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Mehr als M&A-Prozesse

Die Tätigkeit als Steuerrechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei ist viel mehr als nur die Begleitung von M&A-Prozessen. Mit jedem Tag werden die Aufgaben spannender und bleiben eine Herausforderung. Von Rechtsanwältin Teresa Werner, Associate bei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf

„Erstellen Sie doch mal ein Memo zur Besteuerung der Überlassung eines betrieblichen Pkw an einen externen Unternehmensberater“, lautete die erste Aufgabe für mich als Berufsstarterin bei Beiten Burkhardt. „Klar, mache ich!“, denke ich. „Da gibt es doch die Ein-Prozent-Regel!“ Stolz über mein steuerrechtliches Wissen mache ich mich ans Werk. Ich hatte schließlich im Rahmen meiner Ausbildung in Bayern die Grundzüge der Abgabenordnung und des Einkommensteuerrechts erlernt.

Aber da waren sie, die Fragen: Welche Art von Einkünften erzielt ein externer Unternehmensberater überhaupt? Gilt die Ein-Prozent-Regel auch für selbstständig und gewerblich Tätige? Ist das Unternehmen Eigentümer des Pkw, oder hat es diesen geleast? Da war doch mal was mit wirtschaftlichem Eigentum … § 39 der Abgabenordnung … „Wenn Sie Fragen zum Sachverhalt haben, müssen Sie den Mandanten kontaktieren und ihn danach fragen“, erklärt mein Vorgesetzter. Na gut! Ich formuliere meine E-Mail, in der ich mich als neues Mitglied des Teams vorstelle und meine Fragen stelle. Prompt bekomme ich eine nette Antwort und weiter geht es. Insgesamt beschäftigte mich diese Sache unter Erweiterungen der anzustellenden Überlegungen auf die für den Mandanten günstigste Variante drei volle Wochen.

Mittlerweile bleibt mir nicht mehr so viel Zeit, um mich mit einer derart banalen Sache über Wochen zu beschäftigen. Die Anforderungen sind gestiegen. Zugleich sind aber auch die Rechtsfragen spannender geworden. Was geblieben ist: Die Aufgaben sind eine Herausforderung. Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer möchte eine Pensionszusage von der zusagenden Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft übertragen, und dabei sollen selbstverständlich so wenig Steuern wie möglich anfallen. Das heißt für mich, ein Angebotsschreiben für den Mandanten erstellen, Überlegungen über mögliche Durchführungswege anstellen, eine Machbarkeitsstudie über das geplante Vorgehen verfassen und schließlich die entsprechenden Verträge gestalten. Dabei profitiere ich ungemein von der Erfahrung meiner Kollegen, welche die eine oder andere Transaktion bereits des Öfteren durchgeführt haben und mich bei meinen Überlegungen in die richtigen Bahnen lenken.

Nicht fehlen darf natürlich der Mandantenkontakt. Es wäre doch zu eintönig, das Büro nur dann zu verlassen, wenn das Mittagessen mit den Kollegen ansteht. Heute geht es zu einem Mandanten, bei dem gerade eine Betriebsprüfung durchgeführt wird. Die Prüfung läuft schon ein paar Jahre, und ich steige kurz vor Abschluss in die Sache ein. Der Betriebsprüfer ist uns nicht ganz wohlgesonnen und möchte in seinem Betriebsprüfungsbericht nicht unserer Rechtsauffassung folgen, sodass wir angehalten sind, diese im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens durchzusetzen.

Und schon habe ich wieder eine spannende Aufgabe. Ein Umsatzsteuerthema: Wann unterliegen eigentlich die Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts der Umsatzsteuer? Meine erste Berührung mit der Umsatzsteuer war das Reihengeschäft. Da ist bei unserem Mandaten einiges schiefgelaufen, sodass eine Nacherklärung von steuerrelevanten Sachverhalten angezeigt war. Ich unterstützte meine Kollegen bei der Erstellung der Schreiben an das Finanzamt und nahm an den Abstimmungen mit der Mandantschaft und einem Kreis von Anwälten teil. Die letzte telefonische Abstimmung, bevor für unseren Mandanten der Gang zum Finanzamt anstand, fand in dem Konferenzraum statt, in dem ich das erste meiner zwei Vorstellungsgespräche bei meinem Arbeitgeber in Düsseldorf hatte.

„Wie kommen Sie denn zum Steuerrecht?“, war die Frage einer meiner Gesprächspartner. „Ich hatte als Studienschwerpunkt Wirtschaft und Steuern, fand das sehr interessant und habe mich deshalb im Rahmen meines Rechtsreferendariats für das Berufsfeld Steuerrecht entschieden“, war meine Antwort. Was ich nicht verraten hatte war, dass ich den Studienschwerpunkt tatsächlich nur deshalb gewählt hatte, weil mir alle anderen nicht zusagten und mich insbesondere der Teil „Wirtschaft“ interessierte. Dass mit dieser Wahl mein Weg zur Anwältin im Steuerrecht beginnen würde, hatte mir damals niemand verraten. Neben der Wahl des Steuerrechts als Schwerpunkt meines Studiums und meines Rechtsreferendariats absolvierte ich auch meine Anwalts- sowie meine Wahlstation in den Steuerrechtsdezernaten zweier renommierter Wirtschaftskanzleien.

Ob mir meine steuerrechtliche „Vorbildung“ im Rahmen des Bewerbungsund Einstellungsverfahrens zugutekam, lässt sich schwer sagen. Das Steuerrecht stellt – neben den Rechtsgebieten, die in der Ausbildung zum Rechtsassessor gelehrt werden – ein weiteres Rechtsgebiet mit eigenen Rechtsgrundsätzen dar. Die Arbeit mit Fiktionen, um einen bestimmten Sachverhalt der Besteuerung unterwerfen zu können, oder die Eigenart der Finanzverwaltung, mittels Nichtanwendungserlass ein Urteil des Bundesfinanzhofes über den entschiedenen Einzelfall hinaus für nicht anwendbar zu erklären, macht das Steuerrecht hinsichtlich des Systemverständnisses und der Anwendung in der Praxis zu keiner einfachen Materie.

Mein Start als Associate bei Beiten Burkhardt ähnelt daher dem Beginn einer weiteren Ausbildung, nämlich der zur Rechtsanwältin für Steuerrechtsberatung. Wirklich abgeschlossen wird diese wohl nie sein. Ganz im Sinne des Politikers Philip Rosenthal – „Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein“ – bereite ich mich gerade auf meine Steuerberaterprüfung vor. Bei meiner Einstellung waren sich meine Vorgesetzten meiner ausbaufähigen steuerrechtlichen Kenntnisse voll bewusst, und dementsprechend niedrig waren ihre an mich gestellten Anforderungen. Meine eingangs erwähnten steuerrechtlichen Kenntnisse, die ich im Rahmen meiner Referendarausbildung erlangt hatte, reichten bei Weitem noch nicht aus, um ohne Unterstützung anwaltlich arbeiten zu können. Aber sie reichten aus, um meinem zukünftigen Arbeitgeber mein Interesse am Steuerrecht deutlich zu machen.

Entscheidend für meine Aufnahme in das Steuerrechtsteam meines Arbeitgebers in Düsseldorf war nämlich nicht eine langjährige Berufserfahrung im steuerrechtlichen Bereich, sondern vielmehr, dass ich in der Lage bin, die Materie Steuerrecht zu erfassen. Hierfür kann es nicht schaden, wenn man sich mit den Grundzügen des Steuerrechts bereits beschäftigt hat. Was es für einen Berufsstarter aber vor allem braucht, ist Interesse, Lernbereitschaft und das Streben nach persönlicher Weiterentwicklung. Bekommt man dann auch noch die Unterstützung durch bereits erfahrene Anwälte, steht einem persönlichen und beruflichen Fortkommen nichts mehr im Wege. Eine „Win-win-Situation“ würde ich das nennen.

Schwierig, aber auch spannend

Niemand möchte gerne Opfer sein. „Du Opfer!“ ist keine durch Empathie geprägte Ansprache, sondern ein Schimpfwort. Erstaunlich, haftet doch auch dem Begriff „Täter“ gemeinhin wenig Positives an. Von Dr. Oliver Tolmein, Rechtsanwalt

Recht spiegelt Wirklichkeit wider, auch in Ermittlungsverfahren. Im Strafverfahren oder dem Opferentschädigungsverfahren kann sich der Geschädigte einer Straftat keineswegs allgemeiner Sympathie und Unterstützung sicher sein. Deswegen wenden sich immer mehr Menschen, die beraubt, geschlagen oder misshandelt wurden, nicht nur an die Polizei, sondern auch an Anwältinnen und Anwälte. Wer als Rechtsanwalt Opfer vertreten will, hat einen schwierigen, aber auch spannenden Job. Gerade wenn Geschädigte schwerer Straftaten Hilfe suchen, muss man die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche im Blick haben und wissen, wie man die sozialrechtlichen Opferentschädigungsansprüche durchsetzen kann. Im Strafverfahren sollte man in der Lage sein, versierten Strafverteidigern, die die eigenen Mandanten unglaubwürdig erscheinen lassen wollen, Paroli zu bieten. Und man kann sich keineswegs darauf verlassen, dass es die Staatsanwaltschaft im schlimmsten Fall schon richten wird: Deren Sitzungsvertreter haben oft kaum Kenntnis der Akten, und auch in großen Verfahren haben sie oftmals andere Interessen als die Geschädigten.

Die Staatsanwaltschaft will die Verfahren meist zügig abschließen, Schadenersatzforderungen der Geschädigten sind ihnen da eine unwillkommene Ablenkung. Aber auch die Genugtuungsinteressen der Opfer von Gewalt erscheinen etlichen Staatsanwälten unbedeutend. Das gilt vor allem, wenn Angehörige von Randgruppen als Nebenkläger auftreten: Prostituierte, Obdachlose, Schwule, Frauen, die schon viel Gewalt erfahren haben. Besonders schwierig sind Verfahren, in denen Menschen mit geistigen Behinderungen oder Demenzen Opfer wurden: Hier ist es schon eine Leistung, überhaupt eine Anklageerhebung zu erreichen.

Aber auch der Umgang mit den Mandanten ist oft nicht gerade leicht: Es sind oftmals traumatisierte Menschen, die wenig Verständnis für die Formalien juristischer Prozeduren haben und die sich damit auch nicht befassen wollen. Die Anwälte, die versuchen, ihnen zu erklären, wo in den kommenden Rechtsstreitigkeiten Probleme auftauchen können und warum, sind für sie als Überbringer bisweilen nicht besser als die schlechte Nachricht selbst.

Dafür können die Erfolge auch nachhaltig sein, beispielsweise in einem Fall, in dem der Lebensgefährte seine Freundin so zusammengeschlagen hatte, dass sie einen schweren Hirnschaden erlitt: Am Ende stand für den Täter eine mehrjährige Haftstrafe, in der er anfing, die 40.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Die Entschädigungsleistung nach dem Opferentschädigungsgesetz war gegen die widerspenstige Behörde durchgesetzt. Und es war gelungen, eine ambulante Pflege zu organisieren, die ein selbstbestimmtes Leben der Mandantin ermöglichte.

Der Fachanwalt für Medizinrecht ist Mitglied der Task-Force „Opferrechte“ im DAV und Mitbegründer der Kanzlei Menschen und Rechte in Hamburg, die vor allem Menschen mit Behinderungen vertritt.

Was macht eigentlich eine Wettbewerbsrechtlerin, Frau Bendias?

Seit gut zwei Jahren arbeite ich bei der Wettbewerbszentrale, einer unabhängigen Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Der Wirtschaftsverband mit langer Tradition hat seinen Hauptsitz in der Nähe von Frankfurt am Main. In den insgesamt sechs Büros in verschiedenen deutschen Großstädten arbeiten 25 Wettbewerbsjuristen. Seit Sommer 2013 bin ich im Büro München. Von Sabine Bendias, 31 Jahre, Rechtsassessorin und Wettbewerbsjuristin bei der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs – kurz: Wettbewerbszentrale (Münchner Büro).

Den Zugang zum Wettbewerbsrecht fand ich im Jurastudium mit Schwerpunkt „Wirtschaft und Steuer“. Das Lauterkeitsrecht, also das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, dient im Unterschied zum Kartellrecht der Abwehr unlauterer und damit wettbewerbsverfälschender Handlungen wie zum Beispiel irreführende Werbung oder Herabsetzung eines Mitbewerbers. Die Begeisterung packte mich in der ersten Stunde der UWGVorlesung mit teils amüsanten, aber vor allem wichtigen Irreführungsfällen. Konkret wurde dort hinterfragt, ob der Verbraucher einen OP-gleichen Effekt erwartet, wenn eine Faltencreme „Lifting“ heißt. Auf die Wettbewerbszentrale aufmerksam wurde ich, als ich eine Seminararbeit schrieb und Stellungnahmen von Interessenverbänden zur UWG-Novelle 2009 an das Bundesministerium für Justiz auswertete. Daher entschied ich im Referendariat, die Wahlstation, bei der sich eine auf Wirtschaft ausgerichtete Wahlfachgruppe empfiehlt, in diesem Verband zu verbringen. Hier bot sich mir die Möglichkeit, ausschließlich im Bereich des Wettbewerbsrechts zu arbeiten.

Das deutsche Lauterkeitsrecht setzt auf Selbstregulierung durch den Markt. Es existiert also keine „Lauterkeitsbehörde“, sondern Mitbewerber, Wirtschafts- und Verbraucherverbände überwachen die Regeln selbst und setzen sie durch. Die Rechtsmaterie ist durch europäische Einflüsse mittlerweile sehr vielschichtig. Aufgrund der Bandbreite sind wir hausintern auf Branchen spezialisiert. Ich beispielsweise bin nun – neben zwei weiteren Kollegen – für die Getränkebranche zuständig, befasse mich also nicht nur mit klassischen UWG-Fragen wie Angebotsgestaltung, sondern auch mit lebensmittelrechtlichen Problematiken, die durch den Rechtsbruchtatbestand auch dem UWG unterfallen. In diesem Beruf sollte man eine hohe Flexibilität, Entscheidungsfreude und Verständnis für Marketingansätze mitbringen. Die Scheu vor Unbekanntem sollte rasch abgelegt werden, da ein schnelles Einarbeiten in unbekannte Gesetze gefragt ist. Gerade aus der Feder der Europäischen Union kommen diese häufig und in vielen Rechtsgebieten. Das Lebensmittelrecht beispielsweise beruht mittlerweile überwiegend auf europäischen Vorgaben. Dementsprechend habe ich oft mit meist englischsprachigen Richtlinien- und Verordnungstexten zu tun.

Meine Arbeit als Wettbewerbsjuristin besteht hauptsächlich darin zu überprüfen, ob Werbe- und Vertriebsmaßnahmen von Unternehmen mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. Um bei geplanten Werbemaßnahmen Wettbewerbsverstöße im Voraus zu vermeiden, stehen Beratung und Information im Zentrum: So stehe ich Mitgliedern in rechtlichen Fragen zu Werbematerialien, seien es Plakatierungen, Werbespots, Internetauftritte oder Produktgestaltungen, zur Seite. Solche Anfragen kommen oft von Rechtsabteilungen der Unternehmen oder direkt vom Gewerbetreibenden selbst. Dabei sollte man generell in der Lage sein, Komplexes einfach darzustellen. Gelegentlich bedarf es gewisser diplomatischer Fähigkeiten, wenn zu vermitteln ist, dass das Werbekonzept nicht mit lauterkeitsrechtlichen Aspekten vereinbar ist.

Regelmäßig werden uns aber auch Beschwerden von Unternehmen, Kammern, Verbänden, Verbrauchern und Behörden angetragen. Diese werden dann dem bei uns zuständigen Juristen zur Prüfung vorgelegt. Wird ein Wettbewerbsverstoß festgestellt, schreiten wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein. Dies geschieht, wie im Gesetz vorgesehen, im Wege der Abmahnung, einer flexiblen Möglichkeit, Wettbewerbsstreitigkeiten rasch außergerichtlich zu klären. Im Vordergrund muss immer stehen, den Wettbewerbsverstoß nachhaltig auszuräumen, ohne den Unternehmer über Gebühr zu belasten.

Die meisten Wettbewerbsverletzungen geschehen nach meiner Erfahrung aus Unkenntnis, aus Versehen, nicht aus bewusster Missachtung der Gesetze. Die schwarzen Schafe gibt es auch, aber nicht oft. Ist die Gegenseite nicht einsichtig und ein eventuelles Einigungsstellenverfahren nicht erfolgreich, erteile ich Klageauftrag. Die Wettbewerbszentrale klagt dann im eigenen Namen einen eigenen Anspruch ein. Bei Grundsatzfragen werden gelegentlich Hauptsacheverfahren bis zum Bundesgerichtshof oder bis zum Europäischen Gerichtshof geführt.

Warum ich das mache? Ziel meiner Arbeit ist die Förderung des fairen Wettbewerbs. Man hat das Gefühl, „auf der richtigen Seite“ zu stehen. Der Beruf ist abwechslungsreich und bietet dauernd neue Herausforderungen. Das Gebiet ist durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie Gesetzesänderungen ständig im Wandel, man arbeitet also aktiv an der Rechtsentwicklung mit.

Job-Steckbrief Wettbewerbsrechtler

Voraussetzungen:
Zwei juristische Staatsexamina, Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, unternehmerisches Denken, gute Englischkenntnisse von Vorteil

Einstiegsmöglichkeiten:
Praktikum und/oder im Referendariat Anwalts- und Wahlstation im Bereich Wett bewerbsrecht/gewerblicher Rechtsschutz in einer Kanzlei, Kammer oder Verband

Einstiegsgehalt:
entspricht etwa üblichen juristischen Einstiegsgehältern in einer Kammer oder Verband

Weitere Informationen:
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.
www.wettbewerbszentrale.de

Jung und erfolgreich bei: Luther

Und was kommt jetzt? Nach dem Studium stellte sich mir die Frage, in welchem Bereich ich mich spezialisieren sollte. Hierbei ist echte Begeisterung gefragt: Will man nämlich als Anwältin in einer Großkanzlei erfolgreich sein, sollte man nicht nur juristische Expertise und unternehmerisches Denkvermögen mitbringen – sondern auch für sein persönliches Fachgebiet brennen. Von Katja Neumüller

Name: Katja Neumüller
Position: Senior Associate
Stadt: Köln
Alter: 32 Jahre
Studium: Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen und Universidad de Alcalá de Henares (Spanien)
Referendariat: OLG Düsseldorf
Abschlussjahr: 2011
Engagements: Mitglied des Ostasiatischen Vereins

Mich interessierten schon immer internationale Sachverhalte. Bereits in der Schulzeit und im Studium verbrachte ich verschiedene Stagen im Ausland, wie etwa in den USA oder Spanien. Anschließend habe ich während meiner Zeit als Referendarin bei Luther die Möglichkeit bekommen, meine Wahlstation im Singapurer Büro zu absolvieren. Neben Singapur bereiste ich weitere benachbarte Länder und lernte so die Vielfältigkeit Asiens kennen. Beeindruckt von den Erfahrungen vor Ort wechselte ich nach dem Referendariat in das Corporate/M& A-Team nach Köln mit einem Fokus auf die Asien-Pazifik-Region.

Seit 2011 bin ich nun im Asien-Team von Luther als Rechtsanwältin tätig. Die Mandate sind sehr vielfältig und umfassen sowohl das Outbound- als auch das Inbound-Geschäft. Konkret heißt das, beide Blickrichtungen einzunehmen: Zum einen berate ich Unternehmen aus Deutschland, die den Weg nach Asien gehen möchten. Dies kann durch die Gründung eines Tochterunternehmens, eines lokalen Joint Ventures oder aber im Rahmen einer M&ATransaktion erfolgen. Auch kommt es vor, dass ein deutsches Unternehmen sich von einem Joint-Venture-Partner in Asien wieder trennen möchte. Hier gilt es, eine mandantenorientierte Lösung zu finden. Darüber hinaus berate ich ausländische Unternehmen, die den Markteintritt in Deutschland planen. Häufig geschehen diese Investitionen in Form einer M&A-Transaktion. Einige unserer ausländischen Mandanten berate ich zudem bei ihrem Börsengang an die Frankfurter Wertpapierbörse. Hier ergeben sich neben gesellschaftsrechtlichen Themen auch kapitalmarktrechtliche Fragen.

Bei grenzüberschreitenden Mandaten stellt sich oft die Frage, ob man sich bereits im Studium oder im Referendariat mit dem jeweils lokalen Recht vertraut machen muss. Sicherlich ist es sinnvoll, bereits frühzeitig Erfahrungen im Ausland zu sammeln, insbesondere wenn man in einer internationalen Großkanzlei tätig werden möchte. Überdies wächst man bekanntlich mit seinen täglichen Herausforderungen, und dazu gehört auch der anwaltliche Umgang mit anderen Jurisdiktionen. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten arbeiten wir zudem eng mit unseren Kollegen aus den Auslandsbüros oder unseren Partnerkanzleien zusammen. Erst kürzlich war ich mehrere Monate für ein Secondment in Shanghai, um einige der Mandate gemeinsam mit unseren chinesischen Kollegen zu beraten. Es ist insbesondere auch dieser interkulturelle Austausch, der diesen Anwaltsjob für mich so spannend macht.

Interview mit Dr. Ricarda Brandts

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Mit Blick auf die Verfassung ist NRW in Frauenhand. Regiert wird das bevölkerungsreichste Bundesland von Hannelore Kraft, Präsidentin des Landtags ist Carina Gödecke – und dem Verfassungsgerichtshof steht mit Ricarda Brandts seit 2013 erstmals eine Frau vor. Im Interview erzählt die promovierte Juristin von der Besonderheit dieser Aufgabe und rät Einsteigerinnen, nicht unbedingt den kürzesten Weg ans Ziel zu wählen. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Ricarda Brandts, geboren am 26.08.1955 in Erkelenz, studierte Rechtswissenschaften in Bielefeld und Bochum. Nach Abschluss des Zweiten Staatsexamens 1984 war sie für vier Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bochum tätig. 1988 wurde sie an das Sozialgericht Dortmund zugewiesen. Eine weitere Station als Richterin war das Landessozialgericht NRW in Essen, bevor Ricarda Brandts 1995 für zwei Jahre im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales tätig war. Danach wurde sie 1997 Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund, 2000 Vizepräsidentin des Landessozialgerichts NRW, 2008 Richterin am Bundessozialgericht in Kassel und 2010 Präsidentin des Landessozialgerichts NRW. Nach drei Jahren in dieser Position wurde Ricarda Brandts im Frühjahr 2013 als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster berufen.

Frau Dr. Brandts, seit Ihrer Ernennung stehen in Nordrhein-Westfalen nun drei Frauen an der Spitze der drei Verfassungsorgane in NRW. Was zeigt diese Bestandsaufnahme?
Solange dies nicht als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird, müssen wir weiter an der Gleichstellung von Frauen im Berufsleben arbeiten. Zumeist fehlt es nicht an hoch qualifizierten Frauen, sondern an Arbeitsplätzen, an denen der Einsatz für den Beruf mit den Anforderungen an eine Familie zu vereinbaren ist. Für den Arbeitsmarkt insgesamt gilt: Frauen werden nur dann die gleichen Chancen wie Männer haben, wenn der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verwirklicht wird.

Es wird in diesen Tagen viel über die Unterschiede im Führungsstil von Männern und Frauen gesprochen. Was denken Sie mit Blick auf die Gerichte: Führen Frauen anders als Männer? Und führen Sie persönlich anders?
Eine Führungskraft in den Gerichtsbarkeiten hat dieselben Anforderungen zu erfüllen – egal ob weiblich oder männlich. Eine gute Zusammenarbeit mit der Richterschaft und den übrigen Gerichtsangehörigen im Interesse eines hochwertigen Rechtsschutzes ist nur mit sozialer Kompetenz möglich – verbunden mit der Fähigkeit und dem Willen, andere mit Argumenten zu überzeugen und Entscheidungen transparent zu fällen. Ob ich meine Führungsrolle anders als meine männlichen Kollegen wahrnehme, mögen andere beurteilen.

Im Vergleich zur Ministerpräsidentin und zum NRW-Landesparlament: Was sollte das Verfassungsgericht des Landes leisten – und was gehört nicht zu seinen Aufgaben?
Der Verfassungsgerichtshof wird erst dann als Hüter der Verfassung aktiv, wenn er angerufen wird. Er muss also die Gestaltungsspielräume von Parlament und Regierung respektieren und auch in hochpolitischen Angelegenheiten rein verfassungsrechtlich argumentieren. Dies schließt eine Zurückhaltung seiner Mitglieder in Bezug auf außergerichtliche Kommentare zu politischen Debatten ein.

Die Justiz ist in diesen Tagen – gerade bei großen Verfahren wie jüngst dem Prozess gegen Uli Hoeneß – sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Tut ihr das gut, weil mehr über die Arbeit der Gerichte öffentlich wird?
Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an der Transparenz von gerichtlichen Verfahren und Entscheidungen. Zu einer aufgeschlossenen Gerichtsbarkeit gehört auch das beständige Bemühen, das eigene Tun verständlich zu machen und so das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Natürlich besteht auch die Gefahr, dass Gerichtsverfahren instrumentalisiert werden – etwa für eine besonders reißerische Vermarktung einer Persönlichkeit. Hier sind wir Richterinnen und Richter gefordert, einer unsachlichen Berichterstattung so weit wie möglich entgegenzuwirken und die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten zu schützen.

Sie sind 1988 als Richterin auf Probe dem Sozialgericht Dortmund zugewiesen worden. Das war damals Ihr erster großer Karriereschritt. Wissen Sie noch, wie Sie diesen ersten Meter auf Ihrer beruflichen Laufbahn empfunden haben?
Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Verhandlungstermine als Vorsitzende einer Rentenkammer. Ich war mir der Tragweite meiner Entscheidungen für das Leben der Betroffenen sehr bewusst und in jedem Einzelfall zunächst unsicher, ob die Beweislage ausreichend und meine Entscheidung richtig war. Mit zunehmender Erfahrung ist diese Unsicherheit der Gewissheit gewichen, dass ein Richter seine eigene Amtsführung stets auch selbstkritisch begleiten sollte.

Welche weiteren Kenntnisse haben Sie als junge Juristin gewonnen, die für Ihren Karriereweg bis heute wichtig sind?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bereitschaft, über den Tellerrand der eigenen Tätigkeit zu schauen, wichtig ist. Zudem sollte man die Chancen ergreifen, die sich ergeben – und zwar auch dann, wenn der Zeitpunkt aus persönlicher Sicht vermeintlich nicht der günstigste ist.

Welche Rolle haben Mentoren und Förderer auf Ihrem Karriereweg gespielt?
Ich hatte das Glück, Vorgesetzte zu haben, die mich gefördert, gefordert und mir manchmal mehr zugetraut haben als ich mir selbst. Ohne mein Vertrauen in deren Einschätzung hätte ich als junge Richterin weder die Aufgabe der Pressesprecherin bei dem Sozialgericht Dortmund noch ein Dezernat in der Gerichtsverwaltung des Landessozialgerichts NRW übernommen. Denn ich wollte vor allem Richterin sein, Aufgaben in der Verwaltung hatte ich nicht im Visier. Im Nachhinein kann ich sagen: Ich bin dankbar, dass ich gut beraten wurde. Ich habe die Übernahme einer neuen Aufgabe oder eines neues Amtes nie bereut.

Keine Karriere ohne überraschende Wendepunkte. Welche Wendung in Ihrer Laufbahn kam für Sie besonders überraschend?
Die Sozialgerichtsbarkeit ist meine berufliche Heimat, und ich habe diese Arbeit immer als herausfordernd und erfüllend empfunden, so dass ich nie mit dem Gedanken gespielt habe, sie aufzugeben. Für mich überraschend war, dass sich die Chance bieten würde, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts NRW zu werden. Dank der Unterstützung der neuen Kollegen habe ich mich gut einarbeiten können, so dass die erste Zeit zwar eine besondere, aber keine allzu schwere Herausforderung gewesen ist.

Zum Abschluss ein Rat an junge Juristinnen, die nun nach dem Studium am Beginn ihrer Karriere stehen: Welchen Fehler, der noch immer häufig von ambitionierten Frauen begangen wird, sollten sie unbedingt vermeiden?
Es wird oft der gerade und damit kurze Weg zu einem bestimmten Berufsziel gepriesen. Ich rate jedoch, sich umzuschauen, offen zu bleiben für verschiedene Möglichkeiten und sich nicht zu früh festzulegen. Denn erst, wenn man auch Alternativen im Blick hatte, gewinnt man die Sicherheit, tatsächlich den richtigen Weg gewählt zu haben.

Zum Verfassungsgerichtshof NRW

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen setzt sich aus sieben Richterinnen und Richtern zusammen. Er hat die Rolle des Hüters der Landesverfassung und entscheidet unter anderem über den Ausschluss von Vereinigungen und Personen von der Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen, über Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren bei Landtagswahlen oder über Anklagen gegen den Ministerpräsidenten oder gegen Minister der NRW-Landesregierung. Zu den Aufgaben des Verfassungsgerichtshofs gehört es auch, Entscheidungen bei Meinungsverschiedenheiten über Gesetzesentwürfe zu treffen oder die Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen anzuhören, wenn diese eine Verfassungsbeschwerde einreichen, weil sie sich in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt fühlen.

„Alles auf Chinesisch gesetzt“

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Shanghai statt Hamburg: Wegen seiner exzellenten Chinesischkenntnisse wechselte Dr. Christoph Schröder 2012 in das Shanghaier Büro seiner Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle, wo der 40-Jährige für die chinesischen Mandanten zuständig ist. Im Interview erzählt er, wie er die Sprache lernte und wie sie seine Karriere förderte. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Christoph Schröder, Foto: CMS Hasche Sigle
Christoph Schröder, Foto: CMS Hasche Sigle

Christoph Schröder, 40 Jahre, ist Counsel im Shanghaier Büro der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Wegen seiner exzellenten Chinesischkenntnisse wechselte er 2012 vom Hamburger Büro nach Shanghai, wo der Rechtsanwalt für die chinesischen Mandanten verantwortlich ist und sie in den Bereichen Gesellschaftsrecht, M&A und Handelsrecht berät. Zudem hält der promovierte Jurist regelmäßig Präsentationen in chinesischer Sprache.

Herr Schröder, was ist die Grundlage Ihrer Chinesisch-Kenntnisse?
Ich habe in den letzten drei Jahren meiner Schulzeit von 1991 bis 1994 drei Stunden pro Woche Chinesisch gelernt. Weiter ging es mit Privatunterricht in Hamburg, einem mehrwöchigen Intensivkurs an der Beijing Language and Culture University und einigen Sprachkursen im Rahmen meines Sinologiestudiums als Nebenfach in Würzburg. Den eigentlichen Durchbruch habe ich aber im Studienjahr 1998/1999 in China erlebt. In dieser Zeit habe ich alles auf Chinesisch gesetzt: Ich bin aus dem Wohnheim für Ausländer der Universität Nanjing ausgezogen und habe dann bei einer chinesischen Familie gewohnt. Ich habe versucht, jedes Gespräch auf Chinesisch zu führen, ob mit der Univerwaltung, beim Buchen der Flugtickets, mit den Professoren in der Bibliothek oder beim Volleyball mit den chinesischen Kommilitonen. Ich habe auch fast täglich Zeitungen auf Chinesisch gelesen.

War das nicht mühselig?
Anfangs schon, da musste ich fast jedes zweite chinesische Schriftzeichen im Wörterbuch nachschlagen. Zeichenerkennungs-Apps gab es damals noch nicht. Aber nach und nach konnte ich mich immer besser durch die Texte hangeln. Gleichzeitig habe ich mir chinesische Rechtsbegriffe angeeignet, vor allem bei der Übersetzung des Vertragsgesetzes der Volksrepublik China, die später auch veröffentlicht wurde.

Seit wann sprechen Sie mit Ihren Mandanten Chinesisch?
Erstmals während meiner dreimonatigen Entsendung nach China im Frühjahr 2011, regelmäßig seit Juli 2012. Auch einen Teil der E-Mail-Korrespondenz führe ich auf Chinesisch. Das gilt auch für Präsentationen. Bei der Veröffentlichung von Beiträgen in Zeitschriften benötige ich allerdings viel Unterstützung von den Kollegen.

Man lernt also nie aus.
Nein. Auch jetzt noch nehme ich einmal pro Woche Unterricht, insbesondere um Wirtschaftschinesisch und umgangssprachliche Redewendungen zu trainieren.

Ab wann war Ihnen klar, dass Ihre Sprachkenntnisse für Ihre Karriere von Vorteil sind?
Schon als ich die Doktorarbeit schrieb. Es vergingen dann keine zwei Wochen als Einsteiger bei CMS, als sich mir die erste praktische Gelegenheit bot: Unsere Kanzlei hatte eine chinesische Wirtschaftsdelegation eingeladen, und so konnte ich die Gäste in ihrer Muttersprache begrüßen. Später kamen immer mehr Chancen hinzu, zum Beispiel konnte ich einem Mandanten in einem transportrechtlichen Schadensfall die in Chinesisch verfasste Klageschrift zusammenfassen.

Viele Chinesen scheinen heute ein sehr gutes Englisch zu sprechen, oder täuscht das?
Unterschiedlich. In der Tendenz gilt: Je jünger der Ansprechpartner, desto besser seine Englischkenntnisse. Es gilt aber auch der Grundsatz: Je bedeutender der Ansprechpartner, desto älter ist er. Viele wichtige Mandanten fühlen sich daher sicherer, wenn sie mit uns auf Chinesisch sprechen und korrespondieren. Gerade im Kontakt mit den chinesischen Staatsunternehmen bestätigt sich: Die wichtigste Sprache ist die Sprache des Mandanten.

Chinesisch ist eine lebendige, sich verändernde Sprache. Wie halten Sie sich in dieser Hinsicht auf dem Laufenden?
Je mehr Zeit man mit Freunden oder Mandanten verbringt, desto mehr bietet sich einem die Chance, am Puls der Zeit zu bleiben und die neuesten sprachlichen Entwicklungen mitzubekommen. Es hilft auch, im Taxi das Smartphone mal wegzulegen und gemeinsam mit dem Fahrer Radio zu hören.

Angenommen, ein junger Jurist lernt gerade Chinesisch und ist erstmals in China. Was raten Sie ihm?
Die meisten Chinesen reagieren bereits auf erste Sprachversuche eines Ausländers mit ausdrücklicher Anerkennung – auch wenn das häufig nur aus Höflichkeit geschieht. Dadurch bietet sich jedoch manchmal eine entscheidende Chance, die Atmosphäre zu entspannen. Es ist daher als Chinesisch-Anfänger eine Überlegung wert, sich zunächst auf die gesprochene Sprache zu beschränken, weil man dann deutlich schneller vorankommt.

Sprache als Schlüsselqualifikation

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Wer als Rechtsberater die Sprache seiner internationalen Mandanten spricht, schafft Vertrauen. Dabei kommt es beim Reden nicht auf die akzentfreie Aussprache an. Wichtiger ist, dass die Inhalte stimmen. Anders ist es im Schriftlichen: Hier ist Perfektion Pflicht. Von André Boße

Eigentlich war Steffen Paulmann ein Fan der Insel. Als Schüler liebte er das Vereinigte Königreich. Die Kultur Großbritanniens. Die englische Sprache. Alles änderte sich bei einem Schüleraustausch, der ihn als 16-Jähriger nach Nantes an der französischen Atlantikküste führte. Als Deutscher im Klassenverband war er ein bunter Hund. Dass er ein wenig Französisch sprechen konnte, rechnete man ihm hoch an. Vor allem aber entdeckte der Schüler aus dem Taunus, wie viel Spaß interkulturelles Leben und Lernen machen kann. Steffen Paulmann erkannte die Unterschiede. Klischees zwar, aber doch wahr: Sein Hang zur Disziplin und Ordnung, und im Gegensatz dazu das berühmte „Laissez-faire“ der französischen Mitschüler – „wobei ich schnell beobachtete, dass beide Wege zum Erfolg führen können: der deutsche Weg, etwas sehr genau zu nehmen, aber auch die lockere französische Art“.

Die Teenager-Erfahrungen in Nantes haben schließlich Steffen Paulmanns Karriereweg entscheidend mitgeprägt: In der Wirtschaftskanzlei Grützmacher, Gravert, Viegener (GGV) ist er der Experte für die französischen Mandate. Heute gibt es in beinahe allen großen Sozietäten Juristen, die sich nicht nur durch ihre juristische Fachexpertise, sondern auch mit Hilfe ihrer besonderen Sprachkenntnisse spezialisieren. Mehrsprachigkeit wird dabei zum Karrieremotor: Wer als juristische Nachwuchskraft neben seiner Muttersprache noch eine weitere Sprache auf hohem Niveau beherrscht, setzt sich von der Konkurrenz ab und besitzt gute Chancen auf spannende Mandate.

So wie Steffen Paulmann, der bei GGV als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig ist. Für das Studium ging er nach Saarbrücken, näher kommt man Frankreich in Deutschland nirgendwo. Einige Semester verbrachte er in Paris, seine Promotion absolvierte er zugleich an den Unis Saarbrücken und Straßburg. Als Paulmann nach einigen Jahren in einer Hamburger Sozietät und als Anwalt mit eigener Kanzlei im Jahr 2008 schließlich bei GVV anheuerte, war sein Schwerpunkt schnell ermittelt. Der 41-jährige Jurist berät vor allem Unternehmen aus französischsprachigen Ländern im deutschen Wirtschaftsund Arbeitsrecht.

Sein festes Büro hat er in Frankfurt, beinahe monatlich ist er jedoch auch im Pariser Büro der Kanzlei. Dort trifft er sich mit den französischen Mandanten – und spricht mit ihnen selbstverständlich Französisch. Zwar sprechen heute auch die französischen Geschäftsleute in der Regel ein gutes Englisch. Doch der Austausch mit dem juristischen Berater in der Muttersprache gibt ihnen zusätzliche Sicherheit. „Unsere Mandanten fokussieren sich als Unternehmer vor allem auf ihr operatives Geschäft“, erklärt Steffen Paulmann. „Die Klärung von Rechtsfragen ist ihnen zwar wichtig. Doch sie fühlen sich in diesem Gebiet thematisch nicht unbedingt zu Hause. Daher ist es für die Mandanten angenehm, wenn sie mit ihrem juristischen Berater in der Muttersprache reden können.“

Hochschulpartnerschaften nutzen

Fast alle deutschen juristischen Fakultäten pflegen eine oder mehrere Partnerschaften mit internationalen Hochschulen. Über diese Kooperationen ist es nicht nur möglich, Auslandssemester einzulegen. Weitere Optionen sind Aufbaustudiengänge im Ausland, Promotionen mit internationalen Themen oder die Teilnahme an transnationalen Netzwerken. Tipp: Neben den Sprachkenntnissen an sich kommt es bei den Personalchefs der Kanzleien sehr gut an, wenn man sich international engagiert und Erfahrungen mit dem juristischen Denken in anderen Kulturen gesammelt hat. Informationen zu Studienmöglichkeiten im Ausland unter www.daad.de.

Schaut man in Stellenanzeigen oder in Bewerbungen, findet man dort häufig die Formulierung „hervorragende Sprachkenntnisse in Wort und Schrift“. Was das heißt, kann Steffen Paulmann erklären. Keine Sorgen sollte man sich als mehrsprachiger Einsteiger machen, wenn sich ein deutscher Akzent nicht ganz leugnen lässt. „Beim Sprechen einer anderen Sprache im Berufsleben geht es hauptsächlich um die Inhalte“, sagt der Jurist. „Klar, die Leute mögen es, wenn jemand die Sprache fast akzentfrei spricht. Im Job ist es jedoch beeindruckender, wenn man als Rechtsberater die Fachbegriffe beherrscht und den Inhalt gut vermitteln kann.“ Kurz: Ist der Akzent nicht zu krass, stört er nicht.

Anspruchsvoller ist das Schriftliche. „Hier sind die Stolpersteine am größten, denn bei Schriftstücken merkt man tatsächlich, wer Muttersprachler ist – und wer nicht“, so Paulmann. Daher ist die Absicherung wichtig: „Wenn wir Vertragsmuster vorbereiten oder wichtige Briefe aufsetzen, geben wir den französischen Teil immer einem Muttersprachler.“

Neben dem Wort und der Schrift hat die Mehrsprachigkeit noch eine dritte Dimension: Sprache ist der Schlüssel zu einer anderen Kultur. „Wer ein Land und seine Sprache mag und dort gerne Zeit verbringt, kennt die andere Kultur und ist in der Lage, die Leute mit ihrem Denken abzuholen“, sagt Steffen Paulmann. Ein Beispiel aus seinem juristischen Arbeitsalltag: In Frankreich gehe man vor Vertragsgesprächen gemeinsam essen. „Man beschnuppert sich, erzählt von seinem Projekt.“ Die Deutschen hätten es dagegen lieber, wenn man sich streng an einer strikten Tagesordnung entlanghangelt. Paulmann: „Es ist daher meine Aufgabe als anwaltlicher Berater, meine Mandanten auf kulturelle Unterschiede vorzubereiten.“

Dass es nicht nur darum geht, auf Unterschiede aufmerksam zu machen, verdeutlicht Rainer Birke, Jurist bei der Wirtschafts- und Steuerstrafrechtskanzlei Wessing & Partner. „Wichtig wird die Muttersprache der Mandanten auch, wenn man Ähnlichkeiten oder Gemeinsamkeiten entdecken möchte“, sagt der Fachanwalt für Strafrecht. In der Düsseldorfer Sozietät ist der 43-Jährige mit profunden Russischkenntnissen insbesondere für Mandanten aus dem osteuropäischen Raum zuständig. Durch seine Sprachkenntnisse wird Rainer Birke für die Mandanten dort zu einer juristischen Vertrauensperson. Das ist gerade in Ländern wie Russland wichtig, wo sich das Rechtsverständnis von dem in Deutschland unterscheidet.

Rainer Birke wurde 1971 in Plauen geboren, in der ehemaligen DDR also. Russisch lernte er schon in der Schule, „doch nach der zwölften Klasse hatte ich mit der Sprache zunächst einmal nichts mehr zu tun“. 2007 wechselte er dann in die Düsseldorfer Kanzlei, wo man feststellte, dass die Zahl der Mandate, bei denen die russische Sprache eine Rolle spielte, deutlich zunahm. Birke: „Also haben wir gemeinsam entschieden, dass ich mich sprachlich spezialisiere und mein Russisch reaktiviere.“

Nach Feierabend nahm der Jurist Termine mit seiner Russischlehrerin wahr oder büffelte auf eigene Faust Vokabeln und Grammatik. „Das disziplinierte Lernen war für mich eine Frage der Motivation“, erinnert er sich an die Zeit, als er sich als Strafrechtler in der Fremdsprache fortbildete. „Ich wollte die Kanzlei voranbringen und merkte, wie wichtig es ist, mehr zu bieten als nur Englisch.“ Es gibt das Vorurteil, dass es jüngeren Menschen deutlich leichter fällt, eine Sprache neu zu lernen oder Kenntnisse aufzufrischen. Rainer Birke war bereits Ende 30, als er an seinen Russischkenntnissen arbeitete – besonders schwer fiel es ihm nicht. Sein Fazit: „Beim Lernen einer Sprache spielt das Alter meiner Erfahrung nach eine viel geringere Rolle, als man annimmt.“

Gelten französische und russische Sprachkenntnisse in Deutschland noch als recht naheliegend, ist ein Anwalt, der seine Mandanten auch auf Hebräisch beraten kann, schon etwas Besonderes. Philipp Stricharz ist Partner bei der internationalen Sozietät Field Fisher, die in Deutschland Büros in Hamburg und Düsseldorf betreibt. Der Jurist mit Schwerpunkt Immobilienrecht besuchte schon als Jugendlicher Verwandte in Israel und lernte Hebräisch als Wahlfach in der Oberstufe.

Im Jurastudium verbrachte er einige Semester in Israel, während des Referendariats durfte er als Einsteiger sogar einige Monate in der Präsidialkammer des Obersten Gerichtshofs von Israel in Jerusalem mitarbeiten. „Hebräisch ist eigentlich eine recht einfach strukturierte Sprache“, sagt er. Das eigene Schriftbild schrecke viele ab – „dabei ist die hebräische Schrift mit ihren 22 Buchstaben leichter zu erlernen als einige andere Schriften“.

Als Anwalt berät Stricharz überwiegend Immobilieninvestoren aus Israel. „Häufig geht es um die klassische Ankaufprüfung und Transaktionsbegleitung, vielfach auch um die Schaffung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen und die Bankfinanzierung der Ankäufe.“ Der Partner von Field Fisher kann bestätigen, dass Sprachkenntnisse die Karriere fördern, weil sie seiner Kanzlei einen geschäftlichen Vorteil verschaffen. „Die Sprache spielt durchaus eine Rolle, wenn wir Mandate aus Israel erhalten. Allerdings legen israelische Unternehmen sehr großen Wert auf fachliche Empfehlungen sowie die Erfahrung der Berater in genau dem Bereich, zu dem sie eine rechtliche Begleitung wünschen.“

Egal ob Hebräisch, Französisch oder Russisch: „Wer eine Sprache lernen möchte, muss sich auf das Gespräch mit Muttersprachlern einlassen, auch wenn man vielleicht noch etwas unsicher ist, was die Vokabeln und die Grammatik betrifft“, empfiehlt Philipp Stricharz. Das ist das Besondere auf dem Weg in die Mehrsprachigkeit: Die beste Sprachschule ist das Gespräch. Eine Fortbildung, die nichts kostet – der juristischen Karriere aber nutzt.

Tipps: So lerne ich Sprachen

Unsere mehrsprachigen Experten raten Folgendes zu tun, um fit in einer neuen Sprache zu werden:

  • Häufige Urlaubsreisen in das Land – und zwar abseits von Touristenhochburgen, also dorthin, wo man die Sprache wirklich sprechen muss.
  • Romane in der Sprache lesen, Filme in der Sprache schauen.
  • Jede Möglichkeit zum Smalltalk nutzen, denn wer diesen beherrscht, gewinnt Sicherheit.
  • Texte schreiben, diese von einem Muttersprachler gegenlesen lassen – und aus den Fehlern lernen.
  • Intensivkurse, am besten als Einzelunterricht. Viele Kanzleien unterstützen Einsteiger dabei, fördern die Kurse finanziell oder gewähren freie Zeit als Ausgleich.
  • Nicht nur die Vokabeln und die Grammatik einer Sprache lernen, sondern auch die Rechtssysteme und die Rechtskultur der Länder studieren, in der sie gesprochen wird.
  • Bei aller Lernerei: Den Spaß nicht verlieren. Denn die Freude am Sprechen motiviert am meisten.

karriereführer naturwissenschaften 2014.2015 – Jobs in der Pharmabranche

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Cover karriereführer naturwissenschaften 2014.2015

Karriere ohne Kittel – Jobs in der Pharmabranche

Vielfalt. Mit rund 78.000 Beschäftigten – darunter mehr als 18.000 in der Forschung und Entwicklung – gehören die Pharmaunternehmen zu den wichtigsten Arbeitgebern für Naturwissenschaftler. Dabei bietet die Branche eine Vielzahl von Karrierewegen auch jenseits der Labore an. Wer als Einsteiger die Chancen nutzen will, soll die Neugierde des Forschers mit dem Denken anderer Disziplinen verbinden.

Bioinformatik auf dem Vormarsch

Ohne den Einsatz moderner Computertechnik und mathematischer Modelle, die die Bioinformatik schafft, wäre es nicht möglich, die Datenmengen zu analysieren, die bei der Forschung in den Lebenswissenschaften anfallen. Entsprechend wächst die Bedeutung der Bioinformatik. Von Christiane Martin

Die menschliche DNA besteht aus drei Milliarden Buchstabenpaaren – kein Wunder also, dass es erst 2003 gelang, das gesamte Genom zu entschlüsseln. Seitdem versuchen Forscher weltweit, dieses Wissen nutzbar zu machen – etwa zur Erkennung und Behandlung schwerer Krankheiten – und setzen dazu unter anderem die sogenannte Sequenzierungstechnologie der nächsten Generation (Next Generation Sequencing bzw. NGS) ein. Hierbei wird die menschliche DNA in Millionen kleine Bruchstücke zerteilt, die anschließend zeitgleich ausgelesen werden können. Die dabei anfallenden Datenmengen zu bewältigen, ist allerdings eine enorme Herausforderung. Denn die jährlich generierte Menge an digitalen Sequenzinformationen wächst – Experten zufolge soll sie bereits 2015 etwa 1,5 Milliarden DVDs entsprechen.

Lösungen bietet hier die Bioinformatik, ein junges, aufstrebendes Fach, das versucht, mit Methoden der Informatik auf diese Anforderungen der Biowissenschaften zu reagieren – vor allem im Bereich der Medizin, aber auch der Bio- und Lebensmitteltechnologie, der Biologie, Biochemie, Chemie und der Pharmazie. Entsprechend sind Bioinformatiker heiß umworbene Spezialisten, wie Frank Garbelmann, Director Human Resources im dänischen Bioinformatikzentrum der Biotechnologiefirma Qiagen, weiß. „Der Kreis ist klein, und die meisten tingeln um die ganze Welt, um ihren Forschungen nachgehen zu können“, sagt der 49-Jährige. Als Bioinformatiker müsse man neben den Fachkenntnissen auch ein gewisses Maß an interkultureller Kompetenz mitbringen, um in internationalen Teams weltweit agieren zu können.

Dass man dafür mit einem spannenden und vor allem weitreichenden Aufgabengebiet belohnt wird, das dazu beitragen kann, Leben zu retten, bestätigt Garbelmanns Kollegin Anika Joecker. Sie hat an der Universität Bielefeld Bioinformatik studiert und dann an den Genomen von Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Krebs geforscht – bis sie 2011 nach Dänemark ging und bei einer heute zu Qiagen gehörenden Bioinformatikfirma anfing. Hier arbeitet sie nun als Global Product Manager am menschlichen Genom. „Es ist letztlich egal, ob Pflanze oder Mensch – die Bioinformatik liefert Methoden, die bei beiden angewendet werden können“, erklärt die 33-Jährige. Aktuell arbeitet sie an einer Software zur Erkennung von Genmutationen in Krebs. Ihr Ziel dabei: von der DNA zur Diagnose und dann zur Therapie zu kommen. „Auf Knopfdruck“, sagt Anika Joecker und blickt damit zuversichtlich in die Zukunft.

Aufgestiegen zum Herstellungsleiter

Das Erste, was man zu hören bekommt, wenn man als Apotheker in geselliger Runde über seine Arbeit erzählt, ist: „Ah, ein Pillendreher! Dann hast Du sicher eine eigene Apotheke?“ Nein, habe ich nicht und auch nie gewollt. Ein Erfahrungsbericht von Dr. Kai Hückstädt.

Dr. Kai Hückstädt, 37 Jahre
Pharmazie-Studium
eingestiegen 2006
als Projektmanager
aufgestiegen 2011
zum Herstellungsleiter in der Aenova-Gruppe

In den letzten Jahren der Schulzeit hatte ich großartige Lehrer, die es verstanden haben, meine schlummernde Begabung für Naturwissenschaften in reges Interesse zu verwandeln. So habe ich dann nach Abitur und Wehrdienst das Pharmaziestudium an der Universität Kiel aufgenommen; bereits nach den ersten Praktika merkte ich, dass eine Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke mich auf Dauer nicht zufrieden machen wird; parallel entwickelte sich meine Leidenschaft für die Pharmazeutische Technologie und die Herstellung von Arzneimitteln. Im Hauptstudium reifte dann der Entschluss, in die Pharmaindustrie zu gehen. Zunächst promovierte ich jedoch, um dann bei Haupt Pharma in Münster, einem heute zur Aenova-Gruppe gehörenden Unternehmen, als Projektmanager für den Bereich Qualitätskontrolle einzusteigen – verbunden mit der Option nach zwei Jahren in den Bereich Herstellung wechseln zu können.

Während dieser zwei Jahre gehörte unter anderem die Qualifizierung – also die Überprüfung – von Geräten und Anlagen zu meinen Aufgaben. Mit dem Wechsel in die Herstellung ging ich zunächst nach Malta, wo ein neuer Produktionsstandort errichtet wurde und ich die Produktionsanlagen qualifizierte sowie die Betreuung des Prozesstransfers und der Prozessvalidierung übernahm. Zurück in Münster stieg ich in den damals neuen Bereich der Produktion von oralen Kontrazeptiva (Antibaby-Pillen) ein. Hier bekam ich die Verantwortung als Projektleiter für den Bereich Prozesstransfer übertragen und wurde später Produktionsleiter eines 30 Mann starken Teams. Heute arbeite ich am Standort Regensburg. Hier war kurzfristig die Position des Herstellungsleiters für hochpotente und zytotoxische Arzneimittel zu besetzen. Dieser Karriereschritt war leicht umzusetzen, da die meisten Standorte der Aenova-Gruppe in Deutschland sind und die intensive Zusammenarbeit untereinander gezielt gefördert wird.

Die Tätigkeit als Pharmazeut in einer Apotheke ist sicher alles andere als anspruchslos und ich habe die größte Hochachtung vor allen Kollegen, die sich in der heutigen Zeit in das Abenteuer „eigene Apotheke“ stürzen – ich jedoch habe meine persönliche Berufung in der industriellen Fertigung von Arzneimitteln gefunden.

Geschmackssache

Margarethe Plotkowiak, 30 Jahre, ist promovierte Lebensmittelchemikerin und arbeitet als Food Specialist bei Gelita in Eberbach.

Anwendungsbezogene Themen haben mich bereits während meines Studiums der Biotechnologie an der Fachhochschule Mannheim fasziniert. Im Anschluss promovierte ich im Bereich Lebensmittelchemie zum Thema Fleischprodukte an der Queen’s University in Belfast. Nach der Promotion habe ich im Bereich Qualitätswesen bei Coca-Cola und bei Diageo, einem Hersteller alkoholischer Getränke, erste Erfahrungen gesammelt. Doch dann zog es mich zurück nach Deutschland. Mir war es wichtig, dass meine neue Tätigkeit im Lebensmittelbereich einen echten Nutzen für den Konsumenten hat. So stieg ich als „Food Specialist“ bei Gelita ein, einem Hersteller von Kollagenproteinen, wie zum Beispiel Gelatine.

Endverbraucher kennen Gelatine meist nur als Blattgelatine oder als Zutat von Gummibärchen. Dabei kann Gelatine viel mehr: Überall, wo Geliermittel, Stabilisatoren, Bindemittel, Emulgatoren, Filmbildner, Schaumbildner und Aufschlagmittel benötigt werden, kommt sie zum Einsatz. Unterschiedliche Einsatzgebiete erfordern unterschiedliche Gelatinetypen. Und hier komme ich ins Spiel: Ich berate Kunden aus der Lebensmittelindustrie hinsichtlich der passenden Gelatinesorte für die gewünschte Anwendung und unterstütze sie mit meinem Know-how bei der Produktentwicklung. Das können Back- oder Süßwaren, aber auch Fleischprodukte und Getränke sein. Und gerade diese Vielfältigkeit – heute Wackelpudding, morgen Schinken in Aspik und tags darauf fettreduzierte Käse-Sahne-Torte – macht mein Berufsfeld so spannend. Kein Tag ist wie der andere.

Für meine Arbeit gibt es kein Patentrezept. Jeder Kunde hat eigene Anforderungen, die es bei der jeweiligen Rezeptur umzusetzen gilt. Dabei weist Gelatine je nach Aufarbeitung und eingesetztem Rohstoff andere Eigenschaften auf, was weitere Herausforderungen mit sich bringt. Denn am Ende muss das jeweilige Produkt nicht nur hervorragend schmecken, sondern auch lange haltbar und bissfest sein. Auch Textur sowie Farbe müssen stimmen und die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. Das kann beispielweise die Auslobung auf der Produktverpackung betreffen: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit hier fettreduziert stehen darf? Dieses spannende Aufgabenfeld fasziniert mich: Ich habe meinen Traumjob gefunden.

Jung und erfolgreich bei: Sanofi

Mein Vater erkrankte früh an Multipler Sklerose (MS). Ich hatte den Wunsch, seine Krankheit zu verstehen, um ihm und anderen MS-Kranken zu helfen. So war mein Interesse am Facettenreichtum der Biologie erwacht. Von Dr. Michelangelo Canzoneri

Name: Dr. Michelangelo Canzoneri
Position: Head of Technology and Innovation Therapeutic Proteins
Stadt: Frankfurt am Main
Alter: 34 Jahre
Studiengang: Bioingenieurwesen
Schwerpunkt: Biotechnologische Verfahren
Interessen: Sport und Musik
Berufliches Ziel: Am Durchbruch der personalisierten Medizin mitwirken

Meine Eltern unterstützen meinen Entdeckerdrang und schenkten mir in jungen Jahren ein Mikroskop. Das war faszinierend: Nun konnte ich die Biologie bis ins Details beobachten. Ich nutzte früh eine Kamera und den Computer, um meine Beobachtungen zu dokumentieren und auszuwerten. Biologie und Technik – für diese Kombination konnte ich mich früh begeistern.

Ein Studium des Bioingenieurwesens an der FH Aachen, Standort Jülich, lag da auf der Hand. Hier konnte ich durch die Kombination von Bio- und Ingenieurwissenschaften einen ersten Einblick in die Welt der Biotechnologie erhalten. Nach dem Studium sammelte ich zunächst Berufserfahrung bei Kourion Therapeutics/ViaCell., einem Biotechunternehmen mit dem Fokus auf Stammzellforschung. Die Mitarbeit an unterschiedlichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten und mein großes Interesse für Bioverfahrenstechnik und Bioprozessoptimierung bestärkten mich in der Entscheidung, den nächsten Schritt zu gehen und an der Universität Bielefeld in diesem Bereich zu promovieren.

Im Dezember 2008 kam ich dann als Laborleiter zu Sanofi. Ich arbeitete im Bereich der Prozessentwicklung für die Herstellung von Proteinen in Zellkulturen. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte ich Produktionsverfahren zur Herstellung von Substanzen, die in klinischen Studien getestet werden. Mit hoher Sorgfalt und Begeisterung fürs Detail werden hier die Herstellungsverfahren im Bioreaktor beleuchtet. Dabei bringen Wissenschaftler aus verschiedenen Gebieten ihre Fachkompetenz ein. Unser Unternehmen ermöglicht mir die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in einem globalen Umfeld sowohl mit internen als auch mit externen Partnern.

Da mir die Aus- und Weiterbildung von Studenten wichtig ist und mein Arbeitgeber den Kontakt zu Hochschulen wünscht und fördert, halte ich seit 2012 an der Fachhochschule Frankfurt eine Vorlesung über Bioverfahrenstechnik. Seit Sommer 2014 habe ich eine neue Herausforderung angenommen und arbeite in dem neu gegründeten, global organisierten Team „Technology and Innovation in Sanofi Biologics“. Hier beschäftige ich mich über die Unternehmensbereiche hinweg mit der Erarbeitung und Umsetzung eines Konzeptes für Therapeutische Proteine. Ich freue mich darauf, in der neuen Position meine Erfahrung und meinen wissenschaftlichen Hintergrund einzubringen und gleichzeitig das strategische und unternehmerische Denken in einem Großkonzern besser kennenzulernen.