. Deshalb, so viel Marketing sei hier erlaubt, ist Strategieberatung eine hervorragende Möglichkeit, sich zu orientieren. Es gibt wenig andere Professionen, in denen man in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Menschen und Unternehmen kennenlernt und vielfältige Probleme löst. Das schafft ein hervorragendes Fundament für den Aufstieg.

Was schadet der Karriere?
Wer unbedingt Karriere machen will, konzentriert sich meist viel zu sehr auf den nächsten Karriereschritt. So engt man sich ein und blendet mitunter die Fülle von Alternativen aus, die sich noch bietet. Wer schon vor dem Abitur weiß, dass er einmal Vorstandsvorsitzender werden will, macht nur selten Karriere.

Welche Rolle spielen soziale Kompetenzen?
Eine ganz große. Vor allem, wenn wir Karriere als Führungsaufgabe verstehen. Wer Menschen führen, mit ihnen zusammen Probleme lösen will, muss eine Grundeigenschaft mitbringen: Er muss Menschen mögen. Diese grundlegende Sympathie begünstigt die sozialen Kompetenzen, die für den Aufstieg nötig sind. Eine in meinen Augen zwingende Voraussetzung: Jeder, der versucht, Menschen zu führen, muss ein positives Verhältnis zu ihnen haben. Nur so geht es.

In ihrem Buch „Aufstieg für alle“ plädiert Gertrud Höhler dafür, dass Schluss sein müsse, wirtschaftliche Aufsteiger als negative Helden zu diskreditieren. Ist „Karrieremachen“ in unserer Gesellschaft nicht gut gelitten?
Erfolg produziert Neid. Aber im Neid schwingt immer auch Bewunderung mit. Genie ist zu 80 Prozent Transpiration und zu 20 Prozent Inspiration, wie es so schön heißt. Das müssen wir deutlicher hervorheben: Wer aufgestiegen ist und Erfolg hat, sollte vielmehr ein „positiver Held“ sein.

In den Medien liest man dagegen zurzeit immer wieder von Managern, die sich auf Kosten anderer gern selbst großzügig bedienen.
Das sind wenige „ethische Ausreißer“. Und die beeinflussen leider die Mehrheitsmeinung, denn der Ausreißer liefert nun mal die saftigere Nachricht. Warum aber verschweigen, dass 98 Prozent der Unternehmer und Manager sich ethisch sauber und angemessen verhalten, glaubwürdig sind und eine hohe Akzeptanz bei ihren Mitarbeitern besitzen?

Welche Werte sind für ein Unternehmen wichtig?
Unternehmenswerte wirken auf den ersten Blick wenig sexy und etwas abstrakt. Im Alltag allerdings sind sie der Kitt der Unternehmen: Bei Roland Berger stellen Entrepreneurship, Partnership und Excellence drei unserer Grundwerte dar. Unternehmertum beinhaltet die Fähigkeit, Ideen und Gelegenheiten zu erkennen, um etwas ganz Neues zu schaffen oder Dinge zu verbessern. Partnerschaft beschreibt das Verhältnis zu unseren Kunden und Lieferanten sowie den Umgang mit den Kollegen. Aber Firmengrundwerte reichen nicht. Es sind vor allem persönliche Werte, die Top-Manager auszeichnen. Dazu gehören in meinen Augen Tüchtigkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Integrität. Das ist der Wertekanon, den ich in dieser sich rasant ändernden Welt für ganz entscheidend halte. Denn: Mitarbeiter brauchen ebenso wie Kunden ein großes Maß an Sicherheit. Und die kann eine Führungskraft nur vermitteln, wenn sie integer und glaubwürdig auftritt.

Ehrlich sei nur der Dumme, hat Ulrich Wickert einmal geschrieben. Sind die Werte, die Sie genannt haben, nicht verstaubt?
Im Gegenteil. Es gab zwar eine Phase, in der diese Werte keine große Rolle gespielt haben. Aber: Sie sind die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Deswegen freue ich mich über die Wertediskussion, die wir im Moment führen, und ganz besonders darüber, dass mehr und mehr junge Führungskräfte diese Werte wieder ernst nehmen. Die Menschen müssen schließlich ihren Unternehmern und Managern vertrauen. Das Vertrauen in die Wirtschaft und deren Repräsentanten wird maßgeblich darüber entscheiden, wie sich der Standort Deutschland weiterentwickelt. Denn wirtschaftliches Wachstum funktioniert nur mit wachsenden Unternehmen.

Der amerikanische Psychologe Dan Kindlon hat in seinem Bestseller „Alpha Girls“ herausgefunden, dass Mädchen für Führungsaufgaben wesentlich besser gerüstet sind als Männer. Wird die Zukunft in den Chefetagen weiblich?
Keine Frage, Frauen werden die Führungsetagen von morgen bereichern. Mehr als 50 Prozent der Hochschulabgänger sind weiblich – mit einem Riesenpotenzial an Kreativität, Wissen und Ideen, das unsere Gesellschaft nutzen muss. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für den Standort Deutschland daher wesentlich. Unsere Firma und ich persönlich bringen uns bei diesem Thema sehr ein.

Beschreiben Sie bitte unseren Leserinnen und Lesern Ihren Arbeitsalltag.
(lacht) Besser nicht, wir wollen doch motivieren. Aber im Ernst: Es gibt immer mehr Aufgaben, als man erledigen kann. Deshalb braucht man einen strukturierten Arbeitsplan für den Tag. Für mich heißt das: Sehr früh ins Flugzeug zu Meetings mit unseren Klienten oder in eines unserer 33 Büros weltweit. Zwischendurch E-Mails checken und telefonieren. Termindruck und Anforderungen sind hoch. Vorteil: Sie lernen viele Menschen kennen, viele Kulturen. Das ist bereichernd. Nachteil: Sie kennen zwar viele Flughäfen dieser Welt, dann aber nur noch die entsprechenden Einfallstraßen in die Städte und zwei oder drei Bürogebäude. Deshalb ist es wichtig, gelegentlich einige Stunden dranzuhängen, um zu erfahren: Wie funktioniert diese fremde Stadt wirklich? Wie ticken die Menschen, die hier leben? Man muss ganz bewusst immer mal wieder eine Bresche schlagen, egal wie der Terminkalender drückt, damit einem die Fremdbestimmung nicht über den Kopf wächst.

Top-Manager sehen jederzeit frisch aus, auch wenn sie gerade ein stressiges Meeting hinter sich haben. Wie halten Sie sich fit?
Ich kann ganz gut auf kurzen Fahrten oder Flügen schlafen oder einfach mal abtauchen.

Manager haben oft ein bestimmtes Charisma. Was genau macht dieses „gewisse Etwas“ aus?
Es ist meiner Ansicht nach kaum zu lernen. Es entsteht zum Beispiel durch innere Begeisterung für eine Aufgabe, durch Überzeugung. Das spüren andere Menschen. Das strahlt aus.

Verlieren Führungskräfte ab einem gewissen Level ihre Fähigkeit, Kritik anzunehmen?
Die Gefahr ist groß. Es gilt deshalb, dieses Risiko zu erkennen und einen Weg zu finden, damit umzugehen. Hier kommen die eigenen Werte wieder ins Spiel: Wer glaubwürdig und verlässlich ist, wer Offenheit signalisiert, dem vertraut man auch eher seine Meinung an.

Wie halten Sie Kontakt zur „Basis“?
Ich habe ein „Büro der offenen Tür“, in das jeder eintreten kann. Ich bin für alle Kollegen direkt über E-Mail erreichbar und bemühe mich jedenfalls um eine ordentliche Antwort. Ich nutze jede Gelegenheit, um mit unseren Leuten weltweit vor Ort zu reden. Darüber hinaus gibt es Medien, mit denen die Geschäftsführung die Mannschaft darüber informiert, wo das Unternehmen steht.

Bei so viel Alltag: Was macht Burkhard Schwenker in seiner Freizeit?
Lesen. Ich kann nicht einschlafen, ohne eine halbe oder ganze Stunde zuvor gelesen zu haben. Egal, wann ich ins Bett gehe.

Lektüre zurzeit auf dem Nachttisch?
Unter anderem „Die Torheit der Regierenden“ der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman.

Worum geht’s?
Kurz: Warum wählen Entscheider die falsche Lösung, obwohl ihnen bessere Informationen vorlagen oder hätten vorliegen können? Konkret: Warum haben die Trojaner das Pferd in die Stadt geholt, obwohl sie eigentlich hätten wissen müssen, dass damit etwas nicht stimmte?