Interview mit Angela Titzrath-Grimm

„Emotionale Momente“

Angela Titzrath-Grimm, Foto: Daimler-Chrysler
Angela Titzrath-Grimm, Foto: Daimler-Chrysler

Nach diversen Auslandsaufenthalten in Europa und Übersee – unter anderem als kaufmännische Leiterin eines Produktionswerkes – kam Angela Titzrath-Grimm vor zwei Jahren zurück nach Stuttgart, um „ihrem“ Unternehmen DaimlerChrysler auch nach 16 Jahren weiter treu zu bleiben. Im Interview mit S-taff sprach sie über Einstiegsmöglichkeiten bei DaimlerChrysler sowie Vielfalt und Frauen in der Automobilbranche.

Zur Person

Die Tatsache, dass sie sechs Sprachen spricht, hat Angela Titzrath-Grimm schon weit in der Welt herumgebracht: Nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften und der Romanischen Philologie an den Universitäten Bochum und Perugia (Italien) durchlief sie unterschiedlichste Stationen im DaimlerChrysler-Konzern. Sie arbeitete unter anderem als Assistentin der Geschäftsleitung, als Managing Director und als kaufmännische Werksleiterin und war neben verschiedenen Einsätzen in Deutschland auch international tätig: in Toronto, Rom, New York und Vitoria. Seit 2005 ist Angela Titzrath-Grimm Leiterin des Bereichs Executive Management Development bei DaimlerChrysler in Stuttgart. In dieser Funktion ist sie verantwortlich für die weltweite Führungskräfteentwicklung im Konzern.

Was waren die Gründe dafür, dass Sie sich für einen Beruf in der Männerdomäne Automobil entschieden haben?
Die Frage, ob diese Branche eine Männerdomäne ist, habe ich mir tatsächlich nie gestellt. Mich haben immer an erster Stelle die Aufgaben im Unternehmen gereizt. Schon mein Praktikum während des Studiums bei Mercedes-Benz in Italien hat mich fasziniert. Jedes Unternehmen definiert sich doch maßgeblich über die Menschen, die dort arbeiten. Und ich hatte bei Daimler bisher immer inspirierende Vorgesetzte und herausfordernde Aufgaben, die viel Spaß gemacht haben. Mich begeistern vor allem die Produkte unseres Unternehmens – und ob das Auto ein Mann oder eine Frau konstruiert hat, ist nicht wirklich entscheidend. Hier zählt das Ergebnis, die Qualität, Design und Leistungsfähigkeit.

Wie steht es denn allgemein in der Automobilbranche um Frauen in Managementpositionen?
Wenn wir uns auf dem gesamten Automobil- und Automobilzuliefermarkt umsehen, hat DaimlerChrysler hier sicherlich ein positives Signal gesetzt. Auch wenn wir mit unserem Frauenanteil im Top-Management-Bereich von momentan sechs Prozent noch nicht zufrieden sind. Deshalb ist uns das Thema Förderung von Frauen in Führungspositionen auch sehr wichtig.

Was genau tun Sie für die Förderung von Frauen?
Die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen auf dem Weg ins Top-Management werden durch die Instrumente der Führungskräfteentwicklung intensiv unterstützt. Dafür gibt es ganz viele Beispiele wie unsere Talentförderung im Programm CAReer oder auch spezielle Mentoring-Programme für Frauen, die Förderung von Frauen-Netzwerken, Kinderbetreuung für den Nachwuchs bis zu drei Jahren, flexible Arbeitszeitmodelle … Das alles gehört für uns zum Diversity Management.

Was heißt Diversity Management?
Diversity bedeutet ja zunächst einmal Vielfalt. Durch Diversity Management versuchen wir, die Zusammensetzung unserer Kunden in unserer Mitarbeiter- und Führungsstruktur widerzuspiegeln. Frauenförderung ist ein wichtiger Bereich des Diversity Managements. Zur Vielfalt gehören auch andere Aspekte, zum Beispiel Internationalität und Erfahrungswelten mit einzubeziehen. So integrieren wir beispielsweise Mitarbeiter aus anderen Unternehmen in unseren Konzern. Wir schätzen ihre Erfahrung, ihren Blick von außen. Auch interdisziplinär besetzte Teams, in denen Ingenieure mit Wirtschaftswissenschaftlern und Absolventen anderer Fachrichtungen zusammenarbeiten, gehören zur Vielfalt unseres Unternehmens.

