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Nutzung der Geothermie

Dem Forschungsgebiet „Nutzung von Geothermie in großen Tiefen“ wird weltweit eine große Bedeutung für die zukünftige Versorgung von Ballungsgebieten mit regenerativer Energie zugesprochen. Die Bochum Graduate School Applied Research on Enhanced Geothermal Energy Systems (AGES) bietet zehn Doktoranden die Möglichkeit zur Promotion in diesem spannenden Fachbereich. Von Holger Born, Internationales Geothermiezentrum (GZB)

An den beiden Bochumer Hochschulen – der Hochschule Bochum (HS BO) und der Ruhr-Universität-Bochum (RUB) – beschäftigen sich seit vielen Jahren Arbeitsgruppen von Ingenieuren, Geo- und Gesellschaftswissenschaftlern mit Facetten der Nutzung der Geothermie. 2007 haben sie daher den Geothermie Campus Bochum gegründet, den sie zusammen mit der Stadt Bochum und dem Internationalen Geothermiezentrum (GZB) betreiben. Herzstück des GeothermieCampus ist das International Geothermal Center, welches die HS BO mit Mitteln des Landes Nordrhein- Westfalen, der Europäischen Union und der Industrie errichtet hat. Es handelt sich um die größten Forschungsinfrastrukturen für die Geothermie in Europa. Neben diversen Laboren und eigener Bohrtechnik gehört auch das etwa 50 Quadratkilometer große bergrechtliche Erlaubnisfeld Zukunftsenergie zu dem Zentrum, welches Forschung und Entwicklung unter In-situ-Bedingungen ermöglicht.

Anfang 2013 haben die beiden Hochschulen nun die Bochum Graduate School Applied Research on Enhanced Geothermal Energy Systems (AGES) ins Leben gerufen. In dieser Graduiertenschule bündeln die HS BO und die RUB ihre wissenschaftlichen Kräfte und ermöglichen herausragenden Absolventen die Promotion auf einem Forschungsgebiet, dem weltweit eine große Bedeutung für die zukünftige Versorgung von Ballungsgebieten mit regenerativer Energie zugesprochen wird: der Nutzung von Geothermie in großen Tiefen.

Zehn Doktoranten werden von elf Professoren der beiden Hochschulen betreut, die von den beiden AGES-Sprechern, den Professoren Dr. Jörg Renner, RUB, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik/Experimentelle Geophysik, und Dr. Rolf Bracke, HS BO, International Geothermal Center/Bohrtechnik und Geothermische Systeme, vertreten werden. „Wenn man über die notwendige Technik spricht, der es bedarf, Geothermie in großen Tiefen in Deutschland zu nutzen, sieht man schnell, dass es sich um eine vielschichtige Aufgabenstellung handelt. Es ist daher für alle Seiten wichtig, sich zusammenzuschließen und zu vernetzen, um von den verschiedenen Stärken gemeinsam zu profitieren. Diesen Schritt haben wir mit AGES unternommen“, erläutert Prof. Bracke.

Tiefe Geothermie zeigt ihr großes Potenzial in der nachhaltigen und klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung. Gerade in Ballungsräumen wird Geothermie zukünftig eine zentrale Rolle spielen, und bis 2050 werden etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung in Ballungsräumen und Mega-Citys leben. Grundlastfähige Stromerzeugung und Wärmeversorgung über Fernwärmenetze sind die Stichwörter, die es mittelfristig ermöglichen werden, einen überwiegenden Teil der Wohnungen und Gebäude mit Elektrizität und Wärme umweltfreundlich zu versorgen. Heute sind in Deutschland bereits knapp 20 geothermische Heiz- und Kraftwerke im Betrieb, allerdings ausschließlich an Standorten mit optimalen Voraussetzungen im Untergrund, wie beispielsweise im bayrischen Alpenvorraum rund um München.

Doch um diese Potenziale auch außerhalb geologischer Vorzugsregionen nutzen zu können und die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, sind weiterentwickelte Technologien nötig. Rund 90 Prozent des deutschen Potenzials, welches in der Nutzung der Geothermie steckt, ist nur mit Enhanced Geothermal Systems (EGS) zu erschließen. EGS sind Systeme, bei denen der Untergrund erst durch Ingenieure mit bergmännischen Verfahren erschlossen und nutzbar gemacht werden muss. Um die Energie aus trockenen, sehr tiefen und heißen Gesteinseinschichten zu gewinnen, bohrt man diese an, pumpt Wasser in die Gesteinsporen, welches sich dort erwärmt und wieder an die Oberfläche gepumpt wird. Übertage werden dann entweder Turbinen zur Stromerzeugung betrieben und/oder Gebäude mit Wärme versorgt. Die Entwicklung solcher Systeme steckt weltweit noch in den Anfängen und soll an der neuen Einrichtung führend erforscht werden.

Mathias Nehler ist seit Anfang Mai einer der neuen Doktoranden. Ursprünglich an der TU Darmstadt zum Diplom-Geowissenschaftler ausgebildet, untersucht er nun die Wechsel- und Auswirkungen von Fluiden in großen Tiefen auf die Fels- und Gesteinsformationen im Untergrund. „Dass ich hier im engen Austausch mit anderen Promotionsstudenten stehe, ist schon ein Vorteil für meine Forschungen. Gerade bei komplexen Fragestellungen – und dabei handelt es sich bei der Nutzung tiefer geothermischer Reservoire – ist der Blick über den eigenen Tellerrand wichtig, um den Kontext der eigenen Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren“, so Nehler.

Mit der neuen AGES wurden nun die grundlagen- und anwendungsbezogenen Arbeiten der beiden Hochschulen weiter zusammengeführt. Jungen Ingenieuren, Maschinenbauern, Geowissenschaftlern, Umwelttechnikern oder Geophysikern wird die Möglichkeit geboten, einerseits ihre eigene – wissenschaftliche – Karriere voranzutreiben, andererseits leisten die Forscher ihren ganz persönlichen Beitrag, die Nutzung der Geothermie ein Stück weiterzuentwickeln.

Geothermie

Geothermie (Erdwärme) ist die unterhalb der festen Oberfläche der Erde gespeicherte Wärmeenergie. Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, desto wärmer wird es. In Mitteleuropa nimmt die Temperatur um etwa 3 °C pro 100 Meter Tiefe zu. Man geht davon aus, dass im Erdkern Temperaturen von etwa 5000 bis 7000 °C erreicht werden. Diese in der Erde gespeicherte Wärme ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich.

Aus dem Innern unseres Planeten steigt ein ständiger Strom von Energie an die Oberfläche. Die Erde strahlt täglich etwa viermal mehr Energie in den Weltraum ab, als wir Menschen derzeit an Energie verbrauchen. 30 Prozent des an die Erdoberfläche steigenden Energiestroms kommen aus dem heißen Erdkern selbst. 70 Prozent entstehen durch den ständigen Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente in Erdmantel und Erdkruste.

Quelle: GtV Bundesverband Geothermie www.geothermie.de

karriereführer informationstechnologie 2013.2014

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Weiter durch Wissen – Am Puls der Schnelllebigkeit

Kein Sektor wandelt sich so rasant wie die IT-Branche. Das ist für Einsteiger eine Herausforderung – für die Unternehmen jedoch auch. Im Kampf um die Top-Talente bieten die Großen der Branche dem begehrten Nachwuchs eine Vielzahl interessanter Möglichkeiten, damit diese stets am Ball bleiben. Dabei setzen die Arbeitgeber auf moderne Lern-Methoden sowie Zertifizierungen für echte Experten.

Mit Lernen zum Erfolg
IT-Absolventen sind begehrt – in allen Bereichen und Branchen. Doch um erfolgreich zu sein, ist Weiterbildung ein Muss.

„Zertifikate führen zu Jobs“
Stefanie Nather von Microsoft berichtet über den Sinn von Zertifizierungen in der IT-Branche.

Top-Manager:

Dr. Alexander Vollert, Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland AG
Verantwortlich für eine der größten IT-Infrastrukturen Deutschlands: Er und sein Team organisieren die 45 Millionen Verträge des Versicherungskonzerns.

Special IT & Car

IT für die Mobilität
Das Auto wird zu einem Teil des Internets. Daraus ergeben sich neue Wirkungsfelder für IT-Absolventen.

Software checkt Hardware
Informatiker Mike Schoeps-Bunke testet bei Bosch mit IT die Motorsteuerung.

IT managt Autos
Marleen Thüringer berät Automobilhersteller bei der Optimierung ihrer Prozesse.

Einsteigen

Mein Bewerbungsgespräch bei: Google

Das liebe Geld
Eine Studie zeigt auf, was Mitarbeiter in unterschiedlichen IT-Berufen verdienen.

Projekt

Gezielt gegen den Krebs
Die Protonentherapie wird zu einem Großteil mit IT gesteuert.

Start mit Scrum
Was es bringt, Projekte in Einzelteile zu zerlegen.

Wirtschaftlich teilen
Die Wirtschaft teilt schon lange die unterschiedlichsten Dinge. Doch mit der IT ändert sich die Infrastruktur.

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Autisten gesucht
Matthias Prössl vertritt die Specialist People Foundation in Deutschland.

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Prof. Dr. Gunter Dueck – Autor, Redner, IT-Visionär

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Was macht eigentlich ein Projektleiter, Herr Nitz?

Mirko Nitz, 29 Jahre, hat bereits seine Ausbildung beim Ingenieur- und Consultingunternehmen DMT in Essen gemacht und ist heute zuständig für Projektleitung und Konstruktion.

Ich bin schon seit 13 Jahren treuer Jünger des Unternehmens. Im Jahr 2000 begann ich meine Ausbildung zum Industriemechaniker und machte parallel an der Abendschule mein Fachabitur. Schon im Laufe der Ausbildung stand für mich fest, dass ich mein Wissen in diesem Fachgebiet vertiefen möchte. Auch die Pflichtpause für den Zivildienst konnte meine Motivation nicht bremsen. So begann ich mein Maschinenbaustudium an der Hochschule in Bochum und arbeitete gleichzeitig als studentische Hilfskraft bei DMT. Dieser Nebenjob, das Praxissemester während des Studiums und die abschließende Diplomarbeit gaben mir die Möglichkeit, Praxisluft zu schnuppern und die breit gefächerte Theorie des Maschinenbaustudiums konkret anzuwenden. Der stetige Praxisbezug während meines Studiums hat mir den Einstieg in das Arbeiten als Konstrukteur und Projektleiter enorm erleichtert. Nach Vollendung meiner Diplomarbeit im Bereich der optischen Messtechnik habe ich mich ein Jahr mit Wärme-Längenausdehnung im Nanometerbereich beschäftigt. Denn filigrane optische Systeme reagieren sehr sensibel auf Umwelteinflüsse in warmumformenden Betrieben. Die Konstruktion dieser robusten Lasermesstechnik für den industriellen Einsatz war eine spannende Herausforderung mit exotischen Materialien.