Hat der derzeitige Ingenieurmangel auf dem deutschen Markt die Arbeitsweise oder Personalpolitik Ihres Konzerns beeinflusst?
Die Nachfrage nach qualifizierten Ingenieuren ist derzeit in allen Branchen sehr hoch. Im Großen und Ganzen haben wir aber keine Schwierigkeiten, unsere Stellen mit qualifizierten Nachwuchskräften zu besetzen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir als attraktiver Arbeitgeber gelten. Wenn es sich allerdings um Spezialkenntnisse wie zum Beispiel aus dem Bereich Hybrid handelt, gestaltet sich auch für uns die Suche sehr anspruchsvoll.

Was raten Sie Ingenieuren für ihren Berufseinstieg?
Ingenieuren in der Ausbildung lege ich immer wieder ans Herz, früh den Kontakt mit Unternehmen zu suchen. Denn dann können auch Spezialisierungen früher erfolgen, der Praxisbezug ist stärker. Das ist sehr wichtig. Wir sind bewusst bei vielen Events an Schulen und Hochschulen präsent und bieten den Schülern und Studenten Praktika an oder die Möglichkeit, bei uns Diplom- oder Doktorarbeiten zu schreiben.

Was ist Ihnen persönlich am wichtigsten bei den Absolventen?
Abgesehen von einem guten Studienabschluss, praktischen Erfahrungen und sozialer Kompetenz zählt für mich vor allem die Begeisterung für das Automobilbusiness. Man muss einfach Spaß an den Produkten haben, man muss darauf brennen, sie selber fahren und ausprobieren zu wollen. Für mich ist die Automobilwelt nach wie vor extrem faszinierend: Jeder, der einmal gesehen hat, wie das „erste Mal“ ein neues Fahrzeug vom Band läuft und wie viele gestandene Männer und Frauen dann feuchte Augenwinkel haben, weiß, was ich meine – das ist ein ganz emotionaler Moment. Mir ist auch wichtig, dass jemand Initiative ergreift und motiviert an seine Aufgabe herangeht. Diese Fähigkeit zu Freude und Begeisterung suchen wir bei den Studenten.

Woran mangelt es den meisten Ingenieurbewerbern?
Das Thema Auslandserfahrung haben Ingenieure noch nicht so häufig im Visier. Absolventen anderer Fachrichtungen bewegen sich meist leichter ins Ausland, um ihre in Deutschland erworbenen Fachkenntnisse zu erweitern.

Halten Sie einen MBA für Ingenieure für sinnvoll?
Es kommt darauf an, welchen „Zielbahnhof“ der jeweilige Kandidat hat. Es geht ja nicht um möglichst viel theoretische Ausbildung, sondern darum, seine beruflichen Ziele konkret zu verfolgen. Theoretische Ausbildung, praktische Erfahrungen, sich in einem internationalen Umfeld bewegen können – das sind die Grundvoraussetzungen. Ein MBA kann je nach Richtung, in die der Kandidat sich bewegen will, eine gute Ergänzung sein. Diese Art von Zusatzqualifikation würde ich jedoch, wenn möglich, immer mit dem künftigen Arbeitgeber abstimmen.

Zum Schluss ein Rat für die Praxis: Welche Tipps geben Sie Frauen, die wie Sie in eine Führungsposition kommen wollen?
Sie sollten stets sie selbst bleiben und zu sich selbst als Frau stehen. Das ist das Allerwichtigste. Letztendlich setzt sich Leistung durch.

Zum Unternehmen

DaimlerChrysler mit seinem Zentralfirmensitz in Stuttgart ist eines der international führenden Automobilunternehmen. Weltweit sind rund 360.000 Mitarbeiter für den Konzern tätig, der Konzernumsatz betrug 2006 über 150 Milliarden Euro. Zu den Marken von DaimlerChrysler gehören unter anderem Mercedes-Benz, Maybach, Smart, Freightliner, Sterling, Western Star, Setra und Mitsubishi Fuso. Die Fahrzeuge werden in 17 Ländern produziert und in mehr als 200 Ländern verkauft. 2006 wurden 3,9 Millionen Personenwagen und 842.000 Nutzfahrzeuge abgesetzt.