Vor etwa zwei Jahren habe ich in den Bereich der Antriebstechnik gewechselt. Fernab von der Feinmechanik rechne ich nun mit Lasten in Größenordnungen von Megawatt, Meganewton und Meganewtonmeter. Auf den ersten Blick sieht das nach einer großen Veränderung aus. Mit dem vermittelten Handwerkszeug aus dem Studium ändern sich jedoch eigentlich nur die Stellen vor dem Komma. Es dauert seine Zeit, aber irgendwann entwickelt man auch ein Vorstellungsvermögen für diese Größenordnungen. Zurzeit umfasst meine Arbeit die Projektleitung bei Prototypen-Tests auf unseren eigenen antriebstechnischen Prüfständen für zum Beispiel Getriebe, Kupplungen, Bremsen bis drei Megawatt sowie die CAD-Konstruktion im Prüfstandsbau.

Als Projektleiter bin ich für einen reibungslosen Prüfablauf verantwortlich. Dieser geht oftmals über mehrere hundert Stunden. In der Vorbereitung werden kundenseitige Anforderungen auf Machbarkeit überprüft und die Konstruktion beziehungsweise Beschaffung von Adaptionsteilen in die Wege geleitet. Da oft Prüfläufe über mehrere Tage im Dreischichtbetrieb gefahren werden, ist es ebenfalls meine Aufgabe, die Schichtplanung mit dem zuständigen Schichtleiter zu koordinieren. Weil die Prüfpläne sehr umfangreich und detailliert sind und auch bei Komplikationen über mehrere Tage reibungslos ablaufen müssen, ist es wichtig, stets einen Überblick über diverse Parameter und Vorschriften zu behalten. Dazu müssen auch wiederkehrende Kontrollen in Anwesenheit unserer Kunden berücksichtigt werden sowie außerplanmäßige Zwischenstopps bestmöglich in den Prüfablauf eingebunden werden.

Der Parameter „Zeit“ spielt im Prüfgeschäft eine besondere Rolle. Der Kunde übergibt uns sein Produkt am Ende des Produktionsprozesses. Aus eigener Erfahrung sind zu diesem Zeitpunkt sämtliche Pufferzeiten aufgebraucht und der Druck, festgelegte Lieferzeiten einzuhalten, enorm hoch. Für mich bedeutet dies, Komplikationen im Prüfablauf frühzeitig zu erkennen und schnelle und simple Lösungen parat zu haben.

Neben der Projektleitung ist mein zweites Aufgabengebiet die Konstruktion im Prüfstandsbau. Aus konstruktiver Sicht ist der Prüfstandsbau eine individuelle Herausforderung mit Sonderlösungen aus Maschinenbau, Hydraulik und Messtechnik. Die Konzeptentwicklung im Projektteam erfolgt prinzipiell anhand von kundenseitigen Lastenheften. Die Entwürfe erarbeite ich im Autodesk Inventor, dies erleichtert den weiteren Arbeitsablauf enorm. Die Konstruktion im CAD ist mein liebstes Handwerkszeug. Sowohl für die Visualisierung von Präsentationen beim Kunden, die FEM-Analyse von gefährdeten Bauteilen als auch die Einbindung von Zukaufteilen in den Entwurf. Die visualisierten 3-D-Modelle nutzen wir zugleich für die Konzeptvorstellung beim Kunden, und sie dienen als Grundlage für Modifikationen. Nicht selten vergehen durch wechselseitige Gespräche mit Kunden und Lieferanten mehrere Monate vom ersten Konzept bis zur Finalisierung. Der Grund dafür liegt in der Komplexität der Sonderlösungen. Oft entwickelt der Kunde selbst erst während der Entwicklung des Prüfstandes konkrete Vorstellungen von Funktion und Handhabung.

Die nötigen Soft Skills zur Projektleitung oder den Umgang mit spezieller Messtechnik habe ich selbstverständlich nicht vollständig im Studium erlernt. Mit etwas Interesse und fachbezogenen Lehrgängen bin ich aber bisher auf noch keine großen Hürden gestoßen. Generell habe ich als Legotechnik- Kind einfach das Grundbedürfnis zu wissen, warum etwas funktioniert oder nicht. Möge es eine geniale Flaschenöffnermechanik oder der mechanisch funktionierende Bremsennachsteller meines liebevoll restaurierten Youngtimers sein: Eigentlich ändern sich nur die Bausteine.

Job-Steckbrief Projektleiter

Voraussetzung:
Abgeschlossenes Ingenieurstudium

Einstiegsmöglichkeiten:
Praxissemester, Abschlussarbeit, Absolvent, Direkteinstieg

Gehalt:
Ingenieure (nach Berufserfahrung) ohne Personalverantwortung:
40.414€ bis 84.455 € (www.personalmarkt.de)

Informationen:
www.think-ing.de/think-ing/der-ingenieurberuf/taetigkeitsfelder/nach-berufsfeldern/projektmanagement

Weltraumfahrstuhl

Einmal den Mond bereisen, und das nicht als Astronaut mit jahrelanger Ausbildung, sondern einfach als Besucher. Davon träumt die Menschheit schon lange. Und dann natürlich keine unbezahlbar teure Anreise, sondern einfach in den Fahrstuhl steigen, auf den Knopf „Raumbahnhof“ drücken und zwei Tage später ist man da. Dort warten schon betankte Raumschiffe, und los geht es zu den Planeten. Vielleicht wird das ja doch irgendwann einmal Realität, fragt sich Michael Boden von der Deutschen Raumfahrtgesellschaft in seinem Bericht.

Der Weltraumfahrstuhl ist eine schon relativ alte Idee aus dem späten 19. Jahrhundert, die um das Jahr 2000 wieder aufgegriffen wurde. Raketen sind sehr teuer und zudem energetisch ineffizient. Es sind immer noch keine wiederverwendbaren Raketen in Aussicht, welche die Transportkosten ins All dramatisch senken könnten. Der Space Shuttle war zwar wiederverwendbar, hat aber zumindest ökonomisch die in ihn gesetzten Hoffnungen bei Weitem nicht erfüllt. Wie schön wäre es, wenn man auf das Rückstoßprinzip ganz verzichten könnte. Es gibt da diese Märchengeschichte von einer Bohnenstange, die bis in den Himmel wächst, und an der man hochklettern kann. Das wäre die Lösung.

Der Weltraumfahrstuhl würde jedoch nicht von unten nach oben gebaut, wie man vielleicht denken könnte, sondern umgekehrt. Dafür bräuchte man eine sehr große Raumstation im geostationären Orbit (GEO) in 36.000 Kilometern Höhe. Stationär heißt dieser Orbit, weil sich ein Objekt dort genau so schnell bewegt, dass es in 24 Stunden die Erde umkreist, demnach immer über demselben Ort am Äquator steht, und dies ist der entscheidende Punkt.

Diese Raumstation fungiert als Fabrik, in der entweder aus angelieferten Rohstoffen ein langes Seil beziehungsweise Kabel oder Band hergestellt wird oder in der angelieferte Teilstücke verschweißt werden können. Die Anlieferung müsste dabei mit Raketen von der Erde aus erfolgen. Hierbei ist mit Kosten um mindestens 10.000 Dollar pro Kilogramm Fracht zu rechnen. Personal müsste ebenfalls nach oben gebracht werden, und zwei- oder dreimal im Jahr wieder auf die Erde zurück. Das „Einfangen“ und Heranbugsieren eines kleinen kohlenstoffhaltigen Asteroiden von 50 Metern Durchmesser würde das Verfahren entscheidend vereinfachen. Denn einerseits gibt es sehr viele dieser Objekte, man fasst sie in der Klasse der Arjuna-Asteroiden zusammen. Andererseits haben sie den Vorteil, dass sie nur eine ganz geringe Bahnneigung gegenüber der Erdbahn aufweisen und eine erfreulich geringe Geschwindigkeitsdifferenz gegenüber der Erde besitzen. Somit müssen sie nur um einige Hundert oder sogar nur um einige Zehn Meter pro Sekunde abgebremst oder beschleunigt werden.

Man kann so ein Exemplar von etwa 100.000 Tonnen Masse in den geostationären Orbit „bugsieren“, wo seine verschiedenen Rohstoffe, wie Metalle oder Kohlenstoff, vor Ort für den Fahrstuhl verarbeitet werden können und somit nicht kostenintensiv hochgeschafft werden müssen.

Nach der klassischen Raketengrundgleichung von Hermann Oberth und Ziolkowski – v = w x ln ma/mb – werden nur 2000 Tonnen Treibstoff benötigt, um Hunderttausend Tonnen Masse um 300 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Diese Menge mit Raketen hochzubefördern, ist sicher ein riesiger Aufwand, aber es sind eben nur zwei Prozent von der Gesamtmasse des Fahrstuhles.

Weltraumfahrstuhl, Skizze: Michael Boden

Was nun die in Betracht kommenden Materialien für einen Weltraumfahrstuhl betrifft, ist Folgendes zu sagen: Stahl scheidet als Material für das Seil aus, er würde einfach reißen wie ein Spinnenfaden. Kevlar ist besser, aber nicht gut genug. Kristalline Graphitfasern kommen schon eher in Betracht. Der unbedingte Favorit aber sind die winzig kleinen Carbon Nanotubes. Diese weisen exorbitante mechanische, thermische und elektromagnetische Eigenschaften auf, sogar Supraleitfähigkeit bei tiefen Temperaturen. Es gibt sie auch schon seit einigen Jahren, aber noch ist es nicht gelungen, Röhrenbündel von mehr als 20 Zentimetern Länge herzustellen. Man bräuchte jedoch sagenhafte 144.000 Kilometer. Denn 36.000 Kilometer genügen noch nicht. Das „Seil“ würde herunterfallen und die Station mit in die Tiefe ziehen, je länger es wird und je mehr es sich der Erdoberfläche nähert. Es muss also ein Gleichgewicht her, die sogenannte Oberlänge. Sie muss bei dieser Entfernung 108.000 Kilometer lang sein, damit sie die sich nach außen hin ständig vergrößernde Fliehkraft, die Schwerkraft, genau kompensieren kann.

Die rote Zentralstation ist in der oben stehenden Grafik nicht zufällig wie ein Auflager gezeichnet, so soll die physikalische Ähnlichkeit mit einer Wippe verdeutlicht werden. An diesem Punkt, in der geostationären Umlaufbahn, befindet sich der Schwerpunkt des Seiles. Wenn die Oberlänge versehentlich ein paar Kilometer zu lang geraten würde, wäre dies derselbe Effekt, als ob auf einem Arm der Wippe ein schwereres Kind säße als auf dem anderen Arm. Das Abschlussgewicht am oberen beziehungsweise äußeren Ende des Seiles dient der Straffung des Endstückes mittels Zentrifugalkraft.

Filmtipp

Dr. Markus Landgraf ist Weltraumforscher und Missionsplaner bei der Europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt, Deutschland. Bei der TEDx-Konferenz RheinMain 2013 erklärt er den Weltraumfahrstuhl.
Auf Youtube zu sehen unter: An Elevator to Space: Markus Landgraf at TEDxRheinMain:

Das Problem mit der unzureichenden Reißfestigkeit der konventionellen Materialien kann man entschärfen, wenn mit einem gleitenden Querschnitt gearbeitet wird, was bedeutet, dass der Querschnitt des Seiles oder Bandes an der Zentralstation am Größten ist und nach unten und oben hin kontinuierlich abnimmt. In einem Kilometer Höhe hat das Seil nämlich nur die Frachtgondeln zu tragen, das Eigengewicht zählt praktisch nicht. Am Schwerpunkt aber haben sich die Gewichtskräfte aussummiert, die aus etwa 100.000 Tonnen Strukturmasse entstehen. Mit solch einer Masse muss man schon rechnen, wenn man einen Weltraumfahrstuhl haben möchte, der um die 50.000 Tonnen pro Jahr hinaufzieht. Die Fracht würde beispielsweise aus Treibstoff, Lebensmitteln, Bauteilen von Satelliten und Raumschiffen, Wasser, und vor allem aus Material für den Bau eines zweiten, dritten oder vierten Lifts bestehen. Oder eben auch aus Personen, die in speziellen Kabinen hinauftransportiert würden.

Diese Frachtgondeln und Wohnkabinen können sich, je nach Energieeinsatz, mit einigen Hundert Stundenkilometern an der Struktur heraufziehen, was eine Fahrtzeit von zwei bis drei Tagen bedeutet. Dafür würden Klettermaschinen benötigt, die ihre elektrische Energie dem supraleitenden Band entnehmen. Die Stromkosten betrügen theoretisch nur 90 Cent für ein Kilogramm Nutzlast in den geostationären Orbit. Das klingt zunächst unglaubwürdig, aber es ergibt sich aus der Tatsache, dass die kinetische und potenzielle Energie eines Kilogramms Masse, welches von der Erdoberfläche in den geostationären Orbit befördert wird, um 60 Millionen Joule erhöht wird. 60 Millionen Joule, das sind 60 Millionen Wattsekunden, also 60.000 Kilowattsekunden. Geteilt durch 3600 ergeben sich 16,7 Kilowattstunden. Und eine Kilowattstunde Strom kann schon heute durchaus zu fünf Cent erzeugt werden, das ergibt dann diese 90 Cent. Das ist der Gegenwert eines Cheeseburgers, nicht mehr. Von einem ganz ausgereiften System und bei voller Auslastung erhofft man sich Frachtkosten von unter 100 Dollar pro Kilogramm.

Es ist bisher nicht erwähnt worden, dass der Aufzug zweckmäßigerweise mit zwei „Förderbändern“ betrieben wird, damit die Frachtgondeln problemlos nach unten zurückgebracht werden können. Wenn man dann den Zustand erreicht hat, dass in einem Jahr Hunderttausend Tonnen Material und einige Tausend Menschen zu Raumschiffwerften, Konstruktionsanlagen, Raumstationen, Solarkraftwerken und Treibstoffdepots im geostationären Orbit geschafft werden können, und dies zu Kosten von nur 20 oder 30 Milliarden Dollar im Jahr, also für weit weniger als ein Promille des Weltbruttosozialprodukts, dann liegt das Sonnensystem uns zu Füßen.

Dann, und nur dann, können die altbekannten Raumfahrtvisionen von Marsflügen, großen Mondstationen, Asteroidenbergbau, Habitaten mit Zehntausenden Bewohnern, riesigen Solarkraftwerken, bemannten Flügen an den Rand des Sonnensystems und so weiter wahr werden. Solche Raumlifte können übrigens auch auf dem Mars und sogar auf dem Mond gebaut werden. Unendliche Weiten …

Events

Zum fünften Mal trafen sich Interessierte, Forscher und Wissenschaftler aus aller Welt zur Space Elevator Conference. Veranstaltet wird sie vom International Space Elevator Consortium (ISEC). Dieses Jahr fand sie vom 23.-25.8.2013 im Museum of Flight in Seattle, Washington, USA, statt.
Mehr Infos unter: www.isec.org/sec

Die Space Elevator Challenge fand das letztes Mal 2010 in Tokio, Japan, statt. Hier traten Studententeams gegeneinander an, um ihre selbstkonstruierten Lifts vorzustellen. Im Jahr davor traten im NASA Dryden Flight Reseach Center in Edwards, Kalifornien, USA, drei Teams gegeneinander an. Gewinner gab es jedoch nicht, denn bisher existiert der Weltraumlift nur auf dem Papier.
www.spaceelevatorgames.org

Faszination Weltraumforschung

Sie erforschen unsere Nachbarplaneten, experimentieren in der Schwerelosigkeit und treiben die Umweltbeobachtung aus dem All voran: Die Expertenteams des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten an vielfältigen Weltraumprojekten. In die Spitzenforschung können schon Studierende einsteigen, wie Sarah Fischer vom DLR dem karriereführer berichtet.

Wenn es nach Dr. Sami Haddadin geht, könnten feinfühlige Roboter bald Reparaturarbeiten an Raumfahrzeugen ausführen oder ergonomisch ungünstige Arbeiten am Montageband übernehmen – Seite an Seite mit ihren menschlichen Kollegen: Der Ingenieur entwickelt im Robotik- und Mechatronik- Zentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sensorgeführte Leichtbauroboter für den Einsatz im Weltraum und auf der Erde. Mit seiner wegweisenden Grundlagenforschung hat er dazu beigetragen, das Forschungsgebiet der Human-Centered Robotics weltweit zu etablieren. Ein sicherer Roboter reagiert in Echtzeit auf dynamische Ereignisse und bleibt mit der Stärke und Schnelligkeit seiner Bewegungen stets unterhalb der Schwelle, die für den Menschen gefährlich ist.

Um gemeinsam mit einem Menschen auf engstem Raum zu arbeiten, muss er außerdem eine drohende Kollision innerhalb von Millisekunden erkennen – dank ausgefeilter Drehmomentsensorik und Überwachungsalgorithmen wird er dann nachgiebig oder stoppt sofort. Die Mensch-Roboter-Kollaboration eröffnet für Unternehmen ganz neue Möglichkeiten der Automation. Damit sie berechnen können, welche Vorteile ihnen der Einsatz von Robotern bringt, hat Sami Haddadin mit seinem Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden eine spezielle Software entwickelt: Sie ermöglicht eine detaillierte Planung und Simulation sicherer Arbeitsabläufe von Mensch und Roboter in der Arbeitszelle. In einer Ausgründung, die das DLR finanziell und mit Know-how unterstützt, entwickelt er die Technologie jetzt bis zur Marktreife.

Neben sicheren Robotern arbeiten DLRTeams an vielen weiteren innovativen Technologien und Anwendungen für den Weltraum: Experten entwickeln etwa den hüpfenden Asteroidenlander MASCOT (Mobile Asteroid Surface Scout), der im Rahmen der japanischen Hayabusa-II-Mission auf dem Asteroiden 1999 JU 3 an mehreren Orten wissenschaftliche Messungen vornehmen soll. Dass sich ein Lander erstmals auf der Oberfläche eines Asteroiden fortbewegen wird, ermöglicht ein beweglicher Extender-Arm, den die Wissenschaftler auf Parabelflügen bereits erfolgreich in der Schwerelosigkeit getestet haben. Die Forscher entwickeln auch Lageregelungssysteme für Satelliten und erforschen mit dem Flugexperiment SHEFEX (Sharp Edge Flight Experiment) kostengünstige Wiedereintrittstechnologie. Ein wesentlicher Beitrag zu Galileo, dem europäischen Navigationssystem, kommt ebenfalls vom DLR: Die Expertenteams überwachen im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA den Zustand der Satelliten und sämtlicher Instrumente an Bord. Außerdem sind sie für die Steuerung der Satelliten zuständig – vier von insgesamt 30 sind bereits im All.

Zur Spitzenforschung in den Bereichen Raumfahrt, Luftfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit können schon Studierende ingenieur- und naturwissenschaftlicher Studiengänge bei Praktika, Werkstudententätigkeiten und Abschlussarbeiten wichtige Beiträge leisten. Nachwuchswissenschaftler übernehmen in den 32 Instituten und Einrichtungen früh Verantwortung und können im Rahmen der interdisziplinären Projekte auch eigene Ideen verfolgen. Das Forschungszentrum fördert seine Mitarbeiter mit vielfältigen Weiterbildungsangeboten und hat mit dem DLR_Graduate_Program ein anspruchsvolles Qualifizierungsprogramm für Promovierende etabliert. Den Wissenschaftlern steht an den 16 Standorten zudem eine exzellente Infrastruktur zur Verfügung: Zur Ausstattung der Raumfahrtinstitute gehören unter anderem Windkanäle, Materialprüfmaschinen, Antennenanlagen, eine mobile Raketenbasis, funktionsidentische Bodenmodelle von Raumfluggeräten und einzigartige Raketenprüfstände.

Herrin über die Raketenprüfstände des DLR ist Anja Frank: Die Ingenieurin leitet die Abteilung Versuchsanlagen des Instituts für Raumfahrtantriebe. Unter ihrer Führung entwickeln, bauen und betreiben 80 Mitarbeiter Prüfstände, Tankanlagen, Dampferzeuger und Kühlwasseranlagen. Die Forscher und Techniker testen Raketentriebwerke unter Flugbedingungen – das ist die Voraussetzung für einen späteren zuverlässigen Einsatz im All und eine möglichst genaue Missionsvorhersage. „Auf acht Prüfständen zünden wir die Triebwerke genau wie auf der Startrampe, sie heben nur nicht ab“, erklärt Anja Frank. Bei jedem Versuch erfasst sie mit ihrem Team bis zu 1000 Daten an Prüfstand und Triebwerk, die anschließend ausgewertet werden.

Einige der Prüfstände auf dem Versuchsgelände sind in ihrem Aufbau und ihren Testmöglichkeiten einzigartig in Europa. Das Ergebnis ihrer Arbeit sieht Anja Frank spätestens dann, wenn wieder eine Rakete in Richtung All unterwegs ist – viele Daten, die in den Prüfständen gesammelt wurden, haben die Entwicklung vorangetrieben, manches Triebwerk hat seine Qualifikation für den Weltraum von ihrem Team erhalten: „Ohne unsere Triebwerks- und Brennkammertests würde zum Beispiel die Ariane 5 nicht fliegen.“

DLR Raumfahrt-Institute

  • Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik
  • Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung
  • Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik
  • Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD)
  • Institut für Flugsystemtechnik
  • Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme
  • Institut für Kommunikation und Navigation
  • Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin
  • Institut für Materialphysik im Weltraum
  • Institut für Methodik der Fernerkundung
  • Institut für Physik der Atmosphäre
  • Institut für Planetenforschung
  • Institut für Raumfahrtantriebe
  • Institut für Raumfahrtsysteme
  • Institut für Robotik und Mechatronik
  • Institut für Technische Physik
  • Institut für Werkstoff-Forschung
  • Flugexperimente
  • Raumflugbetrieb und Astronautentraining
  • Simulations- und Softwaretechnik
  • Systemhaus-Technik

Quelle: www.dlr.de

„Mit beiden Füßen auf dem Boden“

Interview mit Lucius Bunk und Alexander Tebbe

Drei Schiffe gehören ihnen mittlerweile: Lucius Bunk, 34 Jahre, und Alexander Tebbe, 31 Jahre, sind die jüngsten Reeder Deutschlands. Und ihnen gelingt in der tiefsten Krise der Schifffahrt etwas, was keinem anderen so recht gelingen will: Sie sind erfolgreich. Warum das so ist und wie junge Gründer ihre Projekte angehen sollten, verraten sie im Interview mit Meike Nachtwey. Nur eins bleibt ihr Geheimnis: Wonach sie ihre Schiffe benennen.

Sie sind weder Ingenieure noch Schiffbauer, sondern Geisteswissenschaftler und Kaufmann. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Reederei zu gründen und Frachter zu kaufen?
Alexander Tebbe (AT): Wir haben beide in traditionellen Hamburger Reedereien das Schifffahrtshandwerk gelernt und hatten unser gesamtes berufliches Leben mit Schifffahrt zu tun. 2005 haben wir uns dann kennengelernt und sehr intensiv zusammengearbeitet. Dabei haben wir festgestellt, dass das gut klappt und uns beiden Spaß macht. Da haben wir beschlossen: Wenn einmal der Zeitpunkt kommt, an dem alles zusammenpasst und das Schicksal es will, dann gründen wir eine Firma. Am Anfang war viel Unsicherheit, aber irgendwann war der Zeitpunkt da.

Wieso haben Sie sich die Nische „Stückgutfrachter“ ausgesucht?
Lucius Bunk (LB): Entscheidend war die Erkenntnis, dass Schiffe nur dann Geld verdienen, wenn man sicherstellt, dass sie auch Ladung von A nach B transportieren. Im Containerschiffbereich ist das sehr schwierig, weil man da sehr große Konzerne mit vielen Tausend Mitarbeitern braucht, um alles zu bewältigen. Im Stückgutsegment hingegen wird eine Ladung nur von einer Partei verschifft. Wenn Siemens zum Beispiel Windmühlenflügel von China nach Europa transportiert, ist einerseits die Ladung für uns sehr inspirierend, andererseits ist das Projekt spannend, weil wir selbst die Ladung akquirieren können.

Hatten Sie beim Kauf Ihres ersten Schiffes keine Angst vor großen Zahlen?
LB: In der Schifffahrt operiert man generell mit großen Zahlen. Einmal Auftanken bedeutet schon eine sechsstellige US-Dollar-Rechnung. Wir sind aber auch schon eine Weile dabei, irgendwann weiß man, dass man mit Millionensummen hantiert und dass ein Schiff einen bestimmten Wert hat. Das Volumen des Geldes hat mich nicht zusätzlich beeindruckt.
AT: Man kauft ja nicht nur ein Schiff für zehn Millionen Euro, man lädt es zudem für 200.000 Dollar voll. Wir haben jetzt drei Schiffe, die tägliche Kosten von jeweils etwa 5000 Dollar verursachen – pro Woche gehen hier also 100.000 Dollar über den Tisch. Man gewöhnt sich ein Stück weit an die großen Summen und die vielen Nullen, andererseits führen wir uns immer wieder vor Augen, dass wir uns davon nicht abstumpfen lassen dürfen. Wir kaufen nach wie vor die billige H-Milch und günstige Bleistifte. Und das machen wir absichtlich, denn wir wollen das Gefühl auch für die kleinen Summen nicht verlieren. Weil wir mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben wollen.

Wie haben Sie die Skeptiker überzeugt, Ihnen zehn Millionen Euro zu leihen?
LB: Am Ende war das Entscheidende, dass wir nicht lockergelassen haben, immer wieder unsere Vision und unser Konzept vorgestellt und die Menschen uns die Vision auch abgenommen haben. Wir konnten deutlich machen, dass wir das unbedingt wollen.
AT: Außerdem haben die Geldgeber gemerkt, dass das Projekt gut strukturiert und durchdacht war: Wir agieren bewusst antizyklisch, haben eine Vision mit klarem Fokus auf Stückgutsegment und eine klare Struktur für die Anteilseigner. Dadurch konnten wir Vertrauen gewinnen. Und Vertrauen ist letztendlich alles. Auch bei den Bankern. Vertrauen ist das stärkste Fundament, das es gibt. Hier zählt nicht der Harvard-Abschluss, sondern eher, ob ich ein Hamburger Junge bin, der hanseatisch tickt.

Muss man besonders mutig sein, um als Start-up erfolgreich zu sein?
LB: Der Mut, den Sprung ins Ungewisse zu wagen, ist ein entscheidender Faktor. Man kann trotz ausgefeiltem Konzept nicht davon ausgehen, dass man jede Eventualität bedacht hat.
AT: Ich halte mich nicht für besonders mutig, aber eins meiner Horrorszenarien war, dass ich mit 40 denke: „Hätte ich es mal gemacht. Warum habe ich nicht?“
LB: Ich war vom ersten Tag an davon überzeugt, dass es klappt, wenn wir uns anständig verhalten, unserer Idee die bestmögliche Chance geben und rausgehen aus der Komfortzone. Wenn es dann am Ende nicht klappt – schließlich gehört auch immer Glück dazu –, haben wir trotzdem dazugelernt, und das ist dann auch okay. Dann muss man eben bei Null wieder anfangen. Die Möglichkeit des Scheiterns ist Teil des Spiels, das muss man im Hinterkopf behalten.

Wie fühlt es sich an, sein eigener Chef zu sein?
LB: Es ist ein tolles Gefühl, die eigenen Visionen Dritten erklären zu dürfen und die Verantwortung auch in letzter Konsequenz zu tragen. Es stört mich nämlich, dass heute keiner die Verantwortung tragen will, keiner Fehler zugeben kann. Jetzt bin ich in der Situation, dass ich selber gestalte und hinterher sagen kann: Ich habe etwas richtig oder falsch gemacht, und das lag daran, dass ich eine Entscheidung getroffen habe. Das finde ich deutlich befriedigender.

Welche Eigenschaften haben Ihnen geholfen, den Plan durchzuziehen, eine eigene Reederei zu gründen?
AT: Eine gute Ausbildung. Man sollte nicht auf den Kopf gefallen sein und ein dickes Fell haben. Wir mussten gegen so viele Widerstände kämpfen oder standhalten – aber das hat uns nicht aufgehalten.
LB: Selbstbewusstsein ist wichtig, sonst fühlt man sich langfristig in seiner Rolle nicht wohl und kommt auch mit Rückschlägen nicht zurecht. Bei uns ist es die Unterschiedlichkeit: Gelassenheit und Ruhe bei mir, Antrieb und Dynamik bei Alex – wir ergänzen uns in unseren Eigenschaften, und das ist sehr spannend.

Wieso waren Sie sich sicher, dass Ihr Unternehmen ein Erfolg wird?
LB: Ich glaube an Zyklik. Wir sind zurzeit in einer sehr tiefen strukturellen Schifffahrtskrise, und viele Unternehmen wurden in Krisen gegründet. Sie haben Dinge anders gemacht und davon profitiert, dass sich die Dynamik zum Positiven gedreht hat. Darüber hinaus glaube ich fest an uns und unser Team, und daran, und dass wir frischen Wind in eine traditionelle Branche bringen. Wir stellen den Spruch: „Das haben wir immer schon so gemacht“ in Frage und beleuchten ihn kritisch.
AT: Jede Krise birgt eine Chance, wir wollten diese Chance nutzen. Und wir sind mit sehr viel Herzblut dabei und empfinden Arbeit nicht als Arbeit. Mit dieser Einstellung sind meiner Meinung nach die Erfolgschancen sehr hoch.

Ihr Tipp für junge Gründer?
AT: Nicht das Leben schön reden und Luftschlösser bauen, auch wenn Träumen ein ganz wichtiger Punkt ist. Aber am Ende muss man ehrlich zu sich selbst und realistisch sein. Und wenn man von sich und seiner Idee überzeugt ist, sollte man auch starten und nicht Ausreden finden, um es aufzuschieben. Man darf keine Angst davor haben, dass es nichts wird.
LB: Mein Tipp: Lieber früh anfangen als zu spät. Erfahrung sammelt man, während man etwas macht. Man ist sowieso nicht darauf vorbereitet, was es heißt, sich selbstständig zu machen.

Lucius Bunk

Nach dem Studium von Volkswirtschaftslehre und Philosophie an den Universitäten Edinburgh und Hongkong stellte Lucius Bunk die Weichen seiner Karriere Richtung Asien. Ein Sinologiestudium in Heidelberg und Shanghai brachte ausgezeichnete Sprachkenntnisse und ein profundes Verständnis für das moderne China.
Schon früh wusste der in Bad Homburg aufgewachsene Wirtschaftsökonom, dass seine berufliche Zukunft in der Schifffahrt liegt. Bei der Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ erlernte er im Anschluss an seine Studien im Rahmen eines Managementprogramms das Schiffshandwerk.
Als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Ernst Russ (Far East) leitete Lucius Bunk zuletzt das Büro in Shanghai. Neben der Koordination der fernöstlichen Aktivitäten des Hamburger Stammhauses initiierte er erfolgreich Neubauprojekte und vertiefte die Kontakte zur aufsteigenden chinesischen Schiffsindustrie.

Alexander Tebbe

Nach seiner Ausbildung bei der Oldenburg- Portugiesischen Dampfschiffs-Rhederei, einer der ältesten Linienreedereien Deutschlands, sammelte der aus Haren/Ems stammende Schifffahrtskaufmann in den USA sowie in Großbritannien international Erfahrung im Schiffsmakler- und Reedereigeschäft.
Sein Studium an der Cass Business School in London mit dem Schwerpunkt Schiffsfinanzierung hat Alexander Tebbe mit Auszeichnung abgeschlossen. Im Anschluss zeichnete er bei der Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ für die Projektbereiche Frachtderivate und Schiffsfinanzierung mitverantwortlich.
Als Geschäftsführer der Fonds- und Einschiffsgesellschaften leitete Alexander Tebbe zuletzt den Schifffahrtsbereich eines Hamburger Emissionshauses. Neben dem Fondsmanagement und der Akquise von Schifffahrtsprojekten war er hier für die Bereiche Konzeption und Kapitalvertrieb zuständig.

Jung und erfolgreich bei: Roland Berger

Name: (der Redaktion bekannt)
Position: Senior Consultant
Stadt: Düsseldorf
Alter: unter 30
Studium: Dipl.-Ing. Maschinenbau
Abschlussjahr: 2009
Weiterbildung: MBA
Abschlussjahr: 2010

Ich arbeite seit 2011 bei Roland Berger Strategy Consultants und bin mittlerweile als Senior Consultant im Bereich Engineered Products/High Tech tätig. Meine Aufgabe besteht darin, weltweit Unternehmen zu strategischen und operativen Fragestellungen zu beraten. Dabei habe ich mich auf Unternehmen spezialisiert, die technische Produkte entwickeln und herstellen.

Aus meinem Maschinenbaustudium kann ich Wissen aus verschiedenen Fachbereichen anwenden: etwa aus Produktentwicklung, Produktion, Werkstoffkunde und Elektrotechnik. Analytisches Denken ist ohnehin eine Grundvoraussetzung für jeden Strategieberater. Ich habe zusätzlich noch einen MBA absolviert, um meine BWL-Kenntnisse zu vertiefen. Ein betriebswirtschaftliches Zusatzstudium ist aber keine Voraussetzung für den Einstieg bei Roland Berger – vielmehr ist entscheidend, Interesse an wirtschaftlichen und strategischen Fragestellungen mitzubringen.

In meinem Arbeitsalltag als Beraterin analysiere ich Prozesse beim Kunden, moderiere Workshops, führe Interviews mit den Mitarbeitern in dem jeweiligen Unternehmen und präsentiere den Entscheidern auf Managementebene meine Ergebnisse. Dass ich mich ständig auf neue Kunden, Märkte und die dazugehörigen Fragestellungen einstellen muss, ist dabei die größte Herausforderung. Doch genau diese Abwechslung und die Arbeit im Team machen mir Spaß.

Da die meisten Projekte vor Ort beim Kunden durchgeführt werden, reise ich viel. Allein im vergangenen Jahr war ich beruflich in Deutschland, Spanien, den USA, der Schweiz, in Holland und Brasilien unterwegs. Auch in Frankreich führe ich häufig Projekte durch – dort habe ich sechs Jahre lang gelebt, vor meinem Einstieg in die Unternehmensberatung.

Zwei der wichtigsten Gründe, warum ich mich als Maschinenbau-Ingenieurin in der Beratung wohlfühle, sind der hohe Anspruch an meine Arbeit und die gleichzeitige Förderung meiner Karriere. So bietet Roland Berger sowohl Uni-Absolventen als auch Quereinsteigern mit Berufserfahrung attraktive berufliche Perspektiven. Ich bin im Anschluss an meine Tätigkeit bei einem französischen Industrieunternehmen direkt als Consultant eingestiegen.

Auch die effektive Arbeitsweise bei Roland Berger gefällt mir gut. Wir geben nicht nur theoretische Empfehlungen, sondern helfen unseren Kunden auch bei der Implementierung der Maßnahmen. Dabei legen wir bei unseren Projekten Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Kunden über alle Hierarchieebenen hinweg. Die Kunden schätzen uns daher als Berater, die auch bei der Umsetzung der Konzepte unterstützen. Wer also die Herausforderung sucht und gerne im Team arbeitet, ist hier genau richtig.

Interview mit Dr. Rüdiger Grube

Der Bahnchef

Ob das Herbstlaub für Verspätungen sorgt, ein ICE liegen bleibt oder Anschlusszüge verpasst werden: Über kein Unternehmen wird so viel geredet wie über die Deutsche Bahn. Konzernchef Dr. Rüdiger Grube weiß, dass er keinen einfachen Job hat. Warum er die Herausforderung Bahnchef dennoch gerne annimmt und wie dem Ingenieur ein Zeitungsartikel zum Thema Organspende beim Karriereeinstieg geholfen hat, verrät er in einem persönlichen Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Rüdiger Grube, geboren am 2. August 1951 in Hamburg, absolvierte eine Ausbildung im Metallflugzeugbau und studierte im Anschluss an der FH Hamburg Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik. Es folgten ein Studium der Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Uni Hamburg und eine Promotion in Arbeitswissenschaften und Polytechnik an den Unis Hamburg und Kassel. 1989 begann er seine Karriere bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm, später Daimler- Benz Aerospace (DASA). Nach Zwischenstationen bei Airbus Deutschland und beim Luft- und Raumfahrtstandort München-Ottobrunn wurde Grube 1995 zum Direktor Unternehmensplanung und Technologie der DASA berufen. 1996 wechselte er als Senior Vice President und Leiter der Konzernstrategie zu Daimler, wo er 2001 zum Vorstand der Konzernentwicklung aufstieg und ab 2005 für das Geschäft in China zuständig war. Am 1. Mai 2009 wurde der 62-Jährige zum Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn ernannt.

Herr Dr. Grube, die Deutsche Bahn steht wie kein anderes deutsches Unternehmen im Fokus der Öffentlichkeit. Benötigt man als Ingenieur bei der Bahn bessere Nerven als anderswo?
(lacht) Ja, das ist so und wird auch so bleiben. Mit mehr als sieben Millionen Kunden täglich sind wir im wahrsten Sinne des Wortes ein öffentliches Unternehmen. Ein Beispiel: Wir haben in unserem Gleisnetz rund 70.000 Weichen und Kreuzungen. Wenn davon 98 Prozent an 365 Tagen reibungslos funktionieren, müsste man objektiv feststellen, das ist ein überdurchschnittlich hoher Wert. Gibt es aber unter den zwei Prozent Störungen Weichen und Kreuzungen, die in einem Knoten wie Hamburg oder Berlin nicht funktionieren, dann hat das fatale Folgen für die Pünktlichkeit und die Anschlusszüge, die bundesweit registriert werden.

2012 war für den Konzern ein Rekordjahr in allen Belangen: Mehr Umsatz und Gewinn, mehr Fahrgäste – und 11.000 neue Mitarbeiter. Wo liegen – gerade mit Blick auf Einsteiger in Ihr Unternehmen – die sensiblen Stellen dieses Wachstums?
Ich kenne kein komplexeres Unternehmen als die Deutsche Bahn. Gerade für junge Einsteiger ist daher eine gute Einarbeitung in den ersten Monaten extrem wichtig. Sie müssen eine Vorstellung von der Vielschichtigkeit des Rad-Schiene-Systems und von den Verknüpfungen der unterschiedlichen Geschäftsfelder erhalten. Wir sind ja auch kein reines Eisenbahnunternehmen mehr, sondern ein weltweit agierender Mobilitäts-, Transport- und Logistikkonzern. Da ist es wichtig, dass man lernt, wo man im Konzern seine Ansprechpartner findet.

Wie kommen Sie als Bahnchef selber in Kontakt mit jungen Ingenieuren? Und wie beurteilen Sie den Nachwuchs der jungen Generation?
Ich lege großen Wert darauf, möglichst viel Zeit vor Ort mit den Kolleginnen und Kollegen in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern zu verbringen. Daher habe ich auch regelmäßig Kontakt zu unseren Nachwuchskräften. Mein Eindruck ist, dass die Berufseinsteiger heute kritischer sind als früher. Es wird mehr nachgefragt, gerade auch, was die eigenen Entwicklungsperspektiven betrifft. Aber auch die Vereinbarung von Job und Privatleben ist ein großes Thema. Diese neue Einstellung der Einsteiger mag vielleicht den jeweiligen Vorgesetzten mehr Arbeit machen, aber im Ergebnis führt dieser Wandel häufig zu mehr Transparenz und Sinnhaftigkeit sowie einer besseren Kenntnis der Ziele und Motive von Mitarbeitern.

Wie zufrieden sind Sie mit den Anteil an Ingenieurinnen in Ihrem Unternehmen?
Historisch bedingt sind im Eisenbahnsektor viele Berufe technisch geprägt und Frauen in diesen Bereichen oft noch unterrepräsentiert. Wir arbeiten jedoch intensiv daran, schon Mädchen und junge Frauen frühzeitig für technische Berufe zu begeistern und den Frauenanteil im Unternehmen weiter zu steigern. In den sogenannten MINTBerufen, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, wo heute vorwiegend das männliche Geschlecht vertreten ist, müssen wir mehr Frauen in Führungsverantwortung bringen.

Was machen Sie konkret?
Wir kümmern uns gezielt um unsere Ingenieurinnen in Führungspositionen. Gerade erst ist ein neues Mentoring- Programm gestartet worden. Damit möchten wir unsere Ingenieurinnen noch besser bei Themen wie Netzwerkbildung oder Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Zudem haben wir neben unserer „DB Führungs-Akademie“ unsere „DB Technikakademie“ gestartet, ein Weiterbildungsforum mit ganz speziellen Angeboten an unsere Ingenieurinnen – und natürlich auch an die männlichen Kollegen. Wir möchten Interesse wecken für den nächsten Karriereschritt und damit auch mehr Frauen für Führungspositionen begeistern.

Sie sind selber diplomierter Ingenieur. Welche technischen Herausforderungen, vor denen Ihr Unternehmen steht, reizen Sie persönlich am meisten?
Die ökologischen Ziele unserer Konzernstrategie sind mit einer Vielzahl spannender technologischer Herausforderungen verbunden. Nehmen Sie beispielsweise den Ausbau erneuerbarer Energien im Bahnstrommix: Bis 2020 wollen wir deren Anteil auf mindestens 35 Prozent erhöhen. 2050 soll der Schienenverkehr dann komplett CO2-frei sein. Ein ambitioniertes Projekt – und zugleich eine große technische Herausforderung. Als gelernter Ingenieur ist es für mich außerdem besonders reizvoll, die Entwicklung der neuen Zuggeneration ICx begleiten zu dürfen. Unsere Kunden können sich auf den modernsten Zug der Welt freuen.

Welche Inhalte aus Ihrem Ingenieurstudium können Sie auch heute noch als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn gebrauchen?
Ich würde die Antwort gern weiter fassen. Als ein Kind des zweiten Bildungsweges habe ich erfahren, dass man mit Ehrgeiz und Arbeit weit kommen kann. Ich komme aus einfachen Verhältnissen, da musste ich mir mit viel Fleiß und Aufwand erarbeiten, was andere auf dem ersten Bildungsweg doch vielleicht etwas mundgerechter angeboten bekamen. Aber ich war immer neugierig – und diese Neugier hat mich auch durch mein Studium begleitet. Fachkompetenz als Ingenieur ist sicherlich hilfreich, wenn man eine Führungsaufgabe bei einem technikgeprägten Unternehmen wie der Deutschen Bahn übernimmt. Aber ich habe immer auch Freude daran gehabt, nicht nur auf eingefahrenen Gleisen zu fahren, sondern mir auch Anregungen und Ideen aus anderen Fächern und Berufsfeldern zunutze zu machen. Wichtig ist, dass man an seinen Zielen festhält, Einsatz zeigt und Verantwortung übernimmt. Dabei lohnt es sich, auch mal mehr zu machen, als unbedingt von einem erwartet wird. Das klappt immer und führt zum Erfolg.

Können Sie ein Beispiel für ein solches Engagement nennen?
Während meiner Ausbildung zum Flugzeugbauer habe ich eine Lehrlingszeitschrift herausgegeben und dafür auch einen Bericht zum Thema Organspende geschrieben. Eigentlich war die Zeitschrift eher technisch ausgerichtet, aber das Thema interessierte mich. Mit dem Artikel habe ich die Aufmerksamkeit von Frau Blohm gewonnen, der Frau von Walther Blohm, dem Unternehmenschef von Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Die Blohms luden mich zu sich nach Hause zum Essen ein. Später fragte mich Frau Blohm, was ich mal werden möchte. Ich sagte: „Eigentlich Pilot, aber das wird ja nichts, weil ich kein Abitur habe. Und jetzt würde ich gerne studieren, habe aber nicht genügend Geld.“ Am nächsten Tag rief Walther Blohm an und sagte: „Meine Frau hat mir erzählt, Sie wollen studieren, hätten aber kein Geld. Sind Sie mit 300 Mark im Monat einverstanden?“ Ich war völlig sprachlos und habe nur stumm genickt.

Abseits des Geldes, welche Art von Unterstützung von Seiten Ihrer Mentoren haben Sie als besonders wichtig erfahren?
Ich hätte mein Studium ohne die finanzielle Unterstützung meines Mentors nicht bestreiten können. Viel mehr als das Geld haben mich jedoch schon damals das Vertrauen und die Wertschätzung motiviert, die man mir entgegenbrachte. Ich habe gemerkt: Da glaubt jemand an mich. Das hat mich in meinem Weg bestärkt und inspiriert. Auch später – bei meinen Begegnungen mit Persönlichkeiten wie Hartmut Mehdorn, Jürgen Schrempp oder Klaus von Dohnanyi – habe ich das gegenseitige Vertrauen und den offenen und direkten Austausch stets als besonders wichtig empfunden.

Zum Unternehmen

Der Deutsche Bahn Konzern ist ein internationaler Anbieter von Mobilitätsund Logistikdienstleistungen und agiert weltweit in über 130 Ländern. Rund 300.000 Mitarbeiter, davon rund 194.000 in Deutschland, stellen Mobilität und Logistik für die Kunden sicher und steuern und betreiben die Verkehrsnetze auf der Schiene, der Straße, zu Wasser und in der Luft. Kern des Unternehmens ist das Eisenbahngeschäft in Deutschland mit nahezu 5,4 Millionen Kunden täglich im Schienenpersonenverkehr und mehr als 670.000 Tonnen beförderter Güter pro Tag. Bei den Mitarbeitern liegt der Frauenanteil bei rund 22 Prozent. Aktuell beschäftigt der Konzern 987 Studenten im Dualen Studium, von denen laut Konzernangabe knapp 90 Prozent als Nachwuchsführungskräfte übernommen werden.

„Relativieren Sie Ihre Leistung nicht“

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Interview mit Gabriele Rauße

Gabriele Rauße weiß um ihre Ausnahmeposition: Die studierte Maschinenbauerin ist Geschäftsführerin von TÜV Rheinland Cert – und damit verantwortlich für die Geschäfte eines technischen Unternehmens. Warum die 46-Jährige versucht, einen anderen Führungsstil vorzuleben, und welche Hürden sie auf dem Weg nach oben nehmen musste, erklärt sie im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Gabriele Rauße, geboren am 5.10.1967 in München, studierte Maschinenbau mit Schwerpunkt Verfahrenstechnik an der TU Darmstadt. Sie begann ihre Karriere 1992 als Projektingenieurin beim Ingenieurdienstleister Lahmeyer. Es folgte der Wechsel zum Zertifizierungsunternehmen DQS, wo sie zwölf Jahre lang als Leiterin Key Account Management tätig war. Von 2007 bis 2011 war sie Geschäftsführerin von BSI Management Systems und Umweltgutachterin, bevor sie Anfang 2012 die Geschäftsführung des TÜV Rheinland Cert übernahm.

Frau Rauße, wie gestaltet sich für Sie ein durchschnittlicher Arbeitstag?
Mein Tag ist durchgetaktet mit Terminen, bei denen ich sehr schnell Entscheidungen treffen muss. Diese betreffen ganz unterschiedliche strategische und operative Themen. Sie reichen von der Abstimmung des Vertriebskonzepts über die Neukundenakquise bis hin zur Personalentwicklung. Diese thematische Vielfalt bereitet mir sehr viel Freude. Ich muss mich immer wieder auf neue Situationen und Aufgaben einstellen. Das erfordert Flexibilität. Zudem muss ich mich schnell in neue Themen einarbeiten und Zusammenhänge erfassen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Überblick zu bewahren und zusammen mit dem Team das Gesamtziel im Fokus zu halten.

Technische Unternehmen beklagen einen Fachkräftemangel bei Ingenieuren, an weiblichen Führungskräften fehlt es besonders. Was, glauben Sie, sind die Gründe dafür?
Das Ingenieurwesen in Deutschland ist eine klassische Männerdomäne. In vielen Ländern Osteuropas ist das übrigens anders. Ich denke, Frauen haben immer noch Scheu, sich in einer Männerwelt zurechtzufinden und sich zu behaupten. Auch übernehmen viele Frauen innerhalb der Familien noch immer den größeren Part. Sie glauben dann, den familiären Anspruch nicht mit einer Führungsposition vereinbaren zu können. Neben diesen gesellschaftlichen und familiären Gründen beobachte ich zudem häufig auch ein Manko in der weiblichen Selbstdarstellung. Frauen sind oft sehr gut ausgebildet, fleißig und leistungsorientiert. Das sind alles Eigenschaften, mit denen sie gut das mittlere Management erreichen. Geht es aber in noch höhere Ebenen, spielen plötzlich andere Attribute eine große Rolle: eine gute Selbstdarstellung, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen. Ich bemerke dann, dass Frauen besonders in Verhandlungssituationen zu wenig kämpferisch für ihre Ideen und Ziele eintreten.

Wenn Sie an Ihren Werdegang zurückdenken, wann mussten Sie als Frau Hürden überspringen, die Männern vielleicht nicht im Weg gestanden hätten?
Extreme Hürden standen mir bisher noch nicht im Weg. Als junge Frau und Managerin hatte ich allerdings das Gefühl, mich stärker beweisen zu müssen als Männer. Dies lag an der zuweilen distanzierten und abschätzenden Haltung von Kollegen, die sich zu fragen schienen: „Hat sie überhaupt die Kompetenz und das Wissen für Technik und Management?“ Ab einem gewissen Alter ließ dieser Druck aber nach. Viele trauten mir dann die Erfahrungen und technischen Fähigkeiten zu, die mit einem Maschinenbaustudium gekoppelt sind.

Bekannte Führungsstile

Die Theorien über Führungsstile lassen sich anhand ihrer dimensionalen Ausrichtung in drei Teilabschnitte untergliedern:
1. Eindimensionaler Führungsstil-Ansatz:
Führungskontinuum nach Tannenbaum und Schmidt
2. Zweidimensionaler Führungsstil-Ansatz:
OHIO-Studien und die Weiterentwicklung der Aussagen resultierend aus den OHIO-Studien in Form des Verhaltensgitters nach Blake und Mouton
3. Mehrdimensionaler Führungsstil-Ansatz:
– Situationsanalyse von Hersey und Blanchard
– 3-D-Ansatz nach Reddin

Quelle: www.personaler-online.de

Versuchen Sie, einen anderen Führungsstil zu leben als Männer?
Ich pflege einen teamorientierten und damit weniger patriarchalisch geprägten Führungsstil. Und ich denke, dass dieser Stil dem Unternehmen guttut: Ich habe den Eindruck, dass wir uns während der vergangenen zwei Jahre meiner Geschäftsführungstätigkeit immer mehr zu einem Team formiert haben, das gemeinsam Ziele verwirklichen will. In der Zusammenarbeit mit meinen technischen Mitarbeitern kommuniziere ich strukturiert, klar und geradlinig. Ich spreche einfach die Sprache der Techniker.

Sie treten sehr selbstbewusst als Ingenieurin in Leitungsposition auf. Sehen Sie sich als Vorbild für junge und ambitionierte Ingenieurinnen?
Als Geschäftsführerin in einem technikaffinen Umfeld besitze ich sicherlich eine Vorbildfunktionen für Frauen. Allerdings übernehme ich dabei nicht die männlichen Charakteristika, um zu demonstrieren, wie man sich auf dieser Managementebene behaupten kann. Ich möchte Frau bleiben – und pflege daher einen charmanten und verbindlichen Stil. Ich ermuntere Frauen dazu, mutig zu sein und selbstbewusst zu ihren Fähigkeiten und Leistungen zu stehen. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an: Frauen neigen zur verbalen Bescheidenheit. Oft schmälern sie ihren Erfolg und lassen Lob nicht zu. Wenn ich zu einer Frau sage: „Das haben Sie gut gemacht!“ – dann quittiert sie dieses Lob nicht selten mit einem: „Ja, aber …“. Ich sage dann: „Relativieren Sie Ihre Leistung nicht!“

Wie fördern Sie konkret weibliche Ingenieure?
Im Rahmen eines wöchentlichen Jour fixe biete ich insbesondere jungen weiblichen Fachkräften meine Unterstützung an. Wenn sie es wünschen, nehme ich an ihren Meetings teil und frage, an welchen Stellen sie meinen Rat oder meinen aktiven Support benötigen. Ich übernehme also selbst Coachingaufgaben, biete den Frauen aber auch ein externes Coaching an, da bei gewissen Führungstätigkeiten externe Coaches sehr hilfreich sind – zum Beispiel, wenn ein Team zusammengestellt oder neue Aufgaben übernommen werden müssen.

Zum Abschluss: Gibt es ein Erlebnis, das sinnbildlich dafür steht, dass Sie seinerzeit das richtige Studium gewählt und die richtige berufliche Laufbahn eingeschlagen haben?
Mein Studium hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich habe nie an meiner Entscheidung gezweifelt. Nach meinem Abschluss habe ich in einem Planungsunternehmen für Gas- und Dampfturbinenkraftwerke gearbeitet. Ich hatte bei einem Projekt die Verantwortung für den Teil eines Kraftwerkes. Nachdem das Geplante schließlich umgesetzt und verbaut war, hat mich die gewaltige Konstruktion beeindruckt. Es war für mich ein erhebendes Gefühl, daran mitgewirkt zu haben.

Redaktionstipp: Videotraining

Es ist bekannt: Stille und zurückhaltende Menschen haben es in der dynamischen und lauten Businesswelt ungleich schwerer als die allseits präsenten und eloquenten „Tausendsassa“. Als introvertierter Mensch kann ich aber genauso viel erreichen wie die Lauten, das ist die zentrale Botschaft von Sylvia Löhken an die Leisen im Lande. Die promovierte Sprachwissenschaftlerin zeigt jetzt mit ihrem Videotraining bei der Pink University, wie introvertierte Menschen das schaffen können.
Infos unter www.leise-menschen.com

„Viele Mädchen kommen nicht auf die Idee“

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Interview mit Dr. Liane Koker

Für ihre Dissertation zu „Künstlichen Akkommodationssystemen“ erhielt die Ingenieurin Liane Koker 2012 den mit 10.000 Euro dotierten Bertha-Benz-Preis. Ihr Arbeitgeber ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), aktuell ist die Forscherin in Elternzeit. Im Interview berichtet sie über problematische Rollenbilder sowie über die Aussichten, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Liane Koker, geboren 1980 in Magdeburg, begann 2000 ein Mechatronikstudium an der Berufsakademie in Karlsruhe, das sie drei Jahre später als Diplom-Ingenieurin abschloss. 2004 setzte sie ihren akademischen Werdegang mit einem Maschinenbaustudium an der damaligen Universität Karlsruhe (TH) – heute KIT – fort. Ihre Diplomarbeit verfasste sie als GEARE-Stipendiatin („Global Engineering Alliance for Research and Education“) an der Purdue Universität in Indiana. Ihre Dissertation erarbeitete sie am KIT am Institut für Angewandte Informatik (IAI). Für diese Arbeit erhielt sie 2012 den Bertha- Benz-Preis. Liane Koker ist verheiratet und seit Januar 2013 Mutter einer Tochter.

Frau Dr. Koker, Sie sind als Forscherin auf der Suche nach einem künstlichen Akkommodationssystem. Können Sie kurz erklären, was genau Sie machen?
Das künstliche Akkommodationssystem ist ein aktives Implantat, das die Akkommodation mechatronisch wiederherstellt – also die Fähigkeit des Menschen, verschieden weit entfernte Objekte scharf zu sehen. Die künstliche Linse hat einen Durchmesser von circa neun Millimetern und ist ein hochkomplexes Mikrosystem. Die große Herausforderung ist die Integration aller Komponenten in einen sehr begrenzten und anatomisch vorgegebenen Bauraum. Das Implantat sollte zudem eine wartungsfreie Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten vorweisen sowie biokompatibel und biostabil sein. Es darf also den Körper weder schädigen noch durch diesen in seiner Funktion beeinträchtigt werden. Wir arbeiten dabei tatsächlich an der Grenze des technisch Realisierbaren.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe dafür, dass es noch immer wenige Ingenieurinnen bis in Führungspositionen schaffen?
Ich denke, hier kommen weiterhin die tief in der Gesellschaft verwurzelten Rollenbilder zum Tragen. Die Mutter eines einjährigen Mädchens sagte mir neulich: „Ich weiß gar nicht, was ich meiner Kleinen später für neues Spielzeug kaufen soll. Die große Schwester hat ja schon alles – Puppenstube, Kinderküche und so weiter. Wäre das zweite Kind ein Junge geworden, hätte ich eine Werkbank kaufen können.“ Sicherlich hätte diese Mutter nichts dagegen, wenn ihre Tochter später einmal den Wunsch äußert, Ingenieurin zu werden. Aber aufgrund der selbstverständlichen Ausrichtung ihres Umfelds kommen viele Mädchen gar nicht erst auf diese Idee.

War Ihr familiäres Umfeld anders?
Für mich als Tochter einer Ingenieurin war immer klar, dass Frauen arbeiten gehen und ebenso die freie Berufswahl haben wie Männer. Darum habe ich mich durch die Sprüche mancher Lehrer wie „Frauen gehören an den Herd“ auch nicht beirren lassen. Andere Mädchen sind vielleicht leichter zu beeinflussen. Deshalb beteilige ich mich gern an Veranstaltungen des KIT, in denen Ingenieurinnen, Physikerinnen oder Informatikerinnen jungen Mädchen ihre Berufsbilder vorstellen, um den vorgeprägten Rollenbildern eine Alternative entgegenzuhalten und Mut zur freien Berufswahl zu machen.

Ing., weiblich, jung, sucht Weg nach oben

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Jana Zaumseil wundert sich nach einem Auslandsaufenthalt über alte Geschlechtsmuster, Ana Super bereitet sich hoch motiviert auf ihre Konzernkarriere vor: zwei Geschichten von Aufsteigerinnen in technischen Berufen – und wichtige Ratschläge einer Karriereexpertin. Von André Boße

Als Jana Zaumseil in den USA und Großbritannien an neuen Erkenntnissen auf dem Feld der Nanoelektronik forschte, kam der gebürtigen Jenaerin gar nicht in den Sinn, dass es im Bereich der technischen Forschung ein Gender-Problem geben könnte. Im Ausland war es nicht ungewöhnlich, dass Frauen die Teams leiteten. Oder dass Professorinnen erste Ansprechpartnerinnen waren. „Die Gruppen waren meistens bunt gemischt“, sagt Jana Zaumseil, sodass sie sich als junge Forscherin aus Deutschland in keiner Weise als Außenseiterin vorkam.

Das änderte sich jedoch, als sie im Herbst 2009 nach Deutschland zurückkam. Jetzt war Jana Zaumseil selber Professorin für Nanoelektronik an der Uni Erlangen. Und plötzlich merkte sie, dass die Genderthematik in Deutschland sehr wohl noch eine Rolle spielt: „Bei meiner Rückkehr nach Deutschland wurde die Tatsache, dass ich eine Frau bin, plötzlich zum Thema. Ich fand das ziemlich irritierend.“ Ihr Urteil über den Status quo: „Leider haben sich die gesellschaftlichen Rollenbilder in den vergangenen Jahren in Deutschland kaum geändert. Frauen und Mädchen, die sich für Technik oder Naturwissenschaft interessieren, werden immer noch als Ausnahme dargestellt. Wenn sich das nicht ändert, werden auch weiterhin wenige junge Frauen eine technische Laufbahn wählen.“ Dass sich eben doch etwas ändert, dazu trägt die 35-Jährige nun selber bei. Jana Zaumseil ist so etwas wie ein Star in der Szene der technischen Wissenschaften – und damit ein ideales Vorbild für ambitionierte junge Frauen. Im Jahr 2010 erhielt die Wissenschaftlerin den Alfried-Krupp-Förderpreis für junge Hochschullehrer. Dotiert ist dieser Preis mit einer Million Euro. Das Geld darf sich die Forscherin natürlich nicht selbst einstecken; die Vorgabe ist es, mit der Million die Forschung voranzutreiben, neue Geräte anzuschaffen oder Doktorandenstellen zu schaffen.

Es fehlt an einer Mutmachkultur
Wenn man Jana Zaumseil fragt, was genau sie und ihr Team tun, sagt die Wissenschaftlerin zunächst einmal einen sehr komplizierten Satz: „Wir untersuchen die Ladungstransportund Lichtemissionseigenschaften von Nanomaterialien wie Kohlenstoffnanoröhrchen und halbleitenden Nanopartikeln.“ Einfacher wird es, wenn man sich der Sache über künftige Anwendungsbereiche nähert: Zaumseil und ihr Team suchen nach Materialien, die für optoelektronische Bauelemente genutzt werden können – also für Elemente, in denen elektrisch erzeugte Daten oder Energien in Lichtemission umgewandelt werden und umgekehrt. Begehrt sind solche Innovationen in der Telekommunikationsbranche. „Es handelt sich um ein sehr interdisziplinäres Gebiet, das Erkenntnisse aus der Chemie, Physik, Nanotechnologie und Elektrotechnik vereint“, sagt die Forscherin. Nur wenn man die Problematik aus verschiedenen Blickwinkeln und mit Zuhilfenahme verschiedenster Methoden betrachte, könne man zu einer Lösung kommen. Forschungsgruppen, die sich mit diesem Thema befassen, sind daher automatisch bunt gemischt. Auch das Geschlecht ist hier kein Thema. Umso überraschter war Jana Zaumseil, als sie merkte, dass sie sich in Deutschland immer wieder diesem Thema stellen muss: „Ich versuche, in meiner Arbeitsgruppe ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu schaffen, was aber an einer technischen Fakultät sehr schwer ist, da es eben einfach insgesamt wenige Frauen gibt.“

Als großes Problem für Frauen, die als Ingenieurinnen oder Forscherinnen den Weg nach ganz oben finden wollen, identifiziert sie die leisen oder lauten Zweifel, die Frauen auf dem Karriereweg begleiten. „Man steht sich generell oft selbst im Weg. Zum Beispiel, wenn man denkt, dass man nicht gut genug für ein Stipendium ist. Dann braucht man Leute um sich herum, die einen unterstützen und Mut machen.“ Und genau daran fehle es in Deutschland noch: an einer Mutmachkultur für junge Frauen, es selbstverständlich schaffen zu können.

EXIST-ING

Viele technische Unternehmen, in denen Männer über Generationen hinweg die Hauptrolle spielen, tun sich schwer damit, weibliche High Potentials zu identifizieren und zu fördern. Hier will EXIST-ING helfen: Das Projekt bietet Ansätze, um den Anteil an Ingenieurinnen in Führungspositionen zu erhöhen. Für Ingenieurinnen bietet es Schulungen, um die Führungskompetenzen zu verbessern. Zudem informieren die Experten von EXIST-ING die Geschäftsführungen und Personalleitungen der technischen Unternehmen über die Vorteile von Gender Diversity und begleiten sie, wenn es darum geht, das Thema im Qualitätsmanagementsystem zu verankern.
www.exist-ing.de

Demografischer Wandel
Aber: Es tut sich was. Initiativen wie EXIST-ING (siehe Kasten), Think-Ing oder „MINT – Zukunft schaffen“ widmen sich ausschließlich oder mit Schwerpunkten der Förderung des weiblichen Ingenieurnachwuchses. Es wäre auch fatal, dies nicht zu tun: Noch immer beklagen die technischen Unternehmen einen eklatanten Fachkräftemangel, gerade auch, was die Führungspositionen betrifft. Durch den demografischen Wandel werden in den kommenden Jahren viele Top- Stellen frei. Ohne Frauen können diese nicht besetzt werden – wobei sich Personalexperten einig sind, dass jüngere Frauen die älteren Männer nicht nur ersetzen, sondern mit ihren Eigenschaften und Führungsstilen dazu beitragen, dass sich die technischen Unternehmen positiv wandeln.

MBA ist wichtiger Karriereschritt
Eine dieser weiblichen Top-Ingenieurinnen von morgen könnte Ana Super sein, 27 Jahre alt und derzeit in der Motorenentwicklung für Nutzfahrzeuge bei Daimler tätig. Verantwortlich ist sie dort zusammen mit ihrem Kollegen für die mechatronischen Bauteile und Systeme – von der Aktorik, wo elektrische Signale in mechanische Bewegungen umgesetzt werden, über die Erstellung von Datensätzen bis hin zur Entwicklung von motorübergreifenden Funktionen wie der Motorbremse. Zurzeit koordiniert die Nachwuchsingenieurin ein internationales Projekt, bei dem sie mit japanischen und amerikanischen Kollegen zusammenarbeitet. „Bei dem Projekt handelt es sich um eine technische Innovation“, sagt sie. „Es ist wahnsinnig spannend, an etwas mitzuarbeiten, das es in der Form noch nie gegeben hat. Darüber hinaus lerne ich dabei viel: von der technischen Entwicklung bis zum Projektmanagement.“

Geboren ist Ana Super in Kroatien, dort hat sie Elektrotechnik studiert, bevor sie nach Stuttgart zog und beim deutschen Konzern das Traineeprogramm absolvierte. Um sich auf einen weiteren Schritt in Richtung Managementkarriere vorzubereiten, absolviert sie derzeit berufsbegleitend ein MBAStudium an der Uni Mannheim. „Ich bin sehr wissbegierig und lerne gerne Neues“, begründet sie diesen Schritt. Die Ingenieurin ist sich sicher, dass sie sich durch das Studium noch besser ins Unternehmen einbringen können wird. „Ich kann neben meinem Fachwissen weiteres interdiszplinäres Know-how in meine Entscheidungen einbeziehen – vom Controlling bis zur Logistik. Es macht mir einfach Spaß, ein Unternehmen als Ganzes zu betrachten.“

Gläserne Decke gibt es noch
Das klingt nach einem guten Plan für einen sehr erfolgreichen Werdegang in einem der weltweit größten Autokonzerne. Hindernisse auf ihrem persönlichen Weg musste Ana Super bislang noch nicht überwinden, wie sie sagt. Doch dass diese kommen werden, je weiter es nach oben geht, davon sind viele Expertinnen überzeugt. „Die Gläserne Decke ist weiterhin ein tatsächliches Problem dieser Zeit ist – und keines, das sich vor 20 Jahren erledigt hat“, sagt Anke Domscheit-Berg. Die ehemalige Top-Managerin bei Microsoft berät mit ihrer Firma fempower.me sowohl ambitionierte Frauen als auch Unternehmen, die ihren Frauenanteil im Management erhöhen wollen. Dabei hat sie festgestellt, dass auch top-qualifizierte, selbstbewusste und neugierige junge Frauen unweigerlich an Punkte gelangen, an denen es problematisch wird – insbesondere in technischen Unternehmen mit ihrer hohen Männerquote im mittleren und oberen Management. „Ich kenne keine Top- Managerin, die nicht irgendwann einmal eines der zwei folgenden Etiketten zu hören bekam. Entweder: ,Du bist zu still. Keiner bekommt mit, was du weißt und tust. Du musst dich mehr zeigen.’ Oder: ,Du bist profilierungssüchtig, dominant und nur an deiner Karriere interessiert.’ Es scheint, als gibt es für Frauen nichts dazwischen“, sagt sie.

Ihr Ratschlag an ambitionierte Ingenieurinnen: nicht nachts wach liegen und Strategien überlegen, wie man am nächsten Tag sanfter und zurückhaltender wirken kann. „Das ist nämlich die Karrierebremse schlechthin.“ Wer weiter nach oben möchte, müsse damit leben, regelmäßig gegen das Schubladendenken zu verstoßen. Das kann anstrengend sein – lohnt sich aber, denn eines ist klar: Die Zeit der Ingenieurinnen in Führungspositionen wird kommen.

11,3 Prozent der Ingenieurinnen in Führungspositionen

Laut den neuesten Zahlen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ist der Frauenanteil bei den Ingenieuren gestiegen, und zwar von 14,7 Prozent im Jahr 2005 auf 16,5 Prozent im Jahr 2010. Da der Frauenanteil unter den Absolventen seit längerer Zeit bei mehr als 20 Prozent liegt, ist mit einem weiteren Anstieg dieses Anteils zu rechnen, wie der VDI in seiner Studie „2013: Ingenieure auf einen Blick“ formuliert. Dass noch Luft nach oben ist, verdeutlicht eine andere Zahl: Nur rund jede 20. Absolventin verlässt die Uni mit einem Abschluss in Ingenieurwissenschaften. Mit dieser Quote liegt Deutschland in Europa auf dem 19. Platz. Führend sind die Portugiesinnen mit einem Ingenieurinnen- Anteil von 9,5 Prozent. Kein Wunder, dass in Portugal der Anteil von Ingenieurinnen, die eine Führungs- und Aufsichtsfunktionen wahrnehmen, mit 27,1 Prozent am höchsten liegt. Die Quote in Deutschland: 11,3 Prozent.
Quelle: www.vdi.de

Krisengespräche

Kaum zu glauben, dass niemand zuvor auf diese Idee gekommen ist: Der Psychologe Tom Frenzel gründete mit Kollegen die Hilfsorganisation Psychologen über Grenzen, um unabhängige und professionelle Unterstützung vor, in und nach Krisen zu leisten. Ehrenamtlich. Aufgezeichnet von Stefan Trees

Tom Frenzel, Foto: Privat
Tom Frenzel, Foto: Privat

Tom Frenzel, 35 Jahre, Dipl.-Psychologe
Projekt: Psychologen über Grenzen
Ort: Potsdam
Web: www.psychologen-ueber-grenzen.org

Wie alles begann
Die Idee zu „Psychologen über Grenzen“ hat 2008 auf dem Internationalen Kongress für Psychologie in Berlin Form angenommen, wo ich sie meinem Kollegen und heutigen Mitgeschäftsführer Gerd Reimann vorgetragen habe: Ich wollte eine psychologische Organisation nach dem Vorbild der Ärzte ohne Grenzen oder anderer in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Organisationen gründen. Wir waren uns in unserer Begeisterung sofort einig, dann ging die Arbeit erst richtig los. Zusammen mit einem harten Kern an ebenfalls ehrenamtlich tätigen Psychologen haben wir ab 2009 die Aufbauarbeit geleistet.

Als „Psychologen über Grenzen“ haben wir uns auf drei Arbeitsfelder spezialisiert: Eines ist die Notfallpsychologie. Man kann mit einer gezielten notfallpsychologischen Betreuung kurz nach traumatisierenden Ereignissen, also einer Krisenintervention, langwierige, schwierige posttraumatische Belastungsstörungen bei einem erheblichen Teil der Betroffenen abwenden. Krisenintervention bedeutet zu verhindern, dass sich Menschen aufgrund der Überlastung, die sich durch eine traumatisierende Situation ergeben hat, aus ihrer sozialen Umwelt und ihren sozialen Ressourcen zurückziehen. Stattdessen sollen sie aktiv bleiben, sich Unterstützung suchen und sich austauschen. Zweiter Bestandteil unserer Arbeit ist die Prävention. Viele Entwicklungsländer verfügen nicht über die psychologische Infrastruktur, Ressourcen und fachliche Kapazität und können im Krisenfall nicht auf ein so gut ausgebautes Netzwerk von professionellen Unterstützern zurückgreifen wie wir. Umso wichtiger ist es, als Betroffener zu wissen, was man machen kann, um vorbeugend die Folgen negativer Ereignisse wie beispielsweise Naturkatastrophen abzuschwächen. Das kann in schwachen Sozialstrukturen entscheidend sein. In unserem dritten Arbeitsbereich Evaluation ist die Hauptaufgabe, die Wirkung und Wirksamkeit des Erfolgs von Projekten im Non-Profit-Bereich zu beobachten, sowohl national als auch international. Weltweit ist die systematische Überprüfung von Wirkungen in der Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, weil man herausfinden möchte, wie die investierten Mittel noch mehr bewirken können.

Warum ich das mache
Ich halte es für ein Privileg, in einem der reichsten Länder der Welt studieren zu können. Klingt pathetisch, ist aber meine ehrliche Meinung. Ich denke, dass sozial privilegierte Menschen wie ich, die nur deshalb Zugang haben zu den besten international anerkannten Ausbildungen, weil sie zufällig in ein reiches Land geboren worden sind, automatisch eine Verantwortung tragen, ob sie wollen oder nicht. Ich nenne das angeborene Mitverantwortung für diejenigen, denen es nicht so gut geht. Ich werde häufiger für diese Ansicht belächelt und halte das für ein deutsches Spezifikum. In den USA ist dieser Gedanke für die meisten gar nicht außergewöhnlich. Wer in den USA ein Stipendium erhalten möchte, muss erst einmal nachweisen, wie er sich für das Gemeinwohl engagiert. Das ist dort viel selbstverständlicher. Ich wünsche mir, dass sich ehrenamtliches und uneigennütziges Engagement auch bei uns im allgemeinen Wertekanon durchsetzt.

Was es bislang gebracht hat
In der psychologischen Landschaft – und da spreche ich nicht nur von Deutschland – war es noch niemandem aufgefallen, dass es im Unterschied zum Beispiel zu ärztlichen Organisationen noch keine psychologische Hilfsorganisation gab. Dabei haben wir als Psychologen Einiges zu bieten, immerhin verfügen wir über solide wissenschaftliche Erkenntnisse aus 50 Jahren intensiver empirischer und theoretischer Forschung. Es ist allerdings nicht so, dass wir mit offenen Armen begrüßt werden. Wir bekommen zu hören: Jetzt wollen auch noch Psychologen Entwicklungszusammenarbeit machen. Da ist wohl noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

In den vergangenen vier Jahren haben wir unter anderem strategisch und präventiv in der Notfallpsychologie gearbeitet. Beispielsweise haben wir Wissenschaftler der Uni Köln im Rahmen einer notfallpsychologischen Schulung auf ihre Reise nach Bangladesch vorbereitet, die sie mit einer Forschungsfrage in die Slums von Dhaka führte: Wie kann man den Menschen vor Ort vermitteln, dass Flutereignisse in Zukunft wahrscheinlich häufiger und heftiger auftreten können und dass Vorsorgemaßnahmen schlimmere Folgen für sie und ihre Kinder verhindern können?

Im November 2010 sind wir dann selbst in die Hauptstadt Bangladeschs gereist, um im Rahmen eines Evaluations- Auftrags die Wirkung des Slum- Schulprojekts der Organisation „Ärzte für die Dritte Welt“ zu überprüfen. Diese Schule hat sich in den vergangenen etwa zwanzig Jahren mit Unterstützung der „Ärzte für die Dritte Welt“ aus Deutschland und Österreich enorm weiterentwickelt: Früher war es eine einfache Slumhütte mit wenigen Schülern, mittlerweile wird dort etwa 750 Kindern aus dem Großstadtslum eine Schulbildung ermöglicht. Um die Wirksamkeit der Schule für die Kinder und deren Familien noch weiter zu erhöhen, haben wir verschiedene Vorschläge zur Weiterentwicklung des Projekts erarbeitet.

In Dhaka hatte ich die Gelegenheit, mir einige Hinterhof-Produktionsanlagen anzusehen, die es dort zahlreich gibt. Was ich gesehen habe, war schier unerträglich für westeuropäische Augen – und wir waren nicht mal im schlimmsten Slumgebiet. Nun bin ich umso entschlossener, als Arbeitspsychologe bei „Psychologen über Grenzen“ meine Unterstützung auch zu den Themen Arbeitsschutz und Arbeitsorganisationsbedingungen von Unternehmen in Entwicklungshilfeländern anzubieten